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richtigen Verhältnisse stehen. So gehen sie — neben ver⸗ schwindend kleinen Zahlen — in Sachsen in einer Anstalt bis zu 21,8 Proc., in der Rheinprovinz bis zu 22,7 Proc., in Westpreußen bis zu 26,5 Proc., in Berlin bis zu 30 Proc., in Westfalen bis zu 32,4 Proc. Allerdings bereiten in den meisten dieser Fälle die örtlichen Verhältnisse der Theilnahme entfernt wohnender Schüler am Turnunterrichte besondere Schwierigkeiten, deren Ueberwindung zu erstreben bleibt.
Für das Turnen im Freien stehen bei 289 Anstalten Turnplätze zur Verfügung, von denen etwa die Hälfte un⸗ mittelbar bei dem Schulhause liegt; bei 207 Anstalten können dazu Schulhöfe benutzt werden, deren Größe und Ausstattung freilich mehrfach nur die Vornahme einzelner Uebungsarten und Gruppen gestattet. Die Möglichkeit, den Turnunterricht, wie es bei günstigem Wetter in der Regel geschehen soll, im Freien abzuhalten, ist also bei etwa 5 Proc. der Anstalten noch nicht gewonnen. Die Zahl der Turnhallen hat sich seit dem Jahre 1882 erheblich gehoben; zur Zeit kann bei 472 höheren Lehr⸗ anstalten in einer Halle geturnt werden. Allerdings entsprechen von diesen Hallen nicht wenige nur bescheidenen Ansprüchen, manche auch überhaupt nicht mehr den gesteigerten Anforde⸗ rungen der neuen Lehrpläne, bei deren Vorschrift, daß jeder Schüler wöchentlich drei Turnstunden haben soll, unter Um⸗ ständen unvermeidlich werden kann, daß die Turnhalle auch von zwei Abtheilungen gleichzeitig benutzt wird. Von diesen 472 Anstalten haben 309 eigene Turnhallen, und zwar 282 solche in unmittelbarer Nähe des Schulhauses; dagegen müssen sich 163 in die Benutzung der Turnhalle mit anderen Schulen theilen, und bei 128 von ihnen bereitet deren entfernte Lage noch besondere Schwierigkeiten für den gesammten Unterrichtsbetrieb. Bei der kleineren Hälfte der Anstalten, die über eine Turnhalle noch nicht verfügen, wird im Winter in einem anderweitigen ge⸗ schlossenen Raume geturnt; ganz ausfallen muß aber der Turnunterricht im Winter noch an 26 (meist kleineren) öffent⸗ lichen höheren Schulen, von denen allein 10 auf die Rhein⸗ provinz kommen. Die Zahl der Anstalten ohne Winterturnen belief sich im Jahre 1882 noch auf etwa 80.
Während an den 522 Anstalten im Sommer d. J. ins⸗ gesammt 5479 getrennt zu unterrichtende Schulklassen bestan⸗ den, waren aus den 131 206 am Turnen theilnehmenden Schülern im ganzen 2923 Turnabtheilungen von sehr verschie⸗ dener Stärke gebildet, auf die — von den besonderen Vor⸗ turnerstunden abgesehen — im ganzen 7638 wöchentliche Turn⸗ stunden kamen. Die jetzt vorschriftsmäßigen drei wöchentlichen Turnstunden für alle Schüler waren bereits bei 364 Anstalten eingerichtet, während 158 damit noch im Rückstande waren (vergl. Erläuterungen und Ausführungs⸗ bestimmungen zu den neuen Lehrplänen unter 13). Auch den in den neuen Lehrplänen hinsichtlich der Gestaltung des Turn⸗ unterrichts auf der Unter⸗ und Mittelstufe einerseits und der Zulässigkeit des Riegenturnens auf der Oberstufe andererseits enthaltenen Vorschriften konnte aus äußeren Gründen bisher nur zum theil entsprochen werden; eine gleichmäßige Regelung des Turnbetriebes in dieser Beziehung wird dem nächsten Schuljahre vorzubehalten sein.
Mit Turnunterricht betraut sind zur Zeit etwa 1240 Lehrer (gegen etwa 870 im Jahre 1882 und 1080 im Jahre 1890); eine ganz genaue Angabe ist deshalb unmöglich, weil in größeren Städten mehrfach dieselben Lehrer an mehreren Anstalten Turnunterricht zu ertheilen haben, und so dieselben Personen an verschiedenen Stellen unter den Turnlehrern mitgezählt wurden. Von der Gesammtzahl der Turnunterricht ertheilenden Lehrer waren 1064 Lehrer der Anstalt selbst (674 mit akademischer, 390 mit seminaristischer Bildung), während die übrigen etwa 170 als dem Lehrkörper nicht angehörige Hilfskräfte bezeichnet werden. Ein besonderes Zeugniß über ihre Vorbildung für den Turnunterricht, sei es durch Theil⸗ nahme an einem Cursus der Turnlehrer⸗Bildungsanstalt, sei es durch Ablegung der Turnlehrerprüfung, besitzen von den erstgenannten 1064 Lehrern 701, von den letztgenannten Turn⸗ lehrern etwa sechs Siebentel. Die Zahl der akademisch gebildeten Lehrer, die auch Turnunterricht ertheilen, ist im Laufe der Jahre zwar nicht gleichmäßig in den verschiedenen Provinzen, aber im ganzen recht erheblich gestiegen, und obwohl neuerdings wieder infolge der neuen Lehrpläne hier und dort auch Lehrer mit Turnunterricht be⸗ traut worden sind, die ein Turnlehrerzeugniß bisher noch nicht erworben haben, ist doch der Procentsatz solcher von 41,3 Proc. im Jahre 1882 jetzt schon auf 31,1 Proc. zurückgegangen. Es
arf gehofft werden, daß die Einrichtung von halbjährigen Cursen zur Ausbildung von Turnlehrern außer in Berlin auch
Halle, Breslau, Königsberg i. Pr. und Bonn darin noch weitere Fortschritte herbeiführen wird.
