1892 / 200 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 25 Aug 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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Sollten die Reichsraths⸗Verhandlungen, welche den Delegationen folgen, Zeit hierfür bieten, so würden die Landtage noch zu einer Nachsession einberufen werden können.

Großbritannien und Irland.

Der Militär⸗Attaché bei der deutschen Botschaft in Lon⸗ don, Corvetten⸗Capitän Hasenclever, welcher am Dienstag von einer Lungencongestion befallen wurde, ist, wie telegra⸗ phisch gemeldet wird, am Mittwoch gestorben.

Der Premier⸗Minister Gladstone ist gestern in seinem Wahlbezirk Midlothian in Schottland ohne Kampf wiedergewählt worden; ebenso der Schatzkanzler Sir William Harcourt in Derby. Letzterer erhielt 6508 Stimmen, sein Gegencandidat, der Pächter Atkinson, 1619 Stimmen. Einer Reihe anderer Mitglieder der neuen Regierung, die sich nach der Ueber⸗ nahme ihrer Aemter Neuwahlen zu unterziehen hatten, war überhaupt kein Gegencandidat gegenübergestellt und ihre Aufstellung also mit der Wahl gleichbedeutend. Es sind dies der Generalanwalt Sir Charles Russel, der Präsident des Localverwaltungsamts, Kanzler von Lancaster Bryce, der Präsident des Handelsamts Mundella, der Erste Com⸗ missar der öffentlichen Arbeiten Shaw Leféèvre und der jüngere Lord des Schatzes Me Arthur.

In Hawarden, dem Landsitz des Premier⸗Ministers Gl ad⸗ stone, wurde am Dienstag ein Bazar nebst Blumenausstellung abgehalten, deren Ertrag dem Umbau der dortigen Arbeiter⸗ Lesehalle zu gute kommen sollte. Gladstone hatte, wie die „A. C.“ berichtet, dafür gesorgt, daß den 20 000 Ausflüglern, welche nach Hawarden gekommen waren, um dem Feste beizuwohnen, manches Interessante geboten wurde. Das Schloß Hawarden war dem Publikum geöffnet und in zwei Zimmern die Geschenke aufgestellt, welche das Ehepaar zur goldenen Hochzeit erhalten hatte. Die Damen der Gladstone'schen Familie hatten im Bazar das Amt der Verkäuferinnen übernommen. Die Preise für die ausgestellten Blumen vertheilte Frau Gladstone. Der Premier⸗Minister hielt am Abend eine kurze Ansprache, in der er jedoch in politischer Beziehung nur die „Kleinstellen“ berührte. Diese müßten nach seiner Ansicht bedeutend vermehrt werden. Wahrschein⸗ lich schon im nächsten Jahre werde dem Parlament darüber eine Bill zugehen. 8 1

Zum Minister für Landwirthschaft ist, der „A. C.“ zu⸗ folge, nunmehr der Parlaments⸗Abgeordnete Herbert Gardner ernannt worden.

Der neue Vice⸗König von Irland, Lord Houghton,

und der irische Ober⸗Secretär John Morley legten am 22. d. M. Morgens in der Rathskammer zu Dublin vor dem irischen Geheimen Rath und den Lord⸗Richtern den vor⸗ geschriebenen Amtseid ab. Morley selbst verlas das Schreiben der Königin, welches den Lord⸗Richtern be⸗ fahl, Lord Houghton das Staatsschwert auszuhändigen. Den Schluß der Feierlichkeit bildete die Bekleidung des neuen Vice⸗Königs mit den Insignien eines Großmeisters des St. Patrick⸗Ordens, eine Auszeichnung, welche jedem Lord⸗ Statthalter Irlands von Amtswegen zufällt. Fünfzehn im Phönix⸗Park abgefeuerte Kanonenschüsse verkündigten der Bevölkerung Dublins, daß der neue Vice⸗König sein Amt an⸗ getreten habe. Die Dubliner bereiteten dem Vertreter der Königin einen begeisterten Empfang. Schon am Abend

Lord Houghton und John Morley nach England zurück. Es heißt, daß Lord Houghton, der Wittwer ist, von seiner Schwester bei der Ausübung der zahlreichen socialen Functionen, die sein hohes Amt erfordert, unterstützt werden wird.

Der neue Präsident des Handelsamts Mundella steattete am 23. d. M. seinen Wählern in Sheffield für seine Wiederwahl seinen Dank mit einer Ansprache ab, worin er dem Arbeitsburcau des Handelsamts eine größere Wirksamkeit zu verleihen versprach. Die Handelsaussichten, so äußerte er weiter, seien leider nicht die besten; die Staatseinnahmen verminderten sich, während die Ausgaben wüchsen. Sollte es nothwendig werden, zu neuen Steuern zu greifen, so solle wenigstens die Industrie nicht belastet werden. Die Arbeiter⸗ klasse müsse geschützt werden gegen die Folgen des Darnieder⸗ liegens der Geschäfte; die Arbeiter müßten aber auch Vernunft annehmen und schlechte Zeiten durch unsinniges Striken nicht noch schlechter machen. In der Freihandelsfrage stehe die liberale Regierung felsenfest. Mit dem Schutzzoll, möge dieser unter einem Namen erscheinen, welcher es sein wolle, würde sich die Regierung niemals befreunden. Irland werde ganz sicher in den nächsten zwei Jahren Homerule bekommen, gleichzeitig aber sollten auch die wichtigsten Punkte des Newcastler Pro⸗ gramms durchgeführt werden.

Frankreich.

Die Vereinigten Staaten von Nord⸗Amerika haben an die französische Regierung die ofsicielle Einladung zur Entsendung eines Geschwaders zu der großen Flottenrevue ergehen lassen, welche im April 1893 auf der Rhede von New⸗York anläßlich der Eröffnung der Weltaus⸗ stellung in Chicago und der vierhundertjährigen Feier der Ent⸗ deckung von Amerika stattfinden soll.

Die Nachricht von der Wiederauffindung eines Theiles der gestohlenen Lebelgewehrpatronen sowie

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die Meldung des „Echo de Paris“ von der bevorstehenden Maßregelung verschiedener höherer Offiziere infolge der während der letzten Manöver vorgekommenen Fälle von Sonnenstich (siehe die gestrige Nr. d. Bl.) wird dem „W. T. B.“ zufolge von anscheinend berufener Seite für durchaus un⸗ begründet erklärt.

