erleichtern werde. Die Einverleibung Gaardens sei aber nothwendig im Interesse des Reichs und des Staats. Das geplante Eisenbahn⸗ project störe bestehende Verbindungen. Redner bittet, auf die Wünsche der Stadtverwaltung Rücksicht zu nehmen, namentlich —8 der Aufrechterhaltung eines Uebergangs für den Verkehr von Kiel nach E’— Herstellung einer Ueberführung außerhalb des
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Die Bitte, welche der Herr Vorredner ausge⸗ sprochen hat und die dahin geht, ich möchte meinerseits die Eisenbahn⸗ verwaltung ermächtigen, bei Ausführung des Umbaus des Bahnhofs Kiel sich in fortlaufender Verbindung mit der städtischen Vertretung zu halten, ist an und für sich so gerechtfertigt, daß ich durchaus keine Bedenken trage, ihr meine Zusage zu ertheilen. Ich halte es auch im Interesse der Staatseisenbahn⸗Verwaltung für durchaus erwünscht und sogar nothwendig, daß diese fortlaufende Verbindung mit den städtischen Behörden während der Bauausführung statt⸗ findet. — Wenn ich mich im anderen Hause gegen die von dem Abg. Seelig eingebrachte Resolution ausgesprochen habe, so ist das weniger, wie ich damals auch betonte, wegen ihres Wortlauts geschehen, der ja an und für sich ganz unbedenklich ist, als wegen der Begründung, die der Abg. Seelig dieser Resolution gegeben hat, da man nach dieser Begründung annehmen mußte, daß er auf dem Umwege der Resolution das Hochbahnproject wieder ins Leben rufen wollte. Aus diesem Grunde hatte ich gebeten, die Reso⸗ lution abzulehnen. Daß aber die Staatseisenbahn⸗Verwaltung, soweit es innerhalb des Rahmens der ihr gegebenen Mittel möglich ist, auf die Verkehrsinteressen der Stadt Kiel thunlichst Rücksicht nehmen wird, das, meine Herren, nehme ich durchaus keinen Anstand hier zu erklären. .
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Wenn die Deputation, von der der Herr Ober⸗ Bürgermeister von Kiel gesprochen hat, sich darauf berufen hat, als
venn ich wohl geneigt gewesen wäre, zwei Millionen mehr zu be⸗ willigen, als mein Herr College, der Herr Minister für öffentliche Arbeiten, für angezeigt hält, so kann das doch nur ein schwerer Irrthum sein. Ich kann allerdings nicht leugnen, daß, wenn eine Deputation angesehener Bürger einer so aufstrebenden und vorwärts drängenden Stadt wie Kiel mit ausführlich motivirtem Plan unter Vorlegung von Karten mir ihre Wünsche vorträgt, ich mich schuldig gemacht habe, die Herren um so freundlicher und eingehender anzuhören, je zweifelhafter ich war, ob ich ihre Wünsche befriedigen könnte. (Heiterkeit.) Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, ich glaube mich aber zu entsinnen, daß ich den Herren gesagt habe: wenn das Hochbauproject zwei Millionen mehr kostet, und wenn diese zwei Millionen wesentlich im localen Interesse von Kiel, ohne daß allgemeine Interessen der Staatsbahnverwaltung in Betracht kämen, aufzuwenden seien, doch auch von ihnen in Er⸗ wägung gezogen werden müsse, was denn die Stadt Kiel dazu leisten wolle, und daß, wenn in dieser Beziehung eine Geneigtheit vorhanden sei, es gerechtfertigt sein werde, dem Minister für die öffentlichen Arbeiten davon Kenntniß zu geben, damit bei der Auswahl des Projectes dies mit in Erwägung genommen werden kann. — Ich habe die Gelegen⸗ heit benutzt, das Wort zu ergreifen, weil ich überhaupt meine, daß, wenn bei den Secundärbahnen die Kreise den Grund und Boden un⸗ entgeltlich hergeben müssen, doch auch bei den großen Bahnhofsbauten in den Städten Fälle vorkommen können, wo wesentlich locale Inter⸗ essen auf die Beschaffenheit und die Art der Ausführung des Planes ein⸗ wirken, wo keine allgemeinen Verkehrsinteressen, sondern nur locale Interessen der betreffenden Localitäten in Frage stehen. Wenn die Communen aus Gründen, die in ihrer localen Entwickelung liegen, eine Veränderung des Planes oder bestimmte Bauausführung wünschen und dadurch Kosten entstehen, so muß die Frage erwogen werden, in welcher Weise die Communen mitcontribuiren für die Mehrkosten. Ich glaube, daß auch neuer⸗ dings schon diese Frage bei verschiedenen Gelegenheiten in Anregung gebracht ist, und bitte deshalb, daß man sich nicht allzusehr darüber wundert, wenn bei der gegenwärtigen Finanzlage des Staats vielleicht in einzelnen Fällen dieser Frage noch schärfer nachgegangen wird.
Die Vorlage wird darauf unverändert genehmigt; die Resolution gelangt mit großer Mehrheit zur Annahme.
Es folgt die Berathung des Gesetzentwurfs über die Ab⸗ einzelner Bestimmungen des allge⸗ meinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865. Die &e⸗ werbecommission beantragt die unveränderte Annahme der Beschlüsse des Abgeordnetenhauses und schlägt außerdem — im Gegensatz zum Abgeordnetenhause — folgende Reso⸗ lution vor:
„Die Staatsregierung zu ersuchen, den auf Abänderung wesent⸗ licher licher Bestimmungen über die Knappschaftsvereine ge⸗ richteten 2 ungen ihre Unterstützung zu versagen.“
Der Berichterstatter Freiherr von Stumm⸗Halber weist darauf hin, 8 es das wesentlichste Verdienst des Handels⸗Mmisters sei, daß die Vorlage im anderen Hause eine solche Gestalt erhalten habe, daß die Commission dem Hause die Enbloc⸗Annahme empfehlen könne. die Anträge, die im anderen se abgelehnt seien, gingen zum Theil über die Gewerbeordnung hinaus, ja stä i Widerspruch damit.
