Ministerium für Landwirthschaft, Domänen uund Forsten. 89 Dem Thierarzt Franz Nithack zu Eupen ist die von ihm bisher commissarisch verwaltete Kreis⸗Thierarztstelle des Kreises Eupen definitiv verliehen worden.
Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
Einem unter dem Vorsitz des Gutsvorstehers E. Fueß
u Ober⸗Ullersdorf bei Sorau N.⸗L. zusammengetretenen Comité
ist die Erlaubniß zur Vornahme allgemeiner Vorarbeiten für
eine Eisenbahn untergeordneter Bedeutung von Hansdorf über Ober⸗Ullersdorf nach Wiesau ertheilt worden.
Ober⸗Verwaltüungsgericht.
Bei dem Königlichen Ober⸗Verwaltungsgericht sind ernannt der bisherige Regierungs⸗Civil⸗Supernumerar Starkowski zum expedirenden Secretär und Registrator, der bisherige Hilfskanzlist Schulz zum Kanzlei⸗Secretär.
Evangelischer Ober⸗Kirchenrath.
Der in die Oberpfarrstelle zu Angermünde berufene bis⸗ herige Superintendent der Diözese Dahme, Oberpfarrer a in Dahme ist zum Superintendenten der Diözese Ang üünde, Regierungsbezirk Potsdam, bestellt worden
Die Nummer 10 der Gesetz⸗Sammlung, welche von heute ab zur Ausgabe gelangt, enthält unter “ Nr. 9522 das Gesetz, betreffend die Errichtung eines
Amtsgerichts in der Gemeinde Lechenich. Vom 20. April 1892; unter Nr. 9523 das Gesetz, betreffend die Abänderung von Amtsgerichtsbezirken. Vom 20. April 1892; und unter Nr. 9524 die des Justiz⸗Ministers, betreffend die Anlegung des Grundbuchs 1 einen Theil der Bezirke der Amtsgerichte Aachen, Euskirchen, Köln, Gemünd, Rhein⸗ bach, Cleve, Xanten, Rheinberg, Mörs, Ahrweiler, Sinzig, Beoppard, . Düsseldorf, Uerdingen, Neuß, Remscheid, Wermelskirchen, Lennep, Ottweiler, Sulzbach, Tholey, Saar⸗ louis, Sanct Wendel, Baumholder, Neuerburg, Bitburg, Trier, Rhaunen, Hermeskeil und Saarburg. Vom 13. April
Berlin, den 2. Mai 1892. Königliches Gesetz⸗Sammlungs⸗Amt. Weberstedt.
Preußen. Berlin, 2. Mai
Seine Majestät der Kaiser und König sind am Sonnabend Abend um 11 Uhr auf Station Wildpark wieder eingetroffen.
Gestern erledigten Seine Majestät Regierungsgeschäfte und mpfingen um 11 ¾ Uhr den Wirklichen Geheimen Legations⸗ ath Dr. Kayser sowie Abends den General⸗Intendanten
Grafen Hochberg.
8 Heute Morgen um 9 Uhr begaben Seine Majestät Sich auf das Bornstedter Feld, um die Bataillone des 1. Garde⸗
Regiments z. F. zu besichtigen. Nach der Besichtigung nahmen
Ulerhöchstdieselben beim Offiziercorps das Früͤhstück im Re⸗
imentshause ein.
Das „Armee⸗Verordnungs⸗Blatt“ veröffentlicht nachstehende llerhöchste Cabinetsordre über die Anlegung von Trauer ür die verewigte Großherzogin⸗Mutter von Mecklen⸗ urg⸗Schwerin, Königliche Hoheit:
8 Um das Andenken an Meine hochverehrte Großtante, die in Gott entschlafene Frau Großherzogin⸗Mutter von Mecklenburg⸗Schwerin, eborene Prinzessin von Preußen, Königliche Hoheit, zu ehren, stimme Ich daß die Offiziere des Leib⸗Grenadier⸗Reagiments önig Friedrich Wilhelm III. (1. Brandenburgisches) Nr. 8, dessen weiter Chef Höchstdieselbe fast 27 Jahre lang gewesen, acht Tage Trauer Flor um den linken Oberarm) anzulegen haben. Außerdem hat Abordnung des Regiments, bestehend aus dem Com⸗ nandeur, je einem Stabsoffizier, Hauptmann, Premier⸗ und Second⸗Lieutenant sowie je einem Feldwebel, Unteroffizier und Ge⸗ meinen an der feierlichen Beisetzung in Schwerin theilzunehmen. Gleichzeitig bestimme Ich, daß die in Mecklenburg⸗Schwerin garni⸗ onirenden preußischen Generale, Offiziere und Militärbeamten sich ezüglich Anlegung der Trauer den Vorschriften, welche von dem Großherzoglichen Contingents⸗Commando gegeben werden — wenn sie ich in mecklenburg⸗schwerinschen Garnisonen befinden — in Form und Zeitdauer anzuschließen haben. Das Kriegs⸗Ministerium hat hiernach das Erforderliche zu veranlassen. An das General⸗Commando Armee⸗Corps habe Ich demgemäß verfügt. Wartburg, den
1892. Wilhelm. An das Kriegs⸗Ministerium
“
Nachdem durch Kaiserliche Verordnung vom 24. Januar J. bestimmt worden ist, daß das Gesetz, betreffend das Reichsschuldbuch, vom 31. Mai 1891, mit dem 1. April 1892 n Kraft tritt, hat das Kriegs⸗Ministerium es — nach den in den Allerhöchsten Verordnungen vom 14. März 1850 und vom 0. Mai 1886 vorgezeichneten Grundsätzen — für zulässig rklärt, daß der für Offiziere vom Hauptmann und Rittmeister zweiter Klasse abwärts bei Nachsuchung es Heirathsconsenses erforderliche Vermögens⸗ nachweis vom 1. April 1892 ab auch durch eine in das Reichsschuldbuch eingetragene Buchschuld geführt werde, und war in gleicher Weise, wie solches durch den kriegsministeriellen Erlaß vom 7. Mai 1885 hinsichtlich des Staatsschuldbuches vorgeschrieben ist. Die kriegsministeriellen Bestimmungen vom Juni 1886 Ziffer 2c, 3 und 5 Absatz 1 finden hiernach om 1. April 1892 ab ebenso auf Buchschulden des Reichs⸗ chuldbuches Anwendung. 1 8
Nach einer Bekanntmachung des Directors des Departe⸗ ents für das Invalidenwesen im Kriegs⸗Ministerium
eneral⸗Lieutenants von Spitz ist die neunzehnte ordentliche
Generalversammlung der Mitg rungsanstalt für die Armee und Marine auf Diens⸗ tag, den 24. Mai 1892, Vormittags 10 Uhr, festgesetzt worden
und wird im Sitzungssaal der Anstalt, Linkstraße Nr. 42 I.
