das Parlament werde die zweite Lesung der Bill zur Ausdehnung des Stimmrechts bei Parlamentswahlen auf Frauen nicht genehmigen. Die Argumente Gladstone’'s richten sich in erster Reihe gegen die Vorschläge dieses besonderen Gesetzentwurfs, welcher sämmt⸗ lichen verheiratheten Frauen das Stimmrecht vorenthält und es den unverheiratheten verleiht. Müsse doch im Grunde bei Familienmüttern das Gefühl der Verantwortlichkeit viel ausgeprägter sein. Im allgemeinen aber habe die ganze Frauenstimmrechtsfrage im Volke noch garnicht diejenige Aufnahme gefunden, daß sie für das Parlament spruchreif sei; einstweilen bliebe eine so tief eingreifende Veränderung besser noch Gegenstand der Erörterung. Hätten doch selbst viele Frauen sich gegen die ihnen zugedachte Ertheilung des Stimmrechts ausgesprochen. Ehbe das Par⸗ lament eine solche beschließe, müsse festgestellt werden, daß eine überwältigende Mehrheit der britischen Frauen diese Rechtswohlthat auch wirklich verlange. Gewähre man den Frauen actives und passives Wahlrecht, so folge logisch daraus die Berechtigung zur Besetzung jedes Amtes. Einzelne Frauen möchten ja allerdings für jedes Amt befähigt sein, gerade wie es Männer unter 21 Jahren gebe, die besser zur Erfüllung der Bürgerpflichten efähigt wären, als andere ältere. Aber die Ausnahme vermöge doch nimmer die allgemeine Regel umzustoßen. Gladstone hegt keine Befürchtung, daß die Frauen den Machtbereich der Männer wesentlich beschränken würden; aber die Zartheit, die Reinhei und Feinheit, der Adel der weiblichen Natur, welche bisher die Quelle der Macht der Frauen bildeten, könnten verloren gehen. Der Umstand, daß man den Frauen den Besuch der Universitäten und die Ausübung verschiedener gelehrter Berufsarten eröffnet habe, möge den Bestrebungen, weiter in der Richtung vorzugehen, einen Schatten von Recht verleihen; aber es sei nur ein Schatten, und es wäre höchst be⸗ denklich, die Frauen in den Wirrwarr männlicher Lebensthätigkeit zu
ürzen. 8 Die Anarchisten Nichols und Mowbray standen gestern vor dem Londoner Polizeigericht unter der Anklage der Aufreizung zum Morde, begangen durch einen Artikel des anarchistischen Journals „Common Wealth“, in dessen Redaction, wie schon gemeldet, eine Haussuchung vorgenommen worden war. In der Anklageschrift werden die Genannten beschuldigt, in jenem Artikel zur Ermordung des Staatssecretärs Matthews, des Richters Hawkins und anderer Personen aufgefordert zu haben. Bei Nichols hat die Polizei mehrere ihn belastende Documente aufgefunden. Die weitere Verhandlung wurde auf 8 Tage verschoben.
Frankreich.
Wie mehrere Abendblätter wissen wollen, wäre der Lyoner Erzbischof, Kardinal Foulon, welcher gegenwärtig in Rom weilt, vom Papste beauftragt worden, beim französischen Episkopat auf die Applanirung der schwebenden Schwierig⸗ keiten, besonders betreffs der Katechismenfrage, hinzu⸗ wirken.
Aus Dahomey liegen weitere Nachrichten vor, die ein aggressives Vorgehen des Königs melden. Nach einem gestern in Paris eingetroffenen amtlichen Telegramm vom 19. d. M. hätte der König von Dahomey an den ranzösischen Gouverneur von Portonovo ein heraus⸗ forderndes Schreiben gerichtet, in welchem erklärt wird, der König sei vollständig gerüstet, jeden französischen Posten, welcher seine Besitzungen be⸗ rühren sollte, zu vernichten; zahlreiche Truppen⸗ abtheilungen der Dahomeer zögen sich zusammen und näherten sich den französischen Posten. Nach einem dem „Temps“ aus Kotonu zugegangenen Telegramme lagerten 4000 Dahomeer mit 4 Kanonen bei Kotonu, und Groß⸗Popo sei von ihnen bedroht; die Streitkräfte von Dahomey würden auf 14 000 Mann geschätzt, von denen 4000 mit Repetirgewehren ausgerüstet seien. 1 8
Es ist begreiflich, das diese Nachrichten große Aufregung in Paris hervorgerufen haben. Nach einem Telegramm des „H. T. B.“ kritisiren die heutigen Morgenblätter die „Unentschiedenheit der Regierung in der Dahomen⸗Frage“ und constatiren, daß, obwohl der König von Dahomey die Angriffe bereits am 20. März begonnen habe, bis heute noch keine Verstärkungen abgesandt worden seien. Der Abgeordnete Delahaye behauptet in den Zeitungen, daß die französischen Agenten in Portonovo die Feindseligkeiten des Königs von Dahomey durch unerhörte Grausamkeite d Räuberei herbeigeführt hätten. 8
8 Rußland und Polen.
Die Kaiserin wird, wie man dem „H. T. B.“ in Be⸗ stätigung der gestrigen Meldung aus St. Petersburg telegra⸗ phirt, ihre Reise nach dem Kaukasus Ende er Woche an⸗ treten und von der Großfürstin Tenia begle sein. Der Zustand des Großfürsten Georg erscheine infolge ver⸗ mehrten Blutauswurfs bedenklich. (Vergl. das Telegramm nach Schluß der Redaction.)
