1892 / 239 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 10 Oct 1892 18:00:01 GMT) scan diff

brauch der Geberdensprache neben der Lautsprache gefordert

wurde. . ““

Auf eine derartige, an Seine Majestät den Kaiser und Königt gerichtete Eingabe hat der Unterrichts⸗Minister unterm 17. September nachstehende Antwort ertheilt:

Seine Majestät der Kaiser und König haben die von Euer Hoch⸗ wohlgeboren in Gemeinschaft mit anderen Taubstummen eingereichte Immediat⸗Vorstellung vom 24. November 1891 mir zur Prüfung und zu Ihrer Bescheidung zugehen zu lassen geruht.

Ich habe mich der befohlenen Prüfung mit derjenigen eingehenden Gründlichkeit unterzogen, welche durch die Wichtigkeit der Sache ge⸗ boten ist, und welche das Interesse nicht nur der Taubstummen, son⸗ dern der gesammten bürgerlichen Gesellschaft erfordert. Auch habe ich diese Prüfung auf den Zustand des Taub⸗ stummen⸗Bildungswesens in den außerpreußischen Staaten Europas erstreckt. In dieser Beziehung haben sich, wie ich voraus⸗ schicke, die Angaben in der obenbezeichneten Immediat⸗Vorstellung und in den an meinen Herrn Amtsvorgänger gerichteten Eingaben vom 21. November v. J. und 15. Februar d. J. nicht bestätigt. Es hat sich vielmehr herausgestellt, daß mit fast verschwindenden Ausnahmen überall die Lautsprache die einzige Unterrichtssprache und der einzige Lehrgegenstand ist, und daß die Geberdensprache auch außerhalb der preußischen Lehranstalten nur in dem Maße und Umfange zur An⸗ wendung kommt, wie in den preußischen Anstalten.

Euer Hochwohlgeboren scheinen von der Voraussetzung auszu⸗ gehen, daß die Anwendung der natürlichen Geberde in unseren An⸗ stalten grundsätzlich und allgemein ausgeschlossen sei. Dies ist nicht der Fall Wie die natürliche Geberde selbst im Unterricht voll⸗ sinniger Kinder unentbehrlich ist, so hat sie auch im Unterricht der viersinnigen Kinder ihre Stelle. Sie ist das Mittel, durch welches der Lehrer den Weg zu Geist und Herz der Kinder so lange sucht, bis diese gelernt haben, Laute und Worte zu sprechen, und ebenso begleitet verständiger und maßvoller Gebrauch der natürlichen Geberde, selbstverständlich in stetig sich veränderndem Um⸗ fange, den Unterricht. Euer Hochwohlgeboren kann es nicht unbe⸗ kannt sein, daß die sog. Articulations⸗ oder auch deutsche Methode in den preußischen Anstalten gepflegt worden ist, seit die Unterrichts⸗ verwaltung überhaupt die Sorge für die taubstummen Kinder in die Hand genommen hat. Ebensowenig kann es Ihnen entgangen sein, daß eine nicht geringe Zahl hervorragend begabter Männer zum theil unter Opfern mit selten wiederkehrender Hingebung alle ihre Kräfte daran gesetzt haben, diese Methode zu vervollkommnen. Was in dieser Beziehung in Mailand, in Ryhen bei Basel, in Zürich, sowie in Frankfurt a. M. und in den Anstalten der Pro⸗ vinz Hannover noch vor deren Vereinigung mit der preußischen Mon⸗ archie erreicht worden ist, ist bekannt. Gerade diese Erfolge haben dazu mitgewirkt, daß der Taubstummenlehrer⸗Congreß zu Mailand im Jahre 1881 sich einmüthig für den ausschließlichen Gebrauch der Lautsprache bei dem Taubstummen⸗Unterricht erklärte, und ich möchte nicht unbemerkt lassen, daß dieser Beschluß für mich um so höhere Bedeutung hat, als er nicht etwa durch den Einfluß preußischer Taubstummenlehrer herbeigeführt worden ist. Es haben sich vielmehr bei diesem Beschluß 83 Italiener, 56 Franzosen, 9 Engländer, 5 Amerikaner, 3 Schweden, 1 Belgier und nur 1 deutscher Taub⸗ stummenlehrer betheiligt.

Was die Sache selbst angeht, so handelt es sich beim Unterricht und bei der Ausbildung der Taubstummen, wie der viersinnigen Kinder überhaupt, darum, ihnen ihr Unglück so wenig empfindlich, ihre Lage

so leicht wie möglich zu machen und, was darin einbegriffen ist, sie zu

religiös sittlichen, erwerbsfähigen Menschen zu erziehen und zu ver⸗ hüten, daß sie der Familie, in welcher sie geboren sind, der Kirche, welcher sie angehören, dem Staatsverbande, auf dessen Schutz sie Anspruch haben, durch den Mangel der Sprache entfremdet oder gar von ihnen dauernd losgelöst werden.

Während die Geberdensprache, welche bedeutsamen Ergebnisse durch dieselbe allerdings nur in vereinzelten Fällen auch erreicht worden sein mögen, stets dahin führen muß, daß die Taubstummen eine in sich geschlossene, durch nichts mit der übrigen Gesellschaft verbundene Gemeinschaft bilden, versucht es die Lautsprachmethode, um deren

Beseitigung Euer Hochwohlgeboren bitten, den Taubstummen die Himmelsgabe der Sprache nicht, wie Sie vorauszusetzen scheinen, als ein mechanisch angeeignetes, sondern als ein freies Eigenthum wiederzugeben. Indem sie dies thut, stellt sie das taube, nicht mehr stumme, sondern redende Kind wieder mitten in seine Familie und befähigt den erwachsenen Taubstummen, sich in seiner Kirchen⸗ 3 im Staat und in der bürgerlichen Gesellschaft zu be⸗ thätigen.