Minister für Handel Berlepsch: “
Meine Herren! Die letzte Anführung des Herrn Referenten, daß ich mich in der Commission mit der Annahme der Vorlage en bloc durch das Herrenhaus einverstanden erklärt habe, kann ich nur bestätigen. Ich bin der Anschauung, daß die Abänderung, die die Regierungsvorlage im Abgeordnetenhause erfahren hat, nicht als wesentlich anzusehen ist, und ich schließe mich auch in dieser Be⸗
ziehung den Ausführungen des Herrn Referenten an. Er hat die verschiedenen Paragraphen erwähnt, wo Abänderungen stattgefunden haben. Für mich sind davon nur zwei von Wichtigkeit, die §§ 80 d und 80 k.
In § 80 d war eine Bestimmung getroffen worden, daß, wenn Strafgelder der Arbeiter in Unterstützungskassen fließen, ihnen eine Mitwirkung an der Verwaltung dieser Kassen gewährt werden solle. Es ist das eine Abweichung von den Bestimmungen der Gewerbe⸗ ordnung, die ihren Grund in den Erfahrungen hat, die seiner Zeit die Untersuchungscommission über die Ursachen des Strikes im Jahre 1889 in einer Denkschrift niedergelegt hat. Nach dieser Denkschrift ergab sich aus den Untersuchungen der Commission, daß bei den Arbeitern, denen eine Mitwirkung an der Verwaltung der Kasse, in die ihre Strafgelder flossen, nicht gewährt war, lebhaftes Mißtrauen über die Verwendung der Intraden dieser Kassen bestand. Die gesetzliche Bestimmung der Vorlage war keineswegs
ständen in directem
und Gewerbe Freiherr von
dictirt von einem Mißtrauen gegen die Bergwerksbesitzer, die diese Kassen verwalten. Ich bin sogar der Ueberzeugung, daß wahrscheinlich an vielen Stellen die Verwaltung der Kassen eine minder gute und praktische sein wird, wenn den Arbeitern eine Mitwirkung gegeben wird. Trotzdem aber erschien es richtiger, auch diesen Nachtheil in Kauf zu nehmen gegen den Vortheil, jeden Grund zu Mißtrauen gegen die Kassenverwaltung den Arbeitern zu nehmen. Das Abgeord⸗ netenhaus hat diese Bestimmung nicht gut geheißen und sie ge⸗ strichen, und ich habe in den Verhandlungen des Hauses erklärt, daß ich den Einwand, daß zwischen dem Bergbau und den übrigen Industrien in dieser Beziehung, in Bezug auf die Verwaltung dieser Unterstützungskassen ein wesentlicher Unterschied nicht vorliege, als zutreffend anerkennen müsse, und gegen das Streichen dieser Be⸗ stimmung, so sehr ich sie auch für nützlich halte, eine Einwendung nicht erheben wolle, weil ich mich mit der Commission des Abge⸗ ordnetenhauses auf den Standpunkt geeinigt hatte, daß wir von den Bestimmungen der Gewerbeordnung nur in dem Falle ab⸗ gehen wollten, wo die besonderen Verhältnisse des Bergbaues das erforderlich erscheinen ließen.
Was den § 80 k der Regierungsvorlage anlangt, so war hier eine Bestimmung getroffen, die Vorsorge treffen sollte für die Unklar⸗ heiten, die in der verschiedenen Beschaffenheit und Größe der Förder⸗ wagen, nach denen das Gedinge berechnet wird, liegt und liegen kann. Es wurden ausführlichere Anordnungen vorgeschlagen sowohl für den Fall, daß das Gedinge nach dem Rauminhalt der Förder⸗ wagen, wie auch für den Fall, daß das Gedinge nach dem Gewicht berechnet wird. Das Abgeordnetenhaus hat geglaubt, daß hierdurch den Bergwerksbetrieben zu erhebliche Schwierig⸗ keiten und Opfer auferlegt werden würden und daß die Bestimmung ein Hinderniß für die Einführung eines neuen Wagenspstems für die Förderung werden könne. Bei solchen Systemänderungen würden zunächst einzelne veränderte Wagen versuchsweise eingestellt, und wenn diese sich bewährt hätten, ginge man zu einer allgemeinen Aenderung der Förderwagen über. Das würde in Zukunft verboten sein und den Werken so erhebliche Geldopfer auferlegt. Diese Bedenken habe ich nicht für zutreffend erachten können. Es war in dem § 80 c Nr. 3 des Gesetzentwurfs eine Ausnahmebefugniß für das Ober⸗Bergamt in solchen Fällen, wie sie hier dargelegt sind, ge⸗ geben. Ich würde auch bereit gewesen sein, diese Ausnahmebefugniß noch klarer zu stellen, um die finanziellen Besorgnisse, die an diesen Paragraphen geknüpft wurden, zu zerstreuen. Die Majorität des Abgeordnetenhauses hat es trotzdem, wie gesagt, nicht für gerathen gefunden, diese Bestimmung der Vorlage stehen zu lassen. Es hat an deren Stelle eine kürzere gesetzt, nach der auf den betreffenden Förderwagen der Rauminhalt oder das Gewicht deutlich angegeben werden solle. Ich halte die Regierungsvorlage für besser, muß aber zugeben, daß der Beschluß des Abgeordnetenhauses eine Verbesserung des jetzigen Zustandes bewirkt. Mit dieser Bestim⸗ mung wird ein Theil der Wünsche, die die Staatsregierung bei ihrer Vorlage hatte, getroffen. Es sind theilweise wenigstens die Un⸗ klarheiten beseitigt, die für den Bergmann darin liegen, daß er Fördergefäße verschiedener Größe füllt und nicht immer das Maß kennt, nach dem sein Lohn berechnet wird.
