1892 / 199 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 24 Aug 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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Großbritannien und Irland. Die Königin besichtigte, wie die „Köln. Ztg.“ meldet,

am Freitag Abend die in Cowes Roads (Insel Wight)

liegenden Kriegsschiffe. Unter diesen befindet sich auch der

Kreuzer „Melampus“, der von dem Herzog von York

(Prinz George von Wales) befehligt wird. u Ehren Ihrer Majestät waren die Raagen, Wanten und Brüstungen der Schiffe bemannt. Später fand vor der Königin ein großer Zapfenstreich auf Schloß Osborne statt.

Der Premier Gladstone ist am Sonnabend nach Hawarden abgereist. Der neue Vice⸗König von Irland Lord Houghton hat sich gestern nach Dublin begeben.

Der neue Minister des Auswärtigen Earl of Rosebery hat am Sonnabend Nachmittag im Auswärtigen Amt seinen ersten amtlichen Empfang abgehalten. Die sämmtlichen Bot⸗

schafter, Gesandten und Geschäftsträger, die am Hofe von

St. James beglaubigt sind, hatten sich dazu eingefunden. Lord Rosebery empfing sie nach ihrer Rangordnung.

Der Posten eines Ministers für Landwirthschaft ist noch immer nicht besetzt.

Sir Lyon Playfair und Mr. Cyril Flower, zwei Liberale, sind zu Pairs ernannt worden. Sir Lyon Playfair ist ein bekannter Chemiker und früherer Professor an der Universität Edinburg, die er auch im Parlament vertrat; in der letzten Zeit war er Vertreter von Süd⸗Leeds. 1873 ist Sir Lyon Playfair auch einige Monate General⸗Postmeister ge⸗ wesen. Im letzten Gladstone'schen Ministerium be⸗ kleidete er den Posten eines Vice⸗Präsidenten im Erziehungs⸗ rath. Die Würde eines Königlichen Geheimen Raths besitzt er bereits. Der zweite neue Pair des Reichs, Cyril Flower hat sich als „Whipper“ um die Partei Verdienste erworben. Der wallisische Abgeordnete Osborne Morgan ist zum Baronet ernannt worden. Er ist einer der Hauptverfechter der Entstaatlichung der wallisischen Kirche; Morgan war zum General⸗Advocaten in dem neuen Ministerium ausersehen, hat aber dieses Amt abgelehnt.

In Newcastle, wo der neue irische Ober⸗Secretär John Morley um seine Wiederwahl candidirt, empfing dieser am Sonnabend eine Abordnung der dortigen Arbeiter⸗

i. Auf die Frage, ob er eine Achtstundenbill für Bergleute, wenn sie in der nächsten Tagung eingebracht würde, unterstützen würde oder nicht, antwortete Morley: Nein; weder aus ihren Argumenten, noch aus den Aussagen der Zeugen, welche vor der Arbeitscommission erschienen, könne er zu der Ueberzeugung gelangen, daß eine Achtstundenbill für Bergleute gut wäre. Hätten doch selbst die eigenen Ab⸗ geordneten der Bergleute im Parlament gegen die Bill ge⸗ stimmt. Er glaube, daß die große Mehrheit der englischen Arbeiter sich noch gar nicht klar über die Folgen eines olchen Gesetzes geworden sei. Zur Zeit sei seiner

si nach die Mehrzahl der Arbeiter nicht für die gesetzlichen Normalarbeitstages. Der irische Abgeordnete James O'Connor hat ein Schreiben an den neuen irischen Ober⸗Secretär gerichtet mit der Bitte, John Morley möge ehestens etwas für die ausgewiesenen Pächter thun. Einige hätten nicht das Nothwendigste. Geschähe nichts, so würde ihre Unzufriedenheit so groß werden, daß sie Entrüstungsversammlungen gegen ihre Führer und Gladstone halten würden. .

Frankreich.

Wie das „Echo de Paris“ von heute meldet, dürfte die amtliche Untersuchung betreffs der während der Manöver vor⸗ gekommenen Fälle von Sonnenstich zur Folge haben, daß zwei Brigade⸗Generale zur Disposition gestellt, ein Oberst in Inactivität versetzt wird und der Com⸗ mandeur des Armee⸗Corps einen Verweis erhält.

Die Hälfte der kürzlich gestohlenen Patronen für das Lebelgewehr (siehe Nr. 196 und 197 des „R.⸗ u. St.⸗A.“) ist auf einem Felde hinter dem Mont Valérien wieder auf⸗ gefunden worden.

Dem „Figaro“ zufolge soll im nächsten Semester im Lycée Buffon und im Collége Rollin ein Versuch mit der Einführung regelmäßiger Unterrichtsstunden i Russischen gemacht werden.

Rußland und Polen.

Der „Regierungsbote“ tritt auf das entschiedenste den Meldungen ausländischer Blätter über Grausamkeiten ent⸗ gegen, denen in Rußland die Juden ausgesetzt seien. Nament⸗ lich sei die Meldung der „Daily News“, daß die Juden aus Moskau und St. Petersburg gefesselt und zu Fuß in die ihnen zum Aufenthalt angewiesenen Orte abgeführt, ja sogar nach Sibirien transportirt würden, vollständig unbegründet. In Rußland würden nur Zwangssträflinge gefesselt, auch diese würden aber nicht zu Fuß transportirt. Der „Regierungsbote“ schließt mit der Erklärung: In Rußland würden gegen die Juden keine Grausamkeiten oder Gewaltthaten begangen, alle hierauf bezüglichen Zeitungsmeldungen seien rein erfunden.

Der Director des Mohilewschen Bezirks der

Wegecommunicationen und fünf höhere Beamte der

Verwaltung dieses Bezirks sind, wie dem „W. T. B.“ aus St. Petersburg gemeldet wird, des Dienstes enthoben worden und sollen für eine Reihe von Gesetzesverletzungen, deren sie ich zum Schaden der Krone schuldig gemacht haben, zur ge⸗ ichtlichen V 1

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ci stituirung des Bureaus für den Weltfriedens⸗Congreß in Bern wurde, der ,Frkf. Ztg.“ zufolge, vorgestern der Bundesrath Ruchonnet zum Präsi⸗ denten, Umitta zum General⸗Secretär gewählt; außerdem erhielt jedes auf dem Congreß vertretene Land einen Ehren⸗ Vice⸗Präsidenten: Deutschland Richter⸗Pforzheim; Oester⸗ reich, Frankreich und die Schweiz sind durch Damen vertreten, Oesterreich durch Baronin Suttner, Frank⸗ reich durch das mit dem Orden der Ehrenlegion ge⸗ schmückte Fräulein Toussaint, die Schweiz durch Frau Goegg. In der gestrigen Sitzung wurde nach langer Debatte der Beschluß gefaßt, eine mit den Rechten einer juristischen Person ausgestattete, von einer elfgliedrigen Com⸗ mission geleitete Gesellschaft in Bern zu gründen zur Be⸗ schaffung des Materials für die zu besprechenden Fragen und fen Ueberwachung der Arbeiten des Friedensbureaus. Die chweizer Section der internationalen Friedensliga beantragte, wegen der Mittel zur Erhaltung des Bureaus die Regierungen und sonstige zu Recht bestehende Behörden anzugehen. Dieser Antrag wurde angenommen. 1 1

Serbien.

