1892 / 276 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 21 Nov 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Abg. Richter (Heiterkeit rechts), um der Noth der Gemeinde zu steuern? Ich bitte mir das mitzutheilen. Es wäre doch höchst interessant für die Staatsregierung, von einem so erfahrenen, scharfsichtigen und volkswirthschaftlich gebildeten Mann in dieser Beziehung Rathschlãäge zu hören.

Meine Herren, wie steht es weiter mit der Verkettung der Staatsfinanzen und der Gemeindefinanzen, der gegenseitigen Abhängig⸗ keit, den Hinderungen, die der Staat den Gemeinden gegenüber geltend machen muß, damit die Staatssteuer nicht gefährdet wird, und umge⸗ kehrt den Nachtheilen, die dem Staat zugefügt werden durch unge⸗ messenes Greifen der Gemeinde auf die Staatssteuer daß das ein ganz bedeutendes Uebel für beide Theile ist, namentlich die freie Bewegung der Gemeinden in ihrer Selbstverwaltung im höchsten Maße gefährdet, wird doch wohl auch der Herr Abg. Richter nicht leugnen? Welchen Vorschlag hat er uns gemacht, diese Verquickung zu beseitigen? Wir haben positive Vorschläge allenthalben vorgelegt, schwerer allerdings ist dies als kritisiren, aber es müßte doch ein Abgeordneter Andeutungen, Gesichtspunkte in dieser Beziehung geben. Von alledem habe ich trotz der größten Aufmerksamkeit in der Rede des Herrn Abg. Richter auch nicht das geringste wahrgenommen.

Wir wollen das Steuersoll der Gemeinde vermindern, indem wir das Communalsteuersystem freier entwickeln. Der Herr Abg. Richter tadelt das nicht, er sagt aber, es bedeutet nichts, er will die Ver⸗ mehrung der Zuschläge zu den Personalsteuern auch nicht, er will allerdings die Realsteuern, soweit sie nicht an dem Gewerbe haften, etwas schärfer heranziehen, das kann aber doch auch nicht erheblich einschlagen; er will die indirecten Steuern auch nicht. Nun, wie soll denn die Gemeinde ihre Ausgaben decken? Ein Weg muß doch da sein. Das ist die gewöhnliche Methode, immer die Einnahmen zu kritisiren, als wenn der Finanz⸗Minister oder der Ober⸗Bürgermeister, der Magistrat ein Vergnügen daran hätte, aus purer Lust an der Sache selbst die Steuern umzulegen. (SHeiterkeit.) Nein, die Steuern haben den traurigen Zweck, vorhandene Ausgaben zu decken, (Heiterkeit) und so lange Herr Richter mir nicht darlegt, wie denn nun die Gemeinden diese fortwährend wachsenden Ausgaben decken sollen, können mir alle seine Rathschläge und Reden nichts nützen.

Meine Herren, ich habe die „Freisinnige Zeitung“, die doch jeden⸗ falls mit dem Herrn Abg. Richter in einer sehr nahen Beziehung steht, seit dem Beginn der Steuerreform stets aufmerksam verfolgt; ich habe gefunden, daß sehr geistreiche Kritiken von einem Gesichts⸗ punkte aus gefolgt wurden von Kritiken ebenso geistreich von dem entgegengesetzten, mit dem Tags vorher entwickelten Standpunkt in vollem Widerspruch stehenden Gesichtspunkte aus; ich habe aber ver⸗ geblich nach positiven Vorschlägen gesucht. Ich habe gedacht: Herr Abg. Richter wird warten bis zu seiner großen Rede hier im Ab⸗ geordnetenhause (Heiterkeit); er wird es für richtiger halten, nicht zu früh seine Wissenschaft auszuplaudern; jetzt habe ich hier wieder mit der größten Aufmerksamkeit zugehört und bin auch noch nicht klüger geworden. (Heiterkeit.) Deswegen sage ich immer: so schön

und inhaltreich die Rede im einzelnen war, so lang sie war, sie war

doch noch nicht lang genug, denn das beste fehlt noch immer. (Seiterkeit.)

