1 Großbritannien und Irland.
In beiden Häusern hat gestern die Verlesung der Thron⸗ rede der Königin zur Eröffnung des Parlaments statt⸗ gefunden. Der Inhalt der Rede besagt nach dem darüber vorliegenden Wolff'schen Telegramm: Da die gesetzgeberischen Arbeiten schon vor der Auflösung des Parlaments abgeschlossen gewesen, sei es nicht nothwendig, daß das Parlament zur Er⸗ ledigung solcher Arbeiten in so vorgeschrittener Jahreszeit zusammenbleibe. Die Königin hoffe, daß das Parlament, wenn es zur nächsten Session zusammentrete, auf dem Wege einer nutzbringenden und wohlthätigen Gesetzgebung weitere Fortschritte machen werde. — Ueber den Verlauf der Adreß⸗ debatte wird berichtet:
Das Oberhaus nahm die Adresse an die Königin noch in seiner gestrigen Sitzung an und vertagte sich darauf bis zum nächsten Montag. Im Laufe der Discussion äußerte Lord Kimberley: Da die Frage der irischen Politik in der Thronrede nicht aufgeworfen worden sei, so erscheine es nicht nothwendig, darauf einzugehen. Der Premier Marquis von Salisbury nahm alsdann das Wort zu einer Erklärung folgenden Inhalts: Da die Politik der Regierung nicht an⸗ gegriffen worden sei, so habe er sie auch nicht zu vertheidigen. Er sei aber erstaunt, daß die Opposition ihre Grundsätze nicht vertheidige. Während das Unterhaus die Ansichten des ver⸗ einigten Königreichs vertrete, komme im Oberhause weit besser als im Unterhause die Meinung Großbritanniens zur Geltung. Das Unterhaus habe die ausschließliche Fähigkeit zum Be⸗ schließen über die Männer, die die Regierung bilden sollen. Sobald jedoch die Regierung gebildet sei, bereite sier
gesetzgeberische Maßnahmen vor und wenn dies ge⸗ schehen sei, höre die exclusive Stellung des Unter⸗ hauses auf, und der Antheil des Oberhauses an der Gesetz⸗ gebung sei demjenigen des Unterhauses gleich. Im kommenden Jahre werde der Mittelpunkt des Interesses und der Action sich im Oberhause befinden. Er hoffe, das Oberhaus werde der ernsten Aufgabe die gewohnte Weisheit und Entschlossen⸗ heit entgegenbringen und keinen neuerfundenen Theorien und eingebildeten speculativen Lehren gestatten, es den großen Grundsätzen abtrünnig zu machen, auf denen das Reich be⸗ gründet sei und durch die allein es aufrecht erhalten werden könne.
Im Unterhause beantragte der Deputirte Barton, von Croß unterstützt, die Adresse zur Beantwortung der Thronrede. Beide Redner beglückwünschten die Regierung zu der erfolgreichen Gesetzgebung und forderten die Opposition auf, sich über ihre Absichten hinsichtlich Homerule zu erklären. Der Deputirte Asquith brachte hierauf ein Amendement zu der Adresse ein, welches das Mißtrauensvotum gegen das gegenwärtige Cabinet enthält. In diesem Amendement wird erklärt: Die Regierung müsse das Vertrauen des Unterhauses und des Landes besitzen, die gegenwärtige Regierung aber besitze dieses Vertrauen nicht. Dies sei die Frage, welche zum Austrag gebracht werden müsse, jeder andere Gegenstand sei als unerheblich bei Seite zu lassen. Burt unterstützte das Mißtrauensvotum. Sodann nahm der Schatzkanzler Goschen das Wort und erklärte: Asquith sei bemüht, die Debatte auf die englischen Grenzen zu beschränken, aber Burt sei nicht darauf eingegangen. Die Mehrheit der Bevölkerung von Großbritannien habe sich von neuem gegen die Abtrennung Irlands erklärt. Es sei unmöglich, in dem heabsichtigten Schweigen über Homerule zu verharren. Die gegnerische Parkei sei nicht homogen, und ecs sei unbekannt, ob Gladstone sich die Zustimmung aller unab⸗ hängigen irischen Nationalisten oder der Arbeiterpartei sichern önne. Sollte Homerule vom Parlament angenommen werden, so würde sie von der irischen Partei der Majorität des Königreichs aufgezwungen werden. Die Unionisten hätten die Pflicht, in der bevorstehenden Session und stets gegen die Desintegrirung britischer Institutionen zu kämpfen. Mac Carthy griff die seitens der jetzigen Regierung be⸗ folgte irische Politik an, welche in einer fortlaufenden Verge⸗ waltigung bestehe. Von der Opposition forderte der Redner die Abgabe der Versicherung, daß ihre Homerule⸗Blll, falls sie dem irischen Volke annehmbar erscheine, von der Glad⸗ stonianischen Regierung mit aller Energie gefördert werden solle und daß sie, falls sie vom Oberhause verworfen werden sollte, im Vordergrunde der liberalen Gesetzgebung bleiben werde. Der Redner betonte ferner die Nothwendigkeit einer Untersuchung bezüglich der Vertreibungen von Pächtern sowie bezüglich derjenigen Irländer, welche wegen politischer Vergehen gefangen gehalten würden, und sprach schließlich die Hoffnung aus, daß das Zwangsgeset aufgehoben und inzwischen bis zu seiner völligen Aufhebung suspendirt werde. Im weiteren Verlauf der Sitzung erklärte Redmond: Er und seine Partei würden für das von Asquith beantragte Amende⸗ ment zur Adresse stimmen, um die jetzige Regierung zu stürzen; er verlange aber Aufschluß über die Absichten der liberalen Partei, die hoffentlich ihre Zusagen betreffs Irlands zu halten beabsichtige: die Parnelliten forderten ein irisches Parlament, das eine freie unbeschränkte Controle über die trischen Angelegenheiten besitze, und wünschten in erster Linie Homerule durchgeführt zu sehen. Außerdem verlangten sie auch eine Untersuchung wegen der vertriebenen Pächter und wegen der politischen Gefangenen. — Hierauf wurde die Debatte vertagt.
Vor der Sitzung des Unterhauses wurde unter Vorsitz Gladstone's eine Versammlung der Liberalen abge⸗ halten, in der über die Haltung, welche die Partei in der neuen Kammer einzunehmen gedenke, und über das Mißtrauensvotum Beschluß gefaßt wurde. Die liberalen Deputirten für Wales beschlossen gestern, die Homerule-Frage zu unterstützen und ihr Möglichstes auf⸗ zubieten, damit das projectirte Gesetz für eine Trennung der Kirche vom Staat in der Kammer eingebracht werde. Die Liberalen betrachten diese Maßregel als zweitwichtigstes politisches Programm ihrer Partei.
Das angekündigte Blaubuch über die Vorgänge in Marokko ist gestern veröffentlicht worden. Dem „W. T. B.“ zufalge werden darin im allgemeinen die bereits bekannten Meldungen der Blätter bestätigt; Sir Euan Smith stellt jedoch in Abrede, den Vertrag zerrissen zu haben. Eine Depesche von Smith vom 18. April legt dar, daß Spanien, Italien, Deutschland, Oesterreich⸗Ungarn den dem Sultan unterbreiteten Vertrag billigten. Eine Depesche Lord Dufferin's vom 23. Mai theilt mit, daß der fran⸗ zösische Minister des Auswärtigen Ribot den Ver⸗ trag den Departements für auswärtige Angelegen⸗ heiten und für Handel zur Prüfung unterbreiten und das Ergebniß bekannt geben werde. Am 9. Juni be⸗
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richtete Lor ibot habe auf seine Anfrage,
ob der Vertrag bereits einer Prüfung unterzogen sei, geantwortet, die Bestimmungen des Vertrages erschienen ihm durchaus einwandsfrei. Gleichzeitig habe Ribot jedoch auf das Gerücht hingedeutet, daß Euan Smith dem Sultan von Marokko noch andere Forderungen vorlegen würde. Er (Dufferin) habe Ribot versichert, daß dieses Ge⸗ rücht durchaus unbegründet sei. In einer weiteren Depesche betont Smith, daß der abgeschlossene Vertrag gültig sei, obwohl der Sultan nach dessen Unterzeichnung den C issären die Vollmachten entzogen habe.
Frankreich.
Nach dem endgültigen 8. g. der Generalraths⸗ wahlen gewannen die Republikaner insgesammt 195 Sitze. Die Conservativen verfügen gegenwärtig nur in sechs Departe⸗ ments über die Mehrheit.
Die Nachricht italienischer Blätter, der Negus Menelik habe an die französische Regierung einen Emissär ge⸗ schickt, wird in einer aus Regierungskreisen stammenden Mit⸗ theilung an die Zeitungen für völlig unbegründet erklärt.
Ueber die diesjährigen Corpsmanöver der französischen Armee ist bereits in Nr. 177 des „R.⸗ u. St.⸗A.“ vom 29. Juli näheres mitgetheilt worden. Außerdem werden der „N.⸗Z.“ zufolge 13 Divisionen Infanterie dreizehntägige, 26 Brigaden Infanterie vierzehntägige, 3 Divisionen Reserve, 1 Brigade Reserve und 4 „gemischte“ Regimenter zehntägige, 6 Bataillone Jäger zu Fuß und ein Regional⸗Regiment 15tägige, 6 Divisionen Cavallerie 25tägige, 14 Brigaden Cavallerie 10tägige und eine Brigade des Nordens 25tägige Uebungen abhalten. Daran schließen sich Lagerübungen in den Alpen während 90 Tagen und für 12 Compagnien nur während 30 Tagen; Manövermärsche in den Alpen während 20. Tagen mit Betheiligung der Cavallerie; Manövermärsche in den Vogesen waͤhrend zehn Tagen und Lagerübungen während dreißig Tagen: Cadresmanöver der Infanterie während fünf und der Cavallerie während sieben Tagen. Festungsmanöver sollen dieses Jahr nicht stattfinden.
Nach den heutigen Morgenblättern sind in den Departe⸗ ments Sadne⸗et⸗Loire und Nord Dynamitdiebstähle vor⸗ gekommen.
Der Minister des Auswärtigen Brin hat dem Sindaco von Genua nunmehr mitgetheilt, daß der König und die Königin am 7. oder 8. September sich nach Genua zu be⸗ geben gedächten, sowie daß fast sämmtliche Mächte die Ein⸗ ladung Italiens angenommen hätten, anläßlich der Columbus⸗ feier Kriegsschiffe nach Genua zu entsenden. Der Minister beglückwünschte gleichzeitig den Sindaco dazu, daß Genua der Schauplatz dieser Feier sei.
Der Minister⸗Präsident Giolitti wird seine Programm⸗ rede, wie man der „Köln. Ztg.“ aus Rom schreibt, erst gegen Ende September, nach den Genueser Columbusfesten, halten. In Rom ist inzwischen ein Ausschuß unter dem Vorsitz des Deputirten Baccelli in der Bildung begriffen, der die Vor⸗ bereitungen für das dem Minister⸗Präsidenten zu bietende Bankett treffen wird. Dieses soll in dem Hauptsaal des Aus⸗ stellungs⸗Palastes an der Via nazionale stattfinden.
Spanien.
Die spanische Regierung hat beschlossen, anfangs September drei Panzerschiffe, einen Kreuzer und ein Kanonenboot zur Columbusfeier nach Genua zu senden.
Belgien.
