1892 / 78 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 30 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

diesem Tisch aus seitens des berufensten und sachkundigsten Vertreters der verbündeten Regierungen die Erklärung abgegeben worden ist, daß diese Kreuzer⸗Corvette K nothwendig ist für die Wehrkraft des Reichs. Dies wird all den Herren wahrscheinlich noch in frischer Erinnerung sein.

Unerörtert und unerwähnt darf ich nicht lassen, daß auch heute noch die verbündeten Regierungen voll und ganz auf dem Boden der Vorlage stehen, daß sie auch heute noch den größten Werth darauf legen, den Bau dieser Eorvette K in Angriff genommen zu sehen, und die verbündeten Regierungen sind den

Herren Antragstellern zu großem Dank verpflichtet und hoffen, daß dieser Antrag im Reichstage durchgehen wird.

Ich möchte die Herren nur an einiges erinnern. Die hier in Frage stehende Corvette ist eine von den sieben Corvetten, welche durch das Programm 1889 90 gefordert wurden; es sollte im Etatsjahre 1894/95, also binnen zwei Jahren, die letzte dieser Corvetten fertig gestellt sein. Augenblicklich ist erst eine im Bau; dies wäre die zweite. Wir würden also im Jahre 1894/95, wenn diese Corvette bewilligt würde, glücklichsten Falls zwei statt sieben von diesen Corvetten haben. Meine Herren, darüber kann wohl kein Zweifel sein, und es darf nicht Wunder nehmen, daß dieser Verzug einen Einfluß haben wird und haben muß auf den Kreuzerdienst der Flotte im Kriege und im Frieden.

Meine Herren, nun weiß ich ja sehr wohl aus den Verhandlun⸗ gen, die hier geführt sind, daß ein Theil dieses Hauses diesem Zustand keine große Bedeutung beilegt, daß von diesem Theil des Hauses ge⸗ sagt wird: daraus wird kein großer Schaden erwachsen. Das weiß ich; das ist hier zur Erörterung gekommen. Aber, meine Herren, vom Standpunkt der verbündeten Regierungen aus bleibt unbestritten, daß die Entwickelung der Kaiserlichen Marine Schaden leidet, wenn ihr dieser Typ von Fahrzeugen nicht bewilligt wird.

Ich kann mich darauf berufen auf Autoritäten des Inlandes und des Auslandes, auf alle Sachverständigen und alle Sachkundigen, daß solche Schiffe, wie auch schon der Herr Abg. von Bennigsen hier die Güte hatte zu erwähnen, zu den unentbehrlichen Bestandtheilen

einer Flotte gehören; sie können ein Factor werden des Einflusses in der Seekriegführung sogar sehr übermächtigen Marinen gegenüber. Das wollte ich nur hier vom Standpunkte der Sachkundigen aus constatirt haben.

Und, meine Herren, dieses Haus ist in früherer Zeit derselben Ansicht gewesen. Ich möchte hier daran erinnern, daß vor nahezu zwanzig Jahren, von heute zurückgerechnet, der hohe Reichstag es für nothwendig erachtet hat, der deutschen Marine zwanzig Schiffe dieser Art zuzusprechen, das heißt zwanzig Kreuzer⸗Corvetten und Kreuzer⸗ Fregatten in die Marine einzustellen als nothwendigen Bestandtheil der Flotte. Meine Herren, wie steht es heute? Heute nach zwanzig Jahren haben wir zehn Schiffe dieser Art statt zwanzig, und von diesen zehn Schiffen sind acht so gut wie auf dem Aussterbe⸗Etat. Ich will nicht sagen, daß diese Schiffe unbrauchbar sind, das sind sie nicht; aber sie sind für die Kriegsführung nicht mehr im vollen Sinne zu gebrauchen, wie ich schon in der Commission zu bemerken mir erlaubte. Denn erstens haben sie nur eine Schraube, und zweitens sind sie auf den Gebrauch der Takelage und Segel an⸗ gewiesen. Das ist für den heutigen Kreuzerkrieg eine Unmöglichkeit. Ich glaube, daß diese Zahl und diese Zustände für sich sprechen; ich glaube, daß es eines weiteren Commentars gar nicht mehr bedarf, und ich möchte Sie bitten, anzuerkennen, daß diese Forderung von Seiten der verbündeten Regierungen auf Grund dieser Zahlen und Zustände wenigstens eine vollberechtigte ist. (Bravo!)

Von dem Abg. von Kardorff wird namentliche Ab⸗ stimmung über den Antrag Manteuffel beantragt.

Abg. Dr. Barth (bfr.): Seine Partei sei keineswegs der Meinung, daß diese C orvette spätestens im nächsten Jahre doch be⸗ willigt werden müsse. Ihre Gründe gegen die Bewilligung seien durchaus genereller Natur. dn den Gründen des Abg. Grafen Ballestrem komme noch der hinzu, daß dem Reiche inzwischen eine neue Last von zunächst neun Millionen Mark durch den Neu⸗ und Ausbau strategischer Bahnen zugemuthet werde. Es handele sich hier um eine nothwendige Ausgabe, und auch seine Partei werde dieselbe vermuthlich bewilligen. Aber schließlich habe die Steuerkraft des Reichs auch ihre Grenzen, und man werde genöthigt sein, da, wo nicht schlechterdings für den Schutz des Reichs eine Aus⸗ gabe nothwendig sei, zu sparen. Diese Kreuzer⸗Corvette könne erspart werden, ohne daß der Schutz des Deutschen Reichs irgendwie beeinträchtigt werde. Seine Partei bleibe dabei, daß die Handels⸗ flotte durch diese Kreuzer nicht wirksam geschützt werden könne; eine Nothwendigkeit zum Schutze vitaler Interessen des Deutschen Reichs liege nach der Ansicht seiner Partei Üüberhaupt nicht vor. Die Be⸗ fürchtungen wegen der Arbeitscalamität in Stettin erschienen seiner Partei übertrieben, wie der Abg. Dr. Dohrn aus seiner localen Kenntniß heraus noch darlegen werde. Seine Partei werde einstimmig gegen die Bewilligung votiren.

Abg. Graf Arnim (Rp.): Im Jahre 1890 habe der Reichstag die Kreuzer⸗Corvette „G“ bewilligt und sei insofern gebunden. Man habe 7 Kreuzer⸗Corvetten haben wollen, die, bis 1894 fertig gestellt werden sollten. Die Kreuzer⸗Corvetten seien im Interesse der Seeleute wie des Handels gleich nothwendig. Die alten hölzernen Kasten würden den Schiffen der anderen Nationen im Falle eines Seekrieges nicht gewachsen sein. Neue Kreuzer⸗Corvetten seien also zum Schutz von Leben und Sicherheit der Seeleute nothwendig. Wie wichtig sie aber für den Schutz des Handels seien, hätten andere Staaten längst erkannt. England besitze 32, Frankreich 19, Italien 15, Spanien 11 und Nord⸗Amerika 11 Kreuzer⸗Corvetten. Es wäre aufs Aeußerste zu beklagen, wenn lediglich um der Zinsenersparniß von 70 000 willen der Bau abgelehnt würde. Der Bau solle so wie so erfolgen. Von einer Anerkennung des Rechts auf Arbeit könne doch nicht die Rede sein, es handele sich um einen für das Reich nothwendigen 8 dessen Aufschub für das Reich unerwünschte Folgen haben müsse.