abgehalten werden. Tagesordnung: 1) Vorlage des neun⸗ zehnten Rechenschaftsberichts der Anstalt für das Jahr 1891 und Ertheilung der Decharge. 2) Neuwahl des Verwaltungs⸗ raths auf die Kaatutengemmäge Zeitdauer von drei Jahren.
“
Durch eine in der in Singapore erscheinenden Government Gazette vom 25. v. M. veröffentlichte Rathskammer⸗Ver⸗ ordnung vom 21. v. M. ist die Ausfuhr von Waffen, Munition, Schießpulver sowie von sonstigem Kriegsbedarf für Militär und Marine von der britischen Kolonie Straits Settlements nach Labuan und Britisch Nord⸗Borneo für die Dauer von sechs Monaten vom 15. v. M. an verboten
worden.
Sonnabend, den 30. April d. J., Nachmittags, verstarb im Alter von 80 Jahren an v während urlaubs⸗ weiser Anwesenheit in Berlin der aiserliche General⸗ Konsul in Warschau, Wirkliche Geheime Legations⸗Rath Freiherr von Rechenberg. Er war 1811 geboren und somit der älteste Beamte im auswärtigen Dienst des Reichs. Nachdem er an den griechischen Freiheits⸗ kämpfen einige Jahre lang theilgenommen und dana längere Zeit im hiesigen Ministerium des Innern gearbeitet hatte, wurde er im Sommer 1842 als Secrétaire-interprète der damaligen preußischen Gesandtschaft in Athen zugetheilt, wo er längere Zeit während der Abwesenheit des Gesandten mit der Leitung der dortigen Geschäfte betraut war. Im Jahre 1851 zum Legations⸗Secretär ernannt, fungirte er als solcher bei den Gesandtschaften in Kopenhagen und Madrid, bis unterm 17. 1862 seine Ernennung zum General⸗Konsul in Warschau erfolgte. Diesen Posten hat er länger als dreißig Jahre bekleidet und vermöge seiner genauen Kenntniß der Ver⸗ hältnisse bis zuletzt die ersprießlichsten Dienste geleistet. Zahl⸗ reiche Allerhöchste Anerkennungen sind ihm zu theil geworden; so wurde ihm im Mai 1881 der Charakter als Geheimer Le⸗ gations⸗Rath und beim Ordensfeste 1887 der Stern zum Rothen Adler⸗Orden zweiter Klasse verliehen; im Dezember 1890 erfolgte seine Ernennung zum Wirklichen Geheimen Legations⸗Rath mit dem Range eines Raths erster Klasse.
Das Auswärtige Amt verliert in seinem dahingeschiedenen Senior einen hervorragenden Beamten von seltener Pflicht⸗ treue und Arbeitskraft, dem ein ehrendes Andenken dauernd gesichert bleibt.
Der Königliche Gesandte bei den Großherzoglich mecklen⸗ burgischen Hesen und bei den Hansestädten Freiherr von Thielmann ist von Schwerin, wohin er sich behufs Theil⸗ nahme an den Beisetzungsfeierlichkeiten für Ihre Königliche Hoheit die verewigte Großherzogin⸗Mutter von Mecklenburg⸗ Schwerin begeben hatte, am 28. April nach Hamburg zurück⸗ gekehrt.
Der Königlich bayerische Gesandte am hiesigen Aller⸗ höchsten Hofe Graf von Lerchenfeld⸗Köfering ist vom Urlaub nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäͤfte der Gesandtschaft wieder übernommen.
Der Großherzoglich badische Gesandte am hiesigen Aller⸗ höchsten Hofe, Gehegne Rath von Brauer ist vom Urlaub nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandt⸗ schaft wieder übernommen.
Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich bayerische Ministerial⸗Rath Geiger ist hier angekommen.
Der Kaiserlich und Königlich österreichisch⸗ungarische Bot⸗ schafter am hiesigen Allerhöchsten Hofe Graf Széchényi hat Berlin mit Urkaub verlassen. Während seiner Abwesenheit fungirt der Legations⸗Rath Ritter von Schießl als Geschäfts⸗
osen, 30. April. Der Provinzial⸗Landtag ge⸗ nehmigte heute das Statut der Feuersocietät, über die Gebäudeversicherung, sowie die Vorlage über die Mobiliar⸗ versicherung nach den Anträgen des Ausschusses.
