1892 / 184 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 06 Aug 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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B. In Gemeinden mit gewählten Gemeindevertretungen.

1) Zusammensetzung der Gemeindevertretungen, Aufstellung der Wählerlisten, Einspruchs⸗ und Wahlverfahren.

8 In denjenigen Landgemeinden, in welchen die Zahl der Stimm⸗ berechtigten nach der Gemeindegliederliste mehr als 40 beträgt, tritt nach § 49 an die Stelle der Gemeindeversammlung eine Gemeindever⸗ tretung, welche aus dem Gemeinde⸗Vorsteher und dessen Stellvertreter wenn mehrere Stellvertreter vorhanden sind, dann dem ersten Stellvertreter sowie den gewählten Gemeindeverordneten, deren Zahl mindestens sechs betragen muß, besteht. Das Gleiche ist in Gemeinden mit einer geringeren Anzahl von Stimmberechtigten der Fall, wenn in denselben bisher schon eine Gemeindevertretung be⸗ standen hat 147 Abs. 1), sowie ferner, wenn die Einführung einer solchen im Wege einer statutarischen Anordnung von der Gemeinde⸗ versammlung beschlossen oder von dem Kreisausschusse auf Antrag

Betheiligter oder im öffentlichen Interesse vorgeschrieben wird. Nach § 149 Abs. 3 in Verbindung mit § 49 Abs. 3 treten die

zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes im Amt befindlichen Gemeinde⸗

Vorsteher und deren Stellvertreter ohne weiteres in die zu bildenden Gemeindevertretungen ein, während dagegen die Gemeindeverordneten

gemäß der Bestimmungen der §§ 50 ff. zu wählen sind.

Zum Zwecke dieser Wahl ist zunächst die Aufstellung der im § 39.

Abs. 2 vorgeschriebenen Liste der Gemeindeglieder und der sonstigen

Wahlberechtigten 45) bis zum Anfange des Monats Januar 1893

zu bewirken. Die Liste, welche die nach § 41 erforderlichen Eigenschaften der eglieder und die im § 45 angegebenen Voraussetzungen für

das Wahlrecht der dort bezeichneten physischen und juristischen Per⸗

sonen sowie Personen⸗Gesammtheiten nachzuweisen hat, ist, unter Benutzung der im Oktober und November 1892 bewirkten Per⸗ onenstands⸗Aufnahme für die Veranlagung der Staatseinkommen⸗

steuer, nach dem lanliegenden] Formular (B) von dem Ge⸗

meinde⸗Vorsteher aufzustellen. Vor der Aufnahme eines jeden Gemeindegliedes in die Liste hat sich der Gemeinde⸗Vorsteher die Ueberzeugung zu verschaffen, daß bezüglich desselben die im § 41. Nr. 1 bis 5 bezeichneten Voraussetzungen zutreffen Ruht bei einem Gemeindegliede die Ausübung des Gemeinderechts 44), so ist unter der Rubrik „Bemerkungen“ der Grund des Ruhens durch einen kurzen Hinweis auf die einschlagende Nummer des § 44 ersichtlich zu machen z. B. „ruht nach § 44 Nr. 1‧).

Die Landräthe haben bei jeder sich darbietenden Gelegenheit, nsbesondere bei persönlicher Anwesenheit in den Gemeinden, auf eine vorschriftsmäßige und sorgfältige Aufstellung der Listen durch ent⸗ sprechende Belehrung der Gemeinde⸗Vorsteher und Prüfung der erfolgten intragungen hinzuwirken.

Zu den einzelnen Abtheilungen der Liste B ist Folgendes zu bemerken:

Zu a. Unter a weist die Liste diejenigen männlichen und weib⸗ ichen Wahlberechtigten nach, welche ein Wohnhaus in dem Gemeinde⸗ ezirke besitzen. Steht ein Wohnhaus im Miteigenthume Mehrerer, o hat der Gemeinde⸗Vorsteher zu veranlassen, daß bis zum Ende des Monats Dezember 1892 nach Maßgabe der Vorschrift im § 41 Abs. 3 estgestellt werde, welcher der Miteigenthümer das Gemeinderecht auszuüben hat, und danach ist die Eintragung zu bewirken.

Zu b. Unter b sind diejenigen männlichen und weiblichen Wahlberechtigten aufzuführen, welche, ohne ein Wohnhaus eigen⸗ hümlich zu besitzen, von ihrem gesammten innerhalb des Gemeinde⸗ ezirks belegenen Grundbesitz einen Jahresbetrag von mindestens drei⸗ Mark an Grund⸗ und Gebäudesteuer entrichten.

Es ist zu beachten, daß unter a und b nach Maßgabe der Bestimmung in § 45 Abs. 3 auch Frauen und nichtselbständige Personen, welche auf Grund des ihnen im Gemeindebezirk zu⸗ tehenden Grundbesitzes wahlberechtigt sind, sofern bei ihnen die im 5 41 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen, aufgeführt werden müssen.

Zu c. Unter c weist die Liste diejenigen männlichen Gemeinde⸗ ngehörigen nach, welche, ohne unter a oder b zu gehören, für 892/93 zur Staatseinkommensteuer veranlagt sind.

Zu d. Unter d hat die Liste zunächst diejenigen männlichen und weiblichen Personen aufzuführen, welche, ohne im Gemeinde⸗

bezirk einen Wohnsitz zu haben, in demselben seit mindestens

einem Jahre ein Grundstück besitzen oder am 1. April 1893 besessen haben werden, welches wenigstens den Umfang einer die Haltung von Zugvieh zur Bewirthschaftung erfordernden Ackernahrung hat, oder auf welchem sich ein Wohnhaus, eine Fabrik oder eine andere gewerbliche Anlage befindet, die dem

Werthe einer solchen Ackernahrung mindestens gleichkommen. Auch

hier sind Frauen und nichtselbständige Personen, bei welchen die im

§ 41 Nr. 1, 2, 4 und 5 bezeichneten Voraussetzungen zutreffen, mit

aufzuführen. Hieran schließen sich die juristischen Personen, die

Actiengesellschaften, Commanditgesellschaften auf Actien, Berggewerk⸗

schaften, eingetragenen Genossenschaften und der Staatsfiscus an, sofern

dieselben Grundstücke von dem bezeichneten Umfange im Gemeinde⸗ bezirke besitzen.

b Zu e. Unter e folgen diejenigen männlichen Gemeindeangehörigen, elche, ohne zu a oder b der Liste zu gehören, für 1892/93 mit einem Einkommen von mehr als 660 bis einschließlich 9900 zu den Ge⸗ neindeabgaben herangezogen sind.

Hinter jeder Gruppe ist ein genügender Raum für die bei der ortführung der Liste erforderlich werdenden Nachtragungen offen zu assen. Werden bei dieser Fortführung Streichungen oder Aende⸗ ungen erforderlich, so ist der Grund in Spalte 11 zu bemerken.

Bei jedem Stimmberechtigten ist der Betrag der von demselben u zahlenden Einkommensteuer (in Sp. 5), Grund⸗ und Gebäudesteuer in Sp. 6), Gewerbesteuer vom stehenden Gewerbe (in Sp. 7), Ge⸗

meindesteuer (in Sp. 8), Kreis⸗ und Provinzialsteuer (in Sp. 9),

sowie der Gesammtbetrag dieser Steuern (in Sp. 10) einzutragen.

