6) der Allerhöchste Erlaß vom 22. Februar 1892, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts sowie des Rechts zur Chausseegeld⸗ erhebung an den Kreis Trebnitz für die von ihm zu bauende Chaussee von Obernigk über Kapatschütz bis zur Grenze des Kreises Militsch in der Richtung auf Prausnitz, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Breslau Nr. 12 S. 95, ausgegeben den 18. März 1892.
Nichtamtliches.
Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 2. April.
Seine Majestät der Kaiser und König hörten heute im Laufe des Vormittags die Vorträge des Reichskanz⸗ lers, des Ministers des Königlichen Hauses, des Chefs des Generalstabs der Armee und arbeiteten hierauf mit dem Chef des Militärcabinets. Um 1 Uhr empfingen Seine Majestät die Commandeure der Leib⸗Regimenter behufs Uebergabe der Monatsrapporte und nahmen daran anschließend militärische Meldungen sowie diejenige des commandirenden Generals des XV. Armee⸗Corps von Lewinski II. entgegen
Heute trat der Ausschuß des Bundesraths für Verkehr zu einer Sitzung zusammen.
“
1
Der Kaiserlich russische Botschafter am hiesigen Aller⸗ höchsten Hofe Graf Schuwalow ist vom Urlaube hac Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Botschaft wieder
bernommen.
Die Kanzlei des Kaiserlich russischen Kons befindet sich vom 2. April ab Alexander⸗-Ufer Nr. 2.
Bayern.
München, 1. April. In der Königlichen Residenz ver⸗ sammelten sich, wie die „Allg. Ztg.“ meldet, heute fruüͤh um 81 % Uhr bei Seiner Königlichen Hoheit dem Prinz⸗Regenten fämmtliche großjährige Prinzen und Prinzessinnen des König⸗ lichen Hauses, um der Großjährigkeitserklärung des
Prinzen Karl beizuwohnen. Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent verlieh bei dieser Gelegenheit seinem Enkel den Haus⸗Orden vom heiligen Hubertus. Nach geschehener Gra⸗ tulation wohnten die Prinzen und Prinzessinnen einer Messe in der Allerheiligenhofkirche bei. Die Kammer der Reichsräthe erledigte in ihrer gestrigen Sitzung die Etats der directen Steuern, der Zölle
und indirecten Steuern und der Justizverwaltung in Ueber⸗ einstimmung mit den Beschlüssen der Kammer der Abgeordneten. Sachsen. 8
Dresden, 1. April Die Erste Kammer erledigte dem
₰
„Dr. J.“ zufolge in ihrer heutigen Sitzung die Vorlage über den Separatfonds für das Eisenhüttenwesen, die Kap. 13 Tit. 15 und 16, sowie Kap. 96 Tit. 14, 15, 188689 (Pensionen und Unterstützungen für Geistliche und Be⸗ düͤrfnisse der Schulen und Lehrer) und die Kap. 105 und 106 des Staatshaushalts⸗Etats (Reichstagswahlen und Vertretung Sachsens im Blundesrathe) nach den Vorlagen bezw. in Uebereinstimmung mit den Be⸗ schlüssen der Zweiten Kammer. Weiter ertheilte die Kammer dem Gesetzentwurfe über Aufnahme einer 3 procentigen Renten⸗ anleihe mit einer von der Zweiten Kammer beschlossenen Ab⸗ änderung ihre Zustimmung und trat dem Beschlusse der Zweiten Kammer über das Umlageverfahren bei der land⸗ und forst⸗ wirthschaftlichen Berufsgenossenschaft für das Königreich Sachsen bei. Die Zweite Kammer erledigte die bezüglich des Gesetzentwurfs über die Statuten der Universität Leipzig, zwischen den Beschlüssen beider Kammern bestehende, lediglich redactionelle Differenz durch Beitritt zu dem Beschlusse der Ersten Kammer. Der Beitritt zu dem von der Ersten Kammer angenommenen Antrag auf wirksamere Handhabung der zum Schutze der Fischerei in den fließenden Gewässern bestehenden gesetzlichen Bestimmungen wurde auf Antrag der Finanz⸗ Deputation A abgelehnt, und statt des von der Ersten Kammer angenommenen Antrags auf Vermehrung der Land⸗ gendarmerie und Errichtung einer berittenen Abtheilung nahm die Kammer den von der Deputation gestellten Antrag, die Regierung zu ersuchen, eine mäßige Vermehrung der Land⸗ gendarmerie für die nächste Finanzperiode in Erwägung zu ziehen, gegen 7 Stimmen an. Bezüglich des Gesetzentwurfs über die Gehaltsverhältnisse der Lehrer blieb die Kammer auf Antrag derselben Deputation bei ihren früheren Be⸗ schlüssen, soweit sie von denjenigen der Ersten Kammer ab⸗ weichen, stehen.
Die große Mehrzahl der conservativen, national⸗ liberalen und fortschrittlichen Mitglieder beider Ständekammern hat, wie der „Nat.⸗Ztg.“ berichtet wird, cine dahin gehende Erklärung veröffentlicht, daß, da das Zusammengehen der staatserhaltenden Parteien, wie es im Landtag bestehe, auch in der Zwischenzeit dringend geboten sei, sie nach wie vor gewillt seien, bei den Wahlen dafür ein⸗ zutreten. Der Freiherr von Friesen, die Abgg. Niethammer und Grahl sollen diesen Beschluß zur weiteren Ausführung bringen.
Baden.
Karlsruhe, 1. April. In dem Befinden Seiner König⸗ lichen Hoheit des Großherzogs ist nach der „Karlsr. Ztg.“ keine wesentliche Veränderung eingetreten, doch verließ Hoͤchst⸗ derselbe heute Nachmittag auf kurze Zeit das Bett und empfing den Besuch Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Albrecht von Preußen, der sodann nach Baden⸗B zurückkehrte. “
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. 1 Gotha, 1. April. Der Landtag des Herzogthums Gotha ist nach der „Goth. Ztg.“ gestern durch den Minister Strenge auf unbestimmte Zeit vertagt worden.