bie Annahme Euer Hochwohlgeboren, daß dies Ziel, welches hier gesteckt ist, nur vereinzelt erreicht werde, trifft durchaus nicht zu, wie wiederholte, regelmäßig wiederkehrende und gründliche Revisionen

unserer Anstalten ergeben haben. Ich nehme keinen Anstand, aus⸗ zusprechen, daß der Taubstummen⸗Unterricht noch sorgfältiger Pflege bedarf, um die ihm gestellten Aufgaben immer voll⸗ ständiger zu erfüllen und namentlich, um den Kindern ausnahmslos die gewonnene Sprache zum unverlierbaren Eigenthum zu machen. Ich nehme aber auch gern Gelegenheit zu bezeugen, daß die Leiter und Lehrer unserer Taubstummen⸗Anstalten auf ihre Arbeiten ein hohes Maß von Fleiß, Ausdauer und Geduld verwenden, welches immer reichere und schönere Erfolge von ihrer mühevollen und segens⸗ reichen Arbeit erhoffen läßt.

Euer Hochwohlgeboren haben in Ihren Vorstellungen wiederholt

davon gesprochen, daß die Lautsprachmethode ihre Ergebnisse überhaupt nur durch die Anwendnng der schärfsten Disciplinarmittel erreiche. Dies hat mir Veranlassung gegeben, auch nach dieser Seite hin Ermittelungen anzustellen. Zu meiner Befriedigung haben sich dabei die vorgebrachten Klagen über unverständige oder harte An⸗ wendung des Züchtigungsrechts überall als unbegründet erwiesen. Am allerwenigsten hat sich ein Zusammenhang überspannter Strenge in der Schulzucht mit der Lautsprachmethode herausgestellt. Im Gegen⸗ theil hat der einzige, Jahrzehnte lang zurückliegende Fall liebloser Behandlung der .“ Kinder eine Anstalt und eine Zeit ge⸗ troffen, wo die Geberdensprache in Uebung war, und gerade der gegen⸗ wärtige Leiter dieser Anstalt, welcher dort die Lautsprache eingeführt hat, wird von entlassenen und gegenwärtigen Schülern wegen seines liebevollen Verhaltens gegen sie gerühmt.

Auf Grund der eingehendsten Ermittelungen hat sich hiernach er⸗

geben, daß keine Veranlassung vorliegt, in der gegenwärtigen Art des Taubstummen⸗Unterrichts eine Aenderung eintreten zu lassen.

18 Euer Hochwohlgeboren wollen hiermit gleichzeitig Ihre hierher gerichteten Eingaben vom 21. November v. J. und 15. Februar d. J. als erledigt ansehen.

Die beiden Anlagen der letzteren folgen zurück.

Berlin, den 17. September 1892.

Der Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angel

An Herrn N. zu N.

Der Königliche Gesandte am Großherzoglich hessischen Hofe Freiherr von Plessen ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub nach ö urückgekehrt und hat die Geschähte der Gesandtschaft wieder 11 Der Königlich württembergische Gesandte am hiesigen 1öö Hofe von Moser ist vom Urlaub nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen. Der Königlich rnnkech he Gesandte am hiesigen Aller⸗ höchsten Hofe Gregor J. Ghika ist vom Urlaub nach Berlin rückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder ibernommen.

S. M. Kreuzer⸗Corvette „Prinzeß Wilhelm“, Com⸗ mandant Capitän zur See Boeters, ist am 7. Oktober in Cadix angekommen. S. M. Schiffsjungen⸗Schulschiff „Nixe“, Commandant Corvetten⸗Capitän Riedel, ist am 7. Oktober in Deal (England) eingetroffen und am 8. dess. Mts. nach Plymouth in See gegangen.

88

Dem Kaiserlichen Gesundheitsamt vom 8. bis 10. Oktober, Mittags, gemeldete Cholera⸗Erkrankungs⸗ und Todesfälle:

—₰½ —B₰½

Staat

erkrankt 8. gestorben erkrankt

gestorben

gestorben erkrankt gestorben

8 8 2

Vereinzelte Erkrankungen: Regierungsbezirk Schleswig: in der Stadt Rends⸗ burg und je 1 Ort der Kreise Stormarn und Pinneberg 3 Er⸗ krankungen, 3 Todesfälle. Regierungsbezirk Stettin: in den Städten Demmin und Swinemünde 2 Erkrankungen, 1 Todesfall. Regierungsbezirk Frankfurt a. O.: in den Städten Küstrin und Fürstenwalde 2 Erkrankungen, 1 Todesfall. Regierungsbezirk Potsdam: im Walde bei Nieder⸗ Schönhausen, Kreis Niederbarnim, 1 Person sterbend aufge⸗ funden. Regierungsbezirk Koblenz: in 1 Ort des Kreises

Mayen vom 5. bis 8. Oktober 5 Erkrankungen, 2 Todesfälle.

Dresden, 8. Oktober. Seine Majestät der König hat, wie das „Dr. J.“ amtlich meldet, Seine Königliche Hoheit den Großherzog von Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach zum Chef des Carabinier⸗Regiments ernannt.

Württemberg.

Stuttgart, 9. Oktober. Ueber das Befinden Ihrer Majestät der Königin⸗Wittwe veröffentlicht der „St.⸗A. f. W.“ folgende Bulletins:

bC11““ 7. Oktober. Seit Montag, den 3. d. M., ist bei Ihrer Majestät der Königin⸗Wittwe eine links⸗ seitige Brustfellentündung mit erheblicher Ausschwitzung einge⸗ treten, welche zusammt dem älteren Nierenleiden und der in den letzten Monaten auf Grund eines anderweitigen chronischen Leidens immer mehr zurückgehenden Körper⸗ ernährung zu ernsten Besorgnissen Veranlassung giebt. Im Zusammen⸗ hang mit dem Gesammtzustande haben sich schwere asthmatische Anfälle eingestellt, die besonders schwächend auf den Kräftezustand einwirken. Heute reicht die Ausschwitzung bis nahe unter den Schulterblattwinkel.

Fieber unbedeutend; Herzthätigkeit zufriedenstellend; Nahrungs⸗ bedürfniß gering; Bewußtsein klar. Dr. Stiegele. Dr. von Sick.

Friedrichshafen, 8. Oktober. Bei Ihrer Majestät der Königin⸗Wittwe verlief die Nacht ruhig, mit ziemlich viel Schlaf und ohne asthmatische Anfälle. Heute früh befriedigendes subjectives Befinden. Die Erscheinungen von Seiten der Athmungsorgane in einiger Zunahme begriffen. Temperatur 37,9; Puls 112, etwas schwächer; Athem⸗Frequenz 24; Appetit gering; Kräftezustand wenig verändert; Bewußtsein vollständig klar.

Dr. Stiegele. Dr. von Sick.

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach.

Am Sonnabend, dem eigentlichen Jubeltage der goldenen Hochzeit Ihrer Königlichen Hoheiten des Großherzogs und der Großherzogin fand Nachmittags 212 Uhr ein feierlicher Gottesdienst, in der reich geschmückten Schloß⸗ kapelle statt. Schon vorher hatten sich das diplomatische Corps, die Abgesandten befreundeter Höfe, das Staats⸗ Ministerium, der Landtags⸗Vorstand und die Spitzen der Civil⸗ und Militärbehörden und die Damen in glänzenden Toiletten in der Kapelle versammelt, während auf den Emporen sich die Deputationen und höhere Beamten befanden. In den zur Kapelle führenden Gemächern bildeten die jungen Damen der Hofgesellschaft Spalier.

Der Zug der Allerhöchsten und Höchsten Herr⸗ schaften begab sich unter Vortritt des großen Dienstes über die Großherzogliche Tribüne in den Mittelraum der Kaäpelle. Voran schritten die Durchlauchtigsten Enkel⸗Kinder Ihre Hoheiten und Durchlauchten die Prinzessin Sophie Renata Reuß mit dem Prinzen Bernhard von Sachsen⸗Weimar⸗ Eisenach und dem Prinzen Heinrich XXXV. Reuß, der Prinz Wilhelm von Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach mit den Prinzen Heinrich XXXII. und XXXIII. Dann folgten: Seine Königliche Hoheit der Erbgroßherzog von Sachsen⸗ Weimar⸗Eisenach, zur Rechten: Ihre Hoheit die Prin⸗ zessin Reuß VII., zur Linken: Ihre Hoheit die Herzogin Johann Albrecht von Mecklenburg⸗Schwerin; Ihre Königliche Hoheit die Erbgroßherzogin von Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach, zur Rechten: Seine Durch⸗ laucht Prinz Reuß VII., zur Linken: Seine Hoheit der Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg⸗ Schwerin. Nunmehr erschien das Hohe Jubelpaar, Seine Königliche Hoheit der Großherzog mit Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin. Ihre Königliche Hoheit trug eine Robe aus Goldbrokat und auf dem Haupte einen pracht⸗ vollen Goldkranz, eine Gabe Höchstihrer Kinder. Dem Hohen Paare folgte unmittelbar Seine Majestät der Kaiser und König, zur Rechten: Ihre Majestät die Königin Wil⸗ helmine der Niederlande, zur Linken: Ihre Majestät die Königin⸗Regentin der Niederlande; dann Seine Majestät der König von Sachsen, zur Rechten: Ihre König⸗ liche Hoheit die Großherzogin von Baden, zur Linken: Ihre Kaiserliche Hoheit die Großfürstin Wladimir von Rußland; Seine Kaiserliche Hoheit der Großfürst Wladimir von Rußland, zur Rechten: Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Erzherzog Rainer von Oester⸗ reich, zur Linken: Seine Königliche Hoheit der Herzog von York; Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Albrecht von Preußen, zur Rechten: Seine Königliche Hoheit

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der Großherzog von Baden, zur Linken: Seine König⸗ liche Hoheit der Prinz Ludwig Ferdinand von Bayern; Ihre Königliche Hoheit die Erbprinzessin von Sachsen⸗Meiningen, zur Rechten: Seine Königliche Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen, zur Linken: Seine Königliche Hoheit der Prinz Georg von Sachsen; Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Hermann von Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach, zur Rechten: Seine Hoheit der Herzog von Sachsen⸗Altenburg, zur Linken: Seine Durchlaucht der Fürst Reuß ä. L.; Seine Feheit der Prinz Hermann von Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach, ur Rechten: Seine Hoheit der Erbprinz von Sachsen⸗

einingen, zur Linken: Seine Durchlaucht der Fürst Reuß j. L.; Ihre Hoheit die Prinzessin Wilhelm von Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach, zur Rechten: Seine Hoheit der Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg⸗ Schwerin, zur Linken: Seine Hoheit der Herzog Heinrich von Mecklenburg⸗Schwerin; Ihre Hoheit die Prin⸗ zessin Olga von Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach, zur Rechten: Seine Durchlaucht der Prinz Ernst von Sachsen⸗ Altenburg, zur Linken: Seine Durchlaucht der Prinz von Hohenzollern; Seine Durchlaucht der Prinz Eduard von Anhalt, zur Rechten: Seine Durch laucht der Erbprinz von Waldeck und Pyrmont, zu Linken: Seine Hoheit der Prinz Wilhelm von Sachsen Weimar⸗Eisenach; Seine Hoheit der Prinz Bernhard von Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach und Seine Hoheit der Prinz Ernst von Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach.

