klärten Privilegien, theilweise sogar auf res judicata, auf gericht⸗ lichen Urtheilen, stets anerkannt wurde bis auf den heutigen Tag, soll von nun ab nicht mehr existiren, wir verweisen die Herren auf den Rechtsweg —2 Meine Herren, man verweist einen anderen doch nur auf den Rechtsweg, wenn man sein Recht bestreiten kann. (Sehr richtig!) Aber wenn man ein Recht anerkennen muß nach seiner eigenen recht⸗ lichen Ueberzeugung, wie seit diesen langen Jahren es hier von dem preußischen Staat anerkannt worden ist, — wie würde es aussehen,
enn wir nun die Existenz dieses Rechts plötzlich ohne alle innere Berechtigung bestreiten wollten? Ein derartiger Standpunkt ist nach meiner Meinung ganz unmöglich.
Nun ist aber die Frage, ob ein solches Recht nur gegen Ent⸗ schädigung abgelöst werden soll, in dem Einkommensteuergesetz ganz bestimmt entschieden. Ein solcher Standpunkt, wie ihn der Abg. Rickert einnimmt, wäre also nur dann möglich, wenn diese Bestimmung in dem Ein⸗ kommensteuergesetz wieder aufgehoben würde. Verabschiedung des vorliegenden Entschädigungsgesetzes nicht schreiten, so bleiben eben die Steuerprivilegien, über deren Existenz der Herr Abg. Rickert sich beklagt, ja gerade bestehen. Herren auf den Rechtsweg verwiesen und lange Processe mit ihnen führten, so würden sie in der Zwischenzeit die Steuerfreiheit genießen.
Also ich glaube, der Vorschlag, welchen der Herr Abg. Rickert uns machte, würde gerade zu dem Gegentheil von dem führen, was er selbst will.
Nun, meine Herren, ist es doch auch nichts so Absonderliches, stimmt vielmehr mit unseren Rechtsanschauungen und mit unserem Staatsrecht und mit hunderten von Gesetzen, die auf derselben Rechtsanschauung beruhen, überein, daß bestimmte geldwerthe Rechte nur aufgehoben werden gegen Entschädigung. Wo ist denn der Satz vertreten, daß derartige Rechte einfach ohne Entschädigung durch die Gesetz⸗ gebung beseitigt werden können? Ich glaube, es wäre sehr bedenklich, wenn das Haus sich auf einen solchen Standpunkt stellen würde.
Meine Herren, im übrigen sind diese Fragen so viel erörtert worden, daß ich tiefer auf dieselben nicht eingehen will. Ich möchte nur zu dem, was mein Herr Commissar über den Gang der Verhand⸗ lungen gesagt hat, noch eins hinzufügen.
Die Herren beschweren sich oder fühlen sich etwas unangenehm berührt, daß wir die Verhandlungen nicht fortsetzten über den Multiplicator, der den Entschädigungsbetrag bilden soll. hätte aber gar keinen Zweck gehabt. Denn einmal war eine Aussicht auf eine Verständigung über denselben nach dem Inhalt der Eingaben, die an uns gelangten, in welchen das zwanzig⸗, fünfundzwanzigfache gefordert und das neunundzwanzigfache eigentlich als richtig bezeichnet wurde, — gar nicht vorhanden. Sodann aber hatte das Staats⸗Ministerium nach eingehender Erwägung aller Ver⸗ hältnisse den im Gesetz jetzt vorgeschlagenen Multiplicator festgesetzt. Derselbe ist ja naturgemäß arbiträr; das habe ich schon in der Com⸗ mission dargelegt. Es ist ein Satz, der sich an frühere gesetzgeberische Vorgänge anknüpft und der nach Maßgabe der Veränderlichkeit des Rechtes schließlich vom Staats⸗Ministerium als angemessen anerkannt wurde. Eine Verhandlung über diesen nun vom Staats⸗Ministerium festgesetzten Multiplicator konnte zu gar keinem Ziele führen, weil eben dieser Multiplicator naturgemäß ein arbiträrer ist und da An⸗ schauungen und Stimmungen maßgebend sind; thatsächliche Verhält⸗ nisse, die hierauf besonders einwirkten, hätten die Standesherren uns garnicht mittheilen können. Es hätten also diese Verhandlungen zu nichts Weiterem geführt als zu einer Verzögerung der Sache, im Interesse des Staats bloß, sondern auch, nachdem einmal die Absicht der Gesetzgebung festgelegt war, diese Privilegien gegen Entschädigung aufzuheben, im Interesse der Standesherren selbst lag, diese Sache nicht länger zu verzögern. Ich glaube, es wird sich finden, daß die ganze Stellung dieser Standesherren in Zukunft eine angenehmere für die Familie selbst ist (sehr richtig! links), nachdem diese Steuerfreiheit weggefallen ist, als vorher. (Heiterkeit.) Keineswegs meine ich dies in materieller Beziehung; da, glaube ich, ist ihnen jedenfalls nicht zu viel hier zuge⸗ wiesen. Die gesammte staatsrechtliche Stellung dieser Familien hatte ich im Auge. (Sehr gut!)