Reuß ä. L.
+ Greiz, 31. März. Von Seiner Durchlaucht dem Fürsten ist aus Anlaß des 25 Jahrestags Höchstseines
Regierungsantritts u. a. eine namhafte Summe zum Zweck
aden
der Gründung einer besonderen Parochie aus Theilen von Greiz und einigen die Stadt berührenden Nachbardörfern, deren Bewohner vorwiegend dem Arbeiterstande angehören, ge⸗ stiftet worden.
Deutsche Colonien.
Mit dem 1. März ist in Ost⸗Afrika ein Gouvernements⸗ Befehl, betreffend die Theilung der Kaiserlichen Schutz⸗ truppe in eine eigentliche Schutztruppe und eine Polizei⸗ truppe, in Kraft getreten; der Befehl, welcher vom 21. No⸗ vember datirt, lautet: 8—
Die Bezirks⸗Hauptleute in Tanga, Bagamoyo, Dar⸗es⸗Salam, Kilwa und Lindi sowie der dem Bezirks⸗Unteramt Pangani vorstehende Offizier sind behufs ausschließlicher Wahrnehmung der bezirksamtlichen Geschäfte zum Gouvernement abcommandirt und haben die Compagnie⸗ geschäfte vollständig abzugeben; das Weitere bezüglich dieser Abgabe wird durch das Commando der Schutztruppe geregelt werden. Die genannten Offiziere, desgleichen die den Bezirksämtern bei⸗ gegebenen weißen Unteroffiziere gelten als zum Gouverne⸗ ment behufs Uebernahme einer Civilstelle abcommandirte Militär⸗ personen. Jedem Bezirksamt wird eine Abtheilung Polizei⸗ foldaten zugesheilt, welche dem Mannschaftsbestande der Schutztruppe entnommen, aus dem Etat ausgeschieden und bezüglich der Verwal⸗ tung, Löhnung und Verpflbgung unmittelbar dem Gouvernement unterstellt ist. Die Disciplinargewalt geht vom Commando der Schutztruppe an den Kaiserlichen Gouverneur und dessen Organe über. Ueber die Verwendung der Polizeitruppe entscheiden im Einverständnisee mit dem Gouverneur die ezirks⸗Hauptleute. Die Stärke der den einzelnen Bezirksämtern zuzutheilenden Polizeitruppe, deren Organisation sowie der Zeitpunkt, u dieser Gouvernements⸗Befehl in Kraft tritt, bleibt nachträglicher Bestimmung
vorbehalten. Die Ueberweisung der Polizeimannschaften an die einzelnen Bezirksämter wird seiner Zeit unmittelbar durch das Com⸗ mando der Schutztruppe veranlaßt werden. Die Polizeimannschaften, welche die Uniform der Schutztruppe beibehalten, tragen ein Aermel⸗ abzeichen, „rothes P auf weißem Grunde“ am linken Oberarm und einen Reichsadler auf dem Tarbusch. In Ausübung des Dienstes wird diese Uniform durch eine rothe Schärpe vervollständigt. “
Mit der letzten Post von Deutsch⸗Ostafrika eingetroffene Berichte melden, daß Capitän Spring, welcher der Expedi⸗ tion des Barons Fischer für die Vermessung des Ukerewe (Victoria Nyansa) im Auftrag des Deutschen Antisklaverei⸗ Comités zugetheilt ist, sich einer Gouvernements⸗Güter⸗ karawane, welche am 23. Februar von Bagamoyo nach dem Seengebiet aufgebrochen ist, angeschlossen hat. Nach altem Brauch bezog die Karawane das erste Lager 1 ½ Stunde oberhalb Bagamoyo, wohin den Trägern noch einmal zurückzugehen gestattet wurde. Der endgültige Abmarsch erfolgte von der ersten Lagerstelle am 24. Februar. Es wird auf diese Weise voraussichtlich erreicht, daß Capitän Spring etwa 1 ½ Monate eher sich mit der Expedition Fischer vereinigt, als wenn er, wie ursprünglich geplant war, mit der Borchert'schen Expedition marschirt wäre. 1
Das „Deutsche Colonialblatt“ enthält einen Bericht über die Entwicklung des Schutzgebietes Kamerun im Jahre 1891. Der dem Bericht beigefügten „Allgemeinen Uebersicht“ entnehmen wir Folgendes:
Erfreulicherweise ist ein Fortschritt in der Entwickelung des Schutzgebiets zu verzeichnen. Die Zahl der Weißen hat sich vermehrt,
drei neue deutsche Firmen (August Lubcke, Randad u. Stein, Bauck u. Duerkoop) sind etablirt worden, die alten Firmen haben Factoreien weiter in das Innere vorgeschoben, namentlich die schwedische Firma, die Batanga⸗Factoreien sowie das Woermann’sche Edea⸗ geschäft. Auch der Zwischenhandel der Duallas beginnt, wenn auch langsam, immer mehr und mehr durchbrochen zu werden. Daß die Weißen ihre Producte zu den bisherigen Absatz⸗ märkten der Duallas unmittelbar zu bringen im stande waren, war schon im Jahre 1890 infolge der Eröffnung des Sannaga⸗Flusses durch den Gouverneur zur Thatsache geworden. Im verflossenen Jahre zeigte sich die umgekehrte Erscheinung, allerdings bisher nur sehr vereinzelt, daß einige „Buschleute“ (d. h. an den Zuflüssen zum Kamerunbecken wohnende Schwarze) zu den Factoreien der Weißen kamen. So hat Handel und Verkehr einen bedeutenden Aufschwung genommen. * Daß auch im verflossenen Jahre viele Europäer starben, lag wohl hauptsächlich an den mangelhaften Abflußvorrichtungen der Wohn⸗ plätze. So lange die Niederschläge nicht ablaufen, sondern auf Ver⸗ dunstung angewiesen sind, werden die Mortalitätsziffern nicht her⸗ untergehen. Ist es doch Thatsache, daß auf der Joßplatte, wo für Abfluß des stagnirenden Wassers wenigstens nach Möglichkeit Sorge getragen wird, der Gesundheitszustand stets ein besserer gewesen ist als auf den Plätzen der übrigen Weißen im Duallagebiet. Allerdings mag dazu auch beitragen, daß jeder Gouvernementsangestellte sich einer sorgsamen ärztlichen Behandlung und einer vollständig ausreichenden Wohnung zu erfreuen hat.