In der Kapelle ordnete sich der Zug in der Weise, daß die Enkelkinder und Kinder rechts und links von dem Hohen Jubelpaar sich aufstellten, während dieses unmittelbar an den Altar trat, an dem der Ober⸗Hofprediger D. Hesse mit zwei Geistlichen Stellung genommen hatte. Hinter dem Groß⸗

herzoglichen Paare stand Seine Majestät der Kaiser mit Ihren Majestäten der Königin Wilhelmine und der Königin⸗Regentin der Niederlande, an Allerhöchst⸗ welche sich die übrigen Theilnehmer am Zuge in der oben an⸗ gegebenen Weise nach rechts und links anschlossen. Die kirch⸗ liche Handlung begann mit Gesang, worauf Ober⸗Hofprediger

D. Hesse die Einsegnungsrede hielt. Der Gesang des 1. Verses von „Eine feste Burg ist“ beschloß die Feier.

Die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften verließen darauf die Kapelle und sprachen dem Hohen Jubelpaare ihre Glückwünsche aus. Darauf folgte eine Defilir⸗Cour und Abends Galatafel. Gegen 5 Uhr erschienen die zur Tafel befohlenen Gäste, etwa 350 an der Zahl, in den dafür be⸗ stimmten Gemächern: die fremden Abgesandten, das diplo⸗ matische Corps, das Staats⸗Ministerium, der Landtags⸗Vorstand, der Synodal⸗Vorstand, die Spitzen der Civilbehörden und des Mili⸗ tärs, ferner die Deputationen sowie eine große Zahl der hervorragen⸗ den Persönlichkeiten, die zur Beglückwünschung Ihrer Königlichen Hoheiten hier eingetroffen waren, u. a. der ehemalige König⸗ lich preußische Gesandte am hiesigen Hofe Graf Limburg⸗ Stirum mit Gemahlin, der weimarische Bundesraths⸗Bevoll⸗ mächtigte, Geheime Rath Dr. Heerwart, der Regierungs⸗ Präsident von Müffling aus Erfurt, der Landes⸗Director der Provinz Sachsen, Graf Wintzingerode u. a. m. Um 5 Uhr erschienen die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften unter Vortritt der Hofstaaten im großen Saal und nahmen an der Tafel Platz, die in Hufeisenform aufgestellt war. Auch in verschiedenen Nebenräumen ward gespeist. Die Tafel namentlich der Allerhöchsten Herrschaften war auf das prächtigste⸗ decorirt mit reichen Aufsätzen und Blumenarrangements. Seine Majestät der Kaiser saß rechts von Ihrer König⸗ lichen Hoheit der Großherzogin, neben dieser Seine König⸗ liche Höoheit der Großherzog und Ihre Majestät die Königin⸗Regentin der Niederlande. Der Eintritt der Fürstlichen Herrschaften vollzog sich unter den Klängen des Hochzeitsmarsches aus dem „Sommernachtstraum“. In sehr überraschender und sehr gefälliger Weise war in Bezug auf die Tafelmusik eine Neuerung eingeführt insofern, als Gesang⸗ vorträge mit Orchester⸗Aufführungen abwechselten. Gegen Ende der Tafel erhob Sich Seine Majestät der Kaiser und brachte das Wohl des hohen, hochverehrten und geliebten Großherzoglichen Paares aus, „dem noch lange Jahre beschieden sein möchten zum Glücke des Volkes und unserer aller Freude“. Seine Königliche Hoheit der Großherzog dankte alsbald, indem er ein Hoch auf Ihre Majestäten den Kaiser, die Königin⸗Regentin der Niederlande, den König von Sachsen und alle Fürstlichen Gäste ausbrachte. 1

Am Abend fand im Theater Festvorstellung statt. Die Fahrt des Hohen Jubelpaares und der Allerhöchsten und Höchsten Gäste dorthin erfolgte durch die festlich erleuchteten Straßen unter lebhaften, herzlichen Zurufen der Bevölkerung. Die Vorstellung selbst nahm einen glänzenden Verlauf. Be⸗ sonders wirksam waren die lebenden Bilder aus der Geschichte des ernestinischen Hauses und des Hauses Oranien. Nach Schluß der Vorstellung brachte der Ober⸗Bürgermeister von Weimar, Geheime Regierungs⸗Rath Pabst auf das Jubelpaar ein Hoch aus, das mit Begeisterung aufgenommen wurde. Während der Vorstellung saß Seine Majestät der Kaiser zwischen Ihren Königlichen Hoheiten dem Großherzog und der Großherzogin. Nach Schluß des Theaters fand bei der Ober⸗Hofmeisterin Gräfin Fabrici ein großer Rout statt.

Am Sonntag Vormittag 10 ½ Uhr wurde in der festlich geschmückten Stadtkirche ein Dankgottesdienst abgehalten. Das Großherzogliche Paar, das in einem offenen Wagen zur Kirche fuhr, wurde von der zahlreichen Menschenmenge stürmisch begrüßt. Dem Gottesdienste wohnten Seine Majestät der Kaiser, Ihre Majestät die Königin⸗ Regentin der Niederlande, Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin von Baden, Ihre Kaiserlichen Hoheiten der Großfürst und die Groß⸗ fürstin Wladimir, Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Erzherzog Rainer und Seine Königliche Hoheit der Herzog von York bei. 8

Nachmittags 1 ½ Uhr begann der unter Leitung des Grafen Görtz, des Ober⸗Bürgermeisters Pabst und des Malers von Cranach veranstaltete und prächtig durchgeführte historische Huldigungszug. Ihre Königlichen Hoheiten der Groß⸗ herzog und zie Großherzogin sowie Seine Majestät

der Kaiser und sämmtliche hier anwesenden Fürstlich⸗ keiten wohnten ihm von einer am Sophienstifte erbauten Tribüne aus bei. Nach einer Ansprache des Grafen Görtz setzte sich der Zug in Bewegung, der von 24 blasenden Postillonen eingeleitet wurde. Hierauf folgten die Wagen, die an die Wartburgzeit erinnern sollten, mit