Abg. Dr. Dohrn (dfr.): Er könne über den sog. Nothstand in Stettin genaue Daten geben. Der vom Reichskanzler verlesene Brief des Ober⸗Präsidenten habe hier Ueberraschung, in Stettin größtes Erstaunen hervorgerufen. Bis zur Publikation dieses Briefes sei in Stettin von einem Nothstande nichts bekannt gewesen. Nach den Informationen des Ober⸗Präsidenten sollte der Nothstand sich auf ca. 4— 5000 Seelen erstrecken und durch die Unterlassung des Baues ganz beträchtlich vermehrt werden. Dem stehe gegenüber, daß die städtische Verwaltung die nöthigen Kräfte nicht habe beschaffen können, die im Winter mehrmals zur Fortschaffung des Schnees nöthig gewesen seien, daß zahlreiche Arbeiter unter einem Tagelohn von 5,50 nicht hätten arbeiten wollen, daß weder die Ausgaben der städtischen Armenverw altung noch der Consum in den Volksküchen erheblich zugenommen hätten. Allerdings hätten die theueren Lebensmittel in diesem Winter die Lebenshaltung der Arbeiter erschwert, aber die Bevölkerung sei Jahr für Jahr auf einen Stillstand der Arbeit vorbereitet und eingerichtet. Der Ober⸗Präsident erwähne das ja auch. Er sage, daß er zu kurze Zeit in Stettin sei, um

über diese Verhältnisse selbst informirt zu sein. Er sei falsch unterrichtet, und die Folgen einer der⸗ artigen Information seien natürlich nicht ausgeblieben. Eine derartige

Mittheilung wirke auf gewisse Elemente einigermaßen provocatorisch.

Es habe eine Ansammlung von ungefähr 100 Personen stattgefunden, meistens jungen Burschen, die beim Herannahen von 10 oder 12 Schutz⸗ leuten ruhig auseinander gegangen seien. Am nächsten Tage habe sich die Sache in sehr harmloser Weise wiederholt. Dies habe aber mit dem „Vulcan“ nichts zu thun. Der „Vulcan“ könne seine Arbeiter voll beschäftigen. Daß ihm der Bau der Corvette von der Marine⸗Verwaltung versprochen worden sei, sei außerdem ein Inter⸗ num der Gesellschaft, über welches sich die Actionaire mit dem Vorstand auseinanderzusetzen haben würden. Damit fielen die aus dieser Rücksicht geltend gemachten Argumente für die Bewilligung fort. Schwankungen in dem Maße der Aufträge und der Beschäfti⸗ gung der Arbeiter fänden doch auf jeder Werft statt; die Arbeiter gingen eben, wenn die Arbeitsgelegenheit auf dem „Vulcan“ geringer werde, zu anderen Werften über. Schließlich erkläre er noch, daß er sich durch sein heutiges Votum gegen die Position nicht für die Zukunft binden wolle. Er behalte sich vor, je nach der practischen Entwickelung der Marine das zu thun, was er für richtig halte, und danach seine Bewilligung oder Ablehnung einzurichten.

Abg. von Koscielski (Pole): Seine Partei werde geschlossen für den Antrag Manteuffel stimmen, denn es handele sich hier um eine für die Entwickelung der Flotte sehr nothwendige Bewilligung. Wenn man die Nothwendigkeit des weiteren Baues von Kreuzer⸗ Corvetten bestreite, so thue man es wohl lediglich aus Abneigung gegen den Kreuzerkrieg im allgemeinen. Diese Abneigung habe für das Gefühl des Volks etwas Ehrenvolles, aber die Kreuzer seien nicht allein des Kreuzerkrieges wegen da. Sie seien als Begleiter des Geschwaders absolut nothwendig, namentlich wo die ungeschützten Avisos nicht zu verwenden seien. Im deutsch⸗französischen Kriege hätten die Ulanen der feindlichen Armee großen Schrecken eingeflößt. Diese Kreuzer seien die Ulanen des Meeres. Gerade die Wehrhaftigkeit mache es zur Pflicht, in diesem Jahre den Bau dieses Schiffs zu bewilligen, alle anderen Gesichtspunkte seien nebensächlich. Durch die Nichtbewilligung würde man im Falle eines Krieges den Erfolg des Landheeres in Frage stellen. Angesichts der Haltung seiner Partei gegenüber den. Forderungen des Marineamts seien ihr in der Presse vielfach Vorwürfe ge⸗ macht, daß sie weniger aus Interesse für die Marine als aus parteipolitischen Gründen für die bezüglichen Forderungen eintrete. Nichts könne falscher sein als diese Ihre principielle Stel⸗ lung sei genau dieselbe, wier sie sie allen früheren Etats gegenüber eingenommen habe. Sie habe stets das Wohl und die Wehrhaftig⸗ keit des Deutschen Reichs im Auge gehabt. Beim Etat des Land⸗ heeres habe sie nicht Ursache, diesen Standpunkt in gleichem Maße zu betonen, weil sie sich dort in der Majorität befunden habe, hier in der Minorität. Seine Partei gehöre keineswegs zu den destruc⸗ tiven Elementen. Das Reich bedürfe des Schiffes, deshalb stimme seine Partei dafür.

Abg. Rickert (dfr.): Er wolle nicht hoffen, daß durch die letzten Worte des Abg. von Koscielski der Verdacht genährt werden follte, als ob die Parteien, die für die Nichtbewilligung der Kreuzer⸗ Corvette eintreten, destructive Elemente im Staatswesen seien. Die Herren rechts hätten ihre Stellung in dieser Angelegenheit gegen. früher wesentlich verändert. Ohne Beispiel sei es jedenfalls, daß ein Mitglied der polnischen Fraction mehr habe bewilligen wollen als die ganze Commission. Wegen der Bewilligung der Kreuzer⸗Corvette „K“ im nächsten Jahre sei von seiner Partei keinerlei Engagement eingegangen; sie behalte sich das durchaus vor. In der Commission hätten ein Nationalliberaler, ein Pole und zwei Deutschconservative für die Bewilligung gestimmt, alle Uebrigen dagegen. Was habe sich inzwischen geändert; der Reichskanzler habe mit dem Brief des Ober⸗Präsidenten von Puttkamer das einzige neue Moment beigebracht. Aber die Darstellung des Ober⸗Präsidenten von Puttkamer habe sich als nicht ganz correct erwiesen. Seine Partei nehme es Niemand übel, wenn er seine Stellung zwischen der zweiten und dritten Lesung ändere; aber dann habe man nicht das Recht, diejenigen, mit denen man früher derselben Meinung gewesen sei, so hinzustellen, als ob sie das Vaterland durch ihr ablehnendes Votum wehrlos machen wollten. Deutschland habe gar keine Mannschaften für die neu zu bewilligenden Schiffe. Niemand werde es wagen, weder im Inlande noch im Auslande, seiner Partei vorzuwerfen, daß sie für die Marine nicht Alles gethan habe, was das Interesse des Reiches verlange. 32 Millionen bewillige der Reichstag in diesem Jahre für Schiffs⸗ bauten, das sei der vierfache Betrag desjenigen, was der Reichskanzler von Caprivi seinerzeit als Chef der Admiralität als Maximum verlangt habe.