Nachdem sodann die zum 27. Provinzial⸗Landtag der Provinz 8b1” versammelten Stände dem König⸗ lichen Landtags⸗Commissarius, Ober⸗Präsidenten Freiherrn von Wilamowitz⸗Moellendorff durch eine Deputation hatten anzeigen lassen, daß der rovinzial⸗Landtag seine Ge⸗ schäfte beendet habe, begab sich der I Commissarius in die Mitte der Versammlung und hielt folgende Schlußrede an die versammelten Abgeordneten des Provinzial⸗Landtags:
Hochgeehrte Herren!
Sie haben die Ihnen zugegangenen Vorlagen innerhalb einer Woche in eingehendster und angespanntester Arbeit erledigt.
Dem Provinzialausschusse haben Sie unbeanstandet die weit⸗ gehenden Vollmachten ertheilt, welche zur Erfüllung der in dem Ge⸗ 8S5 vom 11. Juli 1891 dem Provinzialverbande auferlegten Pflichten erforderlich waren.
Für Ihre Bewilligungen zur Unterstützung des Vereins gegen die Wanderbettelei und zur “” der Landwirthschaft gebührt Ihnen der besondere Dank der Königlichen Staatsregierung.
Bei Ihrer Berathung der neuen Satzungen der Provinzial⸗ Feuer⸗Societät hat sich eine lebhafte, namentlich in den Städten verbreitete Befürchtung herausgestellt, daß die mit ihren Immobilien versicherten Mitglieder durch das Risico der Mobiliarversicherung geschädigt werden könnten. Dieser Befürchtung haben Sie geglaubt durch die vermögensrechtliche Trennung der Mobiliar⸗ von der Immobi⸗ liarversicherung Rechnung tragen zu sönken Ich gebe Ihnen gern die Versicherung ab, daß Ihre Beschlüsse die eingehendste und wohl⸗ wollendste Erwägung finden werden, und halte an der Hoffnung fest, daß dieselben von weittragenden und wohlthätigen Folgen für die Provinz sein werden. 1
Ihnen Allen, meine Herren, welche für ein fruchtbares Ergebniß dieser anstrengenden Sitzungen in aufopfernder Weise 88 gewesen sind, insbesondere Ihnen, hochgeehrter Herr Landtags⸗Marschall, spreche ich den wärmsten Dank aus und erkläre im Namen Seiner Majestät des Kaisers und Königs den 27. Provinzial⸗Landtag für geschlossen.
Der Landtags⸗Marschall Freiherr von Unruhe⸗Bomst entgegnete hierauf: .
Hochgeehrter Herr Landtags⸗Commissarius!
Eurer Excellenz sage ich meinen aufrichtigen Dank für die wohl⸗ wollenden anerkennenden Worte, welche Sie soeben gesprochen, mehr aber noch für die gütige Unterstützung, die Eure Excellenz uns bei
Arbei 1 heil werd lasse
Mläünchen, 30. April.
tiefes Bedürfniß
8 1“ 1 1 Das Zustandekommen der wichtigen Vorlage, welche unsere Zeit am meisten in Anspruch genommen hat, ist wesentlich Eurer Excellenz gütigen Mitarbeit im Ausschusse und im Plenum, vor allem aber den gewichtigen gütigen Worten zu danken, mit welchen Eure Excellenz zur Zeit in unsere Berathungen eingriffen und damit nicht nur aufkeimende Befürchtungen beseitigten, sondern den wohlwollenden Absichten der Staatsregierung Ausdruck gaben.
Wenn ich beim Beginn unserer Sitzungen andeutete, daß gegen diese Vorlage, den Entwurf neuer Satzungen für die Feuer⸗Societät, große Besorgnisse namentlich bei unseren itständen aus dem Stande der Städte laut würden, aber die Hoffnung aussprach, daß wir in rein sachlicher Erwägung mit Gottes Hilfe zu einem Beschluß kommen würden, der unserer Heimath und deren Bewohnern zum Segen ge⸗
reichen werde, so kann ich jetzt am Ende mit Dank und Befriedigung sagen, daß diese Hoffnung zur Wahrheit geworden. .
Der angestrengten und geschickten Arbeit unseres Ausschusses bei der genialen und sachgemäßen Mitwirkung unseres Landeshauptmanns, wie des früheren und üäen Provinzial⸗Feuersocietäts⸗Directors ist
es gelungen, den Beschlüssen einen Inhalt und eine Fassung zu geben, die geeignet waren, die erghig. unserer Mitstände zu beseitigen, und die Zusicherung, daß Eure Excellenz unsere Beschlüsse bei den höheren Staatsbehörden zur Annahme empfehlen werden, wie Eure Excellenz schon während der Berathungen uns zugesichert und soeben wiederholt haben, giebt uns die Hoffnung, daß unsere Arbeit keine vergebliche gewesen. .
So 58 wir denn in Frieden und Eintracht, während schon von der gesonderten Abstimmung nach Ständen die Rede war, und die so gut wie einstimmig gefaßten Beschlüsse werden den hohen Staatsbehörden beweisen, daß die Stände der Provinz Posen⸗ wenn es sich um das Wohl ihrer Heimath handelt, alle sie sonst trennenden Verschiedenheiten vergessen können und einmüthig zusammenstehen.
Ebenso einmüthig stehen wir aber auch zusammen, wenn es gilt, unsere Treue und Ehrfurcht unserm Kaiser, König und Herrn zu be⸗ zeugen, und zum Beweise dessen bitte ich Sie, mit mir einzustimmen in den Ruf: „Es lebe Seine Majestät der Kaiser und König Wilhelm II.“
Die Versammlung stimmte in diesen Ruf lebhaft ein und⸗ trennte sich sodann.