Gruppen aus Jägern, Rittern und Minnesängern. Dieser Theil des Zuges war im wesentlichen aus Eisena gestellt. In weiteren Gruppen zu Fuß, zu Pferd und zu

Wagen gelangten das Zeitalter der Reformation, die Ruͤck⸗ eehr des Kurfürsten Johann Friedrich des Großmüthigen

aus der Gefangenschaft und dessen Einzug in Jena, sowie

die Gründung der Universität Jena zur Darstellung. Dieser Theil des Festzuges wurde hauptsächlich von Jena und der dortigen Studentenschaft dargestellt. Die Weimarische Künstler⸗ schaft brachte die Zeit des dreißigjährigen Krieges mit Herzog Bernhard von Weimar und die Blüthezeit der Niederlande unter den Oraniern in Wagen und Gruppen zur Anschauung. Es folgten Wagen, welche die Regierungszeit des Herzogs Karl August in ländlichen und gewerbiichen Gruppen dar⸗ stellten, sowie die vom Theater gestellten Wagen, welche ein

Bild gaben von der Blüthezeit der dramatischen Dich⸗

tung in Weimars großer Kunstperiode. Auf diesen befanden sich die Gestalten Goethe’s und Schiller's nebst Idealfiguren aus deren Dichtungen, umgeben von Gruppen zu Pferde und zu Fuß. Die neue Zeit wurde repräsentirt durch zahlreiche Gruppen und Wagen, welche das Gewerbe, die Land⸗ wirthschaft und das Innungswesen versinnbildlichten. Ihnen reihten sich Turner und Militärvereine an. Im Zuge befanden sich etwa 80 bis 90 Wagen, unter ihnen die Huldigungswagen der Städte des Landes. Der Ober⸗Bürgermeister Pabst richtete eine Ansprache an Ihre Königlichen Hoheiten den Großherzog und die Großherzogin und gab darin dem Danke des Landes für das segensreiche Walten des Jubelpaares wärmsten Ausdruck. Am Schlusse der Ansprache brachte er ein Hoch auf das Jubelpaar aus, in das unter dem Geläute der Glocken die Kopf an Kopf gedrängte Volksmenge jubelnd einstimmte. Mecklenburg⸗Strelitz.

Neustrelitz, 8. Oktober. Ihre Königliche Hoheit di Großherzogin ist nach längerer Abwesenheit vorgestern von Keppschloß bei Pillnitz hierher zurückgekehrt.

8 Schwarzburg⸗Sondershausen.

Sondershausen, 8. Oktober. Ihre Durchlauchten der Fürst und die Fürstin sind heute von Schloß Gehren’ hier wieder eingetroffken. 8

ʒHamburg. G

Hamburg, 8. Oktober. Der Senat hat, wie „W. Ia berichtet, die Bürgerschaft 1“ schleunigst über den früheren Antrag wegen Abänderung der O rgani⸗ sation der Polizeibehörde Beschluß zu fassen, da der Senat es im öffentlichen Interesse für geboten erachte, die Anstellung einer größeren Anzahl höherer rechtskundiger Be⸗ amten bei der Polizeibehörde nicht länger hinauszuschieben.

8

Oesterreich⸗Ungarn.

Seine Majestät der Kaiser ist gestern früh aus Budapest wieder in Schönbrunn eingetroffen. Vormittags empfing Allerhöchstderselbe Seine Königliche Hoheit den Prinzen Friedrich Leopold von Preußen, der von seinem Un⸗ wohlsein vollkommen genesen ist, und später Seine Hoheit den Herzog Ernst Günther zu Schleswig-Holstein, denen der Kaiser bald darauf Gegenbesuche abstattete. Am Abend fand zu Ehren der deutschen Distanzreiter großer Empfang in der Hofburg statt. Seine Majestät der Kaiser erschien um 8 Uhr in Begleitung Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Friedrich Leopold von Preußen, Seiner Hoheit des Herzogs Ernst Günther zu Schleswig⸗Holstein sowie der Erzherzoge Karl Ludwig, Ferdinand, Albrecht, Friedrich und Wilhelm im Ceremoniensaal der Kaiserlichen Hof⸗ burg. In Vertretung des deutschen Botschafters Prinzen Reuß stellte der Botschafts⸗Secretär Prinz von Ratibor die preußischen und württembergischen Offiziere vor; die bayerischen wurden von dem bayerischen Gesandten Grafen von Bray⸗Steinburg und die sächsischen von dem sächsischen Gesandten Grafen von Wallwitz vorgestellt. Kaiser Franz Joseph beehrte sämmtliche deutschen Offiziere, an ihrer Spitze den Freiherrn von Reitzen⸗ stein, mit Ansprachen, welche zumeist die Leistungen der Theilnehmer an dem Distanzritt betrafen, und nahm mit sichtlichem Interesse die Mittheilungen der deutschen Offiziere entgegen. Der Kaiser beehrte auch die anwesenden öster⸗ reichischen Generale und Offiziere mit Ansprachen und hatte namentlich mit dem Reichs⸗Kriegs⸗Minister Freiherrn von Bauer eine längere Unterredung. Gegen 9 ½ Uhr verließ der Kaiser das Fest. 8

In der vorgestrigen Sitzung des Heeresausschusses der ungarischen Delegation betonte der Reichs⸗Kriegs⸗ Minister Freiherr von⸗Bauer während der längeren, vor⸗ wiegend die Verwendung der ungarischen Sprache in der Armee behandelnden Debatte die Nothwendigkeit ab⸗ soluter Erhaltung der deutschen Dienstsprache in der gemeinsamen Armee, hob die äußerst humane Be⸗ handlung der Mannschaft seitens der Offiziere hervor und betonte, daß Mißhandlungen von Soldaten der österreichisch⸗ungarischen Armee fremd seien. Die Erklärungen des Ministers wurden zur Kenntniß genommen. Sodann wurde ein Antrag des Abg. Szell angenommen, der hinsichtlich der ungarischen Eingaben und Zuschriften die Beantwortung auch seitens der nicht ungarischen Militärbehörden in ungarischer Sprache verlangt. Der Kriegs⸗Minister erklaͤrte, er acceptire alles, was mit der Basis des Gesetzes im Einklang stehe und durchführbar sei. Bezüglich der Einjährig⸗ Freiwilligen wies der Minister nach, wie großes Gewicht die Kriegsverwaltung darauf lege, daß bezüglich der Freiwilligen geläuterte milde Anschauungen Platz griffen, daß man bei den Prüfungen mehr das Wesen als die Form beachte und daß⸗ insbesondere bezüglich der Prüfungssprache die weitgehendsten Erleichterungen verfügt worden seien. .““