Für den Betrieb von Jugendspielen sind bei der über⸗ wiegenden Mehrzahl der Anstalten besondere Stunden ange⸗ setzt; nur in den Provinzen Posen, West⸗ und Ostpreußen sind die Anstalten mit derartigen Einrichtungen noch in der
Minderheit. Die Pflege der Jugendspiele ist aber an den einzelnen Schulen, was die Zahl der ihr gewidmeten Stunden, die für diese seitens der Schule getroffenen Anordnungen, die Betheiligung der Schüler nach Zahl und Alter u. s. w. an⸗ langt, so verschieden, daß darüber eine zusammenfassende An⸗ gabe zur Zeit noch nicht möglich ist. Thatsache ist, daß er⸗
eulicher Weise der hohe Werth der Bewegungsspiele für die Erfrischung und Kräftigung der Jugend immer mehr aner⸗ kannt wird.
Gelegenheit, das Schwimmen zu erlernen und zu üben, haben die Schüler von 457 Anstalten. Daß Lehrer der Schule selbst den Schwimmunterricht ertheilen, ist freilich ver⸗ hältnißmäßig selten; wohl aber bestehen bei 73 Anstalten zu den diesem Zwecke dienenden Einrichtungen irgend welche be⸗ stimmte Beziehungen. Für die Schüler von 65 Anstalten ist leider durch die örtlichen Verhältnisse die Möglichkeit, das Schwimmen zu erlernen oder zu üben, ausgeschlossen.
Was schließlich die Vereinigungen von Schülern zur Pflege des Turnens, des Turnspieles und verwandter Leibes⸗ übungen betrifft, so bestehen solche mehr in den westlichen als in den östlichen Provinzen. Nach den Angaben, die darüber von den einzelnen Anstalten gemacht worden sind, waren im ganzen 78 Schülerturn⸗ vereine vorhanden, aus deren Mitgliedern meist die Vorturner für das Riegenturnen genommen wurden und die dadurch auch für den gesammten Turnbetrieb der betreffenden Anstalt nutzbar gemacht werden konnten. An 12 Anstalten bestanden Rudervereine, an einigen zwanzig Vereinigungen eeheng espiets darunter 17 zur Pflege des Fußball⸗ pieles.
Dem Kaiserlichen Gesundheitsamt vom 12. bis 14. November Mittags gemeldete Cholerafälle:
Bei einer zu Kurzebrack (Kr. Mariennmerder) am 9. No⸗ vember tödtlich verlaufenen Erkrankung ist Cholera durch bakteriologische Untersuchung festgestellt worden. Dagegen wurden bei der zu Altona am 8. November verstorbenen Person („R.⸗A.“ Nr. 267) Cholerabacillen nicht gefunden.
Der Inspecteur der 2. Cavallerie⸗Inspection, General⸗ Lieutenant von Rosenberg, à la suite des Husaren⸗ Regiments von Ziecten (Brandenburgisches) Nr. 3, ist von Urlaub hierher zurückgekehrt.
Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich württem⸗ bergische Oberst und Flügel⸗Adjutant Freiherr von Watter ist hier angekommen.
Der Königlich serbische Geschäftsträger am hiesigen Aller⸗ höchsten Hofe Pavlovitch hat einen ihm von seiner Regie⸗ rung bewilligten kurzen Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit von Berlin nimmt der Attaché Jankovitch die laufenden Geschäfte der Gesandtschaft wahr.
Der japanische Gesandte am hiesigen Allerhöchsten Hofe Vicomte Aoki ist von Brüssel, wohin er sich behufs Ueber⸗ reichung seines Beglaubigungsschreibens an Seine Majestät den König der Belgier begeben hatte, nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.
Der neuernannte Regierungs⸗Assessor von Volkmann aus Lüneburg ist bis auf weiteres dem Landrath des Kreises Kalbe, Regierungsbezirk Magdeburg, zur Hilfeleistung zuge⸗
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theilt worden.
S. M. Kreuzer „Habicht“, Commandant Corretten⸗ Capitän Heßner, ist am 12. d. M. in Plymouth eingetroffen und beabsichtigt, am 15. desselben Monats die Heimreise fort⸗ zusetzen.
Bayern. 8 6 München, 13. November. Seine Majestät der König von Rumänien und Seine Königliche Hoheit der Fürst von Hohenzollern sind, wie „W. T. B.“ meldet, heute früh 8 ¼ Uhr aus Neuwied hier eingetroffen und im Hotel „Zu den vier Jahreszeiten“ abgestiegen. Am Bahnhofe waren der Prinz Ferdinand von Rumänien und der Prinz Alfred von Edinburg zum Empfange anwesend. Der Ferdinand reiste Mittags nach Wien weitter.
Schwarzburg⸗Sondershausen.
Sondershausen, 12. November. Ihre Hoheiten der Herzog und die Herzogin von Anhalt sind mit der Prinzessin Alexandra gestern Abend zu mehrtägigem Besuch hier eingetroffen.
Bremen.
Bremen, 12. November. Die Steuerdeputation der Bürgerschaft hat nach der „Wes. Ztg.“ einen Bericht nebst Gesetzentwurf eingereicht, dessen Zweck es ist, bei der Einkommensteuer in Rechtsfragen dem Privat⸗ mann die Möglichkeit des Rechtsweges zu eröffnen. Gegen die thatsächlichen Entscheidungen der Steuerbehörden soll jedoch auch in Zukunft keine Berufung an die Gerichte stattfinden.
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Oesterreich⸗Ungarn.