Auf Grund der Gemeindegliederliste ist gemäß § 55 in Ver⸗

bindung mit § 50 eine nach Wahlklassen und im Falle des § 51 bs. 1 außerdem nach Wahlbezirken einzutheilende anderweite Liste er sämmtlichen Wahlberechtigten nach dem angeschlossenen For⸗

mular (C) in der Weise aufzustellen, daß sich die Reihenfolge der

Wähler nach der Höhe der von denselben zu entrichtenden Gesammt⸗ teuerbeträge bestimmt. Hierbei sind sowohl in Ansehung der Staatssteuern, als auch in Ansehung der Gemeinde⸗, Kreis⸗ und rovinzialsteuern die für das Jahr 1892/93 entrichteten oder och zu entrichtenden Beträge zu Grunde zu legen. Be⸗ üglich der Berechnung der zur Berücksichtigung zu ziehenden Staats⸗ inkommensteuer ist zu bemerken, daß nach dem Gesetze, betreffend die Aenderung des Wahlverfahrens, vom 24. Juni 1891 (Gesetz⸗Samml.

.231) für jede nicht veranlagte stimmberechtigte Person ein Steuer⸗ etrag von 3 zum Ansatze zu bringen ist.

Der Gesammtbetrag der von den Stimmberechtigten zu ent⸗ ichtenden Abgaben ist aus Spalte 10 der Liste B in Spalte 4 der iste C zu übertragen. Diese Beträge sind demnächst zusammenzuziehen

und die drei Klassen nach § 50 so abzugrenzen, daß ein Drittel dieses

esammtbetrages auf jede Klasse entfällt. Der auf jede der drei Klassen ntfallende Steuerbetrag ist in der Spalte 5 hinter dem Steuerbetrage es zuletzt aufgeführten Wahlberechtigten der bezüglichen Klasse aus⸗ zuwerfen.

8 Diese Liste (C nicht aber die Liste B —) ist in dem Zeit⸗

raume vom 15. bis 30. Januar in einem vorher zur öffentlichen Kennt⸗

niß zu bringenden Raume auszulegen. Während dieser Zeit kann eder Wahlberechtigte gegen die Richtigkeit der Liste bei dem Ge⸗ einde⸗Vorsteher Einspruch erheben, über welchen dieser, oder, wo eine

Gemeindevertretung schon jetzt besteht, die letztere zu beschließen hat. Gegen den Beschluß findet innerhalb zwei Wochen die Klage im Verwaltungsstreitverfahren bei dem Kreisausschusse statt. Die Ge⸗ neinde⸗Vorsteher sind dahin mit Anweisung zu versehen, daß sie über ie erhobenen Einsprüche und im Anschlusse hieran über die Richtig⸗ eeiit der Wählerliste überhaupt mit thunlichster Beschleunigung

unbeschadet jedoch der erforderlichen Gründlichkeit der Prüfung

beschließen, oder zutreffenden Falls veranlassen, daß dies seitens

der Gemeindevertretung geschehe. Die Beschlüsse auf er⸗

folgte Einsprüche sind denjenigen, welche diese Einsprüche er⸗ hoben haben, gegen Empfangsbescheinigung zuzustellen. Da Klagen gegen diese Beschlüsse keine aufschiebende Wirkung haben, so wird es unschwer zu ermöglichen sein, daß das Einspruchsverfahren zu Ende des Monats März 1893 beendet ist. Soll der Name eines einmal in die Liste aufgenommenen Wahlberechtigten wieder gelöscht werden, so ist dieses demselben unter Angabe der Gründe mindestens acht Tage vor dem 1. April 1893 durch den Gemeinde⸗Vorsteher mit⸗ tels einer gegen Empfangsbescheinigung zuzustellenden Verfügung mit⸗ zutheilen. Kurz vor diesem Zeitpunkt ist diese Liste zutreffenden Falls durch Aufnahme derjenigen Personen zu vervollständigen, welche inzwischen noch das Gemeinderecht erlangt haben.

Die Wahl der Gemeindeverordneten hat am 2. April 1893 oder an einem der nächstfolgenden Tage gemäß den Vorschriften der §§ 57, 59 bis 63 zu erfolgen.

Besonders zu beachten sind die Bestimmungen des § 52 wegen der Durchführung des Grundsatzes, daß mindestens zwei Drittel der Mitglieder der Gemeindevertretung Angesessene sein müssen.

Wegen der Beschlußfassung über die Gültigkeit der Wahlen und der dagegen zulässigen Klage im Verwaltungsstreitverfahren kommen die Bestimmungen der §§ 66 und 67 zur Anwendung.

2) Beschlußfassung nach § 149 Abs. 5, Richtigstellung der Liste.

Alsbald nach Abschluß des Wahlverfahrens hat der Gemeinde⸗ Vorsteher die gewählten Gemeindeverordneten gemäß den Vorschriften des § 104 in ortsüblicher Weise unter S e der Gegenstände der Berathung und Innehaltung einer Frist von mindestens zwei Tagen, sowie mit dem Hinweise darauf, daß die Nichtanwesenden sich den gefaßten Beschlüssen zu unterwerfen haben, zusammenzuberufen.

Gemäß § 106 ist diese Versammlung beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Kommt auf die erste Zusammenberufung eine beschlußfähige Versammlung nicht zu stande, so sind die Gemeindeverordneten durch den Gemeindevorsteher unter Beobachtung der Vorschriften des § 104 zu einer anderweiten Ver⸗ sammlung mit dem Hinweise zusammenzuberufen, daß die Erscheinen⸗ den ohne Rücksicht auf ihre Anzahl beschlußfähig sind.

Nach Eröffnung der Tagung werden zuvörderst die Gemeinde⸗ verordneten gemäß § 64 durch den Gemeinde⸗Vorsteher in ihr Amt eingeführt und durch Handschlag verpflichtet. Hierauf erfolgt die Be⸗ .“ und Beschlusßfassung darüber, ob die in dem § 13 aufgeführten Personen mit einem Jahreseinkommen bis einschließlich 900 zu den Gemeindeabgaben herangezogen, oder ob sie von denselben ganz freigelassen oder dazu mit einem geringeren Procentsatze als die Per⸗ sonen mit einem höheren Einkommen herangezogen werden sollen. Wird die Freilassung oder die geringere Belastung beschlossen, so ist durch den Gemeinde⸗Vorsteher sofort dem Landrath hiervon Anzeige zu erstatten, welcher baldthunlichst die Beschlußfassung des Kreis⸗ ausschusses darüber herbeizuführen hat, ob zu dem Beschlusse der Versammlung die Zustimmung zu ertheilen, oder ob dieselbe zu ver⸗ sagen ist.

Soweit hierdurch eine Aenderung in dem Wahlrecht der Per⸗ sonen mit einem Einkommen von mehr als 660 bis 900 oder eines Theils derselben gegenüber der vor dem 1. April aufgestellten Gemeindegliederliste herbeigeführt wird, sei es, daß die in Frage stehenden Personen bisher nicht zu den Gemeindeabgaben herangezogen waren, ihre Heranziehung aber vom 1. April ab eintritt, sei es, daß ihre gänzliche Freilassung von den Gemeindeabgaben vom 1. April ab unter Zustimmung des Kreisausschusses beschlossen wird, während sie vor dem be⸗ zeichneten Zeitpunkte herangezogen waren, ist die Gemeindegliederliste B und die Wählerliste C richtig zu stellen und der Inhalt des Gemeinde⸗ beschlusses in der für Bemerkungen bestimmten Spalte der beiden Listen anzuführen.

Letzterenfalls scheiden die etwa aus dieser Gruppe zu Gemeinde⸗ verordneten gewählten Personen gemäß § 43 aus der Gemeinde⸗ vertretung aus, und es kommt wegen Anordnung außerordentlicher Ersatzwahlen die Vorschrift des § 54 Abs. 2 zur Anwendung.

Im übrigen wird hierdurch an dem Rechtsbestande der in das Amt getretenen Gemeindevertretungen selbst nichts geändert; vielmehr bleiben dieselben in ihrer erstmaligen Zusammensetzung bis zum Eintritt der nächsten regelmäßigen Ergänzungs⸗ oder außerordentlichen Ersatz⸗ wahlen in Wirksamkeit.

Sollten in einzelnen Fällen aus dem Umstande, daß an der ersten Wahl der Gemeindevertreter Personen theil genommen haben, welche infolge ihrer Freilassung von den Gemeindeabgaben dem⸗ nächst das Wahlrecht nicht mehr besitzen, oder daß Personen, welche demnächst zu den Gemeindeabgaben herangezogen werden und dadurch das Wahlrecht erhalten, bei dieser ersten Wahl nicht mitgewirkt haben, besondere Mißverhältnisse ent⸗ stehen, deren Beseitigung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, so hat der Landrath hierüber an den Regierungs⸗Präsidenten zu dem Zwecke Bericht zu erstatten, um eine Erörterung der Frage zu veranlassen, ob zur Beseitigung dieser Mißverhältnisse die Auf⸗ lösung der bestehenden Gemeindevertretung nach § 142 und die Neu⸗ wahl von Gemeindeverordneten auf Grund der neuen Liste der Stimm⸗ berechtigten herbeizuführen ist.

Die Verhandlungen über die Bildung der Gemeindeversamm⸗ lungen und der Gemeindevertretungen sind derart zu beschleunigen, daß es denselben ermöglicht wird, noch vor dem 1. Juli 1893 einen Beschluß gemäß § 21 Abs. 1 über die Vertheilung der Gemeinde⸗ abgaben für das Rechnungsjahr 1893/94 zu fassen.

Berlin, 3. Juli 1892.

er Minister des Innern. Herrfurth.

8 ““ betreffend die Gestaltung der Gemeinden und Guts⸗ bezirke und die Bildung von Gemeindeverbänden.*)

Die Landgemeindeordnung vom 4. Juli 1892 trifft im ersten und vierten Titel Bestimmungen über die Abänderung, Vereinigung und Um⸗ wandlung der ländlichen Bezirke (Gemeinde⸗ und Gutsbezirke) und über deren Verbindung für einzelne Gemeindezwecke. Alle diese Bestimmungen verfolgen die Absicht, lebensunfähige Gebilde zu beseitigen, unzweckmäßig gestaltete Bezirke besser abzugrenzen und die Erfüllung der Gemeinde⸗ aufgaben zu erleichtern. Sie greifen in den unverändert bleibenden rechtlichen und thatsächlichen Bestand der Bezirke nicht unmittelbar ein, sondern regeln nur die Voraussetzungen und Formen für jene Maßnahmen, welche sich den örtlichen Verhältnissen anzupassen und unter dem Zusammenwirken der betheiligten Gemeinden und Guts⸗ besitzer und der zuständigen Organe der Staats⸗ und Selbstverwal⸗ tung zu vollziehen haben. Diesen ist hiermit eine umfassende und bedeutungsvolle Thätigkeit zugewiesen, welche voller Hingebung bedarf, wenn die Ziele des Gesetzes, unter thunlichster Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse und Wünsche der ländlichen Bevölkerung, verwirklicht werden sollen.

Um die Ausführung des Gesetzes in diesem Sinne zu fördern, wird auf Grund des § 149 Abs. 1 nachstehende Anweisung ertheilt.

1) Bezirksfreie Grundstücke 2 Nr. 1).

Wenn auch anzunehmen sein wird, daß Grundstücke, welche noch keinem Gemeinde⸗ oder Gutsbezirke angehören, kaum mehr vorhanden sind, so haben doch die Landräthe sorgfältig zu prüfen, ob sich Grund⸗ stücke ohne irgend welche communale Zugehörigkeit noch vorfinden, und, wenn letzteres der Fall sein sollte, die Vereinigung der betreffenden Grundstücke mit einem Gemeinde⸗ oder Gutsbezirke gemäß § 2 Nr. 1. im Streitfalle zunächst die Feststellung der communalen Eigenschaft gemäß § 4 mit thunlichster Beschleunigung herbeizuführen.

2) Vereinigung und Umwandlung bestehender Bezirke 2 Nr. 2, 3, 5).

Von Amtswegen ist allgemein eine Prüfung vorzunehmen, für

welche Fälle die Vereinigung von Landgemeinden und Gutsbezirken

.) Die ohne nähere Bezeichnung angeführten Paragraphen sind die der Landgemeindeordnung vom 4. Juli 1892.

mit anderen Gemeinden oder Gutsbezirken, sowie die Umwandlung

von Gutsbezirken in Landgemeinden und von Landgemeinden in Guts⸗ bezirke im öffentlichen Interesse einzutreten hat. In allen hierbei ermittelten Fällen oder wenn eine Neuregelung der Communalbezirke von Betheiligten beantragt wird, sind Verhandlungen mit den betheiligten Gemeinden und Gutsbesitzern einzuleiten, sobald die Gemeindeversammlungen (Gemeindevertretungen) auf Grund des Gesetzes neugebildet sind. Festzuhalten ist bei diesen Verhandlungen, daß Aenderungen in communalrechtlicher Beziehung keine Einwirkung auf andere Verhältnisse üben, welche lediglich an den Grundbesitz geknüpft sind, daß insbesondere die Frage der Ritter⸗ gutseigenschaft von ihnen unberührt bleibt.

Stimmen die Betheiligten der in Aussicht genommenen Maß⸗ nahme zu, so sind die Verhandlungen nach Anhörung des Kreisaus⸗ schusses mir alsbald zur Prüfung und geeignetenfalls Einholung der Königlichen Genehmigung einzureichen.

Wird ein allseitiges Einverständniß der Betheiligten nicht erreicht, so bieten sich für die Durchführung der in Aussicht genommenen Maßnahme formell zwei Wege dar.

Der eine Weg ist der in § 2 Nr. 2 angegebene einer Auflösung von Landgemeinden und Gutsbezirken mit nachfolgender Einverleibung der hierdurch bezirksfrei werdenden Grundstücke nach Maßgabe der Vorschriften in § 2 Nr. 1. Die Beschreitung dieses Weges hat zur Voraussetzung, daß die aufzulösenden Landgemeinden und Gutsbezirke „ihre öffentlich⸗rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen außer stande sind“ 2 Nr. 2 Satz 1).

Der andere Weg ist der in § 2 Nr. 3 angegebene einer Ersetzung des mangelnden Einverständnisses durch Beschluß des Kreis⸗ ausschasses und der demselben für dieses Verfahren im Beschwerdezuge übergeordneten Instanzen. Das Einverständniß kann auf diesem Wege nach § 2 Nr. 3 nur dann ersetzt werden, wenn „das öffentliche In⸗ teresse dies erheischt“ (wenn anderenfalls „das öffentliche Interesse ge⸗ fährdet sein würde“), und es soll dieses nach den einschränkenden Er⸗ läuterungen in § 2 Nr. 5 nur dann angenommen werden, wenn eine der nachstehend bezeichneten Voraussetzungen vorliegt:

„a. wenn Landgemeinden oder Gutsbezirke ihre öffentlich⸗rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen außer stande sind.