Sigmaringen, 2. Mai. Ihre Feshh. Hoheiten der Fürst und die Fürstin von Hohenzo
Bayern. Die Kammer der Abgeord⸗ neten berieth heute über die mit der Beamten⸗Vorlage usammenhängenden Bestimmungen des Finanzgesetzes. ie Bestimmung, wonach mit dem 70. Lebensjahre das Wohnungsgeld pensionsfähig und weitere Zulagen nicht mehr gewährt werden sollen, wurde, wie der „Köln. Ztg.“ gemeldet wird, abgelehnt und für pragmatischen Beamten 50 Proc. Pragmatirungszulagen genehmigt, wobei der Finanz⸗Minister für den nächsten Land⸗ tag die Neuregelung der letzteren Gehälter zusicherte. Die Ueberweisung von acht Millionen an die Districte wurde an⸗ genommen; der Finanz⸗Minister betonte dabei gegenüber dem Abg. Friedrich Beckh, daß das Kapital unangreifbar, nur die Zinen frei verfügbar seien. Ausleihungen an Creditkassen seien nicht zulässig.
Württemberg.
Stuttgart, 1. Mai. Ihre Majestäten der König und die Königin von Sachsen trafen nach einer Meldung des „W. T. B.“ heute gegen 5 Uhr hier ein und wurden am Bahnhofe von Ihren Majestäten dem König und der Königin von Württemberg sowie den Prinzen des Königlichen Hauses bewillkommnet. bum Empfange war auch das diplo⸗ matische Corps, der Minister⸗Präsident Freiherr von Mittnacht und die Generalität anwesend. Nach einem sehr herzlichen Empfange wurde unter den Klängen der sächsischen Königshymne die Front der vom Dragoner⸗Regiment „Königin Olga“ gestellten Ehrenwache abgeschritten. Alsdann erfolgte die Fse nach dem Schlosse, bis zu welchem die Truppen in den Straßen Spalier bildeten. Die zahtreich ver⸗ sammelte Menschenmenge brachte den hohen Herrs fte enthusiastische Ovationen dar. Das Wetter war unfreund ich es regnete und schneite. b 3
„.
Baden. ““
Karlsruhe, 30. April. Die „Karlsr. Ztg.“ ist ermächtigt, das Glückwunschschreiben, welches Seine Majestät der Kaiser an Seine Königliche “ den Gr an⸗ läßlich Höchstdessen 40 jährigen Regierungsjubiläums gerichtet hat und das von Seiner Königlichen . wie seen be⸗ richtet, aus den Händen des in feierlicher Audienz empfangenen Königlich preußischen Gesandten entgegengenommen worden ist, wie 8 bekannt zu geben:
Durchlauchtigster Fürst,
freundlich geliebter Vetter, Bruder und Onkel!
Vierzig Jahre sind verflossen seit dem Tage, an welchem Eure⸗ Königliche Hoheit berufen wurden, die Regierung des Großherzog⸗ thums Baden anzutreten.
Während dieses langen Zeitraums war es Eurer Königlichen Hoheit nicht nur beschieden, mit väterlich sorgender Hand und in segensreicher Arbeit, unterstützt durch eine ihrem Fürstenhause treu ergebene Bevölkerung, das badische Land einem hohen Grade geistiger und materieller Wohlfahrt zuzuführen, sondern auch in die Geschicke des großen Deutschen Vaterlandes thätig und erfolgreich einzugreifen. Als einem der ersten Vorkämpfer für die Einigung der deutschen Stämme ist Eurer Königlichen Hoheit die Genugthuung zu theil geworden, die in blutigem Ringen erkämpfte Einigung im Deutschen Reiche sich gestalten zu sehen und als Mitbegründer des⸗ selben, im Verein mit den verbündeten deutschen Fürsten, zu helfen an der Kräftigung des Reichsgedankens und dem Ausbau der Reichs⸗ verfassung.
So dürfen Eure Königliche Hoheit an dem Jubeltage auf vier an großen Ereignissen und bedeutenden Erfolgen des Kriegs und des Friedens reiche Decennien, dankbar gegen die göttliche Vorsehung, zu⸗ rückblicken und den Tag der vierzigjährigen Wiederkehr Dero Regie⸗ rungsantritts feiern als einen Tag weihevollster Erinnerung, welcher nicht nur von der jubelnden Begeisterung des getreuen badischen Volks, sondern, soweit die deutsche Zunge klingt, mit freudig theil⸗ nehmenden Gefühlen begrüßt wird.
Bei den nahen verwandtschaftlichen Beziehungen, die Eure Königliche Hoheit mit Mir und Meinem Hause verknüpfen und ein⸗ gedenk der innigen Freundschaft, welche Dieselben schon mit Meines
Hochseligen Herrn Großvaters und Meines Herrn Vaters Majestäten
verbanden, sowie in Erinnerung der Mir wiederholt erwiesenen. wahrhaft freundschaftlichen Gesinnungen, ist es Meinem Herzen ein
.“ 8
lern sind laut Meldung des „W. T. B.“ nach Lugano abgereist. 8
die nicht⸗
Eurer Königlichen Hoheit zu dieser seltenen Feier,
8
an mwelcher Ich den freudigsten und innigsten Antheil nehme, Meine
wärmsten Glück⸗ und Segenswünsche zum Ausdrnck zu bringen.
