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esellte sich eine vorzügliche Darstellung. Herr Kainz schuf aus dem
isanthropen eine Gestalt von eigenartiger Schönheit, in der selbst die übermäßig angespannten Saiten des Gemüths Alcest's sich in schöne Harmonie aufzulösen schienen. Er führte den erbitterten Krieg gegen alles, was ihm mit der Wahrheit und Offenheit nicht streng vereinbar erscheint, mit leidenschaftlicher Aufwallung und auf⸗ brausendem Zornesglühen durch. Mit wie feuriger Erregung und frohsinniger Stimmung trug er das einfache Liedchen vor: „Und gäbe König Heinrich mir seine große Stadt Paris“, nachdem er in galliger Erbitterung dem Verfasser des geschraubten Sonetts erklärt hatte, daß die Sünde, solche unwahren Empfindungen in so unklaren Reimen auszudrücken, hängenswerth sei. Wie echt und wahr quillt die Sprache der Liebe aus seinem Herzen, der Liebe, die, wie er weiß, ihn demüthigt und seiner Seele die tiefsten Schmerzen verursacht! Mit leidenschaftlicher, bekümmerter Sehnsucht in den Augen wirbt er um ein gütiges Wort von der schönen, herzlosen Gebieterin, das ihm wider sein besseres, wahrhaftiges Gefühl den Glauben an ihre Un⸗ sen, an ihre aufrichtige Neigung zurückgeben soll. Durch den eißenden Spott seiner Rede zitterte soviel tiefe Empfindung, glühte soviel Geistesgröße, daß die herzbrechende Tragik seiner unwürdigen Herzensneigung um so schärfer hervortrat. Der Künstler war in
jedem Augenblick mit ganzer Seele bei seiner Aufgabe; er ging in der dichterischen Gestalt, die er schuf, völlig auf. Sein stummes Spiel
begleitete beredt alle Vorgänge; und in der berühmten scène des portraits,
in der Celimene vor allen die Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen soll, erregte des Künstlers stummes Geberdenspiel, mit dem er die boshaften und klugen Ausfälle der Schönen gegen ihre Verehrer und Freundinnen begleitet, die größte Theilnahme. Frau Petri als Celimene erschien
in reizender Rococomaske; die leichtfertige Koketterie der Gestalt, die
öde Leere des Herzens, die nur leicht durch ein gefälliges Entgegen⸗ kommen verschleiert ist, brachte sie genugsam zur Geltung. Fräulein Theumer spielte die liebenswürdige Eliante recht
gefällig, und Fräulein Wolff fand sich mit der boshaften Arsinoé recht gut ab; für die innere Wuth, die bei den
Spoettreden Celimenens in ihr aufsteigt und sofort wieder durch den
äußeren Zwang der Höflichkeit erstickt werden muß, fand sie den rechten Ausdruck. Dem reimsüchtigen Herrn vom Hofe, Oront, lieh
Herr Merten eine harmlose Liebenswürdigkeit, die sich beim Vor⸗ trage des Sonetts zu komischer Wichtigkeit steigerte. Herr Senius
als Acast belustigte durch die alberne Selbstgefälligkeit, die er besonders
beim Vorlesen des satirischen Briefes Celimenens zur Schau trug. Herr Herz als IG Freund und Herr Köhler als tölpelhafter Diener Alcest's lösten ihre Aufgaben ebenfalls zur Zufriedenheit.
Im Anschluß an den „Misanthrop“ wurde eine eigene Arbeit
Ludwig Fulda's, ein kleines Lustspiel „Das Wunderkind“, gegeben. a
halten zu sagen, daß diesmal seine eigne dichterische Arbeit von geringer Bedeutung ist. Das kleine Lustspiel besitzt nur wenig Handlung,
das Verdienst Fulda's als Uebersetzer darf uns nicht ab⸗
und dieser Mangel wird auch nicht, wie in früheren Arbeiten des Ver⸗
fassers, durch einen klugen Dialog, durch belebende Wärme der
Empfindung ersetzt. Daß ein junges Ehepaar noch einmal über die
Wiege seines Erstgeborenen hinweg, in der Erinnerung an die ersten Liebesfreuden den Herzensbund erneuert, ist selbst für einen Act zu wenig. Der Störenfried, der die Eintracht der Herzen auf
urze Zeit aufgehoben hat, das Kind, wird nicht gerade geschmackvoll
eingeführt; es werden in Bezug auf seine Wärterin recht fade Witze gemacht, die man der vornehmen Weise Fulda's nicht zugetraut hätte.
s mischte sich denn auch in den lauten Beifall, den das Stück bei
Einigen fand, ein recht heftiger Widerspruch. Die Darstellung war bewährten Händen anvertraut, Herrn Kadelburg und Fräulein Else Lehmann; aber selbst die Liebenswürdigkeit des einen und
ie herzliche Behaglichkeit der anderen vermochten keine frische Stim⸗
mung in die Vorstellung zu bringen.
8 ““
Die am Freitag im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater als dritter Abend im Offenbach⸗Cyklus zur erstmaligen Aufführung gelangende dreiactige Operette „Die Banditen“ erfordert ein so zahlreiches Personal, daß fast die gesammte Künstlerschaar dieser Bühne darin beschäftigt erscheint. 3
Die nächste Neuheit des Residenz⸗Theaters führt den Titel „Im Pavillon“ (Le parfum) Schwank in 3 Acten von Ernest Blum und Raoul Toché. 88
Im Thomas⸗Theater bleibt „Onkel Bräsig“ zunächst noch für morgen, Mittwoch und Donnerstag auf dem Spielplan.