Bei Beurtheilung dieser Frage sind Zuwendungen, welche Gemeinden und Gutsbezirken vom Staat oder größeren Com⸗ munalverbänden zustehen, nicht als bestimmend zu erachten;

.wenn die Zersplitterung eines Gutsbezirks oder die Bildung

von Colonien in einem Gutsbezirke die Abtrennung einzelner Theile desselben oder dessen Umwandlung in eine Landgemeinde oder dessen Zuschlagung zu einer oder mehreren Landgemeinden nothwendig macht;

wenn infolge örtlich verbundener Lage mehrerer Landgemeinden oder von Gutsbezirken oder Theilen derselben mit Landgemeinden

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ein erheblicher Widerstreit der communalen Interessen ent⸗ standen ist, dessen Ausgleichung auch durch Bildung von Ver⸗

bänden im Sinne der §§ 128 ff. nicht zu erreichen ist.

Hierzu ist zunächst zu bemerken, daß die vorstehende engere Begrenzung des öffentlichen Interesses nur für den Fall gilt, wenn die in Rede stehenden Maß⸗ nahmen gegen den Willen der Betheiligten durchgesetzt werden sollen, nicht aber für den Fall des Einverständnisses. Sie schließt also keineswegs aus, auf ein Einverständniß der Betheiligten auch in Betreff solcher Maßnahmen hinzuwirken, welche zwar nicht unter die für den Fall des Zwanges gegebene engere Begrenzung des öffentlichen Interesses fallen, dennoch aber zur besseren Erfüllung der den Ge⸗ meinden gestellten öffentlich⸗rechtlichen Aufgaben als zweckmäßig er⸗ scheinen.

Im einzelnen ist Folgendes zu bemerken.

Zu § 2 Nr. 5 lit. a

ist zu beachten, daß die hier vorgesehene Voraussetzung (abgesehen von der in einem Absatz hinzugefügten Bestimmung) wörtlich mit der in Nr. 2 erwähnten Voraussetzung übereinstimmt. Landgemeinden und Gutsbezirke, die ihre öffentlich⸗rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen außer stande sind, können daher bei mangelndem Einverständniß der Betheiligten auf dem einen wie dem anderen Wege als selbst⸗ ständige Gebilde beseitigt werden. Wird der erstere Weg eingeschlagen, so muß der Auflösung des Bezirks durch Königliche Anordnung eine Anhörung der einzelnen Besitzer der bezirksfrei gewordenen Grundstücke über die demnächstige Neuregelung folgen; ist diese Anhörung mit Schwierigkeiten verbunden, oder stehen solche aus den weiteren Ver⸗ handlungen zu besorgen, so wird sich dieser Weg nicht empfehlen. Die Beschreitung des anderen Weges setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift unter Nr. 3 in der Regel voraus, daß Bezirke ihrem ganzen Umfange nach mit anderen vereinigt werden; dieser Weg wird sich daher meistens dann nicht empfehlen, wenn ein leistungsunfähiger Bezirk nicht ungetheilt an einen anderen, sondern getheilt an mehrere andere angeschlossen werden soll. Solche Erwägungen werden bei der Auswahl des einen oder anderen Weges zu berücksichtigen sein.

Wird der zweite Weg gewählt, so ist ferner die Bestimmung des Abs. 2 in § 2 Nr. 5 a zu beachten. Danach soll für die Frage der Leistungsunfähigkeit die Thatsache, daß den betreffenden Gemeinden oder Gutsbezirken Zuwendungen für gewisse öffentlich⸗ rechtliche Zwecke vom Staat oder größeren Communalverbänden gewährt werden, an sich nicht entscheidend sein. Hierbei sino gänzlich außer Betracht zu lassen alle diejenigen Zuschüsse, welche Gemeinden oder Gutsbezirke allgemein ohne Rücksicht auf ein nachgewiesenes besonderes Bedürfniß zufolge gesetzlicher Bestimmung unter gewissen Voraussetzungen zu beanspruchen haben, wie dies hinsichtlich der Zuschüsse zu den Besoldungen der Lehrer und Lehrerinnen nach den Gesetzen vom 14. Juni 1888 und vom 31. März 1889 der Fall ist. Dasselbe gilt in der Regel auch von Zuwendungen zur Ausführung von Wegebauten. Für die Frage der Leistungs⸗ unfähigkeit können vielmehr überhaupt nur solche Zuwendungen in Frage kommen, welche als „Bedürfnißzuschüsse“ bezeichnet werden, wie beispielsweise die Beihilfen, welche die Land⸗ armenverbände gemäß § 36 des preußischen Ausführungsgesetzes vom 8. März 1871 zu dem Bundesgesetze über den Unterstützungs⸗ wohnsitz unvermögenden Ortsarmen⸗Verbänden bei nachgewiesenem Bedürfnisse zu gewähren haben. Wo Gemeinden oder Gutsbezirke solche Bedürfnißzuschüsse vom Staat, Provinzial⸗ oder Kreisverbande erhalten, ist aber auf Grund dieser Thatsache allein noch nicht als nachgewiesen zu erachten, daß sie außer stande sind, ihre öffentlich⸗ rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen; vielmehr kommt es auf eine sachliche Prüfung der Leistungsunfähigkeit selbst an, welche darauf zu richten ist, ob eine dauernde Leistungsunfähigkeit zur Erfüllung der öffentlich⸗rechtlichen Verpflichtungen vorliegt, oder ob etwa die Ge⸗ währung der Bedürfnißzuschüsse nur auf wohlwollender Fürsorge, auf einer ungenügenden Prüfung der Leistungsfähigkeit oder auf einem nur vorübergehenden Zustande der Leistungsunfähigkeit beruht.

Für den Fall der Vereinigung einer leistungsunfähigen Gemeinde mit einem leistungsfähigen Gutsbezirk schreibt § 2 Nr. 3 in Abs. 2 ausdrücklich vor, daß der letztere als solcher bestehen bleibt, sofern der Gutsbesitzer dies beantragt; in diesem Fall geht die Landgemeinde unter Fortfall der Gemeindeverfassung völlig im Gutsbezirk auf. Es wird dies der Regel nach schon an und für sich der Natur der Sache entsprechen. Deunnoch ist nicht ausgeschlossen, daß der Gutsbesitzer selbst unter Umständen die Bildung einer Land⸗ gemeinde aus seinem bisher selbständigen Gut und der zu⸗ zuschlagenden bisher leistungsunfähigen Gemeinde wünscht, und es wird alsdann diesem Wunsch, soweit ein öffentliches Interesse nicht entgegensteht, Folge zu geben sein.