Das diesjährige Ersatzgeschäft hat, wie aus einem Erlaß des französischen Kriegs⸗Ministers vom 6. August zu ersehen ist, zur Aushebung von 160 908 Mann geführt, von denen jedoch 2730 der Marine⸗Infanterie und Artillerie zu⸗ getheilt werden, da die Hoffnung, durch freiwillig Eintretende und Capitulanten den Bedarf bei diesen Truppentheilen zu decken, sich nicht erfüllt hat. Jedes der 8 Marine⸗Infanterie⸗Regimenter erhält 262, das Artillerie⸗Regiment 630 Recruten. Diese Zahl wird aus den auf drei Jahre ausgehobenen Leuten genommen, die sich dadurch von 118 781 auf 116 051 vermindern, während auf ein Jahr 42 127 Mann eingestellt werden. Nun sind von den frühern Jahrgängen noch 15 221 Mann übrig, von denen 11 387 mit zweijähriger, 3384 Mann zu einjähriger Dienstzeit einberufen werden. Am 1. November er⸗ hält das Heer demnach 173 339 Recruten, darunter 116 051 auf drei Jahre, 11 387 auf zwei Jahre, 45 961 auf ein Jahr. 1891 belief sich die Gesammtzahl auf 185 837 Mann und die einzelnen Klassen wiesen auf 123 683 bezw. 9439 und 52 725 Mann, sodaß jetzt ein Ausfall von 12 438 entsteht. Zu erklären ist er zum überwiegenden Theil aus

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der Verminderung der Geburten infolge des Krieges von 1870/71. Im vorigen Jahre fehlten 6581 Mann. Zum Ver⸗ ständniß der angeführten Ziffern bemerkt die „Köln. Ztg.“ noch, daß Frankreich als unbrauchbar ausscheidet nur die Ge⸗ stellungspflichtigen, die zu jedem Dienst mit der Waffe und zu Hilfsdiensten wie Verwaltung, Arbeitsdienst u. s. w. untauglich sind. Nach einem Jahre entlassen werden diejenigen, deren Familienverhältnisse ihnen ein vom Gesetz genau in seinen Vorbedingungen umschriebenes Recht darauf geben, sowie Lehrer, Studirende, Künstler u. s. w. Auf ein Jahr zurück⸗ gestellte Wehrpflichtige müssen in Frankreich, wenn sie später doch noch genommen werden, mit ihrem Jahrgang entlassen werden, dienen demnach nur zwei Jahre bei der Fahne.

Ueber die Expedition gegen Dahomey, die am 17. d. M. unter Befehl des Obersten Dodds angetreten worden ist, wird der „N. Z.“ berichtet: Die aus 1300 Combattanten und 2000 Trägern bestehende Colonne soll nicht die Ortschaft Dekame im Norden des Denhamsees besetzen, sondern. rings um den Landstrich Dekame, der sich noch im Besitz des Königs von Dahomey befindet, manövriren. Von ihrem Ausgangspunkte Porto⸗Novo dringt diese Colonne gegen Sakele vor, wo sie ihre Vereinigung mit 2000 Mann cingeborener Hilfstruppen vollziehen soll. Von diesem bedeutenden Ort nördlich von Porto⸗Novo geht sodann der Marsch nach Westen; hierbei soll Dekame umgangen und der Fluß Ueme gewonnen werden. Dort wird die Flottille bereit stehen und sich sofort flußaufwärts in Bewegung setzen. Die wenigen Dahomeyer, die noch Dekame besetzt halten, dürften sich, sobald sie erkennen, daß sie von ihren Verbindungen abgeschnitten und zwischen zwei Feuer zu Wasser und zu Lande gerathen sind, beeilen, das linke Ufer oder Dekame zu räumen. Man hofft denn auch, daß infolge dieses Manövers das Land Dekame fast ohne Schwertstreich von den Dahomeyern gesäubert werden und daß sodann die Be⸗ völkerung freiwillig jeden Widerstand aufgeben werde. So⸗ bald dieser Erfolg erzielt ist, wird man an die Befestigung des linken Ueme⸗Ufers gehen. Oberst Dodds hat rechtzeitig einen guten Heerweg von 36 km zwischen Porto⸗Novo und Sakele herstellen lassen.

Nach einem in Paris eingetroffenen Telegramm aus Porto⸗Novo von gestern früh ist die Expedition in Quefin angekommen, hat Vakou beschossen und alsbald ihren Marsch gegen das Gebiet von Dahomey fortgesetzt.

Den letzten amtlichen Nachrichten aus Madagaskar zufolge herrscht zur Zeit auf der Insel völlige Ruhe.

Auf richterliche Anordnung fand am Dienstag in Paris in den Comtoirs eines großen Geschäftshauses für Armeelieferungen eine Haussuchung statt. Die Abrechnungsbücher wurden einer genauen Durchsicht unterworfen. Gerüchtweise ver⸗ lautet, das Geschäft habe sich falscher Stempel bedient, um die Abnahme gewisser Waaren seitens der Militär⸗ beamten zu bewirken.

Rumänien.

Anläßlich des Geburtstags des Thronfolgers Prinzen Ferdinand wurde gestern in Sinaja ein Tedeum celebrirt. Prinz Ferdinand empfing darauf die Offiziere seines Jäger⸗Bataillons zur Beglückwünschung. Abends fand im Schlosse Pelesch eine Soiree statt.

Serbien. 1 8

Der König Alexander wird sich morgen in Begleitung des Regenten Belimarkowics und des Handels⸗Ministers Goojdies nach Vranja begeben, um die Landes⸗Gewerbe⸗ ausstellung zu besichtigen. Die Rückfahrt wird der König über Nisch, Prokuplje und Kragujevac nehmen.

Schweden und Norwegen.

(F) Stockholm, 22. August. Die seiner Zeit von der Regierung niedergesetzte Commission zur Begutachtung der Frage wegen der Vereinigung des Post⸗ und Tele⸗ graphenwesens unter einer Verwaltung hat ihren Bericht erstattet. Die Commission ist zu keinem einstimmigen Be⸗ schlusse gelangt. Eine Minderheit hält diese Vereinigung nicht für wünschenswerth und nützlich, während die Mehrheit der Commission, zu welcher der General⸗ Postdirector von Krusenstjerna, der Bureauchef in der General⸗ Postverwaltung Schlytern und der Director der Stock⸗ holmer Telegraphenstationen Bratt gehören, sich dahin aus⸗ spricht, „daß eine gemeinsame Verwaltung die principiell richtigste Organisation für das Post⸗ und Telegraphenwesen ist“ Durch die Vereinigung würde eine Ersparniß von 95 429 Kronen jährlich für die Staatskasse gewonnen werden.