Meine Herren, der Herr Abg. Richter hat nun, wie sein Freund Rickert, im ganzen sich damit geholfen, daß er gesagt hat: alles das, was sich auf die Steuerreform bezieht, brauchen wir eigentlich noch gar nicht zu wissen, denn es ist überhaupt noch viel zu früh, an die Steuerreform heranzugehen. Der Herr Abg. Rickert hatte sich damit begnügt, zu sagen: die Sache hat ja keine Eile; der Abg. Richter, gründlicher, sagt: ehe die Steuerreform durchgeführt wird, muß erst das Verhältniß der Gutsbezirke zu den Gemeinden neu geordnet werden. Nun, dies Verhältniß ist durch die Landgemeindeordnung soeben geordnet und zwar mit Zustimmung des Herrn Abg. Richter und seiner Freunde; in welchem Sinne will denn nun der Herr Abg. Richter dies Verhältniß neu und anders ordnen? Daraufhin diese großen Fragen zu vertagen, lauf solche dunkle Hin⸗ weisung, ohne daß uns ein bestimmter Weg gezeigt, ohne daß bestimmte Forderungen gestellt werden, darauf wird das Land, glaube ich, sich nicht einlassen, und ich glaube, in dieser Be⸗ ziehung in Uebereinstimmung mit dem Hause der Abgeordneten zu sein, mit der gesammten Landesvertretung und auch mit der Meinung des gesammten Landes, wenn wir solche Vertagungsanträge nicht acceptiren.

Das allerdings würde damit erreicht werden, was der Herr Abg. Richter eigentlich will, was seinem Herzenswunsch entspricht, daß im übrigen die Reform Reform bleibt, alles beim Alten gelassen wird, damit die Einkommensteuer um den Betrag von 40 Millionen ver⸗ mindert werde. Dann würden wir allerdings die Einkommensteuer⸗ pflichtigen um diesen Betrag wieder entlasten; wir würden verzichten aber auf eine Reform des Communalsteuerwesens, denn sie ist un⸗ möglich ohne die Communalisirung der Realobjecte und die Frei⸗ lassung derselben durch den Staat; wir würden verzichten auf eine gerechte Vertheilung der Staatssteuer, denn wir würden die Realsteuern völlig ungeändert und in ganz unvollständiger Ausbildung stehen lassen neben den Communalsteuern. Die Bevorzugung des Kapitals als Realsteuerobject gegenüber dem Grundbesitz und dem Gewerbe bliebe bestehen; eine Unterscheidung zwischen fundirtem und unfundirtem Einkommen würde nicht gewonnen werden; die Mittel wären für immer uns aus der Hand gerissen, um diejenige Reform durchzuführen, für die wir uns bei der ersten Berathung des Ein⸗ kommensteuergesetzes engagirt haben. Eine Vertagung also über 1894 hinaus und infolge dessen Aufzehrung der in unserer Hand ⸗jetzt be⸗ findlichen 40 Millionen würde allerdings dem Programm des Herrn Abg. Richter entsprechen; aber sie wäre das Gegentheil von dem Programm der beiden Häuser des Landtags und der Staatsregierung. Ich fürchte daher nicht, daß dieser Vorschlag hier irgend welchen An⸗ klang finden könnte. (Lebhafter Beifall.)

5 einigen persönlichen Bemerkungen der Abgg. von Jagow, Richter und Graf Behr wird die Debatte um 4 Uhr auf Montag 11 Uhr vertagt. (Fortsetzung der Berathung der Steuerreform.)

Zur Viehzählung.

Das Königliche Statistische Bureau veröffentlicht folgende Ansprache an die Bepölkerung über die Bedeutung und die Ausführung der Viehzählung am 1. Dezember 1892:

„Berlin, 15. November.