Ueber die Persönlichkeiten der neuen serbischen

Minister wird der „Pol. Corresp.“ Folgendes mitgetheilt: Der Minister⸗Präsident Avakumovics hat schon zu wieder⸗ holten Malen Ministerportefeuilles bekleidet. Auch der Kriegs⸗ Minister, General Bogisevics war bereits früher einmal Minister. Der neue Minister für öffentliche Arbeiten, Pro⸗ fessor Alkovzics, der Cultus⸗ und Unterrichts⸗Minister, Pro⸗ fessor Boschkovics, der Minister des Innern, Advocat Ribaratz, der Justiz⸗Minister, Advocat Neliczkovics und der Bandels⸗ Mintsie⸗ Gvojdics haben noch keinem Cabinet an⸗ gehört. Professor Boschkovics dürfte als der hervorragendste Forscher auf dem Gebiet der serbischen Philologie bezeichnet werden. Handels⸗Minister Gvojdics, zuletzt Director der Uprava fondova, war früher Beamter im Ministerium des Aeußern und wurde sodann als Chef des Posten⸗ und Tele⸗ graphen⸗Departements in das Handels⸗Ministerium versetzt. Am letzten, zu Wien abgehaltenen Post⸗ und Telegraphen⸗ Congreß hat er als Vertreter Serbiens theilgenommen.

Die für die Regentschaft und das neue Cabinet beab⸗ sichtigten Ovationen sind im Interesse der Ruhe unter⸗ blieben. Die Mehrzahl der höheren Beamten, welche der radicalen Partei angehören, haben ihre Entlassung genommen. Die Abberufung einiger Vertreter Serbiens im Auslande gilt als bevorstehend.

Der Belgrader Ausschuß der radicalen Partei hat anläßlich des Cabinetswechsels zum 25. d. M. ein allge⸗ meines Meeting nach Belgrad einberufen.

Bulgarien. Der Prinz Ferdinand von Sachsen⸗Coburg ist gestern aus dem Kloster Rilo wieder in Sofia eingetroffen. Im Laufe des heutigen Tages begiebt sich der Prinz nach Philippopel. Dsehemel-⸗Bey ist, wie der „Pol. Corresp.“ aus Sofia gemeldet wird, zum türkischen Commissar für die Ausstellung in Philippopel ernannt worden.

Amerika.

Nach einer Meldung des „Reutersschen Bureaus“ aus Rio de Janeiro ist der ehemalige Präsident von Brasilien,

General Deodoro da Fonseca gestern Nachmittag gestorben.

Statistik und Volkswirthschaft.

Baumwollenweberei. 1e116.“

In der Baumwollenweberei hat, wie aus dem Reg.⸗Bez. Osna⸗ brück geschrieben wird, namentlich in Betreff der Stapelartikel eine nicht unerhebliche Besserung Platz gegriffen. Die meisten Webereien sollen in der Hauptsache ihre Production bis zum Jahresschluß ver⸗ kauft haben; es sollen sogar Abschlüsse für das erste Vierteljahr 1893 mehrfach vorgekommen sein. Die Preise haben sich wenigstens soweit erholt, daß sie bei entsprechend eingerichteten und gut geleiteten Webereien die Selbstkosten decken.

8 Zur Arbeiterbewegung.

Zum zweiten internationalen Buchdruckercongreß, der am 25. August in Bern zusammentritt, macht der „Hamb. Corr.“ die Bemerkung, daß die Stimmung in den deutschen Buchdruckerkreisen eine recht „abgeschwächte“ sei; man glaube zunächst, daß einem internationalen Verbande nicht nur von der deutschen, sondern auch von der österreichischen Regierung sehr schnell der Garaus gemacht werden würde. Für eine internationale Verbandskasse ist ebenfalls nicht die geringste Stimmung vorhanden, vorläufig will man sich auf die Schaffung eines „geistigen Bandes“ beschränken.

Eine spärlich besuchte Versammlung der Schneidergesellen in Leipzig beschäftigte sich der „Lpz. Ztg.“ zufolge am Montag mit dem demnächst in Magdeburg stattfindenden Congreß der Schneider, für den man einen Vertreter wählte. Die Besprechung der Tagesordnung des Congresses blieb resultatlos. Eine Versammlung der Zimmerer⸗Gehilfen hörte am Montag den Vortrag des Vorsitzenden der Central⸗Kranken⸗ und Sterbekasse der Zimmerer in Hamburg über das Thema „Die Krankenkassengesetz⸗ Novelle und das Fortbestehen der freien Hilfskassen“. In der Debatte wurde die überhastete Auflösung der Leipziger Zimmerer⸗ gesellen⸗Krankenkasse namentlich deshalb heftig getadelt, weil der Vorstand den Anschluß an eine andere Kasse verabsäumt habe und nun den in höherem Lebensalter stehenden Mitgliedern der Eintritt in eine andere Kasse sehr erschwert worden wäre. Auch die Art und Weise der Liquidation wurde wegen angeblich vorgekommener Form⸗ fehler und sonstiger Unregelmäßigkeiten bemängelt und die Anfechtung der ganzen Auflosung in Aussicht gestellt. 3

Die Stettiner Zimmergesellen wenden sich in einem vom „Vorwärts“ veröffentlichten Aufruf an die Arbeiter Deutschlands FenAhtn bei ihrem „Abwehrstrike“. (Vgl. Nr. 194 u. flg. d. Bl.)

Hier in Berlin sind, wie in demselben Blatt mitgetheilt wird, die Bleiglaser seit dem 22. d. M. in eine Lohnbewegung ein⸗ getreten und bei der Firma Spinn u. Co. ist eine Streitigkeit zwischen den Gehilfen und Arbeitgebern ausgebrochen, die zur Arbeits⸗ einstellung sämmtlicher Blei⸗ und Bauglaser führte.