Abg. von Henk (cons.): Die alten Schiffe dieser Art seien zwar

noch brauchbar, aber nicht vollwerthig, die Bewilligung der Kreuzer⸗ Corvette „K“ sei daher nothwendig. Die Schiffe müßten noch vor Ausbruch eines Krieges fertiggestellt werden. Es habe einen eigen⸗ thümlichen Eindruck auf ihn gemacht, als man vor etwa einem Jahre bei der Bedrohung der Landsleute in Chile gerufen habe: „Ja, wo ist denn unsere Flotte!“ Auch durch die Colonialbestrebungen würden hohe Anforderungen an die Marine gestellt und welche An⸗ sprüche werde man nicht erst im Fall eines Krieges an dieselbe stellen! Deshalb bitte er, man möge die Forderung zum Ausbau der Flotte bewilligen. Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Wenn Jemand für die Be⸗ willigung sei, der in zweiter Lesung dagegen gewesen sei, so habe er eben seine Meinung geändert; das habe Abg. Rickert ja auch gethan, der früher alle Forderungen der Marineverwaltung bewilligt habe. In der Commission hätten seine Fractionsgenossen gegen die drei neu geforderten Schiffe gestimmt, aber, wie er von ihnen wisse, mit der Absicht, im Plenum für die dringendste dieser Forderungen ein⸗ zutreten, und als diese habe sich eben die Kreuzer⸗Corvette „K“ erwiesen. Wenn man meine, diese eine Corvette sei nicht ausschlaggebend für die Wehrfähigkeit der Marine, so könnte man ebenso gut sagen: von einem Bataillon hänge die Wehrfähigkeit nicht ab, man könne es streichen; aber eben von dem Zusammenwirken aller Bataillone hänge die Wehrfähigkeit ab, keines dürfe man streichen, und so komme es auf das Zusammenwirken aller Schiffe an. Die Rücksicht auf die Arbeitslosigkeit der Arbeiter des „Vulkan“, meine der Abg. Graf Ballestrem, könne den Glauben erwecken, als erkenne man ein Recht auf Arbeit an, und diesen Glauben dürfe man nicht aufkommen lassen; darin gebe er ihm Recht. Aber wenn man eine Forderung, die im nächsten Jahr doch bewilligt werden müsse, mit Rücksicht auf die Arbeitslosigkeit schon jetzt genehmige, so vermeide man eben, daß solche Zustände einträten, in denen die Arbeiter, wie 1848, genöthigt seien, das Recht auf Arbeit zu proclamiren.

Abg. Rickert (dfr.): Nach dem Protocoll hätten die Fractions⸗ genossen des Abg. Freiherrn von Stumm in der Commission bei ihren Ablehnungen keinen Vorbehalt gemacht, im Plenum für ein Schiff zu stimmen, sondern sie hätten Alle vorbehaltlos gegen alle Schiffe gestimmt. Daß er früher für alle Forderungen der Marineverwaltung gestimmt hätte, sei nicht richtig; er habe, wo er es für nöthig gehalten habe, Abstriche gemacht. Die Herren stellten es jetzt so dar, als ob von der einen Kreuzer⸗Corvette „K“ die Wehr⸗ fähigkeit Deutschlands abhänge. Wenn das so aufgefaßt werden solle, daß mit dieser Corvette die Wehrfähigkeit hergestellt sei, und der Staatssecretär Hollmann sich verpflichte, im neuen Jahr kein neues Schiff zu fordern, dann solle er dieses Schiff haben.

Staatssecretär Hollmann: Meine Herren! Ich nehme Ihre Aufmerks

amkeit nicht lange in Anspruch, ich möchte nur eine Angabe des Herrn Abg. Rickert be⸗ richtigen; denn wenn sie unwidersprochen hinausgeht, hat man eine falsche Vorstellung von dem, was der hohe Reichstag bewilligt. Herr Abg. Rickert sagte, es sind 32 Millionen der Marine zugebilligt; ich

würde mich freuen, wenn es so wäre. Aber es ist sehr viel weniger. Der hohe Reichstag bewilligt in diesem Jahre für Schiffsneubauten 20 910 000 ℳ, darunter sind aber 3 300 000 für Torpedoboote, so daß es also ungefähr auf 18 Millionen hinauskommt. Dazu kommen noch 6 ½ Millionen für die Artillerie und 873 000 für Torpedos. Das ist das eine, und nun kommt das andere.

Es ist gesagt worden, damals im Jahre 1888 wären 8 Millionen gefordert worden. Ja es waren 8 Millionen gefordert lediglich für Schiffsbauzwecke. Es steht hier: „S Millionen, so würde eine Summe von rund 8 Millionen jährlich das Minimum dessen sein das behufs Ersatz und Neubauten von Schiffen excl. Artillerie und Tropedoarmirung erforderlich ist“. Es kommt dann hinterher: „sollte innerhalb dieser Frist sich das noch nicht übersehen lassen, so werde eine weitere Vermehrung unserer Tropedoflottille nothwendig werden so würde ebenfalls eine besondere Mehrforderung nicht zu vermeiden sein“. Meine Herren, hier war aber nur die Rede von Ersatz⸗ und Neubauten von Panzerkanonenbooten. Inzwischen sind freilich noch neue Schfffe hinzugetreten. Wenn ich das nun in Berechnung ziehe

2* 2„ 2 4 7 was hier angeführt ist an Ersatzbauten und Panzerkanonenbooten, so fordern wir in diesem Jahre nicht mehr, wie 5 Millioneu ℳ. (Hört! hört! rechts).

Abg. Graf Arnim (Rp.): Wenn der Abg. Rickert meine, man

habe keine Bemannung für die neuen Schiffe, so sei doch selbst⸗ verständlich, daß man die alten Schiffe ausrangiren wolle, sobald die neuen da seien. Sein (des Redners) Patriotismus fühle sich berührt bei dem Gedanken, daß die deutsche Marine in einem Seekriege über⸗ legenen Panzerfahrzeugen gegenüberstehen solle. Sollte, was Gott verhüte, ein solches Schiff mit einigen hundert Mann Besatzung einmal trotz des Opfermuthes der deutschen Seeleute in Grund geschossen werden, so werde man sehen, daß es doch auf ein Schiff ankomme, dann würden die Gegner des Antrages das heutige Votum gewiß bereuen. Abg. Dr. Barth (Sfr.): Er habe durchaus nicht zugesagt, daß seine Partei im nächsten Jahre die Corvette bewilligen wolle. Er habe selbstverständlich nicht die Behauptung aufgestellt, es komme auf eine Corvette mehr oder weniger nicht an; er habe nur gesagt, die Kreuzer⸗Corvetten sollten nach den Erklärungen vom Regierungstische in einem Seekrieg der feindlichen Handelsmarine Schaden bringen, das sei aber für den schließlichen Ausgang des Krieges wenig von Belang, und bei dieser Behauptung bleibe er auch stehen.

