„Christus von Gott aus gemacht sei zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung“, dem Rufe seiner Glocken werde Folge ge⸗ leistet in dem Sinne: „Herr, ich habe lieb die Stätte Deines Hauses und den Ort, da Deine Ehre wohnet; Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege“. In seiner Schönheit und Würde werde das Gotteshaus eine Zierde dieses Stadttheils und füge als drittes sich ein inmitten der kirchlichen Denkmäler, welche den letztverstorbenen Majestäten jüngst gewidmet worden sind. Wie sein Thurm zum Himmel hinaufweiset, so mögen die Herzen sich er⸗ heben über den Erdenstaub und trachten nach dem, was droben ist, und um ihn her erblühe ein reges wohlgeord⸗ netes evangelisches Gemeindeleben; und wenn einst der Thurm der Kaiser Friedrich⸗Gedächtnißkirche grüßt und zu dem Thurm der Dorotheenstädtischen Kirche hinüber⸗ blicken wird: dann bleibe die hiesige Gemeinde in ihrer künftigen Selbständigkeit eingedenk des Bandes, das sie mit der Dorotheen⸗ städtischen Gemeinde schwesterlich verbindet. Der Name aber dieses Gotteshauses sei für alle Zeit eine Erinnerung an den, der hier nach ruhmvollen Schlachten den Siegeslorbeer errungen, und in Trübsal vollendet dort mit der Krone des ewigen Lebens geschmückt ist; eine stete Mahnung, wie er ein Jünger und Nachfolger des Herrn Jesu Christi gewesen ist, nachzustreben in treuer Pflicht⸗ üllung und im Leiden ohne zu klagen!
erstehe denn dieser Bau als ein Tempel der Ehre Gottes, als ein Denkmal Fürstlicher Gnade und Frömmigkeit, als ein Zeugniß opferwilligen kirchlichen Sinnes, als eine Pflegestätte der christlichen Gottseligkeit, die zu allen Dingen nütze ist und die Verheißung hat dieses und des zukünftigen Lebens. Das walte Gott, Vater, Sohn und heiliger Geist; hilf, o Herr, hilf und laß wohl gelingen! Amen.
Als der Geistliche geendet hatte, sang die Gemeinde den zweiten Vers des Chorals „Lobe den Herren“. Alsdann trat der Kirchenälteste Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath, Präsident Kayser vor, um die Urkunde zu verlesen. Das denkwürdige Document zeigt auf dem ersten Pergamentblatt das Aquarell⸗ bild der Kirche und die eigenhändige Widmung Beider Majestäten; das zweite Blatt trägt folgenden Wortlaut:
Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes! Unter Preis und Dank gegen den Allmächtigen Gott dürfen wir an dem heutigen Tage, dem Geburtstage weiland Seiner Majestät des Kaisers und Königs Friedrich, den Grundstein zu einem neuen Gottes⸗ hause legen. An der Stelle des Thiergartens errichtet, auf welche zuerst des hochseligen Kaisers Friedrich Majestät uns hingewiesen und wo des jetzt regierenden Kaisers und Königs Majestät uns huldreichst den Bauplatz geschenkt, soll es dem im Westen unserer Gemeinde aufblühenden Stadttheile die dauernde Stätte der Andacht bieten und mit Gottes Hilfe der Mittelpunkt einer von der Muttergemeinde sich abzweigenden neuen Gemeinde werden. Seit einer Reihe von Jahren hat die christ⸗ liche Versorgung der fernab von der Mutterkirche um den Hansaplatz wohnenden Gemeindeglieder unsere besondere Fürsorge in Anspruch genommen. Schon zu einer Zeit, da der Gedanke, durch Zerlegung der übergroßen oder weitausgedehnten Parochien neues kirchliches Leben zu wecken, noch nicht wie heute all⸗ gemein sich Bahn gebrochen, wurde im Schooße unseres Gemeinde⸗Kirchenrathes die Verselbständigung dieser unserer Außen⸗ gemeinde in die Wege geleitet. Bereits gegen Ende des Jahres 1886 begannen unsere Geistlichen, die Prediger Stechow und Vogel, den dortigen Evangelischen besondere Gottesdienste darzubieten, welche, mit e ner Christfeier anfangend, zunächst allmonatlich in dem willigst her⸗ egebenen Gartensaal von Charlottenhof stattfanden. Zu weiterer
ammlung der Gemeinde wurde Ostern 1891 der gesammte westliche Theil von Schloß Bellevue bis zur Königlichen Porzellan⸗Manufactur zu einem besonderen Bezirk abgegrenzt und die Seelsorge in demselben einem neu berufenen dritten Geistlichen, dem Prediger Hagenau, übertragen. Noch am zweiten Adventsonntage desselben Jahres wurde die auf einem gepachteten Grundstück in der Bachstraße 13 errichtete Kapelle geweiht, in welcher bis zum heutigen Tage die dortige Ge⸗ meinde die vorläufige Stätte ihrer Erbauung besitzt. Gar bald jedoch hat diese Kapelle dem erfreulich wachsenden Verlangen nach Gottes Wort gegenüber sich als unzulänglich erwiesen und immer dringender den Wunsch nach einem geräumigen und würdigen Gotteshause hervor⸗ treten lassen. Da nun die kirchlichen Körperschaften unserer Ge⸗ meinde unter patronatlicher Zustimmung des Magistrats einhellig den Beschluß gefaßt haben, zu dem Bau der Kirche im Thiergartenfelde aus ihrem Kirchenvermögen 300 000 ℳ zu bewilligen, das weiter Er⸗ forderliche aber von der Bethätigung christlicher Liebe zu erwarten steht, so darf der Bau des neuen Gotteshauses nach dem von Seiner Majestät Allergnädigst genehmigten Plane des Professors Johannes Vollmer nunmehr im Vertrauen auf den Beistand des Allmächtigen in Angriff genommen werden. Unserem Wunsche huldreichst entsprechend, haben Seine Majestät der Kaiser und König unter Zustimmung Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich zu genehmigen geruht, daß die neu zu erbauende Kirche dem Gedächtniß des hochseligen Kaisers Friedrich gestiftet und ihr der Name „Kaiser Friedrich⸗ Gedächtniß⸗Kirche“ beigelegt werde. Zu unserer hohen Freude hat Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Auguste Victoria die Gnade gehabt, das Protectorat unseres Kirchbaues zu übernehmen. Und so darf das heute begonnene Werk auch die Förderung ind Hilfe Ihrer Majestät erfahren, Allerhöchstwelche, wo immer es galt, in unserer kirchenarmen Stadt eine neue Stätte der Andacht zu schaffen, noch nie es an Huld und Hilfe hat fehlen lassen. So möge denn über diesen Grundstein mit des Herrn Hilfe das Gotteshaus sich erheben; hochragend verkünde es den hier neu erstandenen Häusern und ihren Bewohnern, daß sie unter dem Schirm und Schatten des Höchsten stehen; mit seinem Nehne Namen gemahne es noch kommende Geschlechter an den König⸗ Helden und Dulder, der mit dem Lorbeer des und mit der Krone des Herrschers in schwerer Prüfung auch des Herrn Kreuz getragen. Der Herr unser Gott aber wolle das Werk unserer Hände fördern, daß in der Frist weniger Jahre das neue Gotteshaus sich erhebe und in demselben eine gläubige Gemeinde sich auferbaue auf dem Grunde, außer dem ein anderer gelegt werden kann, welcher ist Jesus Christus, boch⸗ gelobet in Ewigkeit. Berlin, den 18. Oktober 1892. Der Gemeinde⸗ Kirchenrath und die Gemeinde⸗Vertretung der Dorotheenstädtischen Kirche.