betheiligten deutschen Offiziere vollzog sich auf dem Tempelhofer Felde unter recht ungünstigen Witterungsverhältnissen, aber trotzdem unter dem Andrange zahlreicher Zuschauer. Ueber den Verlauf des Rittes der bis jetzt abgelassenen deutschen Offiziere wird den „Neuest. Nachr.“ gemeldet: Lieutenant Freiherr von Erlanger mußte der Drahtnachricht, daß er bereits am Sonnabend Abend um 7 Uhr in Hoyerswerda angelangt sei, die Kunde folgen lassen, daß sein Pferd lahm ge⸗ worden sei und deswegen hätte abgestoppt werden müssen. Das Gleiche mußte Lieutenant von Rekum mit seinem Pferd thun, das in Kalau erkrankt war. Freiherr von Marschall's „Wanderschwalbe“, die Freiherr von Zandt ritt, ist in Altdöbern an Kolik erkrankt. Seine Königliche Hoheit der Prinz Friedrich Leopold hatte in Luckau zu Mittag gerastet und wollte noch am Sonnabend bis Hoyerswerda kommen. — Heute früh um 9 Uhr 30 Miuuten ist der hiesige Start geschlossen worden, nachdem noch 42 Reiter in den Sattel gestiegen waren. Als letzte Reiter traten der Hauptmann Freiherr von Müffling gen. Weiß vom 1. Garde⸗Regiment z. F. und der Rittmeister Freiherr von Esebeck vom 3. Garde⸗Ulanen⸗ Regiment Vormittag 9 Uhr 30 Min. den Distanzritt nach Wien an. An dem Distanzritt haben somit insgesammt 109 deutsche Offiziere theilgenommen, und zwar 2 Obersten, 1 Oberst⸗Lieutenant, 3 Majors, 17 Rittmeister, 7 Hauptleute, 34 Premierlieutenants und 45 Secende⸗ Lieutenants. Unter den Pferden befanden sich 2 Hengste, 45 Wallache und 56 Stuten, bei 6 Pferden war das Geschlecht nicht angegeben. 9 Pferde wurden als Vollblut, 14 als Halbblut aufgeführt. Aus England stammten 7, aus Irland 2, 9 wurden ausdrücklich als preußische, 1 als Mecklenburger, 1 als Graditzer, 2 als österreichische, 5 als Ungarn, 1 als galizisches und 1 als russisches Pferd bezeichnet.
Ueber die österreichisch⸗ungarischen Distanzreiter wird der W. „Presse“ aus Guntersdorf vom Sonnabend Mittag gemeldet: Die erste Rallstation ist erreicht und nahezu sämmtliche Reiter haben den 58 km langen Weg bis 12 Uhr Mittags zurück⸗ gelegt; der größere Theil der Distanzreiter hat hier für eine Stunde Aufenthalt genommen, und nur zehn bis zwölf Herren haben den Ritt fortgesetzt, um in Znaim eine größere Rast zu halten. Im Durchschnitt wurde die Strecke in vier Stunden geritten, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, daß das ungünstige Terrain zwischen Hollabrunn und Guntersdorf eine Schonung der Pferde nothwendig machte. Die Bevölkerung kommt den Distanzreitern überall auf das Freundlichste entgegen. Um halb 1 Uhr hatte der letzte Distanz⸗ reiter Guntersdorf passirt. In Mährisch Budwitz traf der erste Distanzreiter um 4 Uhr 20 Minuten Nachmittags ein, ihm folgten bald mehrere; einzelne von ihnen gedachten in Iglau Nacht⸗ quartier zu nehmen. In Schelletau trafen einige Reiter gegen 6 Uhr Abends ein. Vom Sonntag wird dem „W. T. B.“ aus Wien gemeldet: Heute starteten achtundvierzig Theilnehmer am Distanzritt Berlin —Wien in sechzehn Gruppen. Fünf zum Start be⸗ stimmte Reiter konnten nicht abgehen, weil ihre Pferde im Training niedergebrochen waren. Nach den eingegangenen Drahtmeldungen hatten die Grafen Paar und Fürstenberg Sonnabend Abend einen
weiten Vorsprung.
— X“
Essen, 3. Oktober. Heute wurde der Beleidigungsprozesßs
Baare gegen Fusangel von dem Landgerichts⸗Director Hoene mit der Aufforderung an beide Parteien eröffnet, im Interesse des öffentlichen Friedens einen Vergleich herbeizuführen, der beiden Parteien nur zur Ehre gereichen würde. Der sogenannte Stempel⸗ fälschungsprozeß habe einen ehrenvollen Vergleich ermöglicht. Aus diesem sei insbesondere die Person des Geheimen Commerzien⸗Rath
Baare intact hervorgegangen, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien vollständig widerlegt, und das Ansehen des Bochumer Vereins sei nicht nur wiederhergestellt, sondern noch befestigt worden. Aber auch bezüglich Fusangel's habe die Verhandlung ergeben, daß er kein Verleumder im Sinne des Gesetzes, sondern daß er nur in gutem Glauben gehandelt habe, die Parteien seien daher in der Lage, einen für beide Theile ehrenvollen Vergleich zu schließen. Der Präsident fügte hinzu, daß er diese Worte aus eigener Initiative, ohne von jemandem dazu aufgefordert worden zu sein, an die Parteien richte. Der Vergleich wurde angenommen. Gegen 10 Uhr war die Berhandlung beendigt.
8 Hamburg, 3. Oktober. Der auf der hiesigen Rhede liegende spanische Dampfer „Daviz“ wurde, wie „W. T. B.“ meldet, in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag von dem von Hamburg elbabwärts nach Hull gehenden englischen Dampfer „Busy Bee“ angerannt. Hierbei wurden der Capitän und der Steuermann des „Daviz sowie der Lootse Wesselhoeft getödtet. Der „Daviz“, der eine werthvolle Ladung an Bord hatte, mußte auf den Grund gesetzt werden und sank unter. Der „Busy Bee“ kehrte mit stark beschädigtem Bug nach Hamburg zurück.
Paris, 3. Oktober. Wie aus Tarbes (Hautes Pyrénées) dem „W. T. B.“ gemeldet wird, ist daselbst gestern während eines Kinderfestes der Fußboden eines Schulsaales durch⸗ gebrochen. Es soll dadurch eine größere Anzahl Kinder zu Schaden gekommen sein. 1
Marseille, 1. Oktober. Durch einen von heftigem Sturme. begleiteten wolkenbruchartigen Regen ist laut Meldung des „W. T. B.“ heute Vormittag der tiefer gelegene Stadttheil von Marseille, namentlich das Börsenviertel, unter Wasser gesetzt w Der Schaden an Materäal ist beträchtlich. 1
Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen.