Am 1. Dezember d. J. wird die dritte Viehzählung im Deutschen Reich stattfinden. Dieselbe ist ebenso wie die von Zeit zu Zeit wiederkehrende Aufnahme der Bodenbenutzung und die sich alljährlich

wiederholenden Erhebungen der Ernteerträge dazu bestimmt, über die landwirthschaftlichen Verhältnisse unseres Vaterlandes und die in ihnen eingetretenen Aenderungen Aufschluß zu geben. Eines solchen ist man namentlich in Betreff des Viehstandes aus mancherlei Gründen be⸗ nöthigt. 1

big. Viehstand bildet einen hervorragenden Bestandtheil des gegenwärtigen und ist eine Quelle des künftigen Volksreichthums. Ohne einen genügenden Bestand an Spannvieh kann die Landwirth⸗ schaft nicht gedeihen, würde auch mancher Gewerbebetrieb kranken. Eine noch wichtigere Rolle spielen die meisten Viehgattungen bei der Ernährung des Menschen, dessen Wohlbefinden und ganze Lebens⸗ haltung wesentlich von einer leichten und ausgiebigen Versorgung mit Fleisch, Fett, Schmalz, Milch, Butter und Käse abhängen, während

olle, Leder u. s. w. unentbehrliche Stoffe für die Herstellung seiner Bekleidung sind. Ohne eine zureichende Aufzucht kriegsbrauchbarer Pferde vermag auch die Landesvertheidigung ihre Aufgabe nicht erfolg⸗ reich zu erfüllen. . .

ch an scf den bisherigen Aufnahmen des Viehstands soll auch die bevorstehende unter Mitwirkung der Bewohner unseres Staats aus⸗ geführt werden. Wer das Ehrenamt eines Zählers übernimmt, in dessen Ausübung ihm die Eigenschaft eines öffentlichen Beamten beiwohnt, erwirbt sich durch diese freiwillige Müh⸗ waltung Verdienste um die Gesammtheit. Möchten sich recht viele ge⸗ meinnützige und befähigte Männer für dieses Amt melden; mögen sie als Anerkennung für das von ihnen an Zeit und Arbeit gebrachte Opfer überall freundliches Entgegenkommen finden! Aber auch die Viehbesitzer können sehr viel zum Gelingen der Zählung beitragen, indem sie bemüht sind, die ihnen bis zum Abend des 30. November d. J. behändigten Zählkarten mit zuverlässigen, deutlich geschriebenen Zahlen auszufüllen. Sollte jemand bis zum Morgen des 1. Dezem⸗ ders d. J. ohne Zählkarte geblieben sein, so steht zu befürchten, daß sein Haus übersehen worden, und er verlange daher sogleich eine solche Karte vom Zähler oder vom Gemeindevorstande. Desgleichen würde er seine Zählkarte, wenn sie bis zum Abende des 3. Dezembers noch nicht abgeholt sein sollte, am 4. dem Zähler zu überbringen haben. Wegen etwa aufsteigender Zweifel bei Ausfüllung der Karte, wende er sich an den Zähler und dieser, wofern auch er keine sichere Auskunft zu ertheilen weiß, an die Zählungscommission des Ortes.

Das Aufnahmeverfahren, welches sich an dasjenige bei der letzten Viehzählung vom 10. Januar 1883 anschließt, verlangt die Zählung nicht nach Haushaltungen oder Häusern, sondern nach Gehöften. Wir lenken auf diesen Punkt ganz besonders die Aufmerksamkeit der Behörden und der Zähler. Das auch bei dieser Ermittelung des Viehstandes als Zähleinheit geltende Gehöft (Anwesen) kann aus einem einzigen Hause bestehen, häufig jedoch Nebengebäude und sonstige Räumlichkeiten mitumfassen. Nicht so einfach gestaltet sich die Sache bei den Gutsbezirken und manchen Landgemeinden. Dort ist einerseits der Gutshof nebst sämmtlichen zu⸗ gehörigen Baulichkeiten, andererseits jedes Vorwerk und jedes außerhalb des Hofes sowie der Vorwerke gelegene Insthaus (Knechts⸗ oder Tagelöhnerhaus) u. dergl. als ein besonderes Gehöft zu betrachten. Für jede Gebäudegruppe bezw. für jedes derartige Gebäude ist, gleichwie für jedes in einer Stadt oder einem Dorfe befindliche Haus mit oder ohne Nebengebäude, eine Zählkarte auszu⸗ füllen. In dieser Karte sollen der gesummte auf dem Gehöfte (im Hause) vorhandene Viehstand und die Zahl aller in ihm wohnenden viehbesitzenden Haushaltungen (Hauswirthschaften) gemeinsam ver⸗ zeichnet werden. Auch Häuser ohne Vieh erhalten eine Karte, auf welcher die Fehlanzeige durch Querstriche in der Spalte für die Anzahl Stücke der einzelnen Viehgattungen erstattet wird. Kein Vieh be⸗ sitzende Haushaltungen werden überhaupt nicht verzeichnet. Dahin⸗ gegen ist darauf zu achten, daß innerhalb der Städte zerstreut in den Häusern vorhandene vereinzelte Stücke Vieh sowie Pferde in Berg⸗ werken nicht übergegangen werden. b