EFin Pariser Telegramm des „Wolff'schen Bureaus“ berichtet aus Lens, daß es zwischen französischen und belgischen Arbeitern auf den in der Nähe gelegenen Gruben zu wiederholten thätlichen Zusammenstößen gekommen ist und daß deshalb die Gendarmerie daselbst verstärkt wurde. Ein Pariser Telegramm des „H. T. B.“ meldet aus Carmeaux vom heutigen Tage, daß dort der Ausstand weiter fort⸗ dauert. Am Sonntag soll eine Versammlung der Syndicats⸗ kammern stattfinden und dann der allgemeine Ausstand proclamirt werden. In der vergangenen Nacht haben die Strikenden an dem Eingang zu den Schächten Wache gehalten, um das Einfahren der zur Arbeit Gekommenen zu verhindern.

Aunus Pest meldet ein Wolff'sches Telegramm, daß die dortigen Omnibuskutscher beschlossen haben, heute einen Ausstand zu beginnen.

Ueber 50 60 000 Londoner Schneidergesellen haben, wie die Londoner „Allg. Corr.“ mittheilt, die Meister am Montag eine Arbeitssperre verhängt, die sich auch auf Manchester, Liver⸗ pool, Aberdeen, Edinburg, Bradford und andere Städte erstreckt. Es handelt sich namentlich um die Gesellen, die zu Hause arbeiten und Wochenlöhne bekommen.

Aus Pittsburg meldet die Londoner „Allg. Corr.“ vom 22. d. M.: Die strikenden Eisenarbeiter verlassen in Schaaren die Stadt und suchen anderswo Arbeit zu bekommen. Das Militär wird wahrscheinlich am 1. September abrücken.

Kunst und Wissenschaft.

Die von derReichsregierung veranlaßte Untersuchung des römi⸗ schen Grenzwalls (Limes) hat, wie in den anderen betheiligten Staaten, nun auch in Baden begonnen. Wie die „Karlsr. Ztg.“ berichtet, wurde bereits in der Gegend von Walldürn, welche

Herrn Kreisrichter a. D. Conrady in Miltenberg als Strecken⸗ Commifsär zugetheilt ist, ein kleines römisches befestigtes Lager bloßgelegt und untersucht. Nunmehr geht auch der für den badischen Antheil bestimmte Strecken⸗Commissar Herr Dr. Schumacher, Directorial⸗Assistent an den Großh. Samm⸗ lungen, ans Werk. Es liegt ihm als Arbeit für das laufende Jahr ob, die Castelle von Osterburken am eigentlichen Limes und vor Neckarburken an der weiter westlich parallel verlaufenden Linie von Befestigungen, der über Schlossau in's Hessische ziehenden sogenannten Mümlinglinie, sammt ihrer Umgebung zu studiren. In Osterburken handelt es sich mehr um Ergänzungen der schon früher, u. a. vom Mannheimer Alterthumsverein vorgenommenen Unter⸗ suchungen, in Neckarburken ist erst noch genauer die Stelle aufzufinden, auf welcher das Castell gestanden hat.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Ueber den Stand der Saaten im Regierungsbezirk Osnabrück wird uns von dort geschrieben:

Trotz der zum theil wenig günstigen Witterung sind die früher gehegten Hoffnungen auf eine gute Ernte im wesentlichen erfüllt, zum theil übertroffen worden. Die weitaus am meisten gebaute Körner⸗ frucht, der Roggen, hatte eine frühe und gute Blüthezeit, sodaß der Nachtfrost im Juni zumeist nicht mehr schaden konnte. Der Ertrag in Stroh und Körner geht nach den derzeitigen Erfah⸗ rungen zum theil erheblich bis zu 20 % über eine Mittelernte hinaus. Die Beschaffenheit des Korns soll über Erwarten gut sein. Auch der Stand des nur vereinzelt gebauten Weizens verspricht eine gute Mittelernte. Hafer und Gerste sind durch die kalte Frühjahrs⸗ witterung und die anhaltende Trockenheit im Wachsthum zurück⸗ geblieben. Dagegen zeigen die Kartoffeln, die an manchen Orten unter dem Junifrost sta gelitten hatten, im allgemeinen einen günstigen Stand und lassen einen guten Ertrag erwarten. Der Buchweizen, welcher überall vorzüglich stand, ist durch den Junifrost am meisten geschädigt worden, doch ist die Wirkung keineswegs allgemein gewesen. Vielfach war die Saat an dem entscheidenden Tage noch nicht aufgegangen und hat daher z. B. in den Mooren im nördlichen Theil des Kreises Aschendorf nicht ge⸗ litten. Da, wo er früher gesät und deshalb vom Frost betroffen war, ist er großentheils nachgesät und gut aufgegangen, sodaß auch von dieser Frucht eine leidliche, stellenweise gute Ernte erwartet werden darf, wenn nicht frühe Nachtfröste eintreten.

Weinernte⸗Aussichten. Caub, 20. August. Die Hitze war nach dem „Rh. Cour.“ em 17. und 18. d. M. so groß, daß in manchen Weinbergen Trauben, welche frei hingen, geradezu verbrannt sind. Diese Trauben sehen aus, als wären sie auf dem Ofen gebraten. Im übrigen schreitet die Entwicklung der Trauben in gewünschter Weise fort. Ein ordent⸗ licher Regen wäre aber doch jetzt sehr nothwendig.

Rüdesheim, 21. August. Infolge der großen Hitze sind dem „Rh. Cour.“ zufolge viele Trauben, da sie noch nicht in Saft varen, welk geworden und verdorren jetzt. Der Schaden ist bedeutend, am meisten sind davon die Weinberge mit Lehmboden be⸗ troffen; bei manchen rechnet man den Verlust auf ein Fünftel des

Stuttgart, 19. August. Ueber den Einfluß der Hitze auf den Weinstock hört man dem „Schw. Merk.“ zufolge leider nur schlimme Nachrichten. Die Trauben fangen an zu braten und einzu⸗ schrumpfen, weil es an Saft, an Regen fehlt.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Spanien. g3ufolge einer in der „Gaceta de Madrid“ vom 16. August 1892 veröffentlichten Verordnung des Königlich spanischen General⸗Directors für das Gesundheitswesen sind gegen Provenienzen aus dem Finländer Meerbusen Quarantäne⸗Maßregeln angeordnet worden. 1 Norwegen. urch Verordnung des Königlich norwegischen Justiz⸗ und i⸗Departements vom 16. August 1892 sind sämmtliche Häfen ßland und von Finland als von Cholera verseucht erklärt

Egypten. internationale Quarantänerath zu Alexandrien hat am t 1892 beschlossen, die gegen die Ankünfte von Bassorah an⸗ dneten Pestguarantänemaßregeln aufzuheben.