Budapest, 3. Oktober. (Telegramm des „K. K. Cor⸗ respondenz⸗Bureaus“.) Die Erwiderung des Kaisers auf die
Ansprachen der Präsidenten der Delegationen be⸗
tont, daß die auswärtige Lage unverändert sei und freundliche Beziehungen zu allen Mächten beständen. Fortdauernd be⸗ währe sich die den Frieden erhaltende Wirkung des vertrauens⸗ vollen Zusammenstehens mit den verbündeten Reichen. 8 Pest, 3. Oktober. (W. T. B.) Von gestern Nach⸗ mittag 4 Uhr bis Mitternacht sind 8 Personen an der
Cholera erkrankt und eine gestorben. Von Mitternacht bis heute Vormittag 8 Uhr ist keine neue Erkrankung, jedoch ein .
Todesfall vorgekommen.
Neapel, 3. Oktober. (W. T. B.) Der bayerische Minister Freiherr von Crailsheim ist gestern hier einge⸗ troffen und im Grand Hötel abgestiegen.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
E vom 3. Oktober, A.
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Wetter.
Schauspielhaus. 209. Vorstellung. r Morgens. Herr. Schauspiel in 7 Vorgängen von Ernst von 5 Wildenbruch. In Scene gesett vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 1 ta⸗
Mittwoch: Opernhaus. 200. Vorstellung. Die 1. Aufführung.
Der neue In Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent: bild in 5 Acten nach Fritz Reuter's „Ut mine
Herr Kapellmeister Federmann. Anfang 7 Uhr. Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.
hr. Freitag: Dritter Abend im Offenbach⸗Cyelus.
Die Banditen.
Stromtid“ für die deutsche Bühne eingerichtet von August Junkermann. Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.
133701]] Hohenzollern⸗Galerie
Operette in
in 0 Celsius 50 C. = 40 R
Temperatur
Bar. auf 0 Gr u. d. Meeress red. in M
4 wolkig NO 4 wolkig OSO 4 wolkenlos 11 ONO 2Regenu) ONO A heiter still Nebel
Mullaghmore Aberdeen .. Christiansund Kopenhagen. Stockholm.
aparanda . 764
t. Petersburg 767 still Nebel Moskau.. 766 sttill bedeckt
Cork, Queens⸗ q166161 3 heiter Cherbourg. 758 4 wolkig 111““ 4 halb bed. 111“ 1 Dunst mburg . 757 1 wolkig winemünde 756 2 Regen ²) Neufahrwasser 758. 1 wolkig re . 761 3 halb bed.
Peris . 759 % 3 wolkenlos 7 ünster.. 757 2 heiter Karlsruhe. 761 ⁸ 2 wolkig ³) Wiesbaden 760 still heiter;) München 762 5 halb bed. ⁵) Chemnitz 759 4 bedeckts) Berlin. 757 still bedeckt?) . 7256 3 bedeckt Breslau. 757 still Regen Ile d'Aix 762 WAW 4 halb bed. Niza 759 NW LI beiter Triest 758 NO 1 wolkig
1¹) Nachts Gewitter. ²) Nachts Gewitter, Nach⸗ mittags u. Nachts Regen. ³) Thau. ⁴) Nachts Regen. ⁵5) Nachts Regen. 6) Nebel. ⁷) Nachts Regen.
Uebersicht der Witterung.
„Das barometrische Minimum, welches noch immer über den Britischen Inseln liegt, hat sehr langsam an Tiefe abgenommen, während das barometrische Maximum über Nordost⸗Europa sich weiter ausge⸗ breitet hat. In Central⸗Europa wehen meist schwache füdliche bis westliche Winde bei trüber Witterung und sinkender Temperatur. Vielfach ist Regen ge⸗ fallen. Die östliche Luftströmung, welche durch das barometrische Maximum im Nordosten verursacht wird, ist bis zur ostdeutschen Grenze vorgedrungen. Swinemünde und Kopenhagen hatten Nachts Ge⸗ witter. Deutsche Seewarte.
e“*“ Theater⸗Anzeigen. Königliche Schauspiele. Dienstag: Opern⸗
22ö2 GSn α2— —,— — —
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Dhheaaus. 199. Vorstellung. Tannhäuser und der
Sängerkrieg auf der Wartburg. Romantische
Oper in 3 Acten von R. Wagner. Ballet von
Emil Graeb. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur
. Dirigent: Kapellmeister Sucher. Anfang 2
Puppenfee. Pantomimisches Ballet⸗Divertissement 3 Acten. Musik von Jacques Offenbach.
von Haßreiter und Gaul. Musik von J. Bayer. In Scene gesetzt vom Balletmeister Emil Graeb. Dirigent: Musikdirector Hertel. — Djamileh. Romantische Oper in 1 Act von G. Bizet. Text von L. Gallet, deutsch von L. Hartmann. Tanz von E. Graeb. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Weingartner. — Slavische Brautwerbung. Tanzbild von Emil Graeb. Musik componirt und arrangirt von P. Hertel. (Mit Einlagen von J. Brahms.) Anfang 7 Uhr.
Schauspielhaus. 210. Vorstellung. Zum 1. Male: Der Widerspänstigen Zähmung. Lustspiel in 4 Aufzügen von William Shakespeare, nach der Uebersetzung von Wolf Graf Baudissin (Schlegel⸗ Tieck), für die deutsche Bühne bearbeitet von Robert Kohlrausch. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.
Deutsches Theater. Dienstag: Zum 3. Male: Der Misanthrop. Schauspiel in 5 Auf⸗ zügen von Molière. In deutschen Versen von Lud⸗ wig Fulda. — Zum 3. Male: Das Wunderkind. Lustspiel in 1 Aufzug von Ludwig Fulda. An⸗
. Uhr.
ittwoch: Die beiden Leonoren. Donnerstag: 4. Goethe⸗Cyclus. 8. Abend.
