1892 / 267 p. 12 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 10 Nov 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Real⸗ und Personalsteuern gemischtes Steuersystem. Die Real⸗ steuern sollen den Grund und Boden und die Gewerbebetriebe für die hnen vorzugsweise zu gute kommenden oder durch sie veranlaßten Ausgaben nach dem Grundsatze der Leistung und Gegenleistung in Anspruch nehmen, während die Aufwendungen für allgemeine öffent⸗ liche Zwecke allen Einwohnern zur Last fallen und von denselben auch innerhalb der Gemeinde nach Maßgabe der persönlichen Leistungs⸗ ähigkeit, also im Wege der Einkommensbesteuerung aufzubringen sind.

3) Hiermit ist zugleich der leitende Gesichtspunkt für die Ver⸗ heilung des Steuerbedarfs auf die verschiedenen Steuerarten gegeben: egelmäßig sind durch Realsteuern diejenigen Aufwen⸗ ungen der Gemeinden zu decken, welche in überwiegendem

Maße dem Grundbesitz und dem Gewerbebetriebe zum Vortheil gereichen. Eine erschöpfende Aufzählung der hierher gehörigen Ausgaben ist icht möglich, weil eine feste Grenze zwischen den Aufwendungen der einen und der anderen Kategorie nicht besteht, und vor allem, weil die wirthschaftlichen Ausgaben der Gemeinden sich ganz verschiedenartig gestalten. Die Aufstellung jenes Grundsatzes genügt deshalb für die Praris allein nicht. Soll einem übermäßigen Anschwellen der Ein⸗ ommensteuerzuschläge überall wirksam vorgebeugt werden, so muß das hesetz zugleich das jenem Grundsatze regelmäßig entsprechende erhältniß der Zuschläge normiren.

Die für die Bestimmung dieses Verhältnisses maßgebenden Er⸗ -ve2 sind in der Begründung zum Communalabgabengesetze näher dargelegt.

Hierbei kommt jedoch in Betracht, daß die bezüglichen Auf⸗ wendungen innerhalb der einzelnen Gemeinden auch relativ verschieden sein können, je nach den Aufgaben, welche eine immte Gemeinde in den Kreis ihrer Interessen gezogen hat. Das gesetzlich normirte Zuschlagsverhältniß darf deshalb nicht unbedingt für alle Fälle bindend sein, zumal das Gesetz auf die sämmtlichen Stadt⸗ und Landgemeinden der Monarchie gleichmäßig findet. Vielmehr sind aus⸗ nahmsweise Abweichungen unter Genehmigung der Aufsichtsbehörden zuzulassen, welche bei Ertheilung der migung in jedem Falle den Eingangs aufgestellten Grundsatz zu beachten haben.

4) Den Gemeinden ist zum Zwecke der Realbesteuerung die Einführung besonderer Steuern vom Grundbesitz sowie von den im Gemeindebezirke betriebenen stehen⸗ den Gewerben zu gestatten.

Die Freigabe dieser Steuerquellen von Seiten des Staates erhält

erst dadurch ihre volle Bedeutung für die Gemeinden, daß dieselben an die bisherigen Steuerformen nicht gebunden, sondern in der Lage sind, ihr Steuersystem nach den besonderen Verhältnissen der Gemeinde auszugestalten. Nach dieser Richtung hin eröffnet sich ein neues und fruchtbares Feld für die Bethätigung der Selbst⸗ verwaltung. So lange aber besondere Steuern vom Grundbesitze oder Gewerbebetriebe nicht eingeführt sind, hat die Realbesteuerung der Ge⸗ meinden in Form der vom Staate auch nach dem Verzichte zu ver⸗ anlagenden Grund⸗, Gebäude⸗ und Gewerbesteuer zu erfolgen.

Der allmähliche Uebergang zu der anderweiten Einrichtung ihres Steuerwesens wird hierdurch den Gemeinden wesentlich erleichtert werden.

Die Befugniß der Gemeinden zur Einführung besonderer Steuern soll sich namentlich auch auf den für eine Besteuerung durch die Ge⸗ meinde besonders geeigneten Betrieb der Schankwirthschaft, der Gast⸗ wirthschaft sowie des Kleinhandels mit Branntwein und Spiritus (Betriebssteuer) erstrecken.

5) Die Gemeindeeinkommensteuer kann ganz oder theilweise durch Aufwandssteuern (Miethssteuer, Wohnungssteuer) ersetzt, im übrigen aber nur in Form von Zuschlägen zur Staats⸗ einkommensteuer erhoben werden. Nicht auszuschließen ist hier⸗ durch unter Vorbehalt der Genehmigung der Aufsichtsbehörden eine verschiedene Bemessung der Zuschläge für die einzelnen Stufen des Steuertarifs, welche sich namentlich auch in kleineren Gemeinden als nothwendig ergeben kann.

Darüber hinaus besondere Personalsteuern zuzulassen, würde aber mit den Interessen der staatlichen Einkommensteuerverwaltung nicht vereinbar sein.

6) Der innere Zusammenhang mit dem Gemeindesteuerwesen bedingt eine gleichzeitige Abänderung einiger Vorschriften über die Vertheilung der Kreis⸗ und Provinzialabgaben in der Richtung der für die Ge⸗ meindesteuern aufgestellten Gesichtspunkte. ““

Die Ergebnisse der Steuerreform.

Wie der Reformplan selbst ein untrennbares Ganzes bild sind auch die zu erwartenden Wirkungen und Erfolge der durchgeführten Neuordnung in ihrem Gesammtergebniß zu betrachten. Die Vorschläge der Staatsregierung verfolgen das giel. ohne Mehrbelastung für die Gefammtheit der Srag eine die Interessen⸗ gegensätze ausgleichende gerechtere Vertheilung der bestehen⸗ den Steuerlast herbeizuführen.

Daß eine Iebeafthng im ganzen aus Anlaß der Reform nicht eintritt, ist ohne weiteres klar. Das raufkommen an Ein⸗ kommensteuer und der veranschlagte Ertrag der Vermögenssteuer werden durch den Erlaß der Ertragssteuern aufgewogen. Klar ist ferner, daß der erstrebte Ausgleich nicht ohne Mehrbelastung einzelner Personen und einzelner ssen der Bevölkerung erfolgen kann.

Zu prüfen bleibt, ob nach der Anlage des Planes die beabsichtigte Einrichtung des Steuerwesens, und somit der durch diese Einrichtung zu erwartende Ausgleich den Anforderungen der Gerechtigkeit entspricht.

