Sperre nicht ausdehnen kann auf alle Zugänge zu diesem District. Also auch dieses Mittel würde ich, vorbehaltlich besserer Belehrung, die mir zu Theil werden sollte, nicht als wirksames Mittel ansehen
können.
8 Abg. Wisser (b. k. F.): Man habe alle Ursache, auf die er⸗ hobenen Forderungen immer wieder zurückzukommen; denn es handele sich nicht nur um Schleswig⸗Holstein, sondern um die landwirthschaft⸗ lichen Verhältnisse im ganzen deutschen Vaterlande. Am besten würde man die Schwierigkeiten überwinden, wenn man durch Beseitigung der Schutzzölle bessere Ausfuhrverhältnisse für die landwirthschaftlichen
Erzeugnisse, also auch für das Vieh schaffe.
Abg. Freiherr von Pfetten (Centr.) widerspricht einer Aus⸗ dehnung und Verschärfung der bestehenden Vorschriften, während der Abg. Graf von Holstein (conf.) eine strengere Aufsicht für das Gebiet des Hamburger Viehmarktes empfiehlt.
Hamburgischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Dr. Burchard: Eine solche Controle bestehe bereits.
Abg. von Kardorff (Rp.): Die Ereignisse würden ihm Recht eben; eine Verschärfung des Gesetzes werde sich schon in den nächsten
ahren als nothwendig erweisen. 8 1
Abg. Dr. Bamberger (dfr.) wünscht Auskunft über die Ge⸗
schäftsergebnisse der unterstützten Dampferlinie nach Ostafrika.
Staatssecretär Dr. von Beetticher:
Der Herr Vorredner hat mich allerdings vor einigen Tagen
davon in Kenntniß gesetzt, daß er mich nach der Lage der ost⸗
afrikanischen Dampferlinie fragen werde; aber ich bedaure, ihn doch täuschen zu müssen in der Erwartung, daß er von mir detaillirte
Auskunft erhalte. Die Sache liegt nämlich so, daß wir bisher ein
vollständiges amtliches statistisches Material über den Verkehr dieser
Linie nicht besitzen. Wir sind zunächst angewiesen auf die Mitthei⸗
lungen in dem Jahresbericht des Aufsichtsraths und des Vorstandes
der deutschen Ost⸗Afrikalinie, der auch dem Herrn Vorredner zugäng⸗ lich gemacht sein wird. Daneben habe ich aber aus der Colonial⸗ abtheilung des Auswärtigen Amts in Erfahrung gebracht, daß man dort den Werth der Ein⸗ und Ausfuhr auf dem Wege der
Ost⸗Afrika⸗Dampferlinie auf 20. Millionen schätzt, und daß
diese Schätzung insbesondere beruht auf dem Ertrage der
Ein⸗ und Ausfuhrzölle, die in Ost⸗Afrika erhoben werden.
Diese Zölle haben nämlich einen Ertrag von 1 500 000 ℳ
ergeben, und, da sie 5 % vom Werthe ausmachen, so war man be⸗
rechtigt, die Schätzung auf den Betrag von 16 bis 20 Millionen an⸗ zulegen.
Wenn der Herr Vorredner diesem Unternehmen kein günstiges Prognosticon für die Zukunft gestellt hat, so möchte ich ihn auch hier bitten, doch abzuwarten, wie sich die Dinge gestalten werden. Es ist wirklich außerordentlich schwer, in diesem Moment mit einiger Sicherheit zu prophezeien, ob die Linie wirklich prosperiren wird oder nicht. Das hängt ja von einer ganzen Reihe von Bedingungen und Einflüssen ab, die auf diese Linie einwirken.
Daß aber doch Ost⸗Afrika ein Ziel ist, das nicht so ganz un⸗ begehrenswerth erscheint, das möchte ich aus der Thatsache schließen, die sich ebenfalls aus dem Bericht des Aufsichtsraths und des Vorstandes der Linie ergiebt, daß sie ganz außerordentlich unter der Concurrenz einer portugiesischen Linie und verschiedener englischer Linien zu leiden habe, und daß diese concurrirenden Linien eine derartige Fracht⸗ unterbietung vorgenommen haben, daß daraus die geringen Ein⸗ nahmen der Ost⸗Afrikalinie an Fracht sich erklären.
Also ich bin der Meinung, wir müssen abwarten. Nach einem 1 ¼jährigen Betriebe läßt sich ein sicheres Urtheil über die Vortheile des Unternehmens noch nicht ziehen; und ich gebe mich meinerseits im Gegensatz zu dem Herrn Abg. Dr. Bamberger der Hoffnung hin, daß wir uns künftig doch noch darüber verständigen werden, daß es ein nützliches und vaterländisches Unternehmen gewesen ist, dem wir die Subvention zugewendet haben.
Abg. Dr. Bamberger (dfr.): Das Reich gebe doch 900 000 ℳ. jährliche Unterstützung zu dem Zwecke, die Einfuhr aus und die Ausfuhr nach dem überseeischen Gebiet zu fördern. Inwieweit die deutsche Industrie von dieser Leistung Vortheile ziehe, darüber be⸗ sage die Antwort des Staatssecretärs nichts. Lasse sich aber darüber überhaupt nichts sagen, so. habe man doch eine Thorheit begangen, diese Unterstützung zu “ denn die Reisegelegenheit sei durch vorhandene Linien besser und billiger als durch die deutsche
b 8 Kapitel 7a, allgemeine Fonds, wird darauf bewilligt. Der Rest des Ordinariums des Etats des Reichsamts des
Innern wird ohne erhebliche Besprechung bewilligt.
Beim Extraordinarium, und zwar bei der Forderung von
40 000 ℳ zur Aufdeckung des limes Romanus, kommt
Abg. Dr. Lieber (Centr.) auf seine Ausführungen in zweiter Lesung iber die Verdienste des Herrn von Cohausen um dieses Unternehmen und über das Verhalten des Professors Mommsen darin zurück.
Redner erklärt, daß er durch den in der „Nation“ veröffentlichten
Artikel des Professors Mommsen im wesentlichen befriedigt sei, da er venigstens einigermaßen dem verdienstvollen Limesforscher Gerechtigkeit
widerfahren lasse. (Vgl. unter „Kunst und Wissenschaft, den Brief⸗
wechsel zwischen dem Professor Mommsen und dem Geheimen Ober⸗
Regierungs⸗Rath Dr. Althoff. D. Red.) b
Abg. Dr. Barth (bfr.) stellt fest, daß die Angriffe des Abg. Dr. Lieber auf den Professor Mommsen durchaus unberechtigt ge⸗ wefen seien, zumal die Behauptung, daß Mommsen bei dieser Ge⸗ legenheit mit einer selbst in Deutschland seltenen Unanständigkeit ver⸗
ahren sei.