Der erste Hof⸗Stallmeister Graf G. Fersen⸗Gylden⸗ stolpe ist zum Dienst bei Seiner Majestät dem Kaiser Wilhelm während des Aufenthaltes in Gothenburg und auf der Jagd in Westgothland beordert worden.

Asien.

Nach einer Meldung des „Reuter'schen Burcaus“ aus Simla vom 24. August übersandte der Emir von Afgha⸗ nistan der indischen Regierung einen Bericht, welchen Oberst Janow über den Zusammenstoß der Russen mit den Afghanen bei Somatasch erstattet habe. Nach diesem Bericht habe der afghanische Führer eine von Janow nachgesuchte freundliche Zusammenkunft verweigert. Die Afghanen seien drohend gegen die Russen vorgegangen, worauf Janow die Entwaffnung der Afghanen befohlen habe. Letztere hätten nun auf die Russen geschossen und diese das Feuer erwidert. Dem gegenüber werde von afghanischer Seite berichtet, daß die Russen die Angreifer gewesen seien. Der Emir erbittet schließlich die Hilfe der indischen Regierung gegen die Russen. (Vgl. die Tel.⸗Dep. aus London nach Schluß der Redaction.)

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Die Vergütung für geleistete Arbeiten, welche ohne Preisabrede bestellt sind, bestimmt sich, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, VI. Civilsenats, vom 25 April 1892, im Gebiet des preußischen Allg. Landrechts nach der Forderung des Leistenden, die jedoch über den gewöhnlichen Lohn (nach dem Gutachten der Sachverständigen) nicht hinausgehen darf. HKat der Leistende seinen Preis geringer, als der gewöhnliche Lohn ist, fixirt, so kann er ihn nicht willkürlich erhöhen. Dies findet ebenso auf Künstler wie auf Handwerker Anwendung.

—. In Bezug auf Art. 249 d. Z. 2 des Handelsgesetzbuchs: „Wer in betrügerischer Absicht auf Täuschung berechnete Mittel, anwendet, um auf den Curs von Actien einzuwirken, wird mit Gefängniß .. . bestraft“, hat das Reichsgericht, III. Strafsenat, durch Urtheil vom 19. Mai 1892 ausgesprochen, daß der Einsender

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eines Artikels, in welchem er, um auf den Curs von bestimmten

Actien einzuwirken und so seine eigenen Börsenspeculationen in diesem Papier zu fördern, bewußt falsche Mittheilungen über das betr. Actien⸗ unternehmen macht, an die Redaction eines Börsenblatts mit dem Ersuchen, den Artikel abzudrucken oder ihn zu beliebiger eigener Ver⸗ öffentlichung zu benutzen, aus Art. 249 Z. 2 zu bestrafen ist, selbst wenn der Redacteur, die Täuschungsabsicht des Einsenders erkennend, von einer Benutzung des Artikels Abstand genommen hat.

Statistik und Volkswirthschaft.

Versicherungsstatistik in Bayern.

In Bavern werden seit 1887 alle Jahre Erhebungen über den Geschäftsbetrieb der Versicherungsanstalten angestellt. Die Ermittelung für 1890, welche jetzt in einem Separatabdruck aus der Zeitschrift des Königlich bayerischen Statistischen Bureaus vorliegt, umfaßt wie in den Vorjahren 1) Mobiliar⸗, 2) Hagel⸗, 3) Vieh⸗, 4) Lebens⸗ und Renten⸗, 5) Unfall⸗, 6) Transport⸗, 7) Glas⸗ und Spiegelversicherung und 8) Versicherung gegen Wasserleitungs⸗ schäden. Für die Erhebung kamen die in Bagyern allein thätigen beiden Immobiliar⸗Brandversicherungsanstalten. sowie die staatlich geleitete bayerische Hagel⸗Versicherungsanstalt in Betracht, ferner 24 Mobiliar⸗Versicherungsanstalten, 5 Hagel⸗Versicherungs⸗ gesellschaften, 5 Vieh⸗Versicherungsgesellschaften, 43 Lebens⸗ und Renten⸗Versicherungsgesellschaften, 19 Unfall⸗Versicherungsgesellschaften, 25 Transport⸗Versicherungsgesellschaften, 11 Glas⸗ unde Spiegel⸗ Versicherungsgesellschaften und 1 Versicherungsgesellschaft gegen Wasserleitungsschäden.

Bei den beiden bayerischen Immobiliar⸗Brandversiche⸗ rungsanstalten betrug die Zahl der in Kraft bestehenden Ver⸗ sicherungen bezw. versicherten Gebäude am Schluß des Jahres 1890: 1 617, 942 mit einer Gesammtversicherungssumme von 4 099 312 170 ℳ; am Schluß des Vorjahres waren es 1 602 246 Versicherungen mit 3 994 377 810 Versicherungssumme; die Zahl der Ver⸗ sicherungen hat also um 15 696 und die Gesammtversicherungs⸗ summe um 104 934 360 im Rechnungsjahre 1889/90 zugenommen. Brandschäden ergaben sich 1889,90: 1840, wofür eine Entschädigung von 3 632 217 geleistet wurde, um 280 Brandschäden und 420 055 Entschädigung weniger als im Vorjahre. Die eingehobenen Beiträge betrugen im ganzen 3 870 627 ℳ, im Vorjahre 7 154 150 ℳ, sohin gegenüber dem Vorjahre um 3 283 523 weniger. Von den 1840 Brandfällen waren 324 er⸗ wiesenermaßen durch Blitzschlag verursacht, 18 durch erwiesen vorsätz⸗ liche, 322 durch muthmaßlich vorsätzliche Brandstiftung.

Von den 24 Mobiliar⸗Versicherungsgesellschaften sind 2 bayerische, 19 deutsche, 3 ausländische. Die Gesammtzahl der bei allen diesen Gesellschaften in Kraft bestehenden Policen beträgt 601 173 mit einer Gesammtversicherungssumme von 4 018 078 799 Am Schluß es Vorjahres bestanden 573 849 Policen mit 3 852 591 819 Gesammtversicherungssumme; es hat sich sonach im Jahre 1890 die Zahl der Policen um 27 324 und die Versicherungs⸗ summe um 165 486 980 gegen das Vorjahr erhöht. An Prämien⸗ einnahmen wurden im Jahre 6 353 955 (1889: 6 119 926 ℳ) erzielt; die Gesammtsumme der bezahlten Schäden betrug 2 824 608 Von den Haushaltungen ist mehr als die Hälfte ver⸗ sichert.

zugelassenen Hagel⸗Versicherungs⸗ ge (die bayerische Anstalt ist staatlich geleitet) betrug die Zahl der versicherten Personen 89 518 und die Gesammt⸗ versicherungssumme 151 458 732 ℳ; im Vorjahre 65 541 Personen mit 117 015 748 Versicherungssumme. Auf die gegenseitigen Gesellschaften kamen 19 022 Personen (1889: 22 465) und 40 190 919 Versicherungssumme (1889: 45 910 417 ℳ); auf die Actiengesellschaften kamen 13 310 Personen (1889: 9420) und 26 633 353 Versicherungssumme (1889: 21 096 901 ℳ); auf die staatliche Anstalt kamen 57 186 Personen (1889: 33 656) und 84 634 460 Versicherungssumme (1889: 50 008 430 ℳ). Bei den gegenseitigen Gesellschaften hat also eine Ab⸗ nahme, bei den Aetiengesellschaften eine Zunahme um 3890 Personen mit 5 536 752 und bei der staatlichen Anstalt sogar eine Zunahme um 23 530 Personen mit 34 626 030 statt⸗ gefunden. An Schadensfällen gab es im ganzen 5423 mit 1 833 319 bezahlten Entschädigungen (im Vorjahre 5551 mit 1 704 390 ℳ).

Bei den Viehversicherungsgesellschaften waren 8743 Pferde mit 5 486 350 ℳ, 4549 Stück Rindvieh mit 1 228 784 versichert; die Zahl der versicherten Pferde betrug nur 2,4 % des in Bavern vorhandenen Bestandes, die Zahl der Stück Rindvieh nur 0,15 %

Bei den Lebensversicherungsgesellschaften waren 149 540 Per⸗ sonen mit 460 803 873 versichert; die Prämieneinnahmen betrugen 15 867 920 ℳ, an Schäden wurden ausbezahlt 6 243 472 Von der Gesammtbevölkerung des Königreichs (5 594 982) sind 2,6 % ver⸗ sichert; auf einen Versicherten kommt durchschnittlich eine Versicherungs⸗ summe von 3081 8

Bei den Gesellschaften für Rentenversicherung waren 3681 Personen mit 6 984 542 Einzahlungen und 631 521 Renten versichert.

Bei den Unfallversicherungsgesellschaften waren 27 350 Personen (1889: 23 930) mit 285 482 680 (231 912 052 ℳ) ver⸗ sichert; die Prämieneinnahmen betrugen 927 219 (727 284 im Jahre 1889), die Schadensfälle 2582, die ausbezahlten Schäden 290 009 (1889: 310 850 ℳ).

Bei den Transportversicherungs⸗Gesellschaften waren Waaren im Werthe von 697 781 208 (1889: 751 789 560 ℳ) ver⸗ sichert; die Prämieneinnahmen betrugen 353 280 (1889: 757530 ℳ), die Zahl der Schadensfälle 503, die bezahlten Schäden 107 103 (1889: 190 014 ℳ).

Bei den Glas⸗Versicherungsgesellschaften waren 8900 Versicherungen auf 3 800 677 (1889: 7787 bezw. 3 477 957 ℳ)

85 600 (1889: 73 716 ℳ),

abgeschlossen; die Prämieneinnahme betr der ausbezahlte Schaden 45 327 (38

Bei der Wasserleitungsschäden⸗Versicherungsgesell⸗ schaft betrug die Zahl der Versicherungen 234, Versicherungssumme 10 598 302 ℳ, Prämieneinnahme 3610 ℳ, ausbezahlte Schäden 391

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Der 33. allgemeine deutsche Genossenschaftstag

ist gestern in München durch den Vorsitzenden, Bürgermeister Nizze⸗Ribnitz eröffnet worden. Im Auftrage der baverischen Regie⸗ rung begrüßte Ober⸗Regierungs⸗Rath Rasp, namens der Stadt München bewillkommnete Bürgermeister Borscht die Erschienenen, der österreichische Verbandsanwalt Wrabetz überbrachte die Grüße seiner Landsleute. Verbandsanwalt Schenck trug den Jahresbericht vor. Hopf⸗Insterburg referirte über die Geschäftsordnung des Ver⸗ bandstags. Die ersten zehn Paragraphen wurden nach längerer Debatte unverändert angenommen. Der Rest der Tagesordnung wurde am Nachmittag erledigt. In den engeren Ausschuß wurde OQppermann wiedergewählt und Bürgermeister Nizze⸗Ribnitz an Stelle des ausscheidenden Mitgliedes Scholz neugewählt.

Zur Arbeiterbewegung.

Der Centralverband der Maurer Deutschlands und verwandter Berufsgenossen hielt in der vorigen Woche in Cassel seinen ersten Verbandstag ab. Aus dem Geschäfts⸗ bericht des Verbandes theilen wir nach dem „Vorwärts“ fol⸗ gende Angaben mit: .

Der Verband zählt 13 515 Mitglieder in 156 Orten. Die Filialen hatten eine Einnahme von 85 523 Am Ende des

Quartals verfügten sie über einen Kassenbestand von 2926 8

Die Hauptkasse vereinnahmte insgesammt 64 369 (darunter

von der früheren Geschäftsleitung der Maurer Deutschlands 2000 und von den Zahlstellen 61 676 ℳ). Hiervon wurden u. A. ausgegeben: 3095 Zuschuß an die Zahlstellen, 3000 an den Generalbevollmächtigten der Maurer Deutschlands, 18 381 für das Fachorgan „Grundstein“.

In Liegnitz haben vor einiger Zeit 80 Arbeiterinnen der Wollwaarenfabrik von Beer u. Co. die Arbeit nach vorheriger Kündigung eingestellt (pgl. Nr. 193 d. Bl.), weil sie bei der ange⸗ kündigten nicht bestehen zu können glaubten. Nach Mittheilungen in einer öffentlichen Versammlung der Terxtil⸗ arbeiter und ⸗Arbeiterinnden am 20. August wurde, wie die „Voss. Ztg.“ berichtet, der Ausstand, mit dem nichts erreicht ist, als Abwehrausstand bezeichnet, da der Durch⸗ schnittslohn bei dreizehnstündiger Arbeit (mit Einrechnung der Pausen) nur 6,50 wöchentlich betragen habe und davon Abzüge nicht ge⸗ duldet werden könnten. Der Accordlohn wurde auf die Hälfte der in Berlin und Apolda als Wochenlohn gezahlten Summe angegeben. Die Versammlung beschloß, einer weiteren Herabsetzung der Arbeits⸗ löhne entgegen zu arbeiten.