Faust’s Tod. 8 Sonntag, Nachmittags 2 ½ Uhr: Zum Besten der
Nothleidenden in Hamburg. Wohlthätigkeits⸗Vor⸗
stellung zu ermäßigten Preisen. Faust.
Berliner Theater. Dienstag: Die Gold⸗ probe. Anfang 7 Uhr.
Mittwoch: Zum 1. Male: Das Käthchen von Heilbronn. 1 3
Donnerstag: Das Käthchen von Heilbronn.
Lessing-Theater. Dienstag: Zum 6. Male: Die Orientreise. Schwank in 3 Acten von Oscar Blumenthal und Gustav Kadelburg. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Die Orientreise. 1X“
Donnerstag: Die Orientreise.
Wallner-Theater. Dienstag: Neu einstudirt in neuer Bearbeitung: Der Mann im Monde. Posse mit Gesang in 3 Aufzügen (5 Bildern) von
duard Jacobson. Anfang 7 ½ uhr.
Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.
F
Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater. Dienstag: Zweiter Abend im Offenbach⸗ Cyeclus. 13. Aufführung: Mit neuer Ausstattung: Schönröschen. Komische Operette in 3 Acten von Hector Cremieux und Ernest Blum. Deutsch von Carl Treumann. Musik von Jacques Offenbach. Für die hiesige Bühne eingerichtet von L. Herrmann.
Residenz-Theater. Direction: Sigmund Lauten⸗ Dienstag: Zum 102. Male: Der selige Tou⸗ pinel. Schwank in 3 Acten von Alexandre Bisson. Deutsch von Gustav von Moser. — Vorher: Schlittenrecht. Lustspiel in 1 Act von Burg⸗ hard von Cramm. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Der selige Toupinel. Vorher: Schlittenrecht.
In Vorbereitung: Im Pavillon. (Le Par- fum.) Schwank in 3 Acten von Ernest Blum und Raoul Toché.
Kroll's Theater. Dienstag: Gastspiel der Großherzoglichen Kammersängerin Fr. Moran⸗Olden. Die Hochzeit des Figaro. (Gräfin: Frau Moran⸗Olden.) Anfang 7 Uhr.
Mittwoch: Erstes Gastspiel von Frau Etelka Gerster. Linda von Chamonnix.
Täglich, bei günstigem Wetter: Großes Concert im Sommergarten. Anfang an Sonn⸗ und Festtagen 4 Uhr, an den Wochentagen 5 ½ Uhr.
Belle⸗Alliance-Theater. Neue Deutsche Oper. Dienstag: Zum 3. Male: Der Weiber⸗ krieg. Komische Oper in 3 Acten von Felix von Woyrsch. In Scene gesetzt von W. Hock. Dirigent: Kapellmeister Robert Erben. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.
Theater Unter den Linden. Direction: Alois und Rudolph Ronacher. Dienstag: Die Welt in Bild und Tanz. Phantastisches Ausstattungs⸗Ballet in 1 Vorspiel und 5 Bildern
von F. Gaul und J. Haßreiter. Musik von J. Bayer.
Ballet⸗Autoren der K. u. K. Hofoper in Wien. Inscenirung durch den Balletmeister Hrn. L. Gundlach. — 9 ½ Uhr: Das grandiose chinesische Ballabile Ein Drachenfest. — Vor dem Ballet: Daphne. Operette in 1 Act von Hans Müller. Musik von A. Ferron. Inscenirt vom Ober⸗Regisseur Herrn C. A. Friese. Während der Pause: Promenade⸗Concert des Theater⸗Orchesters. Anfang 7 ½ Uhr.
Adolph Ernst⸗Theater. Dienstag: Zum 29. Male: Die wilde Madonna. Gesangs⸗ posse in 3 Acten von Leon Treptow. Couplets von
. Görß. Musik von G. Steffens. Mit neuen Costumen und neuen Decorationen aus dem Atelier des Herrn Lütkemeyer in Coburg. In Scene gesetzt von Adolph Ernst. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.
Thomas-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Dienstag: Gesammt⸗Gastspiel des Fritz Reuter⸗ Ensemble unter Direction von August Junker⸗ mann. Zum 27. Male: Onkel Bräsig. Lebens⸗
Lehrter Batzuhof. 1 ℳ Sonntags 50 ₰.
Gr. histor. Rundgemälde 1640 — 1890. Geöffnet 9 Uhr bis Dunkelh. Sonnt. 9—9.,
Uranin, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof).
Geöffnet von 12 — 11 Uhr.
Coucerte.
Concert-fjaus. Dienstag: Karl Meyder⸗ Concert. Anfang 7 Uhr.
Ouv.: „Euryanthe“ von Weber. „Die Felsen⸗
mühle“ von Reißiger. Fest⸗Polonaise von Stör. Phantasie aus „Lohengrin“ von Wagner. „Laura⸗ Walzer“ von Millöcker. „Souvenir de Bade“ für die Violine von Leonhard (Herr Concertmeister Carnier). Phantasie aus „Don Juan“ von Mozart. „Nachklänge aus dem Zillerthal“ für Piston von Hoch (Herr Steffens).
☛᷑eEEEmeenAEAnrmnmemamneenmhemneenn
Familien⸗Nachrichten.
Verlobt: Frl. Helene von Morgenstern mit Hrn.
Oberst⸗Lieut. z. D. Albert von Römer (Leipzig). — Frl. Anna Marquardsen mit Hrn. Lieut. zur See Hans Recke (Wilhelmshaven.) — Frl. Winny Rigaud mit Hrn. Lieut. Ficinus (Friedrichsfeld bei Wesel). 8
Verehelicht: Hr. Hans von Luttiz mit Frl. Anna Viebahn (Koblenz). — Hr. Lieut. Oswald von Kleist mit Frl. Frida von Wedel (Vehlings⸗ dorff). — Hr. Hauptmann Oscar von Hutier mit Fräulein Maria Theresia von Miller zu Aichholz (Vöslau bei Wien). — Hr. Wilhelm Frhr. von der Ropp mit Frl. Hildegard von Haber (Dresden).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Gymnasial⸗Director Dr. Eckardt (Breslau). — Hrn. Major Gott⸗ schalk (Brandenburg a. H.). — Eine Tochter: br Georg Frhrn. von Friesen⸗Leyser (Friedrichs⸗ thal).