Die bevorstehende Aufnahme des Viehstandes nimmt die Orts⸗ anwesenheit zur Grundlage. Alles in einem Gehöfte (Hause oder Anwesen) in Fütterung stehende Vieh wird dort eingetragen, wo es sich zur Zählungszeit befindet, ohne Rücksicht darauf, wer Eigenthümer der Viehstücke ist oder zu welcher Haushaltung sie gehören. In Uebereinstimmung sind Schafherden stets in der Gemeinde⸗ oder der Gutsflur zu zählen, wo sie sich, wenn auch nur vorübergehend, auf Weide oder in Fütterung befinden. Desgleichen haben Schlächter (Metzger) und Händler die bei ihnen stehenden, zum Schlachten oder Verkaufe bestimmten Thiere, sofern sie nicht etwa erst am 1. De⸗ zember d. J. gekauft sind, aufzuführen. Am Tage der Zählung nur vorübergehend auf Reisen, Fuhren u. s. w. abwesendes Vieh ist bei dem Gehöfte (Hause), zu welchem es gehört, zu verzeichnen, da aber, wo es vorübergehend anwesend ist, z. B. in Wirthshäusern, Aus⸗ spannungen, unberücksichtigt zu lassen.

Endlich müssen wir einem noch immer nicht ganz geschwundenen

Irrthum entgegentreten, der dahin geht, daß die Viehzählung irgend welchen Maßnahmen der Besteuerung zu dienen bestimmt sei. Dies ist keineswegs der Fall. Die durch die Viehzählung erlangten Einzelangaben auf den Zählkarten werden weder seitens der Steuerverwaltung noch sonst zu fiscalischen Zwecken verwerthet, sondern lediglich zu Uebersichten zusammen⸗ gestellt und veröffentlicht, aus welchen zwar der Viehstand der Gemeinde⸗ und Gutsbezirke, nicht aber derjenige des einzelnen Gehöfts erkennbar ist. Das Ergebniß der Viehzählungen ist, wie eingangs schon angedeutet, an erster Stelle dazu bestimmt, die wirthschaftlich nothwendige Frage zu gcantworten, ob das vorhandene Vieh den verschiedenartigen Bedürf⸗ nissen des Volks genüge. Es soll u. a. dafür bieten, in welchen Landestheilen dem Viehstand aufzuhelfen sein wird, wie die von auswärts an die Reichsgrenzen beranrückende Seuchengefahr ab⸗ zuwehren oder ein derartiger im Innern auftretender verderben⸗ bringender Feind erfolgreich zu bekämpfen, welche Viehgattung oder Art für die verschiedenen Landestheile und Gebiete zu empfehlen ist u. a. m. Deer weit über die Interessen der Landwirthschaft hinausreichende Nutzen der Viehzählung beschränkt sich nicht auf Reich und Staat, erstreckt sich vielmehr bis auf die Gemeinde und deren einzelne Glieder. Jede Zählungscommission oder sonst betheiligte Behörde ist durch sorgfältig und rechtzeitig zu treffende Anordnungen, jeder Zähler durch genaue Beachtung der erlassenen Vorschriften, jeder Besitzer durch vollständige und richtige Eintragung des auf seinem Gehöft oder in seinem Hause gehaltenen Viehes in die Zählkarte dazu berufen, zum Gelingen des gemeinnützigen Werkes beizutragen. Mögen sie alle erfolgreich zusammenwirken, damit wir am 1. Dezem⸗ ber 1892 ein wahrheitsgetreues Bild vom Viehstande unseres Vater⸗ landes gewinnen!“

Nr. 28 des „Eisenbahn⸗Verordnungsblatts“ (heraus⸗ gegeben im Königlichen Ministerium der öffentlichen Arbeiten) vom 17. November 1892 veröffentlicht das Internationale Uebereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr, vom 14. Oktober 1890. (Reichs⸗ Gesetzblatt 1892. Seite 793 ff.)