Der Beamtenapparat ist im verflossenen Jahre vermehrt und damit die Möglichkeit gegeben worden, die Pflege der einzelnen Ver⸗ waltungszweige gründlicher zu betreiben als zuvor. Die botanischen Gärten in Kamerun und Victoria sind durch sachkundige Beamte vergrößert worden, der Platz nebst Gebäude für ein neues Bezirksamt für den Südbezirk ist erworben, und an den Edeafällen eine Station behufs Abwehr von Handelsstörungen auf dem Sannaga er⸗ richtet worden. Der Anfang zur Heranbildung einer Schutz⸗ truppe ist durch die Anwerbung von etwa 60 Polizei⸗ soldaten gemacht; das Zollnetz ist durch Einrichtung einer Zollcontrole an der Südgrenze des Schutzgebiets erweitert und die Einnahme durch die Erhöhung der früheren Zölle vergrößert worden. Auch ist für die Zukunft eine neue Einnahmeauelle durch die Einführung des Gewebezolles geschaffen.
Zwei Expeditionen waren im verflossenen Jahre thätig: die Expedition Zintgraff und die Expedition Gravenreuth. Wäh⸗ rend die erstere nach dem unglücklichen Bandeggefecht Ordnung und Sicherheit in dem Baligebiet sowie dem weiteren Hinterlande wieder⸗ berzustellen bemüht ist, um dem Handel den Weg nach Kamerun zu ebnen, ist die letztere bei der im Berichtsjahre ausgeführten Züchtigung der aufss ändischen Abodörfer Miang und Bonakwasi und der aufständischen Bevölkerung des Gebirgsdorfes Buea in hervorragendem Maße thätig gewesen, hat die Handels⸗ stockungen am Abo beseitigt und den wilden Bakwilis des Gebirges Achtung vor der deutschen Macht beigebracht. Leider wurde bei dieser Gelegenheit der Expeditionsführer tödtlich getroffen. Freiherr von Gravenreuth starb vor den Pallisaden Bueas den Heldentod. Legations⸗Rath von Schuckmann trug den Sterbenden aus dem Be⸗ reiche der feindlichen Geschosse und bewahrte hierdurch den Leichnam vor den Verunglimpfungen der Rebellen.
Die Dibumbarileute, welche mit den Abos gemeinsame Sache machen wollten, sich dann aber eines Besseren besannen, wurden wegen ihrer Unbotmäßigkeit gegen das Gouvernement mit Geldstrafen belegt, die auch ohne Zwang bezahlt wurden.
Dr. Preuß, welcher in der Missionsstation in Buea Ende 1890 eine Unterkunft gefunden hatte und von dort aus den Kamerun⸗ berg naturwissenschaftlich bearbeitete, mußte infolge des Bueakampfes seinen Wohnsitz nach Victoria verlegen, da das Gouvernement nicht in der Lage war, dem gedachten Forscher eine starke Sicherheitswache zu stellen.
Am 4. Juni v. J. hat die feierliche Enthüllung des für die in den Jahren 1883 bis 1890 im diesseitigen Schutzgebiete in Ausübung ihres Berufs verstorbenen Beamten, Offiziere und Gelehrten errich⸗ teten Denkmals stattgefunden.
Sie sind nicht umsonst gestorben. Alle Verblichenen hatten bei
acte der Brüsseler Antisklaverei⸗Conferenz.
Deutschen Kaisers stehenden Lande deutsche Cultur und Sitte zuzu⸗
ühren. Ehre ihrem Andenken! — 8 In Kamerun sind im Jahre 1891 82 Handelsschiff
eingetroffen und von dort wieder abgegangen; von diesen waren 42 englische Dampfer, 35 deutsche D. 1 deutsche Segelschiff, 2 frangs
schiffe. In Klein⸗P liefen ein und wieder au eutsch Kreuzer, 1 französisches Kriegsschiff und 167 Handelsschiffe; von letzteren waren 72 deutsch (65 Dampfer und 7 Segel⸗ schiffe), 48 englisch (45 Dampfer und 3 Segelschiffe), 21 fran⸗ zösisch (18 Dampfer und 3 Segelschiffe), 21 italienische
Segelschiffe, 3 belgische Dampfer und 2 norwegische Segel⸗ schiffe.
Oesterreich⸗Ungarn.
Die heutige „Wiener Zeitung“ veröffentlicht die Genera 8 (Vgl. auch „Belgien“. D. Red. 8 Hie “ der böhmischen Ausgleichs⸗ commission sind in so fern zu einem Abschlusse gelangt, als in der gestrigen Sitzung der Antrag des Grafen Buquoy auf Vertagung der betreffenden Vorlagen angenommen wurde. Dafür stimmten die Altezechen und die Vertreter des Großgrundbesitzes, dagegen die deutschen Ab⸗ geordneten. Abg. Dr. von Plener meldete hierauf ein Minoritätsvotum an: dasselbe geschah seitens der Jung⸗ czechen, die nach Ablehnung des ihrerseits gestellten Antrages auf Uebergang zur Tagesordnung den Saal verlassen hatten. Im ungarischen Unterhause hob gestern bei der weiteren Debatte über das Budget der Finanz⸗Minister Dr. Wekerle hervor, die Einnahmen seien bisher günstiger gewesen, als im Voranschlag angenommen worden sei. An⸗ gesichts der gegenwärtigen europäischen Lage sei eine Herabsetzung des Erfordernisses für das Heer nicht mög⸗ lich, vielmehr müßte Oesterreich⸗Ungarn gegenüber den viel weiter gehenden Rüstungen der großen und kleinen Staaten auf eine weitere stetige Zunahme der Ausgaben für das Heer vorbereitet sein, doch finde die Zunahme der Kosten für das Heer ihre Grenze an der Leistungsfähigkeit des Landes und an der Nichtgefährdung des finanziellen Gleich⸗ gewichts. (Lebhafter Beifall.) Weiter erklärte der Minister, die Valutaregelung werde keinerlei neue gemeinsame Institution schaffen; das 38E1““ des Königs von Ungarn werde unversehrt gewahrt bleiben. Er könne nicht versprechen, daß nach Ablauf der Gültigkeit des Bankgesetzes im Jahre 1897 eine ungarische Bank ins Leben treten werde. Die Heranziehung der österreichisch⸗ungarischen Bank zu Lasten der Valutaregelung lasse sich ohne jede Prolongation ihres Privi⸗ legiums gar nicht wuͤnschen. Das Budget wurde schließlich mit überwiegender Majorität als Grundlage für die Special⸗ debatte angenommen.