Die Urkunde wurde nunmehr mit einer Geschichte der Dorotheenstadtgemeinde, dem letzten Gemeindebericht und einem Gesangbuch, sowie mit mehreren Zeitungen in den kupfernen Kasten gelegt, den Hof⸗Kupferschmiedemeister Otto verlöthete. Hof⸗ Steinmetzmeister Huth und Rathsmaurermeister Vollmer hoben hierauf den Schlußstein auf. Inzwischen waren Seine Majestät der
Kaiser aus dem Zelt getreten, nahmen den dargereichten Hammer ntgegen und gaben die drei ersten Schläge ab, dann folgten Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Friedrich Leopold und die übrigen Ehrengäste und Vertreter der Behörden. Für die Hemeinde vollzogen mit den Geistlichen der Kirchenälteste W“ Pinko und der Gemeindevertreter Bildhauer Rusche die Hammerschläge. Den Beschluß bildete der Architekt Professor Vollmer. Beim Vollziehen der Hammer⸗ schläge wurde von den Truppen präsentirt, während die Musik den Choral: „Ein feste Burg“ spielte. Ein vom General⸗ Superintendenten D. Braun gesprochenes Gebet, der Segen und der Gesang „Nun danket alle Gott“ beendeten die Feier.
Nach Beendigung der Feier zur Grundsteinlegung für die Kaiser Friedrich⸗Gedächtnißkirche begaben Sich Seine Majestät der Kaiser und König zu Wagen nach Spandau zur Enthüllung des Kaiser Friedrich⸗Denkmals, die um
11½ Uhr ihren Anfang nahm. An dieser? Feier nahmen die anwesenden Prinzen des Königlichen Hauses, der stell⸗ vertretende Commandant des Allerhöchsten Hauptquartiers, der Oberbefehlshaber in den Marken, die commandirenden Generale des Garde⸗, des III. und des VIII. Armee⸗Corps, der Präsident des Staats⸗Ministeriums Graf zu Eulenburg, der Ober⸗Präsident, Staats⸗Minister Dr. von Achenbach, der Regierungs⸗Präsident Graf Hue de Grais und andere theil.
Das Denkmal ist am Linden⸗Ufer zwischen der Charlotten⸗ brücke und den neuen Anlagen errichtet. Dem Denkmal gegen⸗ über, jenseits der Charlottenstraße, war das Kaiserzelt auf⸗ geschlagen, der Festplatz war von achtzehn hohen weißen Flaggenmasten, von denen Wimpel in den Farben aller deutschen Staaten herabflatterten, umrahmt. Die Umgebung des Festplatzes wie die Stadt selbst war festlich geschmückt, und auf der Zufahrtsstraße, welche Seine Majestät passirten und wo die Schuljugend Spalier bildete, waren zwei Ehren⸗ pforten errichtet. Gegen 12 ½ Uhr rückten die zur Parade befohlenen Truppen mit klingendem Spiel aus den verschiedenen Theilen der Stadt an und nahmen unter dem Befehl des Commandanten von Spandau, General⸗Lieutenants Schmidt von Knobelsdorf auf dem hinter dem Kaiserzelt gelegenen Alevxanderplatz Aufstellung, und zwar je ein Bataillon des 4. Garde⸗Regiments zu Fuß und des 3. Garde⸗Grenadier⸗Regiments Königin Elisabeth in geschlossener Zug⸗Colonne, das erstere hart an der Havel auf dem rechten Flügel, sodann auf dem linken Flügel das 1. Bataillon des Garde⸗Fuß⸗Artillerie⸗Regiments, im zweiten Treffen das Brandenburgische Train⸗Bataillon Nr. 3 — sämmtliche Truppen in Parade⸗Anzug mit Mänteln und hohen Stiefeln, die Musik und Spielleute vor der Front.