Der Großfürst⸗Thronfolger von Rußland ist am Sonnabend Abend 8 Uhr 45 Minuten in Wien eingetroffen und wurde am Bahnhof vom Kaiser, den Erzherzogen Carl Ludwig, Franz Ferdinand, Wilhelm — sämmtlich in russischer Uniform und mit russischen Orden — ferner den Erzherzogen Friedrich, Rainer, Joseph Augustin sowie dem Prinzen von Schaumburg-Lippe empfangen. Außerdem waren der russische Botschafter, die Mit⸗ glieder der russischen Botschaft, der österreichisch⸗ungarische Botschafter in St. Petersburg Graf von Wolkenstein⸗Trostburg, die zum Ehrendienst befohlenen Offiziere, der Corps⸗Comman⸗ dant, der Statthalter von Nieder⸗Oesterreich und der Polizei⸗ Präsident auf dem Bahnhof anwesend. Auf dem Bahnsteig war eine Ehrencompagnie mit Fahne und Musik aufgestellt, die bei der Einfahrt des Großfürsten die russische National⸗ hymne spielte. Der Kaiser begrüßte den Großfürsten⸗Thron⸗ folger, der die österreichische Uniform trug, aufs herzlichste. Der Czarewitsch reichte den Erzherzogen die Hand und fuhr sodann mit dem Kaiser in die Hofburg. Die vor dem Bahn⸗ hof angesammelte große Volksmenge begrüßte den Kaiser und seinen hohen Gast aufs lebhafteste. Zur Aufwartung bei dem Großfürsten waren der Minister des Aeußern Graf Kälnoky und die obersten Hofchargen in die Hof⸗ burg befohlen. Gestern Vormittag legte der Großfürst in der Gruft der Kapuzinerkirche einen Kranz am Sarge des Kronprinzen Rudolph nieder, wohnte sodam der Messe in der Kapelle der russischen Botschaft bei und stattete dem Kaiser in der Hofburg einen Besuch ab. Diesen erwiderte der Kaiser alsbald und geleitete den Großfürsten hierauf in die Gemächer der Kaiserin. Später begab sich der Großfürst zum Erzherzog Carl Ludwig, bei dem im engsten Familienkreise ein Déjeuner stattfand. Der Großfürst gab sodann in den Palais der übrigen Erzherzoge sowie in der Hofburg für die Kronprinzessin⸗Wittwe Stephanie Karten ab. Die Botschafter und Gesandten der auswärtigen Mächte erschienen in der Hofburg, um daselbst Karten für den Großfürsten⸗Thronfolger zurückzulassen. Bald nach 3 Uhr empfing der Großfürst den Minister des Auswärtigen Grafen Kälnoky, der nahezu eine Stunde bei ihm verweilte. Dem darauf folgenden Festmahl in der Hofburg wohnten der Kaiser und die Kaiserin, der Großfürst⸗Thronfolger, die in Wien anwesenden Erzherzoge und Erzherzoginnen, der russische Botschafter Fürst Lobanow⸗Rostowsky mit den übrigen Mitgliedern der Botschaft, die gemeinsamen Minister, der Minister⸗Präsident Graf Taaffe, der Minister Freiherr von Fejervary, Freiherr von Sterneck, der österreichische Bot⸗ schafter beim russischen Hofe Graf Wolkenstein und andere “ Persönlichkeiten bei. Nach dem Diner begaben ich der Kaiser und der Großfürst⸗Thronfolger in die per, woselbst letzterer in der Hofloge an der rechten Seite des Kaisers Platz nahm. Auch die Erzherzoge Carl Ludwig, Franz Ferdinand, Wilhelm, Rainer, Joseph Augustin und die
Prinz
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Erzherzogin Maria Theresia wohnten der Vorstellung bei. Nach Schluß der Oper fuhren die hohen Herrschaften unter lebhaften Zurufen des Publikums direct nach dem Nordbahnhof. Der Großfürst⸗Thronfolger verabschiedete sich dort auf das herzlichste von dem Kaiser und trat die Rückreise an. Der russische Botschafter Fürst Lobanow⸗Rostowsky und das Personal der russischen Botschaft hatten sich zur Verabschiedung auf dem Bahnhof eingefunden.
Die Wiener Zeitungen! widmen dem Besuch des Großfürsten⸗Thronfolgers sehr sympathische Artikel. So schreibt die „Wiener Abendpost“:
„Die engen freundschaftlichen Beziehungen, die seit jeher zwischen den erlauchten Regentenhäusern Habsburg und Romanow be⸗ standen haben und fortdauernd bestehen, bringen es mit sich, daß man den Besuch des dem russischen Kaiserhause so nahestehenden erlauchten Prinzen mit allseitiger herzlicher Theilnahme begrüßt. Man erblickt in demselben einen neuen Beweis des herzlichen Verhältnisses zwischen beiden Kaiserlichen Höfen, welches jüngst in den Ausführungen des Ministers Kaͤlnoky in den beiden Delegationen einen so beredten Aus⸗ druck gefunden hat.“ 1““
Das „Fremdenblatt“ sagt: öA“
„Dieser Besuch, den der Thronerbe des mächtigen Nachbarstaats abstattet ist ein Beweis der freundschaftlichen Beziehungen, die zwischen den beiden Höfen bestehen — Beziehungen, deren Werth für das Ver⸗ hältniß der zwei Reiche zu einander, angesichts der großen Bedeutung, die sowohl in Oesterreich⸗Ungarn wie in Rußland dem Monarchen im politischen Leben zukommt, sicherlich sehr hoch angeschlagen werden muß. In der That begegnen sich die beiden Herrscher in dem festen Wunsche, ihren Völkern wie ganz Europa den Frieden zu erhalten. Man verschließt sich in St. Petersburg, wie wir hoffen, nicht der Erkenntniß, daß dieses selbe Ziel auch die einzige Aufgabe des Dreibundes ist, der, nur zu Vertheidigungs⸗ zwecken geschaffen, niemanden bedroht, daher seine Mitglieder durch nichts gehindert sind, mit den außenstehenden Mächten aufrichtig gute Beziehungen zu pflegen. Die Bestrebungen Oesterreich⸗Ungarns in dieser Richtung scheinen in Rußland volles Verständniß zu finden, und auch dafür darf man wohl als ein Anzeichen das Erscheinen des Großfürst⸗Thronfolgers anführen, der nicht nür an unserem Hofe der herzlichsten Theilnahme gewiß ist, sondern dessen Besuch mit Genug⸗ thuung auch von der gesammten Bevölkerung begrüßt werden wird.“
„Ueber die endgültige Bildung des neuen ungarischen Ministeriums liegen nähere Nachrichten bis jetzt nicht vor. Der Minister⸗Präsident Dr. Wekerle wurde, als er am Freitag Abend im Club der liberalen Partei in Budapest erschien, von den dort versammelten Abgeordneten mit lang⸗ anhaltenden, begeisterten Eljenrufen empfangen. Wie es heißt, hätten sich von den bisherigen Mitgliedern des Ministeriums die Minister Graf Csaky, von Szilagyi, Lukacs und Freiherr von Fejervary bereit erklärt, ihre Portefeuilles zu behalten.
