der Arbeit nicht mehr zulässig, wenn die zu Grunde liegenden Thatsachen dem Arbeiter länger als eine Woche bekannt sind. § 83 a. 1
Außer den in den §§ 82 und 83 bezeichneten Fällen kann jeder der beiden Theile aus wichtigen Gründen vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Innehaltung der Kündi⸗ gungsfrist die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses verlangen, wenn dasselbe mindestens auf vier Wochen oder wenn eine längere als vierzehntägige Kündigungsfrist vereinbart ist.
Der Bergwerksbesitzer oder dessen Stellvertreter ist ver⸗ pflichtet, dem abkehrenden großjährigen Bergmann ein Zeugniß über die Art und Dauer seiner Beschäftigung und auf Verlangen auch ein Zeugniß über seine Führung und seine Leistungen auszustellen. Die Unterschrift dieser Zeug⸗ nisse hat die Orts⸗Polizeibehörde kosten⸗ und stempelfrei zu be⸗ glaubigen. . 8
Wird die Ausstellung des Zeugnisses verweigert, so fertigt die Orts⸗Polizeibehörde dasselbe auf Kosten des Ver⸗ pflichteten aus. 1 8
Werden dem abkehrenden Bergmann in dem Zeugniß Beschuldigungen zur Last gelegt, welche seine fernere Beschäf⸗ tigung hindern würden, so kann er auf Untersuchung bei der Orts⸗Polizeibehörde antragen, welche, wenn die Beschuldigung unbegründet befunden wird, unter dem Zeugniß den Befund ihrer Untersuchung zu vermerken hat. 8—
Den Arbeitgebern ist untersagt, die Zeugnisse mit Merk⸗ malen zu versehen, welche den Zweck haben, den Arbeiter in einer aus dem Wortlaut des Zeugnisses nicht ersichtlichen Weise zu kennzeichnen.
§ 85
Bergwerksbesitzer oder deren Stellvertreter dürfen groß⸗ jährige Arbeiter, von denen ihnen bekannt ist, daß sie schon srühc beim Bergbau beschäftigt waren, nicht eher zur Berg⸗ arbeit annehmen, bis ihnen von denselben das Zeugniß des Bergwerksbesitzers oder Stellvertreters, bei dem sie zuletzt in Arbeit gestanden, beziehungsweise das Zeugniß der Orts⸗ Polizeibehörde (§ 84) vorgelegt ist.
Minderjährige Arbeiter können beim Abgange ein Zeugniß über die Art und Dauer ihrer Beschäftigung fordern, dessen Unterschrift die Orts⸗Polizeibehörde kosten⸗ und stempelfrei zu beglaubigen hat.
Dieses Zeugniß ist auf Verlangen der Arbeiter auch auf ihre Führung und ihre Leistungen auszudehnen.
Auf die Ausstellung dieses Zeugnisses finden die Absätze 2, 3 und 4 des § 84 entsprechende Anwendung.
Der Vater oder Vormund des Minderjährigen kann die Ausstellung des Zeugnisses fordern, auch verlangen, daß das⸗ selbe nicht an den Minderjährigen, sondern an ihn ausgehändigt werde. Mit Genehmigung der Gemeindebehörde des Arbeits⸗ ortes kann auch gegen den Willen des Vaters oder Vormundes die Aushändigung unmittelbar an den Arbeiter erfolgen.
§ 85b.
Minderjährige Personen dürfen auf den den Bestim⸗ mungen dieses Gesetzes unterworfenen Anlagen als Arbeiter nur beschäftigt werden, wenn sie mit einem Arbeitsbuche ver⸗ sehen sind. Bei der Annahme solcher Arbeiter hat der Berg⸗ werksbesitzer das Arbeitsbuch einzufordern. Er ist verpflichtet, dasselbe zu verwahren, auf amtliches Verlangen vorzulegen und nach rechtmäßiger Lösung des Arbeitsverhältnisses wieder auszuhändigen. Die Aushändigung erfolgt an den Vater oder Vormund, sofern diese es verlangen, oder der Arbeiter das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, anderen⸗ falls an den Arbeiter selbst. Mit Genehmigung der Gemeinde⸗ behörde des im § 85c bezeichneten Ortes kann die Aus⸗ händigung des Arbeitsbuchs auch an die Mutter oder einen sonstigen Angehörigen oder unmittelbar an den Arbeiter er⸗
folgen. § 85c.
Das Arbeitsbuch wird dem Arbeiter durch die Polizei⸗ behörde desjenigen Ortes, an welchem er zuletzt seinen dauernden Aufenthalt gehabt hat, wenn aber ein solcher innerhalb des Staatsgebietes nicht stattgefunden hat, von der Polizeibehörde des von ihm zuerst erwählten Arbeitsortes kosten⸗ und stempelfrei ausgestellt. Die Ausstellung erfolgt auf Antrag oder mit Zustimmung des Vaters oder Vormundes; ist die Erklärung des Vaters nicht zu beschaffen, oder verweigert der Vater die Zustimmung ohne genügenden Grund und zum Nachtheile des Arbeiters, so kann die Gemeindebehörde die Zustimmung desselben ergänzen. Vor der Ausstellung ist nachzuweisen, daß der Arbeiter zum Besuche der Volksschule nicht mehr ist, und glaubhaft zu machen, daß bis⸗ her ein Arbeitsbuch für ihn noch nicht ausgestellt war.
Wenn das Arbeitsbuch vollständig ausgefüllt oder nicht mehr brauchbar, oder wenn es verloren gegangen oder ver⸗ nichtet ist so wird an Stelle desselben ein neues Arbeitsbuch ausgestellt. Die Ausstellung erfolgt durch die Polizeibehörde desjenigen Orts, an welchem der Inhaber des Arbeitsbuchs zuletzt seinen dauernden Aufenthalt gehabt hat. Das aus⸗ gefüllte oder nicht mehr brauchbare Arbeitsbuch ist durch einen amtlichen Vermerk zu schließen.
Wird das neue Arbeitsbuch an Stelle eines nicht mehr brauchbaren, eines verloren gegangenen oder vernichteten Arbeitsbuchs ausgestellt, so ist dies darin zu vermerken. Für die Ausstellung kann in diesem Falle eine Gebühr bis zu fünfzig Pfennig erhoben werden.
