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Emblemen, sowie die Schüler und Schülerinnen sämmtlicher Lehranstalten Spalier. Auf dem Denkmalsplatz, woselbst ein Obelisk errichtet worden war, hatten Mitglieder der städtischen Verwaltung Aufstellung genommen. Hier wurden die Majestäten von dem Ober⸗Bürgermeister Haken, wie wir der „Ostsee⸗Ztg.“ entnehmen, mit folgender Ansprache begrüßt:
„Enrer Majestät bitten wir, bei dem Einzuge zum Kaiserfest der Pommern auch von der Stadt Stettin unsere ehrfurchtsvollste Begrüßung Allergnädigst entgegen zu nehmen. Wir stehen hier an dem künftigen Denkmalsplatz des hochseligen Kaisers Wilhelm I., hier an der Grenze der alten Stadt, wo in sicherem Schutz unter Eurer Majestät allgebietender Macht eine neue Stadt in friedlicher Arbeit rastlos fortschreitend heranwächst. Hier soll das Bild des unvergeßlichen Kaisers — ein Gruß der Mitwelt an kommende Geschlechter — in strahlendem Glanze sich erheben. Keinen würdigeren Platz konnten wir finden, um Eurer Majestät in voller Begeisterung unseren tief⸗ empfundenen Dank auszusprechen für die unermüdliche landesväterliche Fürsorge, mit welcher Eure Majestät, theilnehmend an unseren
ünschen und Hoffnungen, unsere Stadt so überreich beglücken. Und von besonderer Freude ist uns das Herz bewegt, daß auch Ihre Majestät die Kaiserin die Stettiner Festtage in huldreicher Güte Aller⸗ gnädigst verherrlichen, daß es uns vergönnt ist, dem Hohen Herrscherpaare zum ersten Mal in unserer Stadt vereint unsere Huldigung dar⸗ zubringen. Gott erhalte uns unseren Kaiser und König in der Fülle seiner schaffenden Kraft, Gott schirme und behüte unsere Kaiserin und Königin und das jugendfrisch erblühende Hohenzollernhaus. Seine Majestät der Kaiser und Ihre Majestät die Kaiserin, Sie leben hoch! hoch! und nochmals hoch!“
Begeistert stimmten die Umstehenden dreimal in den Hoch⸗ ruf ein. Nachdem Seine Majestät einige Worte des Dankes erwidert hatte, setzte sich der Kaiserliche Zug wieder in Be⸗ wcgung und erreichte kurz nach 5 ½ Uhr das Königliche Schloß.
Bei dem Erscheinen der Majestäten zur Festvorstellung im Stadt⸗Theater wurde die Nationalhymne gespielt, und das Publikum brachte auch hier Allerhöchstdenselben herzliche Ovationen dar. v1X“
Dem Bundesrath lagen in der am 12. d. M. unter dem Vorsitz des Vice⸗Präsidenten des Staats⸗Ministeriums, Staatssecretärs des Innern Dr. von Boetticher abge⸗ haltenen Plenarsitzung mehrere Eingaben in Zoll⸗ und Steuer⸗ Angelegenheiten vor. Der ee von Bestimmungen über die zollamtliche Abfertigung der zur unmittelbaren Durchfuhr durch das deutsche Zollgebiet mit der Eisenbahn bestimmten Passagier⸗Effecten und der Entwurf eines Gesetzes für Elsaß⸗ Lothringen über die Verbesserung der Kanäle, sowie die Er⸗ hebung der Schiffahrtsabgaben auf denselben, letzterer Entwurf in der durch den Landesausschuß abgeänderten Fassung, wurden den zuständigen Ausschüssen zur Vorberathung über⸗ wiesen. Anerkannt wurde, daß die Bestimmung des § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Invaliditäts⸗ und Altersversicherung vom 22. Juni 1889 auf die mit Pensionsberechtigung angestellten Beamten der Invaliditäts⸗ und Alters⸗Versicherungsanstalt Westfalen und der Posener Landschaft anzuwenden seien. Einer Eingabe wegen Aufhebung der Verkehrsbeschränkungen für die Einfuhr von Zugochsen aus Oesterreich beschloß die Ver⸗ sammlung keine Folge zu geben. Endlich wurde über die Wiederbesetzung einer Stelle in der Commission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich und über einen Antrag auf Ertheilung der Ermächtigung zur strafrechlichen Verfolgung wegen Beleidigung des Bundesraths Beschluß gefaßt.
Heute traten die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Rechnungswesen, sowie die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Handel und
Verkehr zu Sitzungen zusammen.
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Das Reichs⸗Gesetzblatt veröffentlicht die General⸗Acte der Brüsseler Antifklaverei⸗Conferenz nebst Decla⸗ ration vom 2. Juli 1890, nachdem sie ratificirt worden ist. Die Hinterlegung der Ratifications⸗Urkunden hat bei der Königlich belgischen Regierung stattgefunden. Der Präsident der Französischen Republik hat der Ratification den Vorbehalt einer weiteren Vereinbarung über die Bestimmungen der Artikel XXI, XXII, XXIII, XLII bis LXI (wegen Fest⸗ stellung der Meereszone, in welcher der Sklavenhandel noch besteht, wegen des Rechts des Besuchs, der Durchsuchung und Beschlagnahme von Schiffen und der Sistirung verdächtiger Schiffe) beigefügt.
„Die erste Sitzung der neu errichteten Commission für Arbeiterstatistik wird dem Vernehmen nach in der zweiten Hälfte des Monats Juni stattfinden. Außer der Anhörung der Commission über die für ihren Geschäftsgang vom Reichskanzler zu erlassende Geschäftsordnung dürften Vor⸗ schläge über anzustellende Erhebungen bezüglich der Arbeits⸗ zeit im Bäckergewerbe, Müllergewerbe und im Handelsgewerbe die Gegenstände der Tagesordnung bilden.