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Das sei genau dasselbe, was er vorhin widerlegt habe. Daß nicht alle geforderten Schiffe be⸗ willigt seien, bedauere er sehr, und er habe die Bewilligung heute nicht beantragt, weil er dies für aussichtslos gehalten habe. Die Corvette „K“' habe man herausgegriffen, weil man sie für erreichbar Füelte hgbhe weil diese Forderung die dringendste sei. Er habe nicht gesagt, daß seine Parteifreunde mit einem Vorbehalt für die Ablehnung gestimmt hätten, sondern nur, daß sie sich vorgenommen hätten, für die wichtigste Forderung im Plenum einzutreten.

Abg. Rickert (dfr.): Dem Staatssecretär Hollmann entgegne er, daß er mit 32 Millionen die Höhe der Bewilligungen sogar noch zu niedrig angegeben habe; denn es ständen noch 12 13 Millionen aus früheren Bewilligungen zur Verfügung, die er doch wohl auch noch in diesem Jahre verbauen werde. Von den 32 Millionen nehme

er also nichts zurück.

Damit schließt die Debatte. Persönlich bemerkt

Abg. von Keudell (Rp.): Gegenüber den Ausführungen des Abg. Rickert über die Abstimmung der Commissionsmitglieder, die der Reichspartei angehörten, bemerke er, daß er nicht für die Ablehnung der Schiffe gestimmt habe: er sei verhindert gewesen, jener Sitzung der Commission anzuwohnen, sonst hätte er, wie in der zweiten Lesung im Plenum, für die Bewilligung gestimmt.

namentlicher Abstimmung wird darauf die Forderung mit 177 gegen 109 Stimmen abgelehnt.

Abg. Skadthagen (Soc.) beantragt die Streichung des für die Offiziere, Beamten und Unterchargen auf Helgoland als Theuerungs⸗ zulage ausgeworfenen Betrages von 8600 Es sei eigenthümlich auf Helgoland, daß man nicht recht wisse, was die Offiziere dort eigentlich zu thun hätten, und die Offiziere selbst nicht zu wissen schienen, wer die Seesoldaten zu beaufsichtigen habe und wer im stande sei, dafür zu sorgen, daß solche Schlägereien, wie die am Sedantage, wobei die auf Helgoland stationirte Matrosen⸗Artillerie harmlose Helgoländer, unter denen auch er sich zufällig befunden überfallen hätten, nicht vorkämen. Für die Offiziere würden Theuerungs⸗ zulagen verlangt, während man den dort kurze Zeit beschäftigt gewesenen deutschen Arbeitern eine solche nicht gewähre und an deren Stelle Italiener beim Fortificationsbau eingestellt habe, weil sie billiger arbeiteten. Er bitte, daß die dortige Bauverwaltung mehr Rück⸗ sicht nehme auf die Eingeborenen, zumal die Erwerbsfähigkeit der Helgoländer immer mehr eingeschränkt werde.

Commissar des Reichs⸗Marineamts Geheimer Admiralitäts Rath Perels: Die Marineverwaltung habe auf das sorg fältigste die Preisverhältnisse auf Helgoland untersucht und dabei gefunden, daß wegen der Theuerung der Lebensmittel, des Brennmaterials u. s. w. eine Zulage für die dort stationirten Be amten und Offiziere nöthig sei. Was die Beschäftigung von Arbeitern

anbetreffe, so constatire er, daß zunächst nur Helgoländer dort be⸗ schäftigt worden seien, dann aber Fremde, weil die Helgoländer nicht ausgereicht hätten und auch nicht für alle Arbeiten bei der Forti⸗ fication geeignet gewesen seien. Wegen Lieferung von Lebensmitteln und Aufstellung einer Baracke für die Arbeiter seien 1 mit Helgoländer Kaufleuten Verträge abgeschlossen worden. in Ent⸗ 1e ungen für Landabtretung seien den Bewohnern 30 000 gezahlt.

Abg. Stadthagen (Soc.): Wenn das Reich den Einzelnen Privateigenthum nehme, sei es selbstverständlich, daß sie entschädigt werden müßten; diese Summe komme also hier gar nicht in Betracht.

Der ganze Theil der Insel, der früher als Kartoffelland benutzt worden sei, sei durch die Fortifikation unterminirt, und da sei dann endlich nach heftigem Sträuben der Marineverwaltung etwas gezahlt worden. Aber die Helgoländer seien mit dieser geringen Entschädigung durchaus nicht zufrieden. An Stelle der Helgoländer Arbeiter habe der dortige Bauunternehmer etwa 20 Italiener sich kommen lassen, und auch die Ham⸗ burger Arbeiter seien wieder zurückgeschickt worden; den Helgoländern habe man zwar etwas Arbeit gelassen, nämlich das Ankarren, man könne sich aber nicht wundern, daß sie damit nicht zufrieden seien. Ueberhaupt seien sie durchaus nicht sehr erfreut über ihr neues Vater⸗ land, wie man ja bei der Gedenksteinfeier und heim Sedanrummel esehen habe, woran sich außer der Gemeindevertretung kein Einge⸗ orener betheiligt habe. Der Ueberfall auf harmlose Helgoländer seitens der Marinesoldaten, gegen welche jetzt wegen Landfriedensbruchs gerichtlich eingeschritten werde, trage auch nicht gerade dazu bei, Liebe für Deutschland zu erwecken.

Staatssecretär Hollmann:

Der Herr Vorredner hat zunächst erwähnt, daß bei Gelegenheit der Feier der Uebergabe der Insel am 10. August des vorigen Jahres sich die Helgoländer an dieser Festlichkeit nicht betheiligt haben. Ich weiß nicht, aus welchen Quellen der Herr Vorredner seine Kenntniß hat. Ich kann nur sagen: ich bin bei dieser Feier zugegen gewesen und habe den Eindruck gehabt, daß bei dieser Festlichkeit, die auf dem QOberlande stattgefunden hat, nicht ein einziger Helgo⸗ länder gefehlt hat. (Große Heiterkeit.) Ich möchte sagen, die Stadt war wie ausgestorben, und es wäre auch wunderbat gewesen, wenn die Helgoländer sich von der Festlichkeit ferngehalten hätten. Sie hätten dazu gar keine Veranlassung gehabt.