Zu § 2 Nr. 5 lit. b wird es kaum der Bemerkung bedürfen, daß nicht allgemein da, wo einzelne Trennstücke von einem größeren Gute abgezweigt und in andere Hände übergegangen sind, eine solche Zersplitterung des Gutsbezirks vorliegt, welche eine Neuregelung des communalen Verhältnisses erheischt. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß, solange die Einheit des Besitzes nicht erheblich beeinträchtigt ist und die Leistungsfähigkeit erhalten bleibt, der Fort⸗ bestand des Gutes als eines selbständigen Gutsbezirks sich der

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Regel nach rechtfertigt. Dagegen wird in allen denjenigen Fällen, in

welchen die Zersplitterung eines Gutsbezirks oder die Bildung von Colonien innerhalb desselben eine solche Ausdehnung gewonnen hat, das Kennzeichen der Einheit des Besitzes verloren gegangen ist, u prüfen sein, ob die Umwandlung dieses Gutsbezirks in eine Land⸗

gemeinde oder ob die Abtrennung einzelner Theile desselben

unter Zuschlagung zu einer oder mehreren Landgemeinden geboten rscheint. Insbesondere ist in allen Fällen, in denen auf den Antrag des Gutsbesitzers ein die Aufbringung der Kosten der öffentlichen Armenpflege anderweit regelndes Statut gemäß § 8 des Gesetzes vom 8. März 1871 erlassen ist, in Erwägung zu ziehen, ob nicht einem solchem Gutsbezirke die Voraussetzungen seines rechtlichen Fortbestandes verloren gegangen sind, und folgeweise eine communale Neubildung nach der Bestimmung unter Nr. 5 lit. b angezeigt ist. . Zlu § 2 Nr. 5 lit. c. Ob eine Gemengelage in solchem Umfange vorliegt, daß eine Vereinigung der im Gemenge liegenden Bezirke nach Maßgabe dieser Vorschrift erforderlich wird, ist eine Frage des örtlichen Ermessens. Wenn ie Gebäude selbständiger Güter sich in unmittelbarem Zusammenhange nit der Dorflage befinden, oder wenn einzelne Grundstücke mit Bestand⸗ theilen der Gemeindefeldmark im Gemenge liegen, so wird darin noch kein zwingender Grund zu einer communalen Vereinigung zu finden sein. Nur dann, wenn „aus einer solchen Gemengelage ein erheblicher Widerstreit der communalen Interessen entsteht, dessen Ausgleichung auch durch die Bildung von Verbänden im Sinne der §§ 128 ff.

nicht zu erreichen ist“, muß beim Widerspruch der Betheiligten die

communale Neuregelung nach Maßgabe der Vorschriften § 2 Nr. 3 8 8 b 3 8

erzwungen werden. 3 8 8 Läßt sich das Vorhandensein eines öffentlichen Interesses im Sinne er Vorschriften in § 2 Nr. 3 und 5 überhaupt nicht darthun, so ist bei nangelndem Einverständniß der Betheiligten von dem weiteren Verfahren bebufs Erfetzung dieses Einverständnisses Abstand zu nehmen. Anderen⸗ falls aber ist dieses Verfahren dadurch, daß die Angelegenheit dem Kreisausschusse zur Beschlußfassung unterbreitet wird, in die Wege

zu leiten und erforderlichenfalls durch Beschreitung des vorgesehenen!

Instanzenzuges fortzusetzen, bis entweder ein endgültiger Beschluß erzielt ist, durch welchen das mangelnde Einverständniß ersetzt wird, oder aber im Laufe der Verhandlungen überzeugend dar⸗ gethan ist, daß ein öffentliches Interesse im Sinne der Vor⸗ schriften unter § 2 Nr. 5 nicht vorliegt. In Betreff des Instanzen⸗ weges ist zu beachten, daß die Erhebung der Beschwerde von Seiten des Vorsitzenden gegen einen Beschluß des Kreisausschusses, Bezirksausschusses oder Provinzialraths an die im § 123 des Landes⸗ verwaltungsgesetzes vorgeschriebenen engen Formen gebunden ist, daß aber andererseits durch das Ergehen eines endgültigen Beschlusses, velcher die Ersetzung des Einverständnisses versagt, die Wiederholung des gesammten Verfahrens nicht ausgeschlossen wird, sobald sich dem⸗ nächst ergiebt, daß Maßnahmen der in Rede stehenden Art dem Wunsche der Betheiligten oder dem öffentlichen Interesse entsprechen. Sobald das mangelnde Einverständniß durch einen endgültigen Be⸗ chluß ersetzt sein wird, ist ebenso wie bei vorhandenem Einver⸗ tändniß wegen Einholung der Königlichen Genehmigung zu be⸗ richten. Bis zum 1. Januar 1894 haben die Landräthe eine Nachweisung erjenigen Fälle einzureichen, in welchen Verhandlungen über die Auf⸗ ösung einer Landgemeinde oder eines Gutsbezirks, die Vereinigung

bestehender Bezirke, die Umwandlung eines Gutsbezirks in eine Land⸗

gemeinde oder umgekehrt eingeleitet worden sind. Die Nachweisung hat zu ergeben, zu welchem Ziele die Verhandlungen geführt haben, oder, wenn die Verhandlungen noch schweben, in welcher Lage sich dieselben befinden. Die Nachweisung ist an den Regierungs⸗ Hräsidenten einzureichen, welcher sie, mit seinen Bemerkungen ver⸗ ehen, durch die Hand des Ober⸗Präsidenten mir bis zum 15. Februar 1894 einzusenden hat. 3) Abtrennung und Zulegung einzelner Grundstücke 2 Nr. 4, 5). Die Abtrennung einzelner Theile von einem Gemeinde⸗ oder Guts⸗ ezirke und deren Vereinigung mit einem anderen Gemeinde⸗ oder Guts⸗ bezirke erfolgt durch Beschluß des Kreisausschusses, dem eine Anhörung der betheiligten Gemeinden und Gutsbesitzer, sowie der Besitzer der be⸗ treffenden Grundstücke voranzugehen hat, soweit eine solche Anhörung ich nicht durch die gestellten Anträge erübrigt. Die hier in Rede stehende Maßnahme wird insbesondere vorkommen behufs Verbesserung unzweck⸗ mäßiger Bezirksgrenzen. 8 b . Liegt kein allseitiges Einverständniß der Betheiligten bezüglich der Abtrennung und Zulegung von Bezirkstheilen vor, so kann der Kreisausschuß diese Maßnahmen nur beschließen, wenn „das öffentliche Interesse es erheischt“. Ein solches öffentliches Interesse soll gleich⸗ falls nur dann als vorhanden angenommen werden, wenn eine der in § 2 Nr. 5 formulirten, unter 2 bereits näher erörterten Voraus⸗ setzungen vorliegt. Gegen den Beschluß des Kreisausschusses findet in allen Fällen es § 2 Nr. 4 mag Einverständniß der Betheiligten vorgelegen aben oder nicht die Beschwerde in dem unter § 2 Nr. 3 vorge⸗ ehenen Instanzenzuge statt. Soll aus den abgetrennten Grundstücken in neuer Gemeinde⸗ oder Gutsbezirk gebildet werden, so ist in dem Beschlusse die Königliche Genehmigung bezüglich der Neubildung vor⸗ ubehalten und, sobald der Beschluß endgültig geworden ist, wegen Einholung der Königlichen Genehmigung Bericht zu erstatten. Die Landräthe haben über die vorbezeichneten Maßnahmen, welche

bis zum 1. Januar 1894 eingeleitet sind, eine summarische Nachweisung

aufzustellen. Die Nachweisung hat anzugeben, in wieviel Fällen die ein⸗ geleiteten Verhandlungen zum endgültigen Abschluß gelangt sind, und

n wieviel Fällen sie noch schweben. Die Nachweisung ist dem Re⸗ zierungs⸗Präsidenten einzureichen, welcher dieselbe, mit seinen Be⸗ merkungen versehen, bis zum 15. Februar 1894 durch die Hand des Ober⸗Präsidenten mir einzureichen hat.