zwischen Frankreich und dem Grenzstreitfrage bringt die belgischen Standpunkt be⸗
Ueber die zur Zeit Congostaat schwebende „Köln. Ztg.“ folgende, den zeichnende Darstellung: Die Grenzstreitigkeiten zwischen dem Congostaat und Frankreich haben im Januar dieses Jahres begonnen. Nachdem seit zwei Jahren die belgischen Forscher Van Géle und Roget am Ubangi Posten errichtet und mit den Häuptlingen Verträge abgeschlossen hatten, nachdem der Congostaat das Recht der ersten Besitz⸗ ergreifung solcherweise für sich hatte, rüstete Frankreich Forschungszüge nach dem Ubangigebiet aus. Dagegen erhob der Congostaat Einspruch, Frankreich aber rüstete im Februar die Expedition Liotards aus, welcher der ermordete Lieutenant von Poumayrac angehörte. Der König der Belgier ließ darauf der französischen Regierung vorschlagen, die Besitzfrage einem inter⸗ nationalen Ausschuß von Geographen und Rechtsgelehrten zu unterbreiten, worauf Ribot mit der Forderung der Räumung des Ubangigebiets durch den 2 wortete. Darauf in reiste der Staatssecretär des Congo⸗ staats Graf De Grelle⸗Rogier nach Paris, um die Bezeichnung eines Vermittlers durchzusetzen. Auch darauf ging die französische Regierung nicht ein, sondern sie wies zwei Colonialbeamte an, mit De Grelle eine Ver⸗ einbarung zu entwerfen. Es kam dann ein Theilungsentwurf zu stande, der die Franzosen jedoch nicht befriedigte. Am 15. Juli d. J. waren die weiteren Unterhandlungen über andere Vorschläge des Congostaats bereits aufgegeben worden. — Der König hat, demselben Blatt zufolge, außer dem französischen Cassations⸗Rath Dujardin und dem britischen Obersten North den ehemaligen französischen Unter⸗Staatssecretär für die Kolonien Félix Faure auf einige Tage zu sich nach Ostende geladen, um sich mit ihnen über die Congo⸗Angelegenheiten zu berathen. — Wie das „Mouvement Géographique“ erfährt, will die Gesellschaft für den Handel am oberen Congo von dem Congostaat 200 000. Fr. Schadenersatz für die Behinderung ihres Betriebs fordern.
Asien.
Eine aus Taschkent in St. Petersburg eingegangene Meldung besagt dem „W. T. B.“ zufolge: die an der Grenze von Pamir befindlichen chinesischen Truppen hätten will⸗ kürlicher Weise Orte besetzt, die Kußland angehörten; sie hätten sich jedoch ohne weiteres auf die erste Aufforderung des Chefs der russischen Pamir⸗Expedition, Obersten Janow, zurück⸗ gezogen. 3
Afrika.
Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Tanger: Die
Feenbfei gie ten zwischen den Regierungstruppen und den ngheras seien gestern eingestellt worden; ihre Wieder⸗ aufnahme sei jedoch für heute oder morgen zu erwarten.
Congostaat ant⸗
Statistik und Volkswirthschaft. Die Handelsschiffe der Welt.
Nach den vom „Bureau Veritas“ aufgestellten Tabellen zählen
die Kauffahrerflotten der Erde insgesammt 43 514 Schiffe. Davon sind 33 876 mit einem Tonnengehalt von 10 540 051 t Segel⸗ schiffe, 9638 mit 12 825 709 t Dampfschiffe. Der Durchschnitts⸗ gehalt der Segelschiffe beträgt hiernach 311, derjenige der Dampfer 1331 t. Im vorstehenden sind nur Seeschiffe gezählt; die Binnen⸗ schiffahrt ist nicht berücksichtigt. Die Dampfschiffe der verschiedenen Nationen sind, nach dem Tonnengehalt geordnet, in folgender Tabelle angegeben: Staat der Schiffe 1 Anzahl Tonnengehalt Großbritannien . . . ... .5 812 8 043 872 “*“ 689 930 751 166* 471 805 983 Vereinigte Staaten . . . .. 419 533 333 .1 1111114“ 350 423 627 Schweden und Norwegen.. . 774 417 065 A“ 200 294 705 ee“; 164 220 014 1*“ 230 177 753 Z11X1X“X“ 197 154 497 Z“ 111 149 447 Japan 123 279 Belgien 98 046 Brasilien “ 75 970 u“ 70 435 ““ 41 49 363. Großbritannien überragt hiernach nicht allein jedes einzelne der angeführten Länder, sondern alle andern zusammen, denn es entfallen darauf 55 % der Zahl und 63 % vom Tonnengehalt aller ange⸗ führten Schiffe. Allen andern Ländern steht Deutschland voran.
. 12 Ein socialpolitischer Congreß
ist am Sonntag in Antwerpen zusammengetreten. Wie der „Frkf. Ztg.“ gemeldet wird, sind etwa sechshundert Theilnehmer an⸗ wesend, darunter die Hälfte fremde, namentlich deutsche National⸗ ökonomen, ferner die Minister Beernaert und Debruyn. Der Prä⸗ sident der Versammlung Strauß wies in seiner Eröffnungsrede auf die Nothwendigkeit hin, gegen den Protectionismus zu arbeiten. Graf Cassa, italienischer Delegirter, sprach in demselben Sinn im Namen der fremden Anwesenden. 8
Zur Arbeiterbewegung.
Der Parteitag der socialdemokratischen Partei, der in diesem Jahre in Berlin am 16. Oktober zusammen⸗ treten soll, wird sich, wie die „Voss. Ztg.“ bemerkt, in erster Reihe mit der Fehde zwischen den Reichstags⸗Abgeordneten von Vollmar und Liebknecht (vergl. Nr. 170 d. Bl.) zu beschäftigen haben, die allerdings nicht auf der officiellen Tagesordnung stehe. Als Gegenstände der Verhandlung des Parteitags führt das Blatt die folgenden an:
Geschäftsbericht des Parteivorstandes, Bericht der sieben Contro⸗ leure (die gegenwärtig in Stettin, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Dresden und Hannover ihren Wohnsitz haben), Bericht über die parlamentarische Thätigkeit der Reichstags⸗Fraction, die Maifeier 1893, der internationale Congreß in Zürich, das Genossenschaftswesen, die wirthschaftliche Krisis und ihre Folgen, der allgemeine Nothstand, der Antisemitismus und die Socialdemokratie, Berathung derjenigen Anträge der Parteigenossen, die bei den voraufgehenden Punkten der Tagesordnung nicht bereits ihre Erledigung gefunden haben, Wahl der Parteileitung und Bestimmung des Orts, wo sie ihren Sitz zu nehmen hat.
In Breslau striken, wie der „Vorwärts“ berichtet, die an der Elisabethkirche beschäftigt gewesenen Steinmetzen. Der Unter⸗ nehmer Künzel bot, nach den Angaben des Blattes, für den Quadratmeter Maßwerk 36 ℳ, während die Arbeiter min⸗ destens 48 ℳ forderten. Es fand darauf eine Steinmetzen⸗ versammlung statt, in der auch Meister zugegen waren. Man billigte durchweg die Forderung, sowie die Handlungsweise der Ausständigen. Die Versammlung beschloß einstimmig, auf An⸗ trag zweier Werkführer, daß die ausständigen Gehilfen pro Quadrat⸗ meter 55 ℳ fordern sollten. Nun erklärte Künzel, 48 ℳ zahlen zu wollen, wurde aber abgewiesen. (Vgl. die gestrige Nr. 185 d. Bl.)