Abg. Dr. Lieber (Centr.) behauptet dem gegenüber, daß auch der Artikel in der „Nation“ an Verunglimpfungen des Obersten von
Cohausen das Menschenmögliche leiste. 1
Abg. Dr. Barth (bfr.) bestreitet dies entschieden.
Bei der Position für den Nord⸗Ostsee⸗Kanal bringt Abg. Thomsen (b. k. F.) verschiedene Beschwerden vor.
Nach einer kurzen Erwiderung des Staatssecretärs Dr. von Boetticher, wodurch sich der Abg. Lorenzen (bfr.) befriedigt erklärt, wird der Titel bewilligt, ebenso der Rest des
Eetats des Reichsamts des Innern und ohne jede Besprechung
der gesammte Militär⸗Etat.
Die Fortsetzung der Etatsberathung wird um 5 ¼ Uhr
auf Dienstag 12 Uhr vertagt.
Senator
Statistik und Volkswirthschaft.
Roheisenproduction. Niuach den statistischen Ermittelungen des Vereins veenchs. Eisen⸗ und Stahlindustrieller belief sich die vaxhe en⸗ roduction des Deutschen Reichs (einschließlich Luxemburgs) im Monat “ 1892 auf 378 700 t; darunter Puddelroheisen und Spiegel⸗ eeisen 143 969 t, Bessemerroheisen 26 725 t, Thomasroheisen 156 978 t, Giießereiroheisen 51 028 t. Die Production im Februar 1891 betrug 331 660 t, im Januar 1892 408 375 t. Vom 1. Januar bis 29. Februar 1892 wurden producirt 787 075 t gegen 680 015 t im gleichen Zeit⸗ raum des Vorjahres.
Von der Handweberei. “
Wie die „Schles. Ztg.“ erfährt, sind im Laufe des verflossenen Winters von der Militärverwaltung Lieferungen von Wäschestücken und Bettlaken im Gesammtwerthe von 250 000 ℳ an solche schlesische Fabrikanten vergeben worden, welche Handweber aus den Kreisen Glatz, Waldenburg, Neurode, Schweidnitz, Reichenbach und Landeshut beschäftigen. Die Vergebung erfolgte ausdrücklich zum Zwecke der Versorgung der vielfach mit Arbeitslosigkeit kämpfenden Handweber mit Arbeit. Bei der Vergebung der Lieferungen sind auch besondere Bürgschaften dafür vorgesehen worden, daß nur solche Handwebwaaren abgeliefert werden, die von Webern der I sechs Kreise her⸗ gestellt sind. Die „Schles. Ztg.“ bemerkt hierzu: „Wenn in neuerer Zeit die in diesem Winter aus den Kreisen schlesischer Handweber laut gewordenen Klagen über Mangel an Arbeit zum größten Theile verstummt sind, so ist dies wohl in erster Linie diesem dankenswerthen Vorgehen der Militärverwaltung zuzuschreiben.“
— Wohlthätigkeit 8 ““
Dem Verein gegen Armennoth in Dresden ist ein großes Geschenk zu theil geworden, dessen Ursprung jedoch unbe⸗ kannt bleiben soll. Das Geschenk besteht aus 117 000 ℳ in Staats⸗ papieren und soll dem „Chemn. Tabl.“ zufolge zur Erbauung billiger Arbeiterwohnungen verwandt werden, um einem Nothstand für manche arme Familie abzuhelfen.
Der verstorbene Bürgermeister Martini in Glauchau und dessen Gattin haben nach dem „Chemn. Tgbl.“ der Stadt folgende Vermächtnisse ausgesetzt: 1000 ℳ für die dortige Kinder⸗ bewahranstalt, 1000 ℳ für das Waisenhaus, 500 ℳ für die Herberge ber Heimath, 15 000 ℳ zur Errichtung einer Stiftung für verschämte
rme.
Febniief eahss in Bayern. 1
Die Jahresberichte der bayerischen Fabrikinspectoren für das Jahr 1891 sind soeben im Auftrage des Königlich bayerischen Staats⸗ Ministeriums des Innern, Abtheilung für Landwirthschaft, Gewerbe und Handel, veröffentlicht worden. Diese, vier an der Zahl, füllen 150 Seiten in Großquart; beigegeben sind ihnen Mittheilungen der König⸗ lichen Bergbehörden Bayerns über den Schutz der Bergarbeiter, insbeson⸗ dere der jugendlichen Arbeiter in den Bergwerken und den dazu gehörigen Aufbereitungsanstalten. Jeder dieser vier Jahresberichte behandelt in fünf Abtheilungen: I. Allgemeines, und zwar 1) eine Uebersicht über die Lage der Industrie, und 2) eine Uebersicht über die gesammte Dienstthätigkeit. II. Jugendliche Arbeiter, ferner Arbeiterinnen und Arbeiter im allgemeinen, sodann Statistisches, die Handhabung der scleblichen Bestimmungen, die Beschäftigungsweise, die gesundheits⸗ schädlichen Einflüsse und Sonstiges. III. Schutz der Arbeiter vor Gefahren, resp. vorhandene und angeordnete Schutzvorrichtungen, die gesundheitsschädlichen Einflüsse, resp. die vorgekommenen Unfälle. IV. Schutz der Nachbarn genehmigungspflichtiger Anlagen. V. Wirth⸗ schaftliche und sittliche Zustände der Arbeiterbevölkerung; Wohlfahrts⸗ einrichtungen; Verschiedenes, statistische Beilagen und eichnungen.
Den einzelnen Berichten entnimmt die „Allg. Ztg.“ Folgendes: Die Zahl der in Oberbayerns und Schwabens Fabriken be⸗ schäftigten Arbeiter betrug am 1. August 1886 48 346, am 1. Januar 1891 67 089 (darunter 18 874 weibliche), am 1. Januar 1892 68 111 (darunter 19 386 weibliche); seit dem Jahre 1886 hat also die Arbeiter⸗ zahl um 40 % zugenommen.
Fabrikinspector Dyck inspicirte in Niederbayern und der Oberpfalz 694 Betriebe, in denen überhaupt 20 768 Arbeiter, dar⸗ unter 16 583 erwachsene männliche, 2909 Arbeiterinen und 1276 jugendliche (hiervon 45 unter, 1231. über 14 Jahre) beschäftigt waren.