Das sind die beiden Bestimmungen, die meines Erachtens als die wesentlichen Abänderungen der Regierungsvorlage anzusehen sind. Im übrigen trete ich den Ausführungen des Herrn Referenten bei, daß die anderen Abänderungen nicht nur keine principiellen Abänderungen, sondern im Resultat überhaupt keine nennenswerthen Abänderungen der Regierungsvorlage enthalten. Das ist namentlich bei Art. V der Fall, in welchem den Ober⸗Bergämtern die Befugniß zugesprochen werden sollte, allgemeine Anordnungen für den Fall zu treffen, daß durch die übermäßige Ausdehnung der Arbeitszeit die Arbeitskraft der Bergleute zu sehr ausgenutzt würde. Es ist Ihnen, meine Herren, erinnerlich, daß in der Gewerbeordnung § 120 d eine ähnliche Bestimmung ent⸗ halten ist, die dem Bundesrath die Befugniß giebt, für solche Ge⸗ werbe, in denen eine bedenkliche Ausdehnung der Arbeitszeit stattfindet, Vorschriften zu treffen, die Anfang, Ende und Dauer der Arbeitszeit und die Regelung der Pausen vorsehen. Das Abgeordnetenhaus hat Bedenken getragen, den Ober⸗Bergämtern diese allgemeine Befugniß zuzugestehen und hat sie auf einzelne Fälle beschränkt. Es hat gesagt, das Ober⸗ Bergamt folle diese Befugniß haben nur für diejenigen Betriebe, in denen eine übermäßige Ausnutzung stattfindet. Ich bin überzeugt, meine Herren, daß das in praxi ganz dasselbe ist; jeden⸗ falls bin ich völlig beruhigt darüber, daß der Zweck, den die Königliche Staatsregierung hatte, ein Ventil dafür zu haben, daß nicht in einzelnen Fällen durch übermäßige Ausdehnung der Arbeitszeit die Arbeitskraft ausgenutzt werden könne, auch in der Fassung der dritten Lesung des Abgeordnetenhauses erreicht werden kann. Der Herr Referent hat auch Artikel 7 des Gesetz⸗ entwurfs erwähnt, der vom Abgeordnetenhause gestrichen ist. Ich kann auch hier nur bestätigen, daß das deshalb geschehen ist, weil das Haus der Ueberzeugung war, daß in dem bestehenden Berggesetz die ver⸗ langte executive Befugniß für die Bergpolizeibeamten bereits enthalten sei. In den Kreisen der Bergpolizei⸗Behörden herrschten Zweifel über die Tragweite der jetzt bestehenden Bestimmungen. Es war des⸗ halb der Antrag gestellt, daß eine ausdrückliche Bestimmung in die Novelle zum Berggesetz aufgenommen werde. Nachdem aber das Abgeordnetenhaus der Auffassung Ausdruck gegeben hat, daß die verlangten executiven Befugnisse bereits gegeben seien, hat auch die Regierung keine Bedenken mehr gehabt, diese Bestimmung ihrer Vorlage fallen zu lassen. Im großen und ganzen kann ich nur wiederholen: Dasjenige, was die Regierungsvorlage gewollt hat, ist in der Fassung der dritten Lesung des Abgeordneten⸗ hauses im wesentlichen erreicht, und ich würde deshalb dem hohen Hause dankbar sein, wenn es dem Antrage des Referenten gemäß das Gesetz in der Fassung annähme, wie es an das Herrenhaus gelangt ist. Ich gestatte mir nur noch mit wenigen Worten auf eine der Petitionen einzugehen, die an das Herrenhaus gelangt sind: auf die Petition des Vorstandes des oberschlesischen Berg⸗ und Hüttenmännischen Vereins, auf dessen Stimme ich so viel zu geben geneigt bin, als es mir in meiner Stel⸗ lung überhaupt gestattet ist. Dieser Verein zeichnet sich nach meiner Auffassung nach jeder Richtung, namentlich auch in Bezug auf seine Fürsorge für die Berg⸗ und Hüttenarbeiter aus und ist unausgesetzt bemüht, in Commissionen, die er besonders zu diesem Zweck eingesetzt hat, Fragen der Arbeiterverhältnisse zu erörtern und zu regeln, und so würde ich ganz gewiß, wenn ich fände, daß er mit seiner Petition Recht hätte, seinen Anträgen und Wünschen mich anschließen. Ich glaube
aber, daß in der That die Petition auf einem wesentlichen Mi verständniß beruht. Mir scheint, als oh die Herren übersehen bätten, daß in dem § 80c keine Verpflichtung ausgesprochen ist. Es ist hier nur dem Arbeiter eine Berechtigung zugewiesen und gesagt worden: für den Fall, daß bis zu einem bestimmten Termin ein neues Gedinge nicht abgeschlossen wird, hat der Arbeiter, der vor demselben Ort weiter beschäftigt ist, zu verlangen, daß ihm dasselbe Gedinge fortbezahlt wird bis zu dem Augenblick, wo das neue Gedinge abgeschlossen ist. Diese Be⸗ stimmung hatihre Ursache darin, daß es auf größeren Bergwerken nicht nur häufig, sondern fast regelmäßig vorkommt, daß ein Gedinge erst einige Zeit nach Ablauf des Monats, auf welchen gewöhnlich das Gedinge gestellt ist, neu abgeschlossen wird. Wenn ein Gedinge, sagen wir am ersten eines Monats abläuft, so ist der Abschluß eines neuen Gedinges mit der ganzen Belegschaft in der Regel erst im Verlauf oder nach den folgenden vierzehn Tagen zu Ende geführt, und das hat seine natürliche Ursache in der großen Menge der zerstreut liegenden Arbeitspunkte, an denen das Gedinge von dem Betriebsführer oder seinem Beauftragten mit einer Kameradschaft abgeschlossen wird. Für diese gedingelose Zwischenzeit, für den Fall, daß ein Gedinge nicht mit Ablauf des alten Gedinges neu vereinbart ist, sollen die Arbeiter berechtigt sein, zu fordern, daß das alte Gedinge bis zu d Moment fortgeführt wird, wo ein neues Gedinge abgeschlossen ist. Nun sagen die Herren, diese Bestimmung könnte dahin führen, „da sie für den Arbeiter das Mittel sei, einer in der Natur der Verhält nisse begründeten, an sich nothwendigen Herabsetzung des Gedinges z widerstreben“. Ich habe das zunächst nicht recht verstanden; nachhe bin ich zu der Ansicht gekommen, daß gemeint ist, der Arbeiter könn sich durch künstliches Hinziehen der vertragslosen Zeit ein günstige Gedinge länger erhalten, als das sonst möglich sei. Ich meine aber
in solchen Fällen stehen dem Arbeitgeber so viel Wege zu Gebote, dies
zu verhindern, daß wirklich die Bestimmung keine Be denken haben kann. Das einfachste und schnellste Mittel ist, daß er mit demjenigen Arbeiter, von dem er vermuthet, daß er ein solches Manöver ausüben könnte, sofort
und zuerst ein neues Gedinge nach Ablauf des alten schließt. Dann
tritt die Voraussetzung dieser ganzen Bestimmung überhaupt gar nicht ein.