Bei der neuen Elbbrücke bei Loschwitz⸗Dresden haben, wie dasselbe Blatt mittheilt, etwa 38 Arbeiter, die als Schlosser, Schmiede ec. beschäftigt waren, die Arbeit niedergelegt, weil ihnen eine Lohnforderung nicht bewilligt wurde; auch glauben sie andere Beschwerdepunkte zu haben.
In Kesmark (Ungarn) sind die Weber der Damastwaaren⸗ Fabrik von Primavesi, Silberberg und Hoffmann ausständig. Als Ursachen des Ausstandes werden im „Vorwärts“ genannt: Arbeitsunterbrechungen bis zu drei Tagen ohne jede Entschädigung, schlechtes Material zum Weben, Abzug von 2 Kreuzern pro Gulden für die Krankenkasse, wofür die Arbeiter nur ärztliche Behandlung und Medicamente erhielten.
Ein Bergarbeiterausstand, der in Petrozseny (Ungarn) am 18. Juli ausbrach, angeblich, weil der Director der Werke den Organisationsbestrebungen der Arbeiter entgegen war, hat, wie die Budapester „Arbeirerpresse“ mittheilt, mit einer vollständigen Niederlage der Arbeiter geendet.
Aus London wird der „Köln. Ztg.“ geschrieben: Die Ketten⸗ macher von Süd⸗Staffordshire und Ost⸗Woreestershire besprachen in einer Versammlung den Antrag der Fabrik⸗ besitzer, die Löhne um 10 % herabzusetzen. Einstimmig. wurde eine Lohnverminderung verworfen und ein allgemeiner Ausstand beschlossen. — Ein soeben veröffentlichter Be⸗ richt der Nordost⸗Eisenbahn giebt eine Uebersicht der Kosten des⸗ Durhamer Ausstandes. Diese Eisenbahn hat allein durch den Ausstand an 250 000 Pfd. Sterl. verloren. Der Personenverkehr fiel um 26 000 Pfd. Sterl. und der Mineralientransport um 5 Millionen Tonnen. Es wird berechnet, daß der Ausstand im ganzen mehr als 5 Millionen Pfund gekostet habe.
Ein Pariser Telegramm des „Wolff'schen Bureaus“ berichtet: Nach einer Meldung aus Roubaix hat wegen des Sieges der Socialisten bei den Generalrathswahlen am Sonntag eine socia⸗ listische Kundgebung stattgefunden, an der sich der Maire und ein Beigeordneter, die beide Socialisten sind, betheiligten. Die Polizei schritt ein, nahm eine rothe Fahne weg und verhaftete zwei Personen. — Ein Pariser Telegramm des „H. T. B.“ meldet, daß eine Generalversammlung der Steinhauer in Saint Florent (Cher) infolge der Weigerung der Arbeitgeber, den Forderungen der Arbeiter gerecht zu werden, beschlossen habe, den Ausstand fortzusetzen und auf Kosten des Syndicats die Ausbeutung der Steinbrüche fort⸗ zuführen. Ein Deputirter der Ardeiter und ein Ausschuß des Syndikats organisiren ein neues Unternehmen.
Aus Duquesne (Pennsylvanien) meldet ein New⸗Yorker Tele⸗ gramm des „W. T. B.“, die ausständigen Arbeiter hätten die Arbeit wieder aufgenommen. Die Gesellschaft der Carnegie schen Werke sei somit siegreich aus dem Strike hervorgegangen.
Kunst und Wissenschaft. 8.
— Das „Urkundenbuch der Stadt München“’ ist, wie die M. „Allg. Ztg.“ mittheilt, neuerdings Berathungsgegenstand beider dortigen städtischen Collegien gewesen. Nach seiner Fertig⸗ stellung wird es die wichtigsten Urkunden, welche auf die Ge chichte der Stadt München Bezug haben, in systematischer und chrono⸗ logischer Anordnung enthalten, also eine sehr umfangreiche Arbeit erfordern. Mit der Bearbeitung der Urkunden bis zum Jahre 1499, einschließlich ist Reichs⸗Archiv⸗Assessor Dr. P. Wittmann, mit jener der Urkunden vom Jahre 1500 an
1“
Archiv⸗Raͤth E. von Destouches betraut; als sachverständiger Beirath wirkt dabei Ober⸗Bibliothekar Dr. S. Riezler. In einer am 13. Juli abgehaltenen commissionellen Berathung wurde festgesetzt, daß zuerst die Urkunden über bürgerliche Verhältnisse und erst nach diesen die auf das religiöse Leben bezüglichen Urkunden herausgegeben werden sollen, womit die Stadtverwaltung einverstanden ist. Die Arbeiten für die Herausgabe sind nun — abgesehen von den umfangreichen zeit⸗ raubenden Vorarbeiten — soweit vorgeschritten, daß demnächst schon an den Druck der beiden ersten Bände gegangen werden kann. Außer den wichtigeren Urkunden, welche vollständig zum Abdruck gelangen werden, sollen auch die übrigen dem Inhalte nach ausgezogen oder doch ver⸗ zeichnet werden und in der Form von Regesten zur Behandlung ge⸗ langen. Die Vorarbeiten sind übrigens bereits für mehrere Jahr⸗ hunderte sehr weit gediehen: eine mühevolle Arbeit, von der am besten die Thatsache zeugt, daß es sich um mehrere Zehntausende von Ur⸗ kunden handelt.
— In Braunschweig ist am 4. d. M. der Geheime Medizinal⸗ Rath Dr. Engelbrecht im Alter von 79 Jahren gestorben. Er war nicht nur als Arzt und Schriftsteller thätig, sondern hat sich auch als Pomologe einen Namen gemacht. Lange Jahre hindurch war er Ausschußmitglied des Deutschen Pomologen⸗Vereins und leitete als Präsident dessen achte Jahresversammlung. .
— Der bejahrte Director der Kaiserlichen Gemälde⸗Galerie in Wien, Hofrath Eduard Ritter von Engerth ist auf sein An⸗ suchen in den Ruhestand versetzt und an seiner Stelle der bisherige Custos August Schäffer zum Director der Galerie und zum Leiter der mit derselben vereinigten Restaurir⸗Anstalt ernannt worden.
— Ueber den — wie gestern gemeldet — in Brüssel gegenwärtig stattfindenden dritten internationalen Anthropologencon⸗ greß wird der „Nat.⸗Ztg.“ von dort geschrieben: Der erste internatio⸗ nale Anthropologencongreß wurde 1887 in Rom, der zweite 1889 in Paris abgehalten. Der erste Punkt der Tagesordnung: „Giebt es einen anatomisch bestimmbaren Verbrechertypus?“, zu welchem die Brüsseler Professoren Houzé und Warnots als Berichterstatter an⸗
gemeldet sind, scheint speciell gegen die von Professor Lombroso aus⸗
gehende Theorie gerichtet zu sein, welche den Trieb zum Ver⸗ brechen als eine rein physische und unvermeidliche Erscheinung betrachtet und ein vollständiges System der „Merkmale des Verbrechers“ auf⸗ gestellt hat. Schon auf dem Pariser Congresse wurde die Theorie der italienischen, positivistischen Schule von hervorragenden Gelehrten an⸗ gegriffen und widerlegt, und der gestern begonnene Brüsseler Congreß wird über diese bereits veraltete wohl endgültig den Stab brechen. Das scheint Professor Lombroso auch zu ahnen, da er trotz mehr⸗ facher, dringender Einladungen die Theilnahme an dem Congreß abge⸗ lehnt hat. Wenn aber auch der Verbrechertypus als solcher ein über⸗ wundener Standpunkt ist, so wird damit die Frage der Verantwort⸗ lichkeit des Verbrechers noch nicht erledigt sein. Es giebt eine Kategorie von Individuen, die sich ihrer gesellschaftlichen Umgebung nicht anzupassen vermögen. Hierher gehören die sogenannten geborenen Verbrecher einerseits, und die rückfälligen Verbrecher andererseits. Die Positivisten verlangen für diese Klasse von Verbrechern keine Strafe, sondern einen socialen Schutz, lebenslängliche Internirung. Diese und ähnliche Fragen werden ohne Zweifel auf dem Congresse zu erregten Erörterungen Veranlassung geben, wie sich auch aus den nachstehenden Punkten ergiebt, die wir der überaus reichhaltig,en Tagesordnung entnehmen: Kritische Prüfung der Charaktereigenschaften des geborenen Verbrechers“, „Der krankhafte Trieb zum Verbrechen“, „Functionelle Ursachen des Ver⸗ brechens“, „Die Verbrechen des Irrsinns“, „Das Verbrecherthum und die volkswirthschaftliche Krisis“, „Einfluß der Gewerbe auf das Ver⸗ brecherthum“, „Die Presse als Verbreiterin des Verbrecherthums und Maßregeln zur Beschränkung der Preßfreiheit in dieser Richtung“ u. s. w. Der Congreß wird eine ganze Woche dauern und täglich zwei Sitzungen abhalten. Am Donnerstag wird König Leopold der Sitzung beiwohnen und am Abend des nämlichen Tages die Congreßmitglieder im Königlichen Schloß empfangen. — Wie „H. T. B.“ aus Brüssel meldet, erregte im Anthropologen⸗Congreß die Erklärung des chinesi⸗ schen Deputirten großes Aufsehen, wonach in Ching energisch gegen den Einfluß des Lasters gewirkt wird. Wenn in China ein Kind ein Verbrechen begeht, so werden dessen Eltern gerichtlich belangt; ebenso werden die Gemeinde⸗Vorsteher, in deren Bezirk ein Verbrechen be⸗ gangen, wegen mangelhafter Ueberwachung zur Verantwortung ge⸗
zogen, hingegen diejenigen belohnt, wo am seltensten Verbrechen vor⸗
kommen.
8
Land⸗ und Forstwirthschaft.
8 v11“
Ueber den Saatenstand bezw. Ernteausfall in einzelnen Gouvernements Rußlands wird uns weiter berichtet (vgl. Nr. 181 des „R.⸗ u. St.⸗A.“ vom 3. August):
Auf der Insel Oesel hat Roggen in der Blüthezeit durch vielen Regen gelitten und dürfte wie Weizen, welcher sich in den letzten Wochen recht erholt hat, eine leidliche Mittelernte ergeben. Desgleichen steht Gerste befriedigend. Dagegen haben Hafer und Kartoffeln durch Regen stark gelitten und sind in der Entwickelung zurückgeblieben.
In Polen ist die Roggenernte beinahe ganz vollendet, und die Weizenernte beginnt. Das Resultat wird theils be⸗ friedigend, theils gut sein.
Im Bezirk Rostow a. D. ist die Getreideernte beendet und kann als eine recht gute bezeichnet werden. Zahlen über den muthmaßlichen Ertrag zu geben ist bis jetzt noch nicht möglich, aber das disponible Guantum an Weizen, Gerste 80 Hafer ist bedeutend. Roggen wird dort weniger an⸗ gebaut.
Im Gouvernement Stawropol, dem Kuban⸗ und Terekgebiet ist Weizen bereits geschnitten und unter den günstigsten Verhältnissen eingebracht. Die Ernte entspricht in quantitativer Beziehung den hohen Erwartungen vollkommen, doch läßt quglitativ der Weizen zu wünschen übrig, da zu starke Beimischungen vorhanden sind. Roggen ist noch nicht überall vom Felde; man hofft auf einen guten Ertrag. Hafer und Gerste sind zum größten Theil noch nicht reif; theilweise hat man mit dem Schnitt begonnen und rechnet, wenn die Witterung günstig bleibt, auf eine reichliche Ernte.
In den Gouvernements Tiflis, Elisabethpol und dem Bezirk von Sakataly ist die Ernte beendet. Dieselbe stellt sich aus verschiedenen Ursachen, insbesondere Regen⸗ mangel, nur als eine Mittelernte heraus. Auch die Gouver⸗ nements Kars und Eriwan werden keine volle Ernte ergeben.
In dem Gouvernement Kutais entwickelten sich infolge anhaltend guten Wetters die Maispflanzungen recht vortheil⸗ haft, und sind die besten Ernteaussichten vorhanden.
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Ernte⸗Aussichten.
Der Stand der Saaten in den Hohenzollernschen Landen konnte nach den vorliegenden Berichten im Juli ein guter genannt werden. Roggen, Dinkel und Weizen stellten einen guten Ertrag in Aussicht. Der Kohlraps, dessen Blüthe einen schnellen Verlauf nahm und deshalb vom Glanzkäfer, welcher sich wieder zahlreich eingestellt hatte, keinen namhaften Schaden erlitt, wird mehr als eine Mittelernte liefern, und auch von Rübenraps erwartet man e solche. Die Sommerfrüchte zeigten einen recht guten Bestand, und auch Kartoffeln und Hackfrüchte standen außerordentlich günstig. Die Futterernte, welche bei günstiger Witterung zu Ende geführt werden konnte, befriedigte allgemein. Der Obstertrag dagegen wird trotz reichlichen Blüthenstandes nur ein spärlicher werden, da 28 rauhe Witterung nachtheilig eingewirkt und auch der Apfel⸗ blüthenstecher vielfachen Schaden verursacht hat.
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Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
„Auf dem Central⸗Viehhof ist gestern früh, wie die „Allge⸗
meine Fleischer Zeitung“ meldet, bei einem Posten Schmeine des gestrigen Auftriebs Maul⸗ und Klauenseuche constatirt worden. Infolge dessen ist der Abtrieb vorläufig verboten. Ebenso wurde die Maul⸗ und Klauenseuche bei einem Transport Hammel constatirt; diese wurden besonders gestellt, der Abtrieb st jedoch nicht verboten. Der Landrath des Kreises Teltow Stubenrauch hat die sanitätspolizeiliche Verordnung erlassen, daß alle Familienhäupter, Haus⸗ und Gastwirthe sowie Medizinalpersonen nicht nur verpflichtet sind, vorkommende Fälle von choleraartigen Erkrankungen der zu⸗ ständigen Orts⸗Polizeibehörde anzuzeigen, sondern gleichzeitig auch direct an den Kreisphysikus Professor Dr. Falk in Berlin SW., Schützenstraße 5. Ferner verfügt der Landrath: Da das sicherste Mittel zur endgültigen Feststellung der Cholera die bakteriologische Untersuchung der Stuhlentleerungen, und zwar nicht bloß mittels des Mikroskops, sondern auch mit Hilfe des Platten⸗ culturverfahrens bildet, so ersuche ich die Orts⸗Polizeibehörden, sofort Erhebungen darüber anzustellen, welche Aerzte in ihrem Bezirk mit derartigen bakteriologischen Untersuchungen vertraut, auch zuverlässig, geeignet und bereit sind, solche Untersuchungen auf Erfordern auszu⸗ führen. Ueber das Ergebniß dieser Erhebungen fordert der Landrath binnen drei Tagen Bericht. —
Wegen des starken Auftretens der Maul⸗ und Klauenseuche in der Mark darf laut amtlicher Bekanntmachung der am 16. d. M. in B .““ stattfindende Viehmarkt nur mit Pferden beschickt werden.
Breslau, 8. August. Die gesundheitliche Ueberwachung der aus Rußland kommenden Eisenbahnreisenden, welche seit einiger Zeit auf den bereits früher bezeichneten Stationen stattfindet (siehe Nr. 178. des „R.⸗ u. St.⸗A.“*), wird, der „Schles. Ztg.“ zufolge, nach An⸗ ordnung des Regierungs⸗Präsidenten zu Oppeln nunmehr unverweilt auch auf die Station Herby der Eisenbahn Lublinitz —Herby aus⸗ gedehnt werden.
Hamburg, 8. August. Der Senat der Stadt Hamburg hat zur Verhütung der Einschleppung der Cholera nunmehr eben⸗ falls die Einfuhr und Durchfuhr von gebrauchter Leib⸗ und Bett⸗ wäsche, von gebrauchten Kleidern — mit Ausschluß von Wäsche und Kleidern von Reisenden, — ferner von Federn und Lumpen aller Art, Obst, frischem Gemüse, Butter und Weichkäse aus Rußland für das Hamburgische Staatsgebiet bis auf weiteres verboten.
London, 8. August. Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Teheran von heute: In Astrabad habe ein Volkshaufe, da die Priester das Auftreten der Cholera dem Verkauf alkoholischer Ge⸗ tränke zugeschrieben hätten, die Schankwirthschaften geplündert und die Waaren armenischer Kaufleute, welche russische Unterthanen seien, vernichtet. Der lusshe Konsul habe die russischen Grenzbehörden um Hilfe gebeten, worauf 25 Ko⸗ saken zur Bewachung des Konsulats abgeschickt worden seien; gleichzeitig sei ein russisches Kanonenboot bei Astrabad eingetroffen. Die russische Gesandtschaft in Teheran habe von der persischen Regierung Ersatz für den angerichteten Schaden ver⸗ langt. Der Schah, welcher sich gegenwärtig in der Provinz auf⸗ halte, habe auf die Nachricht von dem Auftreten der Cholera in Teheran seine unverzügliche Rückkehr nach der Hauptstadt telegraphisch angezeigt. Die Sterblichkeit in Teheran belaufe sich täglich auf etwa 25 Personen. Die Cholera wüthe besonders in den Dörfern des Distriets Vezd und nähere sich Kaschan. In Täbris kämen täglich etwa 100 Cholera⸗Todesfälle vor.
Paris, 8. August. Der Gesundheitsrath hat, wie „W. T. B.“ berichtet, in seiner heutigen Sitzüng festgestellt, daß gegenwärtig die Cholera⸗Epidemie in der Stadt Paris und innerhalb der Bannmeile fast völlig verschwunden und jede Ge⸗ fahr als beseitigt anzusehen sei. Als die einzige Ursache der Epidemie erscheine das Wasser aus der Seine. Die Armee, deren Trinkwasser sorgfältig überwacht werde, sei von der Seuche frei geblieben.
St. Petersburg, 8. August. (W. T. B.) Der Verweser des Verkehrs⸗Ministeriums Witte eröffnete, dem „W. T. B.“ zu⸗ folge, heute auf der Eisenbahnstation von Gryasi eine Volksküche, durch welche täglich 3000 durchreisende Arbeiter gespeist werden können. Nach den vom Minister auf seiner Besichtigungsreise ge⸗ machten Erfahrungen hat der Mangel an genügender und ent⸗ sprechender Nahrung für die zahlreichen unter QOuarantäne ge⸗ stellten Personen sehr häufig den Anlaß zu den vorgekommenen Un ruhen gegeben. 8
Handel und Gewerbe.
In deutschen Zeitungen erscheinen seit einiger Zeit An⸗ kündigungen, in welchen die nachstehend verzeichneten Pariser Firmen: „Comptoir Montmartre, fondé en 1885, Béron directeur-gérant“. „Comptoir des Archives. Giros directeur- gérant“, Buncteux 65 Boulevard Voltaire“, „Simon Finance- intermédiaire 6 rue Charlot“ sich zur Vermittlung von Dar⸗ lehnsgeschäften erbieten. Von verschiedenen Seiten sind Klagen laut geworden, daß die genannten Firmen Personen, welche sich auf diese Ankündigungen hin an sie gewandt haben, zunächst zur Einsendung von Vorschüssen, die angeblich auf Provision und Zinsen verrechnet werden sollen, veranlaßt, dann aber die fernere Correspondenz abgebrochen oder sich auf die Uebersen⸗ dung werthloser Wechsel beschränkt haben.
Unter diesen Umständen kann den vorerwähnten Ankündi⸗ gungen gegenüber nur zur Vorsicht gerathen werden.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 8. d. M. gestellt 10 107, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 6. d. M. gestellt 3547, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.
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Zwangs⸗Versteigerungen. b
Beim Königlichen Amtsgericht II Berlin standen am 8. August die nachverzeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Grund⸗ buch von Steglitz, Band 21 Blatt Nr. 663, dem Landwirth Otto Hauer zu Friedersdorf bei Herzberg, der Frau Dr. Graeff, Marie, geb. Hauer, zu Stargardt i. P. und dem Unteroffizier Adolph Hauer zu Saarburg i. Elsaß gehörig; Reinertrag 0,69 ℳ, Fläche 9,31 a; Mindestgebot 201,41 ℳ; für das Meistgebot von 7400 ℳ wurde der Kaufmann Wolff Wolfenberg zu Berlin, Holzmarkt⸗ straße 2, Ersteher. — Ferner Grundbuch von Schöneberg, Band 19 Blatt Nr. 864, dem Architekten Robert Hoffmann zu Groß⸗ Lichterfelde gehörig, Fläche 6,85 a, Gebäudesteuer⸗Nutzungswekth 2000 ℳ, Mindestgebot 544,65 ℳ; für das Meistgebot von 33 000 ℳ h. der Maurermeister Carl Hoffmann zu Schöneberg Er⸗ steher.
— Aus Frankfurt a. M. berichtet ein Wolff'sches Telegramm, daß eine gestern abgehaltene außerordentliche Generalversammlung der dortigen Effectensocietät beschlossen hat, einen Sonntags⸗ Börsenverkehr während des Winterhalbjahres nicht mehr statt⸗ finden zu lassen. —
— Die Brutto⸗Einnahmen der Orientbahnen betrugen in der 29. Woche (vom 15. Juli bis 21. Juli) 201 577,95 Fr, Zunahme gegen das Vorjahr 61 397,75 Fr., seit Beginn des Betriebsjahres vom 1. Januar bis 21. Juli 1892 betrugen die Brutto⸗Einnahmen 6 164 608,18 Fr., Zunahme gegen das Vorjahr 573 197,23 Fr.
Leipzig, 8. August. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. per August 3,77 ½ ℳ, per
September 3,77 ½ ℳ, per Oktober 3,80 ℳ, per November 3,82 ½ ℳ, vper Dezember 3,82 ½ ℳ, per Januar 3,85 ℳ, per Febrnar 3,85 ℳ, per März 3,87 ½ ℳ, per April 3,87 ½ ℳ Umsatz 15 000 kg
Wien, 8. August. (W. T. B.) Die Vertreter der Oester⸗ reichisch⸗Ungarischen Bank erklärten bei der Besprechung mit dem österreichischen und dem ungarischen Finanz⸗Minister, die Bank sei in der Lage, nach der Kundmachung und dem Inkrafttreten der Valutagesetze der ihr obliegenden Verpflichtung sofort nach⸗ zukommen.
Das Handelsgericht hat zur Wahrung der Rechte der IWS der österreichisch⸗ungarischen Staats⸗ bahngesellschaft den Advocaten Weitlof in Wien als Curator bestellt.
Wien⸗ 8. August. (W. T. B.) Ausweis der Südbahn in de.EZoee vom 29. Juli bis 4. August 809 115 Fl., Mehreinnahme 0 O0 .
London, 8. August. (W. T. B.) An der Küste 5 Weizen⸗ ladungen angeboten.
Glasgow, 8. August. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 7005 Tons gegen 7030 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres.
„Bradford, 8. August. (W. T. B.) Wolle fest, Garne ruhig, Stoffe unverändert.
New⸗York, 8. August. (W. T. B.) Die Börse war anfangs niedriger, dann trat theilweise Reaction ein, der Schluß war im allgemeinen matt. Der Umsatz der Actien betrug 171 000 Stück. Der Silbervorrath wird auf 2070 000 Unzen geschätzt. Die Silberverkäufe betrugen 20 000 Unzen. Für den Staatsschatz wurden 581 000 Unzen zu 84,48 angekauft. 8
Weizen anfangs fest, blieb den ganzen Tag fest auf europäische Wetterberichte. Schluß behauptet. — Mais anfangs fest, dann steigend auf Deckungen der Baissiers. Schluß sehr fest.
Visible supply an Weizen 26 081 000 Bushels, do. an Mais 6 887 000 Bushels. 8 .
Chicago, 8. August. (W. T. B.) Weizen anfangs stetig, dann anziehend und fest den ganzen Tag auf Käufe der Haussiers. Schluß stetig. — Mais anfangs fest, später steigend auf Käufe der Haussiers. Schluß sehr fest.
San Francisco, 8. August. (W. T. B.) Von hier sind zwanzig Millionen Dollars Gold nach New⸗York ge⸗ sandt worden, um das infolge der New⸗Yorker Goldverschiffungen nach Europa gestörte Gleichgewicht wiederherzustellen.
Sonntag, den 14. August d. J., kommt ein Sonderzug zu ermäßigten Fahrpreisen von Berlin nach Coswig i. Anh. (Park von Wörlitz) und Dessau zur Beförderung. Er fährt um 6,20 Vorm⸗ vom Bahnhof am Askanischen Platz ab und trifft in Coswig 9,10, in Dessau 9,41 Vorm. ein. Die Rückfahrt ist am 14. August d. J. nur mit dem Sonderzuge 10,0 Abends aus Dessau, 10,38 aus Coswig, 1,17 Nachts in Berlin, zulässig; sie kann aber auch erst am 15. August d. J. mit sämmtlichen Personenzügen angetreten werden. Der letzte am 15. zur Benutzung mit Sonderzugfahrkarten gültige Personenzug von Dessau, welcher in Wittenberg Anschluß nach Berlin hat, fährt von Dessau 6,06 Nachm., von Coswig 6,40 Nachm., ab. Die Benutzung von Schnellzügen ist auch nicht gegen Nachlösung von Zuschlagkarten gestattet. Freigepäck wird nicht gewährt. Fahrkarten zu 5 ℳ für die II. und 3 ℳ für die III. Klasse, für Hin⸗ und Rückfahrt gültig, werden am Sonntag früh von den Fahrkarten⸗ ausgabestellen hier, Askanischer Platz, und in Gr. Lichterfelde, sowie auch schon vorher im Bureau des Invalidendank, Markgrafen⸗ straße 51 a, verausgabt.
—*½ Auf den Linien der Großen Berliner Pferde⸗Eisen⸗ bahn⸗Actien⸗Gesellschaft sind im Monat Juli 1892 10 643 975 Personen befördert und dafür 1 227 651,68 ℳ oder durch⸗ schnittlich auf den Tag 39 601,67 ℳ eingenommen worden. Die Einnahme im Monat Juli 1891 betrug 1 222 787,66 ℳ oder durchschnittlich auf den Tag 39 444,76 ℳ
Vondon, 8. August. (W. T. B.) Der Uniondampfer „Anglian“ ist gestern auf der Heimreise von den Canarischen Inseln ab⸗ gegangen. Der Castledampfer „Conway Castle“ hat gestern auf der Heimreise die Canarischen Inseln passirt. Der ÜUnion⸗ dampfer „Moor“ ist auf der Ausreise am Sonnabend von Southampton abgegangen, der Uniondampfer „Scot“ auf der Heimreise in Southampton angekommen.
Theater und Musik.
Kroll's Theater.
In Meyerbeer's „Hugenotten“ trat gestern Abend Fräu⸗ lein Wiesner in der Rolle der Valentine als Gast vor das Publikum und erzielte, wenn man nach dem kräftigen Beifall urtheilt, einen guten Erfolg. Die Sängerin besitzt eine große klangvolle Stimme, die die Hörer um so mehr zu fesseln vermag, als sie auch dramatische Lebendigkeit und Ausdrucks⸗ fähigkeit entwickelt. Ueberhaupt erscheint, was die Natur⸗ anlage des Organs anbetrifft, die Sängerin für große dramatische Rollen durchaus geeignet, aber zu bedauern ist, daß es der Stimme an. Festigkeit und Klarheit gebricht, die zu einer künstlerisch schönen Klangwirkung unentbehrlich sind; namentlich verliert das Organ beim gesanglichen Ausdruck starker Leidenschaft an Adel, weil die Sängerin un⸗ nöthigerweise ihre ganze physische Kraft einzusetzen liebt. Wenn sie ihre Stimme zukünftig mehr in künstlerische Zucht zu nehmen sich gewöhnt, werden ihr auch bei großen Aufgaben wohlverdiente Erfolge erblühen. Fräulein von Pessic sang die Partie der Prinzessin recht erfreulich und stellte jedenfalls in höherem Grade zufrieden als in anderen von dieser Sängerin gegebenen Rollen. Als Raoul konnte Herr Guszalewicz den zu stellenden Anforderungen in Vortrag und Spiel wohl genügen. Recht erfreuliche Leistungen boten Fräulein Saarmann (Page) und die Herren Riechmann (Marcel), Fricke (Nevers) und Pokorny (Saint Bris).
Das Residenz⸗Theater wird voraussichtlich am 27. August wieder eröffnet werden. Herr Director Lautenburg wird seine neuen Kräfte zuerst in einem bewährten älteren Stücke vorführen, und zwar in Alexandre Dumas' Schauspiel „Denise“.
In der am Donnerstag im Kroll'schen Theater statt⸗ findenden Aufführung von Gounod's „Margarethe“ mit Emil Götze als Faust und Fräulein Wiesner als Margarethe wird Fräulein Beuer die Marthe und Herr Riechmann den Mevphisto singen. Am Freitag tritt Signorina Prevosti zum ersten Male als „Lucia“ auf.
Im Adolph Ernst⸗Theater erweist sich die lustige Gesangs⸗ posse „Fräulein Feldwebel“ noch immer als zugkräftiges Repertoire⸗ stück, welches am Sonntag ein vollständig ausverkauftes Haus brachte.
Im Thomas⸗Theater haben die Proben des „Fritz Reuter⸗ Ensembles“ unter Leitung des Directors Junkermann bereits be⸗ gonnen: zunächst für „Onkel Bräsig“ und einen „Fritz Reuter⸗Abend“, der sich aus drei einactigen Stücken sowie Recitationen mit lebenden Bildern aus Fritz Reuter's Werken zusammensetzt. Der Billetverkauf zur ersten Vorstellung Sonnabend, 13. August) beginnt am Donners⸗ tag in den Stunden von 10 bis 1 ½ Uhr Vormittags an der Theater⸗ Kasse.
Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.)
Bei der heute angefangenen Ziehung der 2. Klasse Königlich preußischer Klassenlotterie fielen in Vormittags⸗Ziehung:
1 Gewinn von 15 000 ℳ auf Nr. 53 993.
1 Gewi n 1222
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