4) Auseinandersetzung der Betheiligten 3).

Durch die Bestimmungen in §3 wird der Gegenstand der infolge

von Veränderungen der Grenzen der Landgemeinden und Gutsbezirke nothwendig werdenden Auseinandersetzung zwischen den Betheiligten gegen⸗ über dem bisherigen Rechtsstande beträchtlich erweitert und näher be⸗ zeichnet. Wenn von der hiernach zulässigen Ausgleichung der öffentlich⸗ rechtlichen Interessen ein umsichtiger Gebrauch gemacht, insbesondere dahin gewirkt wird, daß nach jeder Richtung hin Billigkeit waltet, und daß übertriebene Ansprüche ferngehalten werden, so steht zu erwarten,

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8 die Bestimmungen des §3 die Durchführung der im öffentlichen Inter⸗ esse nothwendig werdenden Bezirksveränderungen erleichtern werden. Die Auseinandersetzung tritt erst infolge, also nach bewirkter Veränderung der Bezirke ein. Indessen wird es in der Regel dem Interesse der Sache entsprechen, wenn bereits bei den Verhandlungen über die Bezirks⸗ veränderungen selbst falls diese dadurch nicht erheblich verzögert oder in ihrem Ergebnisse gefährdet werden die für die Auseinander⸗ setzung in Betracht kommenden öffentlich⸗rechtlichen Verhältnisse der Betheiligten klargestellt und allseits zufriedenstellende Verständigungen etroffen werden. 5) Zweckverbände (§§ 128 bis 138).

. Nachden Bestimmungen des vierten Titels der Land emeindeordnung

sind die zu bildenden Zweckverbände entweder solche, welchen auf ihren An⸗ trag mit Königlicher Genehmigung die Rechte öffentlicher Körperschaften beigelegt werden, oder solche, welchen diese Rechte nicht zustehen. Der

Bildung derartiger Verbände ist besondere Fürsorge zu widmen, und 9 9

es werden dazu die Erwägungen und Verhandlungen, betreffend Auf⸗ hebung, Vereinigung und Umwandlung von Gemeinde⸗ und Guts⸗ bezirken (s. oben unter 2) vielfach Gelegenheit bieten. s wird bei Einleitung jener Verhandlungen, sowie im weiteren Verlaufe der⸗ selben zu prüfen sein, ob dem Bedürfniß an Stelle einer Bezirks⸗ veränderung besser und leichter durch die Verbindung der be⸗ stehenden Bezirte zu einzelnen Zwecken nach Maßgabe der §§ 128 ff. abzuhelfen ist. Aber auch abgesehen von jenen Verhand⸗ lungen muß die Bildung nützlicher Zweckverbände nach Maßgabe des Gesetzes thunlichst gefördert werden. Als das nächstliegende Ge⸗ biet, auf welchem hier eine rege Wirksamkeit entfaltet werden kann,

stellt sich die öffentliche Armenpflege dar. Es kann in dieser Be⸗

ziehung auf die eingehenden Erhebungen über die Nothwendigkeit der Bildung von Gesammtarmenverbänden und auf das die Ab⸗ änderung der §§ 31, 65 und 68 des Gesetzes vom 8. März 1871 betreffende Gesetz vom 11. Juli 1891 (Gesetz⸗Samml. S. 300), so⸗ wie dessen Begründung Bezug genommen und daran die Erwartung geknüpft werden, daß es den Bemühungen der Behörden *gelingen wird, überall da, wo die öffentliche Armenpflege bisher wegen mangelnder Leistungsfähigkeit der Ortsarmenverbände ihrer Aufgabe nicht gerecht geworden, oder wo durch eine unbillige Vertheilung der Lasten der Armenpflege auf die einzelnen Ortsarmenverbände ein er⸗ heblicher Widerstreit communaler Interessen entstanden ist, nunmehr eine Vervollkommnung des bisberigen Zustandes durch Bildung von Gesammtarmenverbänden nach Maßgabe der §§ 128 ff. (vergl. ins⸗ besondere § 131) der Landgemeindeordnung herbeizuführen

Was die bereits bestehenden Zweckverbände betrifft, so ist zu beachten, daß gemäß § 131 Abs. 1 auf die Gesammtarmenverbände die Bestimmungen des Titels IV der Landgemeindeordnung sinngemäße Anwendung finden. Diese Verbände sind daher, sobald die Gemeinde⸗ versammlungen (Gemeindevertretungen) neu gebildet sein werden, zu veranlassen, daß sie ihre Staͤtuten dementsprechend einer Um⸗ arbeitung unterziehen. Kommt ein anderweites, zur Bestätigung geeignetes Statut durch freie Vereinbarung der Betheiligten nicht zu stande, so ist dasselbe nach Anhörung der letzteren durch den Kreisausschuß oder, falls eine Stadtgemeinde betheiligt ist, durch den Bezirksausschuß festzustellen (§§ 137, 138). Was die sonstigen bereits bestehenden Zweckverbände betrifft, so ist, wenn sie ihren Aufgaben genügen und die Betheiligten nicht

selbst ihre Umgestaltung beantragen, deren unverändertes Fortbestehen durch das Gesetz nicht ausgeschlossen. Soweit aber eine nähere Prüfung der Verhältnisse ergiebt, daß bestehende Zweckverbände in ihrer der⸗ maligen Gestaltung den Anforderungen, welche an sie gestellt werden müssen, nicht in ausreichender Weise entsprechen, ist deren Umgestal⸗ tung nach Maßgabe der neuen Bestimmungen herbeizuführen.

Anlangend das Verfahren wegen Bildung von Zweck⸗ verbänden, so erfolgt dieselbe nach Anhörung der betheiligten Gemeinden und Gutsbesitzer im Falle ihres Einverständ⸗ nisses durch Beschluß des Kreisausschusses; auf Beschwerde gegen diesen Beschluß hat endgültig der Bezirksausschuß zu beschließen. Wenn ein Einverständniß der Betheiligten nicht zu erzielen ist, so kann das Einverständniß durch Beschluß des Kreisaus⸗ schusses ersetzt werden, sofern das öffentliche Interesse dies erheischt, ohne daß der Kreisausschuß bei Beurtheilung der Frage des öffentlichen Interesses hier an bestimmte Voraussetzungen gebunden wäre; auf Be⸗ schwerde gegen den Beschluß des Kreisausschusses beschließt endgültig der Bezirksausschuß. Die Verbandsbildung selbst erfolgt in dem Falle mangelnden Einverständnisses der Betheiligten nicht durch die Beschlußbehörden, sondern durch den Ober⸗Präsidenten 128). Demnach ist der Ober⸗Präsident nicht befugt, in den Fällen, in welchen ein Einverständniß der Betheiligten über die Bildung eines Zweckverbandes nicht zu erzielen ist, eine solche Ver⸗ bandsbildung im Widerspruche mit den Beschlüssen der Selbstverwal⸗ tungsbehörden durchzuführen; es steht ihm aber auch entgegen solchen Beschlüssen die Befugniß zu, die Verbandsbildung abzulehnen.

Hinsichtlich der Auseinandersetzung unter den Betheiligten, welche der Verbandsbildung nachzufolgen hat 130), gelten im wesentlichen die oben unter 4 angegebenen Grundsätze.