1 Großbritannien und Irland.
In der gestrigen Sitzung des Unterhauses erklärte der erste Lord des Schatzes Balfour: Die russische Juden⸗ auswanderung würde eine Vorlage, welche die Ein⸗ wanderung der Juden nach England verböte, nicht recht⸗ fertigen. Die englische Regierung erkenne wohl den Ernst der Frage und behalte sie sorgfältigst im Auge, eine Einwanderung jedoch, wie sie im vorigen Jahre stattgehabt habe und auch jetzt befürchtet worden, sei nicht eingetreten. Ferner theilte Balfour nach dem Bericht des „W. T. B.“ mit: Der Mar⸗ quis von Salisbury halte an der am 19. Juni v. J. ge⸗ gebenen Erklärung fest, daß die Regierung gern jede Gelegen⸗ heit ergreifen würde, um sich von den durch die Handels⸗ verträge mit Belgien und Deutschland übernommenen Verpflichtungen frei zu machen, die den interbritischen Handel mit den Kolonien verhindern; allein bis jetzt habe sich keine Gelegenheit dazu geboten.
Frankreich Die Verhaftung Ravachols hat in der Stimmung
der französischen Hauptstadt einen großen Umschwung hervor⸗ gerufen. Jetzt wird der Kellner Lhérot, der Ravachol er⸗ kannte und durch die Benachrichtigung der Polizei dessen Ver⸗ haftung ermöglichte, als der Held des Tages gefeiert. Mehrere Blätter fordern zu einem Ehrensold für ihn auf. Vorgestern ließ der Polizeipräfect Lhérot und die drei Schutz⸗ leute, die Ravachol festnahmen, zu sich kommen und händigte ersterem 1000, den letzteren 500 Fr. aus. Außerdem ist Lhérot ein längeres in deutscher Sprache ab⸗ gefaßtes Schreiben, unterzeichnet von S., zugegangen, in welchem er dazu beglückwünscht wird, die Grundsätze befolgt zu haben, auf denen das Wohlergehen der Staaten und Völker beruhe. Dem Schreiben war ein Bankbillet im Betrage von 500 Fr. beigefügt. Ravachol leugnete in einem gestern vorgenommenen Verhör, der Urheber der Explosion in der Rue de Clichy zu sein. Bei der Confrontation mit zwei Mitangeklagten, die ihn beschuldigten, Höllenmaschinen fabricirt zu haben, beharrte Ravachol bei seinem Leugnen und warf den Complicen Feig⸗ heit vor. Es kam dabei zu einer höchst erregten Scene. Die gestern unter den nach Schluß der Redaction ein⸗ getroffenen Depeschen mitgetheilte Nachricht, daß sich Ravachol 1500 Dynamitpatronen habe verschaffen können, hat sich, wie neuerdings gemeldet wird, nicht bestätigt. .
In der gestrigen Sitzung der Commisston der Deputirten⸗ kammer wurde der Bericht Turrels über die Vorlage wegen der Regelung des Aufenthalts der Fremden in Frankreich entgegengenommen. Es wird darin vorgeschlagen, die Ausländer zu verpflichten, sich in ein Specialregister der Mairie ihres Wohnsitzes ein⸗ schreiben zu lassen. Ferner sollen diejenigen, welche Aus⸗ länder beschäftigen, angehalten werden, sich darüber zu ver⸗ gewissern, daß letztere diese Formalität erfüllen. Außer⸗ dem sollen die Ausländer dieselben Lasten oder Steuern tragen, wie die französischen Unterthanen; jeder Verstoß gegen dieses Gesetz sowie die Abgabe falscher Erklärungen soll mit einer Geldurafe belegt werden. Der Be⸗ richt spricht sich gegen die Einführung einer Militär⸗ steuer für die Ausländer sowie gegen eine Aufenthalts⸗ steuer aus, da solche den bestehenden Verträgen widersprächen.
„W. T. B.“ vernimmt, wird der Justiz⸗Minister der Kammer den vom Senat bereits früher angenommenen Gesetz⸗ entwurf vorlegen, durch den die Bedingungen geregelt werden, unter denen vom Auslande verlangte Auslieferungen v4“ — 1u““ 1— 8
ihren Lebzeiten dazu beigetragen, diesem unter dem Schutze des
erfolgen sollen.