I. „Reichs⸗Anzeiger“ Nr. 142 vom 18. Juni 1892.)

Gesundheitsstand in Berlin blieb auch in der Woche 8 13. August ein günstiger und die Sterblichkeit eine mäßig (von je 1000 Einwohnern starben, aufs Jahr berechnet, 21,1), ine nur wenig höhere als in der vorhergegangenen Woche. Infolge er wärmeren Temperatur der Luft kamen acute Darmkrank⸗ eiten, besonders Brechdurchfälle in gegen die Vor⸗ voche gesteigerter Zahl zum Vorschein und führten in 231 Fällen gen 199 der Vorwoche) zum Tode. Sehr viele dieser Todesfälle fielen auf den Wedding und auf die Oranienburger Vorstadt, während us der Friedrichstadt und dem östlichen Theile von Moabit nur ver⸗ einzelte Sterbefälle gemeldet wurden. Die Theilnahme des Säuglings⸗ alters an der Sterblichkeit war eine etwas größere als in der Vor⸗ woche; von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 107 Säuglinge. Acute Entzündungen der Athmungsorgane kamen dagegen seltener zum Vorschein und nahmen auch meist einen milden Verlauf. Das Vorkommen der Infections⸗ krankheiten blieb meist ein beschränktes. Erkrankungen an Masern, Scharlach und Unterleibstyphus kamen wenige zur Anzeige; auch Erkrankungen an Diphtherie, die sich nur in der Rosenthaler Vorstadt etwas häufiger zeigten, wurden weniger ge⸗ meldet. Dagegen kamen Erkrankungen an Kindbettfieber mehr (6) zur Kenntniß, und rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut gelangten in ansehnlich gesteigerter Zahl zur ärztlichen Be⸗ handlung. Erkrankungen an Keuchhusten waren nicht selten, nahmen aber überwiegend einen milden Verlauf. Rheumatische Be⸗ schwerden aller Art zeigten in ihrem Vorkommen keine wesentliche Veränderung im Vergleich zur Vorwoche.

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Hamburg, 24. August. Der „Hamb. Corr.“ von gestern Aben meldet: Am Montag kamen 126 Erkrankungsfälle vor, von denen viele einen tödtlichen Ausgang nahmen. Bei mehreren der Erkrankten sind nunmehr Symptome der Cholera asiatica festgestellt worden. Zur Localisirung der Krank⸗ heit auf die am stärksten betroffenen Theile der Altstadt und für möglichst schnelle Hilfeleistung werden fortgesetzt von der Polizei

und der Medizinalbehörde die energischsten Maßregeln getroffen. Auch gestern ist die Zahl der Meldungen von neuen Erkrankungen wieder sehr groß, wenn auch nicht so umfangreich wie gestern. Ueber die Zahl der Fälle war noch nichts Authentisches festzustellen. Das „Wolff sche Bureau“ berichtet unter dem heutigen Datum: Amt⸗ liche Mittheilungen über die Zahl der in den letzten Tagen hier vor⸗ gekommenen. Erkrankungen und Todesfälle sind noch nicht erfolgt. Die aus privaten Quellen herrührenden Zahlenangaben der Zeitungen weichen stark von einander ab. Die Er⸗ krankten werden durch Krankenwagen sofort in eine besondere Abtheilung des Krankenhauses übergeführt. Die Gestorbenen werden sofort in die Leichenhallen gebracht, die betreffenden Wohnungen werden desinficirt. Während des Transports der Kranken und der Leichen durch die Straßen werden die Häuser abgesperrt. Gestern Abend trat ein Gewitterregen ein, durch den die Temperatur merklich abgekühlt wurde.

London, 24. August. Der „Standard“ betont die Noth⸗ wendigkeit, gegenüber der möglichen Weiterverbreitung der Choler

durch die aus Rußland über Hamburg kommenden Auswanderer,

geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

von 801 178 Fl. auf. Bei der Centrale betrugen die Erträg

Paris, 24. August. Die Doctoren Brouardel und Proust er⸗ klären, daß die in Hapre aufgetretene choleraartige Epidemie dieselbe sei, wie die in der Umgegend von Paris herrschende, und vor⸗ aussichtlich nicht weiter um sich greifen werde. Die meisten Kranken seien bereits wiederhergestellt. Aus Rouen werden zwei neue Fälle von choleraartiger Erkrankung gemeldet.

St. Petersburg, 23. August. Nach amtlicher Mittheilung sind hier von gestern Mittag bis heute Mittag 95 Cholera⸗ Erkrankungen und 33 Todesfälle vorgekommen.

Bern, 23. August. Der Bundesrath hat, wie „W. T. B.“ meldet, wegen der Choleragefahr die Ein⸗ und Durchfuhr vo aus Rußland und Frankreich stammenden Hadern, Lumpen, alten Kleidern, gebrauchtem Bettzeug, gebrauchter Leib⸗ und Bettwäsche, mit Ausnahme des Gepäcks von Reisenden, verboten.

Brüssel, 23. August. Eine seitens der Regierung angestellte Untersuchung hat, dem „W. T. B.“ zufolge, ergeben, daß in Belgien kein einziger Fall von epidemischer Cholera vorgekommen sei. Bei den aus Antwerpen und Jumet gemeldeten Erkrankungen handle es sich um Cholera nostras.

Kopenhagen, 23. August. Anläßlich der Cholerage heute gegen Herkünfte aus den französischen § atlantischen Meeres sowie des Kanals Maßregeln’ ergriffen worden. Die Einfuhr von Lumpen, gebrauchten Kleidern, Watte, Kratzwolle und Papierabfällen wurde verboten. Eine Quarantäne ist noch nicht

angeordnet worden.