Zweitens: es ist erwähnt worden, daß bei dem sogenannten „Sedanrummel in Helgoland“ eine Schaar von Matrosen eine kleine Anzahl von harmlosen Helgoländern überfallen hätte. Ich bin leider nicht in der Lage, genaue Auskunft darüber zu geben. Es ist eine Untersuchung über diesen Fall im Gange. Ich kann nur das eine der Wahrheit gemäß constatiren. Auf Helgoland ist ein Detachement

Matrosenartillerie garnisonirt, und bei Gelegenheit der Sedanfeier wurde einem Theile dieser Matrosenartilleristen in einem Vergnügungs⸗ locale von einer Person einer Dame aus Hamburg Freibier ver⸗ abreicht. Kurze Zeit darauf entfernte sich die Spenderin und ging in ein anderes Local hinüber. Diese Matrosenartilleristen folgten in dieses Local und fanden dort dieselbe in der Geseelschaft von Helgoländern, und wenn ich nicht irre, auch in derjenigen des Herrn Abg. Stadthagen. (Schallende Heiterkeit.) Soviel mir bekannt ist, entspann sich nun dort eine Erörterung. Die Matrosen⸗ artilleristen wollten es nicht gern hören, daß an ihrem Tische Reden geführt wurden, die ihren Begriffen der Loyalität nicht entsprachen. (Hört! hört! rechts.) Sie mischten sich dort hinein, und es entstand eine Streiterei, bei welcher freilich zunächst diese Matrosenartilleristen sich in großer Minderheit befanden, während die Helgoländer, die daran theilnahmen, in der Mehrheit waren. Es kam zu einer Schlägerei, und wie sich so etwas entwickelt, wurde das rasch bekannt, und einige von den Matrosen in den anderen Localen begaben sich hinüber und betheiligten sich an dieser Schlägerei, um ihre Kameraden herauszuhauen. Ich kann hier nur der Wahrheit gemäß versichern, daß von einem Ueberfall, wie er von dem Herrn Abg. Stadthagen dargestellt wurde, gar nicht die Rede sein konnte, und daß freilich die Helgoländer bei dieser Gelegenheit den Kürzeren zogen. (Heiterkeit.) Was die Arbeiterverhältnisse an⸗ belangt, die der Herr Abg. Stadthagen hier berührt hat, so muß ich erwähnen, daß diese Arbeiten einem Unternehmer übergeben worden sind. Nicht die Marineverwaltung baut die Befestigungen, sondern weil wir keine Ingenieure haben, die entsprechende Armeebehörde, dieselbe hat den Bau der Werke einem Generalunternehmer übergeben, und dieser Generalunternehmer hat nun auch Arbeitskräfte von dem Festlande herangezogen bezw. auch ita⸗ lienische Arbeiter und zwar letztere aus dem Grunde, weil diese Arbeiter für die Sprengungen, die dort vorgenommen werden zum Zweck des Festungsbaues, sich ganz besonders gut eignen, und, so viel ich weiß, auch bei uns im Deutschen Reich an anderer Stelle zu dem⸗ selben Zweck Verwendung finden.

Welche Löhne dieser Arbeitgeber den Italienern und den anderen Arbeitern zahlt, darüber bin ich nicht in der Lage, irgend welche Auskunft zu geben; ich kann nur hier erwähnen und das werden die Herren sehr erklärlich finden, es wäre ganz unmöglich gewesen, für diese Arbeiten lediglich Helgo⸗ länder heranzuziehen; dazu hätte nicht einmal die Bewohnerzahl, wenn sie sich insgesammt eingestellt hätte, gereicht. Außerdem ist es auch bekannt, daß von Seiten der Helgoländer für solche Arbeiten, die eigentlich nicht zu ihrem Fache gehören, hohe Preise gefordert werden. Wahrscheinlich hat sich also der Unternehmer an solche Arbeitskräfte gewendet, die er für ein billigeres Geld erlangen kann. Dies, meine Herren, habe ich auf die Anfrage des Herrn Abg. Stadthagen zu erwidern.

Abg. Stadthagen (Soc.): Es seien dort 25 Arbeiter im Sommer beschäftigt gewesen, Helgoland habe über 2000. Einwohner, es wäre also wohl nicht schwer gewesen, aus dieser Zahl 25 ge⸗ eignete Arbeiter auszuwählen; wenn aber nicht, so hätte man sie wohl in Deutschland finden können. Statt dessen seien 25 deutsche Arbeiter aus Hamburg wieder zurückgeschickt worden, weil sie zu theuer gewesen seien; eine Theuerungszulage brauchte man den Italienern freilich nicht zu geben. Was das Fest anbetreffe, so sei er selbst zu der Zeit auf Helgoland gewesen. Er habe sich mit etwa 200 ihm persönlich bekannten Helgoländern unten am Strande unterhalten, während oben der Staatssecretair mit der meist aus Badegästen bestehenden Gesellschaft die Feier der Denksteinerrichtung abgehalten babe. Er habe also nicht Unrecht, wenn er behaupte, daß die Helgo⸗ länder sich der Feier ferngehalten hätten, die Helgoländerinnen sich ja oben die Uniformen angesehen haben. Die Schilderung der Schlägerei, welche der Staatssecretair gegeben habe, beruhe auch nicht ganz auf Rich⸗ tigkeit. Er sei damals selbst darin verwickelt worden und abe dabei eine mehrere Centimeter lange Wunde durch ein Stuhlbein davongetragen, als er eine Helgoländerin vor den Soldaten habe schützen wollen. Es sollten dort aufrührerische, unpatriotische Reden gehalten worden sein, als die Matrosen in das Lokal gegangen seien, aus welchem sie der Wirth acht Tage vorher hinausgewiesen habe. Vorher hätten aber die Matrosen erklärt: „Heute Abend sollen die Helgoländer noch Blut sehen!“ Die Schlägerei könne also nicht die Wirkung der an⸗ geblichen unpatriotischen Reden der Helgoländer gewesen sein. Zu den Theuerungszulagen wolle er noch bemerken, daß, wenn solche den Offizieren u. s. w. bewilligt würden, seine Partei auch für die dort beschäftigten Arbeiter eine Zulage beantragen, widrigenfalls sie die Positior ablehnen werde.

Der Antrag wird abgelehnt, die Summe und der Rest des Marine⸗Etats unverändert bewilligt.

Es folgt der Etat der Reichs⸗Justizverwaltung, bei welchem die Abstimmung über die Resolution Bar und Gen., betreffend die Vorlegung eines Gesetzentwurfs wegen Auslieferung von Personen an auswärtige Regierungen, die Ablehnung ergiebt. 1 8 nbg. Liebermann von Sonnenberg (b. k. F.): Der Fall Paasch habe eine große Beunruhigung der öffentlichen Meinung zur 83 gxczs ce. 2 be2 288 10% Folge gehabt und das Gefühl einer Gefährdung der Rechtssicherheit in Deutschland in großen Kreisen erzeug t. Am 22. d. M. habe die Angelegenheit die 3. Strafkammer des Landgerichts I hier beschäftigt (Vice⸗Präsident Graf Ballestrem: Dieser Fall gehört nicht zum Reichs⸗Justizamt, sondern ist eine Landesjustizsache. Beifall.) In der erwähnten Gerichtsverhandlung sei gesagt, daß das Reichsgericht die Instanz für diese Angelegenheit sei. GVice⸗Päsident Graf Ballestrem: Das konnte ich aus den Worten des Redners zu Anfang nicht entnehmen.) Ueber den Kgiserlichen Gesandten in China, Herrn von Brandt, seien seit einer Reihe von Jahren eine große An⸗ zahl von Beschwerden und Klagen seitens deutscher Staatsangehörigen erhoben worden, ohne daß ihnen Gehör gegeben worden sei. In diesem Falle habe es sich speciell um die Klagen des Kaufmanns Karl Paasch gehandelt, welcher in China angelegentlich für das Wohl des eutschen Reichs gewirkt und bei den chine⸗ sischen Behörden großes Zutrauen genossen habe. Ihm sei es zum theil zu verdanken, daß die chinesischen Panzerschiffe in Stettin gebaut worden seien. (Vice⸗Präsident Graf Ballestrem: Soviel ich weiß, hat sich bis jetzt das Reichsgericht nicht mit dieser Sache beschäftigt, dieselbe gehört also nicht hierher. Ich bitte den Redner, nicht in dieser Weise fortzufahren.) Er habe um das Wort ebeten, damit sich das Reichsgericht mit der Sache befasse, und

offe somit zum Etat des Reichsgerichts sprechen zu dürfen (Vice⸗

Präsident Graf Ballestrem: Wenn alle Angelegenheiten hier vor⸗

gebracht würden, mit denen sich das Reichsgericht möglicherweise be⸗ schäftigen könnte, dann wäre des Sprechens kein Ende. Wenn der Redner in gleicher Weise fortfährt, werde ich genöthigt sein, ihn zur Sache zu rufen.) Er wolle seine Ausführungen so knapp und kurz als möglich machen. Paasch habe seine Lebensaufgabe darin gesehen,

in China Eisenbahnen zu schaffen. (Vice⸗Präsident Graf Ballestrem ruft den Redner zum ersten Mal zur Sache.) Unter diesen Umständen müsse er allerdings auf das Wort verzichten. 1 8 8 Beim Titel „Gehalt des Staatssecretärs des Reichs⸗ Justizamts“ bemerkt

8 Abg. Stadthagen (Soc.): Er möchte die Aufmerksamkeit des Staatssecretärs auf einige Verschiedenheiten der Rechtsprechung in

verschiedenen Theilen Deutschlands lenken. (Vice⸗Präsident Graf Ballestrem: Da es nicht Aufgabe des Staatssecretärs ist, Ein⸗ fluß auf die Gerichte zu üben und diese unabhängig sind, so haben solche Ausführungen mit dem Staatssecretär und seinem Gehalte nichts zu thun.) Der Staatssecretär habe die Auf abe, die Gesetzgebung dahin zu revidiren, daß in Zukunft ein einheitliches Recht in Deutsch⸗ land herrsche. (Vice⸗Präsident Graf Ballestrem: Ich werde sehen, ob der Redner sich an die Etatsposition hält, sonst werde ich ihn nicht weiter fortfahren lassen.) In Preußen werde derjenige wegen Kuppelei bestraft, welcher an Prostituirte aus Eigennutz eine Wohnung vermiethe. Verschiedene Bundesstaaten, vor allem Ham⸗ burg, stellten sich hartnäckig auf den entgegengesetzten Standpunkt. (Vice⸗Präsident Graf Ballestrem: Ich kann nicht anerkennen, daß die Ausführungen des Vorredners mit dem Gehalt des Staats⸗ secretärs des Reichs⸗Justizamts in Zusammenhang stehen.) Wenn es nicht Aufgabe des Staatssecretärs sei, für Einheitlichkeit des Rechts im Deutschen Reich zu sorgen, dann habe seine Partei auch keine Ver⸗ anlassung, das Gehalt desselben zu bewilligen. 8

Das Gehalt wird bewilligt, ebenso der Rest des Etats der Reichs⸗Justizverwaltung, desgleichen die Etats des Reichs⸗ Schatzamts, des Reichs⸗Eisenbahnamts, der Reichsschuld, des Rechnungshofes, des allgemeinen Pensionsfonds und des Reichs⸗Invalidenfonds.

Beim Etat der Zölle und Verbrauchssteuern erfolgt die

Abstimmung über den Antrag Menzer auf Vorlegung eines Gesetzentwurfs, wonach der Zoll für Tabackblätter und Stengel von 85 auf 125 erhöht werden soll. Abg. Rimpau (nl.) berichtet namens der Petitionscommission über die für und gegen den Antrag Menzer eingegangenen Petitionen. Es seien 36 dagegen, nur 2 dafür eingegangen. Die Commission beantragt, die Petitionen durch die Beschlußfassung über den Antrag Menzer für erledigt zu erklären. Für den Fall der Annahme des Antrages Menzer haben die Abgg. Hultzsch (cons.), Grumbt (Rp.) und Merbach (Rp.) beantragt, eine Vorlage, betreffend die ent⸗ sprechende Erhöhung der Zollsätze für fabrizirten Taback, von den verbündeten Regierungen zu fordern.

Abg. Brünings (nl.) empfiehlt nochmals die Annahme des Antrags Menzer im Interesse der pfälzischen Tabackbauer, bittet aber eventuell die Regierung, zu erwägen, ob nicht gestattet werden könnte, die Tabackrippen zu vernichten, ohne daß die Steuer dafür entrichtet zu werden brauche.

Abg. Hultzsch (cons.): Bei der ersten Abstimmung über den Antrag Menzer habe derselbe in einem beschlußunfähigen Hause eine, wenn auch nur geringe Mehrheit erhalten. Wenn derselbe heute eben⸗ falls angenommen werden sollte und die verbündeten Regierungen die Gabe, die in dem Antrag liege, annehmen sollten, so würde dadurch die deutsche Tabackindustrie schwer geschädigt werden, wenn nicht gleich⸗ zeitig die deutschen Einfuhrzölle auf Tabackfabrikate entsprechend er⸗ höht würden. Seine Partei halte daher ihren Antrag für durchaus folgerichtig und zweckmäßig. Derselbe richte sich in keiner Weise gegen den Antrag Menzer, sondern sei eine Ergänzung desselben. Seine Partei bitte um wohlwollende Aufnahme ihres Antrages.

Abg. Möller (nl.): Der Bericht der Petitionscommission habe gezeigt, wie viel Staub im Deutschen Reich durch den Antrag Menzer aufgewirbelt sei. Der Antrag habe eine viel größere Beunruhigung im Lande verbreitet, als hier im Hause. Er (Redner) habe den Antrag von Anfang an nur angesehen als eine Kundgebung aus den Kreisen der Tabackbauer, welche mit den Ergebnissen ihrer Thätigkeit allerdings wenig zufrieden seien. Seine Partei habe insoweit Sympathien mit dem Antrag, als es sich darum handele, der Reichsregierung einen Anlaß zu geben, sich mit der Frage zu beschäftigen, inwieweit gegen die bestehenden Uebelstände Abhilfe geschaffen werden könnte. Es frage sich nur, ob dieses Mittel auf die Dauer wirken werde. Der Noth⸗ stand der Tabackbauer beruhe vielmehr darauf, daß sie eine verkehrte Richtung im Tabackbau eingeschlagen hätten. In einer ganzen Reihe von Districten, wo Qualitätstaback gebaut werde, solle auch heute noch der Tabackbau lohnend sein. Die Elsässer, welche früher ihren Taback nach Frankreich verkauft hätten, hätten ihn all⸗ mählich auf den deutschen Markt werfen müssen. Frankreich consumire, wie alle Länder, wo der Taback hoch besteuert werde, vorwiegend schweren, kräftigen Taback, Deutschland vorwiegend leichten Taback. Die Richtung des Antrags Menzer würde dahin gehen, daß hier der Tabackconsum eingeschränkt, aber stärkerer Taback verbraucht werde. Der Antrag sei unreif. Jedenfalls hätte der Vorschlag des Abg. Hultzsch schon vom Abg. Menzer gemacht werden müssen. Aber auch der Abg. Hultzsch habe nicht an die Rückvergütung für exportirte Tabackfabrikate gedacht. Die ganze Frage sei also unreif und könne in diesem Stadium der Berathung nicht erledigt werden. Er bitte, den Antrag Menzer und damit auch den Antrag Hultzsch abzulehnen, halte es jedoch für selbstredend, daß die verbündeten Regierungen die Frage von neuem prüfen würden.

Abg. Fritzen (Düsseldorf, Centr.): Er könne sich den Bedenken des Abg. Möller nur anschließen. Auch er sei gern bereit, dem Tabackbau zu helfen, aber nicht auf Kosten einer Industrie, welche viel weiter verbreitet sei, als der Tabackbau. Eine Erhöhung des Tabackzolls um 50 % würde auf die Tabackindustrie ruinös wirken. Man sollte die Industrie nicht fortwährend beunruhigen. Erst sei das Monopolproject gekommen, dann die Erhöhung des Tabackzolls, dann das Wort: „Der Taback muß bluten.“ Eine Erhöhung des Tabackzolls würde eine Einschränkung des Tabackconsums und damit eine Einschränkung der Production und zahlreiche Arbeiterentlassungen zur Folge haben.

Abg. Dr. Barth. (fr.): Die bloße Befürchtung, daß dieser Antrag, der doch nur eine Resolution sei, angenommen werden könnte, habe die ganze Tabackindustrie mobil gemacht. Die Petition aus Heidelberg, dem Wahlkreise des Abg. Menzer, wende sich auf das schärfste gegen den Antrag. Auch die Abgg. Stöcker, von Kleist⸗ Retzow hätten den Antrag unterschrieben; seine Partei werde einen Antrag auf namentliche Abstimmung stellen.

Abg. von Kleist⸗Retzow (cons.): Er werde im Votum mit dem Abg. Dr. Barth gehen. Nicht etwa, weil er mit dem Abg. Dr. Barth politisch übereinstimme, sondern weil hier materielle Interessen der Bevölkerung in Betracht kämen. Habe der Abg. Stöcker etwa dadurch, daß er den Antrag unterschrieben habe, sich schon dafür engagirt, daß er auch dafür stimmen werde? Im Namen der Wähler seines Wahlkreises bitte er um Ablehnung des Antrages Menzer.

Abg. Graf Hoenbroech (Centr.): Es sei kein Zweifel, daß trotz der großen Zahl der Petitionen, welche Abg. Dr. Barth an⸗ geführt habe, das größere socialpolitische Interesse auf Seiten der tabackbauenden Kreise der Bevölkerung liege. Die Frage des Schutzes des inländischen Tabackbaues beschäftige ja doch schon seit langen Jahren die gesetzgebenden Körperschaften. Er wünsche die Annahme des Antrages Menzer, damit einem wichtigen Theile der kleinländlichen Bevölkerung Hilfe gebracht werde.

Ein Schlußantrag wird angenommen.

Zur Geschäftsordnung erklärt Abg. Dr. von Frege (cons.), daß er aus Rücksicht auf die sächsische Cigarrenindustrie gegen den Antrag stimmen müsse.

Abg. Meister (Soc.) bedauert, durch den Schluß der Discussion verhindert worden zu sein, im Namen der deutschen Tabackarbeiter gegen den Antrag zu sprechen.

Dasselbe Bedauern spricht Abg. Dr. Schneider (Nordhausen) (dfr.) aus. Er habe die Interessen der Kautabackindustrie gegen die Gefahren des Antrages Menzer in Schutz nehmen wollen.

Der Antrag Menzer wird in namentlicher Abstimmung mit 205 gegen 66 Stimmen abgelehnt.

Der Etat der Verbrauchssteuern und Reichs⸗ Stempelabgaben wird unverändert bewilligt.

Zum Etat der Post⸗ und Telegraphenverwaltung liegen vor der Antrag des Abg. Grafen Kanitz (cons.): 8

den Reichskanzler zu ersuchen, Anordnungen dahin zu treffen, daß den Ortskrankenkassen gestattet werde, bei Führung ihrer Corre⸗ spondenz die Aufschrift „Portopflichtige Dienstsache“ in Anwendung

b

zu bringen, und der Antrag Reichensperger: die Forderung von 771 499 für ein Dienstgebäude in Dortmund an die Budget⸗ commission zurückzuverweisen, um die Frage der Ermäßigung dieses Betrages nochmals zu prüfen.

Director im Reichs⸗Postamt Wirklicher Geheimer Rath Dr. Fis bemerkt, daß der Antrag Kanitz nicht allein zur Competenz der Reichs⸗Postverwaltung gehöre, weil der innere Postverkehr von Bayern und Württemberg dem Reichs⸗Postamt nicht unterstehe. Bisher sei den Vorständen der Ortskrankenkassen der Charakter einer Behörde nicht beigelegt worden und könne deswegen die betreffende Vergünstigung auch im Gebiete der Reichs⸗Postverwaltung nicht ge⸗ währt werden. b

Der Antrag des Abg. Grafen Kanitz wird abgelehnt.

Den Antrag Reichensperger beantragt der Antragsteller mit der bezüglichen Position bei der Geschäftslage des Hauses für dieses Jahr vollständig abzusetzen, damit eine nochmalige Prüfung der Sache dis zum nächsten Etat stattfinden könne. Jedenfalls sei die Frage der Verlegung der Ober⸗Postdirection von Arnsberg nach Dortmund noch nicht spruchreif.

Director im Reichs⸗Postamt Wirklicher Geheimer Rath Dr. Fischer führt nochmals alle Gründe an, welche für die eilige Inangriffnahme des Baues in Dortmund sprechen. Nicht nur die Verlegung des Sitzes der Ober⸗Postdirection spreche hier mit, sondern auch die Schwierigkeit, für den stetig wachsenden Geschäftskreis des Ps und Telegraphen⸗ sowie des Fernsprechamts genügende Räume zu schaffen. 3

Abg. Möller (nl.) spricht sich für die unveränderte Be⸗ willigung aus.

Der Antrag wird nach weiterer Debatte abgelehnt, der Etat der Postverwaltung bewilligt, ebenso der Rest des Etats, das Etatsgesetz und das Anleihegesetz.

Der Etat balancirt in Einnahmen und Ausgaben mit 1 207 583 565 v

Schluß nach 6 ½ Uhr.

Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

Ueber die Begriffsbestimmung der Land⸗ und Heer⸗ straßen nach § 1 II 15 A. L.R. spricht sich ein Erkenntniß des Königlichen Ober⸗Verwaltungsgerichts IV. Senat vom 27. November 1891 (IV 1117) dahin aus, daß und dieses sei aus der genannten Bestimmung, wenn sie auch ihrem Wortlaute nach den Gedanken des Gesetzgebers nicht vollständig wiedergebe, doch zu erkennen ein Weg dann als Landstraße zu gelten habe, wenn er im Gegensatze zu den minderwerthigen „Gemeinde⸗, Dorfs⸗, Vicinal⸗, Nachbar⸗ oder Communicationswegen“ für den sich auf weitere Gebiete erstreckenden Durchgangsverkehr, insbesondere für den Frachtverkehr, bestimmt sei. Ein derartiger Verkehr gehe aber nicht nur von den im § 1 II 15 A. L. R. bezeich⸗ neten Endpunkten der Landstraßen aus, er könne sich sehr wohl auch von den die Landstraßen umgebenden ländlichen Districten auf dieselben erstrecken, sich auf ihnen fortsetzen und über die nächsten Umgebungen hinaus zu den Städten und darüber hinaus ausdehnen. Es sei deshalb verfehlt, die Bedeutung eines Weges als Landstraße und das Bedürfniß nach seinem Fortbestande als solchem ausschließlich nach dem Verkehr der durch ihn verbundenen Städte, Post⸗ oder Zollämter u. s. w. bemessen zu wollen. Wenn der § 1 II 15 A. L.⸗R. als Ausgangspunkte der Landstraßen die Städte bezeichne, so geschehe das, wie schon die Aufführung noch anderer Verkehrscentren erkennen lasse, nicht um ihrer commu⸗ nalen Verfassung willen, die sie in einen Gegensatz zum platten Lande stelle, sondern nur wegen ihrer rein thatsä⸗ lichen Bedeutung für Handel und Verkehr, einer Bedeutung, welche auch ländlichen Ort⸗ schaften nach ihren commerciellen und industriellen Verhältnissen bei⸗ wohnen könne. Für die Frage, ob der Verkehr einer bisherigen Land⸗ straße auf eine andere Straße, als Ersatz der ersteren, übergegangen, seien somit die Verkehrsverhältnisse der gesammten Umgebung in Be⸗ tracht zu ziehen.

Kunst und Wissenschaft. 1

* Sitzung der Gesellschaft für Erdkunde vom5 März 1892. Vorsitzender Professor von Richthofen.

Herr Hauptmann von Donat sprach über die pontinischen Sümpfe und ihre Trockenlegung. Die pontinischen Sümpfe erstrecken sich 1— 1 geographische Meilen breit und 5 Meilen lang in schmaler Richtung, von Cisterna am Fuße des Albaner⸗Gebirges bis nach Terracina am Südfuß des Volskergebirges von NW. —SO., im Norden von dem Albanergebirge, im Osten von den bis 1500 m emporsteigenden gelben, zerrissenen und vegetationslosen Volskerbergen, nach Westen gegen das Meer von einem 31 19 m hohen, mit Eichen bedeckten Dünenzug, welcher in dem sagenumwobenen 527 m hohen Alabasterfelsen des Monte Circeo endet, begrenzt, während nach SO. ein nur 8 —2 m hoher Dünengürtel das Gebiet vom Meere abschließt. Die Sümpfe bedecken eine Fläche von ca. 6 Meilen, ihre giftigen Ausathmungen tragen den Tod aber noch über weitere 16 Meilen, sodaß über 100 000 ha von einer Fruchtbarkeit, die nach den gemachten An⸗ bauungsversuchen von keinem andern Landstrich Europas erreicht wird, und die ca. ½ Million Menschen reichlich ernähren könnten, unbe⸗ wohnbar sind. In den eigentlichen Sümpfen wohnen ständig höchstens 30 Menschen und zwar längs der von einer 4 fachen Reihe hundert⸗ jähriger Ulmen beschatteten klassischen Via Appia auf den einsamen Poststationen elende Gestalten mit gelbgrauer Haut und aller Energie verlustig gegangen. Die Spärlichkeit, Armuth und Krankheit dieser Menschen, diese trostlos erdrückende Oede steht in ergreifendem Gegensatz zu der schwellenden Ueppigkeit des Bodens, zu der Herrlich⸗ keit der Lage und der Lieblichkeit des Klimas; durchaus kein übler Geruch, sondern eine köstliche, milde Luft umfängt uns, die das Gift, welches sie trägt, nicht ahnen läßt. Die weite Fläche des eigentlichen Sumpfbodens besteht aus einem sehr alten, weichen, dichten, elastischen Torf, der bei völliger Wasserentziehung stark zusammenschrumpfen würde. Seine Mächtigkeit nimmt nach der Richtung auf die Volskerberge zu und beträgt 3 m bei der Via Appia. am Gebirgsfuß aber 22 m. Wahrscheinlich füllt diese Torfmasse einen vorgeschichtlichen Meerbusen aus, wie auch Homer von dem Monte Circeo als von einer Insel spricht. Unter dem Torf lagert eine 30 cm dicke, mit Muscheln, Seesand und Pflanzenresten stark durchsetzte Thonschicht. Von wesentlicher Bedeu⸗ kung für das pontinische Becken sind die Volskerberge. Sie bestehen aus zerklüftetem, höhlenreichem Kalk und sind in Folge der Abholzung ihrer Humusdecke gänzlich entblößt. Diese Beschaffenheit der Berge bedingt den außerordentlich wechselnden Wasserstand der von ihnen herabströmenden Flüsse und Bäche. Der bedeutendste von ihnen, der Amaseno, führt gewöhnlich nur 9 chm Wasser in der Secunde, na starken Regengüssen aber 80. Die bei solchen Gelegenheitenniederfallenden Wasser⸗ massen eines 260— Meilen großen Gebietes stürzen sich in die pontinische Ebene. Bei solchem stoßweisen Erguß fremder Zuflüsse werden weite Strecken meterhoch und wochenlang, ja Monste hindurch unter Wasser gesetzt, und die Ableitungsgräben, welche schon zu gewöhnlicher Zeit mit Wasser gefüllt sind, können dem gewaltigen Ueberschuß nicht genügen, wenn auch im regenarmen Hochsommer das umpfgebiet soweit austrocknet. daß es überall betreten werden kann. Ohne jene äußeren Zuflüsse würde fast das ganze pontinische Becken trocken liegen, nur etwa 2000 ha liegen so tief, daß das natürliche Bodengefälle nicht genügen würde, sie trocken zu legen. Am Fuße der Volskerberge entspringen außerdem eine Reihe mächtiger Quellen, welche Mühlen zu treiben im stande sind, so der Fiume Coperto, die von Horaz ver⸗ herrlichte Feronia. Diese Quellen liefern allein 1½:mal soviel Wasser, als eigentlich von dem ganzen pontinischen Stromgebiet abfließen