1892 / 143 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 Jun 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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Italien haben in Begleitung des Ministers des Aus⸗

wärtigen Brin sowie des militärischen und Cieilgefolges

gestern Nachmittag um 4 Uhr von Monza die Reise nach Potsdam angetreten. In Monza waren die Spitzen der

militärischen und Civilbehörden und andere hervorragende Persönlichkeiten auf dem Bahnhof anwesend. Auf der Fahrt vom Palais nach dem Bahnhof wurden die Majestäten von der Bevölkerung mit lebhaften Zurufen begrüßt. Die Stadt hatte fest⸗ lichen Flaggenschmuck angelegt. Abends 7 Uhr passirte der Extrazug der italienischen Majestäten die Station Bellinzona, Nachts 2 Uhr 13 Minuten erfolgte die Ankunft auf dem

Centralbahnhof in Basel und heute Morgen um 8 ¼ Uhr

in Frankfurt a. M. Die Majestäten, Allerhöchstwelche über

Magdeburg reisen, werden auf der Wildparkstation gegen 6 Uhr

Abends eintreffen.

Die meisten römischen Abendblätter vom Sonnabend be⸗

grüßen telegraphischer Meldung zufolge den Besuch des italienischen Königspaares in Potsdam in außerordentlich warmen Ausdrücken. 88

Heute traten die vereinigten Ausschüsse des Bundes⸗

raths für Handel und Verkehr und für Justizwesen zu

einer Sitzung zusammen.

Mittels Allerhöchster Ordre vom 13. Juni d. J. ist die Einrichtung einer Medizinal⸗Abtheilung des Reichs⸗

Marineamts an Stelle des jetzigen Decernats für Sanitäts⸗

Angelegenheiten genehmigt worden Mit der Leitung der Medizinal⸗Abtheilung ist bis auf weiteres der General⸗Arzt erster Klasse Dr. Wenzel beauftragt.

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Amerikanische Zeitungen veröffentlichen die Schätzung, welche die Behörden der Columbischen Weltausstellung in Chicago neuerdings über die durch diese Ausstellung voraus⸗ sichtlich erwachsenden Ausgaben aufgestellt haben. Darnach rechnet man, nach der höheren Schätzung, auf eine Gesammt⸗ ausgabe von 22 476 000 Doll., d. h. nahezu 95 000 000 ℳ,

ährend eine niedriger gegriffene Berechnung, zu welcher man durch Einschränkungen auf verschiedenen Gebieten gelangt, eine Gesammtsumme von 19 319.088 Doll. gleich etwa 82000000 ergeben hat. v“

Hierher gelangten Nachrichten zufolge ist zur Verhin⸗ derung der Waffeneinfuhr nach Dahomey über denjenigen Theil der Sklavenküste, der zwischen der Grenze der deutschen und der französischen in Popo bei 60 14“ 15“ nördlicher Breite und 00 40“ 36“ westlicher Länge von Paris und der Ostgrenze der französischen Besitzungen von Porto⸗ Novo auf der Verlängerung des durch die Bucht von Adjarra laufenden Meridians liegt, von der französischen Regierung

d. M. er Blockadezustand verhängt wo den.

Der General⸗Feldmarschall Graf von Blumenthal, General⸗Inspecteur der 4. Armee⸗Inspection und Chef des Magdeburgischen Füsilier⸗Regiments Nr. 36, ist auf einige Tage von Quellendorf hier angekommen.

Der Kaiserliche Gesandte im Haag, Geheime Legations⸗ Rath Graf zu Rantzau hat einen ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit fun⸗ girt der Legations⸗Rath Freiherr von Gaertner⸗Griebenow als Geschäftsträger.

Der Königliche Gesandte in Darmstadt, Legations⸗Rath Freiherr von Plessen hat einen ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub angetreten.

Der Wirkliche Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Schneider im Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und

Medizinal⸗Angelegenheiten ist aus der Provinz Sachsen zurück⸗

gekehrt. 8

S. M. Kanonenboot „Iltis“, Commandant Capitän⸗ Lieutenant Müller, ist am 18. Juni in Shanghai ein⸗ getroffen. 2

Königsberg i. Pr., 18. Juni. Den Hauptge enstand der heutigen Berathung des zweiten ostpreußischen Städtetages (vgl. die nach Schl. d. Red. eingegangene Depesche in Nr. 141 d. Bl.) bildeten die eingebrachten Anträge und Wünsche hinsichtlich des Unterstützungs⸗Wohnsitzes. Es wurde eine Reihe hierauf bezüglicher Thesen beschlossen und der Wunsch nach einer einheitlichen Gesetzgebung über den Unterstützungs⸗Wohnsitz im Deutschen Reiche ausge⸗ sprochen. Hierauf wurde der Städtetag geschlossen und zum Versammlungsort des nächsten Städtetages die Stadt Tilsit gewählt. 8 .

CCCP6P6VE“

Dresden, 19. Juni. Seine Majestät der König wird sich am 2. Juli nach Bayern begeben, um der am 4. des⸗ selben Monats stattfindenden Vermählung Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Amalie, Herzogin in Bayern, beizu⸗ wohnen.

Fürst Bismarck, der gestern Vormittag Friedrichsruh b’ hatte, um sich zu der Feier der Vermählung seines Sohnes Grafen Herbert mit der Gräfin Hoyos nach Wien zu begeben, traf gestern Abend, nachdem er Nachmittags Berlin passirt und auf dem dortigen Anhaltischen Bahnhof von einer großen Menschenmenge warm begrüßt worden war, in hiesiger Stadtein. Als Ehrenbürger von Dresden wurde er von dem Ober⸗Bürgermeister Dr. Stüͤbel und den städtischen Behörden auf dem Bahnhof empfangen. Auf eine Ansprache des Ober⸗Bürgermeisters erwiderte der Fürst, wie „W. T. B.“ be⸗ richtet, der feierliche, herzliche Empfang durch die städtischen Behörden bedeute für ihn eine höhere neue Ordensklasse, für die er von Herzen dankbar sei; er sei in seinen alten Tagen nicht mehr so leistungsfähig, nehme aber doch an allen Interessen des Vaterlandes Antheil, wenn auch ferne seinem Berufe. Daß seine Arbeit Erfolg gehabt, daran habe König Albert wesentlichen Antheil,

Ihrt Masestäten der König und die Königin von

der ihm immer ein gnädiger Herr gewesen sei. Zum

Schluß dankte der Fürst nochmals. Auf der Fahrt vom Bahnhofe zum Hotel Bellevue empfing Fürst Bismarck ahlreiche Ovationen. Im Hotel erschien eine Abordnung des Pestaus chusses unter Führung des Hofraths Dr. Osterloh, auf dessen Ansprache der Fürst erwiderte, er danke für die ehren⸗ volle Begrüßung; er vertrete eine abgeschlossene Vergangenheit und werde nie wieder eine öffentliche Stellung einnehmen. Das Band, welches das deutsche Volk umschlinge, sei von höchstem Werthe, Deutschland stehe Frankreich, England und Ruß⸗ land nicht nach; im Frieden und im Kriege habe es viel Arbeit gegeben, viel habe König Albert gethan. Der Fürst schloß mit einem Hoch auf den König. Ulsdann wurde dem Fürsten ein Fackelzug, an dem sich etwa 13 000 pes sonß be⸗ theiligten, und ein Ständchen dargebracht, bei welchem die Lieder „Wie könnt' ich Dein vergessen“, „Das treue deutsche Herz“, „Die Wacht am Rhein“ und „Deutschland, Deutsch⸗ land über Alles“ vorgetragen wurden. Heute (Sonntag) Vormittag um 11 Uhr 20 Minuten reiste der Fürst vom Böhmischen Bahnhof aus weiter nach Wien. Auf dem Bahnhof, auf dem er eine halbe Stunde vor der Abfahrt eingetroffen war, wurde er im Königlichen Warte⸗ salon von dem Grafen und der Gräfin Rantzau begrüßt, welche von Prag eingetroffen waren. Alsdann hielt General von Kusserow eine kurze Ansprache an den Fürsten, worauf das zahlreich anwesende Publikum das Lied „Deutschland, Deutsch⸗ land über Alles“ anstimmte. Der Zug verließ unter Zurufen des Publikums die Halle. Die Stadt war aus Anlaß der Anwesenheit des Fürsten festlich geschmückt.

Württemberg.

Stuttgart, 18. Juni. Ihre Königliche Hoheit die Herzogin von Albany ist mit ihren Kindern und Gefolge nach mehrwöchigem Besuch gestern von hier wieder abgereist, um sich nach Arolsen zu begeben. Ihre Majestäten der König und die Königin mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Pauline gaben der Scheidenden bis zum Bahnho das Geleit. 8 C“

Baden. 8 1

Baden⸗Baden, 18. Juni. Ihre Königliche Hoheit die Kronprinzessin von Schweden und Norwegen wird heute Nacht Baden⸗Baden verlassen, um sich, begleitet von Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin, zum Besuche Ihrer Majestät der Königin von Schweden und Norwegen nach Honnef zu begeben. In Frankfurt wird sich die Großherzogin von der Kronprinzessin trennen, und letztere dann über Dresden und Berlin nach Schweden heimkehren. Die Gesundheit der Kronprinzessin hat sich in erfreulicher Weise gekräftigt. Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach.

Weimar, 19. Juni. Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Gfshe;ge begeben sich am 23. d. M. nach Dornburg, wo der Geburtstag des Groß⸗ herzogs im Kreise der Familie gefeiert werden wird.

Eisenach, 16. Juni. Heute wurde, wie wir der „Magd. Ztg.“ entnehmen, die alle zwei Jahre zusammentretende Conferenz der Vertreter der deutschen Kirchen⸗ regierungen, an welcher der Präsident des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths Dr. jur. Barkhausen, der Ober⸗Consistorial⸗ Rath D. Freiherr von der Goltz, der Ober⸗Consistorial⸗Rath Braun und der General⸗Superintendent D. Braun theilnahmen, mit einem Gottesdienst in der Wartburgkapelle eröffner. Nach⸗ dem der Geheime Staatsrath von Boxberg die Conferenz im Namen Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs begrüßt hatte, wurde beschlossen, eine Adresse an den Großherzog zu richten. Hierauf erstattete der bisherige Vorsitzende Abt D. Sallentien den Geschäftsbericht. Durch Zuruf wurde sodann Abt Sallentien wiedergewählt und ebenfalls durch Zuruf zum stellver⸗ tretenden Vorsitzenden der Ober-⸗Consistorial⸗Rath Braun I. aus Berlin. Nach einem Bericht des General⸗Superintendenten D. Trautvetter über die Verwendung der in den verschiedenen Ländern gesammelten Collecten zum Besten der evangelischen Gemeinden in überseeischen Ländern wurde beschlossen, diese Sammlungen den Kirchenregierungen von neuem dringend zu empfehlen und künftig eingehendere Mittheilungen uͤber die Fürsorge für diese Diaspora regelmäßig auf die Tagesordnung zu setzen.

8 Deutsche Colonien. 8 8

Nach einem bei der Deutsch⸗Ostafrikanischen Gesellschaft eingegangenen Telegramm ist Oscar Baumann am 12. April in Kadoto am Victoria⸗Nyanza eingetroffen.

Die „Neisser Ztg.“ meldet: Von Emin Pascha sind Briefe in Neisse eingegangen, welche die Zeit vom März bis Dezember 1891 umfassen. Sie schildern die unsäglichen Müh⸗ sale, den Hunger und den Verrath der Sudanesen, die sich am Albert⸗See ihm angeschlossen hatten. vu“

Oesterreich⸗Ungarn.

Die Kxonprinzessin⸗Wittwe Stephanie ist gestern Abend von Wien zu mehrtägigem Aufenthalt nach dem Plattensee abgereist.

8 Fürst Bismarck traf am Sonntag Abend um 10 Uhr 10 Minuten, von Dresden kommend, in Wien ein. Ueber seine Ankunft berichtet „W. T. B.“: Auf dem Bahnhofe, welchen nur gegen Eintrittskarten zu betreten erlaubt war, hatten sich außer den Mitgliedern der Familien Bismarck und Hoyos etwa 200 Reichsdeutsche zum Empfange einge⸗ funden. Bei der Einfahrt drängten die Anwesenden an den Waggon heran, dem 8 Bismarck nach seiner Gemahlin unter lebhaften Hochrufen des Publikums entstieg. Zwei Damen überreichten als Gruß der deutschen Frauen

iens Bouquets. Unter der vor dem Bahnhofe ver⸗ sammelten, etwa 4000 bis 5000 Personen zählenden Menge waren viele Studentenverbindungen; Herren und Damen trugen Kornblumenbouquets. Als Fürst Bismarck erschien, brachen die Anwesenden in Hurrah⸗ und Hoch⸗ rufe aus, stimmten deutsche patriotische Lieder an und umdrängten trotz des Abwehrens seitens der Polizei den Wagen, welcher hin und wieder Schritt zu fahren enöthigt war. Nachdem der Fürst auf der Fahrt zum Palais

alffy die Taborstraße passirt hatte, zog die dort angesammelte Menge, meistens Studenten, gruppenweise unter Rufen: „Hoch Schönerer! Hoch Bismarck!“ und verschiedenen anti⸗ semitischen Ausrufen nach der abgesperrten Wallnerstraße, vor welcher die Menge sich staute. Auch hier wurden demonstra⸗ tive Rufe ausgebracht. Als die Versammelten der energischen

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Mahnung, sich zu zerstreuen, nicht folgten, zog die Sicher⸗

heitswache blank und hieb mit flacher Klinge ein. Die Menge flüchtete in die angrenzenden Straßen, auf der Freiung kam es jedoch nochmals zu wiederholten kleinen Zusammenstößen wischen der Polizei und dem Publikum, wobei zwölf Per⸗ wegen ““ verhaftet wurden. Einzelne Gruppen von Personen drangen auf die Polizeimannschaften mit Stöcken ein; dabei wurde ein Poli .I secigr⸗ an der Hand verletzt, außerdem eine Person leicht verwundet. Nach der Ankunft im Palais Parffh empfing der Fürst Besuche.

Der am Freitag in Wien eingetroffene Botschafter Graf Széchényi hat sich auf ärztlichen Rath mit seiner Ge⸗ mahlin zur Kur nach Gleichenberg begeben.

Das Befinden des deutschen Botschafters Prinzen Reuß hat sich, wie „W. T. B.“ meldet, ein wenig gebessert, doch wird derselbe noch einige Tage das Bett hüten müssen.

Der Valuta⸗Ausschuß des österreichischen Ab⸗ geordnetenhauses hat mit 29 gegen 6 Stimmen den 3. und 4. Artikel des Münzgesetzes über das Werthver⸗ hältniß, entsprechend der Regierungsvorlage und unter Ab⸗ lehnung aller Abänderungsanträge, angenommen.

Das ungarische Unterhaus hat in seiner vorgestrigen Sitzung den Gesetzentwurf wegen des Baues einer Eisen⸗ bahnlinie Mormaros Sziget Stanislau geneh⸗ migt. Der Referent und zahlreiche Redner betonten im Laufe der Debatte die strategische Wichtigkeit der Bahnlinie. Der Regierungsvertreter erklärte, alle maßgebenden Factoren, besonders das Kriegs⸗Ministerium, hätten sich gegen den Anschluß nach Kolomea und für den Anschluß nach Stanislau ausgesprochen. Der Finanz⸗Minister fügte hinzu, das Project einer Verbindung nach Szuczawa werde früher in Frage kommen, als vom sinanziellen Gesichtspunkte wünschens⸗ werth sei. Der Ausbau strategischer Linien sei nur successive durchführbar, wobei die Aufmarschlinien nicht außer Acht ge⸗ lassen werden dürften. In Bezug auf die Erledigung des weiteren Arbeitsstoffes beschloß das Haus sodann auf Antrag des Minister⸗Präsidenten Grafen Szapary, am 22. Juni die Berathung des Budget⸗Gesetzes zu beginnen und alsdann über die Valuta⸗Vorlagen zu verhandeln.

Großbritannien und Irland.

Gladstone hat am Sonnabend in einer in Clapham vor einer größeren Anzahl nichtconformistischer Pre⸗ diger gehaltenen Rede sich über die Belfaster Anti⸗ Homerule⸗Demonstration geäußert. Er behauptete, dem „W. T. B.“ zufolge, die Conservativen hätten die Politik auf das Gebiet religiöser Leidenschaftlichkeiten hinüber⸗ gespielt, und erklärte: es sei nicht richtig, daß die Pro⸗ testanten in Ulster sich einstimmig dem Homerule wider⸗ setzten; die irische Nationalpartei und die katholischen Mitglieder des Parlaments seien im Jahre 1886 dahin überein⸗ gekommen, in die Homerule⸗Bill einen Artikel aufzunehmen, durch welchen dem irischen Parlament untersagt wird, eine katholische Staatskirche zu schaffen; die Macht der Priester in Irland sei auf den Mangel einer legitimen Unabhängigkeit der Bevölkerung zurückzuführen.

Die am Sonnabend telegraphisch erwähnte Resolution, welche die Unionisten der vorzugsweise protestantischen Provinz Ulster in der Versammlung von Belfast gegen den Homerule⸗ Plan gefaßt haben, trägt einen sehr entschiedenen Charakter; ie lautet:

1) Wir sind fest entschlossen, unsere jetzige Lage als integrirenden Theil des Vereinigten Königreichs zu behaupten und in der unzwei⸗ deutigsten Weise gegen die Annahme jedes Gesetzes zu protestiren, welches uns unserer Vertretung im Reichsparlament berauben würde.

2) Wir geben unseren Vorsatz kund, nichts mit einem Parlament zu thun haben zu wollen, welches sicherlich unter der Controle der Leute stehen wird, die für die Verbrechen der Landliga, den unehr⸗ lichen Feldzugsplan, wie für die bei Ausübung des Boycottverfahrens vorgekommenen Ausschreitungen verantwortlich und zudem in vielen Fällen die dienstbereiten Werkzeuge klerikalen Willens sind.

3) Wir sprechen der Bevölkerung von Großbritannien gegenüber als unsere Ueberzeugung aus, daß jeder Versuch, ein solches Parlament in Irland zu gründen, unzweifelhaft zu Unruhe, Gewaltthätigkeit und Blutvergießen führen wird, wie die Geschichte Irlands bisher nichts zu verzeichnen hat, und daß wir nicht an den Wahlen oder Verhand⸗ lungen eines Parlaments theilnehmen werden, dessen Autorität wir, falls es sich constituiren sollte, entschieden ablehnen werden.

4) Wir protestiren dagegen, daß diese große Frage, welche unser Leben, Eigenthum und Bürgerrecht involvirt, bei dem kommenden Wahlkampf als ein bloß nebensächlicher Punkt behandelt werde.

5) Wir richten an alle unsere Landsleute, welche bisher zu Gunsten eines Sonderparlaments gewesen sind, den Appell, von einer Forde⸗ rung abzustehen, die einen unheilbaren Spalt zwischen den Irländern hervorrufen muß, und mit uns unter der Reichslegislatur die Ent⸗ wickelung der natürlichen Hilfsmittel, sowie die beste Pflege der Inter⸗ essen unseres gemeinschaftlichen Landes zu erstreben.

Der Homerule⸗Plan Gladstone's erregt jetzt übrigens auch bei den Liberalen Bedenken. Die Führer der Partei sollen, wie man der „Frkf. Ztg.“ schreibt, zu der Ueberzeugung gelangt sein, daß eine große Zahl liberaler Abgeordneter und Candidaten nichts von einem Verbleiben der irischen Abgeordneten in Westminster wissen wolle, sobald ein⸗ mal ein Homerule⸗Parlament in Dublin ins Leben getreten sein würde. 8

Frankreich.

Der Kriegs⸗Minister de Freyecinet ist wieder in Paris eingetroffken. Ueber seine Reise wird den Blättern aus Hochsavoyen gemeldet: „Der Besuch des Ministers hat

in unserer Gegend den besten Eindru Man

beklagte sich seit zu langer Zeit darüber, da

auch die Gelegenheit wahrgenommen, welche ihr der Besuch des Herrn de Freycinet vot. Thonen, Bonneville, Cluses, Sallanches, Chamonix, Annecy u. s. w. zeigten große Be⸗ geisteraig. Die Gemeindevorstände beeiferten sich, dem Ober⸗ haupt der Armee entgegenzugehen; die Bewohner bekundeten durch ihre Jubelrufe ihre Anhänglichkeit an Frankreich.“ Der „Temps“ schreibt seinerseits: 1

„Diese Reise wird, für die Nationalvertheidigung eine sehr große Wichtigkeit haben. Herr de Freyecinet hat erkannt, wie sehr die bisher etwas unbestimmten Eisenbahn⸗ und Straßenprojecte eine rasche Aus⸗ führung verdienen. Er wird sich sofort mit der Verlängerung der Linie Roche⸗Cluses gegen Chamonix beschäftigen. Bis Cluses waren die Arbeiten verhältnißmäßig leicht; aber darüber hinaus hatten die Schluchten von Magland und Servoz Schwierigkeiten bereitet, daher man sich zu dem Bau einer Bahn mit engem Geleise entschloß. Der Minister hat sich davon überzeugen können, wie schädlich ein solches Project sei. Um den Co de Balme zu erreichen, ehe es einem Feinde gelänge, die Vertheidigung der Schweiz zu überwältigen, müssen die Truppen ohne Umladung in Chamonix ankommen. Man wird daher

2 1* . . ;d ohne Zweifel gezwungen sein, das normale Geleise anzuwenden; da,

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man die französische Uniform zu selten sehe und von dem Vater⸗ lande zu sehr bgeschlossen sei. Die Bevölkerung hat den

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wo die Abhänge zu steil sind, würde man sich des amerikanischen Systems für Berglocomotiven bedienen können. Dies gilt besonders für die Strecke Saint⸗Gervais —Chamonix; die Strecke Cluses Sallanches —Gervais bietet weniger Schwierigkeiten dar. In diesem Plane kann man nur bloße Vertheidigungsmaßregeln sehen, welche unseren Colonnen gestatten würden, vorzurücken, wenn die Neutralität der Schweiz jemals verletzt würde.“

Der Deputirtenkammer soll demnächst eine Vorlage zu⸗ gehen, durch die Rumänien der Mindesttarif zugestanden wird. Der Senat ist mit der Berathung des Genossen⸗ schaftsgesetzes beschäftigt. Bei der Berathung des Gesetz⸗ entwurfs über die Organisation des landwirthschaftlichen Credits in der Deputirtenkammer trat Herr Meline, wie der „Frkf. Ztg.“ geschrieben wird, warm für die Organisation nach dem Muster der Schulze⸗Delitzsch'schen Genossen⸗ schaften und noch mehr der Raiffeisen'schen Darlehns⸗ kassen ein. Es soll hauptsächlich auf den kleinen Landmann Bedacht genommen werden. Dadurch, daß er eine Menge kleiner Organismen über das Land verstreut, will Möline den Fehler vermeiden, durch welchen zum ersten Mal das Project des landwirthschaftlichen Credits in Frankreich zum Scheitern kam. Das war im Jahre 1860, wo die ganze Unternehmung in einer einzigen großen Banque du Crédit Agricole centralisirt werden sollte und eben wegen dieser Centralisation nicht reüssirte. Um die Organisation zu vereinfachen, will Herr Méline sein System auf die bereits in ganz Frankreich bestehenden syndicats agricoles gründen, Vereine zu ländlichen Wirth⸗ schaftszwecken, welche für ihre Mitglieder Samen, Dünger, Vieh ꝛc. en gros einkaufen oder in anderer Weise im gemein⸗ samen Interesse thätig sind. Diesen Syndicaten will Méline das Recht geben, sich in Creditvereine mit gegenseitiger Haf⸗ tung zu verwandeln.

ie Stellung der Katholiken zu der von dem päpstlichen Stuhl gestellten Forderung eines aufrichtigen Anschlusses an die Republik bildet fortgesetzt den Gegenstand der Erörterungen.

Jetzt hat der Graf de Mun von dem Cardinal⸗Staatssecretär

Rampolla ein Schreiben erhalten, worin ihm die Billigung seiner Haltung in dieser Frage ausgesprochen wird.

Der General⸗Secretär und Chef des Militärstaates des Präsidenten Carnot, General Brugére, ist zum Commandeur der 12. Infanterie⸗Division in Reims ernannt worden. An seine Stelle tritt der bisherige Commandeur der Poly⸗ technischen Schule, General Borins.

Am Sonnabend Vormittag wurden in Paris mehrere

Anarchisten, darunter ein Italiener Namens Mascara, ver⸗ haftet, welche verdächtigt sind, an dem Attentat im

Restaurant Véry theilgenommen zu haben.

Der „Courrier de Tonkin“ meldet, daß der deutsche Forschungsreisende Lieutenant Otto Ehlers, der vor anderchalb Jahren von der afghanischen Grenze ausgegangen war, am 9. Mai zu Pferde in Son⸗Tai (Tonkin) einge⸗

troffen ist.

Rußland und Polen.

Der Kaiser wird, wie man dem „W. T. B.“ aus St. Petersburg meldet, am 5. Juli dort zurückerwartet, und zwar halte man es für möglich, daß die Rückreise über Stockholm

erfolge.

8 Italien.

Die Vorlage über die zu Gunsten der Stadt Rom zu treffenden Maßnahmen ist am Sonnabend auch vom Senat

genehmigt worden.

Bei den gestrigen Communalwahlen in Rom haben die Liberalen gesiegt. Unter den Gewählten befindet sich auch Crispi. Spanien.

Der Finanz⸗Minister wird, nach einer Meldung des

H. T. B.“, demnächst bei den Cortes einen Gesetzentwurf

einbringen wegen einer Anleihe von 175 Millionen amorti⸗ sirbarer Rente, garantirt durch die Einnahmen des Taback⸗ Monopols.

Der Austausch der Ratifications⸗Urkunden zum ita⸗ lienisch⸗schweizerischen Handelsvertrage hat am Sonnabend in Bern stattgefunden. Der Vertrag tritt der „Köln. Ztg.“ zufolge heute, Nachts 12 Uhr, in Kraft.

Die Handelsvertrags⸗Unterhandlungen der Schweiz mit Spanien sind, wie aus Bern berichtet wird, nunmehr materiell erledigt; der zu dem Zweck nach Madrid

esandte eidgenössische Bevollmächtigte Alt⸗Bundesrath Welti wird demnächst zurückerwartet. Ueber den Zeitpunkt des In⸗ tafteeen des neuen Vertrags ist noch keine Entscheidung

etroffen. 1 Der Nationalrath hat in seiner Sonnabendsitzung den für die Befestigung von St. Maurice im Kanton Wallis geforderten Credit von 2 100 000 Fr. mit 75 gegen 13 Stimmen bewilligt und zugleich den Bundesrath aufgefordert, die Frage der fortifikatorischen Sicherung des Straßenzuges St. Bern⸗ hard⸗Martigny⸗Tetenoire⸗Chamonix zu prüfen.

Belgien. In einem vorgestern unter dem Vorsitz des Minister⸗ Präsidenten abgehaltenen Ministerrath wurde die Ein⸗ berufung der neugewählten Kammern für die Zeit zwischen dem 12. und 19. Juli beschlossen. 1 Wie die Blätter melden, wird die Session bis zum 5. August dauern. Während der Tagung sollen alle Wahl⸗ systeme und die für die Verfassungsrevision gestellten Anträge gründlichst erörtert werden. Alsdann soll ein Ausschuß eingesetzt werden, welcher eine praktische Lösung zur Einigung der Parteien suchen und erst im November bei der Eröffnung der gewöhn⸗ lichen Wintersession Bericht erstatten soll. Der Ausschuß soll 8s 10 Delegirten der Linken und 15 Delegirten der Rechten beider Kammern bestehen. Inzwischen hat bereits der Haupt⸗ ührer der Rechten, Herr Weßte, Stellung genommen, indem er erklärt, daß die Rechte der neuen Kammern einstimmig das Königliche Referendum abweise und auch der Regierungs⸗ antrag auf Einführung der Vertretung der Minderheiten nicht 30 Anhänger finde. Bezüglich der Ernennung eines neuen Ministers des

Auswärtigen wurde noch kein Beschluß gefaßt. Am Mitt⸗ woch soll wiederum ein Ministerrath stattfinden. 8 8 Griechenland. 8 ¹ Der König und die Königlichen Prinzen sind am Sonn⸗ abend Nachmittag nach Athen zurückgekehrt. Bei der Ankunft waren die meisten Privathäuser beflaggt und geschmückt. Abends fand eine große Demonstration vor dem Palais statt; der König dankte wiederholt. Die Ernennung des neuen Ministeriums dürfte nunmehr alsbald zu erwarten sein

Serbien.

In Belgrad hat am Sonnabend die auf Staatskosten übernommene feierliche Beerdigung des verstorbenen Re⸗ genten Protitsch stattgefunden. Das diplomatische Corps war bei der Feier vollzählig vertreten.

Wie „W. T. B.“ vernimmt, stände die Auflösung der Skupschtina und die Ausschreibung der Neuwahlen bevor.

Amerika.

Nach in Paris eingegangenen Meldungen aus Monte⸗ video ist die Demission des Finanz⸗Ministers ange⸗ nommen worden. Der Präsident wird, wie es in dem Telegramm weiter heißt, demnächst ein Manifest an die Nation richten, in welchem die Nothwendigkeit betont werde, die Ausgaben zu vermindern. Gleichzeitig soll darin die Garantie für die Einlösung des fälligen Coupons festgestellt und die Nachricht von einer beabsichtigten neuen Emission von Papiergeld für unbegründet erklärt werden.

In dem brasilianischen Staate Rio Grande do

Sul ist einem Telegramm des „R. B.“ aus Rio de Janeiro von zufolge eine Revolution localen Charakters ausgebrochen. Der Gouverneur des Staats, Vicomte Pelotas sei abgesetzt und die 85 Castilho's, welche auch die Partei⸗ gänger Deodoro da Fonseca's umfasse, habe die Oberhand gewonnen. Pelotas habe den General Tavareo zu seinem Nachfolger ernannt, man glaube aber allgemein, daß der Posten mit Victorina Monteiro, einem Anhänger Castilho's, besetzt werden würde. Der bisherige Präsident von Venezuela, Palacio hat sich nach einem Telegramm des „New⸗York Herald“ auf dem „Libertador“ nach Trinidad eingeschifft. Die Hauptstadt Caracas soll von den Aufständischen belagert sein.

Afrika. Der in Brüssel erscheinende „Courrier du Congo“ bringt die Nachricht von zwei Gefechten, welche zwischen den Truppen des Congostaats und Banden von Sklaven⸗

jägern, die am Lundaflusse operirten, stattgefunden haben sollen. Prinz Croy und Lieutenant Michaux hälten mit etwa

100, Soldaten eine beträchtliche Anzahl von Sklavenjägern völlig in die Flucht geschlagen und etwa 300 Sklaven befreit. 8

Parlamentarische Nachrichten.

v111“ 8 In der heutigen (78.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Präsident des Staats⸗Ministeriums Graf zu Eulenburg, der Vice⸗Präsident des Staats⸗ Ministeriums Dr. von Boetticher, der Minister des Innern Herrfurth, der Finanz⸗Minister Dr. Miquel, der Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden und der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse beiwohnten, stand als erster Gegenstand auf der Tagesordnung die Verlesung folgender Interpellation der Abgg. Dr. Sattler (nl.), Wallbrecht, Dr. Enneccerus (nl.) und Genossen: An die Königliche Staatsregierung wird die Anfrage gerichtet: 1) Ist die Königliche Staatsregierung von dem Plane unterrichtet, den bisher von dem Kronfideicommißfonds für die Theater in Hannover, Cassel und Wiesbaden gezahlten Zuschuß ein⸗ zuziehen? 2) Im Falle der Bejahung der ersten Frage, welche Schritte beabsichtigt sie zu thun, um die dadurch hervorgerufene Gefährdung der berühmten und mit der Geschichte der betreffenden Städte und Landestheile eng verbundenen Kunstinstitute zu verhüten?

Nachdem der Präsident von Köller die Interpellation verlesen hatte, erklärte auf dessen Anfrage der Präsident des Staats⸗Ministeriums Graf zu Eulenburg sich zur sofortigen Beantwortung bereit.

Abg. Dr. Sattlerinl.) begründete die Interpellation. Die Verhandlungen des Ministers des Königlichen Hauses mit der Stadt Wiesbaden wegen dieser Theaterfrage hätten in den ge⸗ nannten drei Städten große Beunruhigung hervorgerufen. Diese Städte seien mit ihren von den Fürsten errichteten Theatern eng ver⸗ wachsen. Worte Kaiser Wilhelm's I. bei der Annexion hätten darauf schließen lassen, daß an diesen Verhältnissen nichts geändert werden sollte. Die in Hannover noch vorhandenen unzufriedenen Elemente würden in ihrer Agitation durch die Maßregel des Haus⸗Ministers nur gestärkt werden, nachdem die Aufhebung des Welfenfonds eänigfe Beruhigung ge⸗ bracht habe. Die Regierun als Aufsichtsbehörde könne den Städten nicht eine 2 hohe Last auferlegen lassen, wie die Unterhaltung der Theater. Wenn nicht recht⸗ liche, so lägen doch jedenfalls moralische Verpflichtungen gegen⸗ über den Theatern vor. Die Krondotation sei⸗ 1867 und 1889 auch mit Rücksicht auf die Theaterunterhaltung erhöht worden.

* Präsident des Staats⸗Ministeriums Graf zu Eulenburg verneinte die erste Frage der Interpellation und erklärte zur Klarstellung der Sachlage, daß das Haus⸗Ministerium jetzt in Aussicht genommen habe, mit den genannten Städten wegen Uebernahme der Theaterverwaltung auf die Städte zu ver⸗ handeln unter Zuschuß aus der Krondotation, um den Bestand der Theater dauernd zu sichern. Die Staatsregierung könne erst mitwirken, wenn staatliche Zuschüsse würden, werde aber auch weitere in Frage kommende Interessen nicht aus den Augen lassen.

Abg. Dr. Sattler (ac stellte den Antrag auf Be⸗ sprechung der Interpellation, der genügend unterstützt wurde.

Abg. Dr. Enneccerus (nl.) führte aus, daß die Theater⸗ verwaltung für die Städte ohne Zuschuß eine unerträgliche Belastung sei. In Hessen könne man es nicht begreifen, daß das Theater aufhören solle, während die großen Staats⸗ waldungen u. s. w. in preußischen Besitz übergegangen seien.

Abg. Wallbrecht meinte, daß eine moralische Ver⸗ pflichtung durch die Gewährung des Zuschusses während 25 Jahre anerkannt sei, und hoffte auf ein günstiges Ergebniß der Verhandlungen.

Abg. Dr. Lieber (Centr.) wünschte eine besondere Be⸗ rücksichtigung von Wiesbaden, da diese Stadt das Theater⸗ gebäude jetzt auf städtische Kosten umbauen müsse.

Abg. Dr. Brandenburg (Centr.) erklärte sich durch die Erklärung des Minister⸗Präsidenten für befriedigt.

Abg. Richter (dfr.) war mit der Uebernahme der Theater auf die städtische Verwaltung einverstanden,⸗ erinnerte aber wegen der Zuschüsse daran, daß gerade mit Rücksicht auf diese die Krondotation erhöht sei; er müsse sich jetzt dagegen verwahren, wenn etwa ein Theil der Zuschüsse auf die Staatskasse uͤber⸗ nommen werden sollte. Die Kosten der persönlichen Hofhaltung sollten nicht in so hohem Maße gesteigert werden, daß sie die

Erfüllung der moralischen Verpflichtungen der Krondotat beschränkten.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (ECöns.) bestritt, daß der Kronfideicommißfonds sich seinen moralischen Ver⸗ pflichtungen entziehen wolle. Die Erklärungen des Minister⸗ Präsidenten bezeugten das Gegentheil. Hoffentlich werde das Bisherige auch ferner geleistet werden.

Abg. Dr. Sattler (nl.) erwiderte darauf, daß nach den Erklärungen des Ministers für das Königliche Haus bei den Verhandlungen mit Wiesbaden die vuschüff wegfallen sollten; die Uebernahme der⸗Theater in die städtische Verwaltung werde nicht überall Anklang finden. Der Minister⸗Präsident habe aber. die moralischen Verpflichtungen anerkannt.

Abg. Richter (dfr.) bemerkte gegenüber dem Abg. Grafen s Limburg⸗Stirum, daß die Verminderung der Zuschüsse in en Verhandlungen der städtischen Körperschaften von Wies⸗ baden und Cassel mit den wachsenden Ausgaben der Hof⸗ verwaltung beg ründet sei.⸗ 88

Ein Schlußantrag wurde angenommen, die Inter⸗ pellation war damit erledigt.

Es folgte die Berathung des aus dem See in abgeänderter Fassung zurückgekommenen esetzentwurfs, betreffend das Diensteinkommen der Lehrer an den nichtstaatlichen öffentlichen höheren Schulen.

Im §1 hatte das Abgeordnetenhaus die Anwendung des neuen Normal⸗Etats auf die Zeichenlehrer, die kecnscgen. Elementar⸗ und Vorschullehrer beschlossen, die in der Regierungs⸗ vorlage ausgeschlossen war. Das Herrenhaus hat in diesem Punkt die Vorlage wiederhergestellt und folgende Vorschrift als Absatz 3 aufgenommen:

„Die Besoldung⸗ der übrigen technischen Elementar⸗ und Vorschullehrer ist innnerhalb der fuͤr die entsprechenden Kategorien an den staatlichen höheren Schulen bestimmten Grenzen dergestalt festzustellen, daß dieselbe hinter derjenigen der Volksschullehrer in den betreffenden Orten nicht zurückbleiben darf und ihnen außer⸗ dem eine nicht pensionsfähige Zulage von 150 jährlich ge⸗ währt wird.“

Abg. Dr. Arendt (freicons.) beantragte die Wiederher⸗ stellung des Beschlusses des Abgeordnetenhauses.

Abg. Dr. Lieber (Centr.) beantragte, den Beschluß des Herrenhauses in seinem letzten Theil dahin abzuändern:

„daß dieselbe hinter der um eine nicht pensionsfähige Zulage von 150 jährlich für sie vermehrten der Volksschullehrer in dem betreffenden Orte nicht zurückbleiben darf.“

Abg. Seyfarth (cons.) sprach sich für die Angahme der Beschlüsse des Herrenhauses aus, während Abg. Dr. Arendt (freicons.) seinen Antrag auf Wiederherstellung der Be⸗ schlüsse des Abgeordnetenhauses befürwortete.

Bei Schluß des Blattes nahm der Minister der geist⸗ lichen ꝛec. Angelegenheiten Dr. Bosse das Wort.

Kunst und Wissenschaft.

Die Technische Hochschule in Braunschweig ist, wie dem „Centr.⸗Bl. d. Bauv. berichtet wird, im laufenden Studienjahr von 370 Personen, nämlich von 176 eingeschriebenen und 132 nicht eingeschriebenen Studirenden Fowie von 62 Zuhörern besucht. Im vergangenen Studienjahre betrug die Zahl der eingeschriebenen Studirenden 160, der nicht eingeschriebenen Studirenden 108, und der Zuhörer 84, im ganzen 352 Personen. Es hat also die Gesammt⸗ besuchsziffer um 18 Personen zugenommen.

Die Zahl der europäischen Universitäten beträgt nach einer von Dr. Kukerla angefertigten sehr instructiven Zusammen⸗ stellung in den Münchener „Hochschul⸗Nachrichten“ (Herausgeber Dr. Paul von Salvisberg) zur Zeit 101. Bis zum Beginn des 15. Jahr⸗ hunderts befanden sich ÜUniversitäten nur in folgenden europäischen Staaten: Italien 15, Spanien 5, Großbritannien 2, Portugal 1, Oesterreich⸗Ungarn 5 und Deutschland 3, also im ganzen 31. Im Laufe des 15. Jahrhunderts zählte man 54 Universitäten, von denen auf 4 neue Länder: Schweden, Schweiz, Dänemark und Belgien je eine entfiel. Zu den 88 Universitäten des 16. Jahrhunderts waren neu Rußland (mit 2) und Holland (mit 3) hinzugetreten. Das 17. Jahrhundert zählte 105, das 18. Jahrhundert ecegen 108 Uni⸗ versitäten, während im 19. Jahrhundert (neu Griechenland mit 1 Uni⸗ versität) 101 gezählt werden. Was speciell Deutschland betrifft, so werden hier die ersten 3 Universitäten im 14. Jahrhundert gezählt, im 15. Jahrhundert zählte man bereits 13, im 16. 24, im 17. 32 und im 18. sogar 33 Universitäten. Im laufenden Jahrhundert hat diese Zahl eine wesentliche Abnahme, bis auf 20 herab, gefunden. Die in Deutschland gegründeten und wieder aufgehobenen Universitäten sind folgende: Erfurt, gegründet 1379, aufgehoben 1816; Köln 1388 1798; Trier 1450 1798; Ingolstadt 1459 1802; Mainz 1476 1798;: Wittenberg 1502 1815 (jetzt vereinigt mit Halle); Frankfurt a. O. 1506 1809; Dillingen 1549 1804; Helmstedt 1575 1809; Altdorf 1578 1807; Paderborn 1615 1625; Rinteln 1621 1809; Osnabrück 1630 1633; Bamberg 1648 1804; Herborn 1654 1818; Duisburg 1655 1804; Fulda 1734 2; Landshut 1802 1826.

Die „Times“ kündigt unter dem 17. d. M. in einem Artikel die Absicht Lord Spencer's an, die berühmte Althorp⸗Bibliothek, die vortrefflichste, die jemals von einem Privaten gesammelt wurde, verkaufen zu wollen. Die an 45 000 bis 50 000 Bände starke Bibliothek wurde Ende des letzten und Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts vom zweiten rafen Spencer gestiftet. Sie enthält Gutenberg's Mainzer Mazarin⸗Bibel und Psalter aus dem Jahre 1457, wovon ein zweites Exemplar vor einigen Jahren für 5000 Pfd. Sterl. verkauft wurde, sowie andere von Gutenberg und Fust gedruckte Werke, wie z. B. die florentinische Anthologie Homer's vom Jahre 1494, die ptolemäischen Karten vom Jahre 1478, die erste Ausgabe von Dante's Werken u. a. m.

Die Nachricht von einem großen Aörolithen, der ins Kaspische Meer gefallen sein sollte, hatte unter den Mineralogen und Geologen eine große Aufregung hervorgerufen. Die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg nahm, wie der „N. Pr. Z.“ be⸗ richtet wird, selbst Veranlassung, eine officielle Anfrage über das seltene Ereigniß zu machen. Der Gouverneur von Baku hat der Akademie daraufhin kürzlich telegraphisch geantwortet, daß am nörd⸗ lichen Ufer der Apscheron⸗Halbinsel aus dem Meeresboden eine neue Insel von 750 Faden Länge und 50 Faden Breite emporgestiegen sei 858 daß dieses Naturereigniß gegenwärtig wissenschaftlich erforscht werde.

Der Ausschuß deutscher Architekten für die Welt⸗ Ausstellung in Chicago 1893 erläßt im „Centr.⸗Bl. d. Bauv.“ folgende Bekanntmachung: Auf der im nächsten Jahre zu Chicago staltsindenden Welt⸗Ausstollung wird mit den anderen freien Künsten auch die Architektur aller Culturländer zum friedlichen Wettkampf in die Schranken treten. Die reiche Entwickelung, welche die deutsche Baukunst in der jüngsten Vergangenheit genommen, berechtigt sie, einen bevorzugten Platz für sich in Anspruch zu nehmen und gewährt die Zuversicht, daß sie diesen Platz zur eigenen Ehre, wie zur stolzen Genugthuung unseres Vaterlandes durch ihre hervorragenden Leistungen behaupten werde. Der Ausschuß hat sich auf Anregung und im Zusam⸗ menwirken mit der Reichsregierung das Ziel gesteckt eine möglichst vollständige und würdige Vertretung der heimischen Baukunst auf der Welt⸗Ausstellung Rereihepten. Zu diesem Zweck hat er zunächst an die Verfasser der ihm bekannten Entwürfe aus den letzten zehn Jahren die Aufforderung zur Hergabe dieser ihrer Schöpfungen