Alsbald verkündeten Hurrahrufe das Nahen Seiner Majestät des Kaisers und Königs, Allerhöchstwelcher am Denkmal von den commandirenden Generalen des Garde⸗ und III. Armee⸗Corps und dem Commandanten von Spandau, den Spitzen der Provinzial⸗Behörden, dem Landrath, dem Bürgermeister Koeltze und den andern Herren des Denkmal⸗ Comités ehrfurchtsvoll empfangen und nach dem Kaiserzelt geleitet wurde. Die Feier nahm ihren Anfang mit dem Choral: „Sei Lob und Ehr’' dem höchsten Gut“, worauf der Oberprediger Recke folgende Weiherede hielt:
„Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes! Amen. Es ist eine hohe Weihestunde, die wir heute feiern dürfen; sie fordert ein Dreifaches von uns: Gedenken, danken, bedenken. — Gedenken! Unsere Denkmalsweihe ist eingetaucht in die Erinnerungen einer großen Vergangenheit. Am 18. Oktober 1813 der Tag von Leipzig, am 18. Oktober 1831 — hochbedeutsam! — Kaiser Friedrich's Geburtstag, am 18. Oktober 1861: König Wil⸗ helm's Krönungstag, und nun heute an demselben 18. Oktober, unter dem Angesicht unseres Allergnädigsten Kaisers und Herrn, die Denk⸗ malsweihe Kaiser Friedrich's des Dritten hier in unserer Stadt. — Lieb und theuer, unvergessen und unvergeßlich ist uns, unserem ganzen Volk und Vaterland, Kaiser Friedrich, der weise Herrscher, der leut⸗ selige Monarch voll warmer Menschlichkeir, der deutsche Mann, der thatenmächtige Förderer von Kunst und Wissenschaft, von Volkswohl⸗ fahrt und Landwirthschaft, der vorbildliche Haus⸗ und Familien⸗ vater, der Kaiserliche Dulder voll Gottesfurcht und Treue bis zum Tode; unvergeßlich zunächst der Bürgerschaft unserer Stadt des Kaisers volksthümliche Friedensgestalt, sahen wir Ihn — unser Monument versucht dem an gegebener Stelle Ausdruck zu verleihen — des öfteren in unserer Mitte, in Heer und Volk, in Wald und Werkstatt, auf der letzten Todesfahrt — immerhin! — es ist eine Gestalt, die unser Denkmal vor allem und in allem verkörpern wollte und mußte: die Gestalt des siegreichen Helden, des glorreichen Führers zum Höhen⸗ flug des Hohenzollern⸗Aars — zu Kaiser und Reich! — Kaiser Friedrich, der Sieger von Königgrätz, von Weißenburg und Wörth, von Sedan und Paris, des glorreichen Kaisers Wilhelm einziger Sohn und Nachfolger, im Antlitz ernste Treue — „furchtlos und beharrlich“ — zur Seite das Schwert, in der Hand den Feldmarschallstab, das Auge strahlend: „Vom Fels zum Meer,“ — Kaiser Friedrich, der Du jetzt im Lande der Verklärung weilst, uns von Gott gegeben, uns von Gott gesegnet, uns von Gott genommen, so grüßen wir Dich heute, so halten wir Dich fest in dankbarer Erinnerung — in allem Leid, in aller Wehmuth, Deiner froh, Gottesfroh: „Es hat ein Gedächtniß gestiftet seiner Wunder, der gnädige und barmherzige Herr“ (Psalm 111 V. 4). — Zum G ö“ gesellt sich das Danken. Kein Ge⸗ denken ohne Danken, kein Danken ohne Gedenken! — Was will unser Denkmal sein? Ein geringes Dankesopfer dieser Stadt, der alten märkischen Veste und Vorburg Spandau, für das, was Kaiser Friedrich uns durch Gottes Gnade gewesen und geworden ist. In allen Ständen und Stufen der Bürgerschaft unseres Ortes regte und bethätigte sich dies Gefühl des Dankes seit Jahren. Heute ist es in Stein und Erz gleichsam lebendig geworden. Hoch und niedrig, der Arbeiter und der Handwerker, die Beamten, die Krieger⸗ vereine, die Mitkämpfer von 1864, 1866 und 1870 blieben ihre Dankesopfer nicht schuldig. Nun preist unser Dank Kaiser Friedrich's Gedächtniß mit Herz und Hand, mit Lied und Wort, mit Glocken⸗ klang und Kanonenhall! — Wir danken unserem Kaiserlichen Herrn, daß Seine Majestät uns diesen Tag der Dankesfeier verschönert hat. Dank unserem Kaiser und Könige immerdar! — Wir danken allen Mitfeiernden, wir danken dem Künstler, der uns das Denkmal errichtet hat. Es ist nicht das erste und wird nicht das letzte Kaiser Friedrich⸗ Denkmal sein in deutschen Landen, aber es beansprucht seine Stelle. Liebe, Treue, Dankbarkeit haben es an sonderlichem Ort erbaut, — ein lebendiges Dankeszeugniß dieser Stadt und Gemeinde. Doch wie? Kein Dank ohne Umkehr, ohne Rückkehr, ohne Einkehr zu Gott! „Gebt unserem Gott die Ehre!“ Gottes Fügung, Gottes Leiten und Führen ist wunderherrlich eingewebt in die Ge⸗ schichte unseres Hohenzollernhauses, unseres märkischen, unseres preu⸗ ßischen, unseres deutschen Vaterlandes, Gottes Walten in Krieg und Frieden, Gottes Walten auch in dem großangelegten Leben, im Wirken, Kämpfen, Siegen und Leiden unseres frühvollendeten Kaisers Friedrich! Darum, ein Gottes⸗Dank auch heut hier zuletzt und doch zuerst: „Herr mein Gott, ich will Dir danken in Ewigkeit“ (Psalm 30, V. 13). — Bedenket! so lautet an letzter Stelle die ernste Mah⸗ nung dieser Feierstunde. Ein Denkmal fordert „Bedenken!“ In unserer Nachbarstadt, der Kaiserlichen Haupt⸗ und Residenzstadt Berlin heute die Grundsteinlegung der Kaiser⸗Friedrich⸗Ge⸗ dächtniß⸗Kirche, — vor den Thüren unserer altehrwürdigen St. Nicolai⸗Kirche das unlängst errichtete Denkmal des Kurfürsten Joachim II., des evangelischen Bekenners; — und heute hier, auf dem ursprünglichen Boden alter Festungswerke, das Denkmal Friedrich's III., des Weisen, des Friedreichen! — Wir fühlen alle, es gilt zu bedenken, zu beachten, zu befolgen! In Kirche und Schule, in Haus und Familie, in Staat und Gemeinde, in Arbeit und Beruf, in Krieg und Frieden, in Freude und Leid — seid, werdet, ein Jeder an seinem Theil, Kaiser Friedrich's Nachfolger, Ihm folgend als dem Musterbilde des deutschen Volkes. Der Soldat, der Arbeiter, der Havelschiffer auf seinem Kahn, der Sonntagsgast, der Bürger der Stadt, die Schuljugend, — alle die zu Wasser oder zu Lande an unserem Denkmal Kaiser Friedrich's vorüberziehen: „Auf zu Ihm das Angesicht, hin zu Ihm das Herz, Ihm nach in der Ge⸗ folgschaft des Lebens, — treu und deutsch, fromm und getrost, furchtlos und beharrlich, groß und starf!“
„Gott ist unsere Zuversicht und Stärke!“ (Psalm 46 V. 2). — Das ist die Losung des heutigen Tages. — So bekenne sich denn der Gott zu uns, auf den wir trauen. Er helfe uns, Er lasse alles wohl⸗ gelingen! Gott segne den Kaiser, unsern König und Herrn, seinen Knecht Wilhelm, die Kaiserin und Königin, die Kaiserin Friedrich, den Kronprinzen, sämmtliche Königliche Prinzen und Prinzessinnen und
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alle, welche dem 11 Hause anverwandt und zugethan sind.