Zweitens, sagt die Petition, kann sie für einen Arbeitgeber bezw. dessen Beamte ein Mittel sein, einen Arbeiter zur Fortsetzung der Arbeit zu zwingen auf Grund eines in Anbetracht der ungünstiger gewordenen Arbeitsbedingungen zu niedrigen Gedinges“. Die Nr. 2 ist meines Erachtens völlig unrichtig; denn es heißt in dem Para⸗ graphen immer nur, daß der Arbeiter berechtigt ist, das zu verlangen. Wie kann denn diese Berechtigung des Arbeiters ein Mittel für den Arbeitgeber werden, den Arbeiter zur Fortsetzung eines ungünstigen Gedinges zu zwingen? Das scheint mir doch außerhalb jeder Mög⸗ lichkeit zu liegen, und wie gesagt, ich kann nur annehmen, daß hier ein Irrthum vorliegt.
Meine Herren, wenn man so Nr. 1 und 2 nicht für berechtigt halten kann, so fällt, was ja auch an und für sich der Fall ist, wie der Herr Referent meines Erachtens zutreffend ausgeführt hat, Nr. 3 vollständig, daß nämlich die hier vorliegende Bestimmung die Quelle nie versiegender unendlicher Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und
Arbeiter werden könnte. Ich glaube also, auch diese Petition wird
das hohe Haus nicht bestimmen können, eine Abänderung der Vorlage, wie sie Ihnen zugegangen ist, vorzunehmen, und ich kann mich nur dem Wunsch und der Bitte des Herrn Referenten anschließen, das Gesetz zu verabschieden. Der Regierung muß außer⸗ ordentlich viel daran liegen, sobald wie möglich in die Lage zu kommen, die Bestimmungen der Gewerbeordnung auch für den Bergbau in Anwendung zu bringen. Eigentlich wäre es wünschenswerth und nöthig gewesen, ein solches Gesetz bald nach den Ausständen vom Jahre 1889 zu stande zu bringen. Daß es bisher nicht eingebracht wurde, liegt daran, daß dem Reichstag ein Gesetz vorgelegt war, welches Arbeiterschutz und Arbeiterrecht in der Industrie allgemein regeln sollte. Es war nicht angängig, ein preußisches Gesetz zu verabschieden, von dem man annehmen mußte, daß es alsbald durch die Bestimmungen des Reichsgesetzes eine Aende⸗ rung erleiden würde. Nachdem aber das Reichsgesetz mit dem 1. Juni Gesetzeskraft erlangt hat, hat die Regierung nicht gezögert, in der folgenden, der jetzigen Session, dem Landtag die Novelle zum Berg⸗ gesetz vorzulegen, die den Bergarbeitern dieselben Vortheile bringen soll, wie sie den anderen industriellen Arbeitern durch die Reichs⸗ gewerbeordnung bereits gewährt worden sind. (Bravo! )
Die Vorlage wird darauf en bloc angenommen; die ein⸗ gegangenen Petitionen werden für erledigt erklärt.
Der Berichterstatter Freiherr von Stumm⸗Halberg führt dann aus, daß die vom Abgeordnetenhause beschlossene Resolution eine so schwere Schädigung des eergbaus und der Knappschaften enthalte, daß die Annahme der von der Commission vorgeschlagenen Gegenresolution beinahe wichtiger sei, als die Annahme des Gesetzes. Die Aus⸗ führung der Resolution des Abgeordnetenhauses werde das ganze Knappschaftswesen zerstören. Redner geht die einzelnen Punkte der vom anderen Hause beschlossenen Resolution durch und wendet sich namentlich gegen die Einführung des geheimen Stimmrechts, gegen die Nichtwählbarkeit der Bergwerksbeamten in die Vorstände dc., gegen die Einführung der Schiedsgerichte ꝛc.
Ober⸗Bürgermeister Becker: Die Resolution sei zu allgemein gehalten, es liege eigentlich kein Bedürfniß vor, sie anzunehmen, zu⸗ mal im anderen Hause die Annahme der Resolution, gegen die sich die Commission wende, nur mit so geringer Mehrheit ange⸗ nommen worden sei, daß der Minister ihr nicht folgen werde. Es liege kein Bedürfniß vor, jede Aenderung der Gesetzgebung zu hintertreiben.
Freiherr von Stumm⸗Halb rge Die Ablehnung der Reso⸗ lution werde nur eine Bestätigung der Resolution des geordneten⸗ hauses bedeuten; deshalb müsse sie angenommen werden, wie die Commission sie einstimmig angenommen habe; sonst werde eine große Beunruhigung in das Knappschaftswesen getragen werden. Dber⸗Bürgermeister Schmieding⸗ Er hätte das Unterbleiben 895 Debatte gewünscht, um endlich auf diesem Gebiete Ruhe herbei⸗ zuführen.
Graf von der Schulenburg: Wenn nach den stattgehabten Verhandlungen die Resolution abgelehnt werde, so werde das Gegen⸗ theil dessen erreicht werden, was die Commission beabsichtige. der schwachen Besetzung des Hauses empfehle er die Vertagung der weiteren Berathung.
5 Uhr wi Sitzung vertagt.
Haus der Abgeordneten. 71. Sitzung vom Montag, 30. Mai. Der Sitzung wohnen der Minister des Innern Herrfurth und der Kriegs⸗Minister, General⸗Lieutenant von Kalten⸗ born⸗Stachau bei. 1
Wasserleitung für den westlichen
tat, über die Bereitstellung einer 286 500 ℳ zur Hestlvns einer
reeherie, din. . decher Lüherg ischen Industriegebiets wird in dri ung slesdlcar unverändert bewilligt.
Darauf tritt das Haus in die „88 Berathung des Ge⸗ etzentwurfs über die Besetzung der Subaltern⸗ und stbertvbenmtenstellen in der Verwaltung der Com⸗ munalverbände mit Militäranwärtern ein.