8 Möge es Eurer Königlichen Hoheit von der göttlichen Vor⸗ sehung vergönnt sein, noch während einer langen Reihe von Jahren die Früchte einer dem Wohle Dero gesegneten Landes unablässig ge⸗ widmeten Fürforge zu genießen und im Bunde mit den übrigen deutschen Fürsten für das Bestehen und die Größe des Deutschen Reiches wirken zu können.
Mit diesen Wünschen verbinde Ich die Versicherung der wahren Hochachtung und Freundschaft, womit Ich verbleibe 8 1 Berlinm. Eurer Königlichen Hoheiitt
den 14. April freundwilliger Vetter, Bruder und Neffe 1899. 8 Wilhelm J. R. An des Großherzogs von Baden Königliche Hoheit.
Anläßlich seines Regierungsjubiläums hat Seine König⸗ liche Hoheit der Großherzog 20 000 ℳ für die Groß⸗ herzog Friedrich⸗Jubiläumsstiftung gespendet. Der badische „Staats⸗Anzeiger“ giebt diesen Entschluß durch Ver⸗
fügung des Großherzoglichen Ministeriums, des Innern kund,
8 Feier Höchstihres vierziglährigen Regierungsju
welche lautet: 1 „Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben aus Anlaß der iläums gnädigst geruht, zu der mit Urkunde vom 1. Dezember 1878 errichteten „Großherzog Friedrich⸗Jubiläumsstiftung“ eine Zustiftung von zwanzigtausend Mark
mit e Se zu machen, daß von deren Zinsen der Betrag von
sechshundert 9
ark zur Erhöhung der im ersten Satze des § 6 der
Stiftungsstatuten vorgesehenen Summe zu dienen habe und für die Verwendung dieser 600 ℳ der durch § 2 der Statuten bestimmte Vertheilungsmaßstab nicht bindend sein solle.
6 Hessen. Darmstadt, 1. Mai. Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich traf mit Ihrer Königlichen Höhss der Prinzessin Margarethe von Preußen heute Nachmittag um 1 ¾ Uhr von Homburg zum Besuch Ihrer Majestät der Königin Victorlia hier ein und kehrte um 5 ¼ Uhr nach Homburg 9 8
Elsaß⸗Lothringen. .X.“
Straßburg, 30. April. In der porgestern geschlossenen XIX. Session des Landesausschusses sind 20 Plenar⸗ und 57 Commissionssitzungen abgehalten worden. Von den neun Gesetzesvorlagen der Regierung erhielten einschließlich des Etatsgesetzes fünf die öfüegtung des Fatifes unter nicht wesentlichen Abänderungen. Der Gesetzentwurfbezüglich der Rechts⸗ verhältnisse der Elementarlehrer konnlte nicht mehr durch⸗
berathen werden; die drei Organisationsentwürfe: Kreis⸗ und Ge⸗
meindeordnung, sowie Kreisstraßengesetz wurden abgelehnt, und
zwar die Gemeindeordnung mit dem Ersuchen an die Regie⸗ rung, in der nächsten Tagung eine neue Vorlage zu machen, wonach den Gemeinderäthen bei Ernennung der Bürgermeister ein be⸗ stimmtes Mitwirkungsrecht eingeräumt und die Gemeinderäthe ausschließlich aus gewählten Mitgliedern (also ohne ständige Heranziehung der Höchstbesteuerten in den Landgemeinden) gebildet würden; das Kreisstraßen⸗Gesetz unter Annahme einer Resolution, wodurch die Regierung zur Prüfung der Frage⸗ eingeladen wird, ob die Vereinigung der drei Haupt⸗ traßenarten in eine einzige Kategorie durchzuführen sei und
ob die nicht anderweitig gedeckten Unterhaltungskosten dieser
Straßen den Gemeinden nach einheitlicher Norm auferlegt werden könnten. Außerdem wurden ein aus der Initiative des Hauses hervorgegangener Gesetzentwurf und zwei Anträge an⸗ genommen und 63 Petitionen, darunter eine aus 138 Ge⸗
meinden mit 4203 Unterschriften und eine aus 85 Gemeinden
mit 7402 Unterschriften (beide auf die Kunstweinfrage be⸗
pulver gefüllte Büchsen enthielt. auch eine Anzahl '” 8
züglich), berathen, hiervon 13 durch Beschlüsse und 22 durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt, 21 der Regierung über⸗ wiesen. Von den Commissionen sind 28 schriftliche, 47 münd⸗ liche Berichte erstattet worden.
SDesterreich⸗Ungarn.
Der Kaiser empfing vorgestern den ungarischen Botschafter Audienz.
Dem , Fremdenblatt“ zufolge werden die gemeinsamen Minister⸗Conferenzen über die den Delegationen zu unterbreitenden Vorlagen am 7. Mai beginnen und an den folgenden Tagen zu Ende geführt werden.
in Berlin Grafen Széchényi in
Großbritannien und Irland.
Voondon bildet jetzt den Zufluchtsort vieler vom Continent geflüchteten europäischen Anarchisten. Seit der Explosion im Restaurant Véry in Paris sind weitere Flüchtlinge dort angekommen und im ganzen sollen gegenwärtig über achtzig in der englischen Metropole weilen. Einer von ihnen hat zwar einem Interviewer des „Daily Chronicle“ mitgetheilt, seine Collegen würden in London nichts „unternehmen“, um nicht aus ihrem Asyl vertrieben zu werden, aber die That⸗ sachen scheinen sie Lügen zu strafen, denn ein Wolff'sches Telegramm aus London meldet: Am 1. Mai früh wurde dicht an der Mauer des Arsenals in dem (unweit von London belegenen) Woolwich eine schwarze Handtasche auf⸗ gefunden, welche acht, theils mit Dynamit, theils mit Schieß⸗ In der Tasche sollen sich chriften in fremden Sprachen befunden S Der Inhalt der Büchsen sollte heute, Montag, von dem isgspector für Sprengstoffe untersucht werden. 1 8
Frankreich. Der gestrige Tag ist in Frankreich Fit⸗ besondere 8
Ruhestörungen vorübergegangen. Das Nähere über den
Verlauf der von den Arbeitern veranstalteten Kundgebungen
bringen wir unter „Arbeiterbewegung“ in der Rubrik „Statistik und Volkswirthschaft“.