Er erhalte sie uns bei langem Leben, zum beständigen Segen und christlichem Vorbilde. Er verleihe dem Kaiser, unserm Könige, eine lange friedevolle und gesegnete Regierung! Gott segne unser deutsches Volk und Vaterland! Gott segne die Obrigkeit; Gott segne die Armee Deutschlands Wehr und Waffe, zu Lande wie zu Wasser, Gott segne diese Stadt mit allen ihren Insassen! Unser Denkmal, Kaiser Friedrich's Denkmal, aber sei gesegnet und geweiht, ein Gedenk⸗ stein zum ehrenden Gedächtniß, ein Dankesstein, den Dankbarkeit und Liebe erbaut, ein Bedenkstein zu deutscher Treue und Einig⸗ keit, zu Kaiser⸗ und Vaterlandsliebe, zu Gottesfurcht und Gerechtig⸗ keit! Mit Gott für König und Vaterland! Mit Gott für Kaiser und Reich! „Was Du, Herr, segnest, das ist gesegnet ewiglich!“ (Chronic. 17, 27) — Amen!“
Auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers und Königs fiel nunmehr die Hülle des Denkmals, während auf der Bastion die Kanonen erdröhnten und sämmtliche Glocken geläutet wurden; die Truppen präsentirten unter den Klängen des Präsentirmarsches das Gewehr und alle Häupter entblößten sich. Ein Chor von 80 Sängern trug darauf eine von dem Organisten Brieger in Spandau gedichtete und componirte Hymne vor.
Der Bürgermeister Koeltze übernahm alsdann das Denk⸗ mal seitens der Stadt Spandau mit folgenden an Seine Majestät den Kaiser und König gerichteten Worten:
Eure Majestät bitte ich, Allergnädigst mir gestatten zu wollen, daß ich vor allem Eurer Majestät den allerunterthänigsten Dank der gesammten Bürgerschaft der Stadt Spandau dafür abftatte daß Eure Majestät die 1b Gnade gehabt haben, an unserem heutigen Ehren⸗ tage hier zu erscheinen. Ein schönerer Lohn, eine höhere Anerkennung konnte der Bürgerschaft nicht zu theil werden, als die, den Tag der Enthüllung des Denkmals Seiner Majestät des Hochseligen Kaisers und Königs Friedrich durch Eurer Majestät Allerhöchste Gegenwart verherrlicht zu seben.
Wenn ich nun das Denkmal in das städtische Eigenthum über⸗ nehme, so thue ich es in der festen Zuversicht, daß die Stadt und ein jeder Einwohner es sich alle Zeit angelegen sein lassen wird, das Denkmal als eine der höchsten Zierden unserer Stadt zu pflegen und zu schützen. Als Vorsteher des städtischen Gemeinwesens gereicht es mir zur besonderen Freude, daß es gelungen ist, aus den Beiträgen der hiesigen Bürgerschaft das Denkmal zu errichten. Allen denen, die ihr Scherflein beigesteuert haben, sage ich herz⸗ lichsten Dank. So groß das Unternehmen anfangs erschien, so war doch der Erfolg von vornherein gesichert. Dank und Verehrung für den heißgeliebten, früh verblichenen Fürsten ließen die Spenden reich⸗ lich fließen. Und so, wie es entstanden, möge das Denkmal für alle Zeiten wirken, als ein äußeres Zeichen bürgerlicher Dankbarkeit. Möge es stets Zeuge sein, daß Bürgersinn und Bürgertugend in der Stadt herrscht.
Möge das Denkmal allen denen, welche die heldenmüthige Gestalt des hochseligen Kaisers Friedrich erblicken, die Erinnerung wach er⸗ halten an dasjenige, was der hochverehrte Fürst in wildem Kriegs⸗ getümmel, was er in stiller Friedensarbeit für sein Vaterland gethan hat. — Möge das Denkmal zu allen Zeiten eine Mahnung für Jeder⸗ mann sein, treu und fest zu stehen zu Kaiser und Reich, mit Herz und Hand ergeben zu sein dem Landesherrn und seinem angestammten Herrscherhause.
Wir Alle wollen in dieser feierlichen Stunde das Gelübde un⸗ verbrüchlicher Treue und fester Anhänglichkeit an unsern Allergnädigsten Kaiser, König und Herrn von neuem wiederholen, indem wir aus tiefstem Herzen ausrufen:
Seine Majestät der Kaiser und König, unser Allergnädigster Herr lebe hoch, hoch, hoch!