Dies vorausgeschickt, sind die wesentlichen Ergebnisse der Reform dahin zusammenzufassen:

1) Die dem Staate einerseits, den Gemeinden andrer⸗ seits vorzugsweise vorbehaltenen Gebiete der Be⸗ steuerung werden sachgemäß gegeneinander abgegrenzt und hierdurch die für den Staat, für die inden und für die Steuerpflichtigen gleich empfindlichen Nachtheile der bisherigen Ver⸗ kettung der Staats⸗ und Gemeindefinanzen und des bisherigen un⸗ geregelten Zuschlagssystems im wesentlichen beseitigt.

2) Als Grundlage der directen Besteuerung des Staates dient nach Beseitigung der bestehenden Doppel⸗ besteuerung fortan die .“ der persönlichen Leistungs⸗ fähigkeit veranlagte Einkommensteuer, ergänzt durch eine nur den Besitz mit einem mäßigen Satze treffende Vermögenssteuer.

Die letztere tritt an Stelle der Ertragssteuern. Während diese eine einseitige und daher unbillige Vorbelastung des Grundbesitzes und Gewerbes darstellen, eine Vorbelastung, welche um so drückender wirkt, als die Realsteuern ohne Rücksicht auf die persönliche Leistungs⸗ fähigkeit, insbesondere ohne Rücksicht auf die Verschuldung und über⸗ dies zum theil sehr ungleichmäßig veranlagt sind, soll die Vermögens⸗ steuer alles nutzbare Netto vermögen ohne Unterscheidung der Ver⸗ mögensart gleichmäßig treffen. Da sie jeden nutzbaren Besitz ohne Rücksicht auf seine Form und zwar nur das Reinvermögen besteuert, so kann sie stets allen wirthschaftlichen Veränderungen, allen Ver⸗ schiebungen der Werthe und der Steuerkraft der einzelnen Vermögens⸗ arten folgen. Sie steigt und fällt mit dem Steigen und Fallen jeder Besitzart und jedes einzelnen Reinvermögens und wird daber auch in Zukunft einer grundsätzlichen Umgestaltung infolge eingetretener Umgestaltung der wirthschaftlichen Verhältnisse nicht bedürfen. Der Einfluß dieser Aenderung auf die steuerliche Belastung der ejnzelnen Steuerpflichtigen wird ebenso verschieden sein, wie es der Erfolg des Einkommensteuergesetzes gewesen ist und sein mußte. Hier kann es nur die Aufgabe sein, die eintretenden Verschiebungen im großen und Fhhten darzulegen. Die der Begründung des Ergänzungssteuergesebes eigefügte Veranschlagung des steuerbaren Vermögens giebt hierzu einen zwar nicht sicheren, aber für den vorliegenden Zweck genügenden Anhalt.

Nach der daselbst angelegten Berechnung beträgt

das steuerbare Grundvermögen, ausschließlich der gewerblichen Gebäude, nach Abzug der Schulden 42 17 =

das gewerbliche Anlage⸗ und Betriebskapital, einschließlich der gewerblichen Gebäude. 20,6 das sonstige Kapitalvermögen . . . . . . 28,2 Der Antheil an der Vermögenssteuer ist also zu schätzen: für das Grundvermögen auf rund 12 Millionen, für das Gewerbe auf rund 10 . für das Kapital auf rund

16“ Das Verhältniß zu der gegenwärtigen Belastung durch die staat⸗ lichen Ertragssteuern abgerundeten Zahlen die folgende Zusammenstellung:

ildet, so

Vermuthlicher

Gegenstände Betrag der der

Besteuerung.

Grundbesitz (aus⸗ schließlich der bäude) .. Gewerbe. Gewerbesteuer Bergwerks⸗ abgabe.. Gebaͤudesteuer von den ge⸗ werblichen

Gebäuden. Kapital.... 13 14 000 000113 14 000 000

Für Grundbesitz und Gewerbe wird dieser erheblichen Entlastung in den Staatssteuern eine Mehrbelastung bei der Communalbesteuerung gegenüberstehen, umgekehrt die nur der Gerechtigkeit entsprechende schärfere Heranziehung des beweglichen Kapitals in der Ermäßigung der Gemeindezuschläge auf die Einkommensteuer einen theilweisen gleich finden. 8 8 .3.) Die Communalbesteuerung ist nicht lediglich auf der Leistungs⸗ fähigkeit aufzubauen. Das Wesen der Gemeinden läßt zu und erfordert bei der Steuervertheilung die Berücksichtigung von Leistung und Gegen⸗ leistung, von Last und Vortheil. Zur dieses Grund⸗ satzes soll neben anderen Maßnahmen die Communalbesteuerung ent⸗ sprechend den wirthschaftlichen Aufgaben der Gemeinden und den Rückwirkungen der Aufwendungen derselben auf die Vermögensobjecte in rationeller Weise wesentlich auch auf die vom Staat aufgegebenen Realsteuern begründet werden, we den Gemeinden eine ergiebige, nach ihren besonderen Verhältnissen zu bewirthschaftende selbständige Steuerquelle eröffnen, die in ihren Erträgen den Schwankungen der Personalsteuern nicht unterworfen ist. Die Wirkung der Reform auf den Haushalt der einzelnen gegenwärtig in der verschiedenartigsten Weise besteuerten Gemeinden wird vorerst eine sehr verschiedene sein und ist auch schon deshalb nicht mit Sicherheit in ihrem ganzen Umfange zu übersehen, weil die Erfolge, welche eine verständige Pflege des Gebühren⸗ systems, die zweckmäßige Umgestaltung der jetzigen Ertragssteuern in besondere Gemeinderealsteuern haben können, sich der Voraus⸗ berechnung entziehen.

Unumstößlich bleibt aber die Thatsache, daß den Gemeinden im ganzen durch den Verzicht des Staats auf die Ertragssteuern eine sehr wirksame Hilfe zur Erleichterung der communalen Lasten gewährt wird. Mit dem Inkrafttreten der Reformgesetze werden Steuerquellen mit einem bisher zur Staatskasse geflossenen Ertrage von rund 100 000 000 für Zwecke der communalen Besteuerung frei. Ver⸗ anschlagt man selbst die Mehrleistung, die infolge Aufhebung des Gesetzes vom 14. Mai 1885 an Kreissteuern 1- 8.e2-br. sein wird, auf rund 30 000 000 ℳ, so bleiben zur Erleichterung der bisherigen communalen Lasten rund 70 000 000 oder etwa 2 ½ auf den Kopf der Bevölkerung verfügbar, mehr als 60 % der von den physischen Personen zu entrichtenden Staatseinkommensteuer.