Abg. Dr. Sattler inl.): stimmen in der Anschauung, d die Steuerfreiheit der Reichsun da der betr. Para halten habe, daß die St
Wenn wir jetzt zur
Und wenn wir die
Seine Freunde würden für das Gesetz aß, wenn es nicht zu stande komme, sunmittelbaren einfach weiterbestehen werde, im Einkommensteuergesetz die Fassung er⸗ Steuerfreiheit nur nach dem Zustandekommen chen Bestimmung aufgehoben werden könne. al thůͤml ezeichnen, wenn der Abg. “ beruhe jeg b ie Staatsregierung selbst in früheren
der Wortlaut der Bundesacte er sage nur: die R. privilegirteste Klasse der Staatsbürger, also eine absolute Steuerfrei liege keine völkerrechtliche Grundlage vor, Das Reichsgericht selbst habe 1888 ein Erkenntniß m folge, daß die Steuerfreiheit seit 1 daß die Herren sich dieses pri⸗ rzicht entäußert und die Steuer⸗ wie alle übrigen Angehörigen des nnover, Hessen und genommen werden, denn diesen sei durch Vertrag gewährt worden. Reichsunmittel⸗ senossen hätten,
Er müsse es Bödiker behaupte, jene Das habe auch Frühe nnn Fvwnvar⸗ dem preche gar nicht von Steuerfreiheit, und ihre Familien bildeten die
insbesondere in Ansehung der heit werde ihnen nicht zu⸗
einer gesetzli als irrthümlich b
eichsunmittelbaren Besteuerung;
ndesgesetzgeb gefällt, aus w recht gewährt worden sei. Er bedaure, vilegii odiosi nicht schon durch Verz pflicht auf sich genommen hätten, 8 Auf die depossedirten Familien von hier nicht Bez Steuerfreiheit ausdrückli Fübrigen⸗ . 8 Jahrzehnten die Steuerfreiheit no Privilegium nommen werden könne, bedaure allerdings, welche die Herren eingereicht hätten, nicht erk dem Wunsche des Grafen Limburg⸗ che anzuerkennen und nun auch ihrerseits keine über⸗ cceen, nachgekommen seien. Diese Rechts⸗ m das allergrößte Bedenken erregt; denn Betrag der Steuer als Ent⸗ es würden ihnen zu ihrem
sondern nur
854 zu Un⸗
Nassau könne
Er erkenne baren seit
s der Rechtsverwahrung, t erkennen zu können, daß sie Stirum, die genossenen Wohl⸗ gen zu ma verwahrung habe auch bei ih nicht nur, daß die Herren d schädigung verlangten, erklärten und ihrer Familien Eigenthum gehörige Rech genommen. Er komme zu dem cheine ihm nicht mö bemessene Entschädigung gewähren. bg. Dr. Lieber (Centr.): Es redner grundsätzlich einen anderen St der Abg. Rickert, gleichwohl befriedig i Von einem angebli könne hier garnicht die Rede
Ueberzeugung n. nisse egaen nech age dieses Rechts immer bestritten
tiefste Fundament d die Bundesacte. Es
1 Zwa Resultat: eine Ablehnung des Gesetz⸗ lich, man müsse eine möglichst gerecht
sei ihm erfreulich, daß der Vor⸗ andpunkt eingenommen habe, als igten ihn seine Ausführungen auch chen Privilegium der Reichsunmittelbaren ‚sein; diese Auffassung würde seiner den ganzen Rechtsboden aller öffentli Ob die Staatsre
entwurfs s
3 1 chen Verhält⸗ gierung die vö m i habe, sei ihm ganz einerlei; das dieses Rechts sei das alte deutsche Sacte. Es werde von einem privile auf das die Reichsunmittelbaren verzichten s
denn nicht die Profess
gium odiosum gesprochen, 3 en sollten. Warum verzichteten 1 Professoren der Universität Kiel auf das wdiosum der firchlichen Steuerfreiheit? Es sei eine blanke
für die Reichsunmittelbaren, wenn sie auf ihrem Rechtsboden stehen
bleiben wollten, auf ein ihrer Familien zu verzichten. Man möge über die Sache an sich denken, wie :man wolle, das Haus könne doch nicht auf dem Wege des offenbarsten Unrechts vorgehen und ihnen das Recht der Steuerfreiheit einfach nehmen. Nachdem in der Commission das Bestreben hervorgetreten sei, noch unter den Satz der 13 ⁄fachen Entschädigung herunterzugehen, ein diesbezüglicher Antrag jedoch zur Zeit nicht vorliege, halte er es für entsprechend, wenn das Haus den Satz der Regierungsvorlage als diejenige Mitte anzunehmen sich bereit erkläre, mit der sich noch eben auskommen lasse. Den Vorwurf des Abg. Rickert gegen den Finanz⸗Minister, er habe noch rücksichtsloser mit diesen angeblichen Rechten verfahren sollen, weise seine Partei mit aller Entschiedenheit zurück.
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (cons.): Seine Partei er⸗ kenne an, daß die reichsunmittelbaren Herren ein positives Recht auf ihre Steuerfreiheit hätten und sei nicht der Meinung, daß Staat und Landesvertretung, wenn auch die Macht, ein innerliches Recht besäßen, ohne Entschädi diese Steuerfreiheit abzuschaffen. Sie stimme dem Gesetze zu, weil ihrer Ansicht nach der Staat darin die richtige Mitte zwischen den etwas übertriebenen Forderungen der Reichsunmittelbaren und dem radicalen Standpunkt des Abg. Rickert eing habe. die Herren einfach auf ihre Steuerfreiheit zu Gunsten des unendlich viel reicheren Staates verzichten sollten, sei zu viel verlangt. Ihre Rechte hätten sich auf dem Boden der Ge⸗ schichte entwickelt. Die Lösung der Frage seitens der ierung sei die der Billigkeit und Gerechtigkeit; seine Partei werde für die Regierungsvorlage stimmen.
Abg. Rickert (dfr.): Er hätte nicht geglaubt, seine Worte Widerspruch bei so vielen Vertheidigern der angeblichen Rechte der Reichsunmittelbaren finden würden. Wenn man die Rechte der Steuerzahler wahren wolle, könne man unmöglich wünschen, daß die Reichsunmittelbaren von der Regierung bei den Verhandlungen zarter behandelt worden wären. Ob es zu viel verlangt sei, daß sie auf diese Steuerfreiheit verzichteten, das sei Sache des Gefühls. Wenn er höre, daß der Staat unendlich viel reicher sei als die Standesherren, so komme es ihm beinahe so vor, als ob er in einer socialdemokratischen Volksversammlung sei. Wenn die Arbeiter ihr Recht auf Arbeit procla⸗ mirten, sagten sie auch immer: Der Staat sei viel reicher als sie. Der Staat bestehe aber zu * 100 aus armen Leuten und sollte nicht in Vergleich gestellt werden mit den reichen Standesherren. Seine Partei vertrete die Steuerzahler, die unendlich viel ärmer seien als jene Standesherren. Die Rechte der Reichsunmittelbaren seien für ihn angebliche. In den Motiven zum Einkommensteuergesetz hätten sich der Finanz⸗Minister und die Regierung auf denselben Sandpunktt gestellt, den er heute vertrete. In Bayern würden diese Rechte nicht an⸗ erkannt, und man pflege doch sonst auf Bayern große Stücke zu halten. Auch die nassauische Regierung und andere Bundesstaaten hätten mehrere Jahre dieses Recht nicht anerkannt. Der Fürst Stolberg, der allein ein Rechtserkenntniß zu Gunsten der Steuerfreiheit der Reichsunmittelbaren erstritten habe, sei auch bei den Verhandlungen am ehesten zufrieden gewesen. Sei denn der Staat sonst so zart, wenn er mit seiner Gesetzgebung eingreife? Bei einer Reihe von Ge⸗ sehen⸗ z. B. dem Gewerbesteuergesetz, durch das die Betreffenden er⸗ heblich geschädigt seien, sei man nicht darauf gekommen, von Staats⸗ wegen irgend eine Entschädigung zu gewähren. Es treffe nicht zu, daß, wenn das Gesetz zu Fall gebracht werde, die Steuerfreiheit der Standes⸗ herren bestehen bleibe. Seine Partei werde in dritter Lesung einen Gesetzentwurf einbringen, in dessen erstem Paragraphen einfach stehe: „Die den Reichsunmittelbaren gewährte Bevorzugung wird hierdurch aufgehoben. Ihre Heranziehung zur Einkommensteuer geschieht vom 1. April 1893 an.“ Damit sei die Sache erledigt. Wenn die Herren Ansprüche zu haben glaubten, möchten sie einfach klagen. Aus gewissen Kreisen sei sogar das Ersuchen an seine Partei gestellt worden, ein 1I“ wonach die Herren verpflichtet seien, die Steuern, die ihnen isher vom Staate geschenkt seien, nachzuzahlen.