Gestorben: Verw. Fr.⸗„Pfarrer Lisette Ebel, geb. Lube (Wehlau). — Frl. Maria Pates von Braun (Radebeul bei Dresden). — Hrn. Prem.⸗ Lieut. Seiffert Tochter Phyllis Mary Ludemille (Sulmierzyce). — Hr. Regierungs⸗Rath a. D. August IüFener (Cannstatt, Württemberg). — Hr. Fortifikations⸗Secretär, Rechnungs⸗Rath Eschert (Lüben i. Schl.).
Redacteur: Dr. H. Klee, Directkor. Berlin:
Verlag der Expedition (Scholz). Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Fünf Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
715622)
Nℳo) 233.
Statistik und Volkswirthschaft.
Invaliditäts⸗ und Altersversicherung.
An Anträgen auf Gewährung von Renten sind bei der Han⸗ seatischen Versicherungsanstalt eingegangen:
a. an Altersrenten: im Laufe des Jahres 1891 1105, im Ja⸗ nuar 1892 39, im Februar 1892 40, im März 1892 33, im April 1892 37, im Mai 1892 40, im Juni 1892 28, im Juli 1892 30, im August 1892 28, im September 1892 27, zusammen 1407.
b. an Invalidenrenten im Januar 1892 5, im Februar 1892 20, im März 1892 14, im April 1892 14, im Mai 1892 19, im Juni 1892 11, im Juli 1892 13, im August 1892 18, im September 1892 12, zusammen 126; 3
mithin sind seit Beginn des Jahres 1891 an Rentenanträgen eingegangen 1533. Von diesen entfallen auf das Gebiet der freien Hansestadt Lübeck 273, Bremen 346, Hamburg 914. Von den ein⸗ gegangenen Anträgen sind bis Ende September erledigt: 1371 Anträge auf Altersrente und 106 Anträge auf Invalidenrente und zwar 1254 durch Rentengewährung und 223 durch Ablehnung. Hiervon ent⸗ fallen auf das Gebiet der freien Hansestadt Lübeck Rentengewäh⸗ rungen 229, Ablehnungen 34, der freien Hansestadt Bremen Renten⸗ e 291, Ablehnungen 43, der freien Hansestadt Ham⸗ d
urg Rentengewährungen 734, Ablehnungen 146. Die Jahressumme er bis jetzt gewährten Renten macht insgesammt 196 020 ℳ aus. Nach den Berufszweigen vertheilen sich die 1215 Rentenempfänger
auf folgende Gruppen: Landwirthschaft und Gärtnerei 89 Renten⸗
empfänger, Industrie und Bauwesen 534 Rentenempfänger, ehde und Verkehr 197 Rentenempfänger, sonstige Berufsarten 105 Renten⸗ empfänger, Dienstboten ꝛc. 329 Rentenempfänger.
Otto Hübner's Geographisch⸗statistische Tabellen, deren Herausgabe seit einer Reihe von Jahren Professor Dr. Fr. von Juraschek besorgt, sind jetzt in der 41. Ausgabe für das Jahr 1892 erschienen. Die Zuverlässigkeit und praktische Einrichtung des kleinen Buchs (Pr. 1,20 ℳ, in Wandtafel⸗Ausgabe 60 ₰) ist bekannt. In der neuen Ausgabe sind die neuen Volkszählungen sowie die Vermessungen der Erde, die das von Wagner und Supan herausgegebene Werk „Die Bepölkerung der Erde“ veröffentlichte, be⸗ rücksichtigt. Die Gesammtbevölkerung der Erde, welche in dem vorigen Jahrgang auf 1555 Millionen Menschen geschätzt wurde, ist jetzt auf 1484 Millionen angegeben worden; der Rückgang erklärt sich daraus, daß nach neueren Schätzungen die Bevölkerung Chinas und Innerafrikas sehr viel geringer ist, als bisher angenommen wurde. Ueber die Bewegung des Handels heißt es in dem Vorwort: „Die Bewegung des Handels ist im Jahre 1891 keine gleichmäßige ge⸗ wesen. Nur einige Staaten, wie Oesterreich⸗Ungarn und die Ver⸗ einigten Staaten, zeigen eine starke Vermehrung der Ein⸗ und Aus⸗ fuhrwerthe; andere Staaten wie England, Rumänien, Indien haben wohl einen erhöhten Einfuhrwerth, aber verminderte Ausfuhrwerthe. Bei China ist das Umgekehrte der Fall. In Italien ist die Ausfuhr fast wie 1890 bewerthet, der Einfuhrwerth ist aber stark ermäßigt, bei Deutschland und der Schweiz ist der Ein⸗ und Ausfuhrwerth zurück⸗ gegangen. Bei dieser Bewegung haben zweifelsohne die Ernteergeb⸗ nisse des Jahres den größten Einfluß ausgeübt, doch sind auch die Einwirkungen der Zolltarifsätze zu erkennen.“ Zur Vergleichung und zur Erfassung des internationalen Gesammthandels ist der vor⸗ liegenden Ausgabe eine ganz neue Tabelle eingefügt: eine Uebersicht des Specialhandels aller Länder der Erde nach Erdtheilen geordnet für die Jahre 1889 und 1890. Es ergiebt sich daraus, daß in diesen Jahren Werthe im Gesammtbetrage von 38 759 vesp. 39 943 Millionen Mark in der Einfuhr und 33 879 resp. 34 635 Millionen Mark in der Ausfuhr umgesetzt wurden. Die Mabellen⸗ sind jetzt in den Verlag von Heinrich Keller in Frankfurt a. M. übergegangen; infolge dessen hat sich das Format etwas vergrößert und die Ausstattung verbessert: das Auffinden der richtigen Zahlen in den einzelnen Spalten ist jetzt durch bessere typographische Ein⸗ richtung wesentlich erleichtert.
8 Zur Arbeiterbewegung.
Aus Hamburg wird dem „Vorwärts“ berichtet, daß dort am 26. September sämmtliche Glasschleifer der Firma Herwig plötzlich entlassen wurden.
In Mitterteich (Bayern) haben nach demselben Blatte die Porzellanmaler der Firma Meusel am 27. v. M. die Arbeit niedergelegt. 1
Die Firma Ferdinand Bendix Söhne, Holzbearbeitungs⸗ Fabrik in Berlin, läßt dem „Vorwärts“ der Notiz gegenüber, daß ihre sämmtlichen Tischler wegen Verweigerung der Sonntagsarbeit entlassen worden seien (vergl. Nr. 230 d. Bl.), eine Berichtigung zugehen, der wir Folgendes entnehmen: Es handelte sich nicht um sämmtliche Arbeiter der Firma, sondern um etwa 24 Mann, die auf einem Bau in der Leirzigerstraße beschäftigt waren. Die Leute sind am Sonnabend befragt worden, ob sie am Sonntag von 7 bis 10 Uhr Vormittags bei höherem Lohnsatze arbeiten wollten, und erst nach ihrer Zustimmung ist die Arbeitszeit zwischen 7 bis 10 Uhr angeordnet worden. Der Chef des Berliner Hauses machte erst von seinem Rechte, die Leute sofort zu entlassen Gebrauch, nach⸗ dem die Arbeiter, durch zwei Genossen aufgehetzt, ohne ein Wort zu sagen, sämmtlich der Arbeit fern blieben, die sie zu leisten versprochen hatten.
Ein Pariser Telegramm des „H. T. B.“ meldet vom 30. Ok⸗ tober: Der Congreß der Grubenarbeiter hat in seiner Schluß⸗ sitzung in La Ricamarie Baudin und Calsignac zu Ehren⸗ Präsidenten ernannt. In zahlreichen Reden wurde eine Vereinigung aller Arbeiter empfohlen.
In Saragossa ist, wie „H. T. B.“ meldet, ein allgemeiner Metzgerstrike ausgebrochen und die Fleischerläden sind sämmtlich geschlossen. Der Stadtrath hat den Ankauf von Schlachtvieh be⸗ schlossen, um die Einwohner mit dem nöthigen Fleisch versehen zu können. Die Militärbehörde hat der Stadtverwaltung eine Abthei⸗ lung Truppen zur Verfügung gestellt.
Kunst und Wissenschaft. Die Ausgrabungen von Pompeji 3
haben in den letzten Jahren nicht eben viel von sich reden ge⸗
macht. Es ist ja bei der methodischen Ausgrabung einer ganzen Stadt unvermeidlich, daß man sich oft Jahre lang durch unbedeutende Gebäude durcharbeiten muß, bis einmal ein durch Architektur und künstlerischen Schmuck hervorragen⸗ deres Haus die Geduld belohnt und unsere Anschauung antiker Kunst und antiken Lebens wesentlich bereichert. Und dieser Fall war nicht eingetreten seit dem Jahre 1879, in welchem die sogen. Casa del Centenario gefunden wurde, benannt nach dem in eben diesem Jahre gefeierten achtzehnhundert⸗ jährigen Erinnerungsfest an die Verschüttung Pompejis.
Es scheint nun aber, daß in neuester Zeit eine günstigere Wendung eingetreten ist. Man gräbt im C“ Viertel der Stadt. Und während es noch zu Anfang dieses Jahres schien, als sollte man hier nur dürftige und un⸗ bedeutende Wohnungen finden, ist seit Beginn des Sommers
ein stattliches Haus zu Tage gekommen, welches die Auf⸗
Berlin, Montag, den 3. Oktober
merksamkeit der Besucher Pompejis in hohem Grade auf sich zieht. Gewiß war es die Wohnung eines vermögenden Mannes; außer diesem Haupthause waren noch drei, vielleicht vier benachbarte Häuser in seinem Besitz: es ergiebt sich dies aus der Art, wie diese Häuser unter sich und mit dem Haupthause in Verbindung geseßt sind; namentlich sind zwei derselben so mit dem Haupthause verbunden, daß man aus der Hinterthüre (dem posticum) des letzteren und des einen Nebenhauses nur durch das Atrium des anderen Neben⸗ hauses auf die Straße gelangen kann.
Indeß diese Nebenhäuser sind von geringerem Belang. Um so überraschender kam die Entdeckung des großen und stattlichen Haupthauses. Das Interesse desselben beruht nicht zum geringsten Theil auf der ganz ausnahmsweise vorzüglichen Erhaltung sowohl des Baues selbst als der Malereien. Das Erdbeben des Jahres 63 n. Chr., dem so manche ältere Bauten Pompejis zum Opfer fielen, hatte hier so gut wie keinen Schaden angerichtet. Dazu kommt, daß das Haus kein Obergeschoß hatte, sondern sich in behag⸗ licher Breite nur zu ebener Erde ausdehnte, sodaß die unvermeidliche Zerstörung der oberen, von den Ver⸗ schüttungsschichten nicht bedeckten Theile hier leichter verschmerzt werden kann. Und wenn man einmal der Aufgabe näher treten wollte, ein pompejanisches Haus in seiner alten Gestalt wieder aufzubauen, so würden hier die Umstände ganz be⸗ sonders günstig sein.
Es ist ein altes Haus, gebaut, allem Anscheine nach, bevor ums Jahr 80 v. Chr. Pompeji römische Colonie wurde, zu einer Zeit also, in welcher Campanien in Kunst und sonstiger Cultur weit mehr unter dem Einflusse der griechischen Colonien als unter dem Roms stand. Und es ist, was die Architektur betrifft, wesentlich so erhalten, wie es damals gebaut wurde, während die Bemalung der Wände und Säulen, dem Zeitgeschmack folgend, mehrfach ganz oder theilweise erneuert worden ist, zuletzt noch im letzten, etwa seit dem Jahre 50 n. Chr. üblich gewordenen Stile der pompejanischen Malerei. Und zwar fand diese letzte Aus⸗ malung statt vor dem Jahre 60 n. Chr.; denn in diesem Jahre schrieb jemand unter Beifügung des Datums eine sonst — ganz verständliche Notiz auf eine der Säulen des Peristyls.