Die Wahl des Domherrn Dr. Kohn zum Fürst⸗Erzbischof von Olmütz ist vom Kaiser bestätigt worden.
In der am Sonnabend abgehaltenen Sitzung des öster⸗ reichischen Abgeordnetenhauses legte der Unterrichts⸗ Minister Dr. Frhr. von Gautsch, in Beantwortung einer Interpellation des Grafen Hohenwart wegen des Erlasses des Wiener Bezirksschulraths über das Schul⸗ gebet der vrüplsschen Kinder resp. das Kreuzzeichen, den Sachverhalt und die Entstehung der instanzenmäßigen Be⸗ handlung dieses Erlasses dar und hob hervor, die Erledigung des Landesschulraths betreffs des Beschlusses des Bezirksschul⸗ raths habe auf einer irrthümlichen und unrichtigen Geschäftsbehandlung beruht, die von der Statthalterei entdeckt worden sei und unverzüglich die nöthige Correctur erfahren habe. Der Minister behielt sich vor, in dem weiteren Stadium der Angelegenheit das dem Ministerium zustehende Aufsichtsrecht geltend zu machen; er werde keine Verfügung zulassen, welche die religiösen Gefühle der katholischen Be⸗ völkerung verletze. Im weiteren Verlauf der Sitzung nahm das Haus den Antrag des Ausschusses an, worin die Regierung aufgefordert wird, die technischen Vor⸗ arbeiten zur Herstellung eines Donau⸗Moldau⸗Elbe⸗ Kanals mit thunlichster Beschleunigung vornehmen zu lassen und die entsprechenden Geldmittel in den Staatsvoranschlag einzustellen. Mehrere Petitionen auf Regulirung der Elbe wurden der Regierung zur eingehendsten Würoigung und Be⸗ rücksichtigung empfohlen.
Großbritannien und Irland.
MNuach einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ wird im Auswärtigen Amt ebenso wie im Bureau der Britisch⸗Ostafrikanischen Gesellschaft erklärt, daß die Meldung, das englische Cabinet habe beschlossen, Uganda nicht zu räumen (siehe Nr. 269 des „R.⸗ u. St.⸗A.*), jeg⸗ lichen amtlichen Charakters entbehre. Die Sefelfsaf⸗ hab 8* der Regierung keinerlei Mittheilung wegen Ugandas er⸗ lten.
Frankreich. 116 Der Präsident der Republik, Carnot, ie Groß⸗ fürsten Wladimir und Alexis von Rußland begaben sich, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern Vormittag zur Jagd “ und kehrten Nachmittags nach Paris wieder zurück.
Nach amtlicher Bekanntmachung ist der bisherige Secretär bei der französischen Botschaft inz Bern Graf de Kergolay an Stelle des Grafen d'Héricourt zum Konsul in Stutt⸗ gart ernannt worden. Graf d'Höéricourt ist als Geschäftsträger nach Bogota versetzt worden. 8
An Stelle des zurückgetretenen monarchistischen Deputirten Marquis de Breteuil ist gestern der gemäßigte Republikaner Alicot im Departement Hautes⸗Pyrénées gewählt worden.
In der Deputirtenkammer beantragte am Sonnabend der Generalberichterstatter für das Budget Poincarré, die Berathung über den Gesetzentwurf wegen der Abände⸗ rung der Getränkesteuer zu vertagen, da die Budgetcommission keine Hilfsmittel ausfindig gemacht habe, um den Ausfall, der aus der am Donnerstag beschlossenen Aufhebung der Steuern entstehen müsse, zu decken. Die Kammer lehnte den Antrag mit 338 gegen 205 Stimmen ab und beschloß nach einer sehr verworrenen Debatte, den Antrag des Deputirten Turrel, diese Verluste hauptsächlich durch eine Alkohol⸗Zuschlagssteuer zu ersetzen, in der heutigen Sitzung in Berathung zu nehmen. Sodann brachte der Deputirte Pontois (Boulangist) einen Antrag ein wegen Aufhebung des Vorrechts der Großwürdenträger der Ehren⸗ legion, die von einfachen Privatpersonen nicht vor den ordent⸗ lichen Gerichten belangt werden können; Pontois verlangte außerdem die Dringlichkeit für seinen Antrag. Un⸗ geachtet der Erklärungen des Justiz⸗Ministers Ricard, der betonte, daß der Antrag keine rückwirkende Kraft haben könne, wurde die Dringlichkeit mit 390 gegen
tunisien“ und
Gewählt sind nach einer
G telegraphirt
schlossen worden.
137 Stimmen beschlossen. Nachdem hierauf die Kammer den Antrag Pontois' auf Eintreten in eine sofortige Berathung mit 357 gegen 117 Stimmen genehmigt hatte, wurde der Antrag mit 519 gegen eine Stimme angenommen.
Die wegen der Explosion in der Rue des Bons Enfants eingeleitete Untersuchung hat bis jetzt zu keinem Er⸗ 81” geführt. Die bei dem Kürschner Raabe beschlag⸗ nahmten Flaschen enthielten keinen Explosivstoff.