Nach § 1 der Commissionsbeschlüsse soll das Gesetz auf die Verwaltung der Communalverbände ausschließli der Landgemeinden und ländlichen Communalbezirke mit weniger als 3000 Seelen 8— finden; durch Königliche Verordnung soll aber die Verpflichtung der Com⸗ munalverbände bezüglich der Kriegsinvaliden auf die eben genannten Landgemeinden und ländlichen Communal⸗ bezirke X werden können.
Abg. Eberty beantragt, beide von der Commission an der Vorlage vorgenommenen Abänderungen: den Ausschluß der Gemeinden und Bezirke unter 3000 Seelen und die Vor⸗ schrift bezüglich der Kriegsinvaliden, wieder zu streichen.
Abg. von Tzschoppe will statt 3000 setzen 2000 und statt ländliche Communalbezirke setzen: ländliche Communal⸗
verbände.
Abg. Bart icons.): Er habe gro edenken dagegen, man 89 Burthb 152 Srlbab 8 — 8 Kriegsinvaliden vorbehalte, die im allgemeinen nicht so leistungsfähig seinen, wie die Militäranwärter. Dennoch werde er für die bezüglichen Bestimmungen stimmen, weil es sich darum handele, das Loos der
Kriegsinvaliden zu verbessern. So lange die Regierung nichts Besseres vorbringe, müsse man es hierbei bewenden lassen und er bitte das Haus, desgleichen zu thun. Abg. von Tzschoppe (freicons.): Wenn man die Anstellungs⸗ aussichten für ehemalige Unteroffiziere verbessern wolle, so könne es sich von vornherein nur um solche Stellen handeln, die eine auskömm⸗ liche Existenz gewährten. Aus diesem Grunde hätten seine poli⸗ tis a priori geglaubt, den Antrag stellen zu müssen, die kleinen Landgemeinden auszunehmen. Wo hier jedoch die Grenze zwischen „klein“ und :groß. sei, koͤnne sehr zweifelhaft sein. Die Commission habe die Grenze bei 3000 Einwohnern festgesetzt, das sei aber zu hoch gegriffen. Dann würden nur 795 Landgemeinden unter das Gesetz fallen, auf 36 357 aber werde es keine Anwendung finden. Aus diesem Grunde halte er eine Herabsetzung der Grenze auf 2000 Einwohner für gerechtfertigt. Dem Antrag Eberty könne er nicht zustimmen, der Effect der Annahme dieses Antrages werde sein, daß alle Landgemeinden bis zur kleinsten herab unter das Gesetz fielen. Die Bedenken des Vorredners bezüglich der Qualification der Kriegs⸗ invaliden könne er nicht theilen. Hier handele es sich in erster Linie um eine patriotische, nationale Pflicht, von einem Gegensatz zwischen den Interessen der Gemeinden und der Militairverwaltung könne nicht die Rede sein. Im Interesse der Kriegsinvaliden müsse die Ausdehnung dieses Gesetzes auf die kleinen Landgemeinden zu⸗ gelassen werden. Minister des Innern Herrfurth: Ich kann meinerseits den Ausführungen nur vollständig bei⸗ treten, welche der erste der Herren Vorredner gegen die Beschlüsse der ersten Lesung der Commission, namentlich gegen den Versuch, die Stellen, welche Militäranwärtern vorbehalten werden sollen, auf die etatsmäßigen Stellen zu beschränken, gerichtet hat, und ebenso den Ausführungen des zweiten Herrn Vorredners, soweit er sich gegen die Festsetzung der Zahlen⸗Grenze wendet, welche in den Beschlüssen der Commission enthalten ist. Auch will ich anerkennen, daß das Amendement, welches der zweite Herr Vorredner mit seinen politischen Freunden gestellt hat, einigermaßen geeignet ist, die Bedenken zu müldern, welche die Staatsregierung gegen die Beschlüsse Ihrer Commission zu erheben sich genöthigt sieht. Immerhin muß ich aber hervorheben, daß es der dringende Wunsch der Königlichen Staatsregierung ist, daß durch die Annahme des Amendements des Herrn Abg. Eberty die Regierungs⸗ vorlage in ihrem wesentlichen Theile wiederhergestellt werde. (Hört! ört!)
Meine Herren, die Beschlüsse Ihrer Commission sind meines Erachtens geeignet, die Erfüllung der Zwecke, welche dieser Gesetzentwurf verfolgt, wesentlich zu gefährden. Der Zweck des Gesetzentwurfs ist in den Motiven und in dem Commissionsbericht ausdrücklich dahin präcisirt, es sei die Absicht, den Militäranwärtern im späteren Leben eine auskömmliche Existenz zu verschaffen, dadurch der Armee einen ausreichenden Bestand an guten Unteroffizieren zu sichern und somit für die Wehrhaftigkeit und Sicherheit des Reichs Sorge zu tragen. Diese Worte sind vollständig zutreffend. Aber ich glaube, Sie werden auch die Conse⸗ quenz daraus ziehen und auch anerkennen müssen, daß, wenn es sich darum handelt, für die Wehrhaftigkeit und Sicherheit des Reichs Sorge zu tragen, dann nicht bloß das Reich und der Staat, sondern alle öffentlichen Corporationen, namentlich alle Communalverbände ohne Unterschied verpflichtet sind, für diesen Zweck, wenn es darauf ankommt, ihrerseits Opfer zu bringen, 8 gleichmäßig sich einer derartigen Verpflichtung zu unter⸗ ziehen.
Wienn in dem Bericht zu Gunsten der Ausnahme von 99 % der Landgemeinden — denn darauf läuft der Beschluß der Commission hinaus, da wir über 37 000 Landgemeinden und überhaupt nur
Landgemeinden mit mehr als 3000 Einwohnern haben —, wenn,
age ich, hervorgehoben wird, es solle den Landgemeinden jetzt eine neue Last auferlegt werden, so muß von dem Standpunkte, den die Staatsregierung vertritt, betont werden: weil sie bisher einer Last, welche alle Communalverbände gleichmäßig tragen müssen, auf Grund der bestehenden gesetzlichen Vorschriften haben entziehen vounen, gerade deshalb ist es nothwendig, ihnen jetzt unbeschränkt diese Pflicht auch mit aufzuerlegen. essen derzemz e erren, es handelt sich hier auch wesentlich mit um Inter⸗ Rües ländlichen Bezirke, welche Sie von dem Geltungsbereich Pre setzes ausnehmen wollen. Von unserer Bevölkerung in “ L ³¶ der ländlichen, ⁸ der städtischen Bevölkerung an. far 8 86 8 itäranwärtern stellt sich das Verhältniß noch ungünstiger egem E1““ etwa ¾ aller Militäranwärter gehören den Nichtsdestow an, (hört! hört!) nur ¼ den Städten. (Hört! hört!) die Last der c. geht die Absicht der Commissionsbeschlüsse dahin, Militäranänz zersorgung wesentlich der den Landgemeinden angehörigen znpanwärter fast ausschließlich auf die Schultern der Stadt⸗ gemeinden, der Kreise und der Provinzen zu legen. (Hört! Hört!)
Die Grenze welche bei d zen 3 Se-g — — wird, ist meines Crach dei den Landgemeinden mit 3000 Seelen gezogen sondern sie ist tens nicht nur nach der Höhe der Zahl unzutreffend,
es auch überhaupt, insoweit als man sie nach einer be⸗
Der Nachtrags ersten Rate von
stimmten Zahlen 8 “ „ zhlengrenze der Einwohner nicht in zutreffender Weise zu Förmiren vermag; denn das Vorhandensein derartiger Stellen richtet
8
sich ja nicht oder nur zu geringem Theil nach der Zahl der Ein⸗ wohner der Gemeinden, es richtet sich in viel höherem Maße nach dem Stand und dem Umfang des Gemeindevermögens, nach den etwaigen besonderen Einrichtungen, die in den Gemeinden getroffen sind. Wir haben Fälle, wo in verhältnißmäßig wenig bevölkerten Landgemeinden dadurch, daß sie das Glück haben, Mineralquellen zu besitzen, daß Einrichtungen für Bäder oder Luftkuren getroffen sind, sich die Möglichkeit der Anstellung von Beamten findet, die so gut salarirt sind, daß man allerdings den dringenden Wunsch haben muß, derartige Stellen für Militäranwärter vorzubehalten. Jedenfalls ist eine so hoch gezogene Zahlengrenze immerhin überaus bedenklich, da gerade in denjenigen etwa 400 Gemeinden, welche zwischen 2000 und 3000 Einwohner zählen, vorzugsweise solche Stellen vorhanden sind, welche für eine Versorgung von Militäranwärtern sich als geeignet erweisen. Wenn man die Städte ohne jede Rücksicht auf ihre Seelenzahl bisher dieser Verpflichtung unterworfen hat, ungeachtet des Umstandes, daß von sämmtlichen 1263 Städten beinahe die Hälfte, nämlich 608, weniger als 3000 Seelen hat, und man sich damit ge⸗ tröstet hat, daß man sagt: wenn in den kleinen Städten keine Stellen vorhanden sind, so findet das Gesetz eben keine Anwendung — so ist das meines Erachtens auch ein ganz ausreichender Grund, um den Bestrebungen, die Landgemeinden überhaupt einer solchen Verpflichtung zu entziehen, entgegenzutreten. Da, wo derartige Stellen nicht vorhanden sind, kann natürlich das Gesetz — nach der bekannten exceptio Caesarea — überhaupt nicht zur Anwendung kommen; sind aber derartige Stellen vorhanden, so muß es zur Anwendung kommen, auch wenn die Seelenzahl weniger als 2000 beträgt.
Meine Herren, die Staatsregierung ist nicht in der Lage, die Beschlüsse Ihrer Commission zu § 1 in dem anderen Hause ver⸗ treten zu können. Sie erachtet, daß diese Beschlüsse das Recht und die Billigkeit, aber vor allen Dingen auch die Interessen der Heeresverwaltung gefährden. Die Staatsregierung glaubt nicht, Beschlüssen zustimmen zu können, durch welche in mehr oder minderem Maße die Gefahr der Interessenverletzung der Militär⸗ verwaltung entstehen könnte. Sie erkennt an, daß diese Gefahr sehr wesentlich gemildert wird durch das Amendement von Tzschoppe, und sie würde, wenn das Amendement des Abg. Eberty keine Annahme finden sollte, versuchen, ob sie im anderen Hause mit diesem Amendement des Abg. von Tzschoppe das Gesetz zu stande bringen kann. Dagegen ist dieselbe — ich wieder⸗ hole es — nicht in der Lage, die Beschlüsse Ihrer Kom⸗ mission auch im anderen Hause vertreten zu können. Die Staatsregierung glaubt, mit Rücksicht auf den Zweck des Gesetzes, principaliter an ihren dem Recht und der Billigkeit entsprechenden Vorschlägen festhalten zu sollen, und ich kann deshalb in erster Linie nur die Annahme des Amendements Eberty beantragen.
Abg. Eberhard (cons.): Seine Partei trete trotz schwerer Be⸗ denken auf den Boden der Vorlage, müsse aber dabei beharren, daß die Commissionsbeschlüsse Annahme fänden, und sei nicht in der Lage, für das Gesetz zu stimmen, wenn an den Commissionsbeschlüssen wesentliche Aenderungen erfolgen sollten. Eine Ausdehnung der Ver⸗ sorgungspflicht der Militäranwärter auf Gemeinden unter 3000 Seelen werde diesen ohnehin schon belasteten Gemeinden nur unnütze Wei⸗ terungen verursachen. Ueberdies seien in Gemeinden unter 3000 Seelen nur verschwindend wenige, für die Militäranwärter be⸗ “ Stellen vorhanden, und diese Stellen wie Gemeinde⸗
oten und Nachtwächter, würden in der Regel von solchen Leuten versehen, die die Gemeinde ohnehin zu erhalten habe. Die Mi⸗ litäranwärter würden auf die Dauer doch nicht mit so gering be⸗ soldeten Stellen zufrieden sein, und ein Beamtenwechsel werde für die Gemeinden keineswegs von Vortheil sein. Es sei unrichtig, an Stadt und Land denselben Maßstab zu legen. Zweifellos würden durch dieses Gesetz die Städte entlastet und die Landgemeinden belastet. Weshalb solle in dieser Richtung noch mehr in das Selbst estimmungsrecht der Gemeinden eingegriffen werden? Die von der Commission sezogene Grenze lehne sich an die Landgemeindeordnung an, und es liege auf der Hand, daß erst in Gemeinden, die einen eigenen Schulzen besolden könnten, sich be⸗ gehrenswerthe Militäranwärterstellen finden würden. Einer Herab⸗ minderung von 3000 auf 2000 könne seine Partei nicht zustimmen. . möchte er gerne Auskunft darüber haben, wieviel von den jährlich zur Verausgabung gelangenden Civilversorgungsscheinen auf Militärinvaliden und wieviel auf solche entfielen, die, ohne Militär⸗ invaliden zu sein, auf Grund einer zwölfjährigen Dienstzeit bei guter Führung einen Anspruch auf einen Civilversorgungsschein erworben hätten. Man theile ihm mit, daß jährlich 5000 Civil⸗ versorgungsscheine ausgegeben würden, von denen 3000 auf Militär⸗ invaliden fielen. Schließlich möchte er seine Partei gegen den Vorwurf verwahren, als wolle sie mit ihrer Stellung zu diesem Ent⸗ wurf den Interessen der Heeresverwaltung entgegentreten. Die con⸗
servative Partei sei nach ihrer ganzen Vergangenheit über einen solchen Vorwurf erhaben.