Der Grundriß hat nichts Besonderes: es ist der eines mäßig großen Hauses aus der Zeit, wo man die um das altitalische Atrium gruppirte Wohnung zu erweitern pflegte durch den aus Griechenland übernommenen und mit griechischem Namen Peristyl genannten hinteren Säulenhof, welcher dann bald der eigentliche Mittelpunkt der Wohnung wurde, während das Atrium mehr und mehr zu einem von Wirthschaftsräumen, allenfalls von Schlafkammern umgebenen Eingangsraume herab⸗ sank. Was dies Haus eigenthümliches bietet, ist der Aufbau, die Höhenverhältnisse: in dieser Beziehung ist es höchst bemerkens⸗ werth. Leider ist bis jetzt nicht sichtbar, wie es sich von der Straße ausnahm: die Facçade sowie auch der kurze Gang von der Straße ins Atrium sind noch nicht ausgegraben, weil das anstoßende Grundstück noch nicht expropriirt ist. Indeß wesentlich wird unsere Kenntniß des Hauses dadurch nicht beeinträchtigt.
Das Atrium ist ein viersäuliges (atrium tetrastylum), das Dach senkte sich von allen vier Seiten gegen die Mitte, wo es eine etwa 5 ✕ 3,50 m große viereckige Lichtöffnung hatte, an deren Ecken es von vier mächtigen korinthischen Säulen — aus Tuff und mit Stuck bekleidet — gestützt wurde. Das Regenwasser fiel hier in das dazu bestimmte flache Bassin (Impluvium), aus dem es unter dem Fußboden des Atriums auf die Straße geleitet wurde. Rings um die Oeffnung hatten die untersten Dachziegel einen hochaufstehenden Rand mit Wasser⸗ speiern in Form von Löwenköpfen, von guter Arbeit, wie auch sonst in Häusern aus der gleichen Periode. Die Säulen fand man umgestürzt; doch war es vollkommen klar, daß sie zur Zeit der Verschüttung aufrecht standen; die einzelnen Trommeln, fast unversehrt, lagen nicht auf dem alten Fuß⸗ boden, sondern hoch in der Verschüttungsmasse: der Erdstoß, welcher sie umwarf, trat also erst ein, als die Verschüttung schon ziemlich vorgeschritten war. Man ist augenblicklich an der Arbeit, sie wieder aufzurichten, und es ergiebt sich schon jetzt als zweifellos, daß sie die enorme Höhe von 7,80 m hatten. Rechnen wir dazu den Architrav und die Dachschrägung, so ergiebt sich, daß die Wände des Atriums kaum viel unter 10 m hoch sein konnten, dies also ein ungemein hoher und luftiger Raum sein mußte. Auch die das Atrium umgebenden Zimmer waren von beträchtlicher Höhe, unverhältnißmäßig hoch für ihre geringe Ausdehnung
(etwa 4 m im Quadrat). Nur in einem derselben ist die
Stuckbekleidung der Wände aus der Zeit der Erbauung theil⸗ weise erhalten: ihre große Einfachheit — ein rother Sockel, durch einen marmorirten Streif von der weißen Wand⸗ fläche getrennt — läßt vermuthen, daß von Anfang an diese Räume nicht zu den bevorzugten gehöörten, daß diese vielmehr um das Peristyl lagen. Die große Höhe dieser Zimmer — sie sind nirgends in ganzer Höhe erhalten — gab dann später Anlaß, die drei an jeder Seite des Atriums liegenden der Höhe nach zu theilen, indem man über jedem derselben noch eine kleine Kammer anlegte. Nicht weniger als drei Treppen führten in der letzten Zeit zu diesen schmucklosen kleinen Räumen: diese so wie die unteren Räume dienten als Vorrathskammern, Sklaven⸗ zimmer und zu ähnlichen wirthschaftlichen Zwecken. 8
Wie gewöhnlich, war das Atrium durch Wasserkünste be⸗ lebt. Im Impluvium, am hinteren Rande desselben, steht eine marmorbekleidete. Basis, auf welcher ohne Zweifel eine (leider nicht erhaltene) Statuette stand und einen Wasserstrahl in ein davorstehendes, in Trümmern gefundenes Marmor⸗ becken fallen ließ; das Leitungsrohr mit dem Hahn, durch den es dicht hinter der Basis geschlossen werden konnte, ist erhalten. Außerdem aber fiel in dasselbe Becken ein Wasserstrahl, der aus der Basis selbst kam: der Ausguß, aus Bronze, war als Eberkopf gestaltet. Eine hübsche Cisternenöffnung aus weißem Kalkstein, hinter der Basis, vervollständigt die anmuthige Gruppe.
en Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen
1892.
Um aus dem Atrium in die eigentliche Wohnung, die Gartenwohnung, das Peristyl zu gelangen, konnte man ent⸗ weder durch das zugleich auf dieses und auf die Rückseite des Atriums geöffnete Tablinum, oder durch den Gang neben demselben gehen. Auch das Peristyl ist durch seine Säulenarchitektur bemerkenswerth. Es ist ein Garten von etwa 10 m im Quadrat, aber nicht ganz rechtwinklig, auf allen vier Seiten von Säulenhallen umgeben: fünf Säulen auf der Vorderseite, sechs auf jeder der drei anderen. In der Breite entspricht der Garten mit den Säulenhallen dem Atrium mit seinen Seitenzimmern. Dennoch aber öffnen sich auf die Säulenhallen Zimmer nicht nur auf der Rückseite, sondern auch rechts und links, sodaß also diese letzteren Räume über die Breite des vorderen Theils des Hauses hinausgreifen.