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Unter Bezugnahme auf die Circularverfügung vom 12. Februar d. J. hat der Unterrichts⸗Minister unter dem 9. Mai d. J. verfügt, daß an allen neunstufigen höheren Lehr⸗ anstalten (Gymnasien, Realgymnasien und Ober⸗Realschulen) gegen Ausgang des laufenden Sommer⸗Semesters eine Abschlußprüfung für diejenigen Schüler ab⸗ gehalten werde, welche sich dem Subalterndienst zu widmen beabsichtigen und zur Zeit bereits in die Ober⸗Secunda versetzt sind oder Aussicht haben, am Schlusse des Sommersemesters in diese Klasse versetzt zu werden. Die Absicht dieser Maßnahme ist, die Schüler der neunstufigen Anstalten in den Stand zu setzen, daß sie sich durch das Bestehen der Prüfung auch ohne Absolvirung eines siebenjährigen Schulcursus die nach Nr. II der Bekannt⸗ machung des Staats⸗Ministeriums vom 14. Februar v. J. erforderlichen Vorbildungsnachweise zur Zulassung für den Subalterndienst beschaffen können. Die Maßnahme wird daher nur für einmal und lediglich für die Schüler angeordnet, welche in den Subalterndienst eintreten wollen. Sie wird überflüssig, sobald mit Ostern 1893 das Bestehen der Ab⸗ schlußprüfung allgemein zur Bedingung für die Versetzung nach Ober⸗Secunda an den neunstufigen Anstalten geworden ist.
Seitens des Ministers für Landwirthschaft, Domänen und
ist die Einfuhr von lebenden Schweinen aus teinbruch, Bielitz⸗Biala und Wiener⸗Neustadt über Oderberg, Dzieditz und Bodenbach in das öffentliche Schlachthaus zu Wittenberge widerruflich gestattet worden.
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Der Königliche Gesandte in Hamburg von Thielmann hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit fungirt der Legations⸗ Secretär von Bülow als Geschäftsträger.
Der General⸗Lieutenant von Bülow, Commandeur der 25. (Großherzoglich Hessischen) Division, hat nach beendetem
Urlaub Berlin wieder verlassen.
Danzig, 13. Mai. Seine Majestät der Kaiser wird, wie die „Danz. Allg. Ztg.“ mittheilt, Sonntag, den 15. d. M., Abends um 6 Uhr 20 Minuten hier auf der Haltestelle am Olivaer Thor eintreffen. Von hier aus begiebt Sich Allerhöchstderselbe direct nach der Schichau'schen Werft und besteigt dort die bereitliegende Dampfbarkasse, die den Kaiser zu der an der Kaiserlichen Werft liegenden Nacht „Hohenzollern“, welche vorgestern Nachmittag von Kiel ein⸗ etroffen ist, überführt. An Bord wird ein Diner im engsten
reise eingenommen werden. Für die folgenden B folgendes Programm festgestellt worden: Montag, 16. Mai, 10 Uhr Vormittags, Einzug Seiner Majestät zu Wasser von der Kaiserlichen Werft nach der Grünen Brücke und nach Be⸗ sichtigung der ersten Ehren⸗Compagnie in der Milchkannengasse zu Wagen nach dem Langenmarkt. Nach Besichtigung der zweiten Ehren⸗Compagnie großer Empfang im Artushofe, an den sich die Darbringung des Ehrentrunks seitens der Stadt in Gegenwart der Kaufmannschaftanschließt. Besuch des Rathhauses. Fahrt durchdie Langgasse, die große Wollwebergasse, die Jopengasse nach dem Südostportal der Marienkirche. Besichtigung der Marienkirche. Vom Südwestportal der Marienkirche durch die Jopengasse, das Zeughaus, den Kohlenmarkt, das hohe Thor, die Promenade, das Jakobsthor, die Kalkgasse, den Faulgraben, die Sammtgasse nach der Kaserne des 1. Leib⸗ Husaren⸗Regiments. 12 ½ Uhr Frühstück daselbst. Nach 2 Uhr Besuch des Bischofsberges und des Hagelsberges. Fahrt durch das Jakobsthor und das Werftthor nach der Kaiserlichen Werft. 7 Uhr Abends Festmahl der Provinz im Landeshause. Nach 9 Uhr Abends Fahrt über die Promenade durch das Jakobs⸗ thor und das Werftthor nach der Kaiserlichen Werft. Dienstag, 17. Mai, gegen 10 Uhr Vormittags, Parade auf dem großen Exercirplatze hinter Langfuhr, Rückkehr Seiner Majestät an der Spitze der Truppen durch das Hohethor über den Kohlen⸗ und Holzmarkt, die Breitgasse nach dem König⸗ lichen General⸗Commando. Dann um 3 Uhr Nachmittags Fahrt zu Wasser vom Krahnthor nach der Nacht „Hohenzollern“. 4 Uhr Nachmittags Stapellauf des neuen Kreuzers E. 7 Uhr Abends kleines Mittagessen im Ober⸗Präsidium. Nach9 Uhr Abends Fahrt zu Wagen durch das Hohethor, die Langgasse über den Langenmarkt nach der Grünen Brücke, zu Wasser nach der Kaiserlichemn Werft. Große Illumination. Mittwoch, 18. Mai 8 Uhr Vormittags, Fahrt zu Wasser über Groß⸗ Plehnendorf nach Siedlersfähre. Fei ügung der Durchstichs⸗ arbeiten. Fahrt zu Wasser nach Dirschau. Gegen 2 Uhr Nachmittags Ankunft in Dirschau, gegen 2 ½ Uhr Nachmittags Ankunft in Marienburg. Besichtigung des Schlosses und der Sammlungen. Gegen 3 ½ Uhr Nachmittags Abreise nach
Bayern.