8 Frereeüssser. General⸗Lieutenant von Kaltenborn⸗ Stachau. 1
Auf die Anfrage des Herrn Vorredners möchte ich zunächst er⸗ widern, daß die Angaben von ihm in Bezug auf den Begriff der In⸗ validen als richtig von der Heeresverwaltung anerkannt werden; ebenso ist das Verhältniß der Invaliden zu den nach zwölfjähriger Dienstzeit zu versorgenden Anwärtern als richtig angegeben.
Wenn ich dagegen gefragt werde, ob eine Schädigung der In⸗ teressen des Heeres darin liegt, wenn der Commissionsantrag, d. h. die Grenze von 3000 Seelen, angenommen wird, so muß ich erklären, daß die Heeresverwaltung wohl der Ansicht ist, daß darin eine Schädigung des Heeres liegt. (Hört, hört! links.) Denn dem Heere muß daran liegen, jede irgendwie wünschenswerthe Stelle, die einem versorgungsberechtigten Unteroffizier eine auskömmliche Einnahme bietet, für diesen Zweck zu gewinnen, und es wird in allen Theilen des Heeres der Wunsch bestehen, daß das hohe Haus dafür eintritt und dafür stimmt, daß diese Möglichkeit, vermehrte Stellen für die Unteroffizierversorgung zu schaffen, in höherem Maße erfüllt wird, als die Commissionsbeschlüsse bezw. der Antrag von Tzschoppe dies be⸗ absichtigen.
Abg. Roeren (Centr.): Wenn seine Freunde auch für das
rincip der Vorlage seien, so wollten sie doch den Zwang gegen die Communen nicht weiter ausdehnen, als unbedingt nothwendig sei. Eine dringende Nothwendigkeit, die bestehende Anstellungspflicht auch auf die Landgemeinden auszudehnen, liege nicht vor. Jedenfalls sei es nicht erforderlich, die Gemeinden zu zwingen, dafür Fürsorge zu treffen, daß jeder Unteroffizier, der zwölf Jahre gedient habe, unmittel⸗ bar nach seinem Abgang eine auskömmliche Stelle erhalte. Seine Partei werde für die Commissionsfassung stimmen.
Minister des Innern Herrfurth:
Dem Herrn Abg. Roeren will ich zugeben, daß dadurch, daß die Landgemeinden ganz oder theilweise dieser Verpflichtung enthoben werden, irgendwelche Verminderung oder Vergrößerung der Ver⸗ pflichtungen der Städte in keiner Weise erwächst. Darauf
8
habe ich aber auch meine Ausführungen nicht gerichtet, darauf den Wunsch, daß das Amendement des Herrn Abg. Eberty angenommen werden möge, nicht gegründet, sondern ich habe hervorgehoben, es handelt sich hier um eine Frage der Sicherung und Erhaltung der Wehrhaftigkeit des Reichs und der Wahrung der Interessen der Heeresverwaltung, und dafür hat Stadt und Land gleichmäßig einzutreten (sehr richtig! links) ohne Rücksicht darauf, ob vielleicht für einen Theil der Beamten eine einmalige größere Arbeit erwächst oder nicht; denn die Arbeit beschränkt sich darauf, daß festgestellt werden muß, in welchen Gemeinden sind solche Stellen überhaupt vorhanden, und die Gemeinden, in denen es derartige Stellen nicht giebt, fallen dann ein für alle Mal fort.
Wenn der Herr Abg. Roeren in Uebereinstimmung mit Herrn Abg. Eberhard die Grenze von 3000 Einwohnern dadurch zu recht⸗ fertigen versucht, daß in der Landgemeindeordnußg⸗ für die östlichen Provinzen Gemeinden von 3000 Einwohnern als diejenigen bezeichnet sind, bei denen die Anstellung eines besoldeten, nicht der Gemeinde angehörigen Gemeindevorstehers zulässig sei, so möchte sich doch auf eine andere Gesetzesbestimmung hinweisen, welche der Herr Abg. von Tzschoppe mit ganz demselben Rechte für seinen Antrag anführen kann. In der neuesten Landgemeindeordnung für die Provinz Schles⸗ wig⸗Holstein ist diese Grenze nicht auf 3000, sondern auf 2000 festgestellt. (Hört, hört! links.) Es ist bei dieser Commissions⸗ berathung speciell durch den Antrag, der aus der Mitte der Com⸗ mission gestellt worden ist wegen Anstellung von besoldeten Gemeinde⸗ beamten auf Kreise hingewiesen, in denen regelmäßig ein Rechnungs⸗ führer mit einet Besoldung von 2000, 2500, ja 3000 ℳ angestellt zu werden pflegt. Nun, meine Herren, ich glaube, das sind Stellen, die die Militäranwärter mit Vergnügen annehmen würden. (Sehr richtig!)