Die ungleiche Säulenzahl der Vorder⸗ und Rückseite be⸗ ruht auf einer Besonderheit der Anlage: die vordere Säulen⸗ halle ist beträchtlich höher als die der anderen drei Seiten, wenngleich sie die Höhe des Atriums bei weitem nicht erreicht. Offenbar sollte sie einen Uebergang bil⸗ den von dem hohen und majestätischen Atrium zu den niedrigen und freundlichen Hallen der drei an⸗ deren Seiten. Wir kennen durch Vitruv den Namen eines solchen Peristyls mit einer höheren und drei niedrigeren Hallen: man nannte es das rhodische Peristyl; es war, wie schon der Name sagt, eine griechische Bauform, vermuthlich in der Zeit nach Alexander auf der Insel Rhodos entstanden.
Wenn die klare und einfache, Großartigkeit mit Anmuth in bewundernswerther Weise verbindende Anordnung der Architektur dieses Hauses als ziemlich directer Ausfluß der griechischen Cultur einer hoch entwickelten Periode gelten muß, so kann dasselbe nicht auch von der malerischen Ausschmückung gesagt werden. Ohne Zweifel hatten ursprünglich sämmtliche Wände die ernste und stilvolle Stuckdecoration der vorrömischen Zeit Pompejis: Nachahmung vielfarbiger Marmorbekleidung, unterbrochen durch Architektur glieder in schönen griechischen Formen, alles dies in plastischer Stuckarbeit; aber hiervon ist nur eine (oben schon erwähnte) Spur in einer einfachen Kammer vorhanden. Etwas mehr ist erhalten von einer Decoration, welche das Haus in römischer, aber vielleicht noch republikanischer Zeit er⸗ hielt, einer Decoration, welche auch Marmorbekleidung und Architekturglieder nachahmt, aber nur durch Malerei, ohne plastische Stuckarbeit. Diese Art Malerei ist zwar am Atrium nur auf den oberen Wandtheilen erhalten, unten dagegen durch eine spätere Bemalung ersetzt woroen; aber diese letztere schließt sich der älteren so genau an, daß wir hier so ziemlich den Eindruck eines Atriums aus republi⸗ kanischer Zeit haben. Vollständiger erhalten finden sich ähn⸗ liche Malereien in einigen Zimmern am Peristyl. Besonders erfreulich sind sie nicht: dieser Stil ist in Pompeji nicht gut vertreten; welcher Leistungen derselbe fähig war, zeigen vor allem die in Rom im Museum der Dio⸗ cletiansthermen aufbewahrten Malereien eines im Jahre 1879 am Tiberufer gefundenen Hauses. Von diesen Resten ab⸗ gesehen, ist das pompejanische Haus in der letzten Zeit Pompejis, im Stil dieser Zeit, aber, wie schon bemerkt, vor dem Jahre 60 n. Chr. ausgemalt worden. Großes Lob ver⸗ dienen auch diese Wände im allgemeinen nicht: die Ornamente sind schwer und unbeholfen, und von figürlichen Darstellungen ist sehr wenig vorhanden. Doch sind die Farben geschickt und wirkungsvoll vertheilt. Im Peristyl ist auch durch die Malerei die höhere Vorderhalle von den drei niedrigeren unterschieden. Sie hat hellere und lebhaftere Farben: die Säulen sind an ihrem unteren Theil, wo sie die volle Rundung haben, gelb, oben cannelirt und weiß; auf den Wänden sind die Hauptfelder lebhaft roth. Dagegen sind die Säulen der drei niedrigeren Hallen unten rund und dunkelroth, oben weiß und achteckig, die Wandfelder schwarz mit breiten gelben Um⸗ säumungen, von einander getrennt durch schmale architektonische Durchblicke auf weißem Grunde. Einen besonderen Reiz aber erhält das Peristyl durch die seltene Erhaltung au des Gebälks auf den drei niedrigeren Seiten. Freili die allbekannten klassischen Formen der griechischen Säulen⸗ ordnung würde man hier vergebens suchen, wie auch die Capitelle, der dorischen Form am nächsten stehend, ganz unklassische bunte Stuckverzierungen haben. Das Gebälk ist auf Holzbohlen, die von einer Säule zur anderen reichen, auf⸗ gemauert; es zeigt nach dem Garten zu eine senkrechte Fläche, über die oben der Dachrand hervorragt. Auf dieser mit weißem Stuck bedeckten Fläche ist nun über jeder Säule ein kleines, mehr hohes als breites Feld abgetheilt, welches auf dunklem Grunde ein kleines Ornament — einen Stierkopf, eine Blume oder dergleichen — enthält. Ueber den Inter⸗ columnien dagegen sind breite, niedrige Felder ab⸗ getheilt, in denen auf weißem Grunde kleine Gruppen von Thieren, Vögeln und Pflanzen gemalt sind. Ornamente in Stuckrelief, mit lebhaften Farben bemalt, zierten den Dach⸗ rand, über den an den Enden der die Flachziegel verbindenden halbrunden Deckziegel palmettenförmige Stirnziegel empor⸗ ragten. Wohl selten ist es möglich gewesen, von dem Aus⸗ sehen eines römischen Peristyls der früͤheren Kaiserzeit eine so lebendige Anschauung zu gewinnen, und es hat einen be⸗ sonderen Reiz, die ernsteren Grundformen einer früheren Periode von dieser leichten, um 150 Jahre jüngeren Ornamentik umspielt zu sehen.
Erwähnenswerth ist noch ein eigenthümlicher Schmuck des Gartens. Von der Bearbeitung desselben ist weiter nichts kenntlich als eine niedrige 11“ Erhöhung in der Mitte, etwa 3 m im Durchmesser. Auf dieser Erhöhung standen ringsum Thierfiguren aus einer auch sonst in Pompeji vor⸗ kommenden glasirten Thonwaare egyptischen Ursprungs: zwei Krokodile, ein Frosch, eine Kröte, und zwar alle ziemlich gleich groß: das größte Krokodil ist 40 cm lang, die Kröte 18 cm hoch.
Von dem oben ausgesprochenen Urtheil über die Malereien der letzten Zeit dieses Hauses ist ein kleines Zimmer auszu⸗ nehmen, welches in ganz anderer Weise und offenbar von anderer Hand ausgemalt ist; es liegt an einer Ecke des Atriums, neben dem Gang, der aus demselben ins Peristyl