Die gestrigen Municipalwahlen sind, wie telegraphisch berichtet wird, in den Departements in Pöster Ruhe verlaufen, ausgenommen in vier Gemeinden üdfrankreichs, wo die Wahlurnen mit Gewalt weggenommen wurden. Das bis jetzt erst aus den Städten bekannte Wahlresultat ist im allgemeinen ein für die Republikaner günstiges.
Der Ministerrath hat sich in seiner Sitzung vom Sonn⸗ abend mit der Prüfung der Gesetzgebung über den Ver⸗ kehr mit Dynamit beschäftigt. Es wurde darauf verzichtet, die bestehenden darauf bezüglichen Vorschriften abzuändern, aber die strengste Anwendung der bestehenden Gesetze befür⸗ wortet, die den Eigenthümer von Dynamit, selbst für den Fall, daß es gestohlen werden sollte, verantwortlich machen.
8
Die Zusendungen vo sowie die Ver⸗ haftungen und Ausweisungen von Anarchisten dauern fort. amentlich werden die Polizei⸗Commissariate von Paris mit Drohungen überhäuft, von denen einzelne, wie die „Fr. Corr.“ hervorhebt, Beachtung verdienen, so die an den Commissar Gilles in Batignolles gerichtete, Der Schreiber, der als „Präsident des anarchistischen Executiv⸗Comités von Paris“ zeichnete, spielt darin 78- zwei Packete mit je drei Dynamitpatronen an, die er selbst am 3. April vor die e. des Commissars gelegt haben will. Wörtlich heißt es weiter:
„Sie haben wahrscheinlich darauf nicht Acht gegeben und geglaubt, es handle 8e um einen Spaß. 9 cht s Ihnen die barmherzige Warnung, daß ich um den 1. Mai Ihr Bureau in die Luft sprengen und versuchen werde, das Gleiche dem Elysée und der Privatwohnung des Präsidenten Carnot in der Rue de Bassins an⸗ zuthun ... ie Ravachol gestern vor Gericht sagte, wollen wir die Aufmerksamkeit des Publikums und der öffentlichen Gewalten auf uns und unsere Theorien lenken. Wir suchen nicht zu tödten aus Lust am Tödten. Was jüngsthin geschah, das waren Racheacte, und damit sind wir noch nicht fertig. Wir sind. zahl⸗ reich, ein Comité, das handelt und Die bezeichnet, welche operiren sollen. Wir sind vollkommen organisirt und unserer selbst sicher. Ab⸗ trünnige oder Verräther werden einzeln durch Tod gezüchtigt. Seien Sie überzeugt, daß wir die Gelegenheit, an Quesnay de Beaurepaire und den Richtern Rapachol's Rache zu üben, uns nicht entgehen lassen werden. Was die Geschworenen betrifft, so werden wir sie diesmal unbehelligt lassen: sie waren ein bischen ängstlich und hatten Recht. Bald wird man wieder von uns hören.“
Dieser Brief muß ernst genommen werden, weil in der That am 3. April an jedem der Eingänge des Commissariats der Rue Bronchant ein Packet mit drei Dynamitpatronen gefunden worden war und man, wie die „Fr. Corr.“ ver⸗ sichert, diese Thatsache streng verheimlicht hatte. Auch in Vücair. sind Drohbriefe, besonders an Israeliten, vertheilt worden. Verhaftungen haben am Sonnabend in St. Denis, Lyon, Marseille, St. Etienne und in Algier sowie, dem „H. T. B.“ zufolge, gestern in Toulon stattgefunden. Im Departement du Nord werden fortdauernd belgische Anarchisten ausgewiesen.
Aus Porto Novo wird vom 28. v. M. gemeldet, daß dort ein Angriff der Dahomeyer jeden Augenblick erwartet werde. Die Truppen halten Tag und Nacht die für den Kampf vorbereitete Vertheidigungsstellung besetzt. An die Europäer und zuverlässigen. Creolen sin affen vertheilt worden. Aus dem Innern treffen zahlreiche Flüchtlinge ein. Die Leiter der französischen Handelshäuser in Weydah sind zum König entboten worden, der augenblicklich in Allada weilt; sie sind am 27. v. M. unter Soldatenbedeckung zu Fuß dorthin aufgebrochen. Es sind jetzt noch sechs Franzosen in Dahomey außerhalb der von den Truppen besetzten Punkte, und zwar zwei in Wydah, zwei in Abome⸗Kalavy und zwei in Allada. Drei Missionare, zwei Deutsche und ein Italiener, sind noch in Wydah zurückgeblieben.
Dem Bischof von Nancy hat der Minister der Justiz und des Cultus wegen seiner Broschüre „Retten wir das christ⸗ liche Frankreich“ das Gehalt gesperrt. 3 1
Rußland und Polen.
Kaukasus zufolge hatte sich das Befinden des Großfürsten Georg Alexandrowitsch durch Hinzutritt starken Blut⸗ hustens verschlimmert, sodaß die Reise des Kaisers nach Kopenhagen fraglich erschien. Seit den letzten Tagen ist indeß, wie das „Wolffsche Bureau“ vernimmt, berechtigte Aussicht zur Besserung bei dem hohen Patienten vorhanden.
Auf Vorstellung des Stellvertreters des ö von Thörner hat der Kaiser nach einer Mittheilung des⸗ selben Bureaus aus St. Petersburg befohlen, die Frage der Aufhebung des Hafer⸗Ausfuhrverbots für die bal⸗ tischen Häfen der unter dem Vorsitz des Geheimen Raths Abasa tagenden Commission für die Ausführung gemein⸗ nütziger Arbeiten in den nothleidenden Gouvernements vor⸗ zufe en. Die Verhandlung darüber soll bereits in diesen Tagen erfolgen.
Italien.
In Mailand ist, wie man der „Köln. Ztg.“ meldet, am Sonnabend Vormittag der bekannte Anarchistenführer, Advocat Gori verhaftet worden, und in der voraufgehenden Nacht hatte man dort ferner neun Anarchisten festgenommen, die am Corso Vercelli einen Wagen mit 25 000 Druckschriften aufrührerischen Inhalts erwarteten. Der Kutscher wurde rechtzeitig gewarnt und entkam; es ist infolge dessen den Be⸗ hörden bisher nicht gelungen, die Manifeste zu beschlagnahmen. — Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Forli ist vor dem dortigen Gefängniß am Sonnabend eine Petarde ge⸗ platzt. Der wachehabende Posten schoß auf den muthmaßlichen Thäter, traf ihn aber nicht. Verletzt wurde bei der Explosion niemand (s. a. „Arbeiterbewegung“).
Das Uebereinkommen der Regierung mit den italienischen Fabrikanten wegen Einführung des Zünd⸗ hölzchen⸗Monopols ist nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ gestern in Rom unterzeichnet worden. 1
Spanien. u“
In Barcelona hat die Polizei neuerdings 18 Ver⸗ haftungen vorgenommen; ferner wurde von ihr eine Petarde entdeckt, die Explosion aber durch Abschneiden der Zündschnur verhindert. 1
Schweiz
Auch in verschiedenen Kantonen der Schweiz haben sich in letzter Zeit die Anarchisten bemerkbar gemacht. Meistens sind es aus dem Auslande ausgewiesene Elemente, welche dort Zuflucht suchen. In Lugano wurden der M. „Allg. Züg. zu⸗ folge bereits ihrer zwölf verhaftet und bei einem in Bellinzona Festgenommenen hat man anarchistische Briefe und Dynamit 1 Aus Lausanne wird nun auch ein ernsthaftes Attentat gemeldet. Die „N. Zürch. Ztg.“ erhielt darüber folgendes Telegramm: .
Am Freitag gegen Mitternacht 8 eine heftige Detonation die Bevölkerung von Prilly, einer Vorstadt von Lausanne, in Auf⸗ regung. Ein vor dem Restaurant Magnidre niedergelegtes Geschoß e ohne daß jemand verletzt worden wäre. Der materielle
schaden ist unbedeutend. Das Sprenggeschoß war aus einer kleinen, mit dem Explosivstoff angefüllten eisernen Büchse gebildet, welche in eine mit Sand gefüllte Seess Schachtel gelegt worden war. Das Ganze war in ein starkes blaues Papier eingewickelt und mit einer Lunte versehen, deren Ueberreste Fe wurden. Es ist noch unbekannt, ob der Explosivstoff 5 ver oder Dynamit war. Die geringe Wirkung der Maschine läßt auf Pulver schließen. Dieselbe war unter das Fenster des Schlafzimmers der achtzigjährigen Frau Pingoud, Mutter des Obersten Pingond, Präfecten von
Lausanne,
In St. Petersburg eingetroffenen Nachrichten aus dem
gelegt worden. Dieser hatte in den letzten mehrere Drohbr⸗ efe erhalten. 8. ließ das Peeerturgstsade den und Nacht bewachen. Er ist verhaßt wegen der Energie, welche er bei mehreren Strikes und bei der Auswecfung des italienischen Agitators Germano an den Tag legte. 8 2 ö11“ Belgien. “
Deer gestrige erste Mai, über dessen Verlauf wir im übrigen unter „Arbeiterbewegung“ in der Rubrik ,Statistik und Volkswirthschaft“ berichten, ist in Belgien nicht ohne anarchistische Attentate vorübergegangen. Ein Tele⸗ gramm des „W, T. B.“ aus Lüttich meldet: Gestern (Sonn⸗ tag) Abend um 8 ½ Uhr fanden zwei Explosionen von Dynamitpatronen statt, die eine bei dem Senator de Sel ys, die andere bei dessen Sohn. Der materielle Schaden ist in beiden Fällen beträchtlich; ernstliche Verletzungen sind jedoch nicht vorgekommen. An beiden Stellen sammelten sich große Menschenmengen. Kurz vor 10 Uhr ereignete sich eine dritte Explosion in dem Chor der Kikche St. Martin. Die ßen Chor⸗ fenster im Werthe von 100000 Fr. sind völlig zersplittert. Hunderte von Fensterscheiben in Häusern der Nachbarschaft bis auf 300 m Entfernung wurden zerstört. Eine Patrone mit brennender Lunte wurde gefunden und rechtzeitig unschäd⸗ lich gemacht. In der Stadt herrscht infolge dessen große Beunruhigung, denn man befürchtet weitere Explosionen. Den Telegrammen des „H. T. B.“ entnehmen wir über diese Attentate noch Folgendes: 8
Der ganzen Stadt hat sich eine ungeheure Aufregung bemächtigt. Die Behörde thut alles Mögliche, um den Thätern auf die Spur zu kommen. Die Gendarmerie patrouillirt die ganze Umgegend ab; ebenso patrouillirt Cavallerie und Infanterie auf allen be⸗ drohten Punkten. „Die beiden Wohnhäuser auf dem Boulevard Souvenier, Nr. 179 und 106, gehören dem Senats⸗Präsi⸗ denten Selys. Die Hausfront, Thüren, Fenster und Möbel sind vollständig zerstört. Die Bomben waren an den Kellerfenstern angebracht. Fräulein Selys sah die Attentäter flüchten und hörte um 6 ½ Uhr vom Balcon aus, wie zwei Männer die Verabredung trafen, wiederzukommen und Feuer anzulegen. Die gegenüberliegende Schule St. Jean und die Kaserne der Bürgergarde haben schwer ge⸗ litten. In der Kirche St. Martin sind die alten kostbaren, aus dem 14. und 15. Jahrhundert stammenden gemalten Fenster völlig zerstört, auch die Kirche ist schwer beschädigt. Das 300 m entfernte Institut St. Martin, das Presbyterium und das Haus des Friedens⸗ richters haben ebenfalls schwer gelitten.