§ Se.
Das Arbeitsbuch (§ 85b) muß den Namen des Arbeiters, Ort, Jahr und Tag seiner Geburt, Namen und letzten Wohn⸗ ort seines Vaters oder Vormundes und die Unterschrift des Arbeiters enthalten. Die Ausstellung erfolgt unter dem Siegel und der Unterschrift der Behörde. Letztere hat über hic von ihr ausgestellten Arbeitsbücher ein Verzeichniß zu ühren.
Die Einrichtung der Arbeitsbücher wird durch den Minister für Handel und Gewerbe bestimmt.
Bei dem Eintritt des Arbeiters in das Arbeitsverhältniß hat der Bergwerksbesitzer an der dafür bestimmten Stelle des Arbeitsbuchs die Zeit des Eintritts und die Art der Beschäf⸗ tigung, am Ende des Arbeitsverhältnisses die Zeit des Aus⸗ tritts und, wenn die Beschäftigung Aenderungen erfahren hat, die Art der letzten Beschäftigung des Arbeiters einzutragen.
Die Eintragungen sind mit Tinte zu bewirken und von dem Bergwerksbesitzer oder dem dazu bevollmächtigten Betriebs⸗ leiter zu unterzeichnen.
Die Eintragungen dürfen nicht mit einem Merkmal ver⸗
sehen sein, welches den Inhaber des Arbeitsbuchs günstig oder
nachtheilig zu kennzeichnen bezweckt.
Die Ien eines ÜUrtheils über die Führung oder die Leistungen des Arbeiters und sonstige durch dieses Gesetz nicht vorgesehene Eintragungen oder Vermerke in oder an dem Arbeitsbuche sind unzulässig. ö4““
Ist das Arbeitsbuch bei dem Bergwerksbesitzer unbrauch⸗ bar geworden, verloren gegangen oder vernichtet, oder sind von Bergwerksbesitzer unzulässige Merkmale, Eintragungen oder Vermerke in oder an dem Arbeitsbuche gemacht oder wird von dem Bergwerksbesitzer ohne rechtmäßigen Grund die Aushändigung des Arbeitsbuchs verweigert, so kann die Ausstellung eines neuen Arbeitsbuchs auf Kosten des Bergwerksbesitzers beansprucht werden. Ein Bergwerksbesitzer, welcher das Arbeitsbuch seiner gesetzlichen Verpflichtung zuwider nicht rechtzeitig ausgehändigt oder die vorschriftsmäßigen Ein⸗ tragungen zu machen unterlassen oder unzulässige Merkmale, Eintragungen oder Vermerke gemacht hat, ist dem Arbeiter entschädigungspflichtig. Der Anspruch auf Entschädigung er⸗ lischt, wenn er nicht innerhalb vier Wochen nach seiner Ent⸗ stehung im Wege der Klage oder Einrede geltend gemacht ist.
§ 85h.
Auf Antrag des Minderjährigen, seines Vaters oder Vor⸗ mundes hat die Orts⸗Polizeibehörde die Eintragung in das Arbeitsbuch kosten⸗ und stempelfrei zu beglaubigen.
Bergwerksbesitzer, welche einen Bergmann verleiten, vor rechtmäßiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Arbeit zu verlassen, sind dem früheren Arbeitgeber für den ent⸗ standenen Schaden als Selbstschuldner mitverhaftet. In gleicher Weise haftet der Bergwerksbesitzer, welcher einen Bergmann annimmt, von dem er weiß, daß derselbe einem anderen Arbeit⸗ geber zur Arbeit noch verpflichtet ist.
In dem im vorstehenden Absatze bezeichneten Umfange ist auch derjenige Bergwerksbesitzer mitverhaftet, welcher einen Bergmann, von dem er weiß, daß derselbe einem anderen Arbeitgeber zur Arbeit noch verpflichtet ist, während der Dauer dieser Verpflichtung in der Beschäftigung behält, sofern nicht seit der unrechtmäßigen Lösung des Arbeitsverhältnisses bereits vierzehn Tage verflossen sind. § 87.
Die Bergwerksbesitzer sind verpflichtet, ihren Arbeitern unter achtzehn Jahren, welche eine von der Gemeindebehörde oder vom Staat als Fortbildungsschule anerkannte Unterrichts⸗ anstalt besuchen, hierzu die erforderlichenfalls von der Berg⸗ behörde “ Zeit zu gewähren. Am Sonntag darf der Unterricht nur stattfinden, wenn die Unterrichtsstunden so gelegt werden, daß die Schüler nicht gehindert werden, den Hauptgottesdienst oder einen mit Genehmigung der kirch⸗ lichen Behörden für sie eingerichteten besonderen Gottesdienst ihrer Confession zu besuchen. Ausnahmen von dieser Be⸗ stimmung kann der Minister für Handel und Gewerbe für bestehende Fortbildungsschulen, zu deren Besuch keine Ver⸗ pflichtung besteht, bis zum 1. Oktober 1894 gestatten.
Als Fortbildungsschulen im Sinne dieser Bestimmungen gelten auch Anstalten, in welchen Unterricht in weiblichen Hand⸗ und Hausarbeiten ertheilt wird.
Durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde oder eines weiteren Communalverbandes, welche nach Maßgabe des § 142 der Gewerbeordnung erlassen wird, kann mit Zustim⸗ mung des Ober⸗Bergamts für männliche Arbeiter unter acht⸗ zehn Jahren die Verpflichtung zum Besuche einer Fortbildungs⸗ schule begründet werden. Auf demselben Wege können die zur Durchführung dieser Verpflichtung erforderlichen Bestimmungen
etroffen werden. Insbesondere können durch statutarische
estimmung die zur Sicherung eines regelmäßigen Schul⸗ besuchs den Schulpflichtigen sowie deren Eltern, Vormündern und Arbeitgebern obliegenden Verpflichtungen bestimmt und diejenigen Vorschriften erlassen werden, durch welche die Ordnung in der Fortbildungsschule und ein gebührliches Verhalten der Schüler gesichert wird. Von der durch statu⸗ tarische Bestimmung begründeten Verpflichtung zum Besuch einer Fortbildungsschule sind diejenigen befreit, welche eine andere Fortbildungs⸗ oder Fachschule (Steigerschule, Berg⸗ vorschule, Bergschule) besuchen, sofern der Unterricht dieser Schule von dem Ober⸗Bergamt als ausreichender Ersatz des durch statutarische Bestimmung geregelten Fortbildungsschul⸗ unterrichts anerkannt wird.