Fabrikinspector Kopf unterzog in Mittel⸗ und Oberfranken 537 Betriebe 550 Inspectionen, in welchen 25 192 Arbeiter, darunter 7494 weibliche und 1860 jugendliche (und zwar 166 unter und 1694 über 14 Jahre) beschäftigt waren.
Fabrikinspector Kröller inspicirte in Unterfranken und der Rheinpfalz 539 Fabrikanlagen, in denen 33 223 Arbeiter, darunter 6020 erwachsene weibliche und 3933 jugendliche (wovon 364 unter und 3569 über 14 Jahre) beschäftigt waren.
Bewegung der Bevölkerung im Großherzogthum Baden im Jahre 1890. Die Gesammtzahl der im Berichtsjahre Geborenen betrug 53 152, von denen 27 248 Knaben und 25 954 Mädchen waren; auf je 1000 Einwohner kamen 32,1 Geburten. Von den Geborenen kamen 97,28 % lebend und 2,72 % todt zur Welt, 91,72 % wurden ehelich und 8,28 % unehelich geboren. Im Vergleich mit dem Jahre 1889 war die Zahl aller Geborenen um 1332, die der Lebendgeborenen um 1284, die der Todtgeborenen um 48 kleiner; ehelich Geborene gab es 1184, unehelich Geborene 148 weniger. Die allgemeine Geburtsziffer ist von 33,/1 auf 1000. Einwohner auf 32,1. das Verhältniß der Todtgeburten zu allen Geburten von 2,74 auf 2,72 %, dasjenige der unehelichen Geburten von 8,35 auf 8,28 % ge⸗ fallen. Im Berichtsjahre 1890 starben 38 205 Personen, von 1000 Einwohnern 23,1. Von den Gestorbenen waren 51,06 % männlich, 48,94 % weiblich. Für die männliche Bevölkerung betrug die Sterb⸗ lichkeit 24,1 auf 1000, für die weibliche Bevölkerung 22,1 auf 1000. Das Alter von 0—4 Jahren war mit 38,18 %, dasjenige von 60 Jahren und mehr mit 29,71 %, beide zusammen mit 67,89 % an der Gesammtzahl der Gestorbenen betheiligt; das zweite Jahrzehnt des Alters lieferte nur 3,93 %, das dritte 5,56 % der Ge⸗ storbenen. Von den Kindern des ersten Lebensjahres starben 21,74 %, von denen des zweiten 4,03, des dritten 1,91, des vierten 1,45, des fünften 1,01 %, während von den 5 bis 9 Jahre alten Kindern nur 0,51, von den 10 bis 14 Jahre alten nur 0,34 % starben. In den nächstfolgenden Jahren nimmt die Sterb⸗ lichkeit wieder zu, bis sie in der Klasse der über 80 jährigen mit 27,74 % mehr als ein Viertel der Lebenden betrug. Wie gewöhnlich war bei dem weiblichen Geschlecht im Jahre 1890. die Sterblichkeit in den ersten Lebensjahren geringer, dann bis in die 30 er oder 40 er Jahre im allgemeinen stärker als beim männlichen Geschlecht. Die allgemeine Sterblichkeit war derjenigen des Vorjahres gleich. Der Ueberschuß der Geborenen über die Gestorbenen betrug 13 501. Die Bevölkerung würde um diese Zahl oder um 0,82 % zugenommen haben, wenn sie nicht auch infolge des Unterschieds der Zahl der aus dem Lande Weggezogenen und Zugezogenen sich änderte; in der Regel überwiegt der Wegzug und gleicht den Geburtenüberschuß großentheils aus. Ehen wurden im Berichtsjahre 11 970 geschlossen, auf 1000 Einwohner 7,2. Die Heirathsziffer, welche im Jahre 1872 die Pöhe von 9,9 erreicht hatte, ank von da ab bis 1880 nach und nach auf 6,4; seitdem haben die Eheschließungen ununterbrochen, wenn auch langsam, wieder zu⸗ enommen; auch in den obigen Zahlen liegt gegen das Vorjahr eine d Andererseits wurden im Jahre 1890 10 248 Ehen auf⸗ nämlich 10 128 durch den Tod des einen Ehegatten 120 durch Scheidung. Somit vermehrten sich die be⸗ stehenden Ehen um 1722. Die Zahl der Auflösungen durch den Tod war größer als in irgend einem früheren Jahre, mit Ausnahme von 1871. Die Zahl der Ehescheidungen war gleich der des Jahres 1889, im Vergleich zu den weiteren Vorjahren hoch, indem sie nur von derjenigen des Jahres 1886 (132) übertroffen wird. Nach der Religion gemischte Ehen wurden im Jahre 1890 1608 ge⸗ schlossen (13,43 % aller Heirathen), etwas weniger als 1889, aber mehr als in irgend einem früheren Jahre. Die Staatsangehörigkeit erwarben im Jahre 1890 807 Personen durch urkundliche Aufnahme und 725 fremde Frauen durch Heirath, während 1448 Personen sie urkundliche Entlassung aufgaben und 1264 Frauen durch Heirath verloren.
gelöst, und
Zlur Arbeiterbewegung.
In Hamburg werden die socialdemokratischen Vereine der drei dortigen Reichstagswahlkreise am 1. Mai, der diesmal auf einen Sonntag fällt, wieder eine „Demonstration“ zu Gunsten des Acht⸗Stunden⸗Arbeitstages veranstalten. Das Programm
8
lautet nach dem „Hamb. Corr.“: Festzug, Feier mit Rede, Co Volksfest. Wohin der Festzug gehen soll, ist noch nicht bestimnmueert
In Leipzig fand am Sonntag eine Versammlung der Be arbeiter (Maurer, Zimmerer, Hilfsarbeiter u. s. w.) statt 8-488 Bericht über den Halberstädter Congreß anzuhören; die Versammluen war aber, der „Lpz. Ztg.“ zufolge, nur von 100 Personen bes ung Aus dem Bericht ist zu erwähnen, daß 44 000 organisirte ducht. arbeiter auf dem Congresse durch 38 Delegirte vertreten waren dr Versammlung sprach sich noch in zustimmendem Sinne für die 8 richtung einer emeinschaftlichen Herberge aller Bauarbeiter aus 8
Aus der Niederlausitz wird der „Mgdb. Ztg.“ unter d 27. d. Mts. geschrieben: Auf dem Klettwitzer Braunkohlen. werke haben etwa 70 Arbeiter, meist polnische, dieser Tage d übeit niedergelegt. Die Gendarmerie mußte vier Hauptruhestörer
nehmen.