Der kürzlich begnadigte Socialist Culine ist in Roubaix
neuerdings zum Bezirks⸗Rath gewählt worden, nachdem seine
erste Wahl für nichtig erklärt worden war.
In Tunis soll sich Pariser Blättern zufolge neuerdings eine lebhafte, gegen Frankreich gerichtete Agitation bemerkbar machen. Die arabische Ausgabe des „Messager zahlreiche Flugblätter suchten die länd⸗ liche Bevölkerung gegen das französische Protectorat und die in Tunis angesiedelten französischen Colonisten aufzu⸗ reizen. Der Minister des Auswärtigen Ribot habe den fran⸗ zösischen Geschäftsträger in Tunis angewiesen, solche Kund⸗ gebungen zu untersagen.
Der „Petit Marseillais“ hatte die Mittheilung gebracht, daß drei Deutsche und ein Belgier in Dahomey ge⸗ fangen genommen und auf Befehl des Obersten Dodds er⸗ schossen worden wären. Jetzt ist den Zeitungen eine Notiz zugestellt worden, in der betont wird, daß die Meldung der Blätter, be⸗ treffend die Erschießung von vier Europäern in Dahomey, mit Vorsicht aufzunehmen sei. Das Marine⸗Ministerium habe weder vom Obersten Dodds noch von dem Gouverneur Ballot eine hierauf bezügliche Nachricht erhalten.
Der gestrige „Figaro“ spricht von den dem König von Dahomey aufzuerlegenden Friedensbedingungen und bezeichnet als solche den Verzicht des Königs auf sein bis⸗ heriges Küstengebiet, die Einsetzung französischer Residenten in Abomey und Kana sowie die Besetzung dieser Orte mit französischen Garnisonen, die Herg.ung einer
Heeresstraße von der Küste nach dem Innern und endlich Ab⸗ schaffung der Menschenopfer. — Da die europäischen Truppen in Dahomey vom Fieber stark gelitten haben, so sollen dem „Temps“ zufolge am 25. d. M. mehrere Handelsschiffe mit Ersatztruppen dorthin abgehen und die bisherigen Expedi⸗ tionstruppen nach deren Ankunft nach Europa zurückkehren.
Italien.
Von den gestrigen 60 Stichwahlen zur Deputirten⸗ kammer sind bis jetzt 52 dem Ergebniß nach bekannt. Meldung des „W. T. B.“ 39 ministerielle und 13 oppositionelle Deputirte; Bonghi ist wiederum unterlegen. Wie der „Magd. Ztg.“ wird, würde das Parlament am 20. No⸗
Der Justiz⸗Minister Bonacci sei zum Praͤsidenten der Kammer ausersehen; seine Stelle werde der Führer der gemäßigten Radicalen Forbis einnehmen, sodaß 88eg alle Gruppen der Linken im Ministerium
vember zusammentreten.
vertreten sein wuͤrden.
Der ehemalige Kriegs⸗Minister Bertole Viale ist
gestern früh in Turin gestorben.
Portugal. Nach einer in hüe eingetroffenen Meldung aus Lissa⸗ bon wäre es wahrscheinlich, daß eine Umgestaltung des Ministeriums durch Aufnahme mehrerer der conservativen Partei angehöriger Mitglieder noch vor Eröffnung der Cortes stattfinde. Wie es heißt, würden die gegenwärtigen Minister für Marine, Colonien und Krieg ihre Pörtefeuilles abgeben.
Schweiz.
Nach einem Telegramme der „N. 8 Z.“ aus Bern hat sich Rumänien bereit erklärt, unter Anwendung der Meist⸗ begünstigungsclausel mit der Schweiz in Handelsvertrags⸗ verhandlungen einzutreten.
Belgien. 1
Gestern fand in Mons, wie „W. T. B.“ berichtet, eine von den Arbeitervereinigungen des Borinage veranstaltete Kundgebung zu Gunsten des allgemeinen Stimm⸗ rechts statt. Der aus mehreren tausend Personen bestehende Fug nahm in voller Ordnung seinen Weg durch die Stadt. Nach der Kundgebung wurde ein Massenmeeting abgehalten, an dem mehrere Deputirte, Anhänger des allgemeinen Stimm⸗ rechts, theiinahmen, die von den Manifestanten eine Adresse
zu Gunsten des allgemeinen Stimmrechts erhalten hatten.
Es wurden mehrere Reden gehalten. Ein Zwischenfall ist
nicht vorgekommen.
Türkei.
Der neuernannte deutsche Botschafter bei der Pforte
Fürst von Radolin hat am Sonnabend dem Sultan in feierlicher Audienz sein Beglaubigungsschreiben überreicht. Der Botschafter, das Personal der deutschen Botschaft und des deutschen Konsulats, sowie der Commandant und die Offiziere des in Konstantinopel liegenden Stationsfahrzeugs „Loreley“ wurden in Hofwagen nach dem YNildiz⸗Kiosk gebracht. An der Spitze wie am Ende des Wagenzugs ritt eine Cavallerie⸗ Escorte. Im Nildiz⸗Kiosk empfing der Sultan, umgeben von dem Großvezier und dem Minister des Auswärtigen Said Pascha, seinem militärischen Gefolge und dem Hofstaat, den Botschafter. Die Ansprache des Fürsten Radolin und die Antwort des Sultans bekundeten, wie „W. T. B.“ berichtet, das freundschaftliche Verhältniß, das zwischen Deutschland und der Türkei besteht. Nach dem officiellen Empfangsact und der Vorstellung des beiderseitigen Gefolges empfing der Sultan den Fuüͤrsten Radolin in einer Privataudienz, die einen überaus herzlichen Charakter trug. Vom Aildiz⸗ Kiosk begab sich der Botschafter nebst Gefolge nach der hohen Pforte, um dem Großvezier und dem Minister des Auswärtigen einen Besuch abzustatten, den diese im Laufe des Tages im Botschafterpalais erwiderten.
Griechenland.