rechts.) So weit wolle er nicht gehen. Wenn der Abg. ler mit einem Antrage auf Herabsetzung der Entschädigung kommen sollte, dann könne der Abg. Lieber eine Erhöhung beantragen, und 85 sei nicht sicher, daß ein solcher Antrag nicht werde angenommen werden. Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich muß eine Bemerkung des Herrn Abg. Rickert, damit dieselbe nicht unwidersprochen bleibt, berichtigen. Er sagt, die Staatsregierung habe im vorigen Jahre auf dem Stand⸗ punkt gestanden, daß die Steuerfreiheit der Standesherren rechtlich garnicht existire. Ich möchte den Herrn Abg. Rickert ersuchen, mir irgend einen Ausspruch entweder in den Motiven oder sonstwo seitens der Staatsregierung, der nur entfernt dahin gedeutet werden könnte, zu bezeichnen. Im Gegentheil, die Staatsregierung hat seit dem Jahre 1815 auf dem entgegengesetzten Standpunkt gestanden, und ich habe persönlich mehr als einmal den entgegengesetzten Standpunkt in der allerschärfsten Weise sowohl in der Commission als im Plenum ausgesprochen. Ich begreife garnicht, wie Herr Rickert auf diesen Gedanken kommt.
Allerdings ist zutreffend, daß die Staatsregierung immer die Rechts⸗ anschauung festgehalten hat, daß diese Privilegien nicht resultiren für Preußen aus völkerrechtlichen oder bundesrechtlichen Bestimmungen, sondern beruhen auf dem Edict von 1815, bezw. auf später abge⸗ schlossenen Recessen, die theilweise sogar vom Landtage genehmigt sind, theilweise, und nicht bloß bezüglich des Grafen Stolberg⸗Wernigerode, auf gerichtlichen Erkenntnissen. Also das muß ein völliges Miß⸗ verständniß sein, ich weiß nicht, wodurch es entstanden sein kann. Wenn die Wünsche des Herrn Abg. Rickert hier wirklich zum Siege kämen, daß die Herren auf den Rechtsweg verwiesen würden, so würde der einzige Erfolg der sein: wenn dies Gesetz scheitert, bleibt die dem Herrn Abg. Rickert so verhaßte Steuerfreiheit der Standesherren be⸗ stehen. Uebrigens würde die Staatsregierung, nachdem sie seit dem Jahre 1815 in unendlich vielen Acten dieses Recht als bestehend an⸗ erkannt und es nun plötzlich bestritte, in die Gefahr kommen können, wegen frivolen Prozessirens angesehen zu werden.
Abg. Dr. Meyer (dfr.): Er habe sich zum Worte gemeldet, um, da er mit dem Abg. Virchow bei der Schlußabstimmung in der Commission für das Gesetz gestimmt habe, darzulegen, daß er gleich⸗ wohl mit den Anschauungen des Abg. Rickert übereinstimme. Sein Hauptgrund bei der Abstimmung sei gewesen, daß seine Partei in absehbarer Zeit mit ihrer Forderung nichts erreichen werde, und darum habe er den Kampf in der Commission aufgegeben. Wenn die mediatisirten H einen Rechtsanspruch hätten, würde es ihm nicht einfallen, diesen ohne weiteres auf⸗ heben zu wollen. Sehr angesehene Staatsrechtslehrer verträten aber die Meinung, daß die Standesherren ein Recht der Steuerfreiheit nie gehabt hätten. 122 die Regierung habe bestätigt,
daß aus der Bundesacte kein Rechtsanspruch hergeleitet werden könne, und durch die Leedesgescherbung könne seiner Ansicht nach niemals ein Recht auf eine Steuerfreiheit begründet werden. Er füge sich darin, daß das Entschädigungskapital auf das 13 fache festgesetzt werde, weil man doch eine andere Lösung dieser Frage e erreichen werde, und er könne auch nicht wünschen, daß das Gesetz scheitere, weil dann ein Zustand erhalten bleiben würde, der schon zu lange gewährt habe. Bödiker: Die Herren hätten die Landeshoheit gehabt; der Lanbesherr zahle keine Steuern und dieses Recht sei den Herren belassen worden in der Bundesacte, die in der Wiener Schlußacte bestätigt worden sei. Die völkerrechtliche Grundlage sei also gar nicht zu bestreiten. Abg. zu Limburg⸗Stirum (cons.): Wenn der Abg. Rickert die Reichsunmittelbaren auf den der Klage verweise, so sei er nicht consequent. Es sei auch nicht folgerichtig, wenn er sage: die
1 Herren hätten kein Recht auf Entschädigung, 2 im
die Herren müßten auf ihr Recht verzichten. Was nhen Ichen⸗ oblige anbetreffe, so liege es durchaus nicht in der Pflicht edler Se sinnung, auf wirkliche, wohlerworbene Rechte zu verzichten, wo d vbir⸗ nicht arm, sondern wohl in der Lage sei, Entschädigung a zahlen.
Abg. Dr. Lieber: Die staatsrechtliche Grundlage der in stehenden Rechte sei über alle Zweifel erhaben. Daß in Naßee diese Rechte nicht anerkannt worden seien, wisse er sehr gut und babe es stets verurtheilt, wie er die Schulgesetzgebung seiner engeren Heimath verurtheilt habe. Der wabre Adel bestehe auch nach seiner Ansicht vor allen Dingen darin, das Recht zu vertheidigen, und sich darin auch nicht durch den Gedanken irre machen zu lassen, daß dieses Recht event. zu gleicher Zeit der Person des Vertheidigers zu gute komme. Die Mehrheit im Lande freue sich, bei dieser Gelegenheit den alten Spruch bewahrheiten zu können: Suum cuique!
Abg. Dr. Sattler (nl.): Die des Hauses hätten den erfreulichen Erfolg gehabt, daß nach seinen Deduectionen die Frei⸗ sinnigen nur in der zweiten Lesung gegen die Vorlage stimmen, in der dritten Lesung aber, wenn ihr Antrag abgelehnt sein werde, dafür sein wollten. Die Achtung vor geschlossenen Verträgen brauche der Abg. Bödiker nicht erst zu stärken. Er hätte gewünscht, er hãätte behe heutige Rede vor dem heFeh nht gehalten — vielleicht würde ein Plaidoyer ein anderes Urtheil zur Folge gehabt haben. Seine Zustimmung zur Vorlage stütze sich wesentlich — daß man ez mit bistorisch gewordenen Rechten und mit der führung einer 1““ des Einkommensteuergesetzes zu thun habe.
Abg. Rickert (dfr.): Die Motive des Einkommensteuergesetzes sagten ausdrücklich, daß die Aufhebung ohne Entschädigung im Wege der Gesetzgebung an sich formell rechtlich zulässig sei; das genüge ihm vollkommen. man so objectiv sein wolle, wie der Abg. Graf Limburg⸗Stirum, so müsse man die Frage mehr funditus er⸗ örtern. Zur Zeit der Bundesacte habe die Steuer vom Einkommen zwölf gute Groschen pro Kopf der Bevölkerung betragen. Die Be⸗ freiung davon könne doch nicht die Befreiung von allen Per⸗ . sein, die knter ganz “ E in anderen Beträgen gelegt seien. r finde es geradezu empörend, daß die Herren euf ens jener Verhältnisse, jener alten angeblichen Privilegien dieselbe Bevorzugung jetzt verlangten. Er werde gegen die einzelnen Paragraphen stimmen und in der dritten Lesung einen Antrag einbringen, wonach das Privilegium einfach ohne Entschädigung aufgehoben werden sole.
Damit schließt die Discussion über § 1, der demnächst angenommen wird, ebenso §§ 2 und 3. Zu § 4, welcher die gerscheh gumgen auf den 131 ⁄ fachen Betrag der Steuer fest⸗
eme
Abg. Dr. Sattlex, (ul), daß er, um die Annahme dieses Sats mit möglichster Einmüthigkeit zu erreichen, seinen in der Commission öF Antrag, nur das 9,067 fache zu gewähren, nicht wiederholen wolle.
Abg. Bödiker (Centr.) weist darauf hin, daß in der Com⸗ mission nicht nur A ge auf Erniedrigung des Entschädigungssatzes, sondern auch solche Erhöhung desselben gestellt seien, daß aber die Commission sich schließlich für die goldene Mittelstraße der Vor⸗ lage entschieden habe. b 8
§ 4 wird genehmigt, desgleichen der Rest des Gesetzes.
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum hat folgende Rese⸗ lution beantragt:
.Die Regierung aufzufordern, zu erwägen, ob aus Billig⸗ keitsgründen den Familien Bentheim⸗Te lenburg⸗Rheda und Sayn⸗Wittgenstein⸗Berleburg Entschädigungen für die frühere von ihnen genossene Befreiung von ordentlichen Personalsteuern zu gewähren sein wird.“
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum cons.): Er erkenne an,
daß durch den Wortlaut des Einkommensteuergesetzes eine Berück⸗ sichtigung der in der Resolution genannten nicht vorgesehen ei, aber schließlich sei es doch nur ein Zufall, daß diese Familien kecesse mit der preußischen Regierung abschlossen hätten, durch die sie ihre St freiheit aufgegeben hätten, sonst würden sie eben heute auch auf der Liste der zu Entschädigenden fein. Er bitte also, der Resolution zuzustimmen.
Abg. Dr. Meyer (dfr.): Das Wort „Zufall“ sei hier doch in etwas weitgehendem Sinne gebraucht, es handele sich einfach um einen Vertrag, den die in Rede ommenden Familien freiwillig, ohne jeden Zwang, bei voller Dispositionsfähigkeit unter Mitwirkun von Juristen, abgeschlossen hätten und der ihnen immerhin Vorthei gebracht habe; hätten sie mit diesem Vertrag gewartet, so würden sie jetzt wohl noch größere Vortheile .. 38 er wenn der Staat jedem, der den richtigen Augenblick versäume, den daraus entstandenen Schaden ersetzen wolle, würde die Stellung des Finanz⸗ “ eine sehr bedauerliche sein. Er bitte, die Resolution ab⸗ zulehnen.
Abg. Francke (nl.): Da es sich hier in der That um keinen handele, sei auch er gegen die Annahme der Re⸗ solution. 5
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Da mir die Resolution erst jetzt zur Kenntniß gekommen ist, bin ich nicht in der Lage, namens der Staatsregierung eine Erklärung über dieselbe abzugeben.
Ich habe schon in der Commissien hervorgehoben, daß dies vor⸗ liegende Entschädigungsgesetz lediglich ein Ausführungsgesetz zu § 4 des Einkommensteuergesetzes ist, und daß daber die Staatsregierung nicht in der Lage war, für die in der Resolution bezeichneten Standes⸗ herren eine Entschädigung zu beantragen, weil zweifellos deren Recht durch einen rechtgültigen gesetzgeberischen Act beseitigt ist.
Ich möchte aber auch noch daneben darauf aufmerksam machen, daß, wenn man sich nicht mehr an die Existenz eines Rechtes hält, sondern aus Billigkeitsrücksichten darüber hinausgeht, das doch erhebliche und zur Zeit unübersehbare Consequenzen haben und Berufungen hervorrufen kann, die man zur Zeit garnicht zu übersehen vermag.
Ich kann die Gefühle, aus denen der Herr Abg. Graf zu Lim⸗ burg⸗Stirum diese Resolution stellt, als berechtigt anerkennen. (Widerspruch links und im Centrum.) — Ich spreche nur von Ge⸗ fühlen. (Heiterkeit.) Aber ich glaube doch, es möchte sich nicht empfehlen, nach dieser Richtung hin auf Grund dieser Resolution Beschluß zu fassen gegenüber der Thatsache, daß da die verschiedensten historischen Entwickelungen in dem Hintergrunde liegen, durch welche bestehende Rechte auf die eine oder andere Weise beseitigt wurden. Ich möchte nicht glauben, daß es räthlich ist, daß das Haus eine solche Initiative ergreift, und möchte Ihnen anheimgeben, dieser Resolution nicht stattzugeben.⸗
Abg. Dr. Lieber (Centr.): Nicht mit Rücksicht auf die ent⸗ stehenden Consequenzen, sondern lediglich aus denselben Rechtsgründen, die seine Partei veranlaßt hätten, für die Entschädigung der in der Vorlage Genannten zu stimmen, sei sie gegen die Annahme der Resolution.
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (cons.): Der Abg. Mexper habe in so fern Unrecht, als die in der Resolution genannten amilien die Recesse nicht freiwillig abgeschlossen hätten, sondern sie ihnen von der Regierung aufgedrungen worden seien.
Die Resolution wird gegen die Stimmen der Conservativen und einiger Freiconservativen abgelehnt. Die ingeanger⸗ Petition wird durch die gefaßten Beschlüsse für erledigt erklärt.
Schluß 1 ¾ Uhr. ““
“
Zur Arbeiterbewegung. 8 Gestern fand hier in Berlin ein socialdemokratischer
Parteitag für die Provinz Brandenburg statt, zu dem
ie berichtet wird, 50 Abgesandte aus Berlin und der Pbbuinz ein “ hatten; Vorsitzende waren der Berliner Stadt⸗ verordnete Fub eil und Redacteur Ew ald aus Brandenburga. H. Den ersten Gegenstand bildete die Parteipresse in der Provinz. Es wurde mitgetheilt, daß die „Berliner Volkstribüne“ ohne Zuschuß bestehen könne. Die von Ewald redigirte „Brandenburger Zeitung“ hat große Ueberschüsse, die „Maͤrkische Volksstimme forderte im vorigen Jahre 4000 ℳ, das „Volksblatt für den Wahlkreis Teltow⸗Beeskow⸗Storkow⸗Charlottenburg“ im ersten Jahre seines Bestehens 4500 ℳ Zuschuß. Den zweiten Gegenstand der bildete die Agitation auf dem Lande, die zu einer sehr lebhaften und langen Debatte Veranlassung gab; es wurden endlich folgende Beschlüsse gefast. Parteitag wählt ein aus sieben Personen bestehendes Comits, das die Agitation in der Provinz Brandenburg in jeder Form in die Hand nimmt und von Zeit zu Zeit über seine Thätigkeit Bericht erstattet. Das Comité wird beauftragt, die Wirthe auf dem Lande durch juristischen Beirath, eventuell durch Geld zu unterstützen, die
rauen in die Agitation hineinzuziehen. die auf's Land entsendeten Fnneoren zu entschädigen u. s. w. Die Provinz⸗Zeitungen sollen fortbestehen, aber die Neugründung von Parteiblättern soll vermieden
vers Zur Lohnbewegung unter den deutschen Buch⸗
ern wird der „Köln. Ztg.“ aus Berlin geschrieben: Kampf im Buchdru Snebn zwischen Principalen und Gehilfen ist schärfer entbrannt als zur Zeit des Ausstandes. Nach der vom Unterstützungsverein deutscher Buchdrucker aus⸗ gegebenen Parole dürften die alten, vollständig im socialdemokratis Fahrwasser schwimmenden 1“ zur Tarifrommission wieder gewählt werden. Die Nichtverbändler sind ohne ge⸗ nügende Organisation. Sollten, wie zu erwarten ist, die social⸗ demokratischen Gehilfen wieder gewählt werden, so dürften dann wohl die Principalsmitglieder der Tarifcommission ihre Mandate in die Hände des Vorstandes des Deutschen Buchdruckervereins niederlegen, und die Festsetzung der Lohn⸗ und Arbeitsbedingungen würde dann lediglich Sache der Principale sein. Fällt die Tarifgemeinschaft, so wird der Kampf nur an Schärfe gewinnen. 8 1
Ueber Arbeitseinstellungen und Ausstände liegen
heute folgende Mittheilungen vor:
Hier in Berlin verhandelte eine Versammlung aller in Schrift⸗ gießereien beschäftigten Schriftgießer, Mechaniker und Arbeiterinnen am 8. d. M. über die Arbeitseinstellung des ganzen Personals (über 100 Personen) von drei mittleren Schriftgießereien Berlins. Als Ursache der Arbeitseinstellung wird im „Vorwärts’ die Einführung einer Arbeitsordnung angegeben. Die “ übernimmt in erster Linie der Unterstützungsverein deutscher Buchdrucker, dem die Schriftgießer angehören; außerdem haben die arbeitenden Berufs⸗ genossen und Arbeiterinnen beschlossen, wöchentliche Extrabeiträge in eträchtlicher Höhe zu zahlen. Auch die übrigen Collegen Deutsch⸗ lands werden ihr Möglichstes zur Unterstützung beitragen. Die Versammlung wählte eine Commission, welche die beanstan⸗ deten Paragraphen der 1 einheitlich zu regeln und die so entstehende Vorlage den Geschäften zu unterbreiten hat. — Die Glaser Berlins haben in einer Versammlung am 9. Mai, wie der Vertrauensmann im „Vorwärts“ mittheilt, über die Firma Wahl u. Sohn die Sperre verhängt, weil die Arbeit⸗ geber die Arbeiter mittelst Reverses verpflichten wollen, der Local⸗ organisation nicht anzugehören. Ferner besteht eine Sperre über der Werkstatt der Firma Heinersdorf u. Co. .
„In Rixdorf bei Berlin nimmt der „Voss. Ztg.“ — die Zahl der ausständigen Weber noch immer zu; fast sämmtliche Weber und Hilfsarbeiterinnen sind dort jetzt im Ausstand. Die Arbeiter hoffen, falls die ö“ in genügendem Maße eingehen, in 8 bis 14 Tagen den stand zu ihren Gunsten beendigt zu sehen. 1 8
us Bunzlau berichtet ein Telegramm des „D. B. H.“: In den Warthauer Steinbrüchen, den größten von Schlesien, haben die Steinmetzen die Arbeit eingestellt. 1 Ausstand in den schottischen Stahlwerken hat, wie wir der Londoner „Allg. Corr.“ entnehmen, mit dem Siege der Arbeitgeber geendigt. Die Ausständigen haben die Arbeit mit herab⸗ gesetztem Lohn wieder aufgenommen. Doch konnten nicht alle wieder angestellt werden, da fast gar keine neuen Aufträge eingegangen sind und mehrere Werke stillstehen. “ 8 In Newcastle on Tyne hat, wie dieselbe Correspondenz be⸗ richtet, am Freitag eine Besprechung zwischen Vertretern des ins Durhamer EC111A“ und Ab⸗ geordneten des Bergarbeiterbundes stattgefunden, welche die Beilegung des Strikes zum Zwecke hatte. Auf Seiten der Arbeiter wurde die Bereitwilligkeit ausgedrückt, eine so⸗ fortige Lohnherabsetzung von 7 ½ % anzunehmen, die Arbeit⸗ geber erklärten jedoch, eine Herabsetzung von weniger als 13 ½ % unter den herrschenden Handelsaussichten für unmöglich. Die Ver⸗ sammlung verlief daher resultatlos und der Ausstand dauert fort. Ferner schreibt die Correspondenz: Es ist nicht unmög⸗ lich, daß in England ein neuer Kohlenbergarbeiter⸗ Ausstand in riesigem Maßstabe bevorsteht. Die Bergwerksbesitzer im Forest of Dean verlangen nämlich eine Lohnherabsetzung von 12 ½ % und ihre Arbeiter drohen, falls diese Fordern nicht zurück⸗ wird, die Regel 20 des Nationalen Bergarbeiterbundes in raft treten zu lassen. Diese Maßregel würde die gleichzeitige Frheitzeirftelnng in allen Kohlenbergwerken Großbritanniens zur olge haben.