Nach der Natur der Sache müssen die einzelnen Gemeinden ihren Antheil an diesen Mitteln verschieden verwenden, je nachdem bisher bereits das Schwergewicht der Gemeindelasten in höherem oder geringerem Grade auf dem Grund und Boden ruhte oder unverhältniß⸗ mäßige Zuschläge zu den Personalsteuern erhoben wurden. Es ist nur billig und entspricht gerade der Absicht der Reform, daß die Erleich⸗ terung vorzugsweise denjenigen gewährt wird, welche sei überbürdet waren. Abgesehen von den besonders gearteten Verhältnissen einzelner Gemeinden darf mit Sicherheit erwartet werden, daß die neu eröffneten Quellen überall die erforderlichen Mittel liefern, um nach der einen oder anderen Richtung hin die Gemeindelasten fühlbar zu erleichtern.

In Zukunft wird das Finanzwesen aller communalen Verbände auf weit festeren und sicherern Grundlagen ruhen als bisher. Mit der Steigerung der eigenen Finanzkraft wird in dem communalen Ver⸗ bande das Gefühl der Unabhängigkeit und Sicherheit, wie der Selbst⸗ verantwortlichkeit in hohem Grade gestärkt und eine vorsichtig und stetig fortschreitende Gemeinde⸗ und Verbandverwaltung gefördert werden.

Parlamentarische Nachrichten.

Im Herrenhause ist von dem Ober⸗Bürgermeister Adickes der nachstehende Entwurf eines Gesetzes über die Erleichterung von Stadterweiterungen ein⸗ gebracht worden:

I1. Materiell⸗Rechtliches. §88§ 1 bis 19.

Behufs Erschließung von Baugelände in einem überwiegend unbebauten Theil des Gemeindegebiets mit zertheiltem Grundbesi kann in Stadtgemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern 85 endgültiger Feststellung eines Fluchtlinienplans in Gemäßheit des Gesetzes vom 2. Juli 1875 auf Grund nachstehender Bestimmungen

1) die zwangsweise Zusammenlegung (Consolidation) von Grund⸗

stücken verschiedener Eigenthümer (§§ 2 bis 14) verfügt, sowie

2) das der Gemeinde nach § 11 des gedachten Gesetzes vom

2. Juli 1875 zustehende Recht der Enteignung auf das neben öffentlichen Straßen und Plätzen belegene Gelände ausgedehnt werden. 1) Die zwangsweise Zusammenlegung. §§ 2 bis 14.

§ 2.

Die Zusammenlegung kann sich sowohl auf den gesammten Bereich eines Bebauungsplans, als auch auf einen durch natürliche Begrenzung, bestehende und projectirte Straßen oder die thatsächliche Entwickelung der Anbauverhältnisse abgesonderten Theil des Plan⸗ bereiches erstrecken. Einzeine im Zusammenlegungsgebiet belegene, bebaute oder in besonderer Weise (Baumschulen u. a. m.) benutzte Grundstücke können von der Zusammenlegung ausgenommen werden. Die Zusammenlegung erfolgt 22 Grund Gemeindebeschlusses.

Die Zusammenlegung muß erfolgen, wenn die Eigenthümer von mindestens der Hälfte der nach dem Grund⸗ bezw. Gebäudesteuer⸗ kataster zu berechnenden Fläche der zusammenzulegenden Grundstücke sie bei dem Gemeindevorstande beantragen und die Zusammenlegung im öffentlichen Interesse liegt.

Bei Grundstücken, welche im Miteigenthum stehen, ist für jeden Miteigenthümer ein seinem Eigenthumsantheile entsprechender Bruch⸗ theil der Fläche des gemeinschaftlichen Grundstücks in Ansatz zu bringen.

In dem Antrage ist ein zur Entgegennahme von Verfügungen ermächtigter Vertreter zu benennen.

§ 4. Auch ohne Antrag der Betheiligten kann die zwangsweise Zu⸗

sammenlegung erfolgen, wenn die durch das öffentliche Interesse be⸗ Dringlichkeit der letzteren auf Antrag der Gemeinde von dem

Ninister der öffentlichen Arbeiten anerkannt wird (§. 22). Der Minister kann diese Anerkennung davon abhängig machen, daß die Gemeinde für Durchführung der und Platzanlagen Beihilfen gewährt oder einen Theil des für diese Anlagen erforderlichen Geländes 8) gegen Entschädigung erwirbt.

5. In dem die Zusammenlegung betreffenden Gemeindebeschluß 3 und 4)

een die der Zus ammenlegung zu unterwerfenden Grund⸗

stücke unter Benennung ihrer Eigenthümer einzeln aufgeführt und auf einem anzuheftenden Plane nachgewiesen werden. § 6

§ 6. Grundstücke, deren Flächeninhalt so gering ist, daß bei der Neu⸗ vertheilung 8) an Stelle derselben nur ein nach den orts⸗ statutarischen Bestimmungen zur Bebauung ungeeignetes Grundstück treten könnte, sind, wenn sie nicht mit anderen Grundstügen desselben Eigenthümers zu bebauungsfähigen Grundstücken zusammengelegt werden können, von der Gemeinde zu enteignen und unter die übrigen Interessenten mit zu vertheilen; in Betreff der Entschädigung ist nach § 14 zu verfahren. Die Gemeinde ist jedoch, falls aus der Zusammen⸗ legung mehrerer derartiger kleiner Parzellen sich mindestens ein be⸗ baubares Grundstück bi läßt, berechtigt, von der Vertheilung unter die übrigen Interessenten Abstand zu nehmen und die Zuweisung ent⸗ sprechender Grundstücke bei der Neuvertheilung für sich zu bean⸗ spruchen. Die Gemeinde tritt in diesem Falle im Uerfähren an Stelle des bisherigen Eigenthümers. . Diese zu enteignenden Grundstücke sind in dem die Zusammen⸗ legung betreffenden 8“ (K 5) einzeln aufzuführen.

Jeder der Zusammenlegung widersprechende Eigenthümer kann innerhalb der in Gemäßheit des § 20 gestellten Frist von der Ge⸗ meinde die Abnahme seiner Grundstücke gegen eine nach dem Gesetz über die Enteignung von Grundeigenthum vom 11. Juni 1874 fest⸗ elsbende Geldentschädigung verlangen. Die Gemeinde tritt dadurch

dem Verfahren an die Stelle des bisherigen Eigenthümers. Die Enteignung kann auch von den Hypothek⸗ und Grundschuldgläubigern verlangt werden. Jedoch sind sowohl der Eigenthümer als die Ge⸗ meinde berechtigt, die Hypothek oder Grundschuld zur Auszahlung zu bringen. In letzterem Fall tritt die Gemeinde an die Stelle des Gläubigers.