Die Commission stimmte dem Bericht Turrel's zu. Wie übrigens ) 8
——
8 MRiußland und Polen.
Ueber das realisirte Reichsbudget von 1891, worüber bereits kurz (in Nr. 78 d. Bl.) telegraphisch berichtet wurde, macht die „Allg. R⸗Corr.“ folgende nähere Mittheilungen:
Der Summe der realisirten ordentlichen Reichseinnahmen von 890 114 000 Rubel stehen theils bereits realisirte, theils noch zu effectuirende Reichsausgaben im Betrage von 890 672 000 Rubel gegenüber, ein Refultat, das unbedingt einer näheren Beleuchtung werth ist. Officielle Daten des Finanz⸗Ministeriums ergeben einen Ausfall der gewöhnlichen Einnahmen gegen den Voranschlag des Jahres 1891 im Betrage von 45 ¼ Millionen Rubel in 10 Posten, Füe Millionen Rubel Loskaufszahlungen der früheren Reichsbauern, 7 ½ Millionen Rubel Loskaufszahlungen der früheren grundherrlichen Bauern, 12 Millionen Branntweinsteuern, 2 Millionen Rubel sonstige Steuern; die übrigen Posten schwanken zwischen t und * Millionen Rubel. In diesem Ausfall von 45 ½ Millionen Rubel spiegelt sich der directe Einfluß der Mißernte ab. Dagegen weisen gleichzeitig 19 Positionen eine Erhöhung der Einnahmen um 34 ½ M
darunter 19 ¼
G der Ein dillionen Rubel auf, darunter Zolleinnahmen 17 ¾, Staatsbahnen 5 ¾, Bankoperationen 2 ¼ und sonstige kleinere Posten von je unter 1 Million Rubel, wobei jedoch besondere Beachtung verdient, daß sämmtliche indirecte Steuern, als Taback⸗, Zucker⸗, Petroleum⸗, Zündholz⸗, Stempelsteuer, Handels⸗, Montan⸗, Gerichtskosten⸗, Erbschafts⸗ und Fihenel gaben eine Steigerung, wenn auch unbedeutend, aber jedenfalls keinen Ausfall aufweisen, was dem Umstande zuzuschreiben ist, daß, wenn in 17 Gouvernements des Mißernte⸗Ravons nicht nur Steuerausfälle eingetreten sind, sondern auch eine umfassende Hilfsaction von Seite der Regierung in bedeutender Höhe erforderlich wurde, andererseits sich über die übrigen Gouvernements ein wahrer Geldregen ergossen hat infolge der Möglich⸗ keit, die Getreidebestände zu Preisen zu realisiren, die den üblichen Getreidepreis um das Dreifache überstiegen. Dadurch hat sich aber auch die Steuerkraft des Bauern⸗ und Landwirthenstandes, also des hauptsächlich Steuern tragenden Theiles der Bevölkerung in einem großen Theile Rußlands in der sich in officiellen Ziffern kundgebenden Weise gehoben. Die gewöhnlichen Reichseinnahmen (im Ordinarium) ergeben in ihrer Gesammtsumme von 890 Millionen Rubel einen Ausfall von 11 643 000 Rbl. gegen den Voranschlag. Schon bei Aufstellung des Budgets pro 1891 wurde bereits von dem Finanz⸗Minister die Möglichkeit einer schlechten Ernte in Betracht gezogen, weshalb die gewöhnlichen Reichseinnahmen um 34 Millionen geringer budgetirt wurden, als sie thatsächlich im Jahre 1890 be⸗ tragen hatten.
In Bezug auf die Ausgaben des Jahres 1891 wäre hervor⸗ zuheben, daß der Dienst der Staatsschulden nur 225 Millionen Rubel gegen 248 ½ Millionen Rubel im Jahre 1890, also um 23 ½ Millionen Rubel weniger in Anspruch genommen hat. Da die Zinsen⸗ und Amortisationszahlungen mit 256 ¾ Millionen Rubel budgetirt waren, so erreicht die betreffende Ersparniß die Summe von 31 ½ Millionen Rubel. Die Verwaltungsausgaben des Reichs inelusive des Kriegs⸗ und Marine⸗Ministeriums betrugen insgesammt 644 Millionen Rubel, d. i. um zwei Millionen mehr als dies im Voranschlag budgetirt war; die durch die Erhöhung der Proviant⸗ und Fouragekosten entstandenen Mehrausgaben der Kriegs⸗ und Marineverwaltung wurden durch ander⸗ weitige bedeutende Ersparnisse militärischen Charakters gedeckt.
Zu den außerord entlichen Einnahmen und Ausgaben des realisirten Reichsbudgets übergehend, ist in ersterer Beziehung da⸗ rauf hinzuweisen, daß an außerordentlichen Einnahmen um 22 Millionen Rubel mehr als budgetirt wurde (3 ¾ Millionen Rubel) ein⸗ gegangen sind, was beinahe ausschließlich den um 202 Millionen Rubel erhöhten Rückzahlungen von Geldern zuzuschreiben ist, die dem Staatsschatze seitens der Eisenbahngesellschaften in den Vorjahren entnommen waren.