München, 13. Mai. Die Kammer der Abgeord⸗ neten bewilligte in ihrer heutigen Sitzung den Matricular⸗ beitrag in Höhe von 42 400 000 ℳ.
Im Finanzausschuß machte gestern der Finanz⸗ Minister Dr. Freiherr von Riedel bei Gelegenheit der Bewilligung der Kosten für den Neubau des National⸗ Museums in der Prinzregentenstraße die Mittheilung, daß im Jahre 1890 die Einnahmen den Voranschlag um 35 ½ Millionen Mark übertroffen hätten; für das Jahr 1891 sei zwar eine so hohe Mehreinnahme nicht zu erwarten, jeden⸗ falls ständen aber 30 Millionen Mark zur Schuldentilgung dem nächsten Fen de zur Verfügung. 4 400 000 ℳ seien für den Neubau des Museums unbedingt ausreichend. Die Vorlage über den Neubau wurde genehmigt.
Karlsruhe, 13. Mai. Im Landtag waren von Seiten des Centrums und der Demokraten Anträge auf Ein⸗ führung des directen Wahlrechts eingebracht worden. In der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer stand der Bericht der Commission über diese Anträge auf der Tages⸗ ordnung, worin empfohlen wird, die Anträge in der vorliegende Fassung abzulehnen, gleichzeitig aber zu erklären, die Zweite Kammer sei principiell mit der Aenderung des Wahlsystems durch Einführung der directen Wahlen einverstanden, erachte jedoch für den Fall der Ein⸗ führung dieses Wahlsystems eine Gesammtrevision der Ver⸗ fassung für nothwendig und ersuche die Regierung, dem Landtag einen auf die Abänderung der Verfassung ezüglichen Gesetzentwurf vorzulegen. Bei der Berathung erklärte nach einer Meldung des „W. T. B.* der Staats⸗Minister Dr. Turban, die Regierung sei nicht in der Lage, das directe Wahlrecht zuzulassen. Auch die An⸗ träge auf Aenderung der Organisation der Ersten Kammer könnten nicht angenommen werden; er warne davor, an der Verfassung zu rütteln, wozu ja keine Nothwendigkeit vorliege.
Hessen.
Darmstadt, 13. Mai. Die Directoren der
Gymnasien und Realg ymnasien sind auf die Zeit vom 23. bis 25. Juni zu einer Conferenz zusammenberufen, der der „Köln. Ztg.“ nach folgende zwei LEE vorge⸗ legt werden sollen: 1) Ob und welche Aenderungen an dem Lehrplane und der Reifeprüfungsordnung mit Rücksicht auf die jüngst in Preußen erlassenen neuen Bestimmungen etwa zu treffen sind? 2) Die Aufstellung neuer Disciplinar⸗ vorschrifttre. 1— b“ Braunschweig. 8 Blankenburg, 13. Mai. Seine Königliche Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen, Regent des Herzogthums Braunschweig, und Ihre Königliche Hoheit die F 1
au — i o e Frau Prin⸗ zessin, die noch immer Wohnsitz auf Schloß Blankenburg
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genommen, gaben heute ein Diner, zu dem das Offtzi corps des Leib⸗Bataillons Braunschweigischen Infanterie⸗Regiments 92 sowie die Spitzen der Behörden mit Damen geladen waren
Oesterreich⸗Ungaru. .
Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent nne, Bayern traf gestern früh in Wien ein und acefhn b „W. T. B.“ meldet, Vormittags den Besuch Seiner Majestät des Kaisers, den Höchstderselbe Nachmittags erwiderte.
Der Budgetausschuß des bgeordnetenhauses berieth in seiner Heftrigen Sitzung die Vorlage über die österreichischen Vereinsthaler und stimmte dem Antrag des Deputirten Schuklje zu, die weitere Berathung Vorlage bis nach Einbringung der Währungsvorlage vertagen. Der Referent Neuwirth befürwortete die Vorlage und sprach den Wunsch aus, daß die Zustimmung des Reichsraths im Gesetze ausdrücklich hervorgehoben werde. Der Finanz⸗Minister Dr. Steinbach führte aus, die Regieru habe die Berechtigung und Verpflichtung, die Vereinsthaler jederzeit mit 1 ½ Fl. einzulösen, ohne dazu der Genehmigung des Reichsraths zu bedürfen, sie habe demnach auch den vor⸗ liegenden günstigen Vertrag abschließen können.