Ferner liegen noch folgende Meldungen von den letzten Tagen vor: Die Brüsseler Polizei faßte, wie man der „Köln. Ztg.“ berichtet, eine Schrift des Anarchisten Merlino ab, die in 5000 Exemplaren bei Longfils daselbst gedruckt worden war. Die Polizei hinderte den Versand. — Das Schwurgericht für Brabant verurtheilte den Heraus⸗
eber des Anarchistenblattes „Le Conscrit“ zu 7 Monaten daf wegen aufreizender Artikel. Der Verurtheilte, Anarchist racke, ist nach Holland entkommen. Nach seiner Verurtheilung setzten die Genossen eine Kundgebung ins Werk und zogen, die „Carmagnole“ singend, nach dem socialistischen Volksheim. — Die Quästoren der Kammer haben einen Droh⸗ brief erhalten und sofort strenge Aufsicht des Kammergebäudes angeordnet. — In Antwerpen sind dem „Hamb. Corr.“ zufolge am Sonnabend zwei fra 9 sische Anarchisten festgenommen worden. — Endlich liegen noch aus den Provinzen eine ganze Reihe von Meldungen über versuchte Dynamitverbrechen vor; so fand bei Charleroi ein Arbeiter in seinem Garten zwölf Dynamitpatronen; in Wavres (Brabant) wurde der Fensterlehne der Nationalbankstelle eine Dynamitpatrone ge⸗ funden, und in Paturages bei Mons explodirte nahe einer dichten Häusergruppe Dynamit, glücklicherweise ohne Schaden anzurichten.
Türkei. 8 Nach Mittheilungen der „Pol. Corr.“ aus Konstan⸗ tinopel hätten die türkischen Truppen nun auch die letzte Stellung der Aufständischen in Yemen, die von Heli, eingenommen und diese Provinz, die bisher noch einen Zufluchtsort der Aufständischen gebildet hatte, vollkommen von ihnen gesäubert. Im übrigen seien alle Maßnahmen getroffen worden, um einer Wiederkehr von Unruhen in Nemen vor⸗ zubeugen.
Bulgarien.
Eine Antwort der Pforte auf das Verlangen der bulgarischen Regierung, daß die Brüder Tufektschieff von Seiten Rußlands ausgeliefert würden, ist dem „W. T. B.“ zu⸗ folge noch nicht eingetroffen.
Die Untersuchung der Rustschuker Bombenaffäre ergab, daß 36 Bomben von Rustschuk nach Konstantinopel geschickt worden sind.
Montenegro.
Die Pforte und die montenegrinische Regierung haben sich, wie „W. T. B.“ meldet, über die Einsetzung einer neuen gemischten Commission zur Regelung aller Streitigkeiten zwischen den Grenzbewohnern verständigt.
Dänemark. 5 (F) Kopenhagen, 30. April. Unterm 6. v. M. ist nach einer Bekanntmachung des Ministeriums des Aeußern eine Uebereinkunft zwischen Dänemark und Italien ab⸗ eschlossen worden, durch welche der Abschoß und das Ab⸗ p ahrtsgeld (gabella hereditaria und census emigrationis) zwischen beiden Ländern aufgehoben werden; eine Ausnahme sindet nur bezüglich der Abgaben statt, welche bei Erbschaften, Verkäufen oder anderen Veranlassungen selbst in den ällen zu entrichten sind, wenn das Vermögen im Lande ver leibt. sen ähnlicher Vertrag ist am 5. Februar 1891 mit Deutsch⸗ and abgeschlossen worden. D. Red.) Das vom Reichstage angenommene Gesetz, betreffend die Eheschließung vän scher Unterthanen im Auslande, hat die Königliche Sanction erhalten. Das Ministerium des leußern hat jetzt mit Bezugnahme auf § 10 des Gesetzes den dänischen onfüln die nöthigen Anweisungen ertheiit.
Amerika.
Der „New⸗York Herald“ hat über die neuesten Vorgänge in Venezuela folgendes Telegramm aus La Guayra vom 28. April erhalten, in welchem es heißt:
Die Regierungstruppen haben den Sohn des Generals Crespo gefangen genommen und erklären, er werde hingerichtet werden, sobald General Crespo sich der Hauptstadt Caracas bis auf eine Meile nähere. Präsident Palacio hat in Trinidad Gewehre Wund Munition gekauft, die nach den Orinocohäfen und nach La Guayra verschifft worden sind. General Crespo hat den ersten General des Präsidenten Casanas gefangen genommen.
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