§ 88.
Das Dienstverhältniß der von den Bergwerksbesitzern gegen feste Bezüge zur Leitung und Beaufsichtigung des Be⸗ triebes nach Maßgabe der §§ 73 und 74 angenommenen oder dauernd mit höheren technischen Dienstleistungen betrauten Personen (Maschinen⸗ und Bautechniker, Chemiker, Zeichner und dergleichen) kann, wenn nicht etwas anderes verabredet ist, von jedem Theile mit Ablauf jedes Kalendervierteljahres nach sechs Wochen vorher erklärter Aufkündigung aufgehoben werden.
Jeder der beiden Theile kann vor Ablauf der vertrags⸗ mäßigen Ben und ohne Innehaltung einer Kündigungsfrist die Aufhebung des Dienstverhältnisses verlangen, wenn ein wichtiger, nach den Umständen des Falles die Aufhebung recht⸗ fertigender Grund vorliegt. v“ “
8 S 9 — 8
Gegenüber den im § 88 bezeichneten Personen kann die Aufhebung des Dienstverhältnisses insbesondere verlangt werden:
1) wenn sie beim Abschluß des Dienstvertrages den Berg⸗ werksbesitzer durch Vorbringen falscher oder verfälschter Zeug⸗ nisse hintergangen oder ihn über das Bestehen eines anderen sie gleichzeitig verpflichtenden Dienstverhältnisses in einen Irrthum versetzt haben;
2) wenn sie im Dienste untreu sind oder das Vertrauen mißbrauchen;
3) wenn sie ihren Dienst unbefugt verlassen oder den nach dem Dienstvertrage ihnen obliegenden Verpflichtungen nachzu⸗ kommen beharrlich verweigern;
4) wenn sie eine sicherheitspolizeiliche Vorschrift bei der Leitung oder 8.v der Bergarbeit übertreten oder wenn ihnen durch die Bergbehörde die Befähigung zum Auf⸗ sichtsbeamten aberkannt ist;
5) wenn sie durch anhaltende Krankheit oder durch eine längere Freiheitsstrafe oder Abwesenheit an der Verrichtung ihrer Dienste verhindert werden;
6) wenn sie sich Thätlichkeiten oder Ehrverletzungen gegen 61 Bergwerksbesitzer oder seine Vertreter zu Schulden kommen
assen;
7) wenn sie sich einem unsittlichen Lebenswandel ergeben.
In dem Falle zu 5 bleibt der Anspruch auf die vertrags⸗ mäßigen Leistungen des Bergwerksbesitzers r die Dauer von
sechs Wochen in Kraft, wenn die Verrichtung der Dienste durch unverschuldetes Unglück verhindert worden ist. Jedoch mindern sich die Ansprüche in diesem Falle um denjenigen Betrag, welcher dem Berechtigten aus einer auf Grund gesetz⸗ sicher Verpflichtung bestehenden Kranken⸗ oder Unfallver⸗ sicherung oder aus einer Knappschaftskasse zukommt.
§ 90 8
8 . —
Die im § 88 bezeichneten Personen können die Aufhebung des Dienstverhältnisses insbesondere verlangen:
1) wenn der Bergwerksbesitzer oder seine Stellvertreter sich Thätlichkeiten oder Ehrverletzungen gegen sie zu Schulden kommen lassen;
2) wenn der Bergwerksbesitzer Leistungen nicht gewährt;
3) wenn der Bergwerksbesitzer oder dessen Stellvertreter Anordnungen ergehen läßt, welche gegen den Betriebsplan oder gegen sicherheitspolizeiliche Vorschriften verstoßen, oder wenn er die Mittel zur Ausführung der von der Bergbehörde getroffenen polizeilichen Anordnungen verweigert. ““ Unter den im § 86 aufgestellten Voraussetzungen tritt die daselbst bestimmte Haftung des Bergwerksbesitzers auch für den Fall ein, wenn die im § 88 bezeichneten Personen zur Aufgabe des Dienstverhältnisses verleitet, in Dienst genommen oder im Dienst behalten werden.
Die wegen Uebertretungen der §§ 84 Absatz 4, 85 und 85f Absatz 3 festgesetzten Geldstrafen fließen zu der Knapp⸗ schaftskasse, welcher das betreffende Werk angehört.
Auf jedem Bergwerk ist über die daselbst beschäftigten Arbeiter eine Liste zu führen, welche die Vor⸗ und Zunamen, das Geburtsjahr, den Wohnort, den Tag des Dienstantritts und der Entlassung, sowie das Datum des letzten Arbeits⸗ zeugnisses enthält.
Die Liste muß der Bergbehörde auf Verlangen vorgelegt werden.