Wenn nun der Herr Abg. Roeren sagt, die Zahl der Unter⸗ offiziere, die Zahl der Militäranwärter ist gegenüber der Zahl der jetzt bereits ausgeschriebenen Stellen garnicht so erheblich, daß wi eine Ausdehnung dieser Verpflichtung brauchen, dann möchte ich i doch darauf hinweisen, daß, wie bereits von dem Commissar de Herr Kriegs⸗Ministers in der Commission mitgetheilt ist, augenblick lich noch ein Manquement von 2000 Unteroffizierstellen in der Armee vorhanden ist (hört, hört!), daß es sehr wünschenswerth ist dadurch, daß man den Unteroffizieren eine bessere Versorgung für di Zukunft sichert, den Andrang zu der Carriere der Unteroffiziere zu vermehren und tüchtige, zuverlässige Leute dazu zu bringen, daß sie sich diesem Stande widmen.
Ich glaube also, nach dieser Richtung hin sind die Einwendungen gegen die Regierungsvorlage nicht hegründet. Es wäre der Regierung schon nicht leicht, das Amendement des Abg. Tzschoppe im anderen Hause zu vertreten, für die Commisstonsvorlage einzutreten, würde dieselbe nicht in der Lage sein, und zwar aus Gründen⸗des Rechts und der Billigkeit, hauptsächlich aber, weil, wie der Herr Kriegs⸗ Minister hervorgehoben hat, hierdurch eine Gefährdung der Interessen der Heeresverwaltung entstehen würde.
Major von Back: Es seien “ in den letzten Jahren 5000 Stellen ausgeboten worden, während 1760 Militäranwärter Stellung erhalten hätten. Uebrigens sei die Zahl der ausgegebenen Civilversorgungsscheine nicht gleich der Zahl der wirklich erfolgten Anstellungen, denn einem Manne mit der Vorbildung eines Feuer⸗ werkers oder Feldwebels etwa aus Ostpreußen könne man nicht zu⸗ muthen, nun sofort jede im Rheinland gebotene Civilstellung anzu⸗ nehmen; es müsse auch da eine gewisse Freiheit der Auswahl bleiben. 1 “ 1 “
Abg. Seyffardt Anl.): Seine Partei könne das Privilegium, das man den Landgemeinden durch die Commissionsbeschlüsse gewähren wolle, nicht acceptiren; es habe keinen Sinn, die Landgemeinden anders zu behandeln, als die städtischen Communen. Sie werde daher für die Wiederherstellung der Vorlage stimmen, eventuell für den Antrag von Tzschoppe. 11“ 88
Abg. Dr. Hammacher (nl.): Er schließe sich diesen Ausführungen an; er bestreite den Conservativen nicht, sie großes Interesse für die Armee hätten, doch scheine es ihm, daß sie dieses Interesse dem für die kleineren Landgemeinden nachsetzten. ö“
Abg. Eberty (dfr.): Er verstehe es nicht, wie die Conservativen in dieser Frage mit seiner Partei 1““ Ein tüchtiges Unterofftzier⸗Corps ser so dringend nöthig, daß man sich durch nichts abhalten lassen sollte, für die Schaffung und Erhaltung eines solchen zu wirken. Wie man in dieser Beziehung einen Unter⸗ schied zwischen Stadt und Land construiren könne, sei ihm un⸗ erfindlich. Die Rücksicht auf die den Landgemeinden aus der Re⸗ gierungsvorlage entstehende Schreibarbeit könne nicht ausschlaggebend sein, weil diese da, wo sie wirklich vorkomme, sich auf einfache An⸗ zeigen bei der Militärbehörde beschränke, also durchaus geringfügiger Natur sei. Das Princip der Vorlage sei eine Analogie zur all⸗ gemeinen Wehrpflicht; hiervon Exemptionen zu constatiren, bedeute die Durchbrechuug eines Princips, für welches sonst doch gerade die Conservativen besonders in die Schranken träten.
Abg. von Tiedemann⸗Labischin (freic.): Die Unterscheidung von Stadt und Land und die mechanische Trennung der Land⸗ gemeinden in solche von unter und über 3000 Einwohnern sei ihm nicht sympathisch. Nach seinen Erfahrungen in drei Provinzen kämen in einzelnen Provinzen zahlreiche Städte vor, die viel unbedeutender seien, als Landgemeinden in anderen Provinzen. In der Provinz Posen z. B. gebe es sehr viele Städte von weniger als 1000 Einwohnern; die mit mehr als 3000 Einwohnern ließen sich an den Fingern abzählen. In der Rheinprovinz aber und auch in Schleswig⸗Holstein kämen zahlreiche Landgemeinden vor mit Ein⸗ wohnerzahlen zwischen 1000 und 2000, die durch geographische Lage, industrielle und Handelsbedeutung, heche⸗ Bevölkerung u. s. w. viel ansehnlicher seien und die auch ilitäranwärtern viel mehr Gelegenheit zur Civilanstellung böten, als jene Städte in Posen.
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (cons.): Es komme hier nur sehr nebensächlich das Interesse der Heeresverwaltung, in der Hauptsache dagegen die gerechte Vertheilung der Lasten zwischen kleinen und großen Communen in Betracht. Die Militärver⸗ waltung habe nicht entfernt einen Vortheil von der beabsichtigten Mahnahme⸗ der die Nachtheile und Belastungen der kleinen Communen ausgliche. Wolle man der Verwaltung bezüglich der Versorgung der Unteroffiziere wirklich helfen, dann müsse man das Gesetz viel weiter ausdehnen.é Dazu habe aber die Regierung selbst nicht einmal die Anregung gegeben. Das Gesetz, wie es vorliege, sei lediglich eine weitere Begünstigung der Städte. Heute werde seine Partei für die E“ stimmen; was sie morgen thun werde, wisse Fe noch nicht. (Heiterkeit.)
g. Eberty (dfr.): Die Behauptung, daß die Vorlage auf eine Begünstigung der Städte hinauslaufe, bestätige seine Annahme, daß die Conservativen zu ihrem Verhalten lediglich durch ihr Interesse für die Landgemeinden veranlaßt seien.
§ 1 wird hierauf nach den Beschlüssen der Commission angenommen, für welche die Mehrzahl des Centrums und der Conservativen stimmt. 5 ““ ö“
Nach § 2 der Vorlage sind ausschließlich mit Militär⸗ anwärtern zu besetzen: 1) die Stellen im Kanzleidienst, aus⸗ schließlich derjenigen der Lohnschreiber, soweit deren Inhaber