Im ungarischen Unterhause erklärte sich der Acker⸗ bau⸗Minister Graf Bethlen im weiteren Verlaufe der Budget⸗ debatte gegen die Aufhebung des Totalisators, der für die Pferdezucht nothwendig sei. Es sei ein Gebot der Zweckmäßigkeit, den Totalisator für productive Zwecke zu benutzen. b
Dem Abgeordnetenhause sind heute die Vorlagen über die Valutaregulirung zugegangen. Es wird darüber telegraphisch berichtet:
Die Vorlagen bestehen aus sechs Gesetzentwürfen, fünf davon be⸗ treffen die Valutaregulirung, der sechste ermächtigt den österreichischen han e sihtister⸗ die 5 % steuerfreie Notenrente, die 5 % Staats⸗
Idverschreibungen der Vorarlbergbahn und die 4 ¾ % Füisenbaha. schuldverschreibungen der Kronprinz⸗Rudolfbahn zu convertiken. Die
Grundlagen der Münz⸗ und Währungsreform sind in zwei Gesetz⸗
entwürfen enthalten, von denen einer die Kronenwährung fest⸗ stellt, der andere den Münz⸗ und Währungsvertrag mit Ungarn ent⸗ hält. Die neue Währung ist als Goldwährung erklärt. Die Rech⸗ nungseinheit ist die Krone, eingetheilt in 100 Heller. Der Münzfuß ist dahin bestimmt, daß 2952 Kronen auf 1 kg Münzgold veon 90⁰⁄1000 Feinheit kommen, demnach 3280 Kronen aus 1 kg Fein⸗ gold auszuprägen sind. Goldmünzen werden in Stücken zu zwanzig und zu zehn Kronen ausgeprägt, sowohl für Staats⸗ als auch für Privatrechnung. Dukaten werden auch künftig als Handelsmünze geprägt. Neben diesen Landes⸗Goldmünzen bleiben die Landes⸗Silbermünzen österreichischer Währung im Umlauf. Der Silbergulden österreichischer Währung ist gleich 2 Kronen. Als Theil⸗ münzen der Kronenwährung werden ausgeprägt: Silbermünzen und zwar Einkronenstücke und Fünfzighellerstücke; ferner als Nickelmünzen 20 und 10 Hellerstücke; als Broncemünzen 2 und 1 Hellerstücke. Die Silbermünzen werden ausgeprägt in einer Feinheit von 885/3100. Es gehen 200 Einkronenstücke auf 1 kg Münzsilber. Die Nickelmünzen werden aus reinem Nickel geprägt. Die Ausprägung von Theil⸗ münzen findet nur für Staatsrechnung statt. Das Contingent der österreichischen Hälfte für die Ausprägung und die Ausgabe ist für Silbermünzen auf 140 Millionen Kronen, für Nickel⸗ münzen auf 42 Millionen und für Broncemünzen auf 182⁄10 Millionen Kronen festgesetzt. Die Silberscheidemünzen und die Kupfermünzen der österreichischen Währung werden eingezogen. Die Papiergeldzeichen der österreichischen Währung bleiben bis auf weiteres im Umlauf — ein Gulden gleich zwei Kronen. Die Contingente für die Ausprägung der Theilmünzen sind zunächst dahin bestimmt, daß für 200 Millionen Kronen Silbermünzen, für 60 Millionen Kronen Nickel⸗ münzen und für 26 Millionen Broncemünzen in beiden Staats⸗ gebieten ausgeprägt werden. Die Auftheilung der Contingente er⸗ folgt im Verhältniß von 70 zu 30. Die in beiden Staats⸗ gebieten ausgeprägten Münzen haben in beiden Staatsgebieten ge⸗ setzlichen Umlauf. Beide Regierungen werden zu einem eeigneten Zeitpunkt im gegenseitigen Einvernehmen den Legislativen Vorlagen über die Einlösung der Staatsnoten einbringen. Die Kosten für die Einlösung der Staatsnoten werden bis zum Be⸗ trage von 312 Millionen Gulden gemeinsam getragen und nach dem Verhältniß von 70 zu 30 aufgetheilt. “
Dem ungarischen Unterhause sind die Vorlagen heute gleichfalls zugegangen. Ueber den Inhalt des sechsten Gesetzentwurfs wird berichtet:
Außer der fünfprocentigen ungarischen Papierrente sind einzu⸗ berufen: die Actien der Siebenbürger, der Donau⸗Drau⸗, der Alfoeld⸗ Fiumaner⸗, der Ofen Fünfkirchener, der Galizischen Eisenbahn, ferner der Ungarischen Westbahn, sowie der Ungarischen Nordostbahn. So⸗ dann sollen einberufen werden die Silberprioritäten der Nordostbahn aus den Jahren 1869 und 1871, der Westbahn erster und zweiter Emission, die sechs⸗ und fünfprocentigen Goldprioritäten der Nordost⸗ bahn, alle am 1. Juli 1892 fälligen Titres der vereinigten Bahn⸗ prioritäten⸗Anleihe. Der Einlösungspreis ist der volle Geldwerth in der bisherigen Währung. An Stelle der erwähnten Papiere treten dreierlei neue Typen: 5 Niedriger verzinsliche Rentenobligationen in Kronenwährung, 2) Rentenobligationen nach Art der vierprocentigen Goldrente, 3) in 75 Jahren tilgbare auf Bahnen einverleibbare Obli⸗ gationen. Alle drei Typen sind steuerfrei. Der nach der Durch⸗ führung dieser Operation verbleibende Goldvorrath sammt 45 Millionen Goldgulden, welche den Kassabeständen entnommen werden, sind ausschließlich zu Zwecken der Währungsregelung zu ver⸗ wenden. Die zur Kündigung bezw. Einlösung bestimmten fünfprocen⸗ tigen Papierrententitres repräsentiren einen Gesammtbetrag ven 358 Millionen. Die Publicirung der Kündigung dieser Titres, sowie der nach dem 1. Juli 1892 fälligen Obligationen und Actien der verstaatlichten Eisenbahnen soll mindestens drei Monate vor der Ein⸗ lösung erfolgen. In den Motiven zu dem Gesetzentwurf heißt es, der Finanz⸗Minister habe aus den Kassenbeständen 45 Millionen Goldgulden angeschafft; somit seien zur Einlösung der Staats⸗ noten gemäß den für Ungarn bestimmten Quotenverhältnissen weitere 362⁄10 Millionen erforderlich. Diese Beträge würden aus⸗ reichen, wenn die Zahlungsbilanz Oesterreichs und Ungarns in den nächsten Jahren activ sein würde. Sollten die Erxportverhältnisse der Monarchie sich ungünstig gestalten, so würde die Nothwendigkeit weiterer Goldkäufe eintreten.
Großbritannien und Irland.