Großbritannien und Irland. Anläßlich der Wiederkehr des Todestags Parnell's fand einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge am Sonnabend in Dublin eine Demonstration statt. Ein großer Zug marschirte zu dem drei Meilen vor der Stadt liegenden Kirch⸗ hofe in Glasnevin und legte am Grabe des Parteiführers

Kränze nieder. Einige Reden wurden gehalten. Die Ordnung

wurde nicht gestört. Alle Theilnehmer am Zuge trugen Epheu⸗ ranken als Symbol der parnellitischen Partei. b In seiner, in der vorgestrigen Nummer des „R. u. St.⸗A.“ bereits erwähnten Zu chrift an die „Times“ entwickelt Capitän Fugard dreierlei Gründe für die Beibehaltung Ugandas. sei das Land aus commerziellen Gründen zu halten. Fhee sei Uganda durch Krieg verwüstet, trotꝛeemm aber 1 mer noch reich an Kaffee, Getreide und Baumwolle. Es sei n hoffnungsvoller zukünftiger Absatzmarkt für die britische

1“

Industrie, außerdem strotzten die umliegenden Gebiete von Elfenbeinlagern. Zweitens sei, politisch betrachtet, Uganda der Schlüssel der politischen Lage in ECentral Afrika südwärts und nordwärts. Daher dränge auch Cecil Rhodes, der Premier⸗Minister der Capcolonie, auf seine Beibehaltung. Wer die Nilquellen besitze, besitze auch Khartum⸗und Egypten. Deutschland und Italien würden nicht einrücken, wohl aber andere Nationen; der Handel werde unzweifelhaft nach der Westküste abgelenkt werden, sodaß der Freibrief der Ostafrika⸗ Gesellschaft und der Bau der geplanten Bahn nutzlos sein würden. Schließlich würde die Räumung ein schwerer Schlag gegen das britische Ansehen sein, und endlich würde nach dem Abzug der Engländer ein Chaos zurückbleiben und der Vernichtungskrieg würde dort entbrennen.

8 8 Frankreich. 1““

Der Präsident der Republik Carnot traf, wie „W. T. B.“ berichtet, in Begleitung des Justie Rirtgcts Ricard Sonnabend Nachmittag in Lille ein, wo er von der zahl⸗ reich herbeigeströmten Menschenmenge. mit sympathischen Zurufen begrüßt wurde. Dabei wurden auch einige Rufe laut, die eine Amnestie für den Socialisten Culine ver⸗ langten. Diese Rufe wurden jedoch durch die sympathischen Zurufe der Menge übertönt. Die Stadt war trotz des herr⸗ schenden Regenwetters prächtig geschmückt. Nach Beendigung der Feier der Enthüllung des Denkmals zum Andenken an die Aufhebung der Belagerung von 1792 begab sich der Präsident in die Präfectur, wo er den Abgesandten des Königs der Belgier empfing, der zu seiner Begrüßung erschienen war. Die Begegnung war eine sehr herzliche. Hierauf wurden die Behörden empfangen. Später unterzeichnete der Präsident einen Gnadenerlaß zu Gunsten von 60 Gruben⸗ arbeitern, die kürzlich anläßlich der Ruhestörungen in Lens verurtheilt worden waren. Die Begnadigten wurden noch im Laufe des Abends in Freiheit gesetzt. Gestern? ormittag besuchte der Präsident die Krankenanstalten in Lille. Der historische Festzug, dem er ebenfalls beiwohnte, nahm trotz des eingetretenen Regens einen Verlauf. Von der versammelten Volks⸗ menge wurden dem Präsidenten enthusiastische Huldi Präs husiastische Huldigungen In Remiremont sprach gestern der Deputirte Méline über die Wirkungen des neuen Zolltarifs und sagte sie überträfen alle Erwartungen. Hinsichtlich des franzö⸗ sisch⸗schweizerischen Vertrages meinte er, trotz aller Sympathie für die hefreundete Nation sei es doch unmöglich, das herrschende Zollsystem zu durchbrechen, während andere Nationen, namentlich Deutschland, Vor⸗ theil davon haben würden. Er werde fortfahren, das an⸗ gefangene Werk aufrecht zu erhalten. In Carrouges im Departement ve l'Orne erklärte gestern der Deputirte Baron de Mackau, Präsident der Vereinigung der parlamentarischen Rechtsparteien, er werde mit der Republik gehen, aber nur auf dem Felde einer freiheitlichen Communalpolitik.

8 Dem „Soleil“ zufolge wird ein Deputirter der Linken nach der Wiedereröffnung der Kammer an die Re⸗ gierung bezüglich der Ereignisse in Dahomey eine An⸗ frage richten. Des Weiteren solle an den Minister des Aeußern Ribot die Anfrage gestellt werden, ob die diplomatischen Vorstellungen über den Verkauf von Waͤffen seitens deutscher Häuser an den König von Dahomey zu einem Ergebniß ge⸗ führt hätten bezw. zu welchem?

Bei der gestern vorgenommenen Wahl eines Senators für das Departement Seine et Oise wurde im zweiten Wahlgange Hamel (radical) mit 746 Stimmen gewählt. Der Gegencandidat Massicault erhielt 595 Stimmen.

Ein Telegramm des Oberst Dodds an den Marine⸗ Minister giebt eine übersichtliche Darstellung des Vor⸗ gehens des Erxpeditionscorps bis zum 8. d. M. Darin heißt es, der König von Dahomey habe vier hintereinander liegende Vertheidigungslinien befestigt, davon seien drei infolge des Kampfes am 6. d. M. genommen worden, die vierte am Uemeflusse nach Abome zu errichtete Linie werde demnächst angegriffen werden. Am Mittwoch und Donnerstag habe er sich damit beschäftigt, die Straßen wieder frei zu machen und Recognoscirungen auszuführen. Bei einer solchen sei eine Abtheilung am Donnerstag in der Nähe des Lagers vom Feinde angegriffen worden, habe ihn jedoch mit großen Verlusten vertrieben. Eine Abtheilung halte gegenwärtig die früher von den Dahomeyern innegehabten Stellungen bei Poguessa besetzt. Der Verlust der Franzosen bei dem letzten Kampfe habe 7 Todte, darunter 4 Europäer, und 22 Ver⸗ wundete, darunter 8 Europäer, betragen. Die Dahomeyer seien demoralisirt.

Eine anderweitig aus Portonovo in Paris eingetroffene Depesche bestätigt den Kampf vom 6. d. M. Die Dahomeyer hätten in einer Stärke von mehr als 5000 Mann eine Position hinter dem Poguessafluß eingenommen. Eine über den Fluß führende befestigte Brücke sei mittels eines Bajonettangriffs genommen worden.

Mit der am Sonnabend in Maerseille eingetroffenen Post aus Tonkin sind Nachrichten über mehrere Zu⸗ sammenstöße mit Seeräubern eingegangen, die bei Ge⸗ legenheit eines Streifzuges zur Auffindung der Spur eines verschollenen Detachements stattgefunden hätten. Auf franzö⸗ sischer Seite seien 7 Todte und 13 Verwundete, darunter 1 Capitän geblieben. Die Angriffe der Seeräuber werden auf Einwirkungen seitens mehrerer Mandarinen der chinesischen Grenzdistricte zurückgeführt.

Italien.

Der König hat an den Minister⸗Präsidenten Giolitti ein Telegramm gerichtet, worin er jedes Geschenk anläßlich der bevorstehenden silbernen Hochzeitsfeier dankend ablehnt und zugleich den Wunsch ausspricht, der Gedenktag möge die Veranlassung zu Werken der Wohlthätigkeit bilden.

Der Minister⸗Präsident Giolitti hat seine Reise nach Monza, wie die „Agenzia Stefani“ meldet, erst gestern an⸗ getreten, um dort dem Könige den Vorschlag des Ministeriums wegen Auflösung der Kammern zu unterbreiten.

Eine Depesche des „W. T. B.“ macht folgende Mit⸗ theilungen über das Programm des Cabinets für die bC111AX“ Wahlen, welches dem König unterbreitet werden und zugleich mit dem Decret über die Auflösung der Kammern und dem Wahltermin bekannt gemacht werden soll: Im Miitelpunkte des Programms der Rezierung stehe die finanzielle Frage, mit welcher sich das Cabinet in letzter Zeit eingehend beschäftigt habe. Die Budgets von 1892/93 und 1893/94 würden die in den früheren Budgets vorgesehenen Ersparungen beibehalten; einige davon, die nicht ganz unzweifelhaft, gewesen seien, sollten durch andere thatsächlich durchführbare ers

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werden. Ueberdies werde das Budget von 1893/94, welches das Cabinet der Kammer vorzulegen gedenke, völliges Gleichgewicht aufweisen, das man durch innere Reformen und ohne neue Steuern oder Wieder⸗ einführung ehemaliger Abgaben zu erzielen hoffe. Der Gedanke an die Emission einer Anleihe, wie an jede finanzielle Operation liege dem Cabinet fern, da die Kassenbedürf⸗ nisse mehr wie genügend gedeckt seien. Da die Ein⸗ nahmen mit peinlicher Genauigkeit berechnet seien und sich mit jedem Tage besserten, so werde aller Wahrscheinlichkeit nach das Budget von 1893/94 mit einem ziemlich beträchtlichen Ueber⸗ schuß abschließen. Das Programm des Cabinets so heißt es weiter werde die finanzielle Frage gründlich erörtern 198 um⸗ fassende Vorschläge zu ihrer endgültigen Lösung machen. Eine hervor⸗ ragende Stelle in dieser Erörterung werden die Frage des Geldumlaufs im allgemeinen und die Principien einnehmen, auf denen sich das Pro⸗ jeet der Reform der Emissionsbanken aufbauen solle. In dieser Hinsicht müsse constatirt werden, daß, während sonst in den Monaten September und Oktober die Wechselcurse in Italien stets stiegen, der Wechselcurs in diesem Jahre seit einem Monate in fortwährendem Fallen begriffen sei. Endlich werde das Programm die Ankündigung der socialen Reformen enthalten, die eines der Haupt⸗ ziele seien, die das gegenwärtige Cabinet sich esetzt habe. Die auf die auswärtige und innere Politik bezüg⸗ lichen Fragen würden im allgemeinen beim nächsten Wahl⸗ kampfe keine Rolle spielen. Was die innere Politik angehe, so werde das gegenwärtige Cabinet gewissenhaft alle verbrieften Freiheiten und Rechte achten und sowohl durch Aufbesserung der wirthschaftlichen Verhältnisse überhaupt, als auch durch straffe Handhabung der Regierungsgewalt allenthalben die öffentliche Ruhe aufrecht zu er⸗ halten bestrebt sein. Ueber die Militärfrage lasse sich nur sagen, daß lediglich die radicalen Intransigenten dagegen Einwendungen er⸗ höben. Nachdem sich indeß die Radicalen Fortis und Ferrari über die Militärfrage geäußert hätten, werde ohne Zweifel Italien in der Ansicht einig sein, daß man die militärischen Aus⸗ gaben nicht noch weiter herabmindern dürfe, da doch selbst die Schweiz, wiewohl ein neutraler Staat, verhältnißmäßig viel mehr für Heeres⸗ zwecke verausgabe als Italien. Das Cabinet strebe danach, zwei be⸗ deutungsvolle Resultate zu erzielen: einmal die finanzielle Frage zur Erledigung zu bringen und damit die wirthschaftliche Uinab⸗ hängigkeit Italiens zu besiegeln, sodann die Bewegung zu fördern, welche die hervorragendsten Mitglieder der äußersten Linken dazu dränge, sich auf den Boden der Verfassung zu stellen, was sozusagen in der Tradition der Partei begründet sei. Die bevorstehenden all⸗ gemeinen Wahlen seien bestimmt, einen historischen Abschnitt in der

wirthschaftlichen und verfassungsmäßigen Entwickelung des Landes zu

bezeichnen.

Spanien.

Die Königin⸗Regentin ist am Sonnabend unter dem Jubel der Bevölkerung in Sevilla und gestern in Cadix eingetroffen. In der gestrigen Sitzungdes Amerikanisten⸗Congresses in La Rabida sprach der deutsche Professor Helman Spanien seine Glückwünsche zur Centennarfeier der Entdeckung Amerika aus und bemerkte, daß die anwesenden sechzehn Deutschen an der Begeisterung des spanischen Volks innigen Antheil nähmen. Zum Schlusse seiner Rede überreichte Professor Helman ein der unter staatlicher Beihilfe herausgegebenen Karto⸗ graphie.

Belgien.

Bezüglich der internationalen Münzconferenz wird der „Times“ aus Philadelphia gemeldet, die Instructionen des Präsidenten Harrisorg für die amerikanischen Delegirten gingen dahin, möglichst günstige Bedingungen für das Ver hältniß zwischen Gold und Silber bei der gemeinsamen Ver wendung beider Metalle durchzusetzen. 1

Bulgarien.

Zu der Frage der griechischen Schulen in Bulgarien und den von dem griechischen Minister⸗Präsidenten Trikupis

in dieser Angelegenheit unternommenen Schritten bei den Signatar

mächten (vgl. Nr. 228 des „R.⸗ u. St.⸗A.) bringt die bulgarische „Swoboda“ einen längeren Artikel, worin ausgeführt 8 Gesetzes bezüglich der griechischen Schulen sei ein rein indem es die Tendenz verfolge, das übrigens nur sehr schwach vertretene griechische Element dem Lande näher zu bringen

und der jungen Generation der Griechen in ihrer Eigenschaft

wird, der Zweck des neuen bulgarischen

als bulgarische Unterthanen die Theilnahme an den öffent⸗ lichen Angelegenheiten des Landes zu ermöglichen, die ihnen durch den Mangel der Kenntniß der Landessprache

vorenthalten sei. Die „Swoboda“ weist dabei auf das Beispiel von Griechenland selbst und Rumänien hin, wo alle Nationa⸗ litäten in den Landessprachen unterrichtet würden, ohne daß

sich ein Staat in die Schulangelegenheiten Griechenlands oder Rumäniens einmische, und kommt zu dem Schluß, daß Tri⸗

kupis durch seine inopportunen Schritte seinen Landsleuten

wohl keinen guten Dienst erweise.

In derselben Sache meldet „W. T. B.“ aus Athen,

man betrachte in dortigen Regierungskreisen die Schulfrage

als zu Gunsten Griechenlands entschieden, da Griechen⸗

land moralische Garantien dafür erhalten habe, daß die bulgarische Regierung von der Sobranje die Abänderung des Schulgesetzes 1.“ werde.

1 Amerikäaã.

Das „Reuter'sche Bureau“ macht das Programm für di Einweihungsfeierlichkeiten der Weltausstellung in Chicago, welche am 21. d. M. in dem Fabrikanten⸗

gebäude stattfinden werden, bekannt. Um Sonnenaufgang wird

ein Salut abgefeuert werden. Am Vormittag werden sich der Präsident und der Vice⸗Präsident und die lebenden früheren Präsidenten der Vereinigten Staaten, die Mitglieder des Cabinets, die Richter des obersten Bundes⸗ gerichtshofes, der Senat und das Repräsentantenhaus, die Commissäre und Directoren der Ausstellung, eingeladene aus⸗ ländische Gäste und die Gouverneure der Union, unter einer Bedeckung von Militär und Milizen, nach dem Ausstellungsplatz begeben. Der Festactus beginnt um 12 ½ Uhr. Der eigens für den Zweck componirte Columbian⸗Festmarsch leitet die Feier⸗ lichkeit ein. Darauf spricht der Bischof Fowler von Califor⸗ nien ein Gebet. Daran schließt sich eine Ansprache des General⸗Directors der Ausstellung. Eine von Miß Harriet Monroe in Chicago verfaßte und von Chadwick in Boston in Musik gesetzte Ode wird hierauf zum Vortrag gebracht. Dann überreicht der Präsident der Weltausstellung den Haupt⸗Bau⸗ meistern Denkmünzen. Nachdem ein Chor Haydn’s „Die Himmel verkünden die Ehre Gottes“ gesungen hat, beginnen die eigentlichen Einweihungsfeierlichkeiten, welche Präsident Harrison selbst vollziehen wird. Nach dessen Rede singt der Chor das Hallelujah aus Händel’'s Messias. Daran schließt sich eine Ansprache von Breckinridge aus Kentucky. Die Nationallieder „Star Spangled Banner“ und „Hail Columbig“ mit vollem Orchester leiten die eigentliche Festrede

welche Chauncer M Depe ernommen hat. Alsdann

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