Handel und Gewerbe. Durch ein am 14. d. M. in Kraft getretenes Gesetz wer⸗

den die griechischen Einfuhrzölle in

1) Klasse 20 a. „Sonstige Getreidearten in Körnern“ für

den Generaltarif auf 2,21 Dr. für den Vertragstarif auf

. 2) Klasse 21 a. „Mehle aus Weizen mit oder ohne Kleie“

für den Generaltarif auf 5,26 Dr., für den Vertragstarif auf

„Mehle aus anderen Getreidearten“ für auf 3,86 Dr., für den Vertragstarif auf

2,10 Dr. erhöht.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Kok an der Ruhr und in O ien. An der Ruhr sind am 23. d. M. 9883, nicht rechtzeitig

gestellt keine Wagen.

In Oberschlesien sind am 22. d. M. gestellt 4065, nicht

rechtzeitig gestellt keine Wagen.

1 „Zwangs⸗Versteigerungen. 1“ Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin stand am

23. August das Grundstück des Maurermeisters Carl Karius, in 8 7 8 8 5 A. 5 8 p der Neuen Hochstraße 6 belegen, zur Versteigerung. Nutzungswerth

16 212 ℳ; Mindestgebot 1800 ℳ; für das Meistgebot von

292 300 wurde der Vorschußverein Lichtenberg⸗

Friedrichsberg, eingetr. Genossenschaft mit unbeschränkter Haft⸗

pflicht zu Friedrichsberg, Ersteher.

Die Bikanz der Ungarischen Creditbank für das erste Semester des laufenden Geschäftsjahres weist ein Gesammtreinertra niß isse

720 422, die Lasten 105 540, somit das Reinerträgniß 614 882. Die

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Erträgnisse der Bank⸗ und Waarenabtheilung betrugen 571 251, ihre Lasten 322 856, das Erträgniß somit 248 395, davo gingen 25 %, d. h. 62 098 Fl. für die Qesterreichische Credit⸗ anstalt ab, sodaß ein Reinerträgniß von 186 296 Fl. verbleibt. Das Gesammt⸗Reinerträgniß des ersten Semesters des laufenden Geschäfts⸗ jahres stellt sich demnach auf 801 178 Fl. Die Gewinne aus den

Consortialgeschäften sind hierbei insoweit berücksichtigt, als dieselben

am 30. Juni vollständig abgerechnet waren.

Die Brutto⸗Einnahmen der Orientbahnen betrugen in

der 31. Woche (vom 29. Juli bis 4. August) 265 981,04 Fr., Zunahme

gegen das Vorjahr 35 407,65 Fr., seit Beginn des Betriebsjahres vpom 1. Januar bis 4. August 1892 betrugen die Brutto⸗Einnahmen

8

Zunahme gegen das Vorjahr 635 088,69 Fr. 3. August. W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ lata. Grundmuster B. per August 3,77 ½ ℳ, per 0 ℳ, per Oktober 3,80 ℳ, per November 3,80 ℳ,

per Dezember 3,85 ℳ, per Januar 3,85 ℳ, per Februar 3, per März 3,87 ¼ ℳ, per April 3,87 ½ ℳ, per Mai 3,90 ℳ, p. 3,92 ½ ℳ, per Juli 3,92 ½ %ℳ Umsatz 70 000 kg.

Verdingungen im Auslande. 11“ Niederlande. .“ 31. August. Secretarie der Halstersche Landbouw-Ver- eeniging zu Halsteren (Provinz Nordbrabant): Lieferung von S 3. 8

60 000 kg Superphosphat. Auskunft an Ort und Stelle.

Verkehrs⸗Anstalten.

ntag, den 28. August, kommt ein Sonderzug zu

mnr 214 g

und Dessau zur Beförderung. Er fährt 6,20 Vorm.

ermäßigten Fahrpreisen von Berlin nach Coswig i. Anh. (Park von

Wörlitz)

vom Bahnbof am Askanischen Platz ab und trifft in Coswig 9,10, in Dessau 9,41 Vorm. ein. Die Rückfahrt ist am 28. August d. J. nur mit dem Sonderzuge 10,0 Abends aus Dessau, 10,38 80 be 7 1

aus Coswig, 1,17 Nachts in Berlin, zulässig; dieselbe kann aber auch erst am 29. August d. J. mit sämmtlichen Personenzügen angetreten werden.

Der letzte am 29. zur Benutzung mit Sonderzugfahrkarten gültige dersonenzug von Dessau, welcher in Wittenberg Anschluß nach Berlin hat, fährt von Dessau 6,06 Nachm., von Coswig 6,40 Nachm., ab. Die Benutzung von Schnellzügen ist auch nicht gegen Nachlösung von Zuschlagkarten gestattet. Freigepäck wird nicht gewährt. Fahrkarten

iu 5 für die II. und 3 für die III. Klasse, für Hin⸗ und

Rückfahrt gültig, werden am Sonntag früh von den Bahnhofs⸗ Fahrkarten⸗Ausgabestellen hier, Askanischer Platz, und in Gr. Lichter⸗ 5 7 . g g : 5 8 . 8

felde, sowie auch schon vorher im Bureau des Inrvalidendank,

Markgrafenstraße 51 a, verausgabt.

Bremen, 23. August. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Aller“ ist am 20. August Morgens von

New⸗York via Southampton nach der Weser abgegangen. Der Schnelldampfer „Kaiser Wilhelm II.“, am 13. August von New⸗York abgegangen, ist am 21. August 9 ½ Uhr Abends in

Southampton angekommen, hat 11 ½ ÜUhr Abends die Reise nach Bremen fortgesetzt und am 22. August Morgens Dover passirt. Derselbe überbringt 267 Passagiere und volle Ladung. Der Schnelldampfer „Saale“ hat am 21. August Nachmittags die Reise von Southampton nach New⸗Pork fort⸗ gesetzt. Der Reichs⸗Postdampfer „Sachsen“, von Ost⸗Asien kommend, ist am 20. August Nachmittags in Suez und am 21. August Vormittags in Port Said angekommen und hat nach Uebergabe der asiatischen Post an den nach Brindisi bestimmten Reichs⸗Post⸗ dampfer „Danzig“ die Reise nach Genua fortgesetzt. Der Reichs⸗Postdampfer „Stettin“ ist am 20. August mit der australischen Post vom Reichs⸗Postdampfer „Hohenstaufen“ von Port Said in Brindisi angekommen. Der Reichs⸗ Postdampfer „Neckar“ hat am 21. August Mittags die Reise von Southampton nach Genua fortgesetzt. Der Postdampfer Baltimore“ hat am 22. August Morgens die Reise von Lissabon nach Brasilien fortgesetzt. Der Postdampfer „Weimar“, von Bal⸗ timore kommend, hat am 21. August Nachmittags St. Catherines oint passirt. Der Schnelldampfer „Werra“, am 10. August Genua und am 12. August von Gibraltar abgegangen,

st am 21. August Morgens in New⸗York angekommen. Der Reichs⸗ Postdampfer „Danzig“ ist am 21. August