Den interessantesten Theil des Berichts des Finanz⸗Ministers bilden selbstverständlich die Daten über die Höhe der außerordentlichen Ausgaben des Jahres 1891. Diese lassen sich in zwei vollständig gptrennte und mit einander in ihren Beweggründen sogar collidirende Positionen scheiden: in der ersten Jahreshälfte erfolgte die Veraus⸗ gabung von 92 ¾ Millionen Rubel für vorzeitig gekündigte Staats⸗ anleihen. Diese Summe kann jedoch eigentlich als eine regelrechte Budgetpost nicht betrachtet werden, da sie auf einer nicht obligat ge⸗ wesenen Schuldenkündigung fußt und aus den Ueberschüssen der Vorjahre, die am 1. Januar 1891 die enorme Summe von 219 703 000 Rubel als Kassabestand aufwiesen, bestritten wurde. Derselben Quelle, den Ueberschüssen der Vorjahre, wurde auch der Betrag entnommen, welcher die Assignirungen seitens der russischen Regierung als Hilfs⸗ action für die nothleidende Bevölkerung der 17 Gouverne⸗ ments des Mißernte⸗Rayons repräsentirt. Diese Summe betrug speciell bis zum 31. Dezember 1891 51 ½ Millionen Rubel, die zur Volksverpflegung, zur Sicherung der Aussaat, für öffentliche Arbeiten und anderweitige derartige Zwecke veraus⸗ gabt wurden. Die gesammte zum angegebenen Zweck im Jahre 1891. angewiesene Summe betrug 76 ¼ Millionen Rubel, und es wurden die “ Millionen Rubel im Laufe des Januar und Februar 1 Sö des 1891 er Budgets verausgabt. . ei vo er Berückfichtigung der Ausgaben für freiwillige Anleihen⸗ vadiqaag (92 ¾ Millionen) und Assignirungen für Nothleidende C6 ½ T eillionen) stellen sich die Einnahmen⸗ und Ausgabenziffern des Jahres 1891 wie folgt:
Budgetmäßige Einnahmen 932 ½ Mill. Rbl. bbbbeeMilü Rbl. 8 en⸗Kündigungen 92 ⅔ Assignirungen für Noth⸗
leidende 711 589 en Kassaüberschüssen der Vorjah ; 8g b 219 ¾ Millionen Rubei Petrugen v 111““
op ston 8 D Eri Dustand des, Ministers des Auswärtigen v s hat sich nach gestrigen Meld S Petersburg gebessert: die Rose ist descswunden 2 1.“ Wie das „W. T. B.“ vernimmt, würde der frühere Gouverneur von Warschau, Senator Baron von Med vlae General⸗Gouverneurs von Warschau, Generals Gurko für Civilangelegenheiten ernonnt 1 genheiten ernannt Der vor einiger Zeit bereits angekündigte Kai 1 — gte Kaiser Ukas, welcher die Ausfuhr von Weizenmehl “ Häfen des Schwarzen und Asowschen Meeres nach dem Auslande unter der Bedingung gestattet, daß 82 der Ausfuhrmenge von Weizenmehl gleiche Gewichtsmenge von Weizenkorn nach Rußland wieder eingeführt werde, ist nunmehr gestern veröffentlicht worden.
. Italien.
C gestrigen Kammersitzung hat die gegenwärtige 8 8 - 5 . Reeh in Beantwortung einer an sie ver h Intek⸗ pe ion eine eingehende Darlegung ihrer afrikanischen Colonialpolitik gegeben. Nach dem Bericht des „W. T. B.“ erklärte. der Minister⸗Präsident Marchese di Rudini: Die afrikanische Action des früheren Cabinets sei keine wider⸗ spruchsvolle sondern eine vollständig folgerichtige gewesen. Das e Le-nn habe thatsächlich dem Einfluß Italiens in den Füstenge ieten von der Jubamündung bis Cap Gardafui Geltung verschafft. Er für seine Person glaube, daß die stalienische Regierung sich fernerhin neue Besitzungen in Afrika nicht sichern solle. Die Regierung könne ohne vor⸗ ausgegangene Genehmigung des Parlaments keine neuen finanziellen Verbindlichkeiten auf sich nehmen. Ob eine Be⸗ setzung der Häfen und Stationen, welche dem Sultan von Sansibar unterthan sind, stattfinden werde, könne er noch nicht
4 82 n
sagen; dies werde hauptsächlich von den Entschlüssen des Parla⸗
ments abhängen. Es sei übrigens zweifelhaft, ob der Sultan die erwähnten Stationen Anderen abtreten könne, da die Be⸗ sitzungen an der Küste bis Cap Gardafui Italien protokoll⸗ mäßig gesichert seien und der Sultan unter britischem Pro⸗ tectorat siehe. 5 Aufrechterhaltung des legitimen Einflusses sei ein Kriegsschiff nach Sansibar gesendet worden. Er habe die Ueberzeugung, daß es schlecht wäre, aus Afrika zurückzu⸗ zuweichen; es sei aber überhaupt nicht gut gewesen, in der Colonie Eritrea weiter vorzudringen, woselbst für Italien keine Zukunft zu suchen sei. Seitdem das gegenwärtige Cabinet die Regierung übernommen habe, habe sich die Lage Italiens in Europa und Afrika nicht verschlechtert. Die Vertragsverhandlungen mit dem Könige Menelik betreffs Aus⸗ legung des Vertrags von Uccialli seien wieder aufgenommen; die juͤngsten bedauernswerthen Vorgänge aber seien als Ausflüsse des Religions⸗ und Rassenhasses unvermeidlich gewesen. Die Haltung der Mächte gegenüber dem Vertrage von Uccialli sei immer gleich geblieben. Nach dieser Erklärung des Minister⸗Präsidenten überreichte der Deputirte Graf Antonelli eine Tagesordnung. Auf Ersuchen des Herrn di Rudini zog er sie jedoch zurück mit dem Vorbehalt, sie bei der Berathung des Budgets des Auswärtigen aufs neue zu überreichen. — Der Schatz⸗Minister Luzzatti brachte in der gestrigen Sitzung die angekündigte Vorlage über die Reorganisation der Emissionsbanken ein. Die Vorlage soll in drei Lesungen berathen werden. 8
b Schweiz.
Zu den italienisch⸗schweizerischen Handels⸗ vertrags⸗Unterhandlungen macht der Berner „Bund“ in seiner Nummer vom 31. März folgende Mittheilungen: Im Laufe des heutigen Tages trifft Malvano, der Italien bei den mündlichen Unterhandlungen in Zürich vertreten hatte, in der Bundesstadt ein. Die Thatsache, daß nach einer längeren diplomatischen Correspondenz wieder mündliche Besprechungen statt⸗ finden, darf als eine Wendung zum bessern betrachtet werden. Augenscheinlich würde Italien es lieber gesehen haben, wenn die neue Besprechung in Rom stattgefunden hätte. Nachdem aber die früheren Unterhandlungen in der Schweiz erfolgt waren, lag es auf der Hand, daß sie auch in einer schweizerischen Stadt, sei es nun in Zürich oder Bern, fortgesetzt und zu Ende geführt werden. Bis jetzt verlautet nichts davon, daß zu der Conferenz auch die schweizerischen Delegirten Cramer⸗Frey und Hammer in Bern eintreffen werden. Vermuthlich wird Herr Bundes⸗ rath Droz, Vorsteher des Departements des Auswärtigen, allein die Differenzpunkte mit Herrn Malvano erörtern oder vielleicht die Bundes⸗ räthe Deucher (Landwirthschaft und Industrie) und Hauser (Zölle und Finanzen) beiziehen. Sind die letzten Differenzpunkte bereinigt, dann ist der Zeitpunkt gekommen, in welchem die Delegirten beider Staaten in Zürich zur Paraphirung des Vertrags zusammentreten können. Die letztere dürfte etwa zehn bis vierzehn Tage Zeit in An⸗ spruch nehmen. Ist der Vertrag abgeschlossen und unterzeichnet, dann wird die Bundesversammlung zu einer außerordentlichen Session ein⸗ berufen behufs Ratification des Vertrags. Die Session wird ungefähr eine Woche dauern, weil außer dem Vertrage noch einige kleinere Geschäfte behandelt würden.