In einer socialdemokratischen Parteiversammlung, die zu Volkmarsdorf stattfand und von 200 Personen besucht war, berührte, wie die „Lpz. Ztg.“ berichtet, Herr Geyer in einem Vor⸗ trage über Socialdemokratie und Socialismus auch’ die Stellung des socialdemokratischen Reichstags⸗Abgeordneten von Vollmar und be⸗ merkte: die Partei habe bis jetzt keinen Anlaß gefunden, Vollmar zu bekämpfen, da diese Richtung bisher unschädlich geblieben sei und sich nicht geeignet gezeigt habe, die Socialdemokratie in ein weniger radicales Fahrwasser zu lenken.

Pariser Telegramme des Wolff'schen Bureaus melden aus Lens (Dep. Pas⸗de⸗Calais) vom gestrigen Tage: 500 Bergleute des Bergwerks von Vendin sind ausständig geworden; sie ver⸗ langen die Entlassung der belgischen Arbeiter. Eine gegen die belgischen Bergleute gerichtete Kundgebung hat auch gestern Abend in Lievin stattgefunden. In einer Versammlung von 400 Strikenden rieth der Deputirte Basly zur Ruhe und zur Ent⸗ haltung von allen Gewaltthätigkeiten gegen fremde Arbeiter. Wegen der Bevorzugung belgischer Arbeiter gegenüber den französischen durch die Grubengesellschaften werde er nach Wiederzusammentritt der Kammer eine Interpellation einbringen. Vom heutigen Tage wird berichtet, daß die ausständigen Arbeiter der Gruben von Lens beschlossen haben, die Arbeit wieder aufzunehmen, da die Grubengesellschaften zugesagt haben, in Zukunft bei der Anwerbung mehr französische als ausländische Arbeiter anzunehmen. Aus Pittsburg berichtet ein New⸗Yorker Telegramm des d. T. B.“, daß die Ausständigen das für die Carnegie⸗Werke Material, welches mit der Eisenbahn befördert worden, vernichten.

Kunst und Wissenschaft.

Ein Reiter⸗Standbild Kaiser Wilhelm's 1. ist unter den vielen der Vollendung zugeführten Arbeiten der König⸗ lichen Erzgießerei zu München das neueste und zugleich größte Werk, das soeben fertiggestellt wurde. Entwurf und Ausführung rühren von dem bekannten Erzgießer Ferdinand von Miller her. Der Auftrag ging von einem Comité patriotisch gesinnter Bewohner der Reichsfestung Metz aus. Den Grundstein zu dem Denkmal legte Seine Majestät der Deutsche Kaiser bei seiner letzten Anwesenheit in Metz und die Enthüllung soll am 11. September stattfinden. Das Erzstandbild stellt, wie die M. „Allg. Ztg.“ berichtet, den Kaiser Wilhelm 1I. zu Pferde in anderthalb Lebensgröße dar. Der Stand⸗ punkt des Denkmals, das den Kaiser in getreuer Portraitähnlichkeit aus dem Jahre 1870 zeigt, wird so gewählt, daß die aus⸗ gestreckte Rechte auf das Schlachtfeld von Gravelotte zeigt. Das 4 ½ m hohe Reiterstandbild kommt auf einen 6,30 m hohen Unterbau von schwarzem Fichtelgebirg⸗Syenit zu stehen. An den beiden Lang⸗ seiten des Unterbaues sind Erzreliefs eingelassen, deren linkes den ersten Besuch des Kronprinzen Friedrich Wilhelm mit dem Groß⸗ herzog von Baden, deren rechtes den Prinzen Friedrich Carl in der Schlacht von Gravelotte zeigt. Darunter sind auf einem vor⸗ springenden Sockel Lorbeerkränze, welche Palmenblätter zusammen⸗ halten, angebracht. Die Stirnseite des Unterbaues schmückt ein Schild mit dem Namen „Wilhelm IJ.“; darüber halten rechts und links stehende gepanzerte Engel die Kaiserkrone. An der Rückseite zeigt eine Erztafel die Widmung der Stifter.

Aus Rottenburg (Württemberg) wird der M. „Allg. Ztg.“ geschrieben: Kaufmann Heberle dahier erwarb von einem Bauern aus Altingen ein merkwürdiges altes marmornes Reliefbild, eine Ovalplatte mit dem Reliefbild eines römischen Kaisers, 29 cm hoch, 23 cm breit und 1,5 cm dick, grau aussehend, feines Relief. Die Locken des Haares sind vorzüglich behandelt, ein Lorbeerkranz, herrlich in seiner Art, umgiebt den bartlosen, nach rechts gen igten Kopf. Das Bild hat Aehnlichkeit mit dem des Kaisers Augustus, ein Fachurtheil ist jedoch noch nicht gefällt. Die Sammlung vater⸗ ländischer Alterthümer will das Bild erwerben. Altingen hatte eine Ansiedlung der Römer.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Ueber die Ernteaussichten in Norwegen geht uns aus Christiania folgende Mittheilung zu:

Das Wetter, welches in den letzten Wochen im Osten Norwegens abwechselnd Regen und Sonnenschein brachte, war für die Vegetation sehr gut, sodaß sich namentlich das Ge⸗ treide stark entwickelt hat, was von um so größerer Bedeutung für die Frühjahrssaat ist, als die Bildung des Samens zur Zeit vor sich geht. 8

Der Winterroggen ist stellenweise bereits geschnitten und an anderen Orten hat er fast die Reife erlangt.

Die Kartoffeln stehen üppig und in voller Blüthe, doch bedürfen sie zu ihrer vollen Entwickelung nunmehr einige Zeit trockenen Wetters.

Das Heu ist jetzt größtentheils eingebracht und die Ernte hat dem Anscheine nach die eines Mitteljahres übertroffen.

Im großen und ganzen lauten die Berichte über die Ernteaussichten auch für das übrige Norwegen fortgesetzt ziemlich günstig. Eine Ausnahme hiervon bilden nur die Aemter Nordre⸗ und zum theil auch Söndre Trondhjem und Bergenhus. Der Stand der Frühjahrssaaten und Kartoffeln wird daselbst als schlecht bezeichnet, und man befürchtet, daß das Getreide, insbesondere in Nordre Throndhjem, nicht zur Reife gelangt.

Die Ernte des Landes duͤrfte alles in allem die eines

Mitteljahres sein.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Großbritannien.

Durch Verordnung des Local Government Board vom 11. August 1892 ist die Einfuhr von Lumpen, Bettzeug, gebrauchten oder schmutzigen Kleidungsstücken aus allen ausländischen europäischen dufen nördlich von Dünkirchen (mit Ausnahme derjenigen von Schweden, Norwegen und Dänemark) bis auf weiteres verboten worden. Die Einfuhr ist nur zwecks Wiederausfuhr gestattet. Es macht keinen Unterschied, ob die fraglichen Gegenstände Auswanderern gehören oder anderen Personen.

Spanien.

Zufolge einer in der „Gaceta de Madrid“ vom 14. August 1892 veröffentlichten Königlichen Verordnung sind die gegen Provenienzen aus Rußland angeordneten sanitätspolizeilichen Maßregeln bezw. das auf den Landweg bezügliche Einfuhrverbot („Reichs⸗Anzeiger“ Nr. 190

vom 13. August 1892) auf die Provenienzen aus allen Küstenländern des Schwarzen Meeres ausgedehnt worden. Brasilien.

Mit den im Hafen von Rio eintreffenden Postschiffen (Paquetes) zu deren Verweisung nach dem Quarantäne⸗Hafen guf Ilha Grande der General⸗Sanitäts⸗Inspector des Hafens von Rio ermächtigt worden ist (vergl. „Reichs⸗Anzeiger“ Nr. 198 vom 23. August 1892) sind nur die Einwanderer⸗Dampfer gemeint.

Cholera. 8

Hamburg, 25. August. Ueber die Zahl der Cholerafä in Hamburg veröffentlicht der „Hamb. Corr.“ in seiner gestrigen Abendnummer eine Statistik, die dem genannten Blatt von der dortigen Medizinalbehörde zugegangen ist. Danach betrug die Zahl der choleraverdächtigen Erkrankungen und Todesfälle: am 18. August 13 bezw. 2, 19. August 16 bezw. 6, 20. August 24 bezw. 14, 21. August 31 bezw. 15, 22. August 86 bezw. 20, 23. August 49 bezw. 18, im ganzen also vom 18. bis 23. d. M. 219 Erkrankungen und 75 Todesfälle. Der „Hamb. Corr.“ bemerkt dazu: Nach diesen amtlichen Ziffern sind die in der Stadt vielfach cursirenden Gerüchte sehr übertrieben gewesen. Für eine „Stadt von der Be⸗ völkerung Hamburgs sind diese Erkrankungen an Cholerine und Cholera nicht derart, daß sie weitgehende Be⸗ sorgnisse rechtfertigen, wenn man auch andererseits selbst⸗ verständlich alles thun muß, die Gefahr zu bekämpfen. Im Hin⸗ blick auf den gegenwärtigen Gesundheitezustand in Hamburg und die herrschende abnorme Temperatur hat die Handelskammer besondere Maßregeln zur Desinficirung der Börsenräume sowie der Abort⸗ anlagen veranlaßt. Während der Börsenzeit ist ein Arzt in dem zur Aufnahme von Erkrankten eingerichteten Börsenzimmer anwesend, um etwa erforderlichen ärztlichen Beistand leisten zu können. Für die allen⸗ falls nothwendig werdende Ueberführung der Erkrankten mittels der Kranken⸗Transportwagen ist der Börsencastellan mit Weisungen ver⸗ sehen worden. Auch hat die Handelskammer beim Senat eine Ergänzung der Börsenordnung beantragt, wonach das Rauchen in den unteren Börsensälen auch außerhalb der eigentlichen Geschäftszeit verboten werden soll. Wie dem „W. T. B.“ aus Hambu g be⸗ richtet wird, waren die dortigen Desinfectionsgeschäfte gestern von Käufern förmlich umlagert und die Desinfectionsmittel vielfach aus⸗ verkauft. Der Verkehr in den Straßen der Stadt war übrigens nicht beeinflußt, auch herrschte nach wie vor ein reger Fremdenverkehr. Die im Auftrage des Kaiserlichen Gesundheitsamts in Hamburg an⸗ wesenden Herren Geheimer Medizinal⸗Rath Prof. Dr. Koch und Reg.⸗Rath Dr. Rahts conferirten gestern mit dem Polizei⸗Chef und der Medizinal⸗ behörde und besuchten Abends die Auswandererbaracken. In Altona tritt, dem „H. C.“” zufolge, die Cholera verhältnißmäßig gutartig auf, denn der Procentsatz der der Krankheit Erliegenden ist ein sehr geringer. Bis gestern waren etwa 80 Erkrankungen mit choleraähnlichen Er⸗ scheinungen constatirt, von denen drei als asiatische Cholera festgestellt wurden. Insgesammt traten nur fünf Todesfälle ein.

Paris. Gestern sind hier, wie „H. T. B.“ meldet, innerhalb 5 Stunden 5 Personen an der asiatischen Cholera gestorben.

Antwerpen, 24. August. Seit gestern Mittag sind dem zW. T. B.“ zufolge fünf Fälle von choleraähnlicher Er⸗ krankung constatirt worden; die Kranken wurden in das Stuyven⸗ berg'sche Hospital eingeliefert, wo mehrere nach wenigen Stunden starben. Heute sind abermals mehrere choleraähnliche Fälle vor⸗ gekommen. In einem Falle wurde von dem Arzte bestimmt asiatische Cholera constatirt. Die Sanitäts⸗Commission und das Aerzte⸗Collegium halten täglich Sitzungen ab, und es besteht die Absicht, ein Lazareth zu errichten.

Aus dem „W. T. B.“ liegen heute ferner nachstehende Mel⸗ dungen über Quarantäne⸗Anordnungen und Einfuhrverbotevor: Bremen, 24. August. Wie zuverlässig verlautet, unterliegen seit heute Nachmittag alle aus Hamburg⸗Altona in Bremer⸗ haven eintreffenden Schiffe einer O ugrantäne⸗Abfertigung.

Köln, 24. August. Die „Kölnische Zeitung“ meldet, daß der Schlafwagenverkehr zwischen Hamburg und Köln ein⸗ gestellt worden ist. Der hiesige Bahnhof ist gründlich desinficirt. Sämmtliche Hamburger Züge und alle Bahnzüge, welche von Ham⸗ burg Anschluß haben, werden ärztlich untersucht. 8 Wien, 24. August. Infolge des Ausbruchs der Cholera in Hamburg findet Unterbrechung des directen Verkehrs auf der österreichischen Nordwestbahn sowie Waggonwechsel in Tetschen statt. Daselbst ist auch ein Arzt zur ärztlichen Unter⸗ suchung der Reisenden sowie zur Revision un Desinficirung des Gepäcks stationirt.

Prag, 24. August. Die Statthalterei beauftragte den Magistrat, bezüglich der Reisenden aus Hamburg die gleichen Maß⸗ nahmen anzuwenden, wie bei den Reisenden aus Rußland, insbesondere die Hoteliers anzuweisen, daß kein Reisender aus Ham⸗ burg ohne vorherige ärztliche Untersuchung das Hotel verlasse. „Madrid, 24. August. Für die Herkünste aus Hapre und Antwerpen ist eine dreitägige Beobachtung, für die Herkünfte aus Hamburg eine Quarantäne angeordnet worden.

Lissabon, 24. August. Für Prorenienzen aus Oester reich, Belgien, Deutschland und der Türkei ist Quarantäne ange⸗ ordnet worden.

Antwerpen, 25. August. Für die von Hapre, Hamburg

fe ist eine siebentägige

und dem Rhein kommenden Schif Quarantäne angeordnet worden.

Stockholm, 24. August. Die Regierung erklärte heute sämmt⸗

liche deutsche Nordseehäfen sowie die deutschen Ostsee⸗ häfen an der Küste zwischen Pommern und Dänemark für cholera⸗ verdächtig. Christiania, 24. August. Mehrere von Hamburg heute hier eingetroffene Dampfer sind der Quarantäne unterzogen worden. Die deutschen Häfen wurden für choleraverdächtig erklärt. Die Einfuhr von gebrauchten Kleidungsstücken, mit Ausnahme derer der Reisenden, sowie von Leinwand, Bettzeug und Lumpen aus dem Deutschen Reich ist verboten.

Kopenhagen, 24. August. Nach einem Erlaß des Justiz⸗ Ministers vom heutigen Tage sind fortan die Propenienzen aus den Elbhäfen einer Quarantäne unterworfen. Ebenso ist die Ein⸗ fuhr von Lumpen, benutzter Watte, Kratzwolle, Papierabfällen, von Obst frischen Gemüsen sowie von Blumen aus dem Deutschen Reich verboten worden.

New⸗York, 24. August. Das Schatzamt ersuchte die Agenten der Hamburger und Bremer Baltimore⸗Linien zu ver⸗ anlassen, daß die Dampfer vor Einfahrt in die Chesapeake⸗Bai bei Cap Charles vor Anker gehen, um sich einer Quarantäne⸗Beob⸗ achtung zu unterziehen.

New⸗York, 25. August. Das Schatzamt hat von heute ab die Einfuhr von Lumpen aus allen von der Cholera inficirten Ländern unbedingt verboten. Vom 20. September cr. ab müssen alle Lumpensendungen mit einem vom betreffenden ameri⸗ kanischen Konsul ausgefertigten Certificat darüber versehen sein, daß die Ladung ordnungsmäßig desinficirt ist.

Ueber den Stand der Cholera in Rußland wird in Nr. 34 der „Veröff. des Kais. Ges. Amts“ berichtet: Die Ausbreitung der Cholera hat große Fortschritte nicht gemacht. Na Westen zu hat sie im Gouvernement Jekaterinoslaw 'etwas mehr um sich gegriffen; im Norden beginnt sie, mit der Durchseuchung der Gouvernements Wladimir, Jaroslaw und Kostroma, auf den bisher verschonten, zwischen den inficirten Städten St. Petersburg, Moskau und Wiäatka gelegenen Landes⸗ abschnitt überzugehen. Im Osten scheint sie durch Gefangenentrans⸗ porte nach Sibirien verschleppt zu sein. In Moskau haben sich die ersten Fälle unter den Insassen des Sergei⸗Jelissawetski⸗Asyls beim Central⸗Transportgefängniß gezeigt; es waren dies Familien aus Woronesch und Nowotscherkask, welche ihren zur Verschickung nach Sibirien verurtheilten Angehörigen freiwillig dorthin folgten.

Daß die Seuche an Heftigkeit im ganzen noch nicht abgenommen

ö

hat, zeigen die amtlichen Nachrichten des „Praw. Westn.“ vom 4. bis

10. August („St. Petersburger Ztg.“ Nr. 206 bis 212). Danach erkrankten im Transkaspigebiet am 3. August 752, es starben 24, in der Stadt Baku am 7. August 6 bezw. 9, außerdem im Gouvernement 83 bezw. 69, in Stadt und Gouvernement Jelissa⸗ wetpol am 6. August 275 bezw. 226, im Bezirk Sakatala 22 bezw. 9, in ganz Eriwan 104 bezw. 69. Die Stadt Tiflis hatte am 5. August 13 Neuerkrankungen und 7 Todesfälle, das Gouvernement außerdem 72 bezw. 35, das Karsgebiet am 7. August 43 bezw. 26, das Gouvernement Kutais 3 bezw. 3, Dagestan 693 bezw. 327, das Terekgebiet am 5. August 1497 bezw. 655, das Kubangebiet am 7. August 708 bezw. 321. In Astrachan wurden am 7. August 15 Erkrankungen und 8 Todesfälle gemeldet, im Gouvernement außerdem 275 bezw. 205, in Stadt Saratow 87 bezw. 39, im ganzen Gouvernement am 6. August 355 bezw. 195, in Stadt Samara am 7. August 86 bezw. 28, im ganzen Gouvernement am 6. August 426 bezw. 231, in Stadt Simbirsk am 7. August 20 bezw. 12, im Gouvernement außerdem 259 bezw. 92, i Kasan 18 bezw. 7, im Gouvernement noch 103 Eezw. Nishni⸗Nowgorod hatte am 8. August 60 Erkrankangen mit 27 Todesfällen, das Gouvernement außerdem 71 bezw. 26, das Gouvernement Wjatka am 7. August 72 bezw. 37, desgleichen Perm 37 bezw. 25. In der Stadt Ufa kamen vom 4. bis 6. August 4 Er⸗ krankungen mit 2 Todesfällen vor, im Kreise Birsk bis zum 2. August 21 bezw. 7, im Kreise Menselinsk vom 31. Juli is 3. August 27 bezw. 15. Die Stadt Orenburg 7. August einen Krankenzugang von 180 mit 63 1 Gurjew am 6. August 4 bezw. 12, das Uralgebiet (eins der Stadt Uralsk) 25 bezw. 12. In Tobolsk erkrankten 30. Juli bis 7. August (ausschließlich des 4. August, für den Angaben fehlen) 280, es starben 155, in Tomsk vom 1. bis 6. August 119 bezw. 59, in Petropawlowsk und Omsk vom 26. bis 31. Juli in Turkestan starben vom 26. Juli bis 3. August 179. Rostow mit Nachitschewan zählte am 7. August erkrankungen, 58 Todesfälle, das Dongebiet 911 zw. das Gouvernement Jekaterinoslaw sonst noch 27 bezw. 10, Charkow 2 bezw. 4, außerdem das Gouvernement 156 bezw. 68, die Gouvernements Poltawa am 6. August 13 bezw. 6, Kursk am 7. August 26 bezw. 10, Woronesch 84 bezw. 33, Tambow 194 bezw. 107, Pensa 9 bezw. 2, Rjasan 35 bezw. 13, Wladimir vom 31. i bis 6. August 34 bezw. 16, Kostroma am 6. August 5 bezw. 5, am 7. August 13 bezw. 3, der Bezirk 3 bezw. 3, insk am 6. August 2 bezw. 2. In Moskau sind bis einschließlich 8. August 98 Erkrankungen und 43 Todesfälle vor⸗ gekommen.

Aus Kronstadt wurde am 17. August ein tödtlich verlaufener

Fall asiatischer Cholera gemeldet. Aus Nikolajew traf die amtliche Mittheilung ein, daß bei dem aus Chexson zum Manöbver ange⸗ kommenen Samorskoe⸗Regiment 4 Cholerafälle, wovon 2 mit tödt⸗ lichem Ausgang, sich ereignet haben. St. Petersburg, 24. August. Nach amtlicher Mittheilung sind hier von gestern Mittag bis heute Mittag 111 Cholera⸗ Erkrankungen und 32 8fa vorgekommen. Im Gou⸗ vernement Samara betrug in eit vom 20. bis 22. d. M. 4 mittlere tägliche Erkrankungsziffer 1194, diejenige der Sterblich⸗ eit 529.

Aus Königsberg i. Pr. wird amtlich mitgetheilt, daß daselbst ein am 13. Juni aus Pommern zugereister Arbeiter am 3. Juli an Flecktyph us erkrankte, nachdem er kurze Zeit in demselben Hause Wohnung gehabt hatte, in welchem der cine der beiden berichtete Fälle sich ereignete. Die vorgeschriebenen gesundheitspolizeilichen

Maßnahmen sind getroffen.

Aus Genua kam eine Meldung vom 1. August, daß der aus Brasilien eingelaufene italienische Dampfer „Mentana“ am 31 1nn zur Quarantäne nach Asinara geschickt worden ist, weil auf ihm unter⸗ wegs mehrere Todesfälle am Gelbfieber vorgekommen waren und ein am Gelbfieber erkrankter Passagier noch an Bord sich befand.

New⸗York, 22. August. In Lima und Callao wüthet

t. B.“ zufolge die Influenza. Die Hälfte der Einwohner Städt

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Handel und Gewerbe.

Die Londoner „Allg. Corr.“ schreibt: Das Darniederliegen Baumwoll⸗Industrie Lancashire's wird immer stärker. meisten Fabriken produciren jetzt in einer Woche nicht mehr als frü an einem Tage.

New⸗York, 24. August. (W. T. B.) Eine und eine halbe Million Dollars Gold sind zur Verschiffung mit dem Dampfer „Fürst Bismarck' bestellt.

Europa

Theater und Musik.

Kroll's Theater.

nora Franceschina Prevosti trat gestern Abend als Rossini's „Barbier von Sevilla“ vor das

Publikum. Die Sangeskunst feierte Triumphe wie am Tage des ersten Auftretens der Künstlerin. Aus den perlenden Tönen sprach die Anmuth und Schelmerei der Musik Rossini's mit erguickender Frische. Gleich die Antrittsarie erklang hell und klar, und bei scheinbar sorgloser Leichtigkeit des Vortrags erkannte man doch die sorgfältigste zarteste Ausarbeitung der reichen Coloratur; erstaunlich ist die Kraft und Dauer des Trillers und bewundernswerth die dynamische Ausgleichung, wenn die Sängerin die Töne mit bewunderungs⸗ würdiger Schönheit und Zartheit im Ausdruck langsam anschwellen und mit unnachahmlicher Duftigkeit allmählich verklingen läßt; kurz, auch diesmal entwickelte Fräulein Prevosti alle Künste des italienischen Coloraturgesanges in verschwenderischer Fülle und mit unbestreitbarer Meisterschaft. Im Spiel lebendig und empfindungsvoll, trieb sie fast mehr neckischen Uebermuth, als wir im Durchschnitt von der Rosine gewöhnt sind. Im zweiten Act nahmen die Einlagen einen großen Raum ein. Es gelangten die „Couplets du Mysoli“ aus David's Oper „La perle

du Brésil“ zum Vortrag, die kurz vor ihr Fräulein Heymann in

derselben Rolle gesungen hatte. Signora Prevosti ist ihrer Vor⸗ gängerin natürlich in allen Stücken ö namentlich bietet aber diese Einlage zur Entfaltung der wunderbarsten Kunstfertigkeit im Gesang die ausgiebigste Gelegenheit, und die Künstlerin machte un⸗ eingeschränkten Gebrauch davon; sie entfesselte mit dieser Pioce solche Beifallsstürme, daß sie sich zum Vortrag eines zweiten Liedes entschloß, dem sie endlich eine dritte Zugabe mit englischem Tert folgen liet. Der „Bolero“ aus Verdi's „Sicilianischer Vesper“, die letzte der ingefügten Piècen, fesselte ebenso sehr durch die Ausdrucksfülle des ons, wie durch die Schönheit des Gesanges. 2 Die Besetzung der übrigen Rollen hat gegen früher keine änderung erfahren. Herr Alma als Graf Almaviva, § Pokorny als Figaro fanden lebhafte Anerkennung, ebenso die Herren Grosser (Bartholo) und Poppe (Basilio), die besonders durch ihr komisches Spiel lebhafte Heiterkeit erregten.

Der Spielplan des Königlichen Opernhauses hat eine Abänderung erfahren. Am Sonnabend geht „Cavalleria rusticana“ mit den Damen Pierson, Rothauser, Lammert, den Herren Sylva und Fränkel in Scene. Darauf folgt der „Dorfbarbier“ mit den Damen Herzog und Lammert, den Herren Stammer, Mödlinger, Philipp, Lieban und Krasa. Die Vorstellung beginnt um 7 ½ Uhr. Am Sonntag bleibt das Königliche Opernhaus geschlossen.

Das Berliner Theater bringt am Montag Schiller's „Jungfrau von Orleans“ mit Sidonie Hönig vom Deutschen Volks⸗ theater zu Wien in der Titelrolle und Ludwiga Welly vom Hof theater zu München in der Rolle der Sorel zur Aufführung. Am Mittwoch, 31. d. M., tritt Agnes Sorma zum ersten Male nach den Ferien wieder auf und zwar afs Lorle in „Dorf und Stadt“.