Ueber die Organisation, die Verfassung und Verwaltung der neu⸗ zubildenden Zweckverbände enthalten die §§ 132 u. ff. nähere Bestim⸗ mungen, welche einer Erläuterung zunächst nicht bedürftig erscheinen.

Bis zum 1. Januar 1894 haben die Landräthe eine Nachweisung der eingeleiteten Verbandsbildungen einzureichen, aus welcher ersichtlich ist, zu welchem Ziele die Verhandlungen gelangt sind, oder in welcher Lage sich dieselben befinden. Die Nachweisung ist in gleicher Weise wie die unter 2 weiterzubefördern. .

6) Betheiligung von Stadtgemeinden bei den unter 2, 3, 4, 5 erörterten Maßnahmen 2 Nr. 6, § 138). Die erörterten Maßnahmen finden auch auf Stadtgemeinden An⸗

wendung, wenn es sich darum handelt, Landgemeinden und Gutsbezirke

oder abgetrennte Theile derselben mit einer Stadtgemeinde zu vereinigen, oder Theile einer Stadtgemeinde abzutrennen und mit Landgemeinden oder Gutsbezirken zu vereinigen oder zu neuen ländlichen Bezirken zu gestalten, oder Stadtgemeinden mit Landgemeinden und Guts⸗ bezirken zu Zweckverbänden zu vereinigen. Hierdurch erleiden die

Vorschriften in § 3 der Städteordnung vom 14. April 1869 gewisse

Abänderungen.

In allen obenbezeichneten Fällen sind die leitenden Grundsätze und ist das Verfahren im wesentlichen das gleiche, wie oben unter 2, 3, 4, 5 angegeben, abgesehen davon, daß an Stelle des Landraths der Re⸗ gierungs⸗Präsident, an Stelle des Kreisausschusses der Bezirksausschuß tritt, und von den sonstigen Abänderungen in Betreff der Zuständigkeit, welche sich aus der Natur der Sache und aus den besonderen Vor⸗ schriften in § 2 Nr. 6 und § 138 ergeben. 1

In den oben unter 2, 3, 5 angeordneten Nachweisungen sind die Fälle, in denen eine Stadtgemeinde mitbetheiligt ist, besonders hervor⸗ zuheben.

7) Umwandlung von Stadtgemeind

und umgekehrt 1 2

Nach § 1 Abs. 2 kann Stadtgemeinden die Annahme der Land⸗ gemeindeordnung und Landgemeinden die Annahme der Städteordnung auf ihren Antrag nach Anhörung des Kreistags und Provinzial⸗Land⸗ tags durch Königliche Verordnung gestattet werden. Für große Land⸗ gemeinden mit hoher Einwohnerzahl, welche einen vorwiegend städti⸗ schen Charakter haben, ist die Landgemeindeordnung vielfach nicht die angemessene Form zur Entfaltung des communalen Lebens; wie sie ihrem ganzen Wesen nach Städte sind, so würde sich die städtische Verfassung nicht nur weit mehr für sie eignen, sondern sie würden durch Einführung derselben eine Förderung in ihren wichtigsten Lebens⸗ interessen erfahren. Andererseits vermag kleinen Städten mit nur geringer Einwohnerzahl, welche, vorzugsweise auf den Landbau ange⸗ wiesen, an dem größeren Verkehre nur in geringem Maße theil⸗ nehmen, somit einen dorfähnlichen Charakter haben, die städtische Verfassung keine Vortheile zu gewähren, da sie der ihren Verhält⸗ 1h entsprechenden Einfachheit entbehrt und unnütze Kosten ver⸗ ursacht. 18

Auch wird die Annahme der Landgemeindeordnung für solche Städte, welche zwar eine nicht ganz unerhebliche Einwohnerzahl aufweisen, im übrigen aber von größeren Landgemeinden nicht wesentlich verschieden sind, durch die nach § 74 Abs. 6 und § 75 Abs. 2 gebotene Mög⸗ lichkeit der Einrichtung eines collegialischen Gemeindevorstandes und der Anstellung eines besoldeten Gemeinde⸗Vorstehers erleichterrt.

Die Bewegungen des Gemeindelebens, welche durch das Inkraft⸗ treten der Landgemeindeordnung entstehen, werden mannigfache An⸗ lässe zu der Erwägung bieten, ob die Annahme der Städteordnung seitens einzelner größerer Landgemeinden mit vorwiegend städtischem Charakter und die Annahme der Landgemeindeordnung seitens einzelner dorfartiger Städte sich empfiehlt. Fälle dieser Art sind durch den Regierungs⸗Präsidenten festzustellen und eintretendenfalls die Ver⸗ handlungen mit den bezüglichen Gemeinden wegen anderweiter Rege⸗ lung ihrer Gemeindeverfassung einzuleiten. 8

Berlin, den 24. Juli 1892. 1

Der Minister des Innern. Herrfurth.

en in Landgemeinden 1bs. 2).

re hi

Anweisunns betreffend die Verfassung und Verwaltung der Land⸗ gemeinden.*) A. Die Organisation der Landgemeinden.

Die Organe der Landgemeinde sind der Gemeinde⸗Vorsteher mit dem ihm zur Unterstützung und Vertretung beigegebenen Stell⸗

*) Die ohne nähere Bezeichnung angeführten Paragraphen sind

die der Landgemeindeordnung vom 4. Juli 1892. 8

vertreter oder mehreren Stellvertretern und die Gemeindever sammlung. Unter dem Gemeinde⸗Vorsteher stehen die für einzelne Dienstzweige oder Dienstverrichtungen ernannten Gemeindebeamten. An Stelle der Gemeindeversammlung tritt, wo diese zuszahlreich sein würde, oder aus anderen Gründen eine ortsstatutarische Regelung statt⸗ gefunden hat, eine gewählte Gemeindevertretung. Für größere Gemeinden kann die Einrichtung getroffen werden, daß die wichtigeren Geschäfte des Gemeinde⸗Vorstehers von einem collegialischen Ge⸗ meindevorstande bestehend aus dem Gemeinde⸗Vorsteher und den Stellvertretern, versehen werden.

I. Die Gemeindeversammlung

1) Stimmrecht.

Die Gemeindeversammlung besteht zunächst aus den stimmberechtigten Gemeindeangehörisen. Welche Gemeindeangehörigen nach ihren persön⸗ lichen und wirthschaftlichen Eigenschaften als stimmberechtigt anzusehen sind, ergiebt sich aus §§ 41 bis 44 und § 45 Abs. 3. Außerdem sind stimmberechtigt in der Gemeindeversammlung Auswärtswohnende, juristische Personen und Gesellschaften nach Vorschrift des § 45 Abs. 1 und 2, wenn sie Grundbesitz von dem Umfange oder Werthe einger „Ackernahrung, welche zu ihrer Bewirthschaftung die Haltung von Zugvieh erfordert“, im Gemeindebezirk haben.

Jedem Stimmberechtigten steht der Regel nach Eine Stimme

Als Gemeindeglieder werden diejenigen Gemeindeangehöriger zeichnet, welchen das Stimm⸗ und Wahlrecht und das Rech kleidung unbesoldeter Aemter zusteht.

2) Mehrfache Stimmen.