Jubelnd fiel die Festversammlung in das Hoch auf Seine Majestät ein. Die Truppen präsentirten das Gewehr unter den Klängen des „Heil Dir im Siegerkranz“, in welche die Ver⸗ sammlung einstimmte. Nachdem die Töne verklungen waren, unter⸗ zogen Seine Majestät unter Führung des schaffenden Künstlers, Bildhauers Manthe, und des Vorsitzenden des Denkmal⸗Comités, Bürgermeisters Koeltze das Denkmal einer eingehenden Be⸗ sichtigung. Demnächst nahmen Seine Majestät Aufstellung zur Seite des Denkmals auf dem Linden⸗Ufer, wo Allerhöchst⸗ dieselben den Parademarsch der zu der Feier commandirten Truppen abnahmen. Nach Beendigung der Feier nahmen Seine Majestät beim 4. Garde⸗Regiment z. F. das Frühstück ein, zu welchem auch die zur Fahnenweihe befohlenen Offiziere des VIII. Armee⸗Corps eingeladen waren. —
Das Denkmal mißt in seiner Höhe 5,65 m und ruht auf zwei niedrigen Granitstufen, welche von einem gußeisernen Gitter umgeben sind. Der Block, auf welchem das Standbild sich erhebt, hat eine Höhe von 3 m und besteht aus rothem schwedischen Granit; die Figur ist in der Bildgießerei von Martin und Piltzing, Berlin, Chausseestraße 24, aus Kanonenbronce gegossen worden und 2,65 m hoch. Kaiser Friedrich trägt die Uniform der Königin⸗Cürassiere mit Cüraß und Helm auf dem Haupt und ist mit den Insignien eines Feldmarschalls bekleidet; die rechte Hand hält wagerecht den Feldmarschallstab. Der rechte Arm ist leicht gekrümmt, der linke Arm stützt sich auf den Pallasch, dessen Griff die linke Hand umspannt. Das Haupt des Kaisers ist leicht erhoben und sein Blick folgt dem Lauf der Havel. An der Vorderseite des Postaments ist die Widmungsinschrift wie folgt angebracht: „Ihrem geliebten Kaiser Friedrich III. in dankbarer Erinnerung die Bürgerschaft von Spandau 1892.“ Die drei anderen Seiten des Sockels tragen Reliefs aus dem Leben des Kaisers und Seinen Be⸗ ziehungen zu Spandau. Das erste stellt den Kaiser dar, wie Er, begleitet vom Oberförster Canzler, von der Jagd aus der Spandauer Stadtforst zurückkehrt und Ihm von seiner Gemahlin ein Erfrischungstrunk credenzt wird. Das zweite zeigt Kaiser Friedrich, wie Er mit Seinem Sohne, dem Prinzen Heinrich, gelegentlich eines Waldbrandes in der Forst am 16. April 1881, werkthätige Hilfe leistet, und das letzte, dritte Relief bezieht sich auf die Uebersiedelung des todtkranken Herrschers von dem Charlottenburger Schloß nach Schloß Friedrichs⸗ kron auf der Dampfyacht „Alexandria“, Spandau und die Charlotten⸗Brücke passirend. Es versinnbildlicht die letzte Huldigung, welche die Spandauer Bevölkerung am 1. Juni 8 ihrem Kaiser darbrachte.
Wegen Umbaues des Weißen Saales wird die Eröff⸗ ung des Landtags diesmal im Rittersaal des Königlichen Schlosses vollzogen werden. Da dieser Saal nur einen be⸗ schränkten Raum bietet, muß von der sonst üblichen Einladung der Generalität, der Wirklichen Geheimen Räthe ꝛc. abgesehen werden. Ebenso ist es wegen Mangels aller heneesnge eintis
im Rittersaal nicht angängig, das diplomatische Corps einzu⸗
laden und irgend welches Publikum zuzulassen
as Verzeichniß der deutschen Kon⸗
sulate, welches von dem Auswärtigen Amt herausgegeben wird und mit dem Monat September abschließt, ist in der
Königlichen Hofbuchhandlung von E. S. Mittler u. Sohn er⸗
5 Stunden Schlaf, trotzdem aber wenig Erholung.
großherzog
Großherzog leidet dem
schienen. Ebenda ist auch das Verzeichniß der Konsuln
im 2 utschen Reich erschienen.
Der Inspecteur der 1. Ingenieur⸗Inspection, General⸗ Lieutenant Andreae hat auf einige Tage Berlin verlassen.
Der Wirkliche Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Schneider im Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten ist nach der Provinz Sachsen ab⸗ gereist.
Der Regierungs⸗Rath Wenckebach zu Aurich ist an die Königliche Regierung zu Köln versetzt worden.
Der Regierungs⸗Assessor Seydel zu Merseburg ist dem Königlichen Ober⸗Präsidium zu Magdeburg und der Regierungs⸗ Assessor Kleefeld zu Kalbe a. S. der Königlichen Regierung zu Hildesheim zur weiteren dienstlichen Verwendung über⸗ wiesen worden.
S. M. S. „Arcona“, Commandant Corvetten⸗Capitän Dräger, ist am 15. Oktober in Trinidad eingetroffen.
S. M. Kanonenboot „Wolf“, Commandant Corvetten⸗ Capitän Hellhoff, ist am 16. Oktober in Shanghai an⸗ gekommen.
“
Dem Kaiserlichen Gesundheitsamt vom 17. bis 18. Oktober, Mittags, gemeldete Cholera⸗Erkrankungs⸗ und Todesfälle:
Datum: 16./10.
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Staat und 111ä
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erkrankt gestorben
erkrankt gestorben
erkrankt gestorben erkrankt
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Hamburg.
Preußen. Schleswig. Koblenz.
Altona. Plaidt, Kreis Mayen. —
Vereinzelte Erkrankungen: Regierungsbezirk Stettin: in der Stadt Stettin eine tödtlich verlaufene Erkrankung.
Regierungsbezirk Koblenz: in 1 Ort des Kreises Mayen 2 Erkrankungen.
8
Breslau, 17. Oktober. Der Ober⸗Präsident D. von G hat sich, wie die „Schles. Ztg.“ meldet, nach Ober⸗ schlesien begeben, wo morgen Vormittag 10 Uhr bei Janusch⸗ kowitz in feierlicher Weise die Grundsteinlegung der obersten, durch die Kanalisirung der oberen Oder geforderten Schleuse vollzogen werden soll.
Sachsen.
Dresden, 17. Oktober. Ihre Majestät die Königin wird sich, wie das „Dresd. Journ.“ meldet, morgen, Dienstag, Vormittag nach Schloß Sibyllenort in Schlesien begeben, wohin Seine Majestät der König am nächsten Donnerstag nachfolgen wird. 8 “
Württemberg.