In der gestrigen Sitzung des Unterhauses theilte der
Erste Lord der Admiralttät Hamilton mit, daß die Regierung den Bau zweier Kanonenboote angeordnet habe, welche im Herbst auf dem Nyassa⸗See stationirt werden sollen. Er glaube, daß die Anwesenheit der beiden Kanonenboote wesentlich zur Einschränkung des Sklavenhandels an einer seiner Hauptquellen beitragen werde. Der Parlamentssecretär des Colonialamts Worms betonte, die englische Regierung habe dem Präsidenten der Transvaal⸗Republik die Ab⸗ tretung des Swazilandes nicht versprochen. Auch von einem Vorschlage des Gouverneurs Cecil Rhodes, die Zustimmung des Transvaalstaats zum Beitritt zu einem Zollverein aller Colonien und Staaten Süd⸗Afrikas durch Abtretung
Swazilandes zu erlangen, sei ihm nichts bekannt. Der Schab⸗ kanzler Goschen erklärte auf eine an ihn gerichtete An⸗
frage: eine verfrühte Mittheilung der eventuellen Instructionen
für die britischen Delegirten zu der Washingtoner Con⸗ 2 über die Seee Bimetallismus sei unzweck⸗ mäßig; überdies seien die Instructionen noch garnicht festgestellt. — Im weiteren Verlauf der Sitzung nahm der Parlamentssecretär des Auswärtigen Amts Lowther das Wort zu der Erklärung: die britische Regierung könne die Behauptung Spaniens, daß für englisches Leinengarn der Specialzolltarif des österreichischen Vertrages aufgehört habe, nicht zugeben und dringe darauf, daß englisches Leinen⸗ zarn unter diesem Tarif bis zum 30. Juni d. J. in Spanien zugelassen werde. — Ferner gelangte in der gestrigen Sitzung ein von Robert Webster eingebrachter Antrag zur Verhandlung, welcher dahin lautete: es möchten im Interesse der wahren Freiheit bei den Wahlen die Be⸗ stimmungen der Ballot⸗Acte, betreffend die unwissenden Wähler, aufgehoben werden. Im Laufe der Debatte sprach sich der Erste Lord des Schatzes Balfour für den Antrag aus und erklärte: wenn je das Parlament an eine Abänderung des Wahlgesetzes herantreten sollte, dann müsse dies im Sinne des Webster schen Antrages geschehen; daher stimme er für den⸗ selben. Der Antrag wurde schließlich mit 116 gegen 55 Stim⸗ men angenommen. 1
Die conservativen Londoner Parlaments⸗ abgeordneten beriethen am Donnerstag darüber, ob sie eine vom Londoner Gewerkrath ihnen angekündigte Abordnung wegen der gesetzlichen Einführung des acht⸗ stündigen Arbeitstags empfangen sollten oder nicht. Die Meinungen waren getheilt. Schließlich einigte man sich dahin, daß kein Abgeordneter verpflichtet sein solle, dem Em⸗ pfange beizuwohnen. Ein dahin gehendes Schreiben wurde dem Secretär des Gewerkraths Shipton zugesandt mit dem ausdrücklichen Bemerken, daß keine mündlichen Versprechungen abgegeben werden würden. - 1
In den nördlichen Gegenden Indiens findet unter den Eingeborenen jetzt eine lebhafte Bewegung statt, deren Ziel ein Massenübertritt zum Christenthum ist. Wie
englischen Blättern von dort gemeldet wird, haben sich die
Eingeborenen seit einiger Zeit in großer Anzahl zur Taufe gedrängt. Ungefähr 19 000 sind während des letzten Jahres getauft worden, und 40 000 Männer und Frauen bitten augen⸗ blicklich um Zulassung zur christlichen Kirche. Zu gleicher Zeit sind die Schulen, in denen die Sprache der Eingeborenen von Missionaren gelehrt wird, bedeutend vermehrt worden. Die getauften Eingeborenen gehören meist den niederen Kasten an.
Frankreich. Der König von Schweden und Norwegen ist in
Mentone eingetroffen. Der Präsident Carnot sandte. ihm,
wie „W. T. B.“ berichtet, ein sehr herzliches Begrüßungs⸗ telegramm. Der Commandant des Mittelmeergeschwaders be⸗ giebt sich nach Mentone, um dem König die Huldigungen der Flotte darzubringen, der im vergangenen Jahr in Stockholm warmer Empfang bereitet worden war.
Am nächsten Dienstag wird in der Deputirten⸗ kammer die Interpellation Lavy über die Verhaftung einer Anzahl Anarchisten eingebracht werden. Der Minister⸗Präsident Loubet wird der „Köln. Ztg.“ zufolge die sofortige Besprechung verlangen und erklären, die Regierung sei entschlossen, darauf zu bestehen, alle Maßregeln anzuordnen, die ohne irgend eine Art von Herausforderung dazu angethan seien, die öffentliche Sicherheit zu befestigen.
Die Leichenfeier für den Restaurateur Véry fand gestern unter zahlreicher Betheiligung statt. Unter den Kränzen befanden sich solche vom Municipalrath und der 11“ Zahlreiche Beamte und Municipal⸗
äthe wohnten der Feier bei. Auf dem Friedhof wurden
mehrere Reden gehalten. Der Minister⸗Präsident Loubet
erklärte, die Regierung werde für die Frau und die
Tochter Véry's sorgen, und constatirte die einstimmige Verurtheilung der anarchistischen Attentate. Die Bevölkerung lasse sich nicht terrorisiren, die öffentlichen Gewalten würden kein Mittel zum Schutze der Gesellschaft vernachlässigen. Der Präsident des Municipalraths Santon dankte dem Minister
und fügte hinzu, der erste Augenblick der Bestürzung sei vorüber, jedermann sei bereit, seine Pflicht zu thun. Ein Zwischenfall kam nicht vor.