Stimmberechtigte, welche von ihrem Grundbesitz im Gemeinde⸗

bezirk an Grund⸗ und Gebäudesteuer 20 oder mehr zahlen, haben zwei Stimmen, C1“ 8 8 - 8 100 vier

Die Gewerbetreibenden der drei obersten Gewerbesteuerklassen nach dem Gesetz vom 24. Juni 1891 (Gesetz⸗Samml. S. 205) haben ein in entsprechender Weise vermehrtes Stimmrecht 48 Nr. 2 Abs. 3). Für das Jahr 1893/94 gelten die in der Anweisung I A 1 zu a Abs. 3 dargelegten Grundsätze. 8

Auf Antrag des Kreisausschusses können durch Beschluß des Provinzial⸗Landtags die vorstehenden Grund⸗ und Gebäudesteuersätze von 20, 50 und 100 erhöht oder höchstens jedoch um die Hälfte erniedrigt werden; in gleicher Weise kann die Stimmen⸗ zahl, zu welcher die im Gesetz erwähnten Steuersätze berechtigen, um eins (d. i. auf drei, vier, fünf) erhöht werden 48 Nr. 2 Abs. 1 und 2). Durch eine Erhöhung der Stimmenzahl der An⸗ gesessenen wird eine entsprechende Erhöhung der Stimmenzahl der Gewerbetreibenden von selbst herbeigeführt 48 Nr. 2 Abs. 4).

Wenn der Kreisausschuß beschließt, eine derartige Abänderung der gesetzlichen Regel bei dem Provinzial⸗Landtage zu beantragen, so hat der Landrath die Gemeindeversammlung über diese Abänderungsvor⸗⸗ schläge zu hören und durch Vermittelung des Regierungs⸗Präsidenten die sämmtlichen Verhandlungen dem Ober⸗Präsidenten einzureichen, von welchem sie mit einer gutachtlichen Aeußerung dem Provinzial⸗ Landtage vorzulegen sind.

Es ist jedoch zu beachten, daß, wenn einem Wohnhausbesitzer auf Grund der von ihm entrichteten Grund⸗ und Gebäudesteuern und zugleich in seiner Eigenschaft als Gewerbetreibender eine Mehrheit von Stimmen gebühren sollte, diese Stimmen nicht zusammenzurechnen

sind, sondern nur die größere Zahl zum Ansatze kommt.

Kein Stimmberechtigter darf auf vorstehende Weise mehr als ein Drittel aller Stimmen auf sich vereinigen; geschieht dies, so muß eine Herabsetzung stattfinden, welche von dem Gemeinde⸗Vorsteher herbeizuführen ist 48 Nr. 3).

3) Collectivstimmen.

Andererseits sieht das Gesetz einen Fall vor, in welchem nicht jeder Stimmberechtigte eine volle Stimme hat. Die Gemeinde⸗ angehörigen, welche nicht wegen ihres Grundbesitzes, sondern wegen ihres Einkommens stimmberechtigt sind, sollen nämlich zusammen nicht mehr als ein Drittel der Stimmen führen, also höchstens halb so viel Stimmen als die übrigen Stimmberechtigten. Uebersteigt die Anzahl der nicht angesessenen Gemeindeglieder den dritten Theil der Gesammtzahl der Mitglieder der Gemeindeversammlung, so haben die ersteren ihr Stimmrecht durch eine jenen Verhältnissen ent⸗ sprechende Anzahl von Abgeordneten auszuüben, welche sie aus ihrer Mitte auf die Dauer von sechs Jahren wählen 48 Nr. 1). Die Wahl erfolgt auf Einladung und unter Leitung des Gemeinde⸗ Vorstehers.

4) Stellvertretung.

Das Stimmrecht ist in der Regel persönlich auszuüben. Aus⸗ wärtswohnende können sich durch männliche Gemeindeglieder vertreten lassen oder selbst erscheinen; weibliche und unselbständige Personen, juristische Personen und Gesellschaften können nur durch Vertreter in der vom Gesetz näher geregelten Weise ihr Stimmrecht ausüben (§§ 46, 47). Der Gemeinde⸗Vorsteher hat im Zweifelsfalle eine durch Mehrheitsbeschluß zu treffende Entscheidung der Gemeindeversamm⸗ lung über die Giltigkeit der Legitimation der Vertreter herbeizuführen.

5) Liste der Stimmberechtigten.

Die nach Nr. A 1 und B 1 der Anweisung I, betreffend di erstmalige Bildung der Gemeindeversammlungen und Gemein vertretungen, vom 7. November 1891 endgültig festgestellte Liste der Stimmberechtigten ist unter Berücksichtigung der im Laufe der Zeit eintretenden Veränderungen fortzuführen und in Gemäßheit der §§ 39 und 56 alljährlich im Januar zu berichtigen.

6) Vorsitz.

Den Vorsitz in der Gemeindeversammlung führt der Gemeinde⸗ Vorsteher oder ein Stellvertreter desselben; bei Stimmengleichheit giebt seine Stimme den Ausschlag 88 Abs. 2, § 107). Er be⸗ ruft die Versammlung, so oft die Geschäfte es erfordern 104), leitet dieselbe und handhabt die Sitzungspolizei 110)0. Ordnungs⸗ widriges Benehmen eines Mitgliedes in der Versammlung kann durch Ortsstatut nach Maßgabe des § 112 unter Strafe gestellt werden.

7) Sitzungen.

Die Gemeindeversammlungen sollen in der Regel nicht in Wirths⸗ häusern oder Schänken abgehalten werden 104); als Zuhörer können die in § 1090 bezeichneten Personen theilnehmen. Die Beschlüsse sind unter Angabe des Tages und der Anwesenden in ein besonderes Buch einzutragen und von dem Vorsitzenden und wenigstens zwei Mitglie⸗ dern der Versammlung zu unterzeichnen 111). Der Schrift⸗ führer braucht nicht zu den Mitgliedern der Gemeindeversammlung zu gehören.

8) Beschlußfähigkeit. 3

Zur Beschlußfähigkeit der Gemeindeversammlung gehört, daß mehr als ein Drittel der stimmberechtigten „Gemeinde⸗ mitglieder“ anwesend ist 106 Abs. 1); die nicht ge⸗ meindeangehörigen Stimmberechtigten und die Vertreter bleiben also bei dieser Berechnung außer Betracht. Bei jeder Vor⸗ ladung ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß die Nichterscheinenden sich den Beschlüssen der Erscheinenden zu unterwerfen haben. Erfolgt wegen Beschlußunfähigkeit der Versammlung die Vorladung zu einer neuen Versammlung, so kommt es auf die Zahl der Erscheinenden aicht weiter an; hierauf ist bei der zweiten Vorladung hinzuweisen

(Abs. 3 und 4 a. a. O.). 1öö1“ 9) Geschäftskreiks. 2

Anlangend den Geschäftskreis der Gemeindeversammlung, so hat dieselbe über alle Gemeindeangelegenheiten zu beschließen, soweit sie nicht ausdrücklich durch Gesetz dem Gemeinde⸗Vorsteher (Gemeinde⸗ vorstand) überwiesen sind. Ueber andere als Gemeindeangelegenheiten darf die Gemeindeversammlung nur berathen, soweit sie durch beson⸗ dere gesetzliche Bestimmungen oder Aufträge der Aufsichtsbehörde dazu berufen ist 102).

II. Die Gemeindevertretung.

1) Einführung der Gemeindevertretung. 8

Beträgt die Zahl der Stimmberechtigten mehr als 40, so tritt an Stelle der G heversammlung eine Gemeindevertretung Die

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