B. Betreffend die Befugnisse der Bergbehörden.
Artikel II. An Stelle des § 77 im Allgemeinen Berggesetze tritt folgende Bestimmung:
„Dieselben sind verpflichtet, die Bergbeamten, welche im Dienste das Bergwerk befahren, zu begleiten und denselben auf Erfordern Auskunft über den Betrieb, über die Aus⸗ führung der Arbeitsordnung und über alle sonstigen, der Aufsicht der Bergbehörde unterliegenden Gegenstände zu er⸗
theilen.“
3 Artikel III. Der zweite Absatz des § 189 erhält folgende Fassung: „Sie handhaben insbesondere die Bergpolizei nach Vor⸗ schrift des Gesetzes. In Beziehung auf die ihrer Aufsicht unterworfenen Anlagen und Betriebe stehen ihnen, ins⸗ besondere bei der Ueberwachung der Ausführung dieses Gesetzes, die Befugnisse und Obliegenheiten der im § 139 b der Reichs⸗Gewerbeordnung bezeichneten Aufsichtsbeamten
0 . Artikel IV. In § 196 wird hinter den Worten:
„die Sicherheit des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter,“ folgender Absatz eingeschaltet:
„die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des An⸗
standes durch die Einrichtung des Betriebes.“
Artikel V. Der Absatz 1 des § 197 erhält folgenden Zusatz:
„Für solche Betriebe, in welchen durch übermäßig Dauer der täglichen Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wird, können die Ober⸗Bergämter Dauer, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der zu gewährenden Pausen vorschreiben und die zur Durchführung dieser Vor⸗ schriften erforderlichen Anordnungen erlassen.“
Artikel VI. 1) Der § 192 erhält folgenden Absatz 2:
die vertragsmäßigen
„Widersprechen Verfügungen oder Beschlüsse des Revier⸗
beamten oder des Ober⸗Bergamts den von der zuständigen Berufsgenossenschaft erlassenen Vorschriften zur Verhütung von Unfällen, so ist zur Einlegung des Recurses binnen der vorstehend bezeichneten Frist auch der Vorstand der Berufs⸗ genossenschaft oder Berufsgenossenschafts⸗Section befugt.“
2) Der § 197 erhält folgenden Absatz 3:
„Vor dem Erlaß von Polizeiverordnungen, welche sich auf die Sicherheit des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter und auf die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes im Betriebe beziehen, ist dem Vorstande der betheiligten Berufsgenossenschaft oder Berufsgenossen⸗ schafts⸗Section Gelegenheit zu einer gutachtlichen Aeußerung zu geben. Auf diese finden die Bestimmungen des § 79 Absatz 1 des Unfallversicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 69) Anwendung.“
Straf⸗ und Schlußbestimmungen. Artikel VII.
Der dritte Abschnitt des neunten Titels im Allgemeinen
Berggesetze vom 24. Juni 1865 erhält folgende Fassung: Dritter Abschnitt. Strafbestimmungen.
Uebertretungen der Vorschriften in den §§ 4, 10, 66, 67, 69, 71, 72, 73, 74, 77, 93, 163, 200, 201, 203, 204, 205 werden mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark und im Unvermögensfalle mit Haft bestraft.
In den Fällen der §§ 67 und 69 sowie 73 und 74 tritt diese Strafe auch dann ein, wenn auf Grund der §§ 70 und 75 der Betrieb von der Bergbehörde eingestellt wird.
§ 207 a. 8
Mit Geldstrafe bis zu zweitausend Mark und im Unvermögensfalle mit Gefängniß bis zu sechs Monaten werden Bergwerksbesitzer bestraft, welche den §S 84 Absatz 4 und 85f Absatz 3 zuwiderhandeln. 8
§ 207 b. 3
Mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark und im Un⸗ vermögensfalle mit Haft wird bestraft, wer ein Bergwerk be⸗ treibt, für welches eine Arbeitsordnung (§ 80 a) nicht besteht, oder wer der endgültigen Anordnung der Behörde wegen Er⸗ setzung oder Abänderung der Arbeitsordnung (§ 80h) nicht nachkommt
1 8
Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark und im Unvermögensfalle mit Haft bis zu vier Wochen wird bestraft:
1) wer der Bestimmung des § 80 e Absatz 2 zuwider egen Arbeiter Strafen verhängt, welche in der Arbeitsord⸗ nung nicht vorgesehen sind oder den gesetzlich zulässigen Betrag übersteigen, oder wer Strafgelder, Lohnabzüge oder die im § 80 b. Ziffer 6 bezeichneten Beträge in einer dem Gesetze oder der Arbeitsordnung widersprechenden Weise verwendet:
2) wer es unterläßt, den durch die §§ 80 c Absatz 2, 80 g Absatz 1, 80 i und 80 k für ihn begründeten Verpflichtungen nachzukommen.
S 207 d.
Mit Geldstrafe bis zu dreißig Mark und im Unver⸗ mögensfalle mit Haft bis zu acht Tagen wird bestraft, wer es unterläßt, der durch § 80g Absatz 2 für ihn begründeten
pflichtung nachzukommen. “ . 11“¹“ *
Mit Geldstrafe bis zu zwanzig Mark und im Unver⸗ mögensfalle mit Haft bis zu drei Tagen für jeden Fall der Verletzung des Gesetzes wird bestraft: 8
1) wer den Bestimmungen der §§ 85 und 85b bis 85g zuwider einen Arbeiter in Beschäftigung nimmt oder behält;
M2) wer außer dem im § 207 a vorgesehenen Falle den Bestimmungen dieses Gesetzes in Ansehung der Arbeitsbücher zuwiderhandelt;
3) wer vorsätzlich ein auf seinen Namen ausgestelltes Arbeitsbuch unbrauchbar macht oder vernichtet;
4) wer den Bestimmungen des § 87 Absatz 1 oder einer auf Grund des § 87 Absatz 3 erlassenen statutarischen Be⸗ stimmung zuwiderhandelt;
5) wer es unterläßt, den durch § 80e Absatz 3 für ihn begründeten Verpflichtungen nachzukommen. Zuwiderhandlungen gegen die von den Bergbehörden bereits erlassenen sowie die von den Ober⸗Bergämtern auf Grund des § 197 noch zu erlassenden Berg⸗Polizeiverordnungen werden mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark und im Un⸗ vermögensfalle mit Haft bestraft.
Dieselbe Strafe findet bei Zuwiderhandlungen gegen die auf Grund der §§ 198 und 199 getroffenen polizeilichen Anordnungen Anwendung.
Ueber die Zuwiderhandlungen gegen die vorstehenden Vorschriften (§ 207, §§ 207 a bis 207 e, § 208) sind von den Revierbeamten Protokolle aufzunehmen.
Diese Protokolle werden der Staatsanwaltschaft zur Ver⸗ olgung übergeben.
Die Entscheidung steht den ordentlichen Gerichten zu.
Dieselben haben hierbei nicht die Nothwendigkeit oder Zweck⸗
mäßigkeit, sondern nur die gesetzliche Gültigkeit der von den Bergbehörden erlassenen polizeilichen Vorschriften zu prüfen. § 209 a.
Die Strafverfolgung der in den §S§ 207 b und 208 mit Sitrof 2 E11““ q Strafe bedrohten Handlungen verjährt innerhalb drei Mo⸗ naten, von dem Tage an gerechnet, an welchem sie be⸗
gangen sind. Artikel VIII.
Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1893 in Kraft. Mit der Ausführung desselben wird der Minister für Handel und Gewerbe beauftragt.