MNiach neueren Nachrichten hat die griechische Regie⸗ rung in ihrer in der Zappa⸗Angelegenheit an die Mächte gerichteten Note deren Vermittelung gewünscht.
„W. T. B.“ meldet nämlich, die Note schließe, nach einer ge⸗
schichtlichen Darstellung des Sachverhalts, mit dem Bemerken, daß Griechenland den Auffassungen und Wünschen der Groß⸗
mächte zu entsprechen glaube, wenn es deren Vermittelung an⸗ rufe, um die Meinungsverschiedenheit zwischen Griechenland und Rumänien zu einer freundschaftlichen Lösung zu bringen.
Bulgarien. Die Ausstellung in Philippopel ist gestern ge⸗ Sämmtliche Minister, die Mitglieder
und der Secretär des türkischen Com⸗ Feierlichkeit bei. Der Prinz Ferdinand von Coburg hielt laut Meldung des „W. T. B.“ eine Rede, worin er hervorhob, die Ausstellung habe den hohen Grad der Ausbildung des bulgarischen Volkes bewiesen; es sei zu wünschen, daß das Vaterland auch künftighin solche glänzenden und fried⸗ lichen Siege gewinne. Dem auf die Schlußfeierlichkeit folgenden Bankett wohnten der Prinz 11 die Prinzessin Clemen⸗ tine und die diplomatischen Vertreter bei. Der Prinz brachte dabei einen Toast auf das bulgarische Volk, Stambulow einen Toast auf den Prinzen, der Metropolit von Philippopel einen solchen auf die Prinzessin Clementine aus. Die Veteranen aus dem letzten russisch⸗türkischen Kriege brachten dem Prinzen Ferdinand und Stambulow Ovationen dar. 1“X“
Schweden und Norwegen. b 1
(F) Nach dem Bericht des Staatscomptoirs betrugen die Staatseinnahmen in den ersten zehn Monaten dieses Jahres: Zölle 31 930 315 Kronen gegen 32 428 012 Kronen, Branntweinsteuer 11 525 399 Kronen, gegen 10 711 315 Kronen, Rübenzuckersteuer 1 110 855 Kronen gegen 1 011 736 Kronen, Staatseisenbahnen 4 900 000 Kronen gegen 5 200 000 Kronen, oder zusammen 49 466 569 Kronen gegen 49 351 063 Kronen in der gleichen Zeit des Vorjahres.
In mehreren größeren Städten Schwedens sollen Vor⸗ lesungen über militärische Fragen gehalten werden. Die erste Vorlesung hielt am 10. d. M. Capitän Jungstedt in Upsala über das Thema: „Die Kriegführung der Gegenwart mit besonderer Beziehung auf einen Krieg in Schweden.“ Die Vorlesung behandelte die Bedeutung der Festungen für die Kriegführung, die Feld⸗ und Seebefestigungen, die Operations⸗ und Sperrfestungen, die befestigten Städte, die Vorraths⸗ festungen und den Bedarf an Festungen für die Vertheidigung Schwedens. Die Zuhörer, die den größten Hörsaal der Uni⸗ versität gedrängt füllten, zollten dem Vortrag lehaften Beifall.
der Sobranje missariats wohnten der
Amerika.
Die Meldung New⸗Yorker Blätter von einer Revolu⸗ tion in dem brasilianischen Staate Rio Grande (siehe Nr. 263 des „R.⸗ u- St.⸗A.“) ist nach einem aus Rio de Janeiro in Paris eingetroffenen Telegramm vollständig unbegründet.
Afrika. Dem ‚Reuter'schen Bureau“ wird aus Fez vom 7. d. M. gemeldet, der Sultan von Marokko sei sehr unzufrieden über die französische Special⸗Gesandtschaft; er habe den mit dem französischen Gesandten Grafen dAubigny ab⸗ geschlossenen mündlichen Vertrag für nichtig erklärt und dem Grafen d'Aubigny mittheilen lassen, er könne gegenwärtig nicht weiter mit ihm unterhandeln.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Präsidien beider Häuser des Landtags wurden heute Mittag 12 Uhr im hiesigen Königlichen Schlosse von Seiner Majestät dem aiser und König empfangen. Vom Hause der Abgeordneten waren die Herren von Köller, Freiherr von Heereman und von Benda, vom Herrenhause die Vice⸗Präsidenten Freiherr von Manteuffel und Ober⸗Bürgermeister Bötticher⸗Magdeburg erschienen, da der Herzog von Ratibor noch durch Krankheit ans Zimmer gefesselt ist. Unmittelbar nach der Audienz bei Seiner Majestät wurden die Herren auch von Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin empfangen.
Kunst und Wissenschaft.
UMeber die am Sonnabend Nachmittag für den am 5. Mai heimgegangenen Geheimen Regierungs⸗Rath Professor A. W. von Hofmann von der Deutschen Chemischen Gesellschaft im Festsaal des Berliner Rathhauses veranstaltete Gedächtnißfeier erichtet die „N. A. Z.“: Der mächtige Raum, der in strahlender Beleuchtung erglänzte, trug ernsten Schmuck; hinter der Tribüne stand die Schaper’'sche Büste des Verewigten. Der Staatssecretär Dr. von Boetticher, die Staats⸗Minister Freiherr von Berlepsch und Dr. Bosse, zahlreiche Professoren der hiesigen und auswärtiger Universitäten wohnten der Feier bei. Die Concertvereinigung des Königlichen Domchors eröffnete den Gedenkact mit dem „Requiem aeternam“ von Nicolo Jomelli. Dann nahm der Vorsitzende, Ge⸗ heime Regierungs⸗Rath, Professor Dr. Landolt das Wort. Er er⸗ innerte daran, daß man gehofft hatte, in festlicherer Stimmung das Jubiläum der Gefsellschaff zu feiern und den Tribut der Dankbarkeit dem nunmehr dahingeschiedenen Präsidenten darzubringen. Hierauf verlas Redner ein vom Oberhofmeister Grafen von Seckendorff im Auftrag Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich übersandtes Schreiben, in dem es heißt: „Ihre Majestät bedauert lebhaft, der Gedächtnißfeier wegen Abwesenheit von der Heimath nicht beiwohnen zu können, umsomehr, als es Allerhöchstderselben eine besondere Freude und Genugthuung bereitet haben würde, theil zu nehmen an einer Vereinigung von Verehrern des zu früh ent⸗ schlafenen Meisters der Wissenschaft, dem Ihre Majestät als Schülerin durch eine lange Reihe von Jahren “ Bewunderung und Dankbarkeit zollte, die dem Heimgegangenen zu bewahren Ihrer Majestät stets eine angenehme Pflicht sein wird.“ Auch der Reichs⸗ kanzler Graf von Caprivi hatte sein Ausbleiben mit anerkennenden Worten für den Heimgegangenen entschuldigt. Nachdem Professor Wichelhaus ein Bild der Entwickelung der Deutschen Chemischen Gesellschaft gegeben hatte, widmete Professor Dr. Ferd. Tiemann dem heimgegangenen A. W. von Hofmann eine Gedenkrede, in der er ihn feierte als Mann der Wissenschaft, als anregenden Lehrer, als geist⸗ vollen Schriftsteller, dessen Arbeitskraft die anderer Sterblicher weit über⸗ ragte und dessen Thätigkeit als Forscher sich über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren erstreckte. Der Chor trug sodann den altschottischen Choral „Das Leben welkt wie Gras“ vor, worauf. Professor Jos. Wislicenus⸗Leipzig das Wort nahm, um der wichtigsten chemischen Errungenschaften des letzten Vierteljahrhunderts zu gedenken, während endlich in einem kurzen Schlußwort Geheimer Rath Landolt der Hoffnung Ausdruck gab, daß nach abermals 25 Jahren eine gleich warme Theilnahme für die Gesellschaft sich geltend machen möge, wie diesmal. Mit der achtstimmigen Motette von Reichardt „Sei getreu bis in den Tod“ schloß die Feier. Aus Anlaß der letzteren waren zahlreiche Schreiben und Tele⸗ gramme eingegangen. Die Chemical Socsety in London sandte eine Adresse, die Faculté des sciences de Paris durch Prof. Friedel ein längeres Schreiben, die russische chemische Gesellschaft zu St. Petersburg ein in russischer und deutscher Sprache gehaltenes Anschreiben. Aus Charkow, aus Helsingfors, aus Genf lagen Tele⸗ gramme vor, den Gefühlen der Münchener Universität gab der Rector Ad. Bayer in einem Telegramm Ausdruck. Auch die Münchener chemische Gesellschaft, die chemische Gesellschaft zu Frankfurt, die Chemiker Heidelbergs u. a. hatten Telegramme gesant.
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4 — Der Verein für deutsches Kunstgewerbe feierte am Sonnabend in den Germania⸗Festsälen mit dem 15. Stiftungsfest die Weihe seines neuen Banners. Eine zahlreiche Festversammlung wohnte der Feier bei, voran der Minister für Handel und Gewerb Freiherr von Berlepsch; für die Stadt Berlin hatte sich Stadtrath Röstel, für das Kunstgewerbe⸗Museum Professor Lessing, für die Technische Hochschule der Geheime Regierungs⸗Rath, Professor Reuleaux, für die Königliche Kunstschule Professor Ewald ein⸗ gefunden. Der Verein Ornament, die Vorstände der Innungen der Gold⸗ schmiede, der Tischler, der Tapezierer, der Maler, der Glaser, der Buch⸗ binder, der Strumpf⸗ und Seidenwirker und der Schlosser waren mit den Fahnen und Bannern erschienen. Nach einer von der Finsterbusch’schen Kapelle ausgeführten Festouverture trat die Hofschauspielerin Fräulein Julie Abich vor, um in einem poetischen Prolog das deutsche Handwerk zu
feiern, das die schwielige Rechte der Kunst gereicht und in ihr, treu
dem Geiste seiner großen Ahnen, neue Kraft gefunden, die zu dem
Guten das Schöne gepqart und die Werke der Hand über das Gemeine emporgehoben. An den Prolog schloß sich wͤamittelbar di Darstellung lebender Bilderfriese. Danach wurde das neu Banner von Dr. Julius Lessing begrüßt als ein Symbo der Vereinigung, das das Kunsthandwerk gemahnen solle den Forderungen der neuen Zeit sich gewachsen zu zeigen, die kräftigen Keime der Kunst alter Zeit aufzunehmen und zu neuem Leben zu ge stalten. Der Festredner übergab sodann das neue Banner dem Vor⸗ stand, in dessen Auftrag es der Geheime Hofrath Schröer übernahm Mit einem Hoch auf Seine Majestät den Kaliser schloß der Weiheact. — 13 .
— Die Sonderausstellung von Werken des no is Malers Munch im Verein Verllwer Künstler ist nes in der Generalversammlung des Vereins am 12. d. M. mit 120 gegen 105 Stimmen gefaßten Beschluß geschlossen worden.
— Auf dem „Heiligen Land“ bei Schönholz, einer Stelle der Feldmark Reinickendorf, die mit denen von Schönholz und Rosentha zusammenstößt und schon seit vielen Jahren durch die gefundenen vor geschichtlichen Ueberreste (altgermanische Gräber) bekannt ist sind, wie der „Voss. Z.“ mitgetheilt wird, bei weiteren Nach grabungen von einem Pfleger des Märkischen Museums wieder einige Graburnen zu Tage gefördert worden. einer von diesen Urnen fand sich ein schöner flacher Bronzering mit tief blaugrünem Edelrost und sehr feiner Strichverzierung, de auf einen starken Daumen paßt; eine Bruchfläche und zwei darin ein gebohrte Löcher deuten aber an, daß es ursprünglich ein Armring ge wesen ist, der mittels Haken und Oese an den Enden verschließbar war Das Oesenende muß dann wohl abgebrochen sein, und man hat darau die beiden Löcher roh eingebohrt, in die der Haken paßt; daraus ist dann ein noch brauchbarer Fingerring geworden. Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗
Maßregeln.