Stuttgart, 17. Oktober. Ueber das Befinden Ihrer Majestät der Königin⸗Wittwe veroöffentlicht der „Staats⸗ Anz. f. W.“ folgenden, aus Schloß Friedrichshafen von heute Vormittag 9 Uhr datirten Krankheitsbericht:
Die bei Ihrer Majestät der Königin⸗Wittwe anfangs der vor⸗ letzten Woche aufgetretene acute Brustaffection, welche die damals vorhandene unmittelbare Lebensgefahr bedingte, hat sich im Laufe der letzten Woche in dem Maße gebessert, daß jetzt nur noch eine für den Gesammtzustand wenig erhebliche linksseitige pleuritische Aus⸗ schwitzung von mäßigem Umfange vorhanden ist. Trotz dieses Rück⸗ gangs des genannten örtlichen Krankheitszustandes ist die allgemeine Schwäche unter vorübergehenden, allerdings sehr bedeutenden Schwankungen nahezu die gleiche, wie in den vorhergehenden Wochen, auch hat sich die Nahrungsaufnahme bei Ihrer Majestät kaum gehoben. Die unverändert fortbestehenden chronischen Krankheits⸗ zustände erschweren die Rückwirkung jener günstigen Aenderung auf den Allgemeinzustand, der durch Schwäche, mit nervösen Erregungs⸗ zuständen wechselnd, sowie durch mangelhafte Verdauungsthätigkeit vielfach ein sehr peinlicher ist. Die letzte Nacht brachte im ganzen
Dr. Stiegele. Dr. von Sick. Am Sonnabend sind Ihre Königlichen Hoheiten der Erb⸗ 1 und die Erbgroßherzogin von Sachsen⸗ Weimar zum Besuch ihrer hohen Eltern bezw. Schwieger⸗ eltern hier angekommen und im Palais Weimar abgestiegen.
Baden.
Karlsruhe, 17. Oktober. Seine Königliche Hoheit der „W. T. B.“ zufolge seit Sonn⸗ abend an einem starken Erkältungszustande; gestern war das ; besser, doch ist der Großherzog genöthigt, das Bett
8
Waldeck und Pyrmont.
Arolsen, 16. Oktober. Der Landtag der Fürsten⸗ thümer Waldeck und Pyrmont ist zu einer längeren Tagung einberufen worden, die am 31. Oktober ihren Anfang nimmt. Das Hauptinteresse wird, wie der „Hann. Cour.“ schreibt, die
orlage zur Neuorganisation der Gewerbesteuer in Anspruch nehmen. Außerdem wird sich der Landtag mit Vorlagen über Aufbesserung der Volksschullehrergehalte und Verlegung des
ettages zu befassen haben.
Hamburg.
Hamburg, 17. Oktober. Seine Majestät der Kaiser haben, wie der „Hamb. Corr.“ mittheilt, zur Linderung des in Hamburg durch die Cholera verursachten Nothstandes, ins⸗ besondere zum Zweck der Unterbringung und Erhaltung der durch die Seuche ihrer Eltern und Ernährer beraubten Waisen, ie Summe von 50 000 ℳ gespendet. Der Senat hat be⸗
schlossen, diesen Betrag dem Comité zur Gründung eines
Unterstützungsfonds für Kinder, Cholera gestorben sind, zu überweisen.
Oesterreich⸗Ungarn.
In der gestrigen ersten Plenarsitzung der österreichischen Delegation in Budapest nahm zuerst der Jungezeche Eym das Wort zu einer Rede gegen den Dreibund. Nach dem Bericht des „K. K. Tel.⸗Corr.⸗Bur.“ äußerte sich der Redner zunächst über die Einwirkungen des Dreibundes, auf den Handel. Oesterreich, so führte er aus, habe große Con⸗ cessionen machen müssen, z. B. in Betreff seines Weinbaues. Schon im ersten Jahre, seit die Handelsverträge ins Leben traten, habe sich ein Rückgang des b Handels gezeigt. Das Deutsche Reich neige dahin, einen Vertrag, der den österreichischen Handel schädigen würde, mit Rußland abzuschließen. Redner. bestritt alsdann die Popularität des Dreibundes: das tiefe Mißtrauen des böh⸗ mischen Volkes gegen das deutsche Bündniß beruhe auf der Geschichte der Jahrhunderte. Die Böhmen wüßten ihre slavischen Gefühle sehr wohl mit den Pflichten für den Staat zu vereinigen. Man könne ihnen aber nicht verübeln, daß sie sich gegen die Umarmung von Seiten Deutschlands wehren. Das böhmische Volk empfinde keinen Haß gegen Deutschland. Es gönne Deutschland von Herzen die nationale Einigung und wünsche ein gutes nachbarliches Verhältniß zu Deutschland, jedoch keine allzu lange Bundesgenossenschaft mit ihm. Redner zog sodann die Vortheile des Dreibundes für Oesterreich in Zweifel, hob den übermächtigen Einfluß Deutschlands auf die österreichische Politik ö und wies auf die Militärlasten hin. Nachdem er schließlich noch das Bündniß mit Italien angegriffen hatte, erklärte der Vertreter des böhmischen Großgrundbesitzs Graf Buquoy, daß diese Anschauungen Eym's von der Bevölkerung nicht getheilt würden; selbst die engeren Parteigenossen Eym's hätten sich kürzlich im Abgeordnetenhause dagegen ausgesprochen. Seine Auslassungen müsse man als eine licentia poöëtica bezeichnen. Im weiteren Verlauf der Sitzung sprach der Delegirte Sprincic (Südslave) aus Gründen der inneren Politik gegen die jetzige Richtung der äußeren Politik. Der Delegirte Jaworski führte hierauf aus, die von dem Delegirten Eym entwickelten Ansichten seien nur eine Emanation einer Partei eines Theiles eines Kronlandes. Oesterreich habe auf der Balkanhalbinsel am Ende der 70er Jahre die Stellung einnehmen müssen, die es wirklich eingenommen habe; es habe nicht gleichgültig zusehen und nicht isolirt dastehen können. Die Ansicht, Rußland wolle die Selbständigkeit aller Slavenstämme, sei eine sonder⸗ bare Schwärmerei, auch sei die Ansicht nicht richtig, daß alle Slavenstämme für Rußland Sympathie hegten. Bezüglich der Annäherung an Rußland frage er, wer sich nähere und wie die Annäherung geschehen solle. Weder auf handels⸗ politischem Gebiete, noch auf der Grundlage der in Oesterreich geltenden Regierungsprincipien, noch auch in Ausübung der Menschen⸗ und Bürgerrechte sei eine An⸗ näherung möglich. Die Opposition der Jungczechen sei das Stigma ihrer parlamentarischen Thätigkeit. (Lebhafter Bei⸗ fall.) Der Delegirte Meznik (Altczeche) bestritt das Recht Eym’s, im Namen des ganzen czechischen Volkes zu sprechen, da die Altcezechen bei den letzten Wahlen 42 Proz. der czechi⸗ schen Stimmen erhalten hätten. Der Redner hob sodann die großen Vortheile des Bündnisses mit Deutschland hervor. Palacky selbst habe ein Schutz⸗ und Trutzbündniß mit Deutsch⸗ land anempfohlen. Der Slovene Grecjorcic und der Italiener Luccatto sprachen dem Minister des Aeußern ihre Anerkennung für seine Politik aus. Der Delegirte Plener führte aus, die geistigen Führer der Czechen seien thatsächlich von Mißtrauen gegen den Dreibund und speciell gegen Deutschland erfüllt. Außer den Jungezechen hätten sich alle Völker Oesterreichs in das Bündniß mit Deutschland ein⸗ gelebt. Die Liberalen Oesterreichs seien die ersten gewesen, welche das Bündniß mit Deutschland verlangt hätten. (Beifall.) Hierauf nahm der Minister des Aus⸗ wärtigen Graf Kälnoky das Wort. Er erklärte, er wolle nicht gegen die kritisirende Rede des Dele⸗ girten Eym auftreten, da es nützlich sei, wenn sich die verschiedenen Parteien über die Ziele der Politik aussprächen; er müsse aber sowohl gegen die Methode, als gegen das Ziel der Rede Einwand erheben; es werde Mißtrauen gegen die Delegationen, Mißtrauen gegen die Alliirten, Mißtrauen nach allen Seiten gepredigt. Kein Minister des Auswärtigen wäre im stande, gute Beziehungen zu den Mächten zu pflegen, wenn in der Geschichte ähnlich herumgewühlt werde, wie es Eym gethan habe. Der Minister hob sodann die Ioolirtheit Eym's hervor und erklärte, es sei niemand da, der nicht gute und auch bessere und die besten Beziehungen zu Rußland wünschte. Geschichtlich sei nicht bewiesen, daß Frank⸗ reich der natürliche Bundesgenosse Oesterreich⸗Ungarns sei. Man werde sehen, welchen Widerhall russischerseits die An⸗ regung Eym's finden werde. Der Dreibund enthalte keine Spitze gegen Rußland, enthalte als reiner Defensivvertrag überhaupt keine Spitze. „Solange wir nicht angegriffen wer⸗ den“, erklärte Graf Kälnoky wörtlich, „sind die Vertrags⸗ bestimmungen Null, und wir werden Rußland nicht angreifen.“ Der Minister verlas sodann den Eingang des Textes des österreichisch⸗deutschen Vertrages und wies darauf hin, daß mit Ausnahme der Jungczechen von sämmtlichen Parteien zustimmende Erklärungen zu dem Dreibund gegeben worden seien; er könne somit erklären, daß er sich im Ein⸗ verständniß mit den Vertretern der Monarchie befinde, wenn er in seiner jetzigen Politik fortfahre. Bedauerlich sei es, daß die Partei⸗ und Nationalitäts⸗Verhältnisse in die äußere Politik hineingetragen würden. Der Dreibund schütze nicht nur die Interessen der Verbündeten, sondern Europas. Dieses Bündniß zu pflegen, halte er nicht nur für seine Pflicht, sondern er sei auch durch die Zustimmung beider Delegationen dazu ermächtigt. Das Bündniß sei kein ausschließendes und hindere nicht, daß andere Staaten sich demselben anschließen. Die Behauptung, daß das Bündniß Lasten auferlege, die die Monarchie sonst nicht zu tragen hätte, sei unrichtig. Der Minister wiederholte nochmals, was ihm bisher be⸗ stätigt worden sei, daß die Absicht einer. Aggression auf Oesterreich nirgends vorhanden und die Erhaltung des Friedens allerseits gewünscht werde. Die österreichische Orientpolitik sei bis zur äußersten Möglichkeit versöhnlich und passiv. Oesterreich wünsche nichts für sich, es wünsche nur, daß die Staatengebilde im Orient sich innerhalb der Grenzen des Berliner Vertrages kräftigten und daß keines derselben unter
deren Eltern an der
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die Abhängigkeit einer oder der anderen Großmacht komme. Der Minister dankte schließlich für das ihm mit Ausnahme einer Stimme entgegengebrachte Vertrauen. (Lebhafter Beifall.) — Das Budget des Aeußern wurde sodann angenommen.
Im Heeres⸗Ausschuß der ungarischen Delega⸗ tion legte der Reichs⸗Kriegs⸗Minister Freiherr von Bauer gestern die Nothwendigkeit der Beibehaltung der Zelte dar, deren bisherige Verwendung die günstigsten Resultate ergeben habe. Der bezügliche Etatposten wurde hierauf nicht als Rate, sondern als⸗ einmaliger Posten ohne Präjudiz für die Zukunft angenommen.
Im ungarischen Unterhause gab der Präsident gestern bekannt, daß das Comité für die Errichtung des öö“ eine Einladung zur Enthüllungsfeier an das Haus gerichtet habe. ECoetvoes und Ugron kündigten eine hierauf bezügliche Interpellation an und beantragten, die Verhandlung der Angelegenheit auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung zu setzen. Der Antrag wurde von dem Minister⸗Präsidenten unterstützt und vom Hause an⸗ genommen. — In einer Conferenz der liberalen Partei hatte der Minister⸗Präsident Graf Szapary die Erklärung abgegeben, daß er die Idee, der Ent⸗ hüllungsfestlichkeit einen militärischen und gleichzeitig einen versöhnlichen Charakter zu geben, begeistert aufgegriffen habe als eine patriotische, den Landesinteressen dienende That. Er fühle sich der Zustimmung der öffentlichen Meinung sicher und werde in der heutigen Sitzung des Unterhauses den Antrag auf Betheiligung der Abgeordneten stellen. Die Conferenz billigte diesen Antrag des Minister⸗Präsidenten einstimmig.
