1892 / 244 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 15 Oct 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Der von hier aus mit Anweisung versehene Stations⸗ vorstand hat seine Dienstgeschäfte bereits übernommen. Stettin, den 13. Oktober 1892. Der Staatscommissar für die Gesundheitspflege im Stromgebiet der Oder. h1X“X“

In der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „R.⸗ u. St.⸗A.“ werden zwei Regulative, betreffend die fernere Ausgabe auf den Inhaber lautender Anleihescheine der Rheinprovinz durch Vermitte⸗ lung der Landesbank der Rheinprovinz, veröffentlicht.

Abgereist:

der Ober⸗Berghauptmann und Ministerial⸗Director im Ministerium für Handel und Gewerbe Freund, nach Saar⸗ brücken.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 15. Oktober.

Seine Majestät der Kaiser und König sind gestern Nachmittag um 2 ½ Uhr von Wien wieder in Potsdam eingetroffen. u““

Heute Vormittag nahmen Allerhöchstdieselben im Marmor⸗ Palais die Vorträge des Chefs des Militärcabinets und des Reichskanzlers sowie die Meldungen des Capitäns zur See von Prittwitz⸗Gaffron entgegen.

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Der Kaiserlich und Königlich österreichisch⸗ungarische Bot⸗ schafter am hiesigen Allerhöchsten Hofe Graf Széchényi ist vom Urlaub nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Botschaft wieder übernommen.

Der Königlich bayerische Militärbevollmächtigte, General⸗ Major Ritter vom Haag hat sich mit kurzem Urlaub nach Kamenz in Schlesien begeben.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Großherzoglich mecklenburgischer Ober⸗Zolldirector Oldenburg und Fürstlich lippischer Cabinets⸗Minister von Wolffgramm, sind hier

eingetroffen.

M. Kreuzer⸗Fregatte „Leipzig“, Flaggschiff des Kreuzer⸗Geschwaders, Commandant Capitän zur See Rötger, ist mit dem Geschwader⸗Chef, Contre-Admiral von Pawelsz an Bord am 13. Oktober in Shanghai eingetroffen und beabsichtigt, am 24. nach Amoy in See zu gehen.

Dem Kaiserlichen Ge 15. Oktober, Mittags, gemelde und Todesfälle:

sundheitsamt vom 14. bis te Cholera⸗Erkrankungs⸗

D a t u m: 12./10.] 13./10.

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gestorben erkrankt gestorben erkrankt gestorben erkrankt gestorben S

Vereinzelte Erkrankungen:

Großherzogthum Baden: In Leopoldhafen eine tödtlich verlaufene Erkrankung (Schiffer).

Mecklenburg⸗Schwerin: In der Stadt Boizenburg ine Erkrankung.

Die in Nr. 242 gemachte Angabe über einen Cholerafall in Eberswalde hat sich nachträglich als unrichtig heraus⸗ gestellt; sie ist durch ein verstümmelt übermitteltes Telegramm verursacht worden.

Bayern.

München, 14. Oktober. Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Friedrich Carl von Preußen traf gestern Nacht aus der Schweiz hier ein und begab sich, wie die „Allg. Ztg.“ erfährt, heute zum Besuch Ihrer Königlichen Hoheiten des Großherzogs und der Großherzogin von Luxem⸗ burg nach Schloß Hohenburg. b

Dresden, 14. Oktober. Ihre Majestät die Königin ist, wie das „Dr. J.“ meldet, heute nach vierwöchigem Aufenthalte in Moritzburg nach der Villa Strehlen übergesiedelt.

Württemberg.

1 Stuttgart, 14. Oktober. In dem Befinden Ihrer Majestät der Königin⸗Wittwe ist gestern eine Besserung eingetreten, die auch heute noch theilweise anhält. Das heute ausgegebene Bulletin lautet:

Schloß Friedrichshafen, 14. Oktober, Vormittags 8 Uhr 30 Minuten. Bei Ihrer Majestät der Königin⸗Wittwe brachte der gestrige Tag viel Schlaf und etwas besseren Appetit; die Nacht ver⸗ lief unruhig, aber nicht ganz schlaflos. Eine langsame Zunahme der Kräfte und Hebung der Herzthätigkeit ist unverkennbar. Der Stand der Lungen und Nieren⸗Affection ist befriedigend. Kein Fieber; Puls 108, Athem 22. Bewußtsein klar. Dr. Stiegele. Ihre Majestät die Königin Charlotte empfing gestern in Friedrichshafen den neu ernannten russischen Gesandten von Kotzebue in Audienz.

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha.

Coburg, 14. Oktober. Seine Königliche Hoheit der Herzog von Edinburg ist heute, wie die „Cob. Ztg.“

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meldet, aus London und Seine Königliche Hoheit der Prinz Alfred von Edinburg aus München hier angekommen.

Waldeck und Pyrmont. Arolsen, 14. Oktober. Ihre Majestäten die Königin und die Königin⸗Regentin der Niederlande sind heute von hier nach Burgsteinfurt abgereist.

ʒEFlsaß⸗Lothringen.

Straßburg, 14. Oktober. Der Kaiserliche St Fürst 8ez. ist gestern aus Aussee hier m. getroffen.

Deutsche Colonien.

Hinsichtlich der Expedition, welche aus London auf dem Dampfer „Pembroke Castle“ abgegangen ist, um das Terrain der den Herren Dr. Scharlach und Wichmann ver⸗ liehenen und von diesen der „Südwest⸗Afrika⸗Gesell⸗ schaft in London“ übertragenen Concession (vgl. Nr. 219 des „R.⸗ u. St.⸗A.“, der sog. Damara⸗Concession) zu erforschen, ist das „Reuter'sche Bureau“ ermächtigt, die in der deutschen Presse verbreiteten Nachrichten entschieden zu de⸗ mentiren, wonach 1) Sir Donald Currie mit demselben Dampfer eine Anzahl gut ausgerüsteter Leute unter dem Befehl eines in seinem Dienste befindlichen Ingenieurs zur Besetzung der Otavi⸗Mine abgesandt habe, wonach 2) die Expedition bei ihrer Ankunft die Otavi⸗Mine von bewaffneter Macht besetzt finden werde, sowie 3) daß Donald Currie seinen Vertretern in Südwest⸗Afrika Instructionen ertheilt habe, die Einge⸗ borenen aufzuwiegeln und dem Vormarsch der Expedition mit Gewalt entgegenzutreten. Donald Currie ermächtigt das „Reuter'sche Bureau“, in Deutschland zu erklären, daß diese drei Behauptungen vollständig erfunden sind.

Oesterreich⸗Ungarn.

Der Kaiser ist gestern früh wieder in Gödöllö ein⸗ getroffen. 1 Die Lage der auswärtigen Politik war gestern in dem Ausschuß der ungarischen Delegation für auswärtige Angelegenheiten Gegenstand eingehender Verhandlungen sowie ausführlicher Erklärungen seitens des Ministers des Auswärtigen Grafen Kälnoky. Es liegt darüber folgender telegraphische Bericht vor:

Der Referent über das Budget des Ministeriums des Aeußern Falk richtete die Anfrage an den Minister des Auswärtigen, ob er Schritte gethan oder zu thun gedenke, um die Pforte wissen zu lassen, daß das Verfahren, das sie Bulgarien gegenüber in jüngster Zeit einschlage, nicht bei allen Unterzeichnern des Berliner Vertrages eine so ungünstige Beurtheilung finde, wie dies seitens Rußlands geschehen sei, daß es vielmehr mehrere Signatarmächte gebe, darunter besonders Oesterreich⸗Ungarn, die diese freundliche Haltung der Pforte freudig begrüßten und die

eit für gekommen erachteten, daß die Pforte durch Anerkennung des

Prinzen Ferdinand dem gegenwärtigen Zustande Bulgariens, soweit er von der Türkei abhänge, Legalität verleihe. Redner beantragte hierauf, daß die Politik Kälnoky's gebilligt werde, die auf dem Drei⸗ bunde sowie auf der Respectirung des Selbstbestimmungsrechts der Balkanstaaten beruhe. Nachdem der Delegirte Falk die Bericht⸗ erstattung erledigt hatte, erklärte der Delegirte Gyurkowic, indem er ausdrücklich betonte, daß er als Vertreter Kroatiens und Slavoniens spreche, die Bevölkerung der genannten Länder billige den Dreibund und wünsche keineswegs den Anschluß Oesterreich⸗ Ungarns an eine andere Großmacht, etwa an Rußland. Die Gegner des Dreibundes sollten doch nicht vergessen, daß schon zweimal ein Bündniß der drei er bestanden aber jedesmal durch Ruß⸗ land gelöst worden sei. Eine baldige Ersetzung des heutigen that⸗ sächlichen Zustandes im Oeccupationsgebiet durch einen Rechts⸗ zustand und damit die endgültige Klärung der staatsrechtlichen Stellung der occupirten Provinzen sei zu wünschen. Hierauf stellte der Delegirte Graf Albert Apponvi die Frage, ob der Dreibund nach Möglichkeit politisch ausgenützt werde, wünschte Aufklärungen über die Dispositionen bezüglich Bulgariens und sprach die Hoffnung aus, Englands auswärtige Politik sei die gleiche geblieben und die Beziehungen Oesterreich⸗Ungarns zu Serbien hätten sich nicht ver⸗ ändert. Das den Rumänen gespendete Lob hätten diese nicht ganz verdient.

Der Minister des Auswärtigen Graf Kälnoky sprach hierauf seine Genugthuung und seinen Dank für die freundlichen Worte der Billigung aus, die sowohl der Referent als auch die übrigen Mitglieder der Delegation betreffs seiner in der Eröffnungs⸗ situng gemachten Darlegungen (vgl. Nr. 234 des R.⸗ u. St.⸗A.“*) ausge⸗ sprochen hätten. Es sei allerdings schwer für ihn, ohne langweilig zu werden, über die auswärtige Lage etwas an deres zu sagen, als was be⸗ reits im österreichischen Ausschusse von ihm gesagt worden sei. Fort⸗ während wiederholte friedliche Versicherungen könnten zur Phrase wer⸗ den; dies sei dann nicht geeignet, die Friedenszuversicht zu ver⸗ stärken. Was den Dreibund betreffe, so lasse sich nicht in Abrede stellen, daß er Gegenstand der Anfeindungen von mancher Seite sei. Eben darum könnten die warmen Worte, die im Ausschuß sowohl bezüglich des Grundprinzips als des Ausbaues, der Entwickelung und der Resultate dieses Bündnisses gesprochen seien, nur von den besten Wirkungen begleitet sein. Die Minister könnten nur wiederholen, daß hinter diesen Bündnissen nichts Verstecktes lauere. Es sei ein klarer Bund mit defensiven Zwecken zur Sicherung der betheiligten Staaten. Anfänglich seien allerdings mehrfach Zweifel laut geworden, ob heut⸗ zutage Bündnisse ausschließlich zu Friedenszwecken geschlossen werden könnten. Jetzt seien die Zweifel fast ganz geschwunden. Die Be⸗ völkerung habe bei dem wachsenden Gefühle der Beruhigung die Ueberzeugung gewonnen, daß unter dem Schutz dieses Bündnisses die Entwickelung ihrer vielen materiellen Interessen, trotz mancher politi⸗ schen Unsicherheiten, ungestört und erfolgreich gefördert werden könne. Er sei überzeugt, daß dieses Bündniß auch in Zukunft sich als ein gutes und den Interessen des Landes entsprechendes erweisen werde. Es sei wohl richtig, daß ein durch Jahrzehnte dauernder Bündnißvertrag im Vor⸗ aus nicht für alle möglichen Fälle der Zukunn Vorsorge treffen könne; allein der Umstand, daß die Theilnehmer am Dreibund in steter freundschaft⸗ licher Fühlung ständen, an dessen Geist treu festhielten und sich in diesem völlig eingelebt hätten, sei ein beachtenswerther Factor für alle Eventualitäten. Daher könne auch der Zukunft mit Be⸗ ruhigung und pollem Vertrauen entgegengesehen werden. Was die vom Grafen Apponvi angeregte Frage betreffe, ob eine Fort⸗ dauer der guten Beziehungen Oesterreich⸗Ungarns zu England und den anderen Mächten zu hoffen sei, so könne er nur erklären, daß er diese Hoffnung hege, weil die Fortdauer dieser Beziehungen nicht nur im Interesse Oesterreich⸗Ungarns jondern auch in dem Interesse der anderen betheiligten Mächte liege. Er könne bezüglich des Verhaltens einer fremden Regierung allerdings keine bestimmte Erklärung abgeben, nach seiner Kenntniß der Ver⸗ hältnisse aber und nach der Art und Weise, wie die bisherige aus⸗ wärtige Politik der englischen Regierung von der Bevölkerung Eng⸗ lands gebilligt worden sei, halte er die Erwartung für gerecht⸗ fertigt, daß der neue Minister der auswärtigen Ängelegenheiten in England, welcher obendrein bereits einmal Gelegenheit gehabt habe, als Leiter der auswärtigen Politik zwischen zwei Tory⸗Regierungen die Continuität dieser Politik zu be⸗ thätigen, auch jetzt an den großen Linien derselben festhalten werde. Das sei seine Meinung, wenn er auch begreiflicherweise für die