-Aus Lüttich meldet „H. T. B.“: Die gestrige Pro⸗ cession (vgl. Nr. 109 d. Bl.) ist bei sehr starker Betheiligung ohne jede socialistische Demonstration verlaufen.
Kunst und Wissenschaft.
Akademische Kunstausstellung. Zur Feier der Eröffnung der diesjährigen akademi⸗
8
schen Kunstausstellung hatten sich gestern Vormittag gegen
11 Uhr zahlreiche Aussteller, die Mitglieder des Senats und der Akademie und der verschiedenen Ausstellungscom⸗ missionen im Kuppelsaal des Ausstellungspalastes und den benachbarten Räumen versammelt. Unter den Anwesenden be⸗ fanden sich: der Präsident der Königlichen Akademie der Künste rofessor Becker, der Director der akademischen Hochschule Professor A. von Werner, der Geheime Regierungs⸗ und Baurath Professor Ende, die Professoren Knaus, Meyer⸗ im, Amberg u. a. Bald nach 11 Uhr traf auch der Cultus⸗ inister Dr. Bosse in Begleitung des Directors der Nationalgalerie, Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Raths Dr. Jordan ein und begann, geführt von den Professoren Becker und einen Rundgang durch die Ausstellung. Um 12 Uhr wurden unter den Klängen der Jubelouverture, die von der alerie der Kuppel aus von einer Militärkapelle geblasen wurde, dem zahlreich erschienenen Publikum die Pforten des Ausstellungsgebäudes geöffnet.
L. K Erste “ dobemrischen Kunst „K. — Die Eröffnung unserer akademischen Kunst⸗ ausstellungen spielt in dem Leben der Reichshauptstadt keine
so wichtige Rolle, wie etwa der jour de vernissage des Salons in Paris; von der sieberhaften Spannung, mit der ganz Paris diesem Ereigniß und seinen Ueberraschungen ent⸗ gegensieht, spürt man bei uns kaum etwas. Als im ver⸗ gangenen Frühjahre die internationale Ausstellung mit besonderem Gepränge durch Seine Majestät den Kaiser eröffnet wurde, bot der Ausstellungspark allerdings ein ungewöhnlich lebendiges und festliches Bild. Wesentlich schlichter gestaltete sich diesmal der Eröffnungsact. Auch der Besuch war am gestrigen Tage ein verhältnißmäßig geringer, sodaß man ohne Gefahr, ins Gedränge zu kommen, die Säle des Aus⸗ spalastes durchschreiten und ihre Schätze mustern konnte.
Zir ristik des Gesammteindrucks, den die dreiundsechzigste akade⸗ mische Kunstausstellung erweckt.
Die Ausstellung bietet in erster Linie ein Bild der Berliner Kunst, dem es an vortheilhaften und eigenartigen Zügen nicht fehlt. Was daneben an Leistungen auswärtiger Künstler und Schulen sich findet, tritt gegen Berlin der Zahl nach durchaus in den Hintergrund. Der Gegensa zwischen den verschiedenen Schulrichtungen ist weniger grell, als man erwarten sollte. Trotzdem die Aufnahmejury etwa tausend “ Werke zurückgewiesen haben soll, ist doch das Mittelgut noch recht zahlreich vertreten. Gerade diese Durchschnittsleistungen der Berliner Kunst spiegeln den Kampf der Anschauungen wider, aus dem nur be⸗ deutende Individualitäten ohne Einbuße an Selbständigkeit hervorgehen. Die Halbheit, das Streben, Neues mit Altem zu verbinden und auszugleichen, macht sich in wenig vortheilhafter Weise geltend. Am erfreulichsten wirkt die Berliner Landschaftsmalerei, deren tüchtigste Vertreter voll⸗ zählig auf dem Plan erschienen sind. Landschaft und Porträt nehmen in der modernen Kunstproduction erklärlicherweise den brei⸗ testen Raum ein; auch auf letzterem Gebiet kann Berlin einen ehren⸗ vollen Platz beanspruchen und behauptetihn auf unserer Ausstellung. Die Genre⸗ und Sittenmalerei giebt ihre morose Miene mehr und mehr auf, der Humor kommt wieder zu Worte, wenn er auch nicht immer die Trivialität vermeidet. Kopfhängerei und Gefühlsinnigkeil sind den Berliner Künstlern ihrer Natur nach gleich fremd. 1
München, das selbst zu einer Sommerausstellung rüstet, hat nur wenige, aber hervorragende Leistungen eingeschickt, Düsseldorf vertritt mit großer Auszeichnung die Historien⸗ malerei in A. Kampf’s Stene aus den Freiheitskriegen, die Weimarer Kunstschule, die auf der letzten Ausstellung so schöne Proben ihrer Leistungsfähigkeit gab, tritt diesmal fast ganz zurück; dagegen zieht Karlsruhe mit einigen aus⸗ gezeichneten Schöpfungen lebhafte Aufmerksamkeit au sich.
ehr dankenswerth erscheint uns die Einrichtung von Sonderausstellungen einzelner Künstler, die nach dem Vorbilde Münchens in großer Zahl die Reihe ungleichartiger Leistungen unterbrechen und fesselnde Ruhepunkte für das Auge des Be⸗ schauers bieten.
Neben den Berliner Altmeistern Menzel, Knaus, Spangenberg, Schrader, Geselschap und Grafen Harrach, dem Karlsruher Landschafter Schönleber und dem Aquarellisten Passini bereiten uns namentlich die zahl⸗ reichen Studienköpfe E. von Gebhardts, die phantastis en Märchenbilder F. Stuck's und vor allem eine reichhaltige Collection von Werken des Frankfurters Hans Thomas, der zu den selbständigsten und eigenartigsten Erscheinungen unserer “ Künstlerwelt zu zählen ist, eine angenehme Ueber⸗ raschung.