In Kronstadt ist, wie der „Kronst. Westn.“ berichtet, am 11. d. M. auf Befehl des Ober⸗Commandeurs des dortigen Hafens mit der Ausrüstung der für die diesjährige Navigation bestimmten Schiffe der Kaiserlichen Marine begonnen worden. Ueber die für die einzelnen Geschwader bestimmten Schiffe macht das genannte Blatt folgende Mittheilungen:
Das Praktische Geschwader des baltischen Meeres wird bestehen aus den Geschwader⸗Panzerschiffen „Peter der Große“, „Kaiser Alexander II.“ und „Kaiser Nikolaus I.“; den Panzerschiffen für Küstenvertheidigung „Admiral Lasarew“, „Admiral Tschitschagow“ und „Smertsch“; dem Kreuzer 1. Ranges „Herzog von Edinburg“ und den Kreuzern 2. Ranges „Opritschnik“, „Kreisser“ und „Najesdnik“; dem Torpedokreuzer „Lieutenant Iljin“, dem Dampfer „Ilmen“ und den Torpedobooten „Reval“, „Narwa“, „Kotlin“, „Luga“, „Lachta“ und „Biorkö“. Das Torpedoboot „Reval“ wird von dem Großfürsten Alexander Michailowitsch befehligt werden. Das Praktische Geschwader steht unter Vice⸗
dem Commando des Admirals Kasnakow und wird, wie in früheren Jahren, in zwei Detachements zerfallen, die von den jüngeren Flaggmännern Contre⸗ Admiralen von Giers und Lasarew geführt werden. Das Schul⸗ geschwader des Marine⸗Cadettencorps unter dem Commando des stellvertretenden Flaggmanns Contre⸗Admirals Görcken bilden der Kreuzer 1. Ranges „Fürst Posharski“ und die Schulschiffe „Skobelew“, „Bajan“ und „Morjak“. Das Lehr⸗Artillerie⸗ Geschwader unter dem jüngeren Flaggmann Contre⸗Admiral Walizki setzt sich aus den Küsten⸗Panzerschiffen „Perwenez „„Kreml und „Russalka“ und dem Küsten⸗Kanonenboot ⸗Tutscha“ zusammen. Zum Lehr⸗Minen⸗Geschwader, das zugleich auch zur Aus⸗ bildung von Tauchern dienen wird, gehören der Kreuzer 2. Ranges „Afrika“, die Torpedoboote „Wsryw“ und Windau“, das Küsten⸗Kanonenboot „Mina“ und zwei Minenboote. Zu Fahrten mit den Zöglingen der Technischen Schule des Marine⸗ Ressorts sind das Küsten⸗Kanonenboet „Ssneg“ und das Torpedoboot „Ekenäs’“ und für die hnudrogra hischen Ar⸗ beiten der Dampfer der Zoll⸗Flottille „Sorkaja“ und das Küsten⸗Kanonenboot „Doshd“ bestimmt. Für die Bedürfnisse des Kronstädter Hafens werden armirt: der Kreuzer zweiten Ranges „Asia“, das Transportschiff „Krassnaja Gorka“, der Dampfer „Peters⸗ burg“ und die Hafen⸗Fahrzeuge „Ishora“, Polesnr, „Ssilatsch“, „Kolduntschifk“, „Rybka“, „Starschina“ und „Lozman“ Außer den ür das Praktische Geschwader bestimmten Torpedobooten 2 * 2 98 8
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ferner zur Ausbildung der Mannschaften die Torpedoboote „Sweaborg“, „Dago“*, „Abo“, „Rotschensalm“, „Kotka“, „Borgo“, „Libau“ und „Wyborg“ und zur Erprobung ihrer Maschinen die Torpedoboote „Moonsund“, „Hapsal“, „Seskar“ und „Kronschlot“ ausgerüstet. Für ausländische Fahrten endlich sind bestimmt: die Kreuzer 1. Ranges „Admiral Kornilow“ und „Rynda“ und der Kreuzer 2. Ranges „Rasboinik“, die nach dem Stillen Ocean gehen, ferner wie verlautet der Kreuzer 1. Ranges „General⸗Admiral“, der an Stelle des Kreuzers 1. Ranges „Minin“ mit dem Lehrcommando eine längere Tour nach dem Atlantischen Meer unternehmen soll.
Italien. 1““
Die in der gestern nach Schluß der Redaction eingetroffenen Pariser Depesche enthaltene Andeutung, daß eine definitive Lösung der Cabinetskrisis trotz aller Bemühungen des Marchese di Rudini dennoch bisher nicht gelungen sei, wird durch neuere Meldungen des „W. T. B.“ aus Rom bestätigt. Den gestrigen Römischen Abendblättern zufolge liegt die Hauptschwierigkeit in der Frage der außerordentlichen militärischen Ausgaben. Gestern Nachmittag 5 Uhr traten Rudini, Ricotti, der Chef des Generalstabs und der Präsident des Senats zur Besprechung dieser Frage zusammen. Die „Italie“ will wissen, Rudini habe, als er Ricotti das Portefeuille des Krieges angeboten, die Andeutung gemacht, daß es noth⸗ wendig sein würde, die Cadres der Armee zu verringern. Ricotti soll hierauf erwidert haben, er würde eine derartige Verantwortung nicht übernehmen, selbst wenn man ihm den formellen Befehl zur Vornahme einer solchen Maßnahme er⸗ theilte. Dem „Popolo Romano“ zufolge wäre bis zur Ent⸗ schließung Ricotti's über Annahme oder Nichtannahme des Fortefeulles des Krieges die Entscheidung über alle anderen bei der Bildung des Cabinets in Frage kommenden Porte⸗ feuilles vertagt worden.
Schweiz.
Der am Dienstag in Zürich unterzeichnete italienisch⸗ schweizerische Handelsvertrag läuft bis zum 31. De⸗ zember 1903. Die Contrahenten haben sich vorbehalten, den Vertrag durch zwölf Monate zuvor erfolgende Kündigung am 1. Januar 1898 außer Kraft zu setzen.
. Rumänien. “
Anläßlich des Geburtstags und Jahrestags der Thronbesteigung des Königs fand gestern in der Kathedrale zu Bukarest ein feierliches Tedeum statt, dem auch die Mitglieder des diplomatischen Corps beiwohnten. Nach dem Tedeum nahm der König, wie „W. T. B.“ meldet, die Glückwünsche des Ministeriums sowie des Militär⸗ und Civilcabinets entgegen. Aus dem Inlande und aus dem Aus⸗ lande gingen dem Könige zahlreiche Glückwunschtelegramme zu. Die Stadt war festlich beflaggt.
*
Dänemark.
In Dänemark haben gestern die Wahlen zum Folke⸗ thing stattgefunden. Sie haben folgendes Resultat ergeben: Rechte 30, gemäßigte Linke 43 und radicale Linke 28. Da im Ganzen 102 Wahlen erforderlich sind, so fehlt nur noch eine, die im Kreise Färöerne, welche erst später stattfindet. Im fünften Wahlbezirk von Kopenhagen wurde Holm (Socialist) wiedergewählt. In Rudkjö⸗ bing wurde der Radicale Edvard Brandes gewählt. Von den Führern der früheren Partei Berg's unterlagen Bönlökke, Unevold und Sörensen, von den Fuüͤhrern der Ra⸗ dicalen Redacteur Hörup und der ehemalige Pastor Henning Jensen. In den betreffenden Wahlbezirken sind die Candidaten der gemäßigten Linken gewählt. h“
Amerika.
Der, wie schon mitgetheilt, am 19. d. M. vom Senat der Vereinigten Staaten ratificirte Vertrag über den modus vivendi mit Großbritannien in der Frage der Beringsmeer⸗Fischerei besteht dem „R. B.“ zufolge aus sieben Artikeln. Großbritannien verpflichtet sich darin, während der Tagung des Schiedsgerichts das Erlegen von Robben in dem Theil des Berings⸗Meeres zu ver⸗ bieten, welcher östlich von der in Artikel 1 des Cessions⸗Ver⸗ trags verzeichneten Demarcationslinie liegt. Die britische Regierung wird ihr Bestes thun, britische Unterthanen und britische Schiffe anzuhalten, daß sie diesem Verbot nachachten. Die Vereinigten Staaten ihrerseits versprechen, den Robben⸗ fang gleichfalls zu verbieten. Nur 7500 Robben dürfen erlegt werden, so viel als zum Lebensunterhalt der Eingeborenen erforderlich sind. Schiffe, welche gegen dieses Abkommen verstoßen, werden beschlagnahmt werden. Sollte die Ent⸗ scheidung gegen die Vereinigten Staaten ausfallen, so sollen die Schiedsrichter die Entschädigung dar⸗ nach bestimmen, wie viele Robben ohne den Vertrag hätten gefangen werden mögen, ohne die Anzahl der Robben allzusehr zu vermindern. Entscheidet das Schiedsgericht gegen Großbritannien, so hat das letztere eine solche Entschädigung zu zahlen, wie sie der Unterschied zwischen 7500 Robben und derjenigen größeren Anzahl beträgt, welche nach der Ansicht der Schiedsrichter hätte gefangen werden können. Der Vertrag kann jederzeit nach dem 31. Oktober 1893 nach voraufgegangener zweimonatiger Kündigung ablaufen. 8 Niach einer über Paris eingegangenen telegraphischen Meldung des „W. T. B.“ aus Lissabon ist daselbst das Gerücht verbreitet, die brasilianischen Provinzen Sao Paulo und Rio Grande hätten sich für unabhängige Staaten erklärt.
Parlamentarische Nachrichten. 18
Nach dem vom Bureau⸗Directer des Hauses der Abgeord⸗ neten, Geheimen Regierungs⸗Rath Kleinschmidt zusammen⸗ gestellten Verzeichniß der unerledigten Vorlagen stehen noch zur zweiten und dritten Berathung die Gesetzentwürfe, betreffend die Aufhebung von Stolgebühren für Taufen, Trauungen und kirch⸗ liche Aufgebote in der evangelischen Landeskirche der älteren Pro⸗ rinzen und der evangelisch⸗lutherischen Kirche der Provinz Schleswig⸗Holstein, die Novelle zum Berggesetz, der Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Aufhebung der Steuerfreiheit der ehemals Reichsunmittelbaren, das Secundärbahngesetz, die Landgemeindeordnung für Schleswig⸗Holstein, sowie der Gesetzentwurf, betr. die Besetzung der Subaltern⸗ und Unterbeamtenstellen in der Verwaltung der Com⸗ munalverbände mit Militäranwärtern. Noch nicht zur ersten Be⸗ rathung gelangt sind der das Gehalt für den Minister⸗ Präsidenten auswerfende Nachtrags⸗Etat und das Tertiärbahn⸗ Gesetz. Im Herrenhause noch nicht erledigt sind außer dem Gesetzentwurf, betreffend die Aufhebung der Amts⸗ gerichte zu Nordstrand und Pellworm, der noch an das Ab⸗
geordnetenhaus gelangen muß, die von letzterem dem Herrenhause
zugegangenen Gesetzentwürfe, betreffend die Erweiterung des Unter⸗ nehmens der Stargard⸗Küstriner Eisenbahngesellschaft durch den käuf⸗ lichen Erwerb der Eisenbahn von Glasow nach Berlinchen, betreffend die Beseitigung der kirchlichen Steuerfreiheit der Angehörigen der Kieler Universität, betreffend die Ergänzung des Gesetzes vom 3. Juni 1876, über die evangelische Kirchenverfassung in den acht älteren Pro⸗ vinzen der Monarchie, und der Vertrag zwischen Preußen und Bremen wegen Erweiterung des bremischen Staatsgebiets nördlich von Bremer⸗ haven vom 14. März 1892.
8 Kunst und Wissenschaft.
sstellung von Kunstwerken aus dem Zeital ich's des Großen in der Königlichen Aka der Künste.
z† Am Sonnabend, den 16. April, wurde im Uhrsaal und den beiden anstoßenden Räumen der Königlichen Kunst⸗Akademie die von der Kunstgeschichtlichen Gesellschaft veranstaltete Aus⸗ stellung von Kunstwerken der Fridericianischen Zeit aus Berliner Privatbesitz eröffnet. Die Kunstgeschichtliche Gesellschaft, welche sich bereits durch die vor zwei Jahren veranstaltete Ausstellung niederländischer Kunstwerke den lebhaften Dank unserer Kunstfreunde erworben hat, beabsichtigte diesmal ein Bild zu geban von dem, was an Kunstschätzen aus der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts in den zahlreichen, öffentlich nicht zugänglichen Samm⸗ lungen der Reichshauptstadt vorhanden ist. Durch die Gnade Seiner Majestät des Kaisers und Königs wurde es möglich, auch den reichen Besitz der Königlichen Schlösser für diesen nutzbar zu machen, und diesem Umstand verdankt die Nus⸗ stellung wohl in erster Linie ihren Glanz und ihre annähemde Vollständigkeit. Der Sinn unserer Kunstliebhaber hat sich den Er⸗ zeugnissen der Nococokunst erst verhältnißmäßig spät zugewandt und, was man vom Kunstmarkt davon in den letzten Jahrzehnten einge⸗ heimst hat, zählt nicht gerade immer zu dem Erlesensten und Prächtigsten auf diesem in Frankreich schon seit längerer Zeit mit besonderer Vor⸗ liebe und feinem Geschmack cultivirten Sammelgebiet. Aus altem Familienbesitz hat sich in Berlin auch nur verhältnißmäßig wenig künstlerischer Hausrath bis in unsere Tage erhalten; am ehesten liez sich noch auf dem Gebiet der Kleinkunst und des Kunstgewerbes eine gewisse Vollständigkeit erzielen, für den Wandschmuck jedoch, wie für das Mobiliar haben die Königlichen Schlösser den Grundstock her⸗ geben müssen. Namentlich der große Hauptraum der Ausstellung, der gestellt. 1
Die Kunst des Rococo ist eine Schöpfung des raffinirten Lurus, dabei trotz allen npomphaften Prunks auf den intimen Geschmack des Einzelnen zugeschnitten. Sie bedarf als Hintergrund des satten Reich⸗ thums des Lebens, der von übermüthiger Willkür in ein Gewir graziöser Einfälle aufgelösten Bauformen ihrer Zeit; ihr Verständniß setzt eine leichte Beweglichkeit der Phantasie voraus, die sich der Laune des Künstlers oder seines Auftrag⸗ gebers anzuschmiegen vermag und sich selbst durch die willkürlichsten Sprünge und Capricen die eigene Laune nicht verderben läßt. In nüchternen steifen Glaskästen aneinandergereiht, wirken diese Zierlich⸗ keiten nicht selten wie buntschillernde Tropenvögel im Käfig, und die Kunst gefälliger Anordnung ist gerade auf diesem Gebiete eine sehr schwierige. Der Gesammteindruck der Ausstellung beweist, daß man aufs eifrigste bestrebt gewesen ist, diese zahlreichen Klippen und Schwierigkeiten zu überwinden, soweit das unter den gegebenen Ver⸗ hältnissen möglich war. Als Wandverkleidung hat man für die süd⸗ liche Galerie und den langgestreckten Nordsaal einen Stoff von zartem seladongrünen Ton gewählt, welcher der Kleinkunst entschieden zu einer besseren Wirkung verhilft, als der etwas schwerere rothe Tapetenton des Uhrsaales. Schon im Treppenhause leuchten uns von den Wänden die ungewöhnlich frisch erhaltenen Farben der Aubousson⸗Verdüren aus dem Besitz des Grafen Brühl entgegen, die auch einen Theil der Wände der Galerie schmücken. Der Uhrsaal, in welchem die Hauptstücke größeren Umfanges, sowie zahlreiche Bilder von Pesne, Vanloo und Lancret u. a. ihren Pla gefunden haben, macht einen sehr reichen und vornehmen Eindruck. Freilich zählen die größeren Kunstwerke nicht immer zu den zartesten Schöpfungen des Rococo; selbst in den großen und hohen Räumen
stenschlösser begegnen uns selten große, die ganze Wand füllende
der Rococomaler; für den Wandschmuck über den dem Auge
ichbaren kleineren Bildern hat meist der Stuckateur mit
ldeten Ranken⸗ und Leistenwerk der Panneaux und
Spiegelrahmen, für die Decke der Plafondmaler mit seinen allegorischen
oder ornamentalen Malereien gesorgt. Das Gemälde spielt nur eine bescheidene Nebenrolle in der Decoration.
Unter den Werken Antoine Pesne’ s, des eigentlichen preußischen Hofmalers dieser Zeit, nimmt wohl das Familienbildniß des Künstlers aus dem Jahr 1718 künstlerisch den ersten Platz ein. Diesem Bilde ver⸗ dankt der von Friedrich I. 1710 nach Berlin berufene Künstler die Zulassung zu der Bewerbung um einen Platz in der Akademie seiner Vaterstadt Paris. Drei Jahre vor diesem Selbstbildniß malte er den dreijährigen Kronprinzen Friedrich mit seiner Schwester, der nach⸗ maligen Markgräfin von Bayreuth, ein liebenswürdiges, auch durch Schmidt's Stich in weiteren Kreisen bekanntes Kinderbild, in welchem namentlich das energische Wesen des jugendlichen Heldenkönigs treffend in Bewegung und Ausdruck gekennzeichnet ist. Neben den Porträts der Eltern Friedrich's des Großen begegnen uns auch zahlreiche andere Fürstlichkeiten, welche mit dem preußischen Hofe in Beziehung standen, von seiner Hand gemalt, sowie Mitglieder der Hofgesellschaft: Graf Kayserling, Jordan, Knobelsdorff, der geschickte Bau⸗Intendant Friedrichss des Großen und Erbauer des Berliner Opernhauses ferner die gefeierte Tänzerin Barberina, der geistreiche Freund und Vorleser des großen Königs Julien Offray de Lamettrie, der Kupfe stecher Georg Friedrich Schmidt, der Friedrich's Gedichte mit seinen Radirungen schmückte, u. v. a. Kurz die Berliner Gesellschaft aus der zweiten Hälfte des Jahrhunderts lebt in diesen Bildern des „Avelles von Berlin“, wie man ihn gelegentlich scherzhaft nannte, wieder ver uns auf. Pesne war es wohl auch, der Friedrich's des Großen Bilder⸗ ankäufe anregte, unter welchen namentlich die zahlreichen Aufträge an Watteau, Lancret und Pater den Berliner und Potsdamer Schloössern eine Fülle der graziösesten Schöpfungen der damals blühenden fran⸗ zösischen Schule gesichert haben. Leider sind von diesen Kostbarkeiten nur wenige, wie die zwei Gesellschaftsscenen Lancret's, für diese Ausstellung hergeliehen worden, da sie ihrer Mehrzahl nach bereits vor neun Jahren in der zur silbernen Hochzeit des damaligen Kron⸗ prinzlichen Paares veranstalteten Ausstellung dem Publikum zugang⸗ lich gemacht wurden. Wie sehr Pesne diesen französischen Bildern nachgestrebt, lassen außer den beiden genannten Werken von Lancret auch die ebenfalls im Uhrsaale aufgestellten Bildnisse von Charles Vanloo
8 —
seinem zart ver
erkennen, die als charakte⸗ ristische Beispiele für die zarte Farbenstellung und den Charme der Rococomalerei gelten können. 1 Silber⸗
Unter dem Mobiliar fällt der prächtige, mit schwerem Silber beschlag verzierte Schreibtisch Friedrich's des Großen, sowie der Cck⸗ schrank mit Spiegelthür mit seinem reichen Bronzeaufsatz, eine würdige Pfeileruhr und ein Bücherbrett, letztere drei Stücke treffliche eseer der Schildvatt und Messing combinirenden Boulearbeit, hesondee⸗ ins Auge. Auch einige reichgeschnitzte vergoldete oder versilberte . sind aus den Königlichen Schlössern zur Ausstattung des ege dargeliehen worden. Die Kleinkunst ist mit ihren reichsten und kostba 8 Stücken in einer reichvergoldeten Servante aus dem Besitze des baas- heimen Legations⸗Raths Dr. von Dirksen vertreten: Silber, eenne Miniaturen, Dofen, Fächer und Joaillerien aller Art von auserlesenem Saes schmack sind hier in gefälliger Anordnung vereinigt aus den Sammlunge verschiedener Liebhaber. Werthvolles Rococo⸗Silber aus dem 98 5 Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich, des Herzogs 8 Sagan, des Grafen Seckendorff sinden wir neben einem in
5
fräftige Bestockung der Wintersaaten
enen und mit Goldbronze montirten Theeservice eines ungenannten Sammlers in einer Vitrine, die eine besonders kostbare Bereicherung noch am Tage der Eröffnung durch eine von Ihrer Seegen der Kaiserin für die Ausstellung espendete, überreich mit Prillanten besetzte Nephrit-Tabatiere erhalten hat, während daneben eine Achat⸗Dose aus dem Besitz Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich durch die überaus fein durchgeführte Goldmontirung en 8 itre couleurs auffällt. In einem zweiten Glasschrank des Uhrsaales ü lich erregen neben einem Satz des besonders geschätzten Sevres⸗ v in Pompadourroth (Rose Dubarry nach der Gräfin Dubarry annt) andere Poterien aus den Sammlungen des Büeeen⸗ ourtalss besonders schöne Sövrestassen und Teller) und Dr. Darmstädter (Wedgwoodvasen und Leuchter) die Be⸗ vneezgang des Porzellansammlers und Kunstfreundes. Die Wände des Nordfaales schmücken die aus den Gemächern der Königin Luise im Charlottenburger Schlosse bekannten fran⸗ Fofschen Don e teppiche, deren rothe von Blumen⸗ guirlanden belebte Umra dmungen sich nicht weniger frisch erhalten aben, wie die Darstellungen der Mittelfelder, die in der Ausstellung. besser beleuchtet, zu weit günstigerer Wirkung kommen als an ihrem gewöhnlichen Aufbewahrungsort. Einer der durch Scherwände ge⸗ schaffenen Theilräꝛume dieses langgestreckten Saales ist einheitlich im Stile Louis XJ. ausgestattet. Unter den meist Herrn J. Saloschin gehörigen Stücken verdienen besonders eine schöne Kommode von feiner Marqgueteriearbeit und eine Pariser Bronze⸗Uhr Beachtung. Der nächste Theilraum veranschaulicht den Stil Louis XVI., der in bewußter Auflehnung gegen die Willkür des Rococoschnörkels ruhige Linien und antikisirende Elemente ain die Formenwelt einführt. Ein Schreibtich und zwei Lackkommoden aus dem Marmor⸗ Palais zu Potsdam vertreten in hervorragenden Beispielen diesen r Friedrich Wilhelm II. besonders beliebten Stil.
pfer getrieb
unter un Das Porzellan, wohl diejenige Kunstgattung, in welcher die Formensprache des Rococo am reinsten und reizvollsten zum Ausdruck kommt, ist in einer sehr reichhaltigen Auswahl meist erlesener Stücke vertreten. Unter den Ausstellern müssen namentlich Geheimer Rath Lüders mit zwei vorzüglich arrangirten Vitrinen, Dr. Darm⸗ städter, Werminghoff, vom Rath, Schöller, Baron von Mecklenburg und der Kunsthändler Levy genannt werden. Man hat sich keineswegs auf die Berliner Manufactur, welche besonders in der Sammlung Lüders reich vertreten ist, beschränkt; Meißen, Höchst, Frankenthal, Fürstenberg, Ludwigsburg, Sepres, Capo di Monte, Worcester, Chelsea, kurz alle wichtigeren Werkstätten der nach der Entdeckung Bötticher's (1708) so reich aufblühenden In⸗ dustrie finden wir hier vertreten. Unter dem Berliner Porzellan erheben namentlich die älteren Stücke aus den Werkstätten Wegeli's und Gotzkowsky's sowie mehrere Prachtstücke aus dem Tafel⸗
service Friedrich's des Großen, das theils im Breslauer Schloß,
theils im Hohenzollern⸗Museum aufbewahrt wird, Anspruch auf Be⸗ achtung. Erst allmählich ringt sich der Decor von den chinesischen Vorbildern zu jener entzückenden Freiheit des Blumenstreumusters G das die Erzeugnisse der Berliner Manufactur zu unüber⸗ troffenen Vorbildern auf diesem Gebiete macht.
In der nach der Lindenfront des Akademiegebäudes gelegenen Galerie, die wir bei unserer flüchtigen Wanderung zuletzt betreten, setzt sich die Porzellanabtheilung in einzelnen Vitrinen und Servanten fort, daneben aber begegnen uns auch eine Reihe bemerkenswerther Gemälde und Bildwerke, so Cuningham's bekanntes 2 Friedrich den Großen mit seinen Generalen darstellend,
s Prinzen Heinrich und eine andere Houdon’s, zahlreiche Bildnisse von Pesne, zwei Berliner Ansichten von Philipp Hackert, Tassaert's Marmorbildniß Moses Mendelssohn’s, einige Werke des geschätzten Porträtmalers Anton. Graff, Coypel's, Raffael Mengs u. s. w. Hier finden wir auch den einzigen auf dieser Ausstellung vorhandenen Watteau, ein Concert im Freien, aus Schloß Sanssouci, eine Sammlung von Fächern und Dosen, mehrere zum Theil sehr reiche Standuhren und anderes mehr.
Schon diese Aufzählung der bemerkenswerthesten Stücke wird eine Vorstellung von dem Umfange des hier gebotenen seltenen Bildes der Rococokunst zu geben vermögen, das nicht nur von unsern Kunst⸗ freunden, sondern auch von den Vertretern unserer Kunstindustrie eifrig studirt zu werden verdient. “ “
Bild ellb, . 82 ꝙ eine Büste
Voltaire's von der Hand
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Stand der Saaten.
Im Regierungsbezirk D üsseldorf konnte die Winterbestellung t zu Ende geführt und die Saat bei trockenem Wetter untergebracht werden. Die darauf eingetretene Feuchtigkeit hat eine schnelle und herbeigeführt, sodaß diese
überall einen guten Stand zeigen. Es sind daher die Aussichten für
die künftige Ernte bis jetzt als recht gute zu bezeichnen.
8 Auch im Regierungsbezirk Lüneburg war die Witterung für die Winterfrucht günstig, sodaß auch hie r Stand der Saaten zu guten ffnungen berechtigt. 1
undheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln. vB“
“ Ueber die Influenza 88 Krichtet Nr. 16 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gefundheitsamts“ in Folgendem:
In der Verbreitung der Krankheit scheint im Auslande eine entliche Veränderung während der Berichtswoche nicht eingetreten 1 sein. In London sind 13 Todesfälle an derselben gegen (.) 14, in Hanis 1:1 in der Vorwoche gemeldet worden. In Wien, Prag und en apest sind Fälle an Influenza überhaupt nicht beobachtet worden. hns Stockholm, wo in der Vorwoche 3 Erkrankungen ohne Todes⸗ alle vorkamen, werden 2 Todesfälle mitgetheilt: Neuerkrankungen liegen daselbst nicht vor. In Kopenhagen betrug die Zahl der letz⸗ teren 51:101 bei je 2 Todesfällen. Für New⸗Pork belief sich die Zahl der Todesfälle auf 7:9 in der Vorwoche. — Inflnds Deutsche Reich anlangend, haben die Erkrankungen an afluenza im Regierungsbezirk Düsseldorf mit 317: 262 unter gleich⸗ zeitiger Verringerung der Todesfälle auf 8:15 an Zahl etwas zu⸗ fnerahen Im übrigen ist hervorzuheben, daß in Köln 6 Todes⸗ 1218 -7 in Darmstadt aber 4:2 in der Vor⸗ bee. Prresfefr sind, während in Mainz und Halle (4 und 2) ebenso wis e, in Frankfurt a. O. (3) ebenso viele Erkrankungen
* Vorwoche vorgekommen sind. 8
—
8 Schafräude NM . 8 8 1 65 8 8 Berichten aus den verschiedenen Regierungs⸗ ug der Schafräude in der Monarchie auch im det Se weitere Fortschritte gemacht. Während die unterworfen wurden, in Preußen dem Badeverfahren 65 941, 1890: 59 509 ba. 7: 230 716, 1888: 109 784, 1889: Schafe zu baden, von beneng. waren im Jahre 1891 nur noch 58 963 fangreich waren im ver m 50 202 Stück geheilt worden sind. Um⸗ gierungsbezirke Cassel 6ö Vahre nur noch verseucht die Re⸗ doch ist es auch in diesen B ver, Osnabrück, Lüneburg und Stade; rungsbezirk Osnab diesjen Bezirken, mit Ausnahme des zum Regie⸗ ungen, die räumliche Verbreitung g er,8gd g 11ö“ lich räudefrei waren am Schlußse des Raäude einzschränten Gänz⸗ die Rehaßen, Westvreußen, Brandenburg, osen, Pommern Bebhlifhen bezi nprg einz, die Hohenzollernschen Lande sowie die Regierungs⸗ irke Magdeburg und Aurich. ie die Regierungs⸗ Zur weiteren Tilgung der Se 1 — “ Bezirken ist es ders Lnat 8 in den noch nicht räudefreien verfahren, wie im vergangenen Fahre 1a .g den kälgungs⸗ die Polineibebz 8 . zuführen. emgemäß sind Polizeibehörden mit entsprechender Anweisung ne
Nach amtlichen bezirken hat die Tilgu berpangenen Jahre Zahl Schaf
— Bremerhavpen, 20. April. Aus St. Vincent kommt dem »D. B. H.“ die Nachricht, daß auf dem Bremer Dampfer „Brema“, der auf der Fahrt von Santos nuch Hamburg begriffen war, zwölf Personen, darunter der Erste Offizier, am gelben Fieber ge⸗ storben sind.
Genua, 21. April. Der aus Brasilien zurückkehrende Dampfer „Herzogin von Genua“ mit 872 Fahrgästen an Bord, wurde, wie „H. T. B.“ meldet, in Quarantäne gelegt, weil an Bord das gelbe Fieber ausgebrochen war. Fünf Personen waren unterwegs ver⸗
FSandel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks 8 an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 20. d. M. gestellt 8999, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 19. d. M. gestellt 3209, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.
8 steigerungen.
Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin stand am 20. April 1892 das Grundstück in der Kremmenerstraße 6, der Handelsgesellschaft in Firma Gebrüder Bry gehörig, zur Versteige⸗ rung; Mindestgebot 79 100 ℳ, für das Meistgebot von 108 900 ℳ wurde der Kaufmann Siegfried Abrahamsohn, Prenzlauer⸗ straße 46, Ersteher. — Auf drei Monate vertagt wurde das Ver⸗ fahren der Zwangsversteigerung wegen des Werner’'schen Grund⸗ stücks in der Straße 15 Abth. 12.
— Der Rechnungsabschluß der Brandenburger Spiegel⸗ glas⸗Versicherungs⸗Gesellschaft für das letzte Geschäfts⸗ jahr ergab 20 318 Versicherungen mit einer Versicherungssumme von 9 104 440 ℳ und einer Prämieneinnahme von 249 632 ℳ (gegen das Vorjahr mehr 646 Versicherungen über 758 481 ℳ mit 26 872 ℳ Prämie). Die Schäden betrugen 160 838 ℳ gegen 148 723 ℳ in 1890, mithin 64,4 %, gegen 66,7 % der Prämie. Die Reserven betragen 152 723 ℳ Da mit diesem Tage das neue „revidirte Statut“ der Gesellschaft vom 20. April 1891 in Kraft trat, so waren auch alle Aemter neu zu besetzen. Der Vorstand der Gefellschaft besteht gegenwärtig aus dem General⸗Director Otto Meinicke und dem con⸗ rolirenden Mitgliede des Verwaltungsrathes Wilhelm Wagenitz. —— Aus Frankfurt a. M. wird gemeldet, daß der Haupt⸗ kassirer des Bankhauses M. A. von Rothschild u. Söͤhne, Rudolf Jäger, seit Donnerstag verschwunden sei. Die von Jäger unterschlagene Summe soll nach den bisher festgestellten Ermittelungen sich auf 1 700 000 ℳ belaufen. Die durch Börsenspeculation ent⸗ standenen Verluste Jäger's rühren angeblich hauptsächlich aus Ge⸗ treidespeculationen in Berlin und Odessa her.
— Die „Rhein.⸗Westf. Ztg.“ berichtet vom rheinisch⸗west⸗ fälischen Eisen⸗ und Stahlmarkt: Die Phvysiognomie des rheinisch⸗westfälischen Eisenmarkts hat sich in der “ Woche, die erfahrungsmäßig still zu sein pflegt, wenig geändert. Die Nach⸗ frage hielt sich in ziemlich bescheidenen Grenzen und die Preise be⸗ haupteten sich. Das Erzgeschäft steht im Siegerlande noch auf dem Standpunkt der vorigen Woche. Größere Posten werden selten abgestoßen, und viele Arbeitskräfte widmen sich augenblicklich unbeschadet der Entwickelung des Marktes der Landwirthschaft. Luxemburg⸗Lothringer Minette wird nur wenig gekauft. Spanische Erze waren in der letzten Zeit wieder leblos und zeigten einen geringen Rückgang im Preise. Der Roh⸗ eisen markt ist im ganzen still. Die Preise sind bei den heutigen Kohlennotirungen noch immer unlohnend. Befriedigenden Absatz haben nur wenige Sorten. Ziemlich lebhaft gefragt, namentlich für kleinere Posten zum prompten Versandt, ist Spiegeleisen. Ab und zu laufen auch wieder bessere Nachfragen nach Puddelroheisen ein, sodaß es den Anschein hat, als ob die Walzwerke gleichfalls mit der Möglichkeit eines besseren Frühjahrsgeschäfts rechneten. Eine bedeu⸗ tende Zunahme der Lager kann vorläufig noch für keine Roheisen⸗ sorte constatirt werden, da man den Betrieb, soweit es angeht, ein⸗ geschränkt hat. Auf dem Walzeisenmarkt ist die Stimmung im wesentlichen unverändert geblieben. Stabeisen war in letzter Woche bei einigen Werken still, andere hatten einen mäßigen Absatz zu ver⸗ zeichnen. Für die Trägerwalzwerke hat der Beginn der Bau⸗ thätigkeit wie gewöhnlich eine stärkere Nachfrage gebracht, doch ist bei dem lebhaften Wettbewerb und dem daraus hervorgehenden Preisdruck
Zwang
as Geschäft kaum lohnend zu nennen. Die Lage des Bandeisen⸗ geschäftes ist seit der Vorwoche unverändert; die gebuchten Aufträge sind gerade hinreichend, um für einige Zeit einen regelmäßigen Betrieb zu sichern. Grobbleche sind im allgemeinen befriedigend und stellen⸗ weise sogar sehr lebhaft gefragt, im übrigen seit dem letzten Bericht unverändert. Walzdraht war in ziemlich befriedigender Weise begehrt, weniger gezogene Drähte und Drahtstifte. Nieten waren bei gedrückten Preisen stark vernachlässigt. Ein leb⸗ hafter Betrieb ist bei den Eisengießereien und Maschinen⸗ fabriken noch nicht zu verzeichnen. Die meisten dieser Werke klagen noch über gedrückte Preise und Mangel an Aufträgen. Die Bahn⸗ wagen bau⸗Anstalten sind andauernd befriedigend beschäftigt.
Leipzig, 20. April. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ bandel. La Plata. Grundmuster B. per April 3,90 ℳ, per Mai 3,90 ℳ, per Juni 3,92 ½ ℳ, per Juli 3,95 ℳ, per August 3,95 ℳ, vder September 4,00 ℳ, per Oktober 4 00 ℳ, per November 4,00 ℳ ver Dezember 4,00 ℳ, per Januar 4,00 ℳ, per Februar 4,00 ℳ Umsatz 185 000 kg. “ Wien, 20. April. (W. T. B.) Bei den 298 km langen Localbahnen der Oesterreichischen Local⸗Eisenbahn⸗Gesell⸗ schaft, die in diesem wie im Vorjahre im Betriebe gestanden haben, betrugen die provisorisch ermittelten Einnahmen im Monat März d. J. 137 551 Fl. und in der Zeit vom 1. Januar bis Ende März 1892 419 519 Fl., während die definitiven Einnahmen in der gleichen Periode des Vorjahres 163 885 bezw. 469 434 Fl. betragen haben. Die provisorisch ermittelten, oben nicht inbegriffenen Einnahmen der 36 km langen Theilstrecke Budweis —Gojau der Localbahn Budweis — Salnau betrugen in der Zeit vom 1. Januar bis Ende März 1892 16 383 Fl. London, 20. April. (W. T. B.)
Betheiligung, Preise fest, behauptet. An der Küste 9 Weizenladungen angeboten. Glasgom, 20. April. (W. T. B.) In der bheutigen Ver⸗ sammlung der „Tharsis Sulphur and Copper Com- pany“ theilte der Präsident der Gesellschaft mit, daß die Dividende für 1891 12 ½ % gegenüber 22 ½ % im Jahre 1890 betragen werde.
Wollauction. Lebhafte
Der Gewinn der Gesellschaft habe sich innerhalb von vier Monaten um 122 000 Pfd. Sterl. vermindert. Paris, 20. April. (W. T. B.) Eine Meldung aus Madrid besagt, die Bank von Spanien habe 30 Millionen Tresorscheine zu 5 % auf 3 Monate übernommen. In finanziellen Kreisen glaube man, die Bank werde den Zinsfuß herabsetzen. Im Hinblick auf eine Vermehrung der Ausgabe von Bankbillets hätte das Institut 10 Millionen Pesetas Gold und mehrere Millionen Silber gekauft.
St. Petersburg, 20. April. (W. T. B.) An Stelle Günz⸗ urg's ist in den Verwaltungsrath der St. Petersburger Dis⸗ ontobank Poleschajew jun. gewählt worden.
St. Gallen, 20. April. (W. T. B.) Die Einnahmen der Schweizerischen Unionbahnen betrugen im März cr. 576 000 Fr., die Betriebs⸗Ausgaben 365 000 Fr.
New⸗York, 20. April. (W. T. B.) Die Börse eröffnete sehr schwach; im weiteren Verlaufe fest, Schluß sehr fest. Der Um⸗ satz der Actien betrug 424 000 Stück. Der Silbervorrath wird auf 2 800 000 Unzen geschätzt. Die Silberverkäufe betrugen 118 000 Unzen. Die Silberankäufe für den Staatsschatz betrugen 543 000 Unzen zu 87,45 à 87,60.
Weizen eröffnete sehr fest. Infolge kräftigen Eingreifens der Haussepartei einige Zeit steigend, erfolgte später Reaction auf Ver⸗ käufe des Auslandes und der Platzspeculation. Schluß fest auf Brad⸗ streetsberichte und bessere Nachfrage für den Erport. — Mais schloß
p U C
nach vielen Schwankungen fest.
Chicago, 20. April. (W. T. B.) Weizen fest und etwas steigend auf reichliche Nachfrage für den Export, dann vorüh Reaction auf Verkäufe, darauf wieder steigend, Schluß Mais sehr fest und steigend auf Berichte über ungünstiges nach kurzer Reaction wieder erholt. Schluß fes..
Verkehrs⸗Anstalten.
Am Sonntag, den 1. Mai 1892, wird ein Sonderzug Besuch der Leipziger Messe von Berlin nach Leipzig befördert. ₰ fährt um 6 Uhr 30 Min. Vorm. von hier (Anhalt⸗Dresdner Bahn⸗ hof) ab und trifft in Leipzig 10 Uhr 24 Min. Vorm. ein. Die Rück⸗ fahrt von Leipzig erfolgt 10 Uhr 30 Min. Abends, die Ankunft in Berlin 2 Uhr Nachts. Die drei Tage gültigen Sonderzugfahrkarten zu 9. ℳ 80 ₰ für II. und 6 ℳ 80 ₰ für die III. Klasse berechtigen am Sonntage zur Rückfahrt sowohl mit dem Sonderzuge wie mit allen fahrplanmäßigen Personenzügen, und an den folgenden beiden Tagen mit allen fahrplanmäßigen Personenzügen. Die Benutzung von Schnellzügen ist ausgeschlossen, worauf noch besonders aufmerksam gemacht wird. Freigepäck wird nicht gewährt. Der Fahrkartenverkauf findet vorher bei dem Invalidendank, Markgrafenstraße 51 a, und am Sonntage, den 1. Mai d. J., früh, bei der Fahrkarten⸗Ausgabestelle auf dem Anhalt⸗Dresdner Bahnhofe statt. “
Bremen, 20. April. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd Der Schnelldampfer „Lahn’“ ist gestern Abend in Southa mpton angekommen und hat die Reise nach Bremen fortgesetzt. Der Dampfer „Kronprinz Friedrich Wilhelm“ ist gestern auf der Ausreise in O porto angekommen. 8 — 21. April. (W. T. B.) Der Schnelldampfer „Havel“ hat am 20. April Nachm. die Reise von Southampton nach New⸗ Pork fortgesetzt. Der Schnelldampfer „Spree“ ist am 19. April Mittags von New⸗York via Southampton nach der Weser ab⸗ gegangen. Der Postdampfer „Dresden“, am 7. April von Bremen abgegangen, ist am 20. April Morgens in Balti more angekommen. Der Postdampfer „Ohio“ hat am 19. April Nachm. die Reise von Vigo nach dem La Plata fortgesetzt.
3 London, 20. April. (W. T. B.) Der Uniondampfer „Mexican“ ist heute auf der Ausreise von Madeira abgegangen.
— 21. April. (W. T. B.) Der Uniondampfer „Dane“ ift auf
der Heimreise gestern von Capetown abgegangen. — .
Theater und Musik.
Residenz⸗Theater.
Das Schauspiel Graf Waldemar“ von gehört trotz seines Alters von über vierzig Jahren immer noch zu den beliebtesten Erzeugnissen der neueren dramatischen Literatur, weil die Charaktere klar und durchsichtig in einfacher Sprache naturwahr ge⸗ zeichnet sind und die Entwickelung der Handlung unter sorgsamster Beachtung der Bühnenerfordernisse ungekünstelt durchgeführt ist. Große Meister in der Schauspielkunst haben von jeher gern dieses Werk gewählt, um durch Darstellung der Titelrolle Gelegenheit zur vollen Entfaltung ihrer Talente zu haben. Eine mustergültige Vorstellung dieses Schauspiels bot im vorigen Jahre das Berliner Theater mit Herrn Ludwig Barnay als 1“ Gast A. Sonn al i r seine hervorragenden Gabe ganz besonders geeigneten Rolle. Daß er sie unter dem von Act zu Act sich steigernden Beifall der zahlreichen Zuschauer tadellos spielte, daß er ebenso den richtigen Ton traf für den durch Lebensgenüsse über⸗ sättigten, die Moral und die Menschen verachtenden, wie für den, durch die Liebe sittlich geheilten und damit dem wahren Lebensgenuß zurück⸗ gegebenen, vornehmen Mann, darf wohl als selbstverständlich bezeichnet werden. Auch die übrigen Mitwirkenden wurden im allgemeinen ihren Aufgaben gerecht, besonders muß es Fräulein Rosa Bertens nach⸗ gerühmt werden, daß sie den ihrer Eigenart vielleicht nicht entsprechenden Charakter der Gärtnerstochter Gertrud Hiller mit großer Bühnengewandtheit wiedergab. Als Georgine Fürstin Udaschkin debütirte Frau Rosa Keller⸗Frauenthal. Sie besitzt in seltener Weise die Gabe, ihre Stimme und ihre Bewegungen zu beherrschen; in der Liebe zum Grafen Waldemar und in der Eifersucht gegen Gertrud Hiller hätte sie aber noch mehr leidenschaft⸗ liches Feuer zeigen können. Der Fürst Udaschkin wurde von Herrn Aug. Meyer⸗Eigen sachgemäß, der Kammerdiener Bor von Herrn Adolf Steineke sehr humoristisch und auch der Gärtner Hi von Herrn Eugen Pansa befriedigend dargestellt.
Signorina Luisa Nikita, die gestern Abend zum ersten Male in Berlin als dramatische Sängerin auftrat, erzielte als Gilda in Verdi's „Rigoletto“, die sie als Debutrolle gewählt hatte, einen recht erfreulichen Erfolg. Die Sängerin besitzt eine angenehme, milde Stimme und ein besonders in der oberen Tonlage klares Organ, das in den lyvrischen Stellen der Partie zart und eindrucksvoll klingt. Der Reiz der Stimme verminderte sich aber etwas, sobald leidenschaftliche Erregung und tiefer, die Seele auf⸗ wühlender Schmerz durch die Tongebung charakterisirt werden sollte: dann machte sich noch etwas wie jugendliche Dürftig⸗ keit und Unfertigkeit des Spiels nachtheilig bemerkbar und beeinflußte die Wirkung des immer lieblichen, aber nicht mehr der Situation ent⸗ sprechenden Gesanges. Die Coloratur ist bei aller Geschmeidigkeit noch nicht tadellos und bedarf der Abfeilung und Klärung. Herr Luria ist schon als tüchtiger und wohlgeschulter Sänger be⸗ kannt. Sein Rigoletto war eine recht anerkennenswerthe Leistung:; die mächtige Tonfülle kam trotz einer gewissen Schwere des Vortrags gut zur Geltung; es fehlt dem Darsteller nur an innerer Vertiefung und mimischer Beweglichkeit, um völlig zufrieden zu stellen. Für die Rolle des Herzogs besitzt Herr Alma das nothwendige sympathische, weiche Organ, das von einer schön ab⸗ gemessenen Vortragsweise unterstützt wird. Die Darstellung war demnach in den Einzelleistungen durchschnittlich zu loben, auch der Chor that seine Schuldigkeit; besondere Anerkennung verdient aber aufs neue das unter Leitung des Herrn Kapellmeisters Gille stehende Orchester.
Gustav Freytag
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Am Sonnabend findet im Sinißhthe Opernhause die erste Wiederholung der Oper „Boabdil“ mit den Damen Hiedler und Staudigl, den Herren Rothmühl, Mödlinger, Stammer und Fränkel statt. Am Sonntag geht in neuer Einstudirung Auber's „Maurer“ mit den Damen Herzog, Weitz und Lammert, den Herren Philipp, Krolop, Schmidt und Krasa in Scene. Vorauf geht „Cavalleria rusticana“ mit den Damen Pierson Dietrich und Lammert, den Herren Sylva und Bulß. „König Richard III.“, der im Berliner Theater am Sonn⸗ abend neu einstudirt in Scene geht, wird am Sonntag Abend wieder⸗ holt. Die Titelrolle wird an beiden Abenden von Ludwig Barnay dargestellt. Nuscha Butze wird die Königin Anna, Ida Heee die Elisabeth, Arthur Kraußneck den König Eduard, Paul Nollet den Buckingham, Ludwig Stahl den Clarence, Emanuel Stockhausen den Richmond geben. — Siegfried Jelenko, der bisherige Regisseur, ist vom Director Ludwig Barnay zum Ober⸗Regisseur ernannt worden. Vom 1. Mai ab werden die Vorstellungen anstatt um 7 Uhr wieder erst um 88 Uhr beginnen. Im Lessing⸗Theater gelangt morgen nach längerer Pause wieder Hermann Sudermann’'s Schauspiel „Die Ehre“ in der alten Besetzung zur Aufführung.
Zu der am Sonnabend im Wallner⸗Theater stattfindenden Jubiläums⸗Vorstellung Oscar Blencke’s werden Billets von heute ab an der Theaterkasse Vormittags von 10 bis 1 Uhr — ohne Auf⸗ geld — ausgegeben. Der Eintrittspreis ist in Anbetracht des wohl⸗ thätigen Zweckes für das I. Parquet auf 4 ℳ festgesetzt worden.
Im Concerthause veranstaltet Herr Kapellmeister Meyder
morgen den lenten „Wagner⸗Abend“ in dieser Spielzeit.