Das Schwurgericht des Aisne⸗Departements verurtheilte den Pariser Anarchisten Martinet wegen einer in St. Quen⸗
tin gehaltenen Rede zu einem Jahre Gefängniß.
In der Nacht zum Freitag explodirte vor dem Hause
eines Werkmeisters der Gruben in Lens eine Dynamit⸗ patrone. Durch die Explosion wurde beträchtlicher mate⸗ rieller Schaden angerichtet, doch wurde niemand verletzt.
Zahlreiche Vernehmungen haben stattgefunden, doch sind sie
gegen die heutigen Mißstän
stattet wird.
bisher ohne Resultat geblieben.
Der „Figaro“ veröffentlicht einen Bericht über ein Interview mit dem Prinzen Victor Napoleon. Danach hätte der Prinz anläßlich der jüngsten Dynamitattentate geäußert, es sei nirgends mehr eine Autorität vorhanden, überall herrsche volle Anarchie: die Regierung habe den ocialen und religiösen Feich entfesselt; das einzige Heilmittel
e sei eine feste, auf dem Plebiscit beruhende Regierung.
Rußland und Polen. Die gestern erschienene Nummer der Gesetz⸗Sammlung ver⸗ öffentlicht nunmehr den Kaiserlichen Ukas, durch welchen
der Maisexport gänzlich freigegeben und die Aus⸗ fuhr 88 FZeveeis in Archangel,
Libau, Reval und Riga vorhandenen Hafervorräthe ge⸗ Die deutsche „St. Pet. Ztg.“ entnimmt einem russischen Blatte die Mittheilung, daß gegenwärtig im Militärressort ein Project ausgearbeitet werde, wonach das Alter für den Eintritt er Recruten vom 21. auf das 22. Lebensjahr verlegt werden soll. Wie der „Rev. Ztg.“ aus St. Petersburg geschrieben wird, würde das große Reformproject in Betreff des Steuer⸗
wesens der Landschaft in der laufenden Session noch nicht zur beschlußfassenden Berathung im Reichsrath gelangen,
sondern sei für die Herbstse on vertagt. Desgleichen sei eine
andere wichtige Vorlage, die der Umgestaltung der Lan⸗
desverfassung und der Einführung der allgemeinen Adels⸗
verfassung in den baltischen Provinzen, die der gesetz⸗
ebenden Körperschaft zur Berathung in dieser Session zu⸗ egangen war, zurückgestellt worden. S Italien. 8 v“
Nach den heute vorliegenden Meldungen des „W. T. B.“ Giolitti in dem neuen Cabinet jetzt endgültig den
Vorsitz und das Portefeuille des Innern übernommen, Admiral Brin das Ressort des Aeußern, Bonacci das Justiz⸗Portefeuille und Martini das Unterrichts⸗Ministerium. Die Verhand⸗ lungen über die Besetzung der anderen Posten dauern fort. Die Constituirung des Cabinets wird für morgen erwartet. Die bis jetzt genannten Mitglieder gehören der Linken an. In der „Nat.⸗Ztg.“ wird das neue Cabinet als ein „Werk Zanardelli's“ bezeichnet; Zanardelli werde es eifrig unterstützen, Crispi ihm aber keine Opposition machen. Wie die Wiener „N. fr. Pr.“ vernimmt, beabsichtige Herr Giolitti, die Deputirtenkammer gegen den 20. Mai einzu⸗ berufen und sofort nach ihrem Zusammentritt eine Abstimmung über die Lösung der Cabinetskrise herbeizuführen. Er wolle durch diese Maßregel die Darlegung des Programms des neuen Ministeriums und eventuell ein Vertrauensvotum pro⸗ vociren.
Der Gesandte der Vereinigten Staaten Porter ist gestern nach Rom zurückgekehrt und hat nach erfolgter Wiederherstellung der beiderseitigen diplomatischen Beziehungen
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die Geschäfte wieder übernommen.
3 Schweiz.
Die Liste der Verhandlungsgegenstände für die am 30. Mai beginnende Sommer⸗Session der Bundes⸗ versammlung ist vom Bundesrath jetzt festgestellt. Die Anzahl der Vorlagen beträgt 51; unter ihnen befindet sich auch die Botschaft nebst Beschlußentwurf, betreffend die Ratification der Uebereinkunft mit Deutschland vom 13. April 1892 zum gegenseitigen Schutze des gewerb⸗ lichen Eigenthums (Erfindungspatente, gewerbliche Muster und Modelle, Fabrik⸗ und Handelsmarken, Han⸗ delsfirmen, Herkunftsbezeichnungen). Ferner seien als wichtigere Traktanden genannt: der Handelsvertrag mit Italien, die Neuordnung der Bundesrechtspflege, Zündhölzchenmonopol, Tessiner Interventionskosten, Creditbegehren für die Ver⸗ vollständigung der Befestigungen von St.⸗Maurice und Re⸗ vision des internationalen Vertrags zwischen den Bodensee⸗ uferstaaten, betreffend die Schiffahrts⸗ und Hafenordnung für den Bodensee. 8
MNiederlande. 8*
Die Zweite Kammer hat in ihrer gestrigen Sitzung die Berner internationale Convention, betreffend die Beförderung von Waaren auf Eisenbahnen, angenommen.
Am 12. d. M. haben die Wahlen für die Provin⸗ zialräthe stattgefunden. Das jetzt vorliegende vollständige Ergebniß bedeutet, wie der „Mgdb. Ztg.“ aus Amsterdam telegraphirt wird, einen liberalen Sieg. Die Klerikalen seien fast überall geschlagen. Im Haag, der immer conservativ wählte, haben diesmal alle liberalen Candidaten gesiegt.
Belgien.