Der Gemeindevorstand kann im Fall des § 3 den weiteren Fort⸗ gang der Zusammenlegung davon abhängig machen, daß der Gemeinde von Seiten der Antrag stellenden Eigenthümer voller Ersatz der ihr erwachsenden Ausgaben geleistet oder sicher gestellt wird. Die Be⸗ theiligten treten dadurch in dem Verfahren anstatt der Gemeinde an die Stelle des bisherigen Eigenthümers und haben einen für alle Ver⸗ handlungen mit der Gemeinde bepollmäͤchtigten Vertreter zu ernennen.

Zur Ausführung der Zusammenlegung sind die Grundstücke aller Betheiligten in eine Masse zu vereinigen, aus welcher die neue Ver⸗ theilung der Ländereien in der Weise zu erfolgen hat, daß zunächst

jedoch vorbehaltlich der Schlußbestimmung in § 4 das zu öffent⸗

lichen Straßen und Plätzen erforderliche Gelände ausgeschieden und

das übrig bleibende Gelände nebst den einzuziehenden öffentlichen Wegen (vergl. § 10) unter die Betheiligten vertheilt wird, und zwar mit der Maßgabe, daß jeder derselben in dem gleichen Verhältnisse an dem Gesammtwerth der neu eingetheilten Grundstücke theilnimmt, in welchem er früher bei dem Gesammtwerth der unregulirten Grund⸗ stücke, mit Ausnahme der nach § 6 zu enteignenden und unter die übrigen Interessenten mit zu vertheilenden, betheiligt war.

Bebaute Grundstücke sind, soweit sie nicht in Straßen fallen und vorbehaltlich anderweiter Begrenzung, dem bisherigen Eigenthümer und im Falle des § 7 der Gemeinde bezw. den Betheiligten, welche das Grundstück von der Gemeinde übernommen haben, zu belassen.

Für jedes Grundstück ist wieder mindestens ein Grundstück aus⸗ zuweisen, soweit nicht der Eigenthümer mehrerer, von Hypotheken 1 1, Lasten freier Grundstücke auf diese gesonderte Zutheilung

ichtet.

Ueber die bei der Neuvertheilung zu beachtenden Grundsätze können im Ortsstatut nähere Bestimmungen getroffen werden.

9

§ 9. Die Werthermittelung für unregulirte Grundstücke hat in allen

Fällen (§§ 6, 7, 8) ohne Rücksicht auf festgestellte, aber n nicht durchgeführte Fluchtlinienpläne zu erfolgen. 2 1

§ 10. Die vorhandenen, nach dem neuen Bebauungsplan überflüssig

werdenden öffentlichen Plätze und Wege sind seitens der Gemeinde

unentgeltlich in die zu vertheilende Grundstücksmasse einzuwerfen, soweit sie in ihrem Eigenthum stehen und das zu den künftigen Stra 9. und Plätzen erforderliche Gelände der Gemeinde unentgeltlich zufällt.

§ 11.

Mit dem in der Ueberweisungserklärung 26) bestimmten Zeit⸗ punkt tritt das eeeeen Grundstück rücksichtlich aller Eigenthums⸗, Nutzungs⸗ und sonstigen Realansprüche, insbesondere der Reallasten, Hypotheken⸗ und Grundschulden, sowie auch der öffentlich⸗rechtlichen Lasten, an die Stelle des abgetretenen Grundstücks und überkommt in rechtlicher Beziehung alle Eigenschaften der letzteren.

Dies gilt auch für den Fall, daß das zugewiesene Grundstück durch Zutheilung eines entsprechenden Bruchtheils der enteigneten kleinen Parzellen 6) vergrößert ist (vergl. § 14).

Gleichzeitig wird das abgetretene Grundstück von allen darauf haftenden privat⸗ und öffentlich⸗rechtlichen Verpflichtungen frei.

Diese Bestimmungen gelten auch in denjenigen Landestheilen, in welchen nach den allgemeinen Gesetzen der Uebergang der betreffenden eee van der Eintragung in die öffentlichen Bücher abhängig gemacht ist.

Grunddienstbarkeiten erlöschen, sofern sie nicht durch den Ver⸗ theilungsplan 24) aufrechterhalten-werden. Auch können im Ver⸗ theilungsplan neue Grunddienstbarkei begründet oder bestehende verändert werden. 8 g

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Der Gesammtbetrag der Grundsteuer, welche von den der Zusammenlegung unterworfenen Grundstücken bis dahin entrichtet worden ist, ist vor Vollzug der Neuvertheilung mit Genehmigung der Regierung auf die neu eingetheilten Grundstüche sowie das für die Straßen und Plätze bestimmte Gelände anderweit zu vertheilen. 9 13

13.

Neben der Landzuweisung haben die Eigenthümer Anspruch auf eine nach den Vorschriften des Gesetzes über die Enteignung von Grundeigenthum vom 11. Juni 1874 festzustellende Entschädigung für

1) die Vergütungen, welche sie wegen Aufhebung on Pacht⸗ und Miethverträgen zu zahlen haben; ö

2) den Bauwerth der ihnen entzogenen Gebäude:

3) alle sonstigen, für das entzogene Grundstück aufgewendeten, noch nicht ausgenutzten Verwendungen; 1

4) den Verlust des auf die Benutzung der Gebäude oder die

etwaige besondere Cultur des Grundstücks begründeten Geschäfts

Baumschulen u. a. m.). 6 E flanzungen, e —e Anlagen und Ver⸗ en

be w ersichtlich nur in der Absicht vorgenommen sind, e Entschädigung zu erzielen, finden 8 des

13 des Gesetzes vom 11. Juni 1874 über die nung von (Gesetz⸗Samml. 8* 224) entsprechende Anwendung.

Die nach § 13 zu zahlenden Entschädigungen und sonstigen Kosten der Enteignung sowie die Kosten der Ausarbeitung des Vertheilun plans sind von der Gemeinde zu zahlen, welche jedoch berechtigt ist, ihre Auslagen nach näherer Bestimmung des Ortsstatuts auf die an der Zusammenlegung betheiligten Eigenthümer nach Maßgabe des ö es, in we sie am Gesammtwerth der neu eingetheilten Grundstücke theil nehmen 8), zu vertheilen.

Gleiches gilt von den nach §6 zu zahlenden Entschädigungen und Kosten der Enteignung, falls die enteigneten Grundstücke unter die Betheiligten mit vertheilt werden. 8

Die Eigenthümer können bis zur Bebauung der Grundstücke Stundung der Beiträge gegen eine im Ortsstatut näher zu Verzinsung verlangen. 3 1

Die Beiträge haben die rechtliche Natur von Gemeindeabgaben.

2) Die Ausdehnung der x §§ 15, 16. 2

Die Ausdehnung der Enteignung auf die neben öffentlichen Straßen und Plätzen belegenen Grundstücke 1) erfolgt auf Grund Gemeinde⸗ beschlusses und kann nur gleichzeitig mit der Enteignung des zu den anzulegenden öffentlichen Straßen und Plätzen erforderlichen Geländes beschlossen und durchgeführt werden.

In dem Gemeindebeschluß müssen 8 .

1) die der Enteignung zu unterwerfenden Grundstücke einzeln aufgeführt und auf einem anzuheftenden Plane nachgewiesen, und

2) die beabsichtigten Arbeiten (Straßenbau, Ent⸗ und Bewässerung u. s. w.) bezeichnet werden. 3

Das Maß der Ausdehnung ist mit Rücksicht auf die Grundstücks⸗ grenzen, den baulichen Charakter des Stadttheiles, die örtlichen bau⸗ polizeilichen Vorschriften und die durch dieselben bedingte zweckmäßige Bebaubarkeit der Grundstücke

Die Eigenthümer der im Plan 15) nachgewiesenen Grund⸗ stücke können, wenn sie mindestens die Hälfte (vergl. § 3) der nach dem Grundsteuer⸗Kataster zu berechnenden Fläche dieser Grundstücke besitzen, innerhalb der nach § 20 gegebenen Frist unter nachstehenden Bedingungen von der Gemeinde die Uebereignung der neben den Straßen und Plätzen belegenen Grundstücke verlangen: 1

1) Sie haben einen für alle Verhandlungen mit der Gemeinde mit unbeschränkter Vollmacht versehenen Vertreter zu ernennen.

2) Sie haben einen vom Gemeindevorstand zu genehmigenden Zu⸗ sammenlegungsplan für die neben den Straßen und Plätzen belegenen Grundstücke aufzustellen und dessen Durchführung in bestimmter Frist zu gewährleisten. ““

3) Sie haben sich unter hinreichender Sicherstellung zu ver⸗ pflichten, das zu den öffentlichen Straßen und Plätzen erforderliche Gelände der Gemeinde unentgeltlich abzutreten und der Gemeinde alle Auslagen und Kosten zu erstatten, welche der letzteren aus der Durch⸗

führung der Enteignung in Betreff der Grundstücke der dem Eingangs

erwähnten Verlangen nicht beitretenden Eigenthümer sowie der vor⸗ gesehenen Arbeiten (Straßenherstellung, Ent⸗ und Bewässerung u. a. m. § 15, 2) erwachsen. ..“ 3) Gemeinsame v §§ 17, 18. 17.

Das in § 57 des Gesetzes über die VI Grundeigen⸗ thum vom 11. Juni 1874 S. 237) gegebene Vor⸗ kaufsrecht findet auf die in mäßheit der §§ 6, 7 und 15 erfolgten Enteignungen keine Anwendung.

§ 18.

Die Errichtung von Bauten, durch welche eine zweckmäßige Zu⸗ sammenlegung von Grundstücken in einem Baublock verhindert oder erheblich erschwert wird, kann baupolizeilich untersagt werden. Ein solches Bauverbot erlischt, wenn nicht innerhalb eines Jahres das Verfahren auf Zusammenlegung oder Ausdehnung der Enteignung eingeleitet ist. Eine Entschädigung wird wegen dieser Beschränkung

der Baufreiheit nicht gewährt.

4) Ortsstatutarische Veubeschrcinkungen. § 19.

Durch Ortsstatut kann für ganze Baublöcke sowie eine oder mehrere Straßenseiten von Baublöcken auf Antrag der Eigenthümer von mindestens der Hälfte der nach § 3 zu berechnenden Grundfläche die Errichtung von Bauten über das baupolizeilich zulässige Maß hinaus beschränkt und die Unzulässigkeit gewisser Benutzungsarten der Baulichkeiten verfügt werden.

Bestimmungen, durch welche die schon vorhandene Benutzungsart bestehender Baulichkeiten oder die durch den Bauplan gegebene Be⸗ nutzungsart im Bau befindlicher Baulichkeiten getroffen wird, sind unzulässig. 8 8 8

II. Verfahren und Behörden. §§ 20 27

Der Gemeindevorstand hat den die zwangsweise Zusammenlegung von Grundstücken anordnenden bezw. beantragenden, sowie den die Ausdehnung der Enteignung betreffenden Gemeindebeschluß (§§ 2 —6, 15) zu Jedermanns Einsicht offen zu legen. Wie letzteres geschehen soll, wird in der ortsüblichen Art mit dem Bemerken bekannt ge⸗ macht, daß Einwendungen der Betheiligten gegen denselben innerhalb einer bestimmt zu bezeichnenden präclusivischen Frist von mindestens vier Wochen bei dem A“ anzubringen sind.

In den Fällen der §§ 3 und 15 ist über die erhobenen Einwen⸗ dungen, soweit dieselben nicht durch Verhandlung zwischen dem Ge⸗ meindevorstande und den Beschwerdeführern zur Erledigung kommen, in dem für die Feststellung von Baufluchtlinien nach dem Gesetz vom 2. Juli 1875 und § 146 des Zuständigkeitsgesetzes vom 1. August 1883 vorgeschriebenen Verfahren Entscheidung zu treffen.

Sind Einwendungen nicht erhoben, oder ist über dieselben end⸗ gültig beschlossen, so hat der Gemeindevorstand den die zusammen⸗ ulegenden bezw. zu enteignenden Grundstücke enthaltenden Plan aaalich festzustellen, zu Jedermanns Einsicht offen zu legen und, wie dies geschehen soll, ortsüblich bekannt zu machen.

Mit dem Tage der Bekanntmachung erhält die Gemeinde das Recht, die nach den §§ 6, 7 und 15 zu enteignende Grundfläche dem Eigenthümer zu entziehen.

§ 22.

Im Fall des § 4 sind die erhobenen Einwendungen zunächst dem Minister der öffentlichen Arbeiten behufs Entscheidung über die Dring⸗ lichkeit vorzulegen. Nach Anerkennung der letzteren ist sodann in der

nach § 21 weiter zu § 23.

Die Beschlüsse des Gemeindevorstandes, durch welche ein auf Grund der §§ 3 bezw. 16 gestellter Antrag auf Zusammenlegung bezw. Uebereignung zurückgewiesen, oder von der Bestimmung in S bsatz, Gebrauch gemacht wird, sind mit Gründen zu versehen.

Den Betheiligten steht gegen dieselben die Beschwerde bei dem Bezirksausschuß und gegen dessen Beschlüsse die Beschwerde bei dem Provinzialrath zu. 1

In Berlin ist die Beschwerde bei dem Minister der öffentlichen Arbeiten zu erheben, dessen Entscheidung endgültig ist. 8

Sämmtliche Beschwerden zwei Wochen einzubringen.

8 2

„Der Vertheilungsplan für die zusammenzulegenden Grundstücke ist von dem Gemeindevorstande zu entwerfen. 18

Der Entwurf des Vertheilungsplanes, aus welchem sowohl der alte Besitzstand als auch die Neuvertheilung und der Maßstab der Vertheilung der Entschädigungen nach § 14 ersichtlich sein muß, ist unter Angabe des beabsichtigten Zeitpunktes der Neuvertheilung in Gemäßheit des § 20 öffentlich auszulegen.

. jedem betheiligten Eigenthümer, und wenn die Einzieh dener öffentlicher Wege oder Wasserläufe in Frage lizeibehörde ein Abdruck zuzustellen. 8. 1 Betre b der 8 8 nößbent des zu verfahren. Die wegen Einziehung der öffen e etwa zu erhebenden Einwendungen sind gleichzeitig in demselben Ver⸗ fahren zu erledigen. 1 Sind Einwendungen nicht erhoben, oder ist über dieselben end⸗ gültig beschlossen, so erfolgt die förmliche Festsetzung des Vertheilungs⸗ plans durch den Bezirksausschiusßs. 3 Eine Ausfertigung des förmlich festgesetzten Vertheilungsplans ist betheiligten Eigenthümer, dem Feeineworshinhe sowie der vlizeibehörde, wenn sie an dem Verfahren theilgenommen hat, zuzustellen. ve.

Das in § 24 vorgeschriebene Verfahren ist unabhängig von dem Enteignungsverfahren in Betreff der nach den §§ 6 und 7 zu ent⸗ ei Grundflächen.

Jedoch kann die Vollziehung Te2s wese e lans nicht eher erfolgen, als vom Bezirksausschuß die Entschädig festgestellt und die Enteignung auf Grund der §§ 32 bezw. 34 des über die Enteignung von Grundeigenthum vom 11. Juni 1874 (Gesetz⸗Samml. S. 230) ausgesprochen ist.

8 § 26.

Die Vollziehung des Vertheilungsplans erfolgt durch eine vom Bezirksausschuß zu erlassende, jedem betheiligten Eigenthümer zuzu⸗ stellende deerhesa Gscrürs ng, in der Tag des Eigenthums⸗ überganges bestimmt zu bezeichnen ist. 8 8

Gleichzeitig mit der Ueberweisungserklärung, welche der Enteig⸗ nungserklärung rechtlich gleichsteht, t nach § 33 des Gesetzes über die Enteignung von Grundeigenthum vom 11. Juni 1874 (Ges.⸗ Samml. S. 230) zu verfahren.

§ 27.

In Betreff der Kosten, Gebühren und Stempel finden die Vor⸗ schriften des § 43 des Gesetzes über die Enteignung von eigen⸗ thum vom 11. Juni 1874 (Ges.⸗Samml. S. 233) Anwendung.

Die §§ 39 und 40 dieses Gesetzes sind gleichfalls entsprechend anzuwenden.

Urkundlich ꝛc.

Der allgemeine Theil der Begründung lautet:

Die Wohnungsfrage hat infolge des anhaltenden Zusammen⸗ strömens großer Volksmassen in den Städten, insbesondere in den größeren, eine unausgesetzt wachsende Bedeutung erlangt, und die socialen Gefahren, welche die Zusammendrängung der Bevölkerung in vielstöckigen Miethskasernen mit sich bringt, fangen an, in immer weiteren Kreisen gewürdigt zu werden.

Mehrere größere deutsche Städte haben in den letzten Jahren enezgische Versuche gemacht, durch Reform ihre Baupolizeiordnungen auf eine weiträumigere Bebauung ihrer Außenbezirke, auf Be⸗ schränkung und Erschwerung der Miethskasernen und auf Erleichterung des Baues kleiner Häuser hinzuwirken und dadurch zugleich dem bedrohlichen Anschwellen der welche naturgemäß durch das baupolizeilich zugelassene Maß der Ausnutzung der Grundstücke wesentlich mit bestimmt werden, soweit hierdurch möglich, entgegen⸗

Die wirkliche Durchführung der namentlich im Interesse der un⸗ bemittelten Klassen so dringend erwünschten weiträumigeren Bebauung in den neu anzulegenden Stadttheilen wird aber nur dann erhofft werden können, wenn noch andere Maßnahmen gegen das zu äußerster Ausnutzung der Baugrundstücke anreizende Steigen der Bodenpreise getroffen werden. 85

Am wirksamsten werden in dieser Richtung offenbar solche Maß⸗ regeln sein, welche auf thunlichste I1“ der Zahl der zur bau⸗ lichen Verwerthung bereiten, am Markt befindlichen Grundstücke hin⸗ zielen und hierdurch der Bildung hoher Monopolpreise für den Grund und Boden in der Nähe der großen Städte wenigstens in gewissem Maße entgegentreten.

In den sehr zahlreichen Stad 828g2 mit zertheiltem Grundbesitz hat es sich nun nach dieser Richtung hin immer fühl⸗ barer als außerordentlicher Uebelstand geltend gemacht, daß eine der Zusammenlegung für landwirthschaftliche n analoge zwangsweise Zusammenlegung der Grundstücke (Consolidation) für *“] zwecke gesetzlich nicht anerkannt ist. Die stadtseitige Erschließung von Gelände durch Straßen bleibt bedeutungslos, so lange die 2 g der Baublöcke durch Einzelne gehindert werden kann, deren Grund⸗ stücksstreifen wie das oft der ist so belegen sind,

ß ohne deren Mitbenutzung eine Bebauung nicht möglich ist. Eine gütliche Vereinbarung über eine solche Zusammenlegung gelingt bei der meist vorhandenen großen Zahl von Interessenten erfahrungs mäßig auch bei allseitig gutem Willen nur selten und unter gr

Schwierigkeiten; sie wird aber unmöglich, sobald Interessenten vor⸗ handen sind, deren Widerstand nur den Zweck verfolgt, möglichst theuer ausgekauft zu werden, oder deren Zustimmung aus rechtlichen Gründen (Abwesenheit, hypothekarische Belastung u. s. w.) nicht er⸗ langt werden kann.