Unter den plastischen Bildwerken, welchen man, wie im vorigen Jahre, wieder die zu beiden Seiten des Vestibüls ge⸗ legenen Hallen eingeräumt hat, nimmt Siemering's colossales Reiterbild Washington's für Philadelphia den größten Raum und das lebhafteste Interesse in Anspruch. Es liegt etwas Befreiendes in der Sicherheit, mit welcher der Künstler, auf den Deutschland mit gerechtem Stolz blickt, seine
ewaltige Aufgabe gelöst hat. Die plastische Abtheilung
ietet auch sonst sowohl auf monumentalem Gebiet wie in der Kleinkunst — wir nennen nur Eberlein's Mannheimer Kaiserdenkmal, die zahlreichen Entwürfe für das Stand⸗ bild Kaiser Friedrich's in Wörth, die Sculpturen
Herter's, Magnussen'’s und Toberentz — ein überaus günstiges Bild von der Fruchtbarkeit und Tüchtigkeit der deutschen Bildhauer, die einen Vergleich mit ihren malenden Kunstgenossen keineswegs zu scheuen haben. Unter den architektonischen Entwürfen und ee schließlich muß schon hier der interessanten Gruppe von Meßbildaufnahmen gedacht werden, welche das Königliche Ministerium der öffentlichen Arbeiten ausgestellt hat.
Wenn die deslaährige Ausstellung auch gegen den Glanz und die Vielseitigkeit ihrer letzten Vorgängerin zurücksteht, so bietet sie dafür den Vortheil, in einem einheitlichen und geschlossenen Ausschnitt aus dem gegenwärtigen Kunstleben gerade diejenigen Züge mit Ruhe und eingehender Aufmerksamkeit studiren zu können, welche den Berlinern besondere Theilnahme ab⸗
nöthiger
Land⸗ und Forstwirthschaft.
1“ Amtlicher Saatenstandsbericht des ungarischen Ackerbau⸗Ministeriums für die Zeit vom 1. bis inclusive 14. Mai.
Infolge der Ende vorigen und anfangs dies zeenatz im ganzen Lande eingetretenen Regen, theilweise aber infolge des weniger kühlen Wetters erholten sich die Saaten, welche sich, wenn auch nicht überall, so doch zum überwiegenden Theile derart gebessert haben, daß die im vorigen Monate schwach gestandenen Saaten zumeist einen mittelguten Stand aufweisen; besonders gut haben sich die Sommerfrüchte. Mit Ausnahme des interroggens und Raps ist dies auch von den Herbstsaaten zu sagen, namentlich bezüglich des Anbaus im Alföld, wo er an vielen Stellen se üppig 9 daß man das Lagern der Saaten fürchtet und diese schneidet. Die häufigen Niederschläge im Mai sind an manchen Orten schon übermäßig, stellenweise traten dieselben mit Gewitter und Hagel sowie in Form von Platzregen auf, die großen Schaden vexursachten. Wo die Pflanzen sich zu üppig entwickelten, lagerten sich dieselben; auch Nebel war in den jüngsten Tagen und die Oekonomen hegen die Befürchtung, daß der Rost, dessen Spuren bereits an mehreren Orten wahrzunehmen sind, die Weizensaat ergreifen werde. Wie aus den eingelangten Berichten erhellt, verbreitet sich auch das Unkraut, und nachdem der Boden sehr feucht ist, vermag man nur an wenigen Orten zu jäten. Ungeziefer zeigt sich an vielen Stellen, von man Orten wird auch ansehnlicher Schaden gemeldet. Vom Be⸗ buschen der Winterfrucht trafen Meldungen aus den Alfölder Comitaten ein; auch in den oberen Gegenden und in jenen rechts der Donau entwickeln sich die Saaten, hier jedoch ist noch an vielen Stellen ein schwacher Stand zu constatiren. Roggen und Raps haben sich dort, wo eine Entwickelung noch neals war, gebessert, trotzdem ist der Anbau mit geringen Ausnahmen schütter und schwach;
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mittlerer Ertrag zu gewärtigen. her Luzerne wurde in Angriff genommen; die Wiesen stehen gut.
esschränken uns für heute auf eine allgemeine Charakte⸗
rechtzeitig gestellt keine Wagen; am 14.
nicht r
die Wintergerste steht ziemlich gut, obwohl auch deren Stand ver⸗ schieden ist. Aluch
Die Sommerfrüchte: Weizen. 1 Gerste, H Rüben, Mais und Kartoffeln stehen schön, besonders die erst⸗ genannten, een. kühlere Witterung der jüngsten Tage beeinträch⸗ 1 ie Entwickelung. Be 1 sporabisch nämlich dort, wo der Boden nicht übermäßig feucht ist, sch
ühjahrsanbau verbreitet sich das Unkraut.
beim 7 2 . Roggen, Raps, Gerste, Hafer,
Die Tabackplantagen sind schön. Die Be⸗ bewerkstelligt. Der Stand 8 e ist ein
„ der der Obstbäume ziemlich gut, in Spätobst ist ein Abmähen von Kleesamen und
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗
Maßregeln.
NRom, 16. Mai. Meldungen des „H. T. B.“ aus Massowah
bestätigen das Umsichgreifen der Cholera in Abessinien. Zahl⸗ reiche Eingeborene fallen der Krankheit zum Opfer.
„Griechenland. üteh Die Königlich griechische Regierung hat die Quckrvantäne, welche
über die von dem syrischen Gestade zwischen Mersina und Jaffa kommenden Provenienzen s. 9./21. April 1892 aufgehoben. 30. Dezember 1891.)
Zt. verhängt worden war, seit dem (Vergl. „Reichs⸗Anz.“ Nr. 306 vom
Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 14. d. M. gestellt 9970, nicht rechtzeitig
gestellt keine Wagen zu 10 t.
In Oberschlesien sind am 13. d. M. gestellt 3783, nicht sind gestellt
tzeitig gestellt keine Wagen.
Zwangsversteigerungen. Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin stand am 14. Mai das Grundstück des Zimmermeisters Carl Köbke, Prinzen⸗ allee 12, zur Versteigerung; Nutzungswerth 12 600 ℳ; Mindestgebot 1250 ℳ; für das Meistgebot von 155 000 ℳ wurde der Kaufmann Joseph Munk, Dorotheenstraße 56, Ersteher. — Aufgehoben
wurde das Verfahren der Zwangsversteigerung der nachverzeichneten
Grundstücke: Yorkstraße 44, dem Ingenieur Herm. Pohl zu Schöne⸗
berg gehörig. — Landsbergerstraße 94, dem Bäckermeister Herm.
Witte gehörig und die Termine am 10. Juni 1892.
Berlin, 14. Mai. (Wochenbericht für Stärke, Stärkefabrikate und Hülsenfrüchte von Max⸗Sabersky. Ia. Kartoffelmehl 33 ½ — 34 ℳ, lIa. Kartoffelstärke 33 ½ — 34 ℳ, IIa. Kartoffelstärke und -Mehl 31 4 — 32 ½ ℳ, feuchte Kartoffel⸗ stärke loco und Parität Berlin 18,75 ℳ, Fabriken bei Frankfurt a. O. zahlen frei Fabrik — ℳ, gelber Syrup 38 ½ — 39 ℳ, Capillair⸗Syrup 39 ½ — 40 ℳ, Capillair⸗Export 40 ½ — 41 „ Kartoffelzucker gelber 38 ½ —39 ℳ. do. Capillair 40 — 40 ½ b Rum⸗Couleur 50 — 51 ℳ, Bier⸗Couleur 49 — 50 ℳ, Dertrin, elb und weiß, Ia. 39 — 41 ℳ, do. secunda 37 — 39
eizenstärke (kleinst.) 36 — 38 ℳ, Weizenstärke (großst.) 44 — 45 ℳ, Hallesche und Schlesische 44 — 45 ℳ, Reisstärke (Strahlen) 46 bis stärke 32 — 33 ℳ, Victoria⸗Erbsen 22 — 26 ℳ Kocherbsen 22 — 25 ℳ, rüne Erbsen 23 — 26 ℳ, Futtererbsen 17 — 17 ½ ℳ, Leinsaat 22 — 23 ℳ, Linsen, große 40 — 54 ℳ, do. mittel 24 — 38 ℳ, d kleine 16 — 24 ℳ, Gelber Senf 20 — 34 ℳ, Kümmel 40 — 44 ℳ, Buchweizen 17 ½ — 18 ½ Rℳ, Mais loco 12 ½ — 13 ½ ℳ, Pferdebohnen 16 bis 18 ℳ, inländische weiße Bohnen 19 — 20 ℳ, weiße Flachbohnen 22 — 25 ℳ, ungarische Bohnen 17 ½ — 18 ½ ℳ, galizische und russische Bohnen 16 —17 ℳ, Wicken 15 — 16 ℳ, Hanfkörner 22 ½ — 23 ½ Leinkuchen 17 — 17 ½ ℳ, Weizenschale 10,30 — 11,00 ℳ, Roggenkleie 1 bis 11 ½ ℳ, Rapskuchen 14 — 14 ½ ℳ, Mohn, blauer 50 — 60 ℳ, d weißer 60 — 70 ℳ, Hirse, weiße 21 — 24 ℳ Alles per 100 kg ab Bahn bei Partien von mindestens 10 000 kg.
— Die vorgestrige Generalversammlung der Aachen⸗Mastrichte Eisenbahn⸗Gesellschaft beschloß die Vertheilung einer Divi⸗ dende von 3 ¼ %. 1 8
— Wie das „Chemn. Tgbl.“ mittheilt, hat die Plenarversamm⸗ lung der Chemnitzer Handels⸗ und Gewerbekammer das Pensionirungsgesuch des fast nach dreißigjähriger Dienstzeit wegen an dauernder Krankheit in den Ruhestand tretenden Secretärs Herrn Stadtraths Karl Wilhelm Ruppert, unter Anerkennung der treu geleisteten Dienste, genehmigt und zugleich den bisherigen Secretär⸗ Assistenten der Kammer Hermn Dr. Gustav Adolf Herrl au Freiburg im Breisgau einstimmig zum ersten Secretär gewählt. Die freigewordene Stelle des Zweiten Secretärs ist mit Herrn Dr. R. Uhlitzsch, bisher am Königlichen Statistischen Bureau in Dresden, be⸗ setzt worden. “
— Die vorgestrige Generalversammlung der Bodenkredit⸗ Gesellschaft für Elsaß⸗Lothringen in Straßburg be⸗ schloß, wie die „N. Bad. Landztg.“ meldet, die Vertheilung eine Dividende von 3 %. Die Directoren der Gesellschaft sind von ihren Posten zurückgetreten. . 8—
— Der Verwaltungsrath der österreichischen Staatsbahn hat die Dividende für das abgelaufene Jahr auf 25 Fl. per Actie
festgesetzt. “ Dapztg, 16. Mai. (W. T. B.) Wegen des Besuchs Seiner Majestät des Kaisers und Königs findet morgen keine Börse statt. “ Leipzig, 14. Mai. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ del. La Plata. Grundmuster B. per Mai 3,80 ℳ, per Juni ℳ, per Juli 3,82 ½ ℳ per August 3,85 ℳ per September ℳ ver Oktober 3,87 ½ ℳ per November 3,87 ½ ℳ, per Dezember , per Januar 3,90 ℳ per Februar 3,90 ℳ, per März ℳ, per April 3,90 ℳ Umsatz 65 000 kg. 8 “ Wien, 14. Mai. (W. T. B.) Ausweis der österreichisch⸗ ungarischen Staatsbahn (österreichisches Netz) vom 1. bis 10. Mai 611 888 Fl., Mindereinnahme gegen den entsprechenden Zeitraum des vorigen Jahres 30 543 Fl. 3 Der Fee ana der Dux⸗Bodenbacher Eisenbahn beschloß, der Generalversammlung die Vertheilung einer Dividende von 24 Fl. vorzuschlagen. 1 Der Verwaltungsrath der Prag⸗Duxer Eisenbahn beauf⸗ ein Comité, betreffs Verwendung des 552 296 Fl. betragenden ewinnes, Vorschläge zu erstatten. e t, 14. Mai. (W. T. B.) Serienziehung der Ungarischen 100 Fl.⸗Loose. 106 359 408 423 425 462 513 529 667 743 748 759 936 1033 1161 1168 1459 1821 2018 2036 2167 2410 2425 2493 2562 2651 2877 3126 3482 3608 3769 3805 3829 3836 3861 3866 3970 3991 4052 4074 4628 4653 4694 4769 4785 4896 4945 4989 5104 5673 5713 5996. 120000 Fl. fielen auf Ser. 2425 Nr. 1, 12000 Fl. Ser. 4628 Nr. 40, 5000 Fl. Ser. 3836 Nr. 27, je 1000 Fl. 3829 Nr. 1, Ser. 5713 Nr. 24, Ser. 2493 Nr. 28, Ser. 2651 Nr. 2. 1 London, 14. Mai. („Allg. Corr.“) Nach einer Bekannt⸗ machung des englischen General⸗Postmeisters sollen vom 15. Mai an für F Lctmn ien und für den europäischen Continent bestimmte Briefe auch am Sonntag mit dem am Abend aus London abgehenden Postzuge befördert werden, wenn sie vor 6 Uhr Nach⸗ mittags in der Feunos oder dem West⸗Strand⸗Telegraphenamt ahnhof Charing⸗Croß) aufgegeben und mit einem ir inlã nd 1 d. ch dem Con⸗ tinent adressirte Briefe versehen sind. Die Einrichtung, daß Inlands⸗ briefe mit einem Zuschlagsporto des Sonntags hbis zum Abgange der Postüge auf allen großen Endbahnhöfen aufgegeben werden können, leibt unverändert. 8
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(gegenüber dem — C Kefstascpees von ½ d. für inländis