Aus Gadebusch wird dem „Vorwärts“ mitgetheilt, daß in de dortigen Stuhlfabrik von Fließ u. Co. 47 Arbeiter wegen Auf⸗ wiegelung die Entlassung erhalten haben, daß jedoch diejenigen, welche die Erklärung abgaben, weder dem Verbande anzugehören noch Social⸗ demokraten zu sein, und ferner sich verpflichteten, bis Renschr in der
abrik zu bleiben, die Arbeit fortsetzen durften. Ausgesperrt blieben schließlich 22 Arbeiter, worunter acht Ledige, die inzwischen abgereist sind. Die meisten gehörten dem Verbande an.
Der Vorstand des Verbandes deutscher Barbier⸗Friseur⸗ und Perrückenmacher⸗Gehilfen beruft einen Congreß zum 2. und 3. Mai nach Köln a. Rh. 1
In Rixdorf wurde, wie der „Vorwärts“ mittheilt, in einer Versammlung der Maurer von Rixdorf, Britz und Umgegend eine Resolution angenommen, die sich für Verwirklichung der auf dem Halberstädter Congreß aufgestellten Ziele aussprach.
Nach einem Londoner Telegramm der „Voss. Ztg.“ sind die Bergleute im Westen Durhams des Ausstands bereits müde In einer am Sonnabend abgehaltenen Massenversammlung wurde der Beschluß gefaßt, den Bundesrath der Bergleute zu ermächtigen Unterhandlungen mit den Arbeitgebern anzuknüpfen. Die Berg⸗ leute in den übrigen Kreisen zeigen sich jedoch unnachgiebig und drohen W welche die Heranziehung von Militär erforderlich machten.
Das von den Schiedsrichtern in der Angelegenheit des auf der Canadian⸗Pacificbahn ausgebrochenen Ausstandes (vgl. Nr. 74 d. Bl.) abgegebene Urtheil ist, wie ein Telegramm des „D. B. H.“ meldet, zu Gunsten der Gesellschaft und gegen die Aus⸗ ständigen ausgefallen. Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗
Maßregeln.
Der Gesundheitsstand in Berlin blieb in der Woche vom 13. bis 19. März ein der Vorwoche ähnlicher, und auch die Sterb⸗ lichkeit hat nur wenig zugenommen (von je 1000 Einwohnern starben, aufs Jahr berechnet, 20,6). Etwas seltener als in den Vorwochen kamen acute Entzündungen der Athmungs⸗ organe zum Vorschein, auch war der Verlauf im allgemeinen ein milderer. Auch Erkrankungen an epidemischer Grippe blieben selten, doch wurden noch immer aus der der Berichtswoche vorangegan⸗ genen Woche 3 Todesfälle an Grippe gemeldet. Dagegen traten wieder mehr acute Darmkatarrhe, besonders unter den Kindern zu Tage und endeten in größerer Zahl tödtlich. Die Betheiligung des Säug⸗ lingsalters an der Sterblichkeit war gleichfalls eine größere; von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 68 Säuglinge. Von den Infectionskrankheiten kamen Erkrankungen an Masern und Diphtherie in fast gleicher Zahl wie in der Vorwoche zur Anzeige. Masern zeigten sich im Stralauer Viertel und in Moabit am häufigsten; Er⸗ krankungen an Diphtherie wurden aus keinem Stadttheile in nennens⸗ werther Zahl zur Anzeige gebracht. Etwas zahlreicher gelangten auch Er⸗ krankungen an Scharlach, doch in keinem Stadttheil in größerer Zahl, zur Meldung,während Erkrankungen an Unterleibstyphus selten blieben und von Erkrankungen an Kindbettfieber nur zwei bekannt wurden. Rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut kamen häufiger zur Beob⸗ achtung; auch Erkrankungen an Keuchhusten waren nicht selten, die Zahl der durch dieselben bedingten Sterbefälle blieb jedoch eine der Vorwoche ähnliche (9 gegen 11). Eine erhebliche Steigerung zeigten rheumatische Beschwerden der Muskeln, während acute Gelenkrheuma⸗ tismen seltener zur ärztlichen Behandlung kamen.
Aus Dalldorf wird der „Voss. Ztg.“ geschrieben: Die hiesige Schule ist auf Antrag des Kreis⸗Physikus die Polizei geschlossen worden, da unter den Kindern in hohem Grade Diphtheritis herrscht. Vier Kinder sind bereits der tückischen Krankheit erlegen.
St. Petersburg, 27. März. In Rostow am Don und in Nowotscherkask ist, wie der „N. Pr. 3.“ berichtet wird, eine ver⸗ heerende Typhus⸗Epidemie ausgebrochen. Die Stadt Rostow wurde in sechzehn Sanitätsquartiere eingetheilt, die von je einem Arzt überwacht werden; die Arbeiten auf der nach Sukhum führenden Chaussee mußten eingestellt werden, da fast sämmtliche Wegearbeiter erkrankt sind. In Kalatsch bei Nowotscherkask fallen täglich gegen fünfzig Personen der Krankheit zum Opfer; die in Nijnetschirsk stationirten Truppen sind infolge der Epidemie fast decimirt worden.
Verkehrs⸗Anstalten.
Laut Telegramm aus Venlo ist die erste englische
Post über Vlissingen vom 28. d. M. ausgeblieben. Grund:
Sturm auf See. — Laut ““ aus Köln (Rhein) hat die erste
englische Post über Ostende vom 28. d. M. den Anschluß
in Köln nicht erreicht. Grund: Sturm im Kanal.
Bremen, 28. März. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Werra“ ist heute Vormittag in New⸗York
eingetroffen. 18
— 29. März. (W. T. B.) Der Schnelldampfer „Aller“ ist am 26. März Nachmittags von New⸗York via Southampton 8” der Weser abgegangen. Der Schnelldampfer „Werra', am 16. März von Genua und am 18. März von Gibraltar abgegangen, ist am 27. März in New⸗York angekommen. Der Postdampfer „Darmstadt“ ist am 26. März Nachmittags von New⸗Yor nach Europa in See gegangen. Der Postdampfer „Dresden“, von Baltimore kommend, hat am 27. März Seilly passirt. Der Post⸗ dampfer „Köln“, nach Brasilien bestimmt, hat am 26. März Las Palmas passirt. Der Postdampfer „Leipzig“, am 25. März von Bremen abgegangen, ist am 26. März Nachts in Antwerpen ange⸗ kommen. Der Postdampfer „Ohio“ hat am 27. März Nachmittags die Reise von Vigo nach Antwerpen fortgesetzt. Der Reichs⸗Post⸗ dampfer „Hohenzollern“, nach Australien bestimmt, ist am 27. März Vormittags in Genua angekommen.