In der gestrigen Sitzung der Repräsentantenkammer stellte der Deputirte Rosseuw an die Regierung die Forderung, sie möge heute kategorische Erklärungen über die Beschuldigungen abgeben, wonach der Congostaat den Beschlüssen der Brüsseler Conferenz zuwider für eigene Rechnung Handel triebe und nach seinem Territorium Gewehre im⸗ portirt hätte. Wenn diese Behauptungen wahr wären, dann würden, so meinte der Antragsteller, die von Belgien gestellten Bedingungen, unter welchen Belgien die Anleihe des Congo⸗ staats bewilligt habe, eine Abänderung erfahren haben.
G Griechenland.
Anläßlich der morgen (15. Mai) bevorstehenden Wahlen werden heute in ganz Griechenland große Kundgebungen erwartet und sind deshalb allerorts die Truppen consignirt. Auf der Insel Korfu wurden bei einer Wahlschlägerei vier Personen verwundet. ““ “
Rumänien.
Wie der „Köln. Ztg.“ gemeldet wird, haben die bisherigen Verhöre in der “M“ Bomben⸗Affaire den Bestand eines über den ganzen Orient ausgedehnten, aber nicht gegen Bulgarien, sondern gegen die Herrschaft der Türken ge⸗ richteten Complots nachgewiesen.
Bulgarien.
Die „Agence balcanique“ erklärt die Nachricht auswärtiger Blätter, die bulgarische Regierung habe den Schiffen der Gagarin’schen Gesellschaft das Anlegen in bulgari schen Donauhäfen verboten, für unbegründet.
Amerika.
Aus Caräcas in Venezuela erhielt der „New⸗York Herald“ die Nachricht, daß dort am 11. d. M. vor dem Palais des Finanz⸗Ministers Sesior Matto eine Bombe explodirt sei, welche das Gebäude und das daneben liegende französische Konsulat stark beschädigt, Menschen jedoch nicht verletzt habe.
3 Afrika.
Aus Lagos in Ober⸗Guinea wird dem „R. B.“ ge⸗ meldet, daß, nachdem die letzten Abtheilungen des westindi⸗ schen Regiments dort eingetroffen, am Donnerstag Morgen das ganze Regiment unter dem Befehl des Obersten Scott zum Kampfe gegen die aufständischen Jebus und Egbas abmarschirt ist.
Parlamentarische Nachrichten.
In der heutigen (64.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, der der Finanz⸗Minister Dr. Miquel beiwohnte, wurde zunächst in der Abstimmung im ganzen der Gesetz⸗ entwurf wegen Abänderung einzelner Bestim⸗ mungen des allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 angenommen.
In dritter Berathung wurden sodann ohne Debatte der Gesetzentwurf über die Aufhebung von Stolgebühren für Taufen, Trauungen und kirchliche Aufgebote in der evangelischen Landeskirche der älteren Pro⸗ vinzen der Monarchie, der Gesetzentwurf über die Auf⸗ hebung von Stolgebühren für Taufen und E“ in der evangelisch⸗lutherischen Kirche der Provinz Schleswig⸗Holstein und der Gesetzentwurf über die Gewährung einer Staatsrente für Stol⸗ gebühren⸗Entschädigungen in der evangelisch⸗ lutherischen Kirche der Provinz Hannover an⸗ genommen.
Es folgte die zweite Berathung des Gesetzentwurfs über die Aufhebung der Befreiung von ordentlichen Per⸗ sonalstewern gegen Entschädbigung.
Bei §1 referirte der Berichterstatter der Br .
Abg. Fr8 1emne basben (conf.) über die
verhandlungen. 8 8 1 Nach § 1 soll die Steuerfreiheit der Häupter und Mit⸗
glieder der Familien vormals unmittelbarer deutscher Reichs⸗
stände vom 1. April 1893 ab aufgehoben sein.
Abg. Rickert (bfr.) erklärte, daß seine Partei dem Gesetze nicht zustimmen könne; man hätte die Standesherren auf den Fechtsweg verweisen sollen. Redner fragte die Regierung, wie sie sich zu der auch dem Hause zugegangenen Rechtsverwahrung der Standesherren stelle, in der diese anstatt der von der — vorgeschlagenen 13 ½ fachen eine 29 fache Entschädigung
orderten.
„Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Wallach erwiderte, daß diese Rechtsverwahrung mehrfache Irrthümer enthalte. Die Ver⸗ handlungen mit den Standesherren über die Höhe der Ent⸗ schädigung hätten allerdings eine Verständigung nicht leicht erscheinen lassen.. 8
Abg. Bödiker (Centr.) sprach sich für das Gesetz aus, weil es sich nicht um ein “ sondern um gewisser⸗ 22 völkerrechtlich anerkannte Ansprüche der Standesherren
andle.
Rickert, daß die Verweisung auf den Rechtsweg unmöglich sei, weil das Recht der Standesherren auf Steuerfreiheit an⸗ erkannt sei, also nicht bestritten werden könne. Ein solches Recht könne nur gegen Entschädigung abgelöst werden. Käme das Gesetz nicht zu stande, so würde die Steuerfreiheit be⸗ stehen bleiben. Der Minister führte sodann aus, daß der Multiplicator von 13 ½ zwar arbiträr, aber angemessen sei.
Abg. Dr. Sattler (nl.) wollte für das Gesetz stimmen, obwohl er das Vorliegen völkerrechtlich anerkannter Ab⸗ machungen nicht anerkennen könne, weil das neue Einkommen⸗ steuergesetz diese Vorlage bedinge. Er bedauere, daß die be⸗ treffenden Familien nicht selbst auf dieses Privilegium ver zichtet hätten. .
Abg. Dr. Lieber (Centr.) sprach sich für die Vor⸗ lage aus.
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (cons.) war für die Annahme des Gesetzes: das Einkommensteuergesetz vom vorigen Jahre habe das Recht der Standesherren auf Steuerfreiheit anerkannt. Man könne nicht verlangen, daß dieselben dem Staat etwas schenkten.
Abg. Rickert (dfr.) blieb dabei, daß es sich nur um an⸗ gebliche Rechte handle, und behauptete, daß die Motive zum Einkommensteuergesetz auf seinem Standpunkt ständen.
Der Finanz⸗Minister Dr. Miquel bestritt diese Be⸗ hauptung.
Abg. Dr. Meyer (dfr.) stellte sich vollkommen auf den Standpunkt des Abg. Rickert, wollte aber das Gesetz schließlich doch annehmen, weil ohne dessen Annahme der unhaltbare vngnd der Steuerfreiheit der Mediatisirten bestehen bleiben würde.
Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Bödiker (Centr.), Graf zu Limburg⸗Stirum (cons.), Dr. Lieber (Centr.), Dr. Sattler (nl.) und Rickert (dfr.) wurde der § 1 an⸗ Böe desgleichen der Rest des Gesetzes ohne erhebliche Debatte.
Der Finanz⸗Minister Dr. Miquel erwiderte dem Abg.
Der Abg. Braf zu Limburg⸗Stirum (cons.) be⸗
antragte darauf folgende Resolution:
Die Königliche Staatsregierung aufzufordern, zu erwägen, ob aus Billigkeitsgründen den Familien Bent heim⸗Tecklenburg⸗ Rheda und Sayn⸗Wittgenstein⸗Berleburg Entschädi⸗ gungen für die früher von ihnen genossene Befreiung von ordent⸗ lichen Personalsteuern zu gewähren sein wird.
Die Resolution wurde nach kurzer Debatte zwischen den Abgg. Graf zu Limburg⸗Stirum s(cons.), Dr. Meyer (dfeg. Francke⸗Tondern (nl.) und Dr. Lieber (Centr.), und nachdem sich Finanz⸗Minister Dr. Miquel dagegen erklärt hatte, abgelehnt.
Schluß 1 Uhr 50 Minuten. Nächste Sitzung Montag 1 Uhr. (Tagesordnung: Dritte Lesungen der Gesetzentwürfe über die Landgemeindeordnung von Schleswig⸗Holstein und die Aufhebung der Befreiung von ordentlichen Personalsteuern gegen Entschädigung; Petitionen.)
— Der Präsident des Herrenhauses Herzog von Ratibor hat den Mitgliedern des Haufes die Mittheilung zugehen lassen, daß zur Erledigung der eingegangenen und noch 8 vesn Vorlagen Plenarsitzungen am Freitag, 27. Mai, und den folgenden Tagen statt⸗ finden werden.
Kunst und Wissenschaft. †† Eine aus achtundsechzig Gemälden besteh sammlung, dem Banquier W. Molenaar gehörig, ist gegen⸗ wärtig in dem Oberlichtsaal der Schulteschen Kunsthandlung ausgestellt. Sie ist in wenigen Jahren mit, ansprechendem Ge⸗ schmack zusammengestellt und enthält neben zwölf altholländischen Bildern ausschließlich Werke lebender Künstler. Unter den Holländern verdienten namentlich eine Bauernschenke von Adriiaen Ostade, eine Marine von Beerstraaten, ein Reitergefecht von Jan van Huchtenberg und eine Winterlandschaft von A. Schelfhout sowie ein 1666 datirtes Bauerninterieur von Jan Mienze Molenaer Beachtung. Freilich ist die Aufstellung unter den farben⸗ leuchtenden anspruchsvollen Bildern der modernen Schulen bei grellem Oberlicht den intimen Reizen altholländischer Kunst nicht sonderlich günstig. Der Hauptantheil der neueren Werke fällt der Berliner Schule zu. Der Besitzer hat es verstanden, besonders charakteristische Leistungen der zeitgenössischen Meister aus⸗ zuwählen. So darf R. Eschke's „Abladestelle an einem Binnen⸗ wasser“ zu seinen besten Werken gezählt werden; dasselbe gilt von Müller⸗Kurzwelly's feingestimmtem Strandbilde. Hans mann's Blumenmarkt zu Amsterdam ist von älteren Ausstellungen bereits aufs vortheilhafteste bekannt. Ein Waldinterieur von P. Meyerheim aus dem Jahre 1889 zeigt uns den berühmten Meister des Thierstücks als trefflichen Landschafter und Coloristen. Eine un⸗ emein farbenkräftige Alpenlandschaft von Carl Ludwig vervoll⸗ tändigt mit einigen andern Werken von Kamecke, Frenzel und Gude das vortheilhafte Bild, welches uns diese Sammlung von der Berliner Landschaftsmalerei bietet. Daß der Sammler mit be⸗ sonderer Vorliebe dieses Gebiet bevorzugt, ist begreiflich, und eine Statistik unserer privaten Gemäldesammlungen würde sicherlich zu dem Ergebniß führen, daß dreiviertel aller in Privat⸗ besitz befindlichen Gemälde Landschaften sind. Auch Düsseldorf ist mit seinen bewährten beiden Altmeistern auf diesem
Gebiet Andreas und Oswald Achenbach vertreten, während
Arthur Kampf, der Champion der jüngeren Düsseldorfer Schule, eine Berliner Straßenscene in Aquarell beigesteuert hat. Unter den Münchener Malern ist EE“ von Bartels und der flotte Zeichner der „Fliegenden Blätter“ René Reinicke er⸗ wähnenswerth. Ein auf der letzten Münchener Ausstellung mit der goldenen Medaille ausgezeichnetes Kanalbild des Mailänders Grafen Gola, sowie Sinding's „Badende Knaben“ sind charakteristische
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