Die Ober⸗Bergämter sind ermächtigt, den Bergwerksbesitzern auf Antrag angemessene Fristen, längstens bis zum 1. Juli 1893, behufs Herstellung der zur Durchführung des § 80 k Absatz 1 erforderlichen Einrichtungen zu gewähren.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unter⸗ schrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel.
Gegeben Neues Palais, den 24. Juni 1892.
8 (L. S.) Wilhelm. Graf zu Eulenburg. von Boetticher. Herrfurth. von Schelling. Freiherr von Berlepsch. Miguel.
von Kaltenborn. von Heyden. Thielen. Bosse.
Literatur.
Unterhaltung. — Mit dem soeben erschienenen 13. Heft der „Illustrirten Octavhefte“ von „Ueber Land und Meer“ (hberausgegeben von Professor Joseph Kürschner, redigirt von Otto Baisch, Stuttgart, Deutsche Verlags⸗Anstalt) liegt der dritte Band des Jahrgangs 1891 bis 1892 vor. Seit ihrem Bestehen haben diese Hefte sich die Gunst des Publikums in immer höherem Maße zu erringen gewußt, da ihr Inhalt nicht nur außerordentlich spannend und interessant ist, sondern auch weil all die werthvollen Gaben für einen erstaunlich billigen Preis geboten werden (pro Heft nur eine Mark). Dazu kommt noch, daß die meisten Artikel reich illustrirt sind und die einzelnen Hefte sowohl wie die ganzen Bände sich sehr geschmackvoll in ihrer gediegenen Ausstattung präsentiren. Das umfangreiche, 28 verschiedene Rubriken enthaltende Inhaltsverzeichniß bietet Jedermann etwas Interessantes. — Die am 25. Juni erschienene Nr. 2556 der Leipziger Illustrirten Zeitung (J. J. Weber) enthält u. a. folgende Ab⸗ bildungen: Das ungarische Krönungsjubiläum in Budapest. — König Humbert von Italien. — Königin Margarethe von Italien. — Das neue Wappen von Elsaß⸗Lothringen. — Johann Eduard Erdmann, f am 11. Juni. — Emil Mario Vacano, † am 9. Juni. — Das erste Deutsch⸗Akademische Sängerfest in Salzburg. — Bilder aus Rostock. 8 Abbildungen. Nach Zeichnungen von Th. Rogge. — Zer⸗ legbarer Karren für den Munitionsersatz in der Feuerlinie. — Regen⸗ macher in Indien. — Polytechnische Mittheilungen. — Moden. — Altenburger Bäuerin in den verschiedenen Stufen des Ankkeidens. — Das Juliheft von „Nord und Süd“ bringt an seiner Spitze den ersten Theil einer neuen Novelle von Wilhelm Jensen: „Hunnenblut“, die uns in das alte Chiemgau und in die Mitte des 11. Jahrhunderts versetzt. Alfred Kalischerentwickelt Moritz Moszkowski's edeutung als Musiker, speciell als Operncomponist, indem er dessen Oper „Boabdil“, eingehend analysirt. Interessant, lehrreich und zum theil auch ergötzlich sind die Mittheilungen, die Paul Lindau in seinen „Bildern aus dem Nordwesten der Vereinigten Staaten“ zunächst über den Staat Washington macht. — Wolfgang Eras be⸗ leuchtet das vor kurzem publicirte Gesetz, betreffend die „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“. Eine packende Novelle aus dem Fran⸗ zösischen: „Gift“ von Jean Reibrach, behandelt das Verhängniß einer schuldbeladenen Vergangenheit, die nicht auszulöschen ist. Endlich erörtert F. Dannemann in kurzer aber leichtfaßlicher Darstellung zdie Probleme der modernen Naturwissenschaft“. Der bibliographische Theil enthält außer kleineren kritischen Notizen eine ausführliche, von Illustrationsproben begleitete Würdigung des Heinemann'schen Werks: „Goethe's Mutter“. . — Die Zeitschrift „Zur Guten Stunde“ (Berlin W., Deutsches Verlagshaus Bong u. Co.) enthält einen Aufsatz „
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Puppenlande!, von Conrad Alberti, der von guten Illustrationen von L. Dettmann begleitet ist. Diese Illustrationen in ihrem bunten Ge⸗ wande stellen der Reproductionstechnik des Verlags das beste Zeugniß aus; die Wiedergabe der Aquarelle geschieht in graziöser und feiner Weise, und die Reproductionen können als muster ültige Wiedergabe der Originale gelten. Dieser Eigenart in der J ustrirung und dem Reichthum des Inhalts verdankt „Zur Guten Stunde“ sein rasches Aufblühen; die Zeitschrift hat bereits 94 000 Abonnenten. Pr. 40 4₰ für das Vierzehntagsheft.
— Das Juliheft der „Deutschen Rundschau“ bringt die Festrede H. von Helmholtz's: „Goethe's Seeerba kommender naturwissenschaftlicher Ideen“, welche von dem berühmten Gelehrten, kürzlich auf der Generalversammlung der Goethe⸗Gesellschaft in Weimar gehalten wurde. — „Ferdinand Graf Eckbrecht Dürckheim“ betitelt sich ein anonymer Aufsatz, der dem vor Fahresfrist heimgegangenen elsässischen Patrioten und seinen treuen Bestrebungen und Verdiensten um das neu geeinte deutsche Vaterland ein schönes Denkmal setzt. — Von einem „Freunde des Orients“ be⸗ gegnet man dann einer längeren Abhandlung politischen Charakters, betitelt „Die neueren Phasen der türkischen Politik“, die als ein verthvoller Beitrag zur Cultur⸗ und Völkergeschichte Europas be⸗ trachtet werden darf. — Ein Verdienst hat sich Otto Brahm mit der Herausgabe der „Römischen Briefe von Karl Stauffer⸗Bern“ er⸗ worben. — Der belletristische Theil des Heftes bietet diesmal die ersten Kapitel einer neuen Novelle von Karl Frenzel: „Frauenrecht. Die Schrecken der großen französischen Re⸗ volution sind der reich bewegte Hintergrund, auf dem sich diese Erzählung abspielt, während den Mittelpunkt die aus jenen Tagen rühmlichst bekannte Gattin des gelehrten Roland bildet: eine Frauen⸗ gestalt, wie sie dem Verfasser dieser Novelle so besonders gut gelingen. Die Fortsetzung der Erzählung, welche für das nächste Heft in Aus⸗ sicht gestellt ist, dürfte von den Lesern der „Deutschen Rundschau“ gewiß mit gespanntem Interesse erwartet werden. — Dem Ober⸗ Bürgermeister Max von Forckenbeck widmet Julius Rodenberg einen Nachruf. — Von dem übrigen hervorragenden Inhalt des Juliheftes erwähnen wir noch: „Die Entwicklung und Bedeutung der Volks⸗ bibliotheken’, Von Professor E. Rever. — „Wirthschafts⸗ und finanzpolitische Rundschau. — Politische Rundschau. — „Taine's Entwicklungsgeschichte des modernen Frankreichs.“ Von der geist⸗ vollen Lady Blennerhassett. — „Literarische Notizen“ und endlich „Literarische Neuigkeiten.”
Verschiedenes.
— Von dem Oldenburgischen Hof⸗ und Staats⸗Hand⸗ buch ist der Jahrgang 1892, geb. ℳ 1,30, in der Schulze'schen Hof⸗ Buchhandlung, A. Schwartz, in Oldenburg erschienen. 8 — Katechismus des guten Tons und der feinen itte. Von Eufemia von Adlersfeld, geb. Gräfin Ballestrem. 57 Seiten. In Original⸗Leinenband Preis 2 ℳ Verlag von J. J. eber in Leipzig. — „guten Ton“ ist, seit
Weber Die Literatur über der Knigge's „Umgang mit Menschen“ erschien, mehr und mehr ange⸗ wachsen, und viele dieser Werke sind in ihrer Art meisterhaft und ge⸗ reichen jeder Bibliothek zur Zierde. Aber sie haben fast alle denselben Fehler, daß sie durch zuviel Beiwerk den Lernenden verwirren und dadurch unsicher machen, ihn der Natürlichkeit bei der An⸗ wendung des Gelernten berauben. Denn wir dürfen nie ver⸗ gessen, daß ein Lehrbuch über den „Guten Ton und die feine Sitte“ nicht für die geschrieben ist, denen diese schon in der Kinderstube zur zweiten Natur anerzogen, sondern für die bestimmt ist, welche
sich durch Talent und Fleiß hinaufgerungen haben in die Kreise der⸗
Gebildeten und diesen nun auch in Bezug auf die feine Sitte eben⸗ bürtig werden wollen. In diesem Sinne entstand dieses Büchlein, das in der klaren und leicht faßlichen Form des Katechismus eine An⸗ leitung giebt, sich die in den Kreisen der Gebildeten unerläßlichen Formen anzueignen.
— Das Juniheft (6) von der Zeitschrift „Das Wetter“, meteorologische Monatsschrift für Gebildete aller Stände, heraus⸗ “ von Dr. med. et phil. R. Aßmann (Verlag von Otto Salle in Braunschweig) hat folgenden Inhalt: Ueber typische Ver⸗ theilung der Temperatur in Mittel⸗Europa, von Dr. G. Schwalbe in Berlin (Schluß). — Wird die Influenza durch den Wind verbreitet? von Dr. C. Lang in München. — Wolken und Wolkenphotographie, von C. Kaßner, Assistenten am Kgl. Met. Inst. zu Berlin. — Ueber⸗ sicht über die Witterung in Central⸗Europa im April 1892. — Die Aspirations⸗Meteorographen in den Uraniasäulen. — Luke Howard. — Klagelied eines Wetterpropheten. — Karten⸗Beilage: Mittlere Iso⸗ baren und Isothermen, sowie die Niederschlagsmengen von Central⸗ Europa für den April 1892.
— Panorama von Jerusalem und der Kreuzigung Christi, gemalt von Bruno Piglhein in München, mit Geneh⸗ migung der Eigenthümer direct nach dem Rundgemälde aufgenommen, mit Erläuterung von Dr. Ludwig Trost. Holzschnitt⸗Folio⸗Ausgabe Preis 7 ℳ Photographie⸗Cabinet⸗Ausgabe in eleganter Mappe. Preis 6 ℳ — Unter all den zahlreichen Panoramen, die im Laufe des jüngsten Jahrzehnts in den größeren Städten des europäischen Continents erstanden sind, kann sich wohl keines eines so großartigen, umfassenden und nachhaltigen Erfolges rühmen wie Bruno Piglhein's Panorama der Kreuzigung Christi, das leider kürzlich durch eine Feuersbrunst in Wien zerstört wurde. Für die vielen Tausende der Besucher des Rundgemäldes wird es gewiß von Interesse sein, zu erfahren, daß eine Vervielfältigung dieses herrlichen Panoramas in der Deutschen Verlags⸗Anstalt (Stuttgart) in zwei Ausgaben erschienen ist. Das treffliche Prachtwerk ist ganz besonders geeignet, sowohl hinsichtlich seines Inhalts, wie auch seiner gediegenen Ausstattung als eine immer werthvolle und erwünschte Festgabe für alle Stände und Altersklassen Verwendung zu finden.
— Die Ehre und ihre Verletzbarkeit von Dr. Carl Binding, ord. Professor der Rechte zu Leipzig. Erste und zweite Auflage. Leipzig 1892. Verlag von Duncker und Humblot. Preis 0,80 ℳ — Da falsche Anschauungen über die Verletzung der Ehre und die Wiederherstellung der verletzten Ehre besonders in akademischen Kreisen schon viel Verderben über sonst häufig vom Glück begünstigte Familien gebracht haben, so erscheint dieser Gegenstand vorzugsweise geeignet, in öffentlicher Rede vor der akademischen Jugend erörtert zu werden, um so mehr, wenn der Redner als Geschichtsforscher und Rechtslehrer ein so bedeutendes Ansehen genießt wie der Professor Dr. Carl Binding. Die uns vorliegende, dieses Thema behandelnde und auf Wunsch seiner zahlreichen “ herausgegebene, zum An⸗ tritt des Rectorats am 31. Oktober 1890 in der Aula des Leipziger Universitätsgebäudes gehaltene Rede verdient sicherlich als ein Beitrag zur Behandlung dieser Frage Beachtung.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Abspe Maßregeln.
Sterblichkeits⸗ und Gesundheitsverhältnisse im Monat Mai 1892. Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts sind im Monat Mai von je 1000 Bewohnern, auf das Jahr berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 21,4, in Breslau 27,5 in Königsberg 22,3, in Köln 23,8, in Cassel 18,0, in Magdeburg 22,4, in Stettin 23,9, in Altona 30,8, in Hannover 20,4, in Frankfurt a. M. 24,1, in Wiesbaden 22,5, in München 26,9, in Nürnberg 25,3, in Augsburg 31,1, in Dresden 23,8, in⸗Leipzig 21,4, in Stuttgart 19,6, in Karlsruhe 19,3, in Braunschweig 25,8, in Hamburg 28,4, in Straß⸗ burg 22,4, in Metz 24,3, in Amsterdam 20,9, in Brüssel 22,5, in Budapest 30,4, in Christiania 16,4, in Dublin 31,8, in Edinburg 17,3, in Glasgow 26,2, in Kopenhagen —, in Krakau 37,9, in Liverpool 23,9, in London 19,1, in Lyon 21,7, in Odessa 20,6, in Paris 23,3, in St. Petersburg 2, in Prag 32,2, in Rom (April) 19,8, in Stockholm 19,9, in Triest 29,9, in Turin (April) 2,04, in Venedig 20,5, in Warschau 24,9, in Wien 27,6, in New⸗York 27,0. (Für die außerdeutschen Städte ist der Zeitraum von 4 Wochen, vom 1. bis 28. Mai incl., zusammengefaßt worden.)
Der Gesundheitsstand im Monat Mai war in der überwiegenden Mehrzahl der größeren deutschen wie außerdeutschen Städte ein ziemlich günstiger und auch die Sterblichkeit im allgemeinen eine mäßig hohe; doch wurden, besonders aus einer größeren Zahl deutscher Städte, etwas höhere Sterblichkeitsziffern als aus dem Vormonat mitgetheilt. Einer sehr geringen Sterblichkeit (einer Sterblichkeits⸗ ziffer bis 15,0 pro Mille) erfreuten sich acht Städte (gegen fechs im Vormonat), und zwar waren dies Eschweiler, Glogau, Herford, Minden, Obligs, Neunkirchen, Meißen, Weimar. Dagegen stieg die Zahl der deutschen Orte mit hoher Sterblichkeit (Sterblichkeitsziffer über 35,0 pro Mille), die im April 6 betrug auf 11 im Mai, und zwar ware diese: Elbing, Königshütte, Langenbielau, Malstatt⸗Burbach, Neustadt O.⸗S., Schweidnitz, Zaborze, Erlangen, Ingolstadt, Crimmitschau, Plauen; von außerdeutschen Städten meldet nur Krakau eine Sterblichkeit von über 35,0 pr. M. Das Sterblichkeitsmaximum, das im Vormonat Erlangen mit 49,3 pr. M. erreichte, wies im Berichtsmonate Crim⸗ mitschau mit 52,7 pr. M. auf. Die Zahl der deutschen Orte mit günstiger Sterblichkeit (Sterblichkeitsziffer bis 20,0 pr. M.) hat ab⸗ genommen und sank von 52 des Vormonats auf 35 und wollen wire aus der Zahl derselben hier nur Barmen, Kirdorf und Schöneberg⸗ (bei Berlin), Bielefeld, Charlottenburg, Elberfeld, Gnesen, Graudenz, Cassel, Krefeld, Neisse, Thorn, Wilhelmshaven, Wandsbeck, Weißenfels, Bautzen, Chemnitz, Heilbronn, Stuttgart, Ulm, Karlsruhe, Rostock⸗ Schwerin i. M., Gotha, Cöthen, Mülhausen i. E. und von außer⸗ deutschen Orten: Christiania, Edinburg, London, Rom (April), Stock⸗ holm erwähnen. Die Zahl der deutschen Städte mit mäßig hoher Sterblichkeit (Sterblichkeitsziffer bis 23,0 pro Mille), die im Vor⸗ monat 59 betrug, blieb die gleiche, und nennen wir aus der Zahl der⸗ selben hier nur Aachen, Beuthen O. S., Berlin, Bochum, Bromberg, Dortmund, Düsseldorf, Erfurt, M.⸗Gladbach, Göttingen, Halle, Hannover, Kiel, Koblenz, Königsberg, Köslin, Kolberg, Magdeburg Merseburg, Osnabrück, Spandau, Wiesbaden, Bamberg, Bayreuth Hof, Glauchau, Leipzig, Rentlingen, Mainz, Offenbach, Wismar Eisenach, Bernburg, Dessau, Gera, Straßburg und von außerdeutscher Städten: Amsterdam, Brüssel, Kopenhagen, Lyon, Odessa, Venedig Die Betheiligung des Säuglingsalters an der Gesammtsterblichkeit war im allgemeinen eine gegen den Vor⸗ monat gesteigerte. Von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr be⸗ rechnet, in Stuttgart 55, in Dresden 74. in Berlin 83, in Hamburg 99, in München 114 Säuglinge. Diese Steigerung der Säuglingssterb⸗ lichkeit wurde hervorgerufen durch das zahlreichere Vorkommen von acuten Darmkrankheiten, die besonders durch die zu Ende des Monats vorherrschende abnorm heiße Temperatur der Luft, nament⸗ lich im mittleren und südlichen Deutschland, viel tödtlich endende Darmkatarrhe und Brechdurchfälle veranlaßten, wie in Ber⸗ lin, Breslau. Danzig, Elbing, Köln, Liegnitz, Magdeburg, München, Nürnberg, Dresden, Leipzig, Gera, Hamburg, Straßburg. Auch in Wien, Pest, Kopenhagen, Paris, Amsterdam, Warschau hat die Zahl der Opfer an diesen Krankheitsformen zugenommen, während sie in Brüssel, London, Stockholm. Triest, Venedig abnahm und in New⸗ York die gleich hohe wie im Vormonat blieb. Eine weitere zum theil recht bedeutende Abnahme gegen den Monat April erfuhren geute Entzündungen der Athmungsorgane, die in Aachen, Barmen, Berlin, Dortmund, Düsseldorf, Erfurt, Frankfurt a. M., Hannover, Köln, Königsberg, Magdeburg, Fürth, Muͤnchen, Nürnberg, Leipzig, Stuttgart, Mannheim, Mainz, Darmstadt,“ Braunschweig, Straßburg, Brüssel, London, Paris, Odessa, Warschau, Wien u. a. O. weniger Opfer forderten, während besonders in den Städten an der Ost⸗ und Nordseeküste (Altona, Hamburg, Danzig, Königsberg, Stettin, Bremen) ferner in Breslau, Essen, Halle, Münster, Amster⸗ dam, Paris, Budapest, New⸗York die Zahl der letzteren entweder die gleiche wie im Vormonat blieb oder eine größere wurde. E beblich seltener als im Vormonat gelangten auch Erkrankungen und Todes fälle an epidemischer Grippe zur Mittheilung. Aus den meisten darüber Mittheilung machenden Orten werden nur vereinzelt Todes fälle berichtet (Dortmund, Mainz, Magdeburg, Zittau, Offenbach, Altenburg, Braunschweig, Amsterdam, Prag, Stockholm), Mühlhausen i. Th. und Rom (April) melden je 2, Oldenburg, Moskau (April) je 3, Berlin, Darmstadt, Leipzig., Paris je 4, Köln 5, Kopenhagen 6, Baltimore (April) 8, New⸗York 12, London 28 Todesfälle, sodaß die Epidemie den bösartigen Charakter verloren zu haben und dem Erlöschen nahe zu sein scheint. Auch Todesfälle an Schwindsucht wurden weniger berichtet. — Von den Infectionskrankheiten zeigten sich Masern, Scharlach, Diphtherie und Pocken häufiger, Unterleibs typhen und Keuchhusten seltener als Todesursachen. Besondere Ver breitung gewannen Masern, von denen aus Berlin, München, Nürnberg, Hamburg, Wien, Budapest, Kopenhagen, Christiania, den Regierungsbezirken Arnsberg, Düsseldorf, Erfurt, Hildesheim, Königs berg, Posen, Schleswig, Stettin, Wiesbaden zahlreiche Erkrankungen zur Anzeige kamen und die in Altona, Berlin, Malstatt⸗Burbach, Remscheid, München, Nürnberg, Ludwigshafen, Plauen, Hamburg, Metz, Budapest, Kopenhagen, Liverpool, Wien und besonders in London, Dublin, Glasgow, Paris, New⸗York und im April in Bombay zahlreiche Todesfälle veranlaßten. Das Scharlachfieber forderte in Hamburg, Budapest, Glasgow, London, Stockholm, Wien, New⸗York und im April in Moskau mehr, in Berlin und Paris weniger Opfer als im Vormonat. — Die Sterblichkeit an Diphtherie und Croup war in Breslau, Essen, Gelsenkirchen, Nordhausen, Posen, Remscheid, Leipzig, Stuttgart, Hamburg, London, Lyon, Paris, Rom (April), Stockholm, Moskau (Avpril) eine größere, während sie in Berlin, Duisburg, Elbing, Frankfurt a. M., Köln, München, Dresden, Budapest, Kopenhagen, Prag, Warschau, Wien, New⸗York eine kleinere als im April wurde, obwohl die Zahl der durch sie hervorgerufenen Sterbefälle in den meisten der letztgenannten Orte immer noch eine ansehnliche blieb. Auch Erkrankungen an Diphtherie kamen aus Berlin, Hamburg, München, Wien, Kopenhagen und den Regierungsbezirken Arnsberg, Düsseldorf, Schleswig in zahl⸗ reichen Fällen zur Anzeige. Der Unterleibstyp hus zeigte sich auch in diesem Monat im ganzen selten als Todesursache. In Berlin, London, Paris, Warschau, New⸗York, Moskau (April) blieb die Zahl der Sterbefälle eine kleine. Flecktyphus trat in Amsterdam, Krakau, Paris vereinzelt auf. Aus New⸗York werden 4, aus Odessa 9, aus Warschau 23, aus Moskau (Avpril) 36 Sterbefälle, aus Berlin, dem Regierungsbezirk Königsberg ver⸗ einzelt gebliebene Erkrankungen gemeldet. Todesfälle an Rückfalls⸗ fieber kamen in Odessa und Moskau (April) je 3 zur Kenntniß. Der Keuchhusten zeigte sich in Berlin, Wien, Kopenhagen, Dublin, London, Glasgow, Turin (April) häufiger als Todesursache; außer⸗ gewöhnlich zahlreich war die Zahl der Sterbefälle jedoch nur in Glasgow und London. Pocken zeigten sich in mehreren oberschle⸗ sischen Orten;: sie blieben aber meist vereinzelt. Größere Verbreitung in deutschen Orten fanden die Pocken nur in Greiz, von wo sieben Sterbefälle berichtet wurden. Aus Kattowitz, Königsberg, Zaborze, Brünn, Kopenhagen, Liverpool, Lyvon, Mailand, wurden je 1, aus Beuthen O.⸗S., Krakau, Paris je 2, aus Odessa 3, aus Köͤnigshütt⸗ 4, aus Lemberg und Kairo (April) je 8, aus London 9, aus New⸗York 11, aus Warschau 27, aus Prag 29, aus Moskau (April) 35, aus Alexandrien (April) 36 Todesfälle berichtet. Er⸗ krankungen kamen vereinzelt aus München, Rostock und den Regierungs⸗ bezirken Posen und Schleswig, mehrfach aus Berlin, Wien, Budapest (je 2), Breslau (5), Regierungsbezirk Marienwerder 8, aus Prag und London in einer größeren Zahl von Fällen zur Anzeige. Todesfälle an Genickstarre kamen aus Elberfeld und Meiderich je 1, aus Cincinnati und San Francisco je 2, aus Kopenhagen 5, aus Brooklyn 15, aus New⸗York 26 zur Berichterstattung. Vereinzelte Erkrankungen gelangten aus Berlin, München, Kopenhagen und aus den Reeie an berh n Marienwerder, Stade, Arnsberg und Düssel⸗ dorf zur Anzeige. In Rio de Janeiro forderte das gelbe Fieber im April noch 428 Opfer. Aus Persien wird der Ausbruch der Cholera gemeldet und sind von Seiten der russischen Regierung Abwehrmaßregeln getroffen worden. In Kalkutta gewann die Chalera im April und Mai gleichfalls an Ausdehnung