Den zum Delegirten für die Handelsvertrags⸗Unter⸗ handlungen mit Spanien ernannten früheren Bundes⸗ Präsidenten Welti wird der Bundesrath, wie man dem „W. T. B.“ aus Bern berichtet, aus diesem Anlaß als außer— ordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister der Schweiz in Specialmission bei der spanischen Regierung accreditiren.
Der Bundesrath hat beschlossen, bei der Bundesversamm⸗ lung die Concessions⸗Ertheilung für den Bau der Eisenbahn Sissach — Aarau (Schafmattbahn) zu ertheilen.
Niederlande. Auch die Erste Kammer hat, laut Meldung des T. B.“, in ihrer gestrigen Sitzung das Schlußprotokoll
2
der Antisklaverei⸗Acte genehmigt.
Belgien.
Der „Moniteur belge“ veröffentlicht in seiner heute aus⸗ gegebenen Nummer das Gesetz über die Genehmigung der Generalacte der Brüsseler Conferenz. Das Gesetz tritt mit dem heutigen Tage in Kraft. (Vgl. auch „Oesterreich⸗Ungarn“. D. Red.) 1 In Brüssel hat gestern die Leichenfeier für den ver⸗ storbenen Minister des Auswärtigen Fürsten von Chimay stattgefunden. Der König ließ sich, dem „W. T. B.“ zu⸗ folge, dabei durch den Grafen von Flandern vertreten. Die militärischen Ehren wurden von der gesammten Brüsseler Garnison erwiesen. Der Erzbischof von Mecheln, Cardinal Goossens celebrirte bei der kirchlichen Trauerfeier. Die Leiche wurde sodann nach Chimay übergeführt, wo heute die Bei⸗ setzung erfolgen soll.
Griechenland.
Wie man der „Mgdb. Ztg.“ aus Athen berichtet, hat der König gestern eine Abordnung des dortigen Gemeinde⸗ raths empfangen und dabei die Hoffnung ausgesprochen, die Wähler würden eine regierungsfreundliche Mehrheit in die Kammer entsenden.
In einer vorgestern bei dem Minister⸗Präsidenten Pasics abgehaltenen Conferenz des radicalen Clubs wurde dem „W. T. B.“ zufolge hauptsächlich über die Besetzung des erledigten Kriegsministerpostens verhandelt. Es verlautet, die Regentschaft schlage für diesen Posten den General Anta Pogicevics vor, während die Radicalen den Obersten Miletics oder den Obersten Jevrem Velimirovics als Candi⸗ daten aufstellen. In den der Regierung nahe stehenden Kreisen glaube man, das Cabinet Pasics werde demissioniren, falls die Regentschaft an ihrem Vorschlage festhalte. Die Aus⸗ tragung der ziemlich acut gewordenen “ gilt als unmittelbar bevorstehend.
Ges In der gestrigen Sitzung der Skupschtina wurde ein
esetzentwurf verlesen, der die Regierung zur Verlän⸗ des gegenwärtig zwischen Oesterreich⸗Ungarn 30 e .8 bestehenden Handelsvertrags bis zum Cab 1893 n. St., eventuell zum Abschlusse neuer Ver⸗ srh . Der Gesetzentwurf ist von einer Be⸗ 8. danc des Staatsraths begleitet, in der hervorgehoben wird, daß die ökonomischen und finanziellen, wie die politischen Interessen den raschen Abschluß eines neuen Vertrags, wenn möglich vor Ende dieses Jahres, erheischten. —
v Bulgarien. Wie die „Pol. Corresp.“ aus Konstantinopel erfährt,
werde die bulgarische Regierung der Pforte eine Note
übergeben mit de
ach rücklichen Forderung, die bulga⸗
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rischen Emigranten auf türkischem Staatsgebiet einer strengeren Ueberwachung zu unterwerfen. Darüber hinausgehende Meldungen seien jedoch unbegründet. Die Vertreter der Dreibundmächte in Konstantinopel seien bisher nicht beauftragt worden, die Aufmerksamkeit der Pforte auf den gleichen Gegenstand zu lenken, ebensowenig sei üͤber hierauf bezügliche Verhandlungen der Mächte etwas bekannt. Schweden und Norwegen.
(F) Stockholm, 29. März. Der Staatsausschuß des Reichstags hat einen vollständigen Plan zur Ordnung der Landesvertheidigung vorgelegt. Die biebesiae Organi⸗ sation der Armee wird im wesentlichen beibehalten. Der Verlängerung der Waffenübung der Dienstpflichtigen auf 90 Tage wird zugestimmt. Die drei norrländischen Infanterie⸗ Corps und das westernorrländische Bewehrungs⸗Bataillon werden zu Regimentern von 800 resp. 600 Mann umgebildet. Eine zweite Infanterie⸗Volontärschule wird errichtet. Jaͤmlaͤnds reitendes Jäger⸗Corps erhält 5 Schwadronen; ein neues Train⸗ Bataillon wird in Norrland gebildet. Die Feld⸗Artillerie wird so organisirt, daß jedes der sechs Armee⸗Corps ein Artillerie⸗ Regiment von fünf Batterien erhält. Jedes Armee⸗Corps soll aus zwei Infanterie⸗Brigaden (das III. Armee⸗Corps jedoch aus drei Infanterie⸗Brigaden) und einem Cavallerie⸗Regiment von fünf Schwadronen bestehen. Das IJ. Armee⸗Corps erhält noch die beiden schonenschen Dragoner⸗ und Husaren⸗ Regimenter und zwei Batterien reitender Artillerie. Je zwei Armee⸗Corps erhalten ein Train⸗Bataillon. Die Festungs⸗Artillerie und die Ingenieurtruppen behalten ihre bis⸗ herige Formation. Die schonenschen eingetheilten Cavallerie⸗ Regimenter werden zu geworbenen Cavallerie⸗Regimentern umgebildet. Für jedes Armee⸗Corps wird eine Intendantur eingerichtet. Die tägliche Löhnung der Dienstpflichtigen wird auf 50 Oere erhöht. Die Gesammtausgaben für die Armee werden im nächsten Jahre 2 Millionen Kronen mehr als bis⸗ her betragen. 8 Christiania. Das Storthing hat in seiner gestrigen Sitzung der Regierungsvorlage über die Aufnahme einer Staatsanleihe von 20 Millionen Kronen die Zustimmung ertheilt. 3
Die Regierungsvorlage wegen eines neuen Gesetzes
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für die norwegische Bank ist, wie man den „Hamb. Nachr.“ aus Christianig berichtet, vom Q delsthing in allem Wesent⸗ lichen der Proposition gemäß genehmigt worden und darauf dem Lagthing uͤbersandt worden. Den Ver⸗ handlungen nach ist jetzt alle Aussicht vorhanden, daß die Vorlage, die von mehreren früheren Storthings ohne end⸗ gültiges Resultat behandelt worden ist, diesmal zum Gesetz wird. Der gegenwärtigen Regierungsvorlage nach soll der Hauptsitz der Bank auch ferner in Drontheim bleiben, wo⸗ mit sich das Odelsthing mit 47 Stimmen gegen 37 einver⸗ standen erklärt hat, während die Minorität für die Ueber⸗ siedelung der Bank nach Christiania stimmte. ö Dänemark.
Der danische Reichstag ist gestern geschlossen worden. Da bis zum Anfang des neuen Finanzjahres ein Einverständniß der beiden Kammern des Reichstags über das Budget nicht erzielt wurde, ist durch gestern publicirte Königliche Ver⸗ ordnung ein provisorisches Budget für 1892/93 in Kraft getreten.
Im Hafen von Nyborg ist laut Meldung des „W. T. B gestern der deutsche Aviso „Meteor“, begleitet von drei Dorpedobooten, vor Anker gegangen.
Die beiden letzten in der Grs Fabrik bestellten Panzerthürme für das „Garderh ügel-Fort“ sind, der „Nationaltid.“ zufolge nun fertig zur Ablieferung und werden in allernächster Zeit, nach einem abgehaltenen Probeschießen in Empfang genommen werden. Diese beiden Thürme nebs den zwei Thurmen aus der Fabrik Chamond in Frankreich werden in nächster Zeit in Kopenhagen erwartet. Nach ihrer Aufstellung und Montirung auf dem Garderhügel⸗-Fort wird dessen Ausrüstung mit Panzerconstruction (im Ganzen 9. fertig gestellt sein.
Amerika.
In Chicago hatten die Anarchisten kürzlich eine große Demonstration geplant, die jedoch durch die Energie der dortigen Polizei vereitelt worden ist. Einer darauf bezüglichen Correspondenz der „Köln. Ztg.“ aus Chicago ent⸗ nehmen wir Folgendes: 8
Die Anarchisten wollten den Jahrestag der Pariser Commune gern in großem Stil festlich begehen, aber die Polizei hatte so um⸗ fassende Vorkehrungen getroffen, daß ihnen der Muth ausging. In einem Local kamen am 19. März Abends ihrer etwa zweitausend zu⸗ sammen. Da die rothen Fahnen verboten waren, behalfen sie sich mit rothen Bändern und Taschentüchern. Die von mehreren Anarchisten gehaltenen Reden waren, da sich unter den Zuhörern viel Polizei befand, sehr zahm. Eine große Menge mit rother Farbe gedruckter Festnummern der Most'schen ‚Frei⸗ heit“ wurde verkauft. Sie enthält aufreizende Artikel dieses Wühlers, der jetzt auf „Blackwells Island“ bei New⸗York gezwungenerweise Hufeisen schmiedet. Der Hauptredner des Abends war ein gewisser Franz Martin, der sich einer langen anarchistischen Laufbahn rühmt. Schon wegen seiner Theilnahme an dem Pariser Commune⸗Aufstand erhielt er sechs Monat Gefängniß, wurde 1886 aus Belgien aus⸗ gewiesen, später in der Schweiz und 1891 in Frankfurt a. M. als Verdächtiger verhaftet und dann ausgewiesen. Er ist erst kurze Zei in Amerika.
Parlamentarische Nachrichten. 11“
In der heutigen (46.) Sitzung des Hauses der Abgeardneten, der der Minister des Innern Herrfurth der anz⸗Minister Dr. Miquel und der Minister de öffentlia, Arbeiten Thielen beiwohnten, wurde zunächst die erste Lerathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Er weiterung, Vervollständigung und bessere Aus⸗ rüstung des Staatseisenbahnnetzes, fortgesetzt.
Abg. Schöller (freicons.) hielt einen Stillstand in weiteren Bau von Eisenbahnen für bedenklich und wünschte einen Ausbau der schlesischen Bahnen, namentlich eine bessere Verbindung zwischen Breslau und Hirschberg.
Abg. Kletschke (nl.) bedauerte die Vernachlässigung Schlesiens in dieser Vorlage und empfahl den Bau einer Bahn von Schweidnitz nach Ströbel.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen wies darauf hin, daß die Vorlage für die Verbesserung schlesischer Bahnen über 12 Millionen Mark fordere.
Abg. Lückhoff (freicons.) bemerkte, daß diese Summe
für den Ausbau der Bahnhöfe und der bestehenden Bahnen in
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