Die hierdurch bedingte Unbenutzbarkeit großer Theile der städtischen Feldmark für die Bebauung, die infolge dessen eintretende Vertheuerung von Grund und Boden und deren verhängnißvolle Wirkungen für gesundes und weiträumiges Wohnen sind auch bereits seit geraumer Zeit in der Literatur und auf den Versammlungen des Verbandes deutscher Architekten⸗ und Ingenieurvereine 1874 und des Vereins für öffentliche Gesundheitspflege 1885 und neuerdings auch im Hause der Abgeordneten erörtert worden, ohne daß bislang in Preußen während für Mainz schon 1875 ein Hessisches Special⸗ gesetz erlassen ist und für Hamburg entsprechende Bestimmungen in Bearbeitung begriffen sind ein ernstlicher Schritt zur Aufstellung des allseitig geforderten Gesetzentwurfs geschehen wäre.

Der anliegende Entwurf, betreffend die Erleichterung von Stadt⸗ erweiterungen, soll nun eine Abhilfe dieser Uebelstände versuchen.

Die Rechtfertigung des hier empfohlenen gesetzgeberischen Eingriffs wird im allgemeinen durch die Erwägung gegeben, daß der d das Anwachsen der Bevölkerung, namentlich der größeren Städte, bedingte, vielleicht bedauerliche, aber unvermeidliche Umwandlungsprozeß von Acker⸗ und Gartenland in Baugelände ein Vorgang von ganz außerordentlich großem öffentlichen Interesse ist und daher nicht lediglich der Willkür der Eigenthümer überlassen werden kann, sondern der öffentlich⸗recht⸗ lichen Regelung bedarf, welche auch um so unbedenklicher ein⸗ greifen kann, als jener Vorgang für die Eigenthümer unter allen Um⸗ ständen mit erheblichem unverdienten Gewinn verbunden ist. Indessen beschränkt sich der Entwurf doch auf einen engbegrenzten Theil der in Betracht kommenden Fragen, d. i. die auf Beseitigung der durch die Zersplitterung des Grundbesitzes jenem Umwandlungsprozeß entgegen⸗ gestellten Schwierigkeiten. 9

Er betrifft daher nicht die Feldfluren mit einheitlichem Besitz und beschäftigt sich auch nicht mit der Frage, ob und event. welche Mittel (Baustellensteuer oder anderes) erforderlich sind, um be⸗ bauungsfähige Landstücke wirklich an den Markt zu bringen.

. ITDnnerhalb jener Begxrenzung aber geht er weiter, als die bislang einzigen gesetzgeberischen Versuche in Deutschland geßangen sind. Wenn nämlich in dem hessischen Gesetz für Mainz und dem Hamburger Entwurf der gesetzgeberische Eingriff auf die Regelung der Grund⸗ stücksverhältnisse innerhalb eines Baublockes beschränkt geblieben ist, so schien eine solche Beschränkung unzulässig, ja ungerecht, sobald es sich um den Erlaß eines Gesetzes für die Gesammtheit der so ver⸗ schiedenartigen preußischen Gemeinden handelt. Das Widerstreben eines Interessenten gegen die von anderer Seite vorgeschlagene Zusammenlegung innerhalb eines Baublockes kann nämlich u. a. sehr wohl daher rühren, daß er in diesem Baublock gerade ein besonders beherrschendes Grundstück besitzt, während seine Lage einem anderen Baublock umgekehrt eine höchst ungünstige ist, und daß er daher mit gutem Grunde den einen Baublock nicht ohne den anderen regulirt haben will. Es erschien daher unerläßlich, die Zulässigkeit des zwangsweisen Zusammenlegungsverfahrens für ganze Feldfluren oder Theile derselben eeee Ebenso war es nöthig, bezüglich

. 2 der wegen geringer Größe nicht rationell bebauungsfähigen Grund⸗ stücke deren Jahl Je ühs gerade bei stark zertheiltem Besitz vermindert, wenn nicht nur ein Baublock, sondern größere zusammen geregelt und demnach alle hierin belegenen Grundstücke der einzelnen Eigenthümer zusammengerechnet werden das Recht der Enteignung zu gewähren 6).

Feten waren auch die gar nicht seltenen Fälle zu berücksichtigen, in denen wegen theilweise vorgerückten Anbaues oder aus anderen Gründen eine von größeren Gebietstheilen oder auch nur Blöcken nicht wohl ausführbar und auch im öffentlichen Interesse nicht geboten ist, da es sich nur um g einzelner Straßen und die Erschließung der angrenzenden Grundstücke für die Bebauung handelt; in diesen Fällen schien die Hilfe am besten und sichersten durch das in Frankreich schon seit 1852 und in Belgien seit 1858 bezw. 1867 bewährte System der sogenannten zonenweisen Enteignung expropriation par zones gegeben werden zu können 8 15, 16). Auch noch aus einem andern Grunde ien die Zu⸗ lassung dieses letzteren Weges geboten. Bei der Zuüfammenlegung von Grundstücken zum Zwecke der Bebauung handelt es sich nämlich, wie ausgeführt, um einen Versuch auf einem ganz neuen Gebiet und um ein Verfahren, welches große Schwierigkeiten in sich schließt. Es kann also im voraus nicht mit Sicherheit übersehen werden, ob und 8 Erfolge auf diesem Wege zu erlangen sein werden, während es sich der oß. Zonenenteignung um ein unter schwierigen Verhält⸗ nissen längst bewährtes t handelt. Wenn man also wirklich und ernstlich Hilfe bringen will, wird man einen Versuch auch mit diesem französisch⸗belgischen System nicht versagen dürfen.

Der Entwurf regelt demnach sowohl die Zusammenlegung, als die Zonenenteignung in Eerscen⸗ Gebietstheilen mit Fiemnen Besitz. Dabei ist die Unbebautheit des Gebietes im großen und [ als selbstverständliche Regel angenommen, indessen schien ein völliger Ausschluß aller Gebietstheile, in welchen sich bereits ein⸗ zelne Baulichkeiten und Niederlassungen befinden, nach der Art der meist üb Besiedelung nicht durchführbar. Etwaigen Bedenken tritt § 8 Abs. 2 entgegen.

Anndererseits sind die Straßendurchbrüche im Innern von Städten außer2 t gelassen, da sie zum theil andere Gesichtspunkte als die hier zu Grunde gelegten in Mitleidenschaft ziehen und es nicht rathsam erschien, die an sich schon großen Schwierigkeiten dieses Gegenstandes noch durch inziehen anderer Fragen zu vergrößern.