8 Cholera. — 8
13. November. Von Freitag Aben 8 abend Abend 6 Uhr sind hier zehn “ an Cholera erkrankt und zwei gestorben; von gestern Abend 6.Uhr bis heute Abend 6 Uhr er krankten fünf und starben drei Personen.
Amsterdam, 13. November. Aus Leeuwarden wird ein Cholera⸗Todesfall gemeldet. Die Meldung von einem hier vorge kommenen Cholera⸗Todesfall beruht auf einem Irrthum; der Fall betrifft den Ort Wourden, wo im Laufe der vergangenen Woche drei Todesfälle an Cholera vorkamen.
Lüttich, 14. November. Hier sind zwei neue Cholerafälle gemeldet. c.
g0 Italien. 8 8
Durch seesanitätspolizeiliche Verordnung vom 11 Nhebe ae. 1892 sind die Quarantänevorschriften vom 31. August und 14. O 1892 aufgehoben (vergl. „Reichs⸗Anzeiger“ Nr. 216 und 251 von 13. September und 22. Oktober 1892). Doch bleibt die im ersten italienischen Ankunftshafen zu bewirkende ärztliche Untersuchung un die Desinficirung schmutziger Gegenstände aufrecht erhalten für all Provenienzen aus französischen, belgischen, holländischen und öster reichisch⸗ungarischen Häfen sowie aus den deutschen Häfen der Nordse einschließlich Hamburg und den russischen Häfen der Ostsee.
3 8 Spanien.
Zufolge Königlich spanischer Ministerialverordnung vom 8. No⸗ vember 1892 werden Provenienzen aus Rotterdam, welche nach dem 7. desselben Monats abgegangen sind, in den spanischen Häfen frei zugelassen, wenn dieselben mit reinem, vom spanischen Konsul visirten Gesundheitspaß und mit guten hygienischen Verhältnissen an Bord einlaufen. Die in der Verordnung vom 29. Oktober 1886 aufgeführten Waaren, welche während der Epidemie in Rotterdam gelagert haben, werden ebenfalls frei zugelassen werden.
8 Niederlande.
Das gegen Hamburg, Altona und die Elbplätze unter⸗ halb Wittenberge erlassene Ein⸗ und Durchfuhrverbot, welches nach mehrfacher Einschränkung noch in Bezug auf unbearbeitete Wolle und Haare, Häute, Pelzwerk, frische Früchte und Gemüse, Butter und Buttersurrogate, Milch, Käse, Hülsen von Getreidefrüchten und Seilerwaaren (mit Einschluß von Tauwerk) in Kraft stand, ist zu⸗ folge Ministerialverfügung vom 11. November 1892 vom 14. d. M. ab aufgehoben. 1
Das gegen ganz Deutschland erlassene niederländische Ein⸗ und Durchfuhrverbot für Lumpen, gebrauchte Kleidungsstücke und un⸗ gewaschene Leib⸗ und Beth 8 dadurch nicht berührt.
Belgien.
Zufolge Verfügung des Königlich belgischen Ministers für Land⸗ wirthschaft ꝛc. vom 11. November 1892 ist vom 15. desselben Monats ab die Ein⸗ und Durchfuhr von Lumpen, Hadern und alten Kleidern aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden in und durch belgisches Gebiet wieder gestattet, sofern den betreffenden Sen⸗ dungen ein Konsulatszeugniß darüber beigefügt ist, daß am Herkunfts⸗ orte die Cholera weder epidemisch herrscht noch im Laufe des Jahres 1892 geherrscht hat. (Vergl. 98 e“ 213 v. 9. September 1892.
ürkei. 1
Durch Beschluß des internationalen Gesundheitsraths zu Kon⸗ stantinopel vom 11./23. Oktober 1892 ist die Quarantäne gegen Her⸗ künfte mit Passagieren von der Küste des Schwarzen Meeres von Trapezunt bis Ordu, mit Einschluß dieser beiden Häfen, aufgehoben und durch eine Beobachtung von 24 Stunden ersetzt worden, welche im Lazareth von Sinope oder von Cavak zu absolviren ist. Die Kleidungsstücke und Effecten der Passagiere und der Besatzung sowie Waaren, welche die Ansteckung leicht verbreiten können, unterliegen der Desinfection im Dampfapparat.
Vorstehende Bestimmung findet auf die gegenwärtig in Quarantäne liegenden Schiffe Anwendung.
Die gegen Herkünfte von der Küste des Schwarzen Meeres von Ordu bis zur Bosporus⸗Mündung angeordnete ärztliche Untersuchung fällt fort. (Vergl. „Reichs Anzeiger“ Nr. 256 vom 28. Oktober 1892.)
1“] Griechenland.
Die elftägige Quarantäne gegen Provenienzen aus den zwischen Kronstadt und Cherbourg gelegenen Häfen ist — ebenso wie die gegen Triest und Marseille — auf fünf Tage herab⸗ gesetzt worden.
talienische Herkünfte unterliegen fortan nur einer drei⸗ tägigen Quarantäne. (Vergl. „Reichs⸗Anzeiger“ Nr. 228, 242 und 251 vom 27. September, 13. Oktober und 18. Oktober 1892.) “ Rumänien. b 4
Der rumänische Gesundheitsrath hat die Einfuhr sämmtlicher bisher aus Anlaß der Choleragefahr verbotenen Waaren aus Deutsch⸗ land (vergl. „R.⸗A.“ Nr. 252 vom 24./10. 1892) unter der Vor⸗ aussetzung wieder gestattet, daß die Sendungen in plombirten Wagen und im directen Transit durch Oesterreich⸗Ungarn eingehen.
Norwegen. Die Königlich norwegische Regierung hat durch Verordnung vom
5. Norvember 1892 die französischen Mittelmeerhäfen und