1892 / 103 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 30 Apr 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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führung zulässig und bedarf der Geneheb hie des Provinzial⸗ er

Schulcollegiums. 8 7. Der Unterrichts⸗Mini ist befugt, das Schulgeld an den nichtstaatlichen höheren Unterrichtsanstalten in der⸗ selben Höhe und von dem von ihm zu bestimmenden Zeitpunkte ab fekansen und seine Erhebung anzuordnen, wie dasselbe bei den staatlichen Schulen der entsprechenden Kategorie zur Hebung gelangt. § 8. Höhere Schulen im Sinne dieses Gesetzes sind die vom Unterrichts⸗Minister als solche anerkannten oder anzuerkennenden Unter⸗ richtsanstalten, zur Zeit: Gymnasien, Realgymnasien, Ober-⸗Real⸗ schulen, Progymnasien, Real⸗Progymnasien und v So lange eine staatliche Ober⸗Realschule nicht vorhanden ist, finden auf die Ober⸗Realschulen die für die sonstigen staatlichen Vollanstalten geltenden Gehaltsbestimmungen Anwendung. § 9. Dieses Gesetz tritt am 1. April 1893 in Kraft. Die Gemeinden bezw. Corporationen u. s. w. können die Zahlung des erhöhten Diensteinkommens bereits von einem früheren Termine ab beschließen. Gegeben ꝛc. Urkundlich ꝛc.

In der Begründung heißt es:

Die Erfahrung hat gezeigt, daß seitens der Communen und son⸗ stigen Corporationen den von ihnen gegründeten bezw. unterhaltenen höheren Lehranstalten diejenige Fürsorge und materiellen Opfer im großen und ganzen gern entgegengebracht werden, welche diese zu ihrem Gedeihen und ihrer zeitgemäßen Weiterentwickelung bedürfen; dies ilt insbesondere von den größeren steuerkräftigeren Communen, deren bhöhere Schulen, was ihre äußere Ausstattung (Gebäude, Lehrmittel) wie auch die Zusammensetzung der Lehrercollegien betrifft, im wesent⸗ lichen allen zu stellenden Anforderungen genügen.

Schwieriger gestalten sich diese Verhältnisse in den kleineren, weniger leistungsfähigen Communen, bei denen nicht selten die materielle Fürsorge für das Lehrerpersonal vieles zu wünschen übrig läßt. Obwohl die Vorbildung und der Kreis der Pflichten dieser Lehrer genau derselbe ist, wie bei den staatlichen Anstalten, bleibt das Einkommen der ersteren vielfach recht erheblich hinter demjenigen der staatlichen Lehrer zurück. Während bei den Vollanstalten im wesentlichen der Normal⸗Etat vom 20. April 1872 zur Durchführung gelangt ist, entbehren noch jetzt nach Verlauf von nahezu zwanzig Jahren die Lehrer an fünf Vollanstalten den Wohnungsgeldzuschuß gänzlich, an einer Anzahl anderer Anstalten theilweise; namentlich ist dies der Fall be⸗ züglich der den ordentlichen Lehrern der Staatsanstalten seit dem Jahre 1886 zu theil gewordenen Erhöhung auf die Sätze für die Oberlehrer; von den Nichtvollanstalten ist nahezu die Hälfte mit dem Wohnungsgeldzuschuß noch gänzlich im Rückstande, bei einigen dieser Anstalten sind bisher sogar nicht einmal die vollen normalmäßigen Ge⸗ hälter bereit gestellt worden. Selbst um dies ungenügende Resultat zu er⸗ reichen, hat es jahrelanger Verhandlungen, wiederholter Gesuche der betheiligten Lehrercollegien und des Drucks der Schulverwaltung be⸗ durft, ohne daß es doch gelungen wäre, den Widerstand der städtischen Vertretungen ganz zu beseitigen. Insonderheit hat die Einführung des Wohnungsgeldzuschusses wiederholt einen Widerspruch heraus⸗ gefordert, der in einigen Fällen selbst der Entziehung des früher ge⸗ währten Staꝛtzschufs nicht gewichen ist; vereinzelt soll sogar im Schoß der städtischen Körperschaften die Aeußerung gefallen sein, daß man nur gesetzlichem Zwang sich fügen werde.

Es bedarf keines Nachweises, daß die Beseitigung der noch be⸗ stehenden Verschiedenheiten und die neuerdings in A eflcht genommene Erhöhung des Diensteinkommens für die Lehrer der nichtstaatlichen Anstalten aus freier Entschließung der Städte in vielen Fällen über⸗ haupt nicht, in anderen nur nach vielfachen fruchtlosen Verhand⸗ lungen und nur zum theil durchzusetzen sein, daß jedenfalls lange Zeit vergehen wird, ehe sämmtliche nichtstaatlichen Lehrer den staatlichen bezüglich ihres Diensteinkommens auch nur annähernd gleichgestellt sein werden.

Die Folge würde sein, daß die Lehrer nach den besser dotirten Stellen an den Königlichen Anstalten hindrängen, daß die Stellen an den nichtstaatlichen Anstalten von den hervorragenderen Lehrern nur als Durchgangsposten angesehen und einem steten Wechsel der In⸗ haber ausgesetzt, schließlich nur von minderwerthigen und mißmuthigen Lehrkräften bekleidet werden, daß die Leistungen unter das normale Maß herabgehen und damit diesen Schulen der Charakter von An⸗ stalten geringerer Ordnung aufgeprägt würde, ein Zustand, der schon mit Rücksicht auf den gleichen Umfang der Berechtigungen im öffent⸗ lichen Interesse nicht zugelassen werden könnte.

Es erscheint daher der Erlaß eines Gesetzes geboten, durch welches

die Patronate der nichtstaatlichen höheren Schulen verpflichtet werden, die für die Leiter und Lehrer der staatlichen Schulen geltenden Gehalts⸗ sätze auch bei jenen Schulen mit den durch die Sachlage gebotenen Unterschieden alsbald zur Durchführung zu bringen; es ist dies um so mehr geboten, als durch die anläßlich der Schulconferenz ergangene Allerhöchste Ordre vom 17. Dezember 1890 die Nothwendigkeit einer baldigen Regelung der äußeren Verhältnisse des Lehrerstandes mit Rücksicht auf die zum 1. April d. J. in Aussicht ge⸗ nommene Durchführung der neuen Reformpläne und die damit verbundene Mehrbelastung des gesammten Lehrerstandes ausdrücklich betont worden ist. Die gegen jene Maßsregel etwa geltend zu machen⸗ den prinzipiellen Bedenken dürften durch die Erwägung gemindert werden, daß nach § 68 II 12 A. L.⸗R. und Art. 23 Abs. 2 der Ver⸗ fassungsurkunde die Lehrer an diesen Anstalten als (wenn auch mittel⸗ bare) Beamte des Staats angesehen werden sollen, daß deren Ruhe⸗ gehälter bereits durch Gesetz (das Pensionsgesetz vom 27. März 1872 und dessen Ergänzungen) geregelt sind, daß ferner nach § 64 Abs. 3 der Städteordnung vom 30. Mai 1853 sogar die Bemessung der Ge⸗ hälter für einen Theil der eigentlichen Gemeindebeamten der Be⸗ stimmung der Aufsichtsbehörde unterliegt. Ddie Staatsregierung kann sich nach den oben geschilderten Er⸗ fahrungen der Einsicht, daß eine gesetzgeberische Regelung der vor⸗ stehenden Angelegenheit neg sei, umsoweniger zu entziehen, als bereits durch die seitens des Abgeordnetenhauses erfolgte Annahme der auf die Anträge der Abgg. Dr. Kropatscheck und von Schenckendorff in wiederholten Commissionssitzungen ausgearbeiteten Gesetzentwürfe aus dem Jahre 1886 und 1888 das Bedürfniß eines gesetzgeberischen Eingreifens seitens dieses Theils der Landesvertretung wiederholt an⸗ erkannt worden ist. 1

Der dem Hause der Abgeordneten zugegangene Entwurf eines Gesetzes wegen Verlegung der Landes⸗ Buß⸗ und Bettage, lautet:

S1. Die in den verschiedenen Landestheilen der Monarchie be⸗ stehenden Buß⸗ und Bettage, insbesondere der Mittwoch nach dem Sonntag Jubilate, gelten fortan nicht mehr als allgemeine Feier⸗ tage. § 2. Dem Mittwoch vor dem letzten Trinitatis⸗Sonntage wird die Geltung eines allgemeinen Feiertages beigelegt. § 3. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes wird durch König⸗ liche Verordnung bestimmt. Urkundlich unter Unserer Höchst⸗ eigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel. 1

In der Begründung heißt es:

Das Haus der Abgeordneten hat in seiner Sitzung vom 17. Juni 1891 bei der Berathung des von der Königlichen Staats⸗ regierung auf Grund Allerhöchster Ermächtigung vom 2. Mai 1891 dem Landtage vorgelegten Gesetzentwurfs, betreffend die Verlegung der Landes⸗Buß⸗ und Bettage, beschlossen: in Erwägung, daß der Gesetzentwurf eine den beiden christlichen Confessionen gemeinsame Feier eines Buß⸗ und Bettages nicht sicher stellt, daß dagegen bei seiner Annahme voraussichtlich in verschiedenen Landestheilen zwei Tage der gewerblichen Thätigkeit entzogen werden müßten, in fernerer Erwägung, daß der so dem Gesetzentwurf in Vorschlag gebrachte Tag (Freitag) vielseitig als Feiertag nicht geeignet erscheint, daß aber andererseits das Bedürfniß nach Vereinigung der verschiedenen Buß⸗ und Bettage auf einen gemeinsam zu feiernden Tag anerkannt wird, 1) den Gesetzentwurf, betreffend die Verlegung der Landes⸗Buß⸗ und Bettage, abzulehnen; 2) der Königlichen Staatsregierung anheimzustellen, mit den betreffenden Landesregierungen und Kirchenbehörden beider Confessionen erneut in Verhandlung zu treten und dabei eine Ver⸗ einigung zu gemeinsamer Feier auf einen Tag gegen Schluß des Kirchenjahres, womöglich in der vorletzten Woche, auf einen Mittwoch

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in Aussicht zu nehmen. Infolge dessen ist die Königliche Staats⸗ regierung von neuem sowohl mit den inländis⸗ Kirchenbehörden als auch mit den Landesregierungen der Norddeutschen Bundesstaaten in Verbindung Peehg Dabei hat der Vorschlag, daß als gemein⸗ samer Feiertag der Mittwoch vor dem letzten Trinitatissonntage aus⸗ ersehen werde, fast allgemeine Zustimmung erfahren. Die General⸗ Synode der evangelischen Landeskirche der neun älteren Pro⸗ vinzen, die Gesammtsynode der evangelisch⸗lutherischen Kirche der Provinz Schleswig⸗Holstein, die Landessynode der evan⸗ gelisch⸗lutherischen Kirche der Provinz Hannover, die Gesammt⸗ synode der evangelisch⸗reformirten Kirche der Provinz Hannover und die Bezirkssynode des Consistorialbezirks Wiesbaden haben sämmtlich die ihnen von ihren Kirchenregierungen gemachten Vorlagen wegen kirchengesetzlicher Verlegung der Buß⸗ und e auf den ge⸗ nannten Tag angenommen. Die katholischen Bischöfe Irasehe haben ihre Bereitwilligkeit erklärt, dem Heg Stuhle die Bitte zu unterbreiten, für die alten Provinzen der Monarchie den bisher am Mittwoch nach Jubilate abgehaltenen kirchlichen Feiertag unter ücper e der auf diesen Tag gelegten kirchlichen Fett auf ihre früheren Tage wieder aufzuheben und statt dessen den vorletzten Mittwoch im Kirchenjahr unter Anweisung eines entsprechenden Festtages zu einem gebot nen Feiertage zu erheben. Von den Landesregierungen der Norddeutschen Bundes⸗ staaten sind außer vom See Mecklenburg⸗Strelitz und den ser Waldeck und Reuß älterer Linie bereits im wesent⸗ ichen zustimmende Erklärungen eingegangen. Um die Verhandlungen namentlich hinsichtlich des Zeitpunktes der Einführung der neuen Ordnung zum Abschluß bringen zu können, erscheint es nothwendig, die endgültige Zustimmung des Landtags dazu durch Annahme des vorgelegten Gesetzentwurfs zu erlangen. Mit Rücksicht darauf, daß die süddeutschen Staaten (Bayern, Württemberg, Baden und Hessen) sich der Einrichtung eines gemeinsamen Buß⸗ und Bettages nicht anschließen wollen, sind die Hohenzollernschen Lande, wo bisher ein solcher Tag nicht gefeiert wird, von der Geltung des Gesetzes aus⸗ genommen.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

In Fällen, in welchen der Testator so schwachsichtig ist, daß er ohne Zuhilfenahme eines Vergrößerungsglases nicht im stande ist, dem Vorgange bei Aufnahme des Protokolls mit den Augen zu folgen und zu erkennen, was er unterschreibt, muß, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Civilsenats, vom 3. Dezember 1891, im Gebiete des Preuß. Allg. Landrechts gleichwie im Falle der völligen Blindheit an die Stelle der Unterschrift des Testators die Zuziehung und Unterschrift zweier Zeugen treten, in deren Gegenwart der Testator erklärt hat, daß ihm das Protokoll vorgelesen worden sei und er den Inhalt desselben genehmige.

Kunst und Wissenschaft.

4 In Deutschland hat Gabriel Max am frühesten und mit größtem Erfolg die mystische Richtung vertreten, welche sich nicht selten als Rückschlag eines allzuderben Naturalismus im Kunstleben einzustellen pflegt. Augenblicklich ist diese Strömung, wie die mit großem Erfolg in Scene gesetzten supranaturalistischen Dramen des

Belgiers Macterlinck, die neuesten Schriften Friedrich Nietzsche’'s, die

Bilder der Symbolisten in Belgien und Frankreich erkennen lassen, im Anwachsen begriffen. Auch auf der letzten internationalen Aus⸗ stellung ließ sich das bereits wahrnehmen. Es mag nur an die wunder⸗ liche spiritistische Darstellung des in Paris gebildeten Walter Mac⸗ Ewen, die den Geist der verstorbenen Mutter im Kreise der Ihren am Allerseelentag erscheinen ließ, und an die wunderlichen Malereien Fernand Khnopff’s aus Brüssel, die auch auf der kürzlich in Paris veranstalteten Kunstausstellung eines modernen Ordens ihre Rolle spielten, erinnert werden. Gabriel ax' seit kurzem im Architektenhaus ausgestelltes Bild „Die von Prevorst im Hochschlaf“ darf als ein bezeichnendes Beispiel gelten: Auf einem plumpen Ruhebett in weiße Kissen und Tücher eingehüllt, sehen wir die württembergische Hellseherin in festen Schlaf gebannt. Der festgeschlossene Mund, die leicht gekrausten Augenbrauen, die tiefliegenden, hinter den geschlossenen Lidern hin und her irrenden Augen des blutleeren edeln Gesichts, die unwillkürlich bewegten zarten Hände, die arbeitende Brust, alles deutet, soweit malerische Mittel es vermögen, den ungewöhnlichen Vorgang des magnetischen Schlafes an. Es läßt sich darüber streiten, ob die an die Sinnlich⸗ keit des Eindrucks gebundene bildende Kunst sich hier nicht auf ein Gebiet verirrt hat, auf welchem ihre Mittel versagen, aber der Ein⸗ druck des auch coloristisch überaus stimmungsvollen Bildes ist unleug⸗ bar ein tiefer. Wie weit dabei der geheimnißvolle Inhalt seinen Einfluß übt, läßt sich schwer abschätzen. Jedenfalls ist Max mit der ganzen künstlerischen Kraft seiner oft überreizten Subjectivität an die Aufgabe herangetreten, und schon aus diesem Grunde verdient seine Leistung Anerkennung. Aus der schwülen Atmosphäre dieser Som⸗ nambulenschilderung werden wir in die lustigste, aber auch nüchternste Alltäglichkeit versetzt durch die Niehnunqen, in denen C. W. Allers von dem Leben der deutschen Künstlercolonie auf Capri mit gewandtem Bleistift erzählt. Da begegnen wir dem trefflichen, von Scheffel ver⸗ ewigten Pagano, dem stets dienstfertigen Wirth des von Deutschen mit besonderer Vorliebe besuchten Gasthofs, lernen die jugendlichen und greisenhaften Malermodelle, die Vetturini, Führer⸗ Wer⸗ muthverkäufer und zur Procession herausgeputzten Bauern der Tiberius⸗Insel kennen, lachen über die verblüffte Miene des sächsischen Particuliers, der auf seine ängstlich vorgebrachte italienische Anfrage vom Hotelkellner im besten Deutsch die betrübende Nachricht erhält, daß er mit seiner Familie keinen Platz mehr im Pagano finden kann, weiden uns an der unverwüstlichen Laune der Veseh Fremdencolonie, die wir auf ihren Spaziergängen, sogar beim Bade begleiten dürfen, kurz wir leben uns vpöllig in dem entzückenden Inselnest ein. Daß es die landschaftlichen Reize sind, die den Italien⸗ fahrer immer wieder und wieder hierherlocken, davon verrathen Allers;' Skizzen allerdings kaum etwas. Die wenigen Landschaftsbildchen sind recht dürftig, einige Aquarelle etwas besser gelungen; aber in seinem eigentlichen Fahrwasser bewegt sich der Hamburger Zeichner doch nur, wenn er in Idyllen und Anekdoten von dem lustig beschaulichen Fremdenleben berichtet. Daß seine Bleistiftzeichuungen einen ebenso sicheren wie nüchternen und unbedeutenden künst⸗ lerischen Eindruck machen, haben wir schon bei anderer Gelegenheit betont. Aber, da sie es verstehen, sich anspruchslos zu geben, müssen sie auch anspruchslos genossen werden. Eine sehr frische Leistung ist das Marinebild von Hans Bohrdt, das die An⸗ kunft Seiner Majestät des Kaisers auf der YJacht „Meteor“ im Kieler Hafen am 2. Juni 1891 schildert. Das Hafenbassin wim⸗ melt von Booten und Fahrzeugen mit Schaulustigen, im Hintergrund liegen einige Panzer vor Anker, deren Besatzung auf den Raaen sa⸗ lutirt; wie ein Vogel schießt die Segel⸗PYacht durch die lichtblauen luthen des Hafens, und obwohl die Gestalt des Kaisers unsichtbar leibt, erkennt man sofort, daß diesem die lebhaften Huldigungen von allen Seiten gelten. Um diesen Mittelpunkt gruppirt sich das Ganze ungezwungen und lebendig. Der festliche Charakter des dargestellten Augenblicks tönt wider aus der lichten Farbenhaltung des Bildes, welches aus dem Besitz Seiner Majestät für diese Ausstellung hergeliehen wurde. Unter den übrigen Bildern möchten wir noch zwei in Wasserfarben ausgeführte Entwürfe zu Wandbildern von H. Hartmann hervorheben, deren einer eine Hamburger Wasseransicht im Schneelicht eines trüben Wintertages darstellt im Gegensatz zu dem prächtigen Licht und Farbenspiel, das sich auf dem anderen Bilde, der Piazzetta in Ve⸗ nedig, entwickelt. Auch eine ansehnliche Reihe kleiner, meist auf Holz emalter Landschaften von der Hand des jetzt in München ansässigen keipzigers Kubierschky verdient lebhafte Anerkennung. ö lich zart und stimmungsvoll sind namentlich einige Vorfrühlingsland⸗ schaften aus der Umge ung der Isarstadt gerathen, wir nennen nur: „Frühlingslandschaft am I

Keisingsee“, „Weiher bei Deidlfurt“, „Nach

Sonnenuntergang⸗ und Gewitterstimmung- Die feine landse ft⸗ liche Empfindung des Malers wird ihn hoffentlich davor bewahren, seine Kraft ausschließlich in solchen Zierlichkeiten zu verzetteln.

Nahezu gleichzeitig mit starken magnetischen Strömungen (vergl. Nr. 101 d. Bl. magnetische Störungen), die in einem großen Theil Europas beobachtet wurden, haben sich in der Nacht vom 25. zum 26. April Nordlichter gezeigt. In Osterath sah man, wie der „Köln. Ztg.“ berichtet wird, se en Mitternacht, als sich die Regenwolken verzogen hatten, den nördlichen Himmel von einer blassen

Kigkeit überzogen, aus der verschiedene matte Strahlen 25 bis 30“

och emporschossen. Zu Ucecle, in der Nähe von Brüssel, erblickte man um

dieselbe Zeit helle Lichtstrahlen, die sich vom Horizont gegen den Scheitelpunkt erhoben und die Sternbilder des Fuhrmanns und der Kassiopeia durchliefen. Auf dem dortigen Observatorium zeigte sich die magnetische Strömung um 6 Uhr Abends und erreichte ihre größte Stärke zwischen 10 und 1 Uhr Nachts. Aus London berichtet die „A. C.“ In London, Oxford und Cambridge hat lich ontag Nacht ein Nordlicht gezeigt. Die Erscheinung war so brillant, wie sie in dieser Gegend seit October 1882 nicht beobachtet worden ist.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗

Maßregeln. Nach der im Kaiserlichen Gesundheitsamt bearbeiteten

Statistik über die Verbreitung von Thierseuchen im Deutschen

Reich während des vierten Vierteljahrs 1891 hat die Maul⸗und Klauenseuche in diesem Vierteljahr nicht unerheblich an Ausbreitung gewonnen. Besonders wurden wieder das südliche

und südwestliche Deutschland, und hier hauptsächlich Ober⸗ und

Niederbayern, Schwaben, der Schwarzwald⸗, Jagst⸗ und

Donaukreis, der Landescommissärbezirk Freiburg, sowie das

Ober⸗ und Unterelsaß befallen. In dem im allgemeinen weniger stark heimgesuchten mittleren und nördlichen Theile des Reichs erlangte die Seuche eine größere Verbreitung im Herzogthum Anhalt und in den Regierungs⸗ ꝛc. Bezirken Dresden, Breslau und Merseburg. Nicht wieder aufgetreten ist dieselbe in den Regierungsbezirken Königsberg, Gumbinnen und Bromberg sowie im Fürstenthum Birkenfeld. sind beide Mecklenburg, ferner Waldeck Reuß ä. L., beide Lippe, sowie Lübeck, Bremen und Hamburg, endlich in Preußen die Regierungsbezirke Stralsund, Schleswig, Hannover, Stade, Osnabrück und Aurich wieder verschont geblieben. Neue Aus⸗ brüche wurden gemeldet im Vierteljahr mehr (+)

aus: 8 weniger (—) ““ 0 Regierungs⸗ ꝛc. Bezirken Kreisen ꝛc. Gemeinden . . ... Gehsten 1416987 1“

Neu befallen wurden, nachdem die Seuche bereits erl war, Königreich Sachsen, Sachsen⸗Meiningen, Sachsen⸗-Alten⸗

burg, beide Schwarzburg, ferner die preußischen Regierungs⸗

bezirke Potsdam, Berlin, Stettin, Köslin, Magdeburg, Lüne⸗ burg, Düsseldorf, Köln, Aachen, sowie das Herzogthum Coburg und der Bezirk Lothringen. Unter den 451 verseuchten Kreisen ꝛc. befinden sich 38 Stadtkreise, in welchen die Seuche zumeist in Schlachthäusern und auf Schlachtviehmärkten fest⸗ gestellt worden ist. Die Zahl der neuen Ausbrüche und der hierbei verseuchten Gemeinden betrug in dem am stärksten betroffenen Regierungsbezirk Schwaben 3560 und 351; in Oberbayern 3192 und 425, im Landescommissärbezirk Freiburg 2134 und 88, in Niederbayern 1612 und 166, im Donau⸗

kreis 587 und 99, Jagstkreis 519 und 113, Unterelsaß 386

und 90, Schwarzwaldkreis 334 und 51, Oberelsaß 320 und 73. Die Stuüͤckzahl der Thiere in den neu betroffenen Gehöften betrug im 6 vierten dritten Mithin Vierteljahr mehr (+) 8 1891 weniger (—) Stück Rindvieh 140 589 71 688 + 68 901 Schafe . . . .58149 66 693 8 544 Igen 16 806 +ℳ 298 Schweine 66 126 26 366 *) + 39 760 usammen 265 968 165 553 + 100 415

Auß Bayern, Württemberg, Baden und Elsaß⸗Lothringen

entfallen allein 110 472 Stück Rindvieh (61 249 im Vor⸗ vierteljahre), 25 587 Schafe (52 808), 619 Ziegen (559), 19 338 Schweine (12 080), zusammen 156 016 Thiere (126 696). 1

Am Schlusse des vierten Vierteljahres war die Seuche in einer geringeren Zahl von Kreisen ꝛc., Gemeinden und Gehöften vorhanden als bei Beginn desselben. Sie herrschte noch in 16 Staaten (12 bei Beginn), 50 Regie⸗ rungs⸗ ꝛc. Bezirken (47), 205 Kreisen (224), 535 Gemeinden (757) und 1416 Gehöften (4431). Am stärksten betroffen blieben Anhalt, Bayern, Württemberg, Baden, Elsaß⸗Lothringen und von den Regierungs⸗ ꝛc. Bezirken: Merseburg, Magde⸗ burg, Oberbayern, Schwaben, Neckar⸗, Jagst⸗, Donaukreis, Freiburg und Unterelsaß. Seuchenfrei waren Ende De⸗ sümber 1891 außer den bereits erwähnten überhaupt ver⸗

preußischen Regierungsbezirke Marienwerder, Berlin, Potsdam,

Frankfurt, Liegnitz, Oppeln, Erfurt, Lüneburg, Münster, 8 Minden, Arnsberg, Wiesbaden sowie das Herzogthum Coburg.

Von den hiesigen Pferdebesitzern ist, wie der „N. Pr. Z“ mit⸗

getheilt wird, eine Abgabe von 20 für jedes Pferd eingezogen wor⸗

den zur Deckung der auf Grund des Viehseuchengesetzes den Besitzern 6 von rotzkranken Pferden für die Tödtung zu leistenden Entschä⸗

digung. Im letzten Jahre sind zwölf rotzkranke Pferde in Berlin ge⸗ h r

tödtet worden, für die im ganzen 5706 Entschädigung gewã wurden. Im Vorjahre betrug die für 14 getödtete Pferde gezahlte Entschädigung 3764 Berlin hat einen Pferdebestand zwischen. 37 000 und 38 000 Pferden. 86 Der Landrath des Niederbarnimer Kreises macht, wie wir der „Voss. Z.“ entnehmen, amtlich bekannt, daß unter den im Februar d. J. in dem Depot zu Pankow eingestellten Pferden der Großen

Berliner Pferdebahn⸗Gesellschft die Rotzkrankheit aus⸗

. sei.

Velten in der Mark, 29. April. Der „Voss. Ztg.“ wird be⸗ richtet: In unserem von Kinderkrankheiten viel heimgesuchten Ort herrschen gegenwärtig Scharlach und Diphtheritis sehr stark.

Fast jeden Tag werden bis zu sechs Kinderleichen bestattet; in einem

Hause der Bergstraße starben an einem Tage vier Kinder und es ist kaum eine Familie im Orte, in der nicht Trauer herrschte.

Kruschwitz (Prov. Posen), 27. April. Ein Kind des in Liliendorf bei Kruschwitz an den schwarzen Pocken verstorbenen Besitzers Kanter ist, wie dem „Kuj. Boten“ gemeldet wird, nach 8 enommener Impfung ebenfalls an den Pocken gestorben. Der Unterrich in der evangelischen Schule wurde zur Verhütung etwaiger Ansteckung vorläufig auf eine Woche ausgesetzt.

9 Darunter 40 541 und 12 175 im Central⸗Vieh⸗ und Schlacht⸗ hof zu Berlin. 8

88

chont gebliebenen Theilen noch Oldenburg, ferner die

Zwe

S

zeiger und Königlich Preuß

Aichtamtliches.

Rlusßzland und Pole. Der General⸗Gouverneur von Wilna, Kowno und Grodno, General Kochanow duͤrfte, wie das Wolff'sche Bureau aus St. Petersburg meldet, in Kürze seinen Posten verlassen und in den Reichsrath berufen werden. Das bisherige Stadthaupt von Charkow Fessenko ist zum Abtheilungs⸗Chef im wirth⸗ schaftlichen Departement des Ministeriums de⸗ Innern ernannt worden. 8 . 8. Amerika.

Die republikanische Convention des Staats New⸗ York hat bei der Wahl ihrer Delegirten für die National⸗ convention Resolutionen angenommen, welche sich anerkennend über den Präsidenten Harrison aussprechen, der Mac Kinley⸗Bill zustimmen und der Genugthuung über das Scheitern des Gesetzentwurfs zur Einführung der freien Silberausprägung Ausdruck geben. In demselben Sinne äußern sich die von der Convention des Staats Ohio angenommenen Resolutionen. Die Delegirten von Missouri werden ebenfalls für Harrison

immen. f Der Correspondent des Londoner „Standard“ in Buenos⸗ Aires erklärt sich für ermächtigt, die Gerüchte von einer pro⸗ jectirten Allianz zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Argentinien für unbegründet zu erklären.

Dem „New⸗York Herald“ wird aus Venezuela telegra⸗ phirt, daß der Präsident Palacio das streitige Territorium zwischen Venezuela und nglisch GSuyana an England abge⸗ treten habe.

Statistik und Volkswirthschaft.

Güterbewegung auf den deutschen Eisenbahnen. 1 Nach der im Ministerium der öffentlichen Arbeiten jetzt bgeschlossenen Statistik der Güterbewegung auf den deutschen

Eisseenbahnen für das Jahr 1891 sind im vergangenen Jahre

im ganzen 159 493531 t (3 190 000 000 Ctr.) gegen 151. 681 437t, also etwa 7 810 000 t = 156 200 000 Ctr. oder rund 5 Pro⸗ cent mehr befördert worden als im Jahre 1890. Die Statistik mfaßt alle Gütersendungen von je t und mehr. Von den wichtigeren Gütern wurden befördert: Steinkohlen. 61 338 648 t gegen 58 510 281 t oder 5 % mehr Braunkohlen 12 707 373 t 1I1t112 ½%½ hbbö—-666866818 9680033 öb 6 %o . Steine 12 620 593 t 12 335 578 t 2 % 1“ 1400 33t. 11 % r. isenerze. 5 842 526 t 39 t 3 % weniger Fisbntnn 44771669 b 4 437 529 t 0,2 % mehr Fabrikateisen . 5 279 796 U 5 030 609 t RKüben 4 518 097 t 4 264 772 Rohzucker. . . 1 240 695 t 1 207 73 raffinirter Zucker 507 561 t 489 622 Weizen . . 2 303 673 t 2 0751 Roggen . 1 446 553 t 1 366 4

Mühlenfabrikate 2 535 851 t 2 4306

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2 ESUog=b*e

2

28 SA

8 5

82 111“—“n *

Kartoffeln . .1 471 524 t 1 330 68 11 % Spiritus . .. 420 377 t 430 431 2,3 % weniger 1““ 1 104 602 t 3 % mehr

Düngemittel. 3 182 130 t 2 967 388 t 7

t t t t t t t t

8 Zur Arbeiterbewegung. 8 Die Maifest⸗Nummer des „Socialist“, des Organs der „unabhängigen“ Socialdemokraten, ist, wie Hmi

lheilt, gestern Nachmittag von der Polizei confiscirt worden.

(Bgl. die gestrige Nr. 102 d. Bl.) Es liegen ferner heute folgende Meldungen über die socialdemokratische Mai⸗ eier vor: 1

Aus Bochum berichtet ein Telegramm des „D. B. H.“, daß die Bergarbeiterfeste, die am 1. Mai stattfinden sollten, von den Behörden verboten worden sind.

In Düsseldorf hat der „Köln. Ztg.“ zufolge die Polizei⸗ behörde die den Socialdemokraten gewährte Erlaubniß zur Ver⸗ anstaltung eines Zuges und zur Abhaltung einer Versammlung auf

freiem Felde zurückgezogen.

3 Die „Arbeiter⸗Zeitung“ in Wien warnt, wie „D. B. H.“ meldet, die „Genossen“ vor allen Excessen bei der Maifeier.

Aus Brünn berichtet ein Telegramm des „H. T. B.“: Infolge behördlichen Auftrages müssen von heute Abend bis Montag Vor⸗

mittag wegen der Maifeier sämmtliche hiesigen Branntwein⸗

sschänken geschlossen bleiben. Morgen findet im Schreibwald

ein großes Arbeiterfest statt. Aus London telegraphirt man der „Voss. Ztg.“, daß die Vor⸗ bereitungen für die große Arbeiterkundgebung am nächsten Sonntag im Hydepark beendet sind. Die Gewerkvereine werden um 2 Uhr mit Musik und Bannern vom Themsequai nach dem Park ziehen, wo von 16 Tribünen herab Ansprachen gehalten werden; hierauf wird eine gleichlautende Resolution gefaßt, mit der Erklärung, die Herstellung eines internationalen Achtstundentages für alle Arbeiter auf ge⸗ setzlichem Wege sei der wichtigste Schritt zur schließlichen Emancipa⸗ tiosn der industriellen Bevölkerung. Wie der Frkf. Ztg.“ mitge⸗ theilt wird, sind Lord Salisbury und Herr Balfour ersucht wor⸗ den, am Montag eine Deputation zu empfangen, welche die Einführung dieser Reform empfehlen will. ö.“

Aus Paris wird der „Nat.⸗Ztg.“ telegraphirt: Im Aufrufe der Executivcommission werden die Arbeiter aufgefordert, sich Sonntag den Vorständen ihrer Syndicate anzuschließen und sich in Masse nach 2 Uhr Nachmittags zu dem im Saal Cagny, Rue Belle⸗ ville, stattfindenden Meeting zu begeben; dagegen wird die Polizei Anweisung haben, weder Ansammlungen noch geschlossene Züge

in den Straßen zu dulden. In den repolutionären Vororten St. Denis, St. Quen, Clichy und Levallois, wo am meisten Putsch⸗

versuche zu befürchten sind, wird besonders Cavallerie die Localpolizei unterstützen. 1

Ueber Ausstände und Arbeitseinstellungen liegen heute folgende Nachrichten vor:

Aus Aachen wird der „Köln. Ztg.“ vom gestrigen Tage be⸗ richtet, daß wegen der Fabrikordnung schon die Weber von fünf Fabriten ausständig seien. 3 “““

Aus Eupen schreibt man demselben Blatt, daß dort in der Mayer'’'schen Weberei vHen⸗ agch zu strenger Arbeits⸗ ordnung ein Ausstand ausgebrochen ist.

112 g der Berliner „Volksztg.“ berichtet: Eine am Mittwoch Abend abgehaltene Versammlung von Vertretern

der Fuhrherren, der Maurer⸗ und Zimmermeister⸗ Innung, der Kalkwerks⸗ und Ziegelei⸗Besitzer, sowie der Unternehmer und Kohlenimporteure beschloß einstimmig, den Kampf gegen die socialdemokratischen Fach vereine fortzusetzen und nur Arbeiter anzunehmen, die den Fachvereinen nicht angehören, um so die bezahlten socialistischen Führer zu verhindern, in Zukunft solche Arbeitsniederlegungen wieder erzwingen zu können. . Wie die Londoner „Allg. Corr.“ berichtet, hat der Strike der Dockarbeiter in Hull ein so bedenkliches Aussehen angenommen, daß der Secretär des Rheder⸗Bundes von London dorthin ab⸗ gereist ist, um persönlich die nöthigen Anordnungen zu treffen, damit die Schiffahrt keine Störung erleide. Sobald es nöthig ist, sollen Arbeitskräfte von London nach Hull befördert werden. 18 In Swansea mußte wegen des Ausstandes der Dockarbeiter die olizei verstärkt werden. 82 Rach d Wolff'schen Telegramm aus Manchester haben die Spinnmeister von Bolton beschlossen, an vier Tagen der Woche zu arbeiten; die Spinnmeister anderer Orte werden vorschlagen, nur an drei Tagen der Woche zu arbeiten. 2 1“ Wie aus Paris gemeldet wird, empfing der französische Minister der öffentlichen Arbeiten Viette gestern Vor⸗ mittag die Delegirten der Eisenbahnarbeiter, welche die bei dem letzten Congresse aufgestellten Forderungen darlegten. Der Minister sagte eine wohlwollende Prüfung der Forderungen zu, er⸗ klärte aber gleichzeitig, die Arbeiter dürften sich nicht das Recht an⸗ maßen, die Arbeit eigenmächtig einzustellen und so dem öffentlichen Verkehre Hindernisse zu bereiten.

Aus Rom meldet ein Wolff'sches Telegramm: Die von den Socialisten verbreiteten Aufforderungen zu einem allgemeinen Strike, eine Anzahl Broschüren revolutionären Inhalts, sowie alle Nummern des neuen Journals „Erster Mai“ sind mit Beschlag belegt worden. 8 1“ . Die socialdemokratische Localcommission in Berlin theilt im „Vorwärts“ mit, die Direction der Actienbrauerei⸗Ges ell⸗ schaft Moabit (früher Ahrends) habe die bündige Erklärung ab⸗ gegeben, daß sie nicht nur diesen 1. Mai, sondern für alle Zukunft ihre Localitäten, Thurmstraße 26, der socialdemokratischen Partei zu Versammlungen unentgeltlich zur Verfügung stelle. Infolge dessen sei der Boycott über diese Brauerei aufgehoben.

1 Eine Vereinsstatistik Münchens

wird vom städtischen statistischen Amt daselbst vorbereitet. Es sind zwei Fragebogen zur Versendung gelangt, welche sich auf die Organi⸗ sation, den Umfang und die Thätigkeit der eigentlichen Vereine und Anstalten beziehen. Es sollen alle staatlichen, gemeindlichen und privaten wissenschaftlichen und gemeinnützigen Institute für Unterricht, körperliche Ausbildung, Erziehung, Armenpflege und Wohlthätigkeit in Betracht gezogen werden, sodaß ein Resultat in Aussicht steht, welches auf das geistige, gesellschaftliche und wissenschaftliche Leben der bayerischen Hauptstadt ein interessantes Licht wirft.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standes⸗Aemtern in der Woche vom 17. bis incl. 23. April cr. zur Anmeldung gekommen: 575 Ehe⸗ schließungen, 1003 Lebendgeborene, 31 Todtgeborene, 585 Sterbefälle.

Literatur.

Militärisches.

Jahrbücher für die deutsche Armee und M arine, geleitet von E. Schnackenburg, Oberst⸗Lieutenant a. D. Verlag von A. Bath. Berlin, April 1892. Heft 1. Der Königlich bayerische Hauptmann im 12. Infanterie⸗Regiment Prinz Arnulf A. Schenk giebt in einem Aufsatz „Der Einfall des österreichischen Feldmarschall⸗Lieutenants von Stentsch in Bayern und die Verhältnisse an der bayerisch⸗tirolischen Grenze vor demselben 1740 bis 1742“ Beiträge zur Anfangsgeschichte des österreichischen Erbfolgekriegs. Der neueren Kriegsgeschichte sind zwei Arbeiten gewidmet; Major a. Kunz zieht aus Statistischen und taktischen Betrachtungen über die drei großen Schlachten vor Metz im August 1870 lehrreiche Folgerungen für die Fechtweise der Zukunft, und Major a. D. Berghaus giebt in trefflicher Uebersetzung eine Studie aus dem Rumänischen vom Major C. Harjeu wieder, die sich mit der Be⸗ nutzung der Eisenbahnen im Kriege 1877/78 beschäftigt. Der große Aufsatz „Zur Taktik der Zukunft“ von Oberst a. D. Spohr wird mit Schlußbetrachtungen, die den Munitionsersatz im Gefecht, die Verluste u. s. w. behandeln, zu Ende geführt. Außerdem sind einige kleinere Abhand⸗ lungen: „Die moralischen Einflüsse des rauchschwachen Pulvers auf die Kämpfenden mit Erläuterungen aus dem Kriege 1870/71 „An⸗ weisungen zum Reitunterricht für die Cavallerie nach den Grundsätzen der Reitkunst“, und „Einiges über Vereinfachung der Ausrüstung des Trainpferdes und des Trainsoldaten“ zu erwähnen. Den Schluß des Heftes bildet wie gewöhnlich eine große Zahl zum theil recht ein⸗ gehender Bücherbesprechungen, die dem Leser einen klaren Ueberblick über die neuesten Erscheinungen der Militär⸗Literatur verschaffen.

Volkswirthschaft. 6

Von den Berichten und Gutachten über die Handels⸗ politik der wichtigeren Culturstaaten in den letzten Jahrzehnten, herausgegeben von dem „Verein für Socialpolitik (Verlag von Duncker und Humblot in Leipzig) ist jetzt der dritte Band er⸗ schienen. Die Handelspolitik ist in dem ganzen, freilich noch nicht abgeschlossenen Werk, zum Gegenstand eingehender Untersuchungen gemacht worden, indem verschiedenen sachverständigen Referenten aufgegeben wurde, über die Handelspolitik der verschie⸗ denen Staaten in besonderen Abhandlungen zu berichten. Der erste Band wurde im Dezember vorigen Jahres heraus⸗ gegeben und in Nr. 294 des „R.⸗ u. St.⸗A.“ besprochen; er be⸗ handelte die Handelspolitik von Nord⸗A merika, Italien, Oesterreich, Belgien, Holland, Dänemark, Schweden und Norwegen und der Schweiz und enthielt außer⸗ dem eine Abhandlung über die deutsche Handelsstatistik. Der zweite Band, enthaltend die deutsche Handelspolitik von 1860 bis 1891 von Dr. Walther Lotz, erschien einige Wochen später und wurde in Nr. 37 des „R.⸗ u. St.⸗A.“ vom 11. Februar besprochen. Der jetzt vorliegende dritte Band betrifft die Handels⸗ politik der Balkanstaaten (Rumänien, Serbien und Bulgarien) sowie Spaniens und Frankreichs. Der Verfasser des Aufsatzes über die Handelspolitik der Balkanstaaten ist der Director der Bayerischen Nationalbank Dr. Moritz Ströll, über Spanien berichtet Arthur Gwinner und über Frankreich (in französischer Sprache) Auguste Devers. Auch dieser Band ist von Gustav Schmoller redigirt. Das Unternehmen soll in einem vierten Bande durch einen Aufsatz über die Handelspolitik Englands von Professor Dr. Fuchs in Greifswald abgeschlossen werden, der aber voraussichtlich erst im Sommer oder Herbst zu erwarten Der vorliegende dritte Band hat insofern auch ein actuelles praktisches Interesse, als der Abschluß von Handelsverträgen mit den Balkanstaaten und Spanien noch aussteht. Aber auch abgesehen hiervon, ist der wissen⸗ schaftliche Werth der Abhandlungen ein hervorragender; sie orientiren, ebenso wie die voraufgegangenen zwei ersten Bände, in ausgezeichneter Weise über die Entwickelung der europäischen Handelspolitik während der Zeit 1860 bis 1891. Durch diese „Enquste“ und durch die Heraus⸗

gabe der Berichte und Gutachten hat sich der „Verein für Social⸗

politik“ ein hervorragendes Verdienst erworben; sie werden voraus⸗ sichtlich lange das wichtigste Werk bleiben, aus dem man sich über die handelspolitische Bewegung der letzten dreißig Jahre unter⸗ richten kann. 1 8 5. Das III. (März⸗) Heft der „Verhandlungen des Ver⸗ eins zur Beförderung des Gewerbfleißes, herausgegeben von Professor Dr. A. Slaby (Verlag von Leonhard Simion in Berlin), enthält eine Abhandlung über: sachliche Würdigung der in Deutschland ertheilten Patente, Klasse 88, Wind⸗ und asserkraft⸗ maschinen, von Ingenieur R. Ziebarth in Berlin (Fortsetzung), ferner den Sitzungsbericht vom 7. März.

Lexika. 8 Deutsch⸗russisches und russisch⸗deutsches mili⸗ tärisches Wörterbuch von B. Manassewitsch. Berlin, 1892. Verlag von Carl Malcomes (Stuhr'sche Buchhandlung). Preis 4 Bei dem großen Interesse, das von militärischer Seite der russischen der reichen, in letzter Zeit recht beachtens⸗ werthen militärischen Literatur Rußlands entgegengebracht wird, war der durch das vorliegende Werk beseitigte Mangel eines guten Special⸗ wörterbuchs recht fühlbar. Da das Werk aber nicht nur einen reichen Schatz von Specialausdrücken, sondern auch die Mehrzahl der im täglichen Verkehr gebräuchlichen Wörter, eine gute Auswahl der am häufigsten vorkommenden Redensarten und eine über⸗ sichtliche Darstellung der russischen Zahlwörter, Pronomina, Prä⸗ positionen, Conjunctionen und Interjectionen nebst einer Tabelle der russischen Münzen, Maße und Gewichte sowie ein Verzeichniß der russischen militärischen Anreden enthält, so wird es sich als ein brauch⸗ bares Hilfsmittel nicht nur zum Verständniß der russischen Literatur, sondern auch zur Erlernung und zum Gebrauch der russischen Um⸗ gangssprache erweisen. Das gut ausgestattete Buch kostet 4 Die russische ⸗Nowoje Wremja“ sagt über das Buch: „Es ent⸗ hält auf 395 Seiten kleinen Formats die Worte, die zu Kriegszeiten unentbehrlich sind, aus dem Deutschen ins Russische und umgekehrt, sowie die gebräuchlichsten Phrasen in beiden Sprachen. Gebe Gott, daß weder Russen noch Deutsche dieses Büchleins bedürfen.“

Von „Meyer's Kleinem Conversations⸗Lexikon“ erscheint jetzt die fünfte Auflage, die in 66 wöchentlichen Lieferungen zu je 30 herausgegeben wird. Es liegen bereits die ersten fünf Lieferungen vor. Bei der Herausgabe dieses Nachschlagebuches ist für die Verlagshandlung die Absicht maßgebend gewesen, nach dem bewährten Muster der großen Ausgabe von Meyer's Conversations⸗Lexikon ein Werk zu schaffen, welches, dem vorhandenen Bedürfniß weitester Kreise entsprechend, das gesammte menschliche Wissen in knapper, aber doch erschöpfender Form zur Darstellung bringen soll. Dieser Aufgabe folgend, stellt sich Meyer's Kleines Conversations⸗Lexikon vornehmlich in den Dienst einer großen Mehrheit, welche im täglichen Leben ein bequemes, übersichtliches Auskunftsmittel für alle Wissens⸗ fächer nicht entbehren und über herantretende Fragen schnell und gründlich unterrichtet sein will. Jedem zugänglich, allen verständlich, bietet das Buch den in ihm aufgespeicherten Schatz unserer heutigen auf verhältnißmäßig geringem Raum in bisher noch uner⸗ reichter Vollständigkeit. Die neue Auflage von Meyer's Kleinem Conver⸗ sations⸗Lexikon charakterisirt sich durch diese Eigenschaften als ein un⸗ entbehrliches Hausbuch, als ein Nachschlagewerk im besten Sinne des Wortes. Eingehend von berufenen Vertretern aller Wissenschaften durchgesehen, wurde der Inhalt des Buches entsprechend den Ergeb⸗ nissen der letzten Feitbewegung um etwa 7000 Artikel erweitert. Das aus den früheren Auflagen rühmlichst bekannte kartographische Material ist bis auf die neueste Zeit fortgeführt; den vorzüglich ausgeführten Illustrationsbeilagen sind neue werthvolle Ergänzungen hinzugefügt worden. Von der neuen Ausgabe von Brockhaus' Conversations⸗ lerikon ist soeben der zweite Band erschienen. Es sind darin die neuesten Angaben über die Reichshauptstadt Berlin enthalten. Hier⸗ nach hatte Berlin am 1. Januar 1892: 1 624 313 Einwohner. An Steuererträgen brachte es auf ca. 130. Millionen Mark gegen ca. 90 Millionen Mark, welche das ganze Königreich Belgien aufbringt. In dem neuesten Band sind bereits Thatsachen berücksichtigt, die erst den letzten Wochen angehören, z. B. das Gesetz über den Belagerungs⸗ zustand in Elsaß⸗Lothringen und „Berufsvereine“. Auf allen Gebieten ent⸗ halten die Stichworte dieses Bandes, die wohl über 6000 betragen, erschöpfende Darstellungen des Wissenswerthen; man ver⸗ gleiche die Artikel Berlin, Banken, Besitz, Bakterien, Bahnhöfe, Bautarxe, Baumwolle, Bier, wie wir sie gerade herausgreifen. Die Biographien sind augenscheinlich von den Lebenden selbst durchgesehen. Was die äußere Ausstattung des Werks betrifft, so haben wir unserm Urtheil über den ersten Band nichts hinzuzufügen. Ueberraschend ist wieder die Fülle correcter Karten, Pläne und interessanter Abbildungen auf 58 Tafeln, zu denen noch 222 Textbilder kommen. Die bunten Tafeln sind ein hervorragender Schmuck.

Unterhaltung.

Der gute Ton. Ein Rathgeber für den Verkehr in der Familie, in der Gesellschaft und im öͤffentlichen Leben, von H. Schramm. 1892. August Schultze's Verlag, Berlin N., Friedrich⸗ straße 131. Dieses geschmackvoll ausgestattete Buch, welches der Frau Oberst⸗Lieutenant Anna von Versen gewidmet ist, verdient in allen Kreisen, in denen man auf guten Ton und gute Umgangsformen Werth legt, Beachtung. Hat die Verfasserin auch Recht, wenn sie sagt: „Die wahre Höflichkeit hat ihren Ursprung im Herzen und alle Compli⸗ mentirbücher der Welt werden aus jemandem, der nicht angeborenes Taktgefühl besitzt, keinen angenehmen Gesellschafter oder erträglichen Hausgenossen machen“, so genügen doch oft auch das beste Herz und das feinste Zartgefühl nicht, um uns vor Fehlern gegen das Herkömm⸗ liche, gegen die gute Sitte zu bewahren. Für diesen Zweck ist ein guter Wegweiser um so rathsamer und nützlicher, wenn er selbst mit Takt und Zartgefühl geschrieben ist. Dies kann man von dem vorliegenden Buch rühmen. Die Art der Behandlung, welche den Ton guter Unterhaltung trifft, trägt viel dazu bei, um dem Leser Freude an dem Stoff. und an den Rath⸗ schlägen zu erwecken. Es werden die verschiedensten Lebensverhältnisse dabei berücksichtigt: der eigene Herd, der gesellige Kreis, das öffent⸗ liche Leben, „fern von der Heimath“, der schriftliche Verkehr. Auch dort, wo man aller guten Formen sicher zu sein glaubt, wird man manchen beherzigenswerthen Wink darin finden. Dem Buch ist weite Verbreitung zu wünschen, und diese wird ihm sicherlich nicht fehlen.

Aus der Wirklichkeit. Novellen und Aphorismen von Arthur von Loy. Berlin, Richard Eckstein Nachfolger (H. Krüger). Pr. 3,50 Die Aphorismen beweisen eine reiche Lebenserfahrung, Weltkenntniß und Gemüth; etwas pessimistisch angehaucht, enthalten sie viel Wahrheit und sind geeignet, manchem zum Trost, zur Läuterung und Beruhigung zu dienen, zumal sie „aus der Wirklich⸗ keit“ entstanden für die Wirklichkeit. Die Novellen „Die Ballschuhe“ und „Das Pfingstfest der armen Schneiderin“, die erste eine historische, die andere aus dem Berliner socialen Leben der Gegenwart, befriedigen das Bedürfniß guter Unterhaltung, die nicht durch die Aufdringlich⸗ keiten des modernen Realismus gestört sein will.

Die neue deutsche Gesammtausgabe der Romane des Capitäns Marryat, welche die Verlagsbuchhandlung von Carl Zieger Nachf. (Berlin 80., Brückenstr. 9) veranstaltet, ist jetzt bis zur 102. Lieferung gediehen. Damit sind weiter pollständig geworden die spannend und humorvoll geschriebenen Erzählungen „Frank

Mildmay, der Flottenoffizier“ und Sir Hrurh Morgan, der Buccanier’, während „Rattlin, der Reffer“ dem Abschluß nahe ist. Es sei hiermit

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