Voraussetzung der 2 . dieses Gesetzes ist aber in allen Fällen die vorherige endgültige Feststellung eines Fluchtlinienplans auf Grund des Gesetzes vom 2. Juli 1875; das neue Gesetz erscheint daher insofern als eine Ergänzung und Weiterbildung dieses Gesetzes von 1875 behufs wirklicher Durchführung festgestellter Fluchtlinien⸗ pläne zum Zweck der Erschließung von Baugelände. 1

Der Gesetzentwurf bezieht sich zunä nur auf Städte über 10 000 Einwohner, weil bei diesen das dringendste Bedürfniß ob⸗ waltet. Sollte ein solches Bedürfniß auch für einige kleinere Städte und für Dorfgemeinden vorhanden sein, wäre eine Ausdehnung des Gesetzes auf diese, etwa durch Königliche Verordnung, unschwer vor⸗

z12 ehen.

Statistik und Volkswitthschaft.

8 8 Zur Arbeiterbewegung. 8

Aus Solingen wird der „Köln. Ztg.“ berichtet, daß der Lohn⸗ streit zwischen dem dortigen Scheerenfabrikanten⸗Verein und den d. deee, xxöe“ 257 d. Bl.)

r ütliches Uebereigkommen ückli igelegt worden ist. Sowohl Schleifer wie auch Feiler haben sich mit den neuen Preisverzeichnissen einverstanden erklärt, die schon am 1. Dezember in Kraft treten. Die bereits seit 18 Jahren in der Scheerenindustrie bestehenden geregelten Lohn⸗ und Arbeitsverhältnisse sind hierdurch auch für die Zukunft gesichert. Ueber den Conflict, der zwischen einem Theil der Solinger Socialdemokraten und dem Reichs⸗ tags⸗Abgeordneten Schumacher seit längerer Zeit besteht, wird dem Blatte geschrieben: Kürzlich wurde in einer socialdemokra⸗ tischen Versammlung in Ohligs, die von Gegnern des So⸗ linger Reichstags⸗Abgeordneten Schumacher einberufen worden war, diesem ein Mißtrauens⸗ und Tadelsvotum ertheilt. Schumacher wurde sogar aufgefordert, sein Mandat niederzulegen wegen Unfähig⸗ keit und Verstoß gegen die Grundsätze der Socialdemokratie; auch wurde die socialdemokratische Fraction ersucht, acher auszu⸗ schließen. Am letzten Sonntag tagte nun wieder eine Versammlung von Anhängern Schumacher's, der sich vertheidigte und schließlich von der Versammlung, die das Gegentheil von dem beschloß, was man zuletzt in Ohligs für gut befunden hatte, ein Vertrauensvotum erhielt. (Val. Nr. 236 und 238 d. Bl.)

Aus Eupen theilt man der „Köln. Ztg.“ mit, daß die dortige Firma E. u. G. Peters die ausständigen Weber als entlassen erklärt habe, die Rücknahme der Arbeitsbücher fordere und neue Weber zu dingen suche. (Vergl. Nr. 259 d. Bl.)

In Kiel wird am 11. Dezember nach einer Mittheilung des „Vorwärts“ ein Parteitag der Socialdemokraten Schleswig⸗ Holsteins, Lauenburgs, Lübecks und Hamburgs stattfinden.

Aus Charleroi wird der „Köln. Ztg.“ unter dem 8. d. M. geschrieben: Auf der Kohlengru be La Paix in La Louviere legten 400 Bergleute unter Forderung von Lohnerhöhung die Arbeit nieder.

Ueber den Ausstand der Baumwoll industriearbeiter in Lancashire berichtet die Londoner „Allg. Corr.“ weiter: Es hat den Anschein, als ob auch die angegebene verminderte Zahl der Stri⸗ kenden in Lancashire (vergl. die gestrige Nr. 266 dieses Blattes) noch zu hoch Fepriffen war. Jedenfalls geht aus⸗einer von dem Verein der Oldhamer Fabrikanten gemachten Aufstellung hervor, daß im ganzen nur 8 793 000 Spindeln müßig stehen. Hoch, wie selbst diese Zahl ist, erreicht sie doch nicht die ursprünglich erwartete Höhe, und in demselben Verhältniß vermindert sich auch die Zahl der Arbeiter, die jetzt feiern. Man glaubt, daß der Strike nur 26 27 000 Mann umfaßt. Die Spindeln, die in Thätigkeit geblieben sind, beziffern sich auf 1 566 000, und außerdem sind 156 000 Spindeln auf halbe Zeit gesetzt worden. Es geht daraus hervor, daß manche Fabrikanten es vor⸗ ziehen, die ihnen von der Föderation auferlegte Strafe von ¼ d Spindel zu erlegen. Der Secretär der Baumwollspinner erklärt, daß die Arbeiter bereit seien, mit Personen, die dirert von den Fabrikanten dazu beauftragt würden, zu unter⸗ handeln. In Heywood ist die Arbeitssperre thatsächlich in sich zusammengebroch Von den Fabriken des Vereins der Fabrik⸗ herren ist nur eine außer Thätigkeit gesetzt und im ganzen gehen nur 400 Arbeiter daselbst müßig. In Manchester nimmt man an, daß der Strike in Lancashire nicht von langer sein werde, da

die Lage des Baumwollmarkts sich bessere.

Land⸗ und Forstwirthschaft. u“

Dem russischen „Finanz⸗Anzeiger“ vom 30./18. Oktober d. J.⸗ entnehmen wir über Stand der Wintersaaten im europäischen Rußland folgendes:

Nach Berichten der Steuer⸗Inspectoren ist der Wintersaatenstand im gesammten europäischen Rußland, im nördlichen Kaukasus und in Polen bis auf die nachstehend bezeichneten Gegenden, im allge⸗ meinen ein befriedigender, in einzelnen Gegenden des Ostens, Polens und des nördlichen Theils des centralen Industriegebiets sogar ein sehr guter. Am wenigsten befriedigend ist der Saaten⸗

in einigen Kreisen folgender Gouvernements: Astrachan 1 Kreis, 2, Wladimir 2, Woronesh 7, Dongebiet 2, Kursk 2, Nischnij⸗Nowgorod 1, Nowgorod 2, Orel 2, Pensa 2, Rjasan 5, Ssamara 1, St. burg 1, Smolensk 2, Taurien 2, Tambow 3, Tula 6, Charkow 3, Kubangebiet 1, Terekgebiet 1. In einigen Kreisen der genannten Gouvernements und der angrenzenden ist der Saatenstand mittelmäßig. Schwach entwickelt sind die Wintersaaten in den Gouvernements: Wologda, Nowgorod, Olonez, Pskow, St. Petersburg und Estland, und zwar zufolge zu vielen