Großbritannien und Irland.
Die Königin Victoria erfreut sich, der „Allg. Corr.“ zufolge, während ihres gegenwärtigen Aufenthalts in Schloß Balmoral in den schottischen Hochlanden vortrefflicher Ge⸗ sundheit. Täglich unternimmt Ihre Majestät Spazierfahrten und erweist Bewohnern der Gegend die Ehre ihres Besuchs.
Die britischen Truppen in Indien sollen im März nächsten Jahres mit dem Repetirgewehr ausgerüstet werden, vorausgesetzt, daß bis dahin eine genügende Anzahl von Waffen und Munition eingetroffen ist. Bis jetzt sind 19 600 Gewehre in Indien angekommen, und 7000 weitere befinden sich auf dem Wege. Man erwartet, daß die erforderlichen 70 000 Ge⸗ wehre am 1. April n. J. vertheilt sein werden. Von Bombay sollen 10 000, von Kurrachee 25 000, von Kalkutta 20 800 von Madras 8000, von Rangun 5000, den 1200 au gegeben werden. b
8 Frankreich
Heute ist die Deputirtenkammer zu einer neuen Session zusammengetreten. Bereits gestern waren aus diesem Anlaß zahlreiche Deputirte in Paris eingetroffen. In den Gängen des Palais Bourbon wurden die über die Vorgänge in Carmaux beabsichtigten Interpellationen sehr lebhaft besprochen. Dem „W. T. B.“ zufolge herrschte ziemlich allgemein die Ansicht vor, daß die Hiscufsion sofort erfolgen solle, umsomehr, als die Berathung des Budgets vor vierzehn Tagen nicht be⸗ ginnen könne. Wie aus Parlamentskreisen ferner verlautet, will der Deputirte Dupuy⸗Dutemps den A ntrag stellen, daß eine Gesellschaft, durch deren Schuld eine Arbeitseinstellung herbeigeführt wird, der Betriebsconcession für immer verlustig erklärt werde. Die boulangistisch⸗socialistischen Ab⸗ geordneten endlich sollen beabsichtigen, einen Credit von einer Million für die Strikenden in Carmaux zu beantragen. — Wie das „D. B. Hd.“ sich aus Paris melden läßt, hätten infolge von Erklärungen, die der Minister⸗Präsident Loubet den radicalen und socialistischen Abgeordneten gegenüber abgegeben und worin er seine Für⸗ sorge für die Ausständischen in Carmaux zugesagt und den Uebereifer des Präfecten des Tarn⸗Departements gemißbilligt habe, die Abgeordneten beschlossen, den Versuch, das Cabinet zu stürzen, aufzugeben und die heutige Kammer⸗ debatte hauptsächlich gegen den gedachten Präfecten zu richten.
Das heute in der Kammer zur Vertheilung gelangende Gelbbuch über die Handelsbeziehungen Frankreichs zu der Schweiz sowie zu Rumänien, Montenegro und den südamerikanischen Republiken verbreitet sich, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, ausführlich über die in Betracht kommenden Fragen, insbesondere über das geplante Uebereinkommen zwischen Frankreich und der Schweiz. Der Handels⸗Minister will darauf bestehen, die Aufmerksamkeit des Parlaments auf einige Posten im Tarif zu lenken, deren Aenderung er für unerläßlich hält, um die Fortdauer der Handelsbeziehungen zu der Schweiz zu sichern. Die Kammer⸗Debatten über das Uebereinkommen sollen nach dem „D. B. Hd.“ erst anfangs Dezember beginnen. 8
Bei einem gestern Abend in Nantes veranstalteten Bankett hielt der Unterrichts⸗Minister Bourgeois eine Rede, in der er dem „W. T. B.“ zufolge aufforderte, sich um das Banner der Revolution zu schaaren. Dieses Banner betrachte er als ein Unterscheidungszeichen und eine Art von Prüfstein für die aufrichtigen und wahren Republikaner zum Unterschied von denjenigen, die das Wort Republik bloß im Munde führten.
Der höhere Kriegsrath hat, wie der „Figaro“ wissen will, an dem ihm von dem Kriegs⸗Minister de Freycinet vor⸗ gelegten Gesetzentwurf über die neue Einrichtung der Cadres ziemlich bedeutende Aenderungen vorgenommen. Namentlich sollen die Mitglieder die Ausdehnung der Artillerie⸗Cadres für übertrieben erachtet haben. Was die Schaffung der (über den Divisions⸗Generalen stehenden) „Armee⸗Generale“ angeht, so habe der Kriegsrath sich ein⸗ stimmig dafür ausgesprochen. Er verlange, daß man die Zahl dieser Generale auf acht festsetze; sechs von ihnen wären in Friedenszeiten mit der Beaufsichtigung von je drei Armee⸗ Corps zu beauftragen, den beiden anderen hätte der Kriegs Minister besondere Sendungen anzuvertrauen. Schließlich hab man sich dahin erklärt, auch für die Armee⸗Generale die gesetz⸗ liche Altersgrenze von 65 Jahren festzuhalten.
Nach dem „Gaulois“ sind wichtige Beschlüsse für die Vervollständigung der Vertheidigung der Nor grenze Frankreichs gefaßt worden. Das genannte Blat schreibt: „Wenn auch die befestigte Linie, die Lille umgiebt eine Ausdehnung von über 50 km hat, so ist darum nicht minder wahr, daß die Zone von Bouvines bis Eglos auf einer Strecke von 20 km kein ernstliches Hinderniß darbietet. Wir können den schnellen Bau zweier Forts ankündigen; das eine wird bei Houplin, das andere bei Ennetières, zwischen den Bahnen nach