888 Kaif⸗ sei

Intentionen einer fremden Regierung keine Garantie übernehmen

könne. Was Serbien betreffe, theile er durchaus den Wunsch, daß es dort endlich zu stabilen Verhältnissen kommen möge. Er habe nicht den geringsten Grund zu befürchten, daß die bisherigen Be⸗ ziehungen Oesterreich⸗Ungarns zu diesem Nachbarlande eine Trübung erfahren würden, und halte sich eher berechtigt, das Gegentheil anzunehmen. Die bezüglich Rumäniens vom Grafen Apponvi angeregte Frage sei sehr heikel. Es unterliege gar keinem Zweifel, daß der König und die Regierung Rumäniens Oesterreich⸗Ungarn gegenüber eine durchaus correcte Haltung einzu⸗ nehmen beflissen seien. Es möge aber nicht immer leicht sein, nationalen Strömungen entgegenzutreten, und wenn in der Nachbar⸗ schaft sich Vorfälle ereigneten, die Oesterreich⸗Ungarn unangenehm berührten, so müsse man immer kalten Blutes erwägen, was besser sei, aus diesen Verhältnissen viel Aufhebens machen, oder sie ruhig vorübergehen zu lassen, wo sie dann meist im Sande verliefen. Der von dem Grafen Apponvi erwähnte Fall bezüglich des dortigen Culturvereins sei ihm (dem Minister) nicht bekannt. Wohl aber habe er Kenntniß von einigen anderen Incidenzfällen erhalten, welche nicht ungerügt hätten bleiben können, und das Auswärtige Amt habe auch bezüglich dieser Fälle jedesmal reclamirt und, wie der Minister beifügen könne, nicht ohne Erfolg. Leider seien es zumeist eigene Staatsangehörige, die jenseits der Grenze derlei Unannehmlichkeiten bereiteten. Was die von dem Referenten angeregte Frage über den jüngsten diplomatischen Schritt Rußlands in Konstantinopel betreffe, so müsse er (der Minister) zunächst bemerken, daß es sich hier nicht um eine officielle Note, sondern um eine von der russischen Regierung an ihre Vertreter gerichtete und der Pforte mitgetheilte Depesche handle. Das sei allerdings eine geringfügig erscheinende Nuance, allein es begründe doch einen gewissen Unter⸗ schied, da dies die vertrauliche Form der Mitttheilung zwischen zwei Regierungen sei. Derlei Devpeschen pflegten anderen Regierungen officiell nicht mitgetheilt zu werden; so habe denn auch das Auswärtige Amt keine amtliche Kenntniß von der in Rede stehenden russischen Démarche. Es liege daher weder für die Regierung noch für jemand Anderen eine Ver⸗ anlassung vor, sich darüber zu äußern, und zwar vorerst um so weniger, als, was wohl das erste sei, die Pforte selbst noch keine Antwort erlassen zu haben scheine. Besondere Erklärungen in dem vom Referenten angedeuteten Sinne seien übrigens seitens Oesterreich⸗Ungarns bei der Pforte deshalb nicht nothwendig, weil dort nicht der geringste Zweifel über die diesseitige W der bulgarischen Angelegenheiten bestehen könne. Die Regierung habe der Pforte sowohl wie Bulgarien jeder Zeit angerathen, im eigenen wohlverstandenen Interesse möglichst gute Beziehungen zu pflegen, und namentlich Bulgarien empfohlen, das Verhältniß zum Suzerän zu achten. Bei den wohlwollenden Gesinnungen des Sultans für das Fürstenthum sei nicht daran zu zweifeln, daß dessen gegenwärtige freundliche Stimmung und die befriedigenden Beziehungen Bulgariens zu der Pforte von Dauer sein würden. Ein directes Eingreifen in dergleichen diplomatische Zwischenfälle habe immer zwei Seiten. Es sei leicht eine Depesche zu schreiben, aber durch einen solchen Schritt werde dann oft eine Angelegenheit erst recht auf⸗ gebauscht, die sonst zu keinerlei weiteren Consequenzen geführt hätte. Ob und was andere Mächte bezüglich des russischen Vorgehens in Konstantinopel gethan hätten, davon habe er keine Kenntniß. Er glaube aber nicht, daß irgendwo der Wunsch bestehe, sich in diesen Schriftwechsel zwischen Rußland und der Türkei einzumischen.