Nachmittags mit der ocbstasiatischen Post vom Reichs⸗ Postdampfer „Sachsen“ von Port Said nach Brindisi abgegangen. Der Reichs⸗Postdampfer „Hohenzollern“ hat am 22. August Vormittags die Reise von Suez nach Aden fortgesetzt. Der Post⸗ dampfer „Ohio“, am 25. Juli von Bremen abgegangen, ist am 21. August Vormittags in Bahia angekommen. Der Pestdampfer „Hannover“, vom La Plata kommend, hat am 22. August Nach⸗ mittags Dover passirt. Der Reichs⸗Postdampfer „Braunschweig“, am 6. Juli von Bremen abgegangen, ist am 22. August Vormittags in Adelaide angekommen.

24. August. (W. T. B.) Der Postdampfer „Graf Bis⸗ marck“ hat am 23. August Nachm. die Reise von Lissabon nach Antwerpen fortgesetzt. Der Postdampfer „Hannover“, vom Plata kommend, ist am 23. August 9 Uhr Vorm. in Antwerpen angekommen. Der Postdampfer „Dresden“, am 11. August von Bremen abgegangen, ist am 23. August Morgens in New⸗York an⸗ gekommen. Der Schnelldampfer „Spree“, von New⸗York kommend,

at am 23. August Nachm. Scilly passirt. Der Schnelldampfer „Kaiser Wilhelm II.“, von New⸗York kommend, ist am 22. August Abends auf der Weser angekommen. Der Postdampfer„ Weimax“, von Baltimore kommend, ist am 23. August Morgens auf der Weser angekommen.

Hamburg, 23. August. (W. T. B.) Hamburg⸗Ameri⸗ kanische Packetfahrt⸗Actiengesellschaft. Der Postdampfer „Virginia“ ist, von New⸗York kommend, heute Morgen auf der Elbe eingetroffen.—

London, 23. August. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer Courland ist am Sonntag auf der Ausreise in Durban (Natal) ngekommen.

Der Union⸗Dampfer „Nubian“ ist auf der Ausreise in

Southampton, der Union⸗Dampfer „Spartan“ heute auf der Ausreise in Capetown angekommen.

Theater und Mufik.

Shakespeare's isches Sch iel „Cymbelin“, welches Ende Mai unter dem Titel „Jmogen“ in den Spielplan des Königlichen Schauspielhauses wieder aufgenommen wurde, gehört zu der Zahl der Dramen des großen Briten, die man seit langen Jahren nicht mehr auf der Bühne erscheinen sah, da man ihnen eine große Eindrucksfähigkeit auf die Geistes⸗ und Sinnes⸗ richtung des gegenwärtigen Publikums nicht zutraute. Der gute Erfolg, den das Phantasiespiel „Der Sturm“ erzielte, das ebenfalls lange Zeit brach gelegen hat, durfte aber zu neuen Versuchen anregen. Die liebliche Gestalt der Jmogen wurde von neuem lebendig auf die Bühne gestellt: Imogen, die zu den an⸗ muthigsten, duftumflossenen Frauengebilden Shakespeare’s zählt, eine süßduftende Blüthe im überreichen Kranz der keuschen, treuen und edel gebildeten Frauen. Man mochte ihr nicht eine so prächtige Aus⸗ stattung auf die Bühne mitgeben, wie dem „Sturm“, sie erschien in schlichter, fast rauher Umgebung, in den nebelumflossenen, dichten Wäldern, den felsigen Einöden Britanniens, in die der Römer eben seine Ein⸗ fälle wagte. Der kühle Märchenduft des Nordens lagerte über der Scenerie, nicht die üppige schwellende, strahlende Gluth exotischer Blüthen und Gelände, die den „Sturm“ zu einem glänzenden, blendenden Bilde gestaltet. Die eigentliche Wirkung sollte von der Dichtung selbst ausgehen; Shakespeare hat in ihr einen reichen Märchenstoff zusammengetragen, der uns Allen aus den Kindertagen bekannt ist. Da ist die böse Stiefmutter, die Gift braut für den ungeliebten Gatten, die liebliche Stieftochter und der kurze Todesschlaf IJmogen's in der Höhle ihrer unbekannten Brüder, da sind die früh geraubten und später glücklich wiedergefundenen Königskinder; dazu mischt Shakespeare die alte ⸗„S von dem in der Kiste versteckten jungen Römer, der sich hier in das Schlafgemach Imogen’s tragen läßt, um dem verbannten Gemahl der keuschen Frau falsche Zeichen der Untreue bringen zu können. Es sind so viele romantische Fäden verschlungen und zusammen ver⸗ sponnen, daß die Aufmerksamkeit der Zuschauer oft an Spannkraft einbüßt. was sie an Allgemeinheit, an Breite gewinnt. Ein loses Band scheint alle diese vielen Bilder, die an unserem Auge vorüber⸗ ziehen, zusammenzuhalten, die sich im letzten Aufzuge erst in allgemeine Harmonie, in eine schöne Friedenshymne auflösen. Eine starke Empfindung weckten bei der gestrigen Wiederholung nur wenige Scenen, so das fröhliche Gelage in Rom, als der listige, tolle Jachimo den verbannten Leonatus zur Wette auf die Tugend seiner Gattin zwingt, dann die Scene im Schlafgemach Imogen's un esonders im vierten Act die Vorgänge vor der Höhle des Belarius. Die in Felle gekleideten,

s fröhliche Wildlinge aufgewachsenen Königskinder strömen förmlich

raft und Jugendmuth aus, und wie rührend wirkt ihre rauhe Zärt⸗

keit der unbekannten, in Knabenkleidern steckenden Schwester gegen⸗

wie gewinnt der ungeschulte Ausdruck der Naturkinder an

it, als sie der in vorübergehenden Todesschlummer versenkten Imogen das Grablied der Mutter singen!

Was die Darstellung anbetrifft, so kann nur Rühmliches gesagt werden. Fr Lindner als Imogen war ganz weibliche Anmuth, keusche Liebe und Hingebung, die in stolzer Entrüstung aufflammen kann, wenn ein böser Mund auch nur den Namen ihres Geliebten berührt; es war eine milde Frauengestalt, mit klaren, reinen Zügen, aber ohne jede Weichlichkeit. Dem verbannten Gemahl Imogen’'s, Leonatus, ver⸗ lieh Herr Ludwig edle Männlichkeit; der Zuhörer merkt aber in den Momenten leidenschaftlichen Affekts, wie im Monolog nach der falschen Nachricht von Imogen's Untreue, die Grenzen, die dem Organ des Künstlers gezogen sind. Den schlauen, tollen Italiener spielte Herr Matkowsky; er gab der Gestalt trotz ihres gewissenlosen Leichtsinns warme menschliche Züge; der trunkene Uebermuth des leichtfertigen römischen Frauenverächters verschwindet zwar auf Minuten beim An⸗ lick der keuschen Hoheit Imogen's; aber wie die Dreistigkeit Ja⸗ chimo's sich gegen den bezwingenden Eindruck der Holden wehrt und ihn zwischen Reue und Trotz zu Listen und Ränken anstachelt, das zeichnete der Künstler kraftvoll und überzeugend; man fühlt sich bei seinen Leistungen stets von dem Odem eines lebendigen, in voller Eigenart stark ausgebildeten Menschen um⸗ weht. Die beiden wie Urmenschen in grüner Einöde aufge⸗ wachsenen Königskinder wurden von den Herren Purschian und Hertzer derb und wirkungsvoll gegeben; ihr rauhes Lachen, ihre kindliche Zärtlichkeit, ihre unverfälschte Lebenskraft, die sich freut über den blutigen Sieg über einen Gegner, ihr auf⸗ richtiger und doch mit naiver Einfalt getragener Schmerz über einen geliebten Todten wirkten wie frischer Erdhauch. Das humoristische Element, an dem diese wilden Brüder auch ihr Theil hatten, wurde vorzugsweise von Herrn Grube getragen, der die Rolle des mit allen Nachtheilen des Geistes behafteten rechten Sohnes der Königin Stiefmutter, des Cloten, übernommen hatte. Der stoßenden, beinahe stotternden Redeweise war eine stark komische Wirkung eigen, die durch die Selbstgefälligkeit des Auftretens noch erhöht wurde; Bosheit und Beschränktheit lagerten als charakteristische Merkmale über der Gestalt, sprachen aus den täppischen Bewegungen, klangen aus dem bramarbasiren⸗ den Tone. Die Herren Nesper (Cymbelin) und Kahle (Belarius) ergänzten das treffliche Ensemble. Die Beifallsbezeugungen der Zu⸗ schauer erhoben sich eigentlich nur nach dem Schlußact zu besonderer Wärme; zumeist wurde die Vorstellung mit zwar sichtlichem, aber ruhigem Wohlgefallen begleitet.

Oskar Blumenthal's Schauspiel „Ein Tropfen Gift“ wird nun auch in das Repertoire des Lessing⸗Theaters übergehen und als nächste Neu⸗Aufführung dieser Bühne vorbereitet: Die Darstellung des Werkes wird dadurch ein esteigertes Interesse gewinnen, daß Herr Emanuel Reicher als Freiherr Lothar von Mettenborn, sowie Herr Eugen Pansa in der Rolle des Baron Brendel ihr Wirken im Lessing⸗Theater beginnen werden.

Signor dAndrade ist hier eingetroffen und hat mit der Direction des Kroll'schen Theaters ein kurzes Gastspiel ver⸗ einbart, dessen Beginn noch näheren Bestimmungen überlassen bleibt.

Mannigfaltiges.

8272 Am heutigen Vormittag machte die Verwaltung des „Theaters Unter den Linden“ die Vertreter der Presse und einen kleinen Kreis geladener Gäste mit den neu erbauten Räumen des der heiteren Muse gewidmeten Kunstinstituts bekannt. Das monumentale Gebäude macht, von dem Haupteingange in der Behrenstraße aus betrachtet, mehr einen palastähnlichen Eindruck als den eines Theater⸗ hauses. Von einem schmalen Vestibule aus gelangt man über eine später zweigliedrige Freitreppe in die Balcon⸗ räume und die des ersten Ranges, während man zu ebener Erde unmittelbar ins Parquet und damit in den weiten, hohen, prächtigen Theater⸗Hauptraum gelangt. Der Theaterraum, dessen Schmuck in vornehmstem Rococo⸗Geschmack gehalten ist, macht einen großartigen Eindruck, überall hell, freundlich, frisch, har⸗ monisch; das farbige Bild einfach, fast nur bei hellem Grunde in goldigen Linien gehalten, und doch formenreich und nicht eintönig; vorn abgeschlossen durch einen in satten, dunkeln Farben gebaltenen Teppich, der den eisernen, den Bühnenraum abschließenden Vorhang verdeckt. Hebt sich dieser Vorhang, so erblickt der Beschauer auf dem Hauptvorhang ein farbenreiches Gemälde im Watteau⸗Geschmack, das einen poetischen Zauber ausstrahlt, der allerdings dem Gegenstande der Darstellung eigen ist; soll diese uns doch an den Hof des jungen, hochsinnigen Kronprinzen Friedrich, des nachmaligen großen Königs, nach Rheinsberg versetzen. Einen fast nicht weniger erfreulichen An⸗ blick gewährt das vom Maler Veit herrührende Plafondgemälde, das den Einzug der heiteren Künste durch das Brandenburger Thor dar⸗ stellen soll. Aber nicht nur die Haupträume, jondern auch alle Nebenräume sind künstlerisch eindrucksvoll und anheimelnd ausgestattet; wie der Theatersaal, die Logen und die Ränge, sind auch die Pro⸗ menaden, das weite nach der Behrenstraße zu gelegene Foyer und die Restaurationsräume verschwenderisch und mit feinem Geschmack decorirt; den Boden bedecken dicke Teppiche, von den Wäanden reflectiren kostbare Spiegel die Lichtfülle und das Leben und Treiben im Hause; denn das ganze Gebäude ist einheitlich auf seinen Zweck abgestimmt, und an welcher Stelle des vielgestaltigen Raumes man sich auch befindet, man verliert nie den Gedanken an die Zusammengehörigkeit des Ganzen. Von Einzel⸗ heiten wäre wohl noch erwähnenswerth, daß für den Allerhöchsten Hof eine ausnehmend kostbar ausgestattete Loge, die eine besondere Zu⸗ fahrt und einen besonderen Eingang besitzt, vorgesehen ist; die Zahl der räumlich bequemen Plätze in Parquet beträgt 800; auf dem Balcon und im ersten Rang befinden sich zahlreiche abgesonderte Logen; ein mächtiger Kronleuchter in Goldbronze hängt in die Mitte des Theaterraums herab, während an den Wäanden zahl⸗ reiche Armleuchter natürlich überall elektrisches Licht die Be⸗ leuchtung vervollständigen. Als heute früh die Gäste der Ver⸗ waltung den Theaterraum betraten, wurden sie von den Klängen eines ausgezeichneten Orchesters begrüßt, das auch später in einigen classischen und modernen Pieécen, die es vortrug, Zeugniß von der tüchtigen künstlerischen Leitung des Kapellmeisters, Herrn Ferron, gab. Herr Director Ronacher begrüßte die an⸗ wesenden Gäste in einer kurzen Ansprache, und wenn die später dar⸗ zubietenden Kunstgaben dem Eindruck entsprechen, den das prachtvolle Theatergebäude auf den Besucher macht, wird es dem Institut sicher⸗ lich auch nicht an dem nöthigen materiellen Erfolge fehlen.

Ueber die bis 21. d. M. wird der „Schles. Ztg.“ a as Thermometer dort am 13. auf 26,50 C., am 14. auf 30, am 15. auf 32,20 C., am 17. auf 33,80 C. und am 19. auf? stieg. Es ist dies der höchste Thermometerstand, der je in 6 beobachtet worden ist. Im Rhonethal zeigt das Thermometer dem Berner „Bund“ zufolge in den Höhenkurorten in den letzten Tagen 32 ° C. im Schatten. In Sitten waren am 18. d. M. Nachmittags in der Sonne 55 ° C. und Abends 8 Uhr noch 280° C. Die große Hitze und der unablässig stürmende Föhn haben einen sehr hohen Wasserstand der Rhone und ihrer Nebenflüsse herbeigeführt. In London lte die Temperatur vom 18. bis zum 22. d. M. in auffallender Während am erstgenannten Tage das Thermometer 31,6° C. ging es nach einem starken Gewitter auf 17° C. zurück und am 20. wieder 27,50 C. ⸗Am 21. überstieg die Hitze nicht 2°0 C. und am 22. sank das Thermometer auf 13,10 C.

Mit dem Wiederbeginn der Vorstellungen im Königlichen Opern⸗ hause sind auch die telephonischen Musikübertragungen in der Urania wieder aufgenommen worden. Wenn man sicc nicht vor der kleinen Unbeguemlichkeit scheut, einmal für ein Viertelstündchen dem übrigens sehr bequem eingerichteten Hörapparat sein Ohr zu leihen, so gewährt dieses musikalisch⸗physikalische Erperiment wirklich einen großen Genuß. Gelingt es doch ohne Mühe, nicht nur laute Musik, die namentlich am besten, ja fast zu stark wiedergegeben wird, sondern auch die leiseren Stellen eines Gesanges, ja sogar das gesprochene Wort zu verfolgen, obwohl die Einwirkung auf die auf⸗ nehmenden Apparate selbstverständlich nicht aus unmittelbarer Nähe, sondern in einem bei den großen Dimensionen der Hofbühne immerhin beträchtlichen Abstande erfolgt.

Die Ausstellung des Kunst⸗Uhrwerkes, welches im Stadt⸗ missionssaale, Johannistisch 6, vom Verfertiger selbst täglich, Nach⸗ mittags von 6—8 Uhr, gezeigt und erklärt wird, geht in kurzer Zeit ihrem Ende entgegen. Diese Uhr ist nach dem System der Straß⸗ burger Münster⸗Uhr erbaut und functionirt halbstündlich mit Glocken⸗ geläut, Musik und eigener Beleuchtung. Die Höhe der Uhr beträgt 4 m. Bei dem geringen Eintrittspreis Erwachsene 10 ₰, Kinder 5 ist es jedem möglich, sich das Uhrwerk, welches i kurzer Zeit eine Reise durch Deutschland antreten soll, anzufehen.

Zur ersten Hilfeleistung bei Unglücksfällen hat die

erufsgenossenschaft der Chemischen Industrie in ihrem letzten Jahres⸗ richt auf das wärmste das Professor Dr. Stilling'sche Pyoctanin mpfohlen. Dieses übt eine Heilwirkung aus „durch einfaches Be⸗ upfen der Wunde“, auch ohne daß die Wunde erst gereinigt zu werden braucht! Es ist das für den leichten Gebrauch der fort⸗ während tagtäglich im Gewerbeleben vorkommenden kleinen Ver⸗ letzungen von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit. Der Pyoctanin⸗ stift wird in Gestalt eines leicht mitzuführenden Taschendrehstifts zum Preise von 1 von Jean Seipp in Frankfurt a. M. vertrieben.

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Bergen (auf Rügen), 21. August. Aus Anlaß des bevorstehenden 25 jährigen Professoren⸗Jubiläums des Professors Dr. Billroth in Wien, der 1829 in Bergen als Sohn eines Predigers ge⸗ boren ist, wurde, der „Köln. Ztg.“ zufolge, an dem Geburtshause des berühmten Chirurgen eine Gedenktafel angebracht. Die Tafel ist von dem Geheimen Medizinal⸗Rath Professor Dr. B. Schmidt in Leipzig gewidmet, in Bronzeguß hergestellt und enthält die Inschrift: „Am 26. April 1829 wurde hier Theodor Billroth geboren. Nachmals Professor der Chirurgie in Zürich und Wien. Einer der hervorragendsten Chirurgen seiner Zeit.“

Hermsdorf a. K. Von einem schrecklichen Brandunglück ist, wie der „Tägl. Rundsch.“ gemeldet wird, am Sonntag Nachmittag der als Sommerfrische bekannte Ort Hermsdorf am Kyvnast heim⸗ gesucht worden. Fünf Gebäude mit sämmtlichem Inventar, Acker⸗ geräth und der ganzen reichen Ernte wurden vernichtet. Das Feuer griff infolge der seit Wochen anhaltenden Dürre r; 88 ½ SSe 8 8 X mit so rasender Schnelligkeit um sich, daß außer dem Vieh nichts gerettet werden konnte. Nur die Gebäude waren versichert. Die telegraphische Verbindung mit der Peterbaude und nach Oester⸗ reich ist unterbrochen, da die Leitungsdrähte geschmolzen sind. Neun Feuerwehren waren bis spät Abends an der Brandstelle thätig, und es ist ihnen gelungen, weitere fünf schwer bedrohte Besitzungen zu retten.