Hamburg, 28. März. (W. T. B.) Hamburg⸗Ame⸗ rikanische Packetfahrt „Actiengesellschaft. Der Post⸗ dampfer „Suevia“ ist, von Hamburg kommend, gestern Morgen in New⸗York eingetroffen. Der Postoangfer „Bavaria“ hat, von New⸗York kommend, heute Nachmittag Sdilly passirt.
Triest, 28. März. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Pandora“ ist, von Konstantinopel kommend, heute Vormittag hier eingetroffen.
London, 29. März. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer „Garth Castle“ hat am Sonnabend auf der Ausreise die Cana⸗ rischen Inseln passirt. Der Castle⸗Dampfer „Norham Roslin Castle“ ist am Sonnabend auf der Ausreise von Southampton abgegangen. Der Castle⸗Dampfer „Gran⸗ tully Castle“ ist am Sonntag auf der Heimreise in Plym uth und heute in London angekommen. 3
8
nzeiger und Königlich Preußischen
Berlin, Dienstag, den 29. März
Preußischer Landtag. Herrenhaus.
7. Sitzung vom Montag, 28. März.
Der Sitzung wohnen “ des Staats⸗Ministeriums Graf zu Eulenburg, der? ice⸗Präsident des Staats⸗Ministe⸗ riums Dr. von Boetticher, der Minister des Innern Herr⸗ furth, der Justiz⸗Minister Dr. von Schelling, der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch, der Finanz⸗Minister Dr. Miquel, der Minister für Land⸗ wirthschaft ꝛc. von Heyden, der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen und der Minister der geistlichen ꝛc. An⸗ gelegenheiten Dr. Bosse bei. Feescor dem Eintritt in die Tagesordnung nimmt das Wort
der Präsident des Staats⸗Ministeriums, Staats⸗Minister Graf zu Eulenburg, um eine gleiche Erklärung wie im Hause der Abgeordneten (siehe unten den Bericht) abzugeben.
Auf der Tagesordnung steht zunächst die Berathung der Denkschrift über die Ausführung des Gesetzes vom 26. April 1886, betreffend die Beförderung deutscher Ansiedlungen in den Provinzen Westpreußen und Posen für das Jahr 1891.
Der Berichterstatter Herr von Graß hebt hervor, daß das reichliche Angebot von größeren Gutscomplexen nicht bloß seitens der Polen, sondern auch seitens der Deutschen den Beweis erbringe, daß die Landwirthschaft im Nordosten sich in einer bedrängten Lage befinde. Eine schwere Last für die Ansiedlungscommission sei die Uebernahme der zwischenzeitlichen Verwaltung der angekauften Güter, die nament⸗ lich durch die hohen Anforderungen der Ober⸗Rechnungskammer hervor⸗ gerufen sei. Besonders sei es nicht gut möglich, zu unterscheiden zwischen den Ausgaben der laufenden Verwaltung und denjenigen, welche für die spätere Ansiedlung gemacht würden. Die Ansiedlungen hätten in der letzten Zeit erhebliche Fortschritte gemacht. Der Be⸗ richterstatter beantragt, in Uebereinstimmung mit dem Abgeordneten⸗ haufe den Bericht durch Kenntnißnahme für erledigt zu erklären.
Freiherr von Durant empfiehlt der Regierung, wenigstens für die ersten Jahre die von den Ansiedlern zu zahlenden Renten und Amortisationen zu ermäßigen; namentlich solle man die Amortisations⸗ frist für die Drainagedarlehen auf 40 Jahre ausdehnen. Für das Kirchen⸗ und Schulwesen habe der frühere Vorsitzende der Commission, dessen spätere Wirksamkeit als Cultus⸗Minister bei allen im Be⸗ kenntniß stehenden Leuten Anerkennung gefunden habe, wohl hinreichend gesorgt; es sei aber zu wünschen, daß in dem Bericht eine Ueber⸗ sicht über die kirchlichen Verhältnisse gegeben werde.
Fürst Ferdinand Radziwill dankt dem Referenten, daß er alles vermieden habe, was dazu dienen könne, den Schmerz der Polen zu erregen. Im anderen Hause habe der Abg. Seelig sich allerdings vom wirthschaftlichen Standpunkte aus mit dem Vorgehen der Ansiedlungscommission einverstanden erklärt, allein zugleich aus⸗ gesprochen, daß er politisch noch auf dem früheren ablehnenden Standpunkt stehe. 3
Der Bericht wird darauf durch Kenntnißnahme für er⸗ ledigt erklärt.
Es folgt die Berathung des Staatshaushalts⸗Etats für 1892/93. 8— Die Budgetcommission in der aus dem Abgeordnetenhause die Fasttaeceae zu geben.
Der General⸗Berichterstatter Herr von Pfuel gie n B dauern darüber Ausdruck, daß der Etat wieder so spät — nämlich 19. März — an das Herrenhaus gelangt sei, dessen Commission in drei Sitzungen die Berathungen habe erledigen müssen.é Ihm selbst hätten nur zwei Tage zur Abfassung des Berichts zur Verfügung gestanden. Aus dem Etat gehe hervor, daß die Lage der Staatsfinanzen sich weniger günstig gestaltet habe, als in den Vorjahren, und die Even⸗ tualität eines Fehlbetrags habe nur durch die Beobachtung besonderer Sparsamkeit bei Aufstellung der Ausgaben, insbesondere durch Zurück⸗ stellung der anerkannt nothwendigen Aufbesserung der Besoldungen der Staatsbeamten vermieden werden können. Die Balancirun sei ermöglicht durch Aufgeben von Perasetih en Forderungen bei den Etats der einzelnen Ministerien und Verwaltungen. Er schließt mit der Bitte um Annahme des Antrages der Budgetcommission.
In der Generaldebatte ergreift zunächst das Wort:
Wirklicher Geheimer Rath von Kleist⸗Retzow: Er sei bei Beginn der Sitzung nicht anwesend gewesen; man habe ihm mit⸗ getheilt, daß der Minister⸗Präsident auf das Volksschulgesetz ver⸗ zichtet habe, weil im anderen Hause keine Verständigung über das⸗ selbe zu erzielen gewesen sei. Er sei von dieser Er lärung auf das Höchste überrascht, denn eine Verständigung über die Vor⸗ lage würde in der Commission sowohl wie im Hause erzielt worden sein, und wenn das Gesetz veröffentlicht worden wäre, so hätte sich die Beunruhigung bald gelegt. Denn nur durch eine solche Vor⸗ lage könne Ruhe und Friede im Lande geschaffen werden.
Freiherr von Manteuffel: Eine Novelle zum Unterstützungs⸗ wohnsitzgesetz sei seitens des Reichskanzlers in Aus icht gestellt worden; auf eine Anfrage habe der Staats⸗Minister von Boetticher noch vor kurzem im Reichstage erklärt, daß die Novelle dem Bundesrathe zu⸗ gegangen sei. Es werde aber in der kurzen Zeit, die der Reichstag noch zusammen sein dürfte, nicht mehr möglich sein, eine solche Vorlage zu berathen. Sie dürfte daher auf ein Jahr verschoben sein und er möchte die preußische Regierung bitten, dieser Vorlage ihre Aufmerk⸗ samkeit zuzuwenden. Redner empfiehlt die Aenderung des Gesetzes dahin,
daß die Zeit zur Erwerbung eines selbständigen Unterstützungs⸗ wohnsitzes früher als mit dem 24. Lebensjahre beginne. Die Ge⸗ meinden, in denen die Leute unterstützungsbedürftig würden, sollten auch die Unterstützung übernehmen. Freilich werde man nicht umhin können, an der Freizügigkeit zu rütteln, Die Entrüstung gegen einen solchen Gedanken habe er, als er die Sache angeregt habe, gar nicht merken können. Ein Mittel gegen die übermäßige Freizügigkeit würde die Vorschrift sein, daß jeder neu Anziehende nachweisen müsse, daß er eine gesunde und ausreichende Wohnung habe. Die Prozesse in den letzten Zeiten hätten bewiesen, welche Miß⸗ stände in Berlin und in den anderen See. vorhanden seien. Ein weiteres Mittel würde die Wiedereinführung des Einzugsgeldes vielleicht in der Form einer Caution sein, die beim Abzug wieder ausgezahlt würde, wenn die Leute die Armenpflege nicht in An⸗ spruch genommen hätten. Den Städten müsse doch allmählich angst werden bei dem großen Zuzug, namentli nach den letzten Vorgängen in Berlin. Die „Vossische Zeitung“ sage, daß die Leuté trotz ihrer Arbeitslosigkeit in Berlin blieben und trotz guter Löhne keine Arbeit auf dem Lande annähmen. Deshalb müsse den Städten ein Schutz gewährt werden; man. solle es nicht in ihr Belieben stellen, ein Einzugsgeld einzuführen, sondern das müsse durch Gesetz zwan sweise geschehen. Wenn unsere Eisenbahntarife sich den Ionentarisen näherten, dann werde die Auswanderung aus dem Osten nach dem Westen zunehmen. Er mochte daher dringend vor dem Zonentarif warnen. Es sei eigentlich ein Widerspruch in sich selbst, daß man erst nach dem 24. Jahre einen
stellt den Antrag, dem Etat hervorgegangenen Fassung
giebt dem Be⸗
selbständigen Unterstuͤtzungswohnsitz erwerben, aber von frühester Jugend
an beliebig umherziehen könne. Mindestens müsse man jungen Leuten bis zum 18. Jahre die freie Bewegung nehmen; denn gerade in diesen Jahren vor dem Eintritt in die Armee werde die böse Saat der Socialdemokratie den Gemüthern eingepflanzt. Deshalb seien die Socialdemokraten so siegesgewiß in Bezug auf die Armee. „Graf von Klinckowström spricht seine Befriedigung dar⸗ über aus, daß die Regierung den Wünschen des Ostens wegen Zulassung russischer Arbeiter entgegengekommen sei. Man habe bei der Arbeitslosigkeit im Westen den Versuch gemacht, die Arbeiter nach dem Osten. zurückzuführen; die Agenten hätten ermittelt, daß die jungen Leute fast sämmtlich der Socialdemokratie anheimgefallen, also für das Land unbrauchbar seien. Die älteren verheiratheten Leute er⸗ klärten, daß sie sich trotz der höheren Löhne im Westen schlechter ständen, daß sie alle Ersparnisse aufgezehrt hätten. Es seien einige Familien durch Contracte zurückgeführt worden. Er möͤchte den Minister bitten, für diese zurückkehrenden Personen die Eisenbahntarife herabzusetzen. Gerade in der jetzigen Zeit sei eine Reform der Freizügigkeit nothwendig, auch im Interesse der Arbeiter. Die Socialdemokratie habe seit der Auf⸗ hebung des Socialistengesetzes nicht abgenommen, sie habe sogar ge⸗ sunde Organe ergriffen, nämlich das Land. Bei den Reichstagsersatz⸗ wahlen hätten die Genossen das Land überschwemmt und die Arbeiter⸗ bevölkerung unzufrieden gemacht. Gesetzliche Mittel zum Schutze habe man nicht. Die Socialdemokraten betrieben die Agitation auf dem Lande sypstematisch. Da die Landleute königstreu und fromm seien, so müßten der König und die Religion aus dem Spiele bleiben; es müsse gegen die Gutsbesitzer gehetzt werden. Das seien keine politischen Parteimänner, die solche Hetzereien erdächten, sondern elende Volksverführer. Redner verweist auf den Aufsatz von Engels, der einen geradezu hochverrätherischen Inhalt habe. Den Interessen der Arbeiter würden alle Wohlgesinnten ihre Auf⸗ merksamkeit zuwenden, aber ihre Ideale würden sie sich nicht rauben lassen. Die französischen Socialisten blieben Franzosen; die deutsche Socialdemokratie sei aber keine deutsche Partei; sie müsse vernichtet werden, und wenn es nicht anders gehe, durch Gewalt. (Beifall.)
Graf von Bnin⸗Bninski spricht die Hoffnung aus, daß der neue Cultus⸗Minister von der Haltung seines Vorgängers den Polen gegenüber nicht abweichen werde. Der König von Gottes Gnaden werde sich der Nothwendigkeit der Gerechtigkeit mehr bewußt sein, als die im Parteitreiben stehenden Männer. Die Polen würden sich stets im Augenblick der Gefahr um den Monarchen schaaren.
Freiherr von Durant: Niemals habe das Haus vor ähnlichen Ereignissen gestanden wie jetzt. Es sei klar estellt worden, wo die Elemente seien, die dem Staate seinen cristlichen Charakter erhalten wollten; er bedaure, daß der Abg. von Kardorff im Reichstage er⸗ klärt habe, die freiconservative Partei sei einstimmig gegen das Volksschulgesetz; er (Redner) glaube nicht, daß die Anhänger der frei⸗ conservativen Partei im Lande sich damit einverstanden erklären würden. Dem Grafen Zedlitz habe er seine Anerkennung bereits ausge⸗ sprochen; er müsse auch dem Reichskanzler Grafen von Caprivi Dank sagen für die ritterliche Art, mit welcher er den Grafen Zedlitz unterstützt habe. Das habe lauten Widerhall gefunden bei allen christlich⸗conserpativ Gesinnten. Er habe schon beim Sperrgeldergesetz gesagt, daß alles auf die Frage ankomme: Was dünket euch von Christo? Man sei auf dem besten Wege zu diesem Grundprincip gewesen, der Weg sei wieder verlassen worden; er wolle hoffen, daß dadurch kein Schaden entstehe. (Beifall.) 5
Ober⸗Bürgermeister Zweigert verweist auf den Normal⸗Etat und hält es für unzweckmäßig, daß das Abgeordnetenhaus die Re⸗
ierung in dieser Beziehung auf Jahre hinaus habe binden wollen.
In den Ausführungen des Herrn vou Kleist⸗Retzow sehe er keinen Eingriff in die Rechte der Krone, er könne sie⸗ aber nicht unwider⸗ sprochen lassen. Er und mit ihm Viele im Hause und die Mehrheit im Lande seien erfreut darüber, daß das Volksschulgesetz fallen gelassen worden sei. (Beifall.)
Finanz⸗Minister Dr. Mique 1.
Meine Herren! Ich werde Gelegenheit nehmen, über den Etat zu sprechen, wenn das Haus den Etat zu berathen anfangen wird, und will mich heute nur darauf beschränken, den Bemerkungen des letzten Herrn Vorredners in Bezug auf die Gestaltung des Etats, die Ver⸗ merke, die Bewilligung auf mehrere Jahre sich erstreckender Credite, insofern entgegenzutreten, als in diesen Aeußerungen gewissermaßen ein Vorwurf zu liegen schien, daß das Abgeordnetenhaus bezw. selbst die Staatsregierung durch ihr Entgegenkommen gegenüber dem Ab⸗ geordnetenhause die Rechte des Herrenhauses nicht genügend beachte.
Ich muß sagen: ganz habe ich den Herrn Vorredner nicht ver⸗ standen; ich glaube aber, seine Bemerkungen zielten auf solchch Ver⸗ merke, welche von vornherein bestimmte Summen im Etat, auf ver⸗ schiedene Jahre vertheilt, festlegen. Er hat gemeint, es würde da⸗ durch auch das Recht der Krone bezw. der Staatsregierung geschädigt, es entstände eine Art Zwangslage für die Staatsregierung. Meine Herren, für die Staatsregierung kann aus der Einstellung von Ausgaben in den Etat, wie ich hiermit ausdrücklich betone, ein Zwang, diese Ausgaben wirklich zu machen, überhaupt nicht entstehen. Der Etat ist ein Voranschlag, es werden in diesem Voranschlag der Staatsregierung bestimmte Credite bewilligt; ob sie in der Lage und geneigt sein wird, von diesen Crediten Gebrauch zu machen, das ist lediglich Sache der Executive. Wenn also Credite auf mehrere Jahre bewilligt werden, so kann in dieser Beziehung ebenso wenig eine Zwangslage für die Staatsregierung bezw. für die Krone ent⸗ stehen. Ob in einer Bemerkung oder im Etat selbst von vornherein eine größere Summe, auf Jahre vertheilt, in Aussicht genommen wird, das ist doch wohl ganz gleich⸗ gültig. Wir bewilligen ja jedes Jahr oft eine Hauptsumme, indem wir einen bestimmten Bau bewilligen, stellen aber eine Rate ein, weil wir in einem Jahre nicht größere Summen verwenden können, und es bleibt immer vorbehalten, den nächstfolgenden Etatsvermerk wieder zu streichen oder die zweite Rate nicht zu bewilligen, wenn man näm⸗ lich den Bau nicht weiter ausführen will. Das ist also auch nur ein Voranschlag und hat keineswegs bindende Bedeutung. Hierdurch kann die Stellung des Herrenhauses zum Etat nach meiner Meinung in keiner Weise berührt werden. Allerdings können ja Bemerkungen anderer Art im Etat möglicherweise aufgenommen werden, auch gegen den Willen der Staatsregierung, und sie hat dann sich die Frage zu stellen, ob dieselben von einer solchen Bedeutung sind, daß man daraufhin zu einer Verwerfung des ganzen Etats kommen kann, bezw. ob die Staatsregierung sich nach der Richtung an das Herrenhaus wenden will, welches gerade diese Function für die äußersten Fälle nach der Verfassung auszuüben hat. Von irgend einem Conflict der Rechte, also zwischen beiden Häusern und der Staatsregierung, kann nach meiner Meinung gar nicht die Rede sein.
Ober⸗Bürgermeister Bötticher: Er könne nur seine vollste
“
ger. 1892
Befriedigung aussprechen über die Zurückziehung des Volksschulgesetzes,
weil dadurch der religiöse Friede wieder hergestellt sei. (Beifall.) Fürst Hatzfeldt: Herr von Kleist⸗Retzow habe dem Minister⸗
Präsidenten etwas Falsches untergelegt. Die Ansichten der freiconser⸗
vativen Partei kenne der Abg. von Kardorff wohl besser als Herr von Durant. Den Weg des Christenthums habe man in Preußen nicht verlassen; man habe christliche und confessionelle Schulen und könne sie ohne Gesetz im Wege der Verwaltung aufrecht erhalten. Der Tag, an dem das Schulgeset eingebracht worden sei, sei ein dies nefastus gewesen; denn die Befriedigung der Wünsche der Katholiken würde einen bedenklichen Culturkampf heraufbeschworen haben. Des⸗ halb freue er sich über den Verzicht auf die Vorlage. (Beifall.) Graf von der Schulenburg⸗Beetzendorff: Er würde gern eine Aeußerung der städtischen Vertreter über die Frage der Freizügigkeit gehört haben. Das platte Land leide durch die Fluth⸗ wellen der Arbeiterwanderungen, nicht bloß durch dier Verminderung der Arbeiter, sondern auch die der Lasten, welche die Vagabondage mit sich bringe. Die Einführung von Einzugsgeldern, der Nachweis
einer passenden Wohnung und die Ermäßigung des Alters für die Erwerbung eines selbständigen Unterstützungswohnsitzes seien passende Mittel zur Abhilfe; aber werde jetzt eine solche Vorlage ausgearbeitet werden? Der Minister⸗Präsident ohne Portefeuille habe doch zu wenig Einfluß und der Reichskanzler habe mit der Aufgabe des Ministerpräsidiums die Wurzel seiner Kraft verloren. Der Reichskanzler habe das mißachtet. Als Reichskanzler habe er gegen einen Beamten die Untersuchung eingeleitet; als Minister⸗Präsident habe er die Auslassung eines hohen Beamten, welche zu den be⸗ kannten Städtetagen geführt habe, unwidersprochen gelassen.
Präsident des Staats⸗Ministeriums, Staats⸗Minister Graf zu Eulenburg:
Meine Herren! Es ist weniges, was ich zu erwidern habe auf die so eben gehörte Rede, aber etwas Nothwendiges.
Zunächst mache ich darauf aufmerksam, daß der Herr Reichs⸗ kanzler gegen die Angriffe, die so eben gegen ihn ausgesprochen worden sind, sich zu vertheidigen an diesem Ort nicht in der Lage ist. (Zuruf: Minister der auswärtigen Angelegenheiten!) Ich glaube nicht, daß er Ursache hatte anzunehmen, daß diese Angelegenheit in dieser Weise heute zur Sprache kommen würde. Es fällt daher naturgemäß seine Vertheidigung, soweit sie nothwendig erscheint, mir zu.
Ich habe sie zunächst nach der Richtung hin zu führen, die zuletzt von dem Herrn Vorredner erwähnt worden ist. Er hat dem Herrn Reichskanzler vorgeworfen, in seiner bisherigen Doppelstellung als Reichskanzler und preußischer Minister⸗Präsident mit ungleichem Maße Beamten des Staats gegenüber verfahren zu haben. Ich glaube, der Vorwurf ist — man mag die Sache selbst beurtheilen, wie man will — von diesem Gesichtspunkt aus ein un⸗ gerechter. Herr Graf von der Schulenburg kann unmöglich übersehen, daß die Aeußerung, die er auf der einen Seite im Auge gehabt hat, im Reichstage erfolgt ist, wo sie frei war von irgend welcher Verfolgung, daß der Herr Reichskanzler daher nicht in der Lage war, wegen dieser Aeußerung einzuschreiten. Die andere Sache aber hat der Herr Reichskanzler nicht als solcher in Angriff genommen, sondern als preußischer Minister der auswärtigen Angelegenheiten.
Was ferner die Doppelstellung betrifft, die sich jetzt verwandelt hat in die alleinige Stellung des Reichskanzlers, so glaube ich, daß die Befürchtung, es könne dadurch eine Lockerung in den Beziehungen des Reichs zu Preußen eintreten, nicht zutrifft. Wenn der Herr Reichskanzler am Schluß seiner Rede im Reichstag darauf hingedeutet hat, daß er für seine Stellung auf die Beibehaltung des Präsidiums im preußischen Staats⸗Ministerium nicht das entscheidende Gewicht legte, so geht nach meiner Auffassung aus seinen vorhergehenden Aeußerungen unzweifelhaft hervor, daß dies sich nur auf das Aeußere der Stellung bezog, nicht aber bedeuten sollte, daß er nicht ebenso wie Herr Graf von der Schulenburg der Meinung wäre, daß seine Beziehungen zu Preußen der starke Unterbau wären, welchen er auch in seiner jetzigen Stellung nicht aufzugeben geneigt sei. Dieser Auffassung bin auch ich, und sind, wie ich gewiß bin, meine sämmt⸗ lichen Herren Collegen. Wenn auch der Herr Reichskanzler nicht mehr den Vorsitz im preußischen Staats⸗Ministerium führt, so bleibt er doch Mitglied desselben, und unsere Beziehungen zum Reich werden durch diese Veränderung in keiner Weise auch nur die geringste Aende⸗ rung erfahren. Wir wissen in Preußen recht wohl, daß der enge Zu⸗ sammenhang zwischen dem Reich und Preußen die nothwendige Grund⸗ bedingung für eine gedeihliche Entwickelung in Deutschland ist, und jeder von uns wird nach Kräften dazu beitragen, daß hierin niemals eine Aenderung eintritt, und auf diese Weise das Wohl des engeren wie des weiteren Vaterlandes ebenso gefördert wird wie bisher. (Leb⸗ haftes Bravo!)
Graf von der Schulenburg⸗ Beetzendorff bemerkt that⸗ sächlich, daß er nicht die Einleitung einer Untersuchung gewünscht habe, denn alles Denunciren liege ihm fern.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:
Meine Herren! Ich habe geglaubt, daß ich der Nothwendigkeit überhoben sein würde, hier bei dem Etat heute noch das Wort zu ergreifen. Ich halte es nicht für geboten und nicht für nützlich, unter den obwaltenden Verhältnissen auf den Volksschulgesetzentwurf, der zurückgezogen ist, zurückzukommen. Er ist für die nächste Zeit beseitigt, und ich glaube, es ist patriotischer, jetzt vorwärts zu sehen als rückwärts. (Bravo!)
Meine Herren, es ist hier die Aeußerung gefallen, daß mit dem Zurückziehen des Schulgesetzes der christlich⸗conservative Boden der Schulverwaltung verlassen wird. Worauf sich diese Annahme gründet, ich muß sagen, meine Herren, das ist mir vollständig unerfindlich. (Sehr richtig!) Denn, meine Herren, der christlich⸗conservative Charakter der preußischen Unterrichtsverwaltung und auch die Confessionalität der Unterrichtsverwaltung und ihre Grenzen, sie sind vorgezeichnet durch unsere Verfassung; und die Verfassung wird für jeden Unterrichts⸗Minister und jede Unterrichtsverwaltung in Preußen die unveräußerliche und nicht zu verlassende Grundlage bleiben für das, was in ührem Ressort zu geschehen hat; selbstverständlich auch für mich. Da aber diese Befürchtung hier ausgesprochen ist, so halte ich es doch für richtig, mich auch hier offen darüber auszusprechen, wie
ich zu dieser Frage stehe