Der Berichterstatter Falk drückte darauf seine Zustimmung zu den Ausführungen des Ministers aus, worauf der Ausschuß dem Grafen Kaͤlnoky einstimmig sein Vertrauen aussprach und das Budget des Aeußern annahm.

Der Budgetausschuß der österreichischen Delega⸗ tion nahm in seiner gestrigen Sitzung das Ordinarium und Ertraordinarium der Marine unverändert an. Im Laufe der Verhandlungen führte der Chef der Marinesection des Reichs⸗Kriegs⸗Ministeriums, Admiral Daublebsky Freiherr von Sterneck den Nachweis, daß die österreichisch⸗ ungarische Industrie bei den Neuanschaffungen für die Marine möglichst berücksichtigt werde. Der Admiral erinnerte dabei an das Concurrenzschießen zu Pola, an welchem sich auch deutsche und englische Firmen betheiligt hätten, der Sieg aber dem österreichischen Werk in Witkowitz zugefallen sei, und betonte schließlich das Bestreben der Regierung, auf dem Gebiet der Geschützindustrie Oesterreich⸗Ungarn vom Auslande möglichst unabhängig zu machen. Hierauf trat der Ausschuß in die Berathung des Heeresbudgets ein. Der Delegirte Eym trat den Aeußerungen des Grafen Kälnoky, daß die Be⸗ völkerungen sich an große Heeresbudgets als ein chronisches Uebel gewöhnten, entgegen und hob hervor, sie seien im Gegentheil empfindlicher geworden. Der Redner er⸗ blickte den Grund der Kriegslast Oesterreich⸗Ungarns in der Dreibund⸗Politik, wünschte eine zweijährige Präsenzdienstzeit, wenn sie auch mit einer Er⸗ höhung des Präsenzstandes und mit neuen Finanzlasten ver⸗ bunden sei, befürwortete ferner eine geringere Aengstlichkeit hinsichtlich des nationalen Geistes in der Armee und wünschte schließlich die Anwendung der Ungarn gemachten sprachlichen Einräumungen auf die böhmische Sprache. Der Delegirte Dumba trat den Ausführungen Eym'’s in entschiedenster Weise entgegen, indem er betonte, daß die Schlagfertigkeit der Armee die erste Aufgabe sei. Die Rücksicht auf die Natio⸗ nalitäten komme erst in zweiter Linie in Betracht. Hierauf ergriff der Reichs⸗Kriegs⸗Minister Freiherr von Bauer das Wort und erklärte, die Steigerung der Heeres⸗ erfordernisse hänge mit den Verhältnissen Europas zu⸗ sammen, die er nicht ändern könne. Ueberall herrsche die allgemeine Ueberzeugung, daß die staatlichen Interessen geböten, Opfer zu bringen. Die Art und das Tempo der Steigerung der Ausgaben befriedige ihn (den Minister) nicht, doch müsse er sich den finanziellen Rücksichten fügen. Mit der zweijährigen Dienstzeit sei er nur unter gewissen Veraus⸗ setzungen einverstanden, nämlich bei einer Steigerung des Präsenzstandes und bei Hebung des Unteroffiziermaterials in Schulung, Sold und Versorgung. Dies sei sehr kostspielig und für Oesterreich⸗Ungarn kaum anwendbar. Preußen sei die Frage keineswegs entschieden und die dortige Entwickelung sei geduldig abzuwarten. Zu einer Reform der Militärjustiz sei das Einverständniß von fünf Ministerien erforderlich, daher brauche die Sache Zeit. Der leitende Grundsatz sei dabei die Schaffung einer modernen Rechts⸗ ordnung ohne Beeinträchtigung der Autorität der Comman⸗ danten und der Disciplin. Auch Preußen, wo gleichfalls hieran gearbeitet werde, sei noch., nicht fertig. Der nationale Geist innerhalb der Schranken österreichischer Gesinnung werde in der Armee geachtet. Es bestehe kein Verbot der Anwendung der Muttersprache außer Dienst. Die Dienst⸗ sprache des Heeres sei die deutsche Sprache und sie müuͤsse es bleiben. Bei den Einjährig⸗Freiwilligen sei ein gewisser Grad von deutscher Sprachkenntniß unentbehrlich. Auch die Muttersprache sinde gebührende Pflege. Der Offtzier, der sich die deutsche Sprache nicht binnen drei Jahren aneigne, sei von der Beförderung geradezu ausge⸗ schlossen. Er lege hohen Werth auf ein gutes Einver⸗ nehmen zwischen dem Militär und der Bürgerschaft; erfreu⸗ licherweise bestehe ein solches Einvernehmen. Der Delegirte Dr. von Plener sprach sodann den Wunsch aus, daß künftig

dies zu.

Auch in

bei Neuorganisirungen die Vorlagen von einer ausführlichen Motivirung begleitet sein möchten. Der Kriegs⸗Minister sagte Ueber den Präsenzstand wünschte Plener ein über⸗ sichtliches Tableau. Die Sitzung wurde sodann bis zum Abend vertagt und ordinarium des Heeresbudgets angenommen.

Großbritannien und Irland.

In Chester ist der conservative Candidat Master mit 4277 Stimmen an Stelle des verstorbenen Deputirten Winterbotham zum Mitgliede des Unterhauses gewählt worden. Der Gladstoneaner Lawson erhielt drei Stimmen weniger als Master. Die Conservativen haben somit einen Sitz gewonnen.

Der Schriftführer der hauptstädtischen radicalen Vereinigung hat vom Staatssecretär des Innern unterm 11. d. M. die Mittheilung erhalten, daß der Minister gewillt sei, am 19. d. eine Abordnung des Geschäftsausschusses der hauptstädtischen radicalen Vereinigung in Sachen der für Sonntag, den 13. November, auf dem Trafalgar⸗ Platz beabsichtigten Demonstration zu empfangen. Der Minister wird in dieser Sache auch eine Abord⸗ nung des Gemeinderaths des Stranddistricts empfangen, der sich die Hotelbesitzer und Kaufleute dieses Theils Londons anschließen werden, um dem Minister den bedeutenden Verlust vorzustellen, den ein Widerruf des von der letzten Regierung erlassenen Verbots solcher Versammlungen auf dem Trafalgar⸗ Pla für das Handels⸗ und Geschäftsleben zur Folge haben würde.

Der französische Anarchist Francis, der, wie gestern unter „Frankreich“ gemeldet, unter der Anschuldigung, ein Genosse Ravachol's bei der Explosion im Restaurant Véry in Paris gewesen zu sein, in London verhaftet worden ist, erschien gestern vor dem Polizeigericht in Bow⸗Street. Die Angelegen⸗ heit wurde jedoch auf acht Tage vertagt.

Frankreich.

In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres be⸗ trug die Einfuhr Frankreichs 3394 Millionen Francs gegen 3471 Millionen Francs in derselben Zeit des vorigen Jahres. Die Ausfuhr belief sich während desselben Zeit⸗ raumes auf 2652 Millionen Francs gegen 2555 Millionen im Vorjahre. Im September d. J. wurde an Nahrungs⸗ mitteln für 82 Millionen Francs weniger als im Septem⸗ ber 1891 eingeführt.

Der Generalberichterstatter für das Budget Poincaré erstattete, wie „W. T. B.“ meldet, gestern in der Budget⸗ commission einen Gesammtbericht über das Budget, wie es sich nach den verschiedenen Abänderungen gestaltet hat. Darnach übersteigen die Ausgaben die Einnahmen um 6 Mil⸗ lionen Francs. Die Commission wird die Regierung ersuchen, über die Mittel zur Deckung des Ausfalls Mittheilung zu machen. Der Finanz⸗Minister Rouvier hat der Budgetcommission mitgetheilt, die im Budget vorgesehenen Ausgaben für die Zinsgarantie der Eisenbahnen müßten um 34 Millionen zur Deckung der Rückstände früherer Budgets erhöht werden. 25 Millionen davon würden durch einen Theil des Einnahme⸗ Ueberschusses des Budgets für 1891 gedeckt werden. Ueber die Mittel zur Beschaffung der übrigen 9 Millionen beabsichtige er sich heute in der Commission zu äußern.

Nach dem Bericht des Deputirten Cochery über das Armeebudget zählte die französische active Armee im Jahre 1869 24 005 Offiziere, 385 372 Mann und 89 702 Pferde, im Jahre 1892 hingegen 28 382 Offiziere, 484 015 Mann und 140 879 Pferde. Der Bestand vertheilt sich wie folgt: Infanterie: 173 Regimenter, 30 Jäger-⸗Bataillone, 5 afrikanische Regimenter, zusammen 283 715 Mann, Cavallerie: 89 Regimenter, 67 363 Mann, Artillerie: 36 Regimenter, 16 Festungs⸗Bataillone und 28 Gebirgs⸗ Batterien, zusammen 580 Batterien mit 69 371 Mann, Genie: 5 Regimenter mit 10 815 Mann, Fuhrwesen: 20 Schwadronen mit 10 383 Mann, ilsalen, Ver⸗ waltungs⸗, Justiztruppen u. s. w. 24 876 Mann, Gendarmerie: 24 876 Mann. Dieser Bestand umfaßt aber wie es in dem Bericht heißt nicht mehr, wie vor 1870, die Gesammt⸗ heit der activen Armee, sondern wird noch im Mobilmachungs⸗ fall durch die Reservisten nahezu verdoppelt, ganz abgesehen von den Reserve⸗Regimentern, welche aus den ehemaligen gemischten Regimentern gebildet werden. Zu diesen Truppen kommt noch die Landwehr, sodaß die Gesammtzahl des Heeres 1650 Bataillone Infanterie, 600 Schwadronen Cavallerie und 750 Batterien Artillerie erreicht. Die Reserve der Landwehr, welche sechs Altersklassen, also etwa 850 000 Mann umfaßt, ist noch nicht genügend organisirt.

Wie ein vom 12. Oktober datirtes Telegramm des Obersten Dodds an den Marine-⸗Minister meldet, haben die fran⸗ zösischen Truppen am 10. d. M. die feindliche Position bei Sabori besetzt. Die Dahomeyer hatten die Stellung bereits verlassen, im Lager und auf der Rückzugslinie zurückgelassener Proviant bekundete die Eile der Flucht. Die französische Colonne setzte dann ihren Marsch fort und traf am 12. d. M. jenseits Quebomedi auf die Vorposten der Dahomeyer, die etwa 10 km von Kana eine stark verschanzte Stellung besetzt hielten. Ein für die Franzosen siegreiches Gefecht ent⸗ spann sich, in welchem auf französischer Seite vier Soldaten getödtet und zwanzig verwundet wurden. Oberst Dodds setzte hierauf seinen Vormarsch fort.

Spanien.

Infolge des Umstandes, daß der König dem Militär⸗ Caroussel in Sevilla nicht beigewohnt hatte und nur die Königin⸗Regentin zugegen gewesen war, hatte sich das Gerücht verbreitet, der König sei erkrankt. Wie „W. T. B.“ meldet, ist dies Gerücht indessen vollständig unbegründet.

Die anläßlich der Columbusfeier in Huelva ver⸗ sammelt gewesenen fremden Kriegsschiffe haben den dortigen Hafen wieder verlassen.

Griechenland.

Für die aus Anlaß der silbernen Hochzeit des Koönigs und der Königin gevplante Flottenconcentrirung im Piräus ist dem „W. T. B.“ zufolge außer der Theilnahme des französischen Geschwaders auch die des englischen Mittelmeer⸗Geschw aders, das gestern in Nauplia eingetroffen ist, in Aussicht genommen. Auch Italien hat, wie verlautet, die Absicht ausgesprochen, ein Geschwader zu senden. Der Großfürst⸗Thronfolger wird von mehreren russischen Schiffen begleitet sein.

in dieser das Ordinarium und Extra⸗

11A66“

1 Staatssecretär hat den Gesandten der Ver⸗ einigten Staaten in Venezuela angewiesen, die Re⸗ gierung des provisorischen Präsidenten Crespo, sofern er

dieselbe für gesichert halte, anzuerkennen.

Asien. 4

„Wie das „Reuter'sche Bureau“ aus Rangoon von gestern meldet, wäre infolge eines Aufstandes der Chin⸗ Stämme im oberen Birma die Lage der dortigen aus englischen und indischen Truppen bestehenden beiden Garnisonen eine sehr kritische. Der Posten in Tiddim, bestehend aus einem englischen Lieutenant und etwa hundert Spahis, sei seit dem 8. Oktober von den Chins umringt und von jeder telegraphischen Verbindung mit der Umgebung abgeschnitten. Auch das Fort White sei von zahlreichen Aufständischen umschwärmt.

Kunst und Wissenschaft.

Die hiesige Friedrich⸗-Wilhelms⸗Universität beging heute den Act des Rectoratswechsels. 1

Der zeitige Rector, Geheime Regierungs⸗Rath, Professor Dr. Foerster leitete die Uebergabe des Rectorats an seinen Nachfolger, den Geheimen Medizinal⸗Rath, Professor Dr. Virchow, mit dem Vortrage einer statistischen Uebersicht der Ereignisse des jetzt abgelaufenen Rectoratsjahres ein, aus welchem Folgendes mitzutheilen ist:

Aus dem Lehrpersonal der Universität schieden aus: durch den Tod die ordentlichen Professoren Dr. Dr. Kronecker, Roth und Geheimer Regierungs⸗Rath von Hofmann, der außerordentliche Professor Dr. Liman und die Privatdocenten Dr. Dr. Ryck und Löwenfeld; durch Berufung nach außerhalb: die Privatdocenten Dr. Dr. von Esmarch, Rodenberg und Schick: durch Verzicht: der Lehrer der Zahnheilkunde, Sanitäts⸗Rath Professor Dr. Paetsch.

Dagegen traten in den Lehrkörper neu ein: durch Be⸗ rufung: bei der medizinischen Facultät: der General⸗Stabs⸗ arzt der Armee, Wirkliche Geheime Ober⸗Medizinal⸗Rath Dr. von Coler, Excellenz, als ordentlicher Honorar⸗Professor: bei der philosophischen Facultät: die ordentlichen Professoren Dr. Dr. Schwarz, Frobenius und Fischer; durch Habili⸗ tation: bei der theologischen Facultät: Lic. Voigt, bei der juristischen Facultät die Dr. Dr. Oertmann und Weber; bei der medizinischen Facultät: die Dr. Dr. Casper und Krause: bei der philosophischen Facultät: die Dr. Dr. Cloetta, War⸗ burg, Blasius, Thierfelder, Dessoir, Wien, Rathgen, Rubens, Köpp, Fleischer, Breysig und Futterer.

Befördert wurden: bei der medizinischen Facultät die Privatdocenten Dr. Dr. Mosli und Siemerling zu außer⸗ ordentlichen Professoren, bei der philosophischen Fa cultät die außerordentlichen Professoren Dr. Dr. Brückner, Erman und Planck zu ordentlichen Professoren, der außerordentliche Pro⸗ fessor Dr. Michelet zum ordentlichen Honorar⸗Professor, die Privatdocenten Dr. Dr. Grube, Will, Hensel und Schiemann zu außerordentlichen Professoren. 1

Es wurden im Laufe des Jahres:

promovirt: bei der theologischen Facultät: 1 Licentiat, bei der juristischen Facultät: 7 Doctoren und 1 Doctor ho- noris causa, bei der medizinischen Facultät: 162 Doctoren und bei der philosophischen Facultät: 105 Doctoren,

immatriculirt: bei der theologischen Facultät 469, bei der juristischen Facultät 1245, bei der medizinischen Facultät 889, bei der philosophischen Facultät 967, zusammen 3600 Studirende.

Abgegangen sind 469 Theologen, 794 Mediziner und 882 Philosophen, Studirende.

10 Todesfälle von kommen.

Es wurden 770 Privat⸗ und 533 öffentliche Vorlesungen gehalten, an welchen 30 341 bezw. 26 915 Zuhörer theil⸗ nahmen.

Der Rector berichtete ferner über die Handhabung der akademischen Disciplin, gedachte mit Dank der Zuwendungen, welche der Universität und ihren wissenschaftlichen Instituten von der Frau Geheim⸗Rath von Helmholtz, Excellenz, den ver⸗ storbenen Professoren Kronecker und Liman, dem Professor Hieronymus und dem Dr. Martin zu theil geworden sind, und sprach dann noch über einige allgemeine Universitäts⸗ Angelegenheiten.

Hierauf nahm der Rector seinem Amtsnachfolger den vor⸗ geschriebenen Rector⸗Eid ab und übergab ihm die Insignien des Rector⸗Amts. 1

Zum Schluß hielt der neue Rector, Geheime Medizinal⸗ Rath, Professor Dr. Virchow seine Rede „über „Lernen und Forschen“.

Der für das Universitätsjahr 1892 bis 1893 constituirte Senat besteht aus:

1) dem Rector, Dr. Virchow,

2) dem Universitätsrichter, Geheimen Regierungs⸗Rath Dr. Daude,

3) dem Prorector, Geheimen Regierungs⸗Rath, Professor Dr. Foerster,

4) dem Decan der theologischen Facultät, Ober⸗Con⸗ sistorial⸗Rath, Professor Dr. Weiß, 8

5) dem Decan der juristischen Facultät, Geheimen Justiz⸗ Rath, Professor Dr. Dernburg,

6) dem Decan der medizinischen Facultät, Geheimen Medizinal⸗Rath, Professor Dr. Jolly,

7) dem Decan der philosophischen Facultät, Professor Dr. Hirschfeld, 8

8) dem Senator, Geheimen Justiz⸗Rath, Professor Dr. Hinschius,

9) dem Senator, Professor Dr. Zupitza, 10) dem Senator, Geheimen Regierungs⸗Rath, Professor Dr. Vahlen, 11) dem Senator, Professor Dr. Dillmann, 12) dem Senator, Professor Dr. Harnack.

1049 Juristen, zusammen 3194

Studirenden sind zur Anzeige ge⸗

Geheimen Medizinal⸗Rath, Professor

Schulte's Kunstsalo Zwei bemerkenswerthe jüngere Talente nehmen auf der gegen⸗ wärtigen Ausstellung des Kunstsalons E. Schulte Interesse in An⸗ spruch: Hans Busse und Max Schlichting. Ersterer, den wir in einer stattlichen Anzahl meist landschaftlicher Studien aus dem Süden als ungewöhnlich begabten Coloristen schätzen lernen, ist, wie wir hören, fast

laüümm mnn

völlig Autodidakt. Um so bewundernswerther sind die Sicherheit und der Tact seines coloristischen Gefühls und die gewandte Beherrschung technischer Schwierigkeiten, um so erklärlicher die Unbefangenheit und Frische seiner Auffassung. Der junge Künstler hat seine dreijährige Studien⸗ zeit in der paradiesischen Natur Siciliens und Süd⸗Italiens mit bestem Erfolge ausgenutzt, und seine gesunde Natur wird ihn sicherlich vor der Gefahr der Einseitigkeit beschützen, der bei der Ueberschätzung der selbständig erworbenen Ausdrucksweise Autodidakten nicht selten verfallen. Am bedeutendsten, auch nach der Seite der Composition und Stimmung, die am besten Klinger und Boecklin verwandt zu nennen ist, erscheint das „Die Wittwe“ benannte Landschaftsbild: Auf einer von dunkeln Bäumen bestandenen Parkterrasse, von der das Auge über die weißglänzende Marmorbalustrade hinaͤus auf das tiefblaue Meer schweift, lustwandelt eine in tiefe Trauer gehüllte weibliche Gestalt. Derber in der Empfindung giebt sich ein oberbaverisches Landschaftsmotiv, das indeß ebenfalls durch ungewöhnliche Leuchtkraft und Saftigkeit der Farben sich auszeichnet. Der pastose Farbenauftrag und die brillante Wiedergabe durchdringenden blendenden Lichtes kommen besonders in den zahlreichen sicilianischen Landschaftsskizzen, unter denen einzelne auch in Aquarell ausgeführt sind, zur Geltung. Max Schlichting, bisher zumeist nur als Zeichner für den Holzschürt be⸗ kannt, hat seine Studien in Paris gemacht und vertritt in seinen Bildnissen jenen extremen Pleinairismus, der nur kurze Zeit das Feldgeschrei aller fortgeschrittenen Maler der Seinestadt bildete, um dann einer neuen Mode, dem „Symbolismus“, zu weichen. Schlichting's Bildern haftet etwas Angelerntes, Unfreies an, das den Reiz unmittelbarer Wirkung beeinträchtigt. Aber solides Können, namentlich eine sichere Zeichnung ist ihnen nachzurühmen. Einen Vergleich mit seiner fein durchgeführten Kohlezeichnung einer jugend⸗ lichen Dame halten seine ausgestellten Bilder nicht aus.

Viel bewundert wird Fritz Werner's Oelbild „Am 6. Februar 1888“, welches den Fürsten Bismarck auf dem Heimwege vom Reichstag, umringt von einer begeisterten und doch ehrfurchtsvoll aus⸗ weichenden Menge, darstellt. Bei allem Streben, der Scene einen historischen Charakter zu verleihen, ohne doch die actuelle Haltung zu verleugnen, vermißt man in dem Bilde Einheitlichkeit und geschicht⸗ liche Größe. Adolf Menzel's Darstellungen derart, die offenbar unsern Künstler begeistert haben, offenbaren ein weit intensiveres Leben, die ausgedrückte Stimmung theilt sich em Beschauer viel unmittelbarer mit, wie hier, wo das Ganze in Bewegung und Ausdruck eine gewisse Starrheit nicht verleugnen kann. Auch im Colorit ist es Werner nicht gelungen, Einheitlichkeit und Geschlossenheit zu erzielen. Der Straßenperspective, in deren Hinter⸗ grund der Leipziger Platz erscheint, fehlt die rechte Tiefe und die scharf getrennten coloristischen Effecte stehen im Widerspruch zu dem gedeckten Licht des bewölkten Februarhimmels. Trotz dieser Ein⸗ wendungen muß die Beobachtungsgabe des Malers im einzelnen, seine Fähigkeit, bekannte Typen des Berliner Straßenlebens charakteristisch festzuhalten, anerkannt werden.

In dem elektrisch erleuchteten Raum der Ausstellung isteein Anzahl nordamerikanischer Landschaften vereinigt, die der in München ausgebildete Amerikaner J. Fery im Auftrage der Northern⸗Pacific⸗ Gesellschaft ausgeführt hat, zumeist Ansichten aus jenem geologisch merkwürdigen Bezirk im Nordwesten der Vereinigten Staaten, der durch Congreßacte vom 1. März 1872 als Pellowstone⸗National⸗ park unter den Schutz der Landesregierung gestellt wurde. Die große ernste Bergnatur mit ihren wunderbaren vulca⸗ nischen Formationen, den heißen, in mächtigem Strahl dem Steinboden aufschießenden Geiserquellen, den stillen Bergseen und dürftig bebauten Flußufern fesselt die Einbildungskraft in hohem Maße. Fery's Malweise ist breit, fast decorativ zu nennen, dabei in lichten kalten Tönen gehalten, sodaß die Vereinigung einer größeren Anzahl seiner Bilder etwas ermüdet. Von der Leistungsfähigkeit des Künstlers giebt die stattliche Anzahl der ausgestellten Oelbilder eine große Vorstellung; fast mehr noch interessiren die zahlreichen Aquarellstudien zu diesen, in enen wir eine ausgebildete Wass farbentechnik antreffen, die die jetzt vielfach beliebte Zuhilfenahme von Deckfarben durchaus verschmäht und dabei doch coloristisch überaus wirksam bleibt. Unter den übrigen Bildern der Ausstellung be⸗ gegnet uns neben einem interessanten älteren Dorfbild Max Lieber⸗ mann's eine Gruppe von Stilllebenmalereien von A. Hertel, J. W. Preyer, C. von Sivers, Molly Cramer und Helene Cramer, meist anspruchsvollen Formats, aber von ungleichem Werthe.

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er Historienmaler Peter Nicolai Arbo ist laut Meldung des „W. T. B.“ aus Christiania gestorben.

Theater und Musik.

Deutsches Theater. José Echegaray's Schauspiel „Galeotto“ ging gestern Abend nach mehrjähriger Pause wieder in Scene und bewegte die Zuschauer ebenso tief wie bei seinem ersten Erscheinen auf der deutschen Bühne. Durch „Galeotto“ gelangte der spanische Dichter zuerst zur Würdigung seines literarischen Wirkens in Deutschland man erkannte mit Staunen, daß über Frankreich hinaus auch jenseits der Pyrenäen in der Gegenwart die dramatische Kunst eigenartige, beachtungswerthe Blüthen treibe. Nach dem glücklichen Gelingen dieser Erst⸗ lingsgabe hat man noch wiederholt versucht, dem modernen spanischen Schauspiel, wie es sich besonders in José Echegaray repräsentirt, einen weiteren Spielraum auf der deutschen Bühne zu verschaffen; aber ein rechter Erfolg stellte sich nicht wieder ein. Mit Theilnahme sah man nun der Wiederaufnahme des Schauspiels in das Repertoire des Deutschen Theaters entgegen; denn es blieb festzustellen, ob das Drama von seiner erschütternden Wirkung nichts ein⸗ habe; dann aber ermöglichte die Wiederaufführung ein intimeres, schärferes Eingehen auf den Geist der Dichtung. Paul Lindau's Verdeutschung des Stückes, an der Kenner des spanischen Urtertes manche Vergewaltigung gegen den Ge danken und die künstlerischen Absichten des Dichters auszusetzen haben, erscheint, wie sie hier von der Bühne herab zu uns spricht, klar und sicher im Ausdruck, voll dramatischer Eindringlichkeit und Tiefe. Rührend und duftig⸗schön ist auch im Vorspiel die Ueber tragung des Liedes „Die Luft war lind und heiter“, das aus dem unseligen Liebesglück Lancelot's und Ginevra's die schuldvolle Leiden schaft Francesca's und Paolo's di Rimini flammend emporwachsen läßt, ein strahlendes, verführerisches Spiegelbild der ewigen, Leid weckenden Empfindungen, die im einzelnen Menschen wohl vergehen, aber in der Menschheit unsterblich sind. Das Vorspiel, das den Titel „Galeotto“ erklärt so hieß der Zwischenträger Lancelot's und Ginevra's, und mit diesem Namen sollen zu Dante's Zeit alle vermittelnden Personen schuldvoller Liebe worden sein —,

gebüßt

belegt das uns in des Dichters Werkstatt führt, den Plan des kommenden Schauspiels skizzirt, berührt in seiner originellen Eigenart alle Saiten des Herzens und regt eine ganze Welt von Gedanken an. Es ist vollendet in seiner Art, wie nachher die schlagende, kraftvolle Durchführung des dramatischen Gedankens in den folgenden drei Acten. Alles ist so fein und geschickt ausgeführt, daß man kaum wagt, etwas daran auszusetzen. Aber doch werden über die ausreichende Begründung des tragischen Geschicks, das über die drei betheiligten Personen hereinbricht, die Ansichten sicherlich getheilt bleiben. Durch wiederholtes Anhören des Stückes scheint uns abwei⸗ chenden Meinungen noch Vorschub geleistet zu werden. Echegarav legt die bewegende Schicksalskraft außerhalb der ihr unterliegenden Menschen, die öffentliche Meinung wird für die keimende und wachsende Eifersucht des alten Manuel, für seinen blutigen Tod und für den späten gewalt⸗ samen Liebesbund von Manuel's jungem eben verwittwetem Weibe und dem jungen bis dahin nur schwesterlich geliebten Ernesto ver⸗ antwortlich gemacht. Die spöttischen Blicke, die boshaften Anspie⸗ lungen der Menge werden aber nur durch das intime Zusammen⸗ leben des im Alter sehr ungleichen Ehepaares mit dem jungen

Feuergeist Ernesto verursacht. Häuslichkeit zu dreien, ü8