Nr. 47 des „Centralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Ar⸗ beiten, vom 19. November, hat folgenden Inhalt: Amtliches;: Rund⸗Erlaß vom 31. Oktober 1892, betreffend Verrechnung der durch Ausführung der Unfallversicherungsgesetze u. s. w. entstehenden Kosten. Personal⸗Nachrichten. Nichtamtliches: Preisbewerbung um die Gebäude des neuen Haupt⸗Personenbahnhofes in Dresden (Fortsetzung). Prüfung und Unterhaltung von Weichen und Kreuzungen (Fort⸗ setzung). Die Erfurter Bauordnung. Der Seibt sche Präcisions⸗ pegel. Vermischtes: Unfall in der Bonner Universitätsbibliothek. Wettbewerb um den Entwurf zu einer evang. Kirche in Aachen. Neues Verfahren der Stahlbereitung. Vorschläge für elektrische Untergrundbahnen in London. Betriebsergebniß der norda merika⸗ nischen Eisenbahnen für das Jahr 1891.

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Handel und Gewerbe. 1 Tägliche Wageungestellung für Kohlen und Koks b dee Mehr und 19 Oberschlesien. An der Ruhr sind am 19. d. M. gestellt 11 792, nicht rechtzeitig gestellt 61 Wagen. 3 b In Oberschlesien sind am 18. d. M. gestellt 5063, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

Zwangs⸗Versteigerungen. 1

Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin stand am 19. November das Grundstück des Maurerpolierers Georg Melzer in der Dunckerstraße 7 belegen, zur Versteigerung; Nutzungswerth 13 600 ℳ; Mindestgebot 900 ℳ; für das Meistgebot von 131 500 wurde der Kaufmann Caesar Behrendt, Oranienburgerstraße 1— 3, Ersteher. Aufgehoben wurde das Verfahren der Zwangsver⸗ steigerung wegen des Grundstücks des Malermeisters Alexander Erdmann, Alt⸗Moabit 77, sowie Am Ostbahnhof 5, dem Nachlaß des Tischlermeisters Julius Gebelke gehörig, und Kleine Stralauerstraße 9, den Fritsch’schen Eheleuten gehörig, sowie die Termine am 29. November d. J.

Berlin, 19. November. (Wochenbericht für Stärke, Stärkefabrikate und Hülsenfrüchte von Max Sabers ky). Ia. Kartoffelmehl 19 ½ 20 ℳ, la. Kartoffelstärke 19 ½ 20 ℳ. IIa. Kartoffelstärke und Mehl 17 18 ℳ, feuchte Kartoffelstärke Frachtparität Berlin 9,35 ℳ, Frankfurter Syrupfabriken zahlen nach Werkmeister's Bericht franco Fabrik 9,25 ℳ, gelber Syrup 22 ½ 23 ℳ, ap⸗Syrup 23 24 ℳ, Cap⸗Export 24— 24 ½ Kartoffelzucker gelber 22 ½ —23 ℳ, do. Cap. 23 24 ½ ℳ, Rum⸗Couleur 36 37 ℳ, Bier⸗Couleur 35 36 ℳ, Dertrin, elb und weiß, Ia. 27 28 ℳ, do. secunda 25 26 ℳ, Weizenstärke (kleinst.) 34 35 ℳ, Weizenstärke (großst.) 41 42 ℳ, Hallesche und Schlesische 42 43 ℳ, Reisstärke (Strahlen) 48 bis 49 ℳ, do. (Stücken) 46 47 ℳ, Mais⸗Stärke 32 ℳ, „Schabe⸗ stärke 30 nom., Victoria⸗Erbsen 20 23 ℳ, Kocherbsen 17 22 ℳ, grüne Erbsen 19 22 ℳ, Futtererbsen 14 ½ 15 ℳ, Leinsaat 23 25 ℳ, Linsen, große, neue 42 56 ℳ, do. mittel 34 42 ℳ, do. kleine 22 34 ℳ, gelber Senf 32 42 ℳ, Kümmel 44 —50 ℳ, Mais loco 12 ½ 13 ½ ℳ, Pferdebohnen 16 —18 ℳ, Buchweizen 14 ½ bis 15 ℳ, inländische weiße Bohnen 17 19 ℳ, weiße Flachbohnen 22 24 ℳ, ungarische Bohnen 16 17 ℳ, galizische und russische Bohnen 15 16 ℳ, Wicken 12 ½ 13 ½ ℳ, Hanfkörner 19 20 ℳ, Leinkuchen 16 17 ℳ, Weizenschale 9 ½ 10 ℳ, Roggenkleie 9 ¾ 10 ½ ℳ, Rapskuchen 14 14 ½ ℳ, Mohn, blauer 52 60 ℳ, do. 75 90 ℳ, Hirse, weiße, 20 22 Alles per 100 kg ab Bahn Berlin bei Partien von mindestens 10 000 kg.

Vom oberschlesischen Eisen⸗ und Metallmarkt berichtet die „Schles. Ztg.: Das Roheisengeschäft ist infolge des beschränkten Absatzes sehr matt. Die Ausfuhr von oberschlesischem Roheisen nach Russisch⸗Polen beschränkt sich lediglich auf die dicht an der Grenze gelegenen beiden Werke Milowitzer Hütte und Puschkin⸗ hütte; da die Eisenbahnbedarfs⸗Actiengesellschaft und die Gräflich Guido Henckel'sche Verwaltung für diese beiden Werke gemeinschaftlich einen neuen Hochofen in Russisch⸗Polen bauen, so hört alsdann der Export für das oberschlesische Roheisen dorthin fast ganz auf. Was den Walzeisenmarkt anlangt, so sind sämmtliche Walzwerke in den feineren Stab⸗ und Handelseisensorten noch ziemlich gut besetzt, doch macht sich bereits gegen die Vorwoche eine, wenn auch geringe Abschwächung in dem E von größeren Aufträgen bemerkbar. Für die groben Walzeisensorten hat die Nachfrage bedeutend nach⸗ gelassen, so daß diese Walzenstrecken bereits schwächer besetzt sind. Die Großhändler sind mit der Ergänzung der Lager sehr zurückhaltend; nur der augenblickliche Bedarf wird in Bestellung gegeben, und da ihre Ordres von den Werken sofort effectuirt werden, so finden sie keine Veranlassung, sich größere Posten an Walzeisen in die Magazine zu legen. In Feinblechen geht das Geschäft weiter recht flott, wogegen für Grobbleche nur äußerst geringe Nachfrage vorhanden ist. Die Stahlwerke blieben bis jetzt weiter schwach beschäftigt, hoffen aber durch den Bau von Kleinbahnen auf Aufbesserung ihrer mißlichen Lage. Im Be⸗ triebe der Eisengießereien, Maschinen⸗ und Kessel⸗ fabriken, Röhrenwalzwerken und Drahtwerken hat sich in der Be⸗ richtswoche nichts geändert. Die auf einigen Werken, wie Bismarck⸗ hütte, Falvahütte ꝛc., im Bau stehenden Neuanlagen schreiten infolge der günstigen Witterung rüstig vorwärts und dürften noch vor Mitte nächsten Sommers in Betrieb kommen. Das Rohzinkgeschäft lag etwas stiller, jedoch sind die letztnotirten Preise beibehalten worden. In Walzzink ist das Geschäft trotz der beendeten Bau⸗ saison noch ziemlich rege. In Blei und Bleifabrikaten ist das Ge⸗ schäft matt. ö“

Der Aufsichtsrath der Dortmunder Union hat die Ver⸗ theilung einer Dividende von 1 % und den Bericht der Direction ge⸗ nehmigt. Die Generalversammlung wurde auf Sonnabend, den 17. Dezember, festgesetzt. .

Leipzig, 19. November. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. per November 3,75 ℳ, per Dezember 3,75 ℳ, per Januar 3,77 ½ ℳ, per Februar 3,80 ℳ, per März 3,80 ℳ, per April 3,85 ℳ, per Mai 3,85 ℳ, per Juni 3,87 ½ ℳ, per Juli 3,87 ½ ℳ, per August 3,90 ℳ, per Sep⸗ tember 3,90 ℳ, per Oktober 3,90 Umsatz 125 000 kg.

Wien, 21. November. (W. T. B.) Bei den 298 km langen Localbahnen der Oesterreichischen Local⸗Eisenbahn⸗Gesell⸗ schaft, die schon im Vorjahre im Betriebe standen, betrugen die provisorisch ermittelten Einnahmen im Monat Oktober d. J. 207 822 Fl. und in der Zeit vom 1. Januar bis Ende Oktober 1892 1 536 867 Fl., während die definitiven Einnahmen in der gleichen Periode des Vorjahres 212 491 bezw. 1 584 212 Fl. be⸗ tragen haben. Die provisorisch ermittelten, oben nicht inbegriffenen Einnahmen der Localbahn Budweis —-Salnau betrugen im Monat Oktober 1892 16 698 Fl., und in der Zeit vom 1. Januar bis Ende Oktober 1892 bei einer durchschnittlichen Betriebslänge von 51 km 108 843 Fl.

London, 19. November. (W. T. B.) An der Küste 2 Weizen⸗ ladungen angeboten. 3

21. November. (W. T. B.) Die Getreidezufuhren betrugen in der Woche vom 12. November bis 18. November: Englischer Weizen 1567, fremder 32 032, engl. Gerste 2515, fremde 11 788, engl. Malzgerste 17 174, fremde 360, engl. Hafer 2063, fremder 34 768 Orts., engl. Mehl 20 632, fremdes 15 390.

Zürich, 19. November. (W. T. B.) Die Betriebs⸗Einnahmen der Schweizerischen Nordostbahn betrugen im Oktober 1892 für den Personenverkehr 651 000 (im Oktober 1891 637 474) Fr., für den Güterverkehr 1 152 000 (im Oktober 1891 1 203 187) Fr., diverse Einnahmen im Oktober 1892 79 737 (im Oktober 1891 75 107) Fr., Total⸗Einnahme im Oktober 1892 1 882 737 (im Oktober 1891 1 915 768) Fr. Die Betriebs⸗Ausgaben betrugen im Oktober 1892 938 655 (im Oktober 1891 878,757) Fr. Demnach Ueberschuß im Oktober 1892 944 082 (im Oktober 1891 1 037 011) Frä.

New⸗York, 19. November. (W. T. B.) Die Börse eröffnete stetig und befestigte sich im weiteren Verlaufe; Schluß stetig. Der Umsatz der Actien betrug 82 000 Stück. Der Silbervorrath wird auf 1 470 000 Unzen geschätzt. 8

Weizen ging nach Eröffnung auf Realisationen der Haussiers zurück. Schluß stetig. Mais eröffnete niedriger, hatte ruhigen Verlauf. Schluß schwächer. 8

Der Werth der in der vergangenen Woche eingeführten Waaren betrug 11 140 240 Dollars gegen 13 962 807 Dollars 8g. Vorwoche, davon für Stoffe 2 469 194 Dollars gegen 2 078 223 Dollars in der Vorwoche. 38

Chicago, 19. November. (W. T. B.) Weizen anfangs niedriger, blieb den ganzen Tag auf Realisirungen der Hhüsüege schwächer. Schluß stetig. Mais schwächte sich auf Abgaben der Haussiers ab. Schluß schwach. 8

lI ten, was mit wesentlichem

beläuft si kasse besteht plötzlichen Mehrausgaben (infolge Krankheit, Familienereignissen

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Montag, den 21. November

1892.

Statistik und Volkswirthschaft.

Invaliditäts⸗ und Unfallversicherung.

Durch § 9 Abs. 2 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungs⸗ ist ausgesprochen: „Eine durch Unfall herbeigeführte

rwerbsunfähigkeit begründet den Anspruch auf Invalidenrente nur insoweit, als nicht nach den Bestimmungen der Reichsgesetze über Unfallversicherung eine Rente zu leisten ist.“ Pamtt in Uebereinstimmung verordnet § 76 des Gesetzes, daß, sofern im allgemeinen ein Anspruch auf Invalidenrente begründet ist, die In⸗ validenrente auch dann festgestellt werden muß, wenn die Erwerbs⸗ unfähigkeit durch einen nach den Unfallversicherungs⸗ gesetzen zu entschädigