einstimmig na 4“”“ Verschlechterung sei. Eine Ausnahmestellung für die inden unter 3000 Seelen sei durchaus nicht mehr gerechtfertigt; er wünde gern für die ursprüngliche Regierungsvorlage stimmen, wenn diese überhaupt noch Aussicht auf Annahme im anderen Hause hätte. Minister des Innern Herrfurth: 1“
Ich möchte in diesem Stadium der Berathung auf eine Erörte⸗ rung der Frage überhaupt nicht mehr eingehen, ob der § 2, der im Abgeordnetenhause diesem Gesetze neu hinzugefügt worden ist, eine Verbesserung oder eine Verschlechterung desselben euthält. Nachdem Ihre Commission einstimmig sich dafür entschieden hat, diesen Paragraphen in seinen wesentlichen Bestimmungen anzu⸗ nehmen, jedoch die Aenderung eintreten zu lassen, daß die Seelenzahl von 3000 auf 2000 herabgesetzt werde, und da ich nach den Erklärungen der beiden Herren Vorredner wohl annehmen kann, daß das Haus mit großer Majorität diesem Beschlusse der Commission beitreten wird, kann ich mich darauf beschränken, die Erklärung zu wiederholen, die die Königliche Staatsregierung im andern Hause und in der Commission Ihres Hauses abgegeben hat⸗ nämlich, daß sie schwere Bedenken getragen haben würde, dem Gesetze zuzustimmen, wenn der § 2 unverändert angenommen wäre, daß sie darin nach den Erklärungen des Herrn Kriegs⸗Ministers im andern Hause eine Gefährdung dermilitärischen Intereffen gesehen haben würde, daß sie aber nach den Veränderungen der Zahlen⸗ grenze, welche die Commission vorgeschlagen hat und die auch von den beiden Herren Vorrednern empfohlen worden ist, dem §2 ihrer⸗ seits zustimmt und bei Seiner Majestät die Allerhöchste Sanction dieses Gesetzes zu beantragen bereit sein wird.
§ 2 wird nach dem Antrage der Commission mit großer Mehrheit angenommen.
Bei § 3 erklärt Ober⸗Bürgermeister Struckmann, daß die Stellung der Stadtsergeanten eine solche sei, daß man ihre Thätig⸗ keit nicht als wesentlich mechanische Dienstleistungen betrachten könne, sodaß sie nicht unter § 3 fielen, sondern unter § 4, d. h. es sollten für diese Stellen nicht ausschließlich, sondern nur zur Hälfte Militär⸗ anwärter berufen werden. 1“ 1
Minister des Innern Herrfurth: —
Meine Herren! Dem Wunsche des Herrn Ober⸗Bürgermeisters Struckmann, dem er in seinen letzten Worten Ausdruck gegeben hat bin ich Rechnung zu tragen sehr gern bereit. Ich glaube, wir be⸗ finden uns über die Frage nicht in einer Differenz, ob überhaupt Militäranwärter ausschließlich bezw. vorzugsweise für die städtischen Polizeisergeantenstellen zu verwenden seien, sondern es handelt sich lediglich um die Frage, ob diese Verwendung erfolgen solle auf Grund der Bestimmung des § 3 Nr. 2, oder auf Grund der Be⸗ stimmung in § 5.
Nun muß ich anerkennen, daß sich aus dem Wortlaut des Ge⸗ setzes diese Frage nicht ohne weiteres entscheiden läßt; es ist eine quaestio facti, die in jedem einzelnen Falle wird zum Austrag gebracht werden müssen, und ich glaube, sie wird nicht einmal überall und für alle Gemeinden gleichmäßig entschieden werden können, vielleicht sogar nicht einmal gleichmäßig entschieden werden können innerhalb einer und derselben Gemeinde für alle Stellen. Ich darf daran erinnern, daß auch bei der Königlichen Schutzmannschaft man den Unterschied gemacht hat zwischen den Criminalschutzleuten und den übrigen Schutzleuten, sodaß man auch berechtigt sein würde, innerhalb der städtischen Polizeiverwaltung einen ähnlichen Unterschied zu machen zwischen denjenigen, welche mit schwierigeren Functionen beauftragt werden, und denjenigen, deren Beschäftigung im wesent⸗ lichen in mechanischen Dienstleistungen besteht.
Ich bin sehr gern bereit, bei den Bestimmungen, die auf Grund des § 16 zur Ausführung dieses Gesetzes zu erlassen sein werden, diese Frage in erneute Erwägung zu ziehen, und namentlich auch den Re⸗ gierungs⸗Präsidenten anheim zu geben, in jedem einzelnen Falle eine genaue Prüfung eintreten zu lassen. Im großen und ganzen für die Mehrzahl der Polizeisergeanten, glaube ich aber, ist anzunehmen, daß sie dieselbe Stellung haben wie die Königlichen Schutzmänner, und in Betreff derer ist allerdings bei der Aufstellung der Grundsätze von 1882 davon ausgegangen worden, daß sie, soweit sie nicht Criminal⸗ schutzmänner seien, zu denjenigen gehören, deren Obliegenheiten im wesentlichen in mechanischen Dienstleistungen be⸗ stehen.
Darauf wird der Rest der Vorlage en bloc angenommen; sie muß wegen der Aenderung im § 2 nochmals an das Abgeordnetenhaus gehen.
Es folgt die wiederholte Schlußberathung über die Land⸗ gemeindeordnung für Schleswig⸗Holstein.
Der Berichterstatter Ober⸗Bürgermeister Fuß weist darauf hin, daß in der Commission sich kein grundsätzlicher Widerspruch geltend gemacht habe; die Commission habe einstimmig die Annahme der Vorlage empfohlen. Im Plenum habe sich vor Pfingsten ein grundsätzlicher Widerspruch erhoben, und die Debatte habe drei Mit⸗ glieder der Commission bewogen, gegen die Vorlage zu stimmen. Trotz⸗ dem glaube er als Berichterstatter die Annahme der Vorlage auch jetzt noch empfehlen zu sollen, namentlich da sie im Plenum mit Mehrheit bereits angenommen sei. Die Gegner der Vorlage wollten die Provinz Schleswig⸗Holstein mit der ihnen selbst unangenehmen Vorlage noch verschonen; aber die Provinz gehöre nunmehr 25 Jahre dem Staat an, und der Provinzial⸗Landtag habe die Vorlage ge⸗ wünscht.
Geheimer Regierungs⸗Rath Bredt empfiehlt die en bloc-An⸗ nahme der Vorlage.
Graf Klinckowstroem verwahrt sich dagegen, daß vor Pfingsten eine Ueberrumpelung stattgefunden habe; ir Zweigert habe den Ausdruck allerdings nachher in Ueberraschung umgewandelt, aber die fortschrittliche Presse habe lediglich mit der Ueberrumpelung weiter earbeitet. Redner verwahrt sich dagegen, daß er in der früheren
ebatte ein vom König sanctionirtes Gesetz kritifirt habe; das ent⸗ spreche seinen Lebensgewohnheiten nicht, sei aber durchaus nicht ver⸗ boten, denn sonst könne man kein altes S durch ein neues er⸗ setze. Er habe das Recht des freien Wortes im Hause und mache davon Gebrauch bei Vorlagen, die ihm nicht gefielen. Er hoffe, daß die Aeußerung des Ministers gegen ihn auf einem Miß⸗ verständniß beruhe, und daß er durch eine dahin gehende Erklärung
ie Debatte wieder in sachliche Bahnen leiten werde. (B ifall.)
Minister des Innern Herrfurth:
Meine Herren! Ich kann meinerseits mich mit den heutigen Ausführungen des Herrn Grafen von Klinckowstroem nur vollständig einverstanden erklären. Ich meine, die Stellung, die er den Mit⸗ gliedern der beiden Häuser des Landtags gegenüber der bestehen⸗ den Gesetzgebung vindicirt, ist eine vollständig zutreffende, ebenso wie die Königliche Staatsregierung selbst ja auch dem bestehenden Gesetzeszustand gegenüber dieselbe Stellung einnimmt. Denn das ist richtig: jeder neue Gesetzentwurf, den die Staatsregierung der Beschluß⸗
ssung des Landtags unterwirft, enthält eine Kritik des bis dahin
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bestehenden Rechtszustandes, den zu ändern, der Gesetzentwurf bestimmt ist. — Also nach dieser Richtung trifft, glaube ich, das Mißverständniß, das angeblich untergellaufen ist, in erster Linie nicht mich, sondern vielleicht im höheren Maße diejenigen Herren, die in meinen Worten einen Vorwurf gegen ihre persönliche Stellung zu den Maßnahmen Seiner Majestät des Kaisers und Königs haben sehen wollen. Ich erkenne vollständig das Recht eines jeden Mitgliedes der beiden Häuser des Landtags an, diese Kritik an dem bestehenden Recht ebenso zu üben, wie an Gesetzesvorlagen, die Ihnen zur Berathung und Beschlußfassung vorgelegt werden. Ich habe — und das ist, glaube ich, aus meinen Worten, die Herr Graf von Klinckowstroem vorgelesen hat, auch zu erkennen — nur meinerseits damals abgelehnt, überhaupt in eine Erörterung über die Vorzüge oder Nachtheile der Landgemeindeordnung vom 3. Juli v. J. einzutreten. Ich habe ge⸗ sagt, dieses Gesetz ist im vorigen Jahre von beiden Häusern angenommen, ist durch Allerhöchste Sanction ein Theil des bestehenden öffentlichen Rechts geworden; auf eine Erörterung über principielle Fragen dieses Gesetzes lasse ich mich jetzt nicht mehr ein; ich beschränke mich lediglich auf den vorliegenden Gesetzentwurf, der dieses Gesetz als ein bestehendes Recht hinnimmt und es in eine neue Provinz einführen will. Ich habe ausdrücklich, um auch meine einleitenden Worte noch hinzuzufügen, gesagt: „Meine Herren, Herr Graf von Klinckowstroem hat prin⸗
cipielle Bedenken und Gründe provinzieller Natur gegen die Annahme der Landgemeindeordnung für die Provinz Schleswig⸗ —Holstein geltend gemacht. Was seine principielle Stellung anlangt,
so glaube ich, müssen wir dieses Gesetz als einen Theil des be⸗
stehenden Rechts hinnehmen.“ Ich habe dabei allerdings vorausgesetzt, daß Herr Graf von Klinckow⸗ stroem, der im vorigen Jahre, wenn ich mich recht erinnere, gegen die Landgemeindeordnung gestimmt hat, an seiner principiellen Stellung zu diesem Gesetz dadurch, daß es in der Gesetzsammlung abgedruckt worden ist, nichts weiter geändert hätte; ich habe es aber abgelehnt, auf irgend soölche Fragen — ebensowenig wie er das ja speciell von sich hervorgehoben hat — einzugehen, und habe mich nach diesen einleitenden Worten in meiner übrigen Rede lediglich auf die Fragen provinzieller Natur beschränkt. Nun will ich, nachdem ich das Stenogramm nochmals gelesen habe, anerkennen, daß er seine principielle Stellung nicht einmal in der Weise, wie ich sie aufgefaßt habe, constatirt hat, sondern sich namentlich darauf bezogen hat, daß wir noch keine Erfahrungen mit dieser inzwischen Gesetz gewor⸗ denen Landgemeindeordnung gemacht haben und haben machen können. Nach dieser Richtung habe ich ihm ja auch soviel zugegeben: das ist richtig, wir haben solche Erfahrungen zur Zeit noch nicht gemacht, wir können sie nicht gemacht haben, wir werden sie aber — und das ist das andere Moment — in ihrem vollen Umfange auch erst nach einer Reihe von Jahren machen, und wenn wir diese Erfahrungen in ihrem vollen Umfange abwarten wollen, müssen wir die Fortführung der ganzen Land⸗ gemeindeordnungs⸗Gesetzgebung auf eine längere Reihe von Ja hren sistiren, und dazu habe ich hinzugefügt: das ist nicht der Standpunkt der Staatsregierung. Di Staatsregierung ist, als sie die Landgemeindeordnung für die sieben östlichen Provinzen im vorigen Jahre einbrachte, von der Ueberzeugung ausgegangen, deß sie eine wesentliche Verbesserung des bestehenden Rechtszustandes mit diesem Gesetz herbei⸗ führen werde; sie glaubt dieses Ziel für die östlichen Pro⸗ vinzen erreicht zu haben und sie will dieses selbe Ergebniß dann auch auf dem gleichen Wege für die Provinz Schleswig⸗Hol⸗ stein, in welcher gleichartige Verhältnisse obwalten, herbeiführen.
Meine Herren, ich möchte hier eine kurze Bemerkung einschalten. In den letzten vierzehn Tagen, also seit der vorigen Berathung, habe ich auf Grund der von mir veranlaßten Ermittelungen doch schon Nachrichten erhalten, die man als Erfahrungen in Beteeff dieser Landgemeindeordnung bezeichnen kann, allerdings nicht als positive Erfahrungen, aber als negative nach der Richtung hin, daß ein großer Theil der Besorgnisse, die von den Gegnern der Landgemeindeordnung bei deren Berathung gehegt wurden, sich als unbegründet erwiesen haben, und daß die Bedenken, die gerade von diesem Standpunkt aus gegen die Landgemeindeordnung geltend gemacht worden sind, einer thatsächlichen Begründung entbehren. Einer der wesentlichsten Punkte der Landgemeindeordnung war die Ausdehnung des commu⸗ nalen Stimm⸗ und Wahlrechts auf die nicht Angeses⸗ senen, und es war von einem großen Theil der Gegner dieses Reform⸗ werks die Befürchtung ausgesprochen worden, es würde dadurch ein Uebergewicht der nicht Angesessenen über die Angesessenen her⸗ beigeführt werden, es würde eine Majorisirung des an⸗ gesessenen Bauernstandes durch die nicht Angesessenen eine Folge dieser Gesetzgebung sein. Nun, meine Herren, hat sich, nachdem inzwischen die Wahlen zu den Gemeindevertretungen stattgefunden haben, herausgestellt, daß, abgesehen von einem Bezirk, von dem ich die Zahlen noch nicht erhalten habe, im ganzen in den östlichen Provinzen die Zahl der Gemeinden, in denen eine gewählte Gemeindevertretung in Zukunft über die Verwaltung der Gemeinde⸗ angelegenheiten zu beschließen hat, sich vervierfacht hat. Es war bis jetzt, abgesehen von dem einen Bezirk, in 1915 Gemeinden eine gewählte Gemeindevertretung vorhanden. Diese Zahl hat sich nach Einführung der neuen Gemeindeordnung auf 7850 erhöht. In diesen beinahe 8000 Gemeinden beträgt die Zahl der gewählten Ge⸗ meindevertreter über 100 000, die Zahl der nicht Angesessenen beträgt wenig über 2000, also nur etwa 2 % der gewählten Gemeinde⸗ vertreter gehören den nicht Angesessenen an. Man hat damals, um ein Uebergewicht der nichtangesessenen Gemeindevertreter gegenüber der angesessenen Bevölkerung zu vermeiden, in das Gesetz die Bestimmung aufgenommen, daß niemals mehr als ein Drittel der Mitglieder der Gemeindevertretung nicht angesessen sein dürfe. Nach dem Ergebniß der inzwischen stattgehabten Wahlen hat sich die in dieser Bestimmung ausgesprochene Befürchtung als gänzlich unbegründet erwiesen.
Im übrigen will ich es heut, ebenso wie vor 14 Tagen, ver⸗ meiden, auf die materiellen Bestimmungen der Landgemeindeordnung vom 3. Juli v. J. näher einzugehen. Ich will nur hervorheben, daß der Provinzial⸗Landtag der Provinz Schleswig⸗Holstein sowohl in der Commission wie im Plenum sich mit überwältigender Majorität für die Einführung des Gesetzes in dieser Provinz erklärt hat unter Ab⸗ lehnung der Anträge auf Verschiebung des Einführungstermins, daß demnächst im andern Hause die Commission mit allen gegen eine Stimme und daß das andere Haus selbst mit sehr großer Ma⸗ jorität und unter Zustimmung vieler, die im vorigen Jahre gegen das
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Gesetz gestimmt haben, sich für das Gesetz ausgesprochen hat und deß endlich Ihre eigene Commission sich einstimmig mit dem Gesetze ein⸗ verstanden erklärt hat. Hiernach glaube ich die Berechtigung zu haben, den Wunsch auszusprechen, daß auch dieses hohe Haus mit großer Majorität, wenn eine Einstimmigkeit nicht zu erzielen ist, den Ge⸗ setzentwurf annehmen möge. (Bravo!)
Geheimer Regierungs⸗Rath Bredt verweist auf die Verhand⸗
lungen des Provinziallandtags von Schleswig⸗Holstein, in denen die No⸗ digkeit der Vorlage von allen Seiten anerkannt worden sei. Auf dieses Votum ha Herr von Maltzahn bei der früheren Berathung mit Recht großes Gewicht gelegt; hoffentlich werde das Haus sich heute nur von sachlichen Erwägungen leiten lassen und die Vorlage mit großer Mehrheit annehmen. Freiherr von Manteuffel verwahrt sich dagegen, daß ihn und seine Freunde bei der früheren Berathung andere als sachliche Gründe geleitet hätten; das könnten nur persönliche Gründe sein; es sei aber nicht einmal angedeutet, gegen welche Person sich dieselben richteten. Die sachlichen Gründe hätten darin bestanden, daß man keine genügenden Erfahrungen gemacht habe ; darin sei er mit dem Grafen Klinckowstroem, der ein grundsätzlicher Gegner der Landgemeindeordnung sei, während er ihr zuge⸗ stimmt habe, vollständig einig. Das Votum des Provinzial⸗Land⸗ tags könne sie in ihrer Auffassung nicht beirren. Warum wolle man die Landgemeindeordnung unter allen Umständen jetzt einführen, während das zu erwartende Gesetz über die Communalbesteuerung wieder alles umändere? Bis zur Erledigung dieses Gesetzes hätte man doch warten sollen. Die vom Minister gegebenen Zahlen seien er⸗ freulich, aber er fürchte, daß mit der Zeit der Einfluß der Besitzenden doch mehr geschwächt werden werde, als es bisher geschehen sei, weil die Gemeinden noch nicht darüber beschlossen hätten, ob die Ein kommen unter 900 ℳ zur Steuer herangezogen werden sollten.
Minister des Innern Herrfurth:
Ich wollte nur in Betreff der letzten Worte des Herrn Freiherr von Manteuffel darauf hinweisen, daß ein anderes Verfahren j Betreff der Wahlen zur Gemeindevertretung überhaupt gesetzlich gar nicht zulässig gewesen sein würde, und zwar nicht zulässig gewesen sein würde infolge des Umstandes, weil gerade in dem angegebenen Sinne eine Bestimmung der Regierungsvorlage im andern Haus und demnächst in diesem Hause — und zwar auf Antrag von Freunden des Freiherrn von Manteuffel — geändert worden ist.
Geheimer Regierungs⸗Rath Bredt bleibt bei seinen früheren Ausführungen. 88 1“
Graf von der Schulenburg⸗Beetzendorf bhält es für be⸗ denklich, die Landgemeindeordnung, die die seßhafte Bevölkerung schädige, allzu schnell in anderen Provinzen einzuführen; er stimme deshalb gegen die Vorlage. 1 . Obber⸗Bürgermeister Becker erkennt es dankbar an, daß endlich im Osten die Landgemeindeverhältnisse geordnet seien. Man habe dies schon bei der Kreisordnung thun wollen. Gegen die Kreis⸗ ordnung seien dieselben Unkenrufe laut geworden und sie habe sich glänzend bewährt. Principieller als der Provinzial⸗Landtag brauche das Haus nicht zu sein. Das Haus müsse der Regierung dankbar sein für die Vorlage und wünschen, daß sie auf dem betretenen Wege fortschreite. Bis zum Communalsteuergesetz zu warten, würde äußerst bedenklich sein.
Minister des Innern Herrfurth:
Es ist bereits von dem Herrn Vorredner die etwas sehr eigen⸗ thümliche Auslegung kritisirt worden, die Herr Graf von der Schulenburg den Beschlüssen des Schleswig⸗Holsteinischen Provinzial⸗ Landtags hat zu theil werden lassen. Herr Graf von der Schulen⸗ burg meint, wenn man diese Verhandlungen lese, käme man zu der Meinung, daß der Provinzial⸗ Landtag sage: ja, ein Schaden wird uns doch einmal zugefügt werden, — das können wir leider nicht hindern; dann wollen wir aber den Schaden sobald als möglich haben. Wie lautet nun aber die officielle Er⸗ klärung des Provinzial⸗Landtags? Dieselbe sagt in der Einleitung: cs ist allgemein dankend anerkannt worden, daß die Vorlage mit den angeführten Aenderungen den besonderen Verhältnissen der Pro⸗ vinz Rechnung getragen hat. Es werden dann diese einzelnen Be⸗ stimmungen durchgegangen, und in der Endabstimmung über die ganze Vorlage hat der Provinzial⸗Landtag mit allen gegen zwei Stimmen beschlossen, sein Gutachten dahin abzugeben, daß der Land⸗ tag mit der Vorlegung des vorliegenden Gesetzent⸗ wurfs einverstanden ist. Nun, meine Herren, ich glaube, die Worte sind so klar und deutlich, daß keine Auslegung im stande ist, den entgegengesetzten Sinn ihnen beizulegen.
Graf von der Schulenburg⸗Beetzendorf bestreitet, daß die Kreisordnung sich glänzend bewährt habe. 8
„Freiherr von Maltzahn bedauert, daß Herr Bredt ihn seiner Abstimmung am 1. Juni wegen öffentlich gelobt habe; er sei, wie seine politischen Freunde, nur der eigenen Ueberzeugung gefolgt.
Die Vorlage wird darauf gegen etwa 20 Stimmen en bloc angenommen.
Schluß 3 Uhr.
Nächste Sitzung Freitag, 12 Uhr. Auf der Tagesordnung stehen: der mündliche Bericht der IX. Com⸗
mission über den Gesetzentwurf, über das Dienstein⸗ kommen der Lehrer an den nichtstaatlichen öffent⸗ lichen höheren Schulen, und der mündliche Bericht der Commission für den Staatshaushalts⸗Etat und füͤr Finanz⸗ Angelegenheiten über den Entwurf eines Gesetzes, wegen⸗ die Feststellung eines Nachtrags zum Staatshau shalts Etat für das Jahr vom 1. April 1892/93 (Herstellung einer Wasserleitung für den westlichen Theil des oberschlesischen Industriegebiets).
8 Haus der Abgeordneten. 75. Sitzung vom Mittwoch, 15. Juni.
Der Sitzung wohnen der Finanz⸗Minister Dr. Miquel und der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen bei. Die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Eisenbahnen unterster Ordnung, wird fortgesetzt. Die Berathung war gestern bis zum § 37 gelangt. Abg. von Tiedemann⸗Bomst beantragt die Einfügung folgendes § 37a: 8 Die auf Grund des Allerhöchsten Erlasses vom 16. September 1867, des Gesetzes vom 7. März 1868, des Gesetzes vom 11. März 1872 und der §§ 2 und 3 des Gesetzes vom 8. Juli 1875 den dort genannten Provinzial⸗ und Communal⸗Verbänden überwiesenen Kapitalien und Summen können auch zur Förderung des Bau⸗ von Kleinbahnen verwendet werden. 1 . 8 In Verbindung mit diesem Antrage wird die von der Commission beschlossene Resolution erörtert: Der Regierung zur Erwägung anheimzugeben, ob die Er⸗ weiterung der Verwendungszwecke im § 4 des Provinzialdotatkone⸗ gesetzes von 1875 auf die Fürsorge für den Bau von Loca Pea vnd 88 h.verae. 2 1“ und Kreislocalbahnen i Wege der Gesetzgebung herbeizuführen sei. 8g Abg. Se (cons.): Seine Partei bedauere, dem Antrage
“ I
von Tiedemann nicht zustimmen zu können. Sie sei ja mit dem Grund⸗
gedanken durchaus einverstanden, daß es wohl an der Zeit sei, daß die Provinzen und Kreise sich überlegten, ob sie noch weiter derartige viele und kostspielige Chausseen bauen wollten. Aber sie hätte doch wichtige Bedenken dagegen, daß schon jetzt eine derartige Bestimmung in das Gesetz aufgenommen werde. Namentlich in den östlichen Provinzen seien auf Grund des Provinzialdotationsgesetzes nur die größeren Chausseen gebaut worden, während ärmere Landestheile dieses Vortheils nicht in hinreichendem Maße theilhaftig geworden seien. Gebe man nun den Provinzialverbänden die Befugniß, die Mittel aus den Dotationsfonds nunmehr zum Bau von Kleinbahnen zu verwenden, so liege die Gefahr vor, daß die ärmeren Landestheile auch in Zukunft zu Gunsten der wirthschaftlich stärkeren der Bahnen verlustig gingen. Es müßten also Garantien geschaffen werden, daß die wirthschaftlichen Interessen genügend gewahrt würden.
Abg. von Eynern (nl.): Er sei im Princip für den Antrag von Tiedemann, halte ihn aber für überflüssig. Die Provinzialordnung hindere nicht, schon jetzt Gelder aus den Dotationsfonds zur Unter⸗ stüzung des Baues von Kleinbahnen zu verwenden. Wenn aber in einzelnen Provinzen Zweifel darüber bestehen sollten, dann sei er bereit, dem Antrage zuzustimmen, bitte ihn aber dann zu erweitern und unter die zulässigen Verwendungszwecke auch den Bau von Secundärbahnen aufzunehmen. 1 8 1b
Abg. Dr. Lieber (Centr.): Er habe eigentlich keine Bedenken
gen den Antrag; indessen da solche gewichtigen Einwände dagegen erhoben seien, müsse er doch dagegen stimmen.⸗ Doch sei er nicht abgeneigt, für eine im Sinne des Antrages von Tiedemann erweiterte Resolution zu stimmen, nur habe er Bedenken dagegen, daß eine diesbezgliche Vorschrift in das Gesetz aufgenommen werde. Seine Partei wolle der Regierung und den Provinzial⸗Landtagen Zeit zur Erwägung lassen. 5 Abg. Dr. Hammacher (nl.): Der Abg. von Eynern sei von
einer falschen Voraussetzung ausgegangen, wenn er meine, die Pro⸗ vinzen könnten schon jetzt Dotationsgelder für den Bau von Klein⸗ resp. Secundärbahnen verwenden. Der Antrag von Tiedemann wolle nichts anderes, als eine Erweiterung der Verwendungszwecke der den Provinzen zufließenden Dotationen. Zur Zeit sei es unzulässig, diese für den Bau von Bahnen zu verwenden. Hier solle den Provinzial⸗ behörden lediglich die Möglichkeit dazu eingeräumt werdek. Wenn nun in den östlichen Provinzen noch ein solcher Mangel an Chausseen herrsche, dann werde man doch zu den Provinzialbehörden das volle Vertrauen haben können, daß sie von der ihnen eingeräumten Befugniß keinen Gebrauch machen würden.
Abg. von Tiedemann⸗Bomst (freicons.): Daß sein Antrag überflüssig sei, könne er nicht zugeben, da nicht in allen Provinzen Dotationsgelder zum Bau von Bahnen verwendet werden dürften. Weshalb die Conservativen gegen seinen Antrag stimmen wollten, könne er sich nicht erklären, und besonders die Worte des Abg. Höppner klängen im Munde eines der Herren, die sonst so sehr für die Selbstverwaltung eingetreten seien, wie ein den Provinzialverwal⸗ tungen ertheiltes Mißtrauensvotum. Gegen seinen Antrag könnten durchaus keine berechtigten Bedenken vorgebracht werden.
Abg. Rickert (dfr.): Er verstehe die Einwendungen von der rechten Seite nicht. Die Herren hätten doch die Provinzialverwal⸗ tung vorwiegend in der Hand und fürchteten, ihren eigenen Ge⸗ nossen erweiterte Rechte in die Hand zu geben! Bei der Berathung des Dotationsgesetzes sei auch die Hereceicung der Provinzialver⸗ waltung ausgesprochen worden, zur Durchführung der Kreisordnung Beihilfen zu gewähren; aus dieser Facultät habe sich nicht die ge⸗ ringste Schwierigkeit ergeben. Ebenso wenig könne eine den Provinzial⸗ Selbstverwaltungsbehörden im Sinne des Antrages ertheilte Be⸗ rechtigung Bedenken gegen sich haben. Es sei gar nicht mehr nöthig, der Regierung und den Provinzial⸗Landtagen erst Zeit zu geben, sich mit der Frage zu befassen. Die Regierung habe doch schon in den 7Oer Jahren eine entsprechende Vorlage gemacht, die eine schwache Majorität des Hauses in dritter Lesung abgelehnt habe; in den Provinzen habe man überall den lebhaften Wunsch, zu der Möglich⸗ keit zu gelangen, für den Bau von Localbahnen Beihilfe zu gewähren. Auch jetzt scheine die Staatsregierung ja dem Grundgedanken des Antrages geneigt. Es würde sehr erwünscht sein, wenn der Minister eine diesbezügliche Erklärung abgeben wollte. ““
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Wenn ich auch nicht glaube, daß die Einfügung des Antrages von Tiedemann in das Gesetz für die nächste Zukunft weittragende praktische Folgen haben wird, so kann ich doch nicht ver⸗ kennen, daß es der einfachste und praktischste Weg ist, diejenigen Be⸗ denken wegzuräumen, die in einzelnen Provinzen noch jetzt gegen die Verwendung der Dotationen zu derartigen Zwecken bestehen; daß aber eine derartige Verwendung nützlich und angebracht ist, darüber kann der Eisenbahn⸗Minister nicht im Zweifel sein. (Sehr richtig!) Ich habe also meinerseits kein Bedenken gegen den Antrag von Tiedemann. Es ist mir auch bekannt, daß mein College der Herr Minister des
Innern ebenfalls keine Bedenken gegen den Antrag hat.
Abg. Ludowieg (nl.): Der Bau von Kleinbahnen werde am besten den Provinzialverwaltungen unterstellt, da diese über das jedes⸗ malige Bedürfniß und die geeignetste Art der Ausführung das richtigste Urtheil hätten. Er bitte daher, für den Antrag von Tiedemann zu stimmen.
Abg. Dr. Lieber (Centr.): Alle Redner wollten den Pro⸗ vinzialverwaltungen die Möglichkeit eröffnen, die Dotationsfonds auch zur Erbauung von Kleinbahnen zu verwenden. Der Streit bestehe nur darüber, ob das schon in diesem Gesetz geschehen solle, oder ob die Staatsregierung durch eine Resolution aufgefordert werden solle, eine Vorlage desselben Inhalts demnächst zu machen. Er habe anfangs schwere Bedenken gegen den Antrag von Tiedemann gehabt, und eine Reihe seiner politischen Freunde wählten die Reso⸗ lutioen als den richtigeren Weg. Er habe den Eindruck gewonnen, als ob die Sache mit Gewalt hier durch das Haus gedrückt werden solle, um jede Bedenklichkeit, die da⸗ gegen auftreten könne, im Keime zu ersticken. Es werde ihm in der That schwer, für den Antrag von Tiedemann zu stimmen, er müsse jedoch zugeben, daß aus der Verschiebung der gesetzlichen Firirung des Ge⸗ dankens die Gefahr entstehen könne, daß es überhaupt nicht zu einer gesetzlichen Fixvirung komme. Die Resolution setze diese allen Möglich⸗ keiten aus, S seitens des Staats⸗Ministeriums als seitens der beiden Häuser des Landtags. Darum sei es besser, man setze die Bedenken zurück und entscheide sich für die augenblickliche Regelung der Frage. Er und, wie er glaube, die Mehrheit seiner politischen Freunde, würden daher für den Antrag von Tiedemann stimmen.
Abg. Höppner (cons.): Seine Partei wolle mit ihrem Antrag durchaus kein Mißtrauen gegen die Provinzialverwaltungen documen⸗ tiren, es handele sich vielmehr ganz einfach darum, ein wohlvorberei⸗ tetes Gesetz zu erlassen, und dazu gehöre, daß Klarheit darüber ge⸗ schaffen werde, ob die Provinzen Mittel aus den Dotationsfonds zum Kleinbahnbau verwenden könnten und ob die Regierung eine solche Verwendung für zulässig halte. Der Minister 88 sich zwar in diesem Sinn ausgesprochen, er hätte aber gern auch eine Erklärung des Ministers des Innern darüber gehört. Eine Garantie gegen mißbräuchliche Verwendung würde darin liegen, daß da, wo Chaussee⸗ bauten nöthig seien, zu Kleinbahnbauten keine Gelder aus Dotations⸗ fonds verwandt werden dürften. “
e Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Höpker: Der Minister der öffentlichen Arbeiten habe bereits erklärt, daß seine Erklärung auch im Namen des Ministers des Innern abgegeben sei; nachdem aber der Abg. Höppner jetzt trotzdem noch einen Zweifel ausgesprochen habe, ob der Minister des Innern mit der Annahme des Antrages von
iedemann einverstanden sein werde, sehe er sich veranlaßt, namens des Ministers des Innern und in dessen Auftrag ausdrücklich zu er⸗ klären, daß er gegen die Aufnahme des Antrages von Tiedemann in den vorliegenden Gesetzentwurf keinerlei Einwendung zu erheben habe. b g. von Eynern (nl.): Nach den wiederholten Erklärungen der Minister, die über die Verwendbarkeit der Dotationsfonds zu
Kleinbahnbauten keinen e ließen, werde auch er für den Antrag
immen. Allerdings hätte man schon aus dem Wortlaut der
ovinzialordnung, wonach der Dotationsfonds zu Meliorationen ver⸗ wendet werden solle, schließen können, daß auch die Verwendung für Kleinbahnen nicht ausgeschlossen sein solle, und insofern könne der Antrag von Tiedemann eigentlich überflüssig erscheinen, aber nachdem einmal Zweifel laut geworden seien, sei es besser, die Bestimmung ausdrücklich im Gesetz zu haben. Uebrigens habe auch schon bisher die Provinz Hannover keine Bedenken gegen die Verwendung von Provinzialgeldern zu Kleinbahnbauten gehabt, sie habe eine Kleinbahn in Ostfriesland aus Provinzialfonds unterstützt.
Der Antrag von Tiedemann wird darauf mit großer Mehrheit angenommen; dagegen stimmen nur einige Mitglieder des Centrums und der größere Theil der “ Die Resolution der Commission ist damit be⸗ eitigt. § 38, der die Verpflichtungen der Kleinbahnen gegen⸗ über der Postverwaltung präcisirt, wird ohne Debatte ange⸗ nommen.
Abschnitt II. des Gesetzes, §§ 39 bis 47, behandelt die Privatanschlußbahnen, die ebenfalls, sofern sie mit Maschinen⸗ betrieb eingerichtet werden, zum Bau und zum Betrieb der polizeilichen Genehmigung bedürfen. —
Bei § 39 bemerkt
Abg. von Tiedemann⸗Bonst (freiconf.): In der Commission habe er beantragt, die Frage der Ertheilung des Enteignungsrechts an Unternehmer von Privatbahnen in diesem Gesetz ausdrückli zu regeln, namentlich mit Rücksicht auf solche Bahnen, die nur von einem einzigen Interessenten und zu dessen Nutzen angelegt seien, und auf die man möglicher Weise die Bestimmungen des Expropriations⸗ gesetzes von 1874 nicht werde anwenden zu dürfen glauben. Nach⸗ dem aber die Regierungsvertreter in der Commission dieser seiner Besorgniß eeernaese⸗ seien, sehe er jetzt von einer Wieder⸗ holung seines Antrages ab und bitte nur die Regierung um eine authentische Erklärung über diesen Punkt.
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Gleim: Wenn für eine Privatanschlußbahn ein öffentliches Interesse in Frage komme, werde das Staats⸗Ministerium an Allerhöchster Stelle die Ertheilung des Enteignungsrechtes beantragen. Einer besonderen gesetzgeberischen Bestimmung bedürfe es dazu nicht, da solche Maßregeln als ein natür⸗ liches minus in dem majus des Expropriationsgesetzes überhaupt ent⸗ halten sei. Es sei nicht zu befürchten, daß es den Unternehmern von Privatanschlußbahnen nach Erlaß dieses Gesetzes schwerer werden werde, den nöthigen Grund und Boden zu erwerben, als vorher; denn es bedürfe in Zukunft allerdings einer Genehmigung seitens der Behörde, aber diese müsse ertheilt werden, wenn den polizeilichen An⸗ forderungen Genüge geschehen sei.
Abg. Dr. Ham macher (nl.): Die Frage des Enteignungsrechts sei allerdings für die Kleinbahnen von großer Bedeutung, aber nach dieser Erklärung könne man für jetzt auf eine besondere Formu⸗ lirung der Materie in diesem Gesetz verzichten und sich mit der An⸗ wendung des Enteignungsgesetzes von 1874 begnügen. Bei den Bahnen, die nur einem einzigen Unternehmen dienten, könne die Anwendbarkeit dieses Gesetzes allerdings insofern fraglich erscheinen, als es nur bei einem vorhandenen öffentlichen Interesse Anwendung finden solle, und die gedachten Werke resp. deren Bahn nur dem Specialinteresse eines Einzelnen dienten; aber da schließlich von dem Gedeihen eines solchen Werkes oft die Ernährung der Ein⸗ wohner der ganzen Gegend abhänge, könne man auch hier wohl nach den in der Commission von der Regierung ab⸗ gegebenen Erklärungen ein öffentliches Interesse für vorliegend erachten und das Enteignungsrecht gewähren. Wie übrigens die Gewährung des Enteignungsrechtes da, wo es sich um die Re⸗ gulirung schon bestehender Straßen handele, schon jetzt an die Re⸗ gierungs⸗Präsidenten delegirt sei, so müsse man auch für die Zukunft eine theilweise Delegation an sie bei dem Bau von Kleinbahnen anstreben. Im Augenblick sei es nicht angezeigt, diese Sache schon jetzt in das vorliegende Gesetz hineinzubringen, doch werde man aus der Handhabung des Gesetzes lernen müssen, inwieweit in Zukunft in dieser Richtung vorgegangen werden müsse.
Danach wird § 39 angenommen, die §§ 40 — 42.
§ 43 überträgt der Behörde die Aufsicht über Privat⸗ anschlußbahnen in rein eisenbahntechnischem Sinne.
Abg. von Strombeck (Centr.) wünscht diese Aufsicht über Pri⸗ vatanschlußbahnen auf denselben Umfang ausgedehnt zu sehen, wie die über alle Kleinbahnen, und stellt einen dahin gehenden Antrag.
Abg. Dr. Krause (nl.) erklärt sich gegen diesen Antrag, da bei lediglich privaten Interessen dienenden Bahnen eine über das Maß des Eisenbahntechnischen hinausgehende behördliche Aufsicht ungerechtfertigt sei.
§ 43 wird nach dem Antrage von Strombeck angenommen, desgleichen die § 44— 46. 3
Nach § 47 soll das Aufsichtsrecht der Bergbehörden gegenüber den als Zubehör eines Bergwerks nach dem Berg⸗ gesetze von 1865 sich darstellenden Bahnen durch die Vor⸗ schrift, wonach die eisenbahntechnische Aufsicht und Ueber⸗ wachung der Anschlußgeleise der Eisenbahnbehörde obliegt, nicht berührt werden.
Abg. Engels (freicons.) beantragt, die eisenbahntechnische Aufsicht ausdrücklich auf die Anschlußgeleise der schmalspurigen Bahnen zu beschränken.
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Freiherr von Zedlitz: Der Antrag sei zur Erreichung des von dem Antragsteller gewollten Zweckes überflüssig. Auch wenn der Antrag nicht angenommen werde, könne das Gesetz keine andere Wirkung haben, als daß Grubenbahnen, die mit öffentlichen Bahnen in Verbindung ständen und dieselbe Spurweite hätten, sodaß die Betriebsmittel von den einen auf die anderen übergehen könnten, und die mit Maschinenkraft betrieben würden, unter die Aufsicht der Eisenbahnbehörde gestellt werden. Auf die übrigen Grubenbahnen werde es keine Anwendung finden.
Abg. Dr. Hammacher (nl.) findet ebenfalls den Antrag unnöthig.
Abg. Engels (freicons.) zieht nach den Erklärungen des Com⸗ missars seinen Antrag zurück. 1“ 1
§§ 47— 52, Einleitung und Ueberschrift des Gesetzes, werden unverändert angenommen. 1 “
Die Commission beantragt ferner folgende Resolution:
Die Erwartung auszusprechen, daß der Staat sich an Klein⸗ bahnen mit Geldmitteln betheiligen werde, wenn es sich um Auf⸗ schließung wirthschaftlich schwächerer Gegenden handelt.
Abg. Bunzen (freicons.) beantragt, die Beihilfe des Staats nicht auf die Aufschließung der wirthschaftlich schwächeren Gegenden zu be⸗ schränken, sondern zur Erreichung eines möglichst großen volkswirth⸗ schaftlichen Nutzens die Staatsunterstützung auch der Anlage solcher Bahnen in Landestheilen zuzuwenden, die nicht gerade zu den wirth⸗ schaftlich schwächeren gehörten. Es werde das erreicht werden, wenn man in dem Antrage der Commission sage: „namentlich wenn es sich um Aufschließung“ u. s. w. handelt.
Abg. Dr. Gerlich (freicons.) will den Commissionsantrag dahin erweitern, daß gesagt werden solle: 1) wenn es sich um Aufschließung wirthschaftlich schwächerer Gegenden handelt; 2) der Staat als Besitzer der Haupteisenbahn an der Herstellung solcher Verkehrszubringer ein finanzielles Interesse hat.
Abg. Humann (Centr.) wird für die Resolution der Commission stimmen, wünscht aber von dem Minister eine Erklärung, daß die Staatsregierung in n diejenigen Bahnen bauen werde, die wegen ihrer Unrentabilität weder irgend eine Corporation, noch
ebenso ohne Debatte
ein Privatunternehmer bauen könne.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Meine Herren! Diese Erklärung, di der Herr Vorredner
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mir erwartet, bin ich zu meinem Bedauern nicht im stande abgeben zu können. Er erwartet von mir die Erklärung, daß die Königliche Staatsregierung auch in Zukunft diejenigen Bahnen bauen wolle, die wegen ihrer Unrentabilität weder irgend eine Corporation, noch ein Privatunternehmer baut. Daß das in einem⸗Einzelfalle, dann, wenn es zur Hebung der wirthschaftlichen Verhältnisse des betreffenden Landestheils sich als nöthig erweisen sollte, geschehen wird, darüber kann kein Zweifel sein; aber eine allgemeine Erklärung, daß in jedem einzelnen Fall subsidiär die Staatsregierung eintritt, wenn kein anderer eine Bahn bauen will, — ja, meine Herren, das zu erklären bin ich nicht im stande. 1b
Abg. Bunzen (freicons.): Die Verabschiedung dieser Vorlage werde allseitig mit großer Freude begrüßt werden. Bisher sei der Bau
on Kleinbahnen in Preußen hinter anderen Staaten zurückgeblieben. Oesterreich z. B. besitze bereits 146 Localbahnen. Um nun den Nutzen dieser Vorlage möglichst weiten Kreisen zugänglich zu machen, babe er beantragt, die Beihilfe des Staats nicht zu beschränken an diejenigen Fälle, wo es sich um die Aufschließung wirthschaftl schwächerer Gegenden handele. 8 8
F2. Dr. Gerlich (freicons.): Der Staat hah von diesen Kleinbahnen einen Vortheil, weil sie ihm einen größeren Verkehr zubrächten. Die Interessenten ihrerseits würden aber solche Bahnen nicht bauen können, wenn sie nicht eine namhafte Unterstützung vom Staate bekämen. Beispiellos sei dieses Verlangen nicht, denn der Staat habe bereits wiederholt sogar für Chausseebauten im Anschluß an Eisenbahnen Beihilfen gewährt. In diesem Sinne habe er seinen Antrag gestellt. ““ .
Abg. Dr. Krause (nl.) kann nur für die Resolution der Com⸗ mission stimmen. Die wirthschaftlich stärkeren Gegenden möchten die Kosten für ihre Kleinbahnen selbst aufbringen.
Abg. Dr. Hammacher (nl.): Das Kleinbahnsystem könne nur dann sich kräftig entfalten, wenn Staat, Provinzen und Gemeinden harmonisch zusammenwirkten, und es sei gar nicht abzusehen, weshalb die Antragsteller gerade den Staat herausgriffen. Warum sollten nicht die Provinzen eintreten? Ihm komme die ganze Sache wie eine Improvisation vor, um dem bedrängten Herzen Luft zu machen. Die Resolution der Commission sei nur eine homöopathische.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich kann mich nur den Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Hammacher anschließen. Ich sehe die Sache so an, daß die Aufgabe, die hier gestellt wird, Kleinbahnen herzustellen, an und für sich und vorzugsweise im Gegensatz zu der Aufgabe, Vollbahnen und zum theil auch Secundärbahnen herzustellen, eben nicht Aufgabe des Staats ist, sondern es ist eine locale Aufgabe, die wesentlich durch Localinteressenten, durch die Nächstbetheiligten in erster Linie erfüllt werden muß. Ich habe schon im Herrenhause ausgesprochen, daß aus diesem Gesichtspunkte durchaus nicht folgt, daß der Staat in keinem Falle die Herstellung von solchen Kleinbahnen mit seinen Mitteln unterstützt, wenn er das Interesse für ein allge⸗ meines hält und wenn auch seine sonstigen Bahninteressen da⸗ durch gefördert werden. Aber ein Grundsatz kann daraus nicht gemacht werden, es ist nicht eine. Principalaufgabe des Staats, wie die großen durchgehenden Linien herzustellen; es ist eine Aufgabe der Localitäten.
Meine Herren, diesen Gesichtspunkt möchte ich hervdrheben auch gegen die Resolution der Commission, die an und für sich ja nicht viel bedeutet, aber auf die doch einmal zurückgegriffen werden kann, je nach dem Interesse, welches irgend jemand hat, eine so dunkle und eigentlich vielsagende oder auch nichtssagende Resolution in seinem Sinne zu interpretiren. (Sehr richtig!)
Meine Herren, wenn die Resolution sich darauf beschränkt, die Erwartung auszusprechen, daß namentlich da, wo es sich um das Aufhelfen zurückgebliebener Landestheile handelt, der Staat mit seinen Mitteln einschreiten soll, so wäre dies an und für sich auch schon genau so gut eine Aufgabe der Provinz. Aber es ist nach der anderen Seite auch zu eng gegriffen. Ich kann mir sehr wohl denken, daß auch da, wo es sich um diesen Fall garnicht handelt, sondern wo der Staat z. B. das Interesse wesentlich darin findet, daß seinen
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Hauptbahnen Verkehr durch eine solche Tertiärbahn zugeführt wird, und zwar neuer Verkehr, es dann sogar in seinem finanziellen Interesse liegt, das Zustandekommen einer solchen Tertiärbahn zu unterstützen. Also Sie treffen garnicht alle in Frage kommenden Fälle durch die Resolution. Ich glaube, daß in der Sache zwischen Ihrer An⸗ schauung und der Staatsregierung eine so große Differenz nicht ist. Es wird sich finden, ob wir im Etat im einzelnen Falle da, wo alle Verhältnisse, die dabei in Betracht kommen, es gestatten, Zu⸗ schüsse aufnehmen, um eine einzelne Bahn zu bauen; aber generell
Summen in den Etat einzustellen zu Zwecken, denen, die zuerst kommen und stärker drängen, zu helfen, das halte ich im höchsten Grade für unzweckmäßig.
Von diesem Standpunkt aus möchte ich aber gleich noch eine weitere Bemerkung machen. Ich habe gesagt, nach meiner Meinung ist die Herstellung der Localbahnen wesentlich Aufgabe der localen nächstinteressirten Kräfte. Daraus folgt von selbst, das die Bildung von großen Actiengesellschaften, welche den Zweck verfolgen, hieraus ein rentables Geschäft zu machen, welche hoffen, daß ihnen die ren⸗ tabelsten Linien concessionirt werden, ohne Rücksicht auf die localen Interessen, während die weniger rentablen den Kreisen, Communen und Nächstbetheiligten überlassen bleiben — vom Staat keine Begün⸗ stigung erfahren wird. Ich sehe die Sache so an, daß wohl die Form der Actiengesellschaft in vielen Fällen zweckmäßig sein kann, daß es aber erwünscht ist, daß die Districte, die Provinzen, die Kreise, die Gemeinden dabei ein entscheidendes Wort in Bezug auf die Art des Betriebes, auf die Tarifirung, auf die Art der Herstellung u. s. w. mitzusprechen haben, und das würde gefährdet werden, wenn die ganze Sache durch eine große, über das ganze Land sich erstreckende Actien⸗ gesellschaft ohne solche locale Organisation gemacht wird.
Abg. von Eynern (nl.) spricht seine Zweifel an der Zweckmäßigkeit von Resolutionen der vorgeschlagenen Art überhaupt aus. Die vorliegende Resolution stoße lediglich offene Thüren ein, habe aber eine eigentliche Bedeutung nicht. Es sei unangebracht, solche eesegethsch Resolutionen zu beschließen. Werde ein Staats⸗ interesse bei der Unterstützung einer solchen Kleinbahn nachgewiesen, so werde auch der ö Unterstützung bewilligen.
Abg. Dr. Ger lich (freicons.): Die Provinzen könnten deshalb nicht subsidiär herangezogen werden, weil sie keinen Nutzen von der Sache hätten, sondern der Staat. Er habe sich über die Versicherung des Ministers gefreut, die er bezüglich der Actiengesellschaften abgegeben habe, andererseits halte er ihm das alte Wort entgegen: „Wer nichts hat, bei dem ist nichts, dem wird auch das Wenige genommen, was er hat“.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich möchte doch das Mißverständniß aus den Aeußerungen des Herrn Vorredners nicht aufkommen lassen, als wenn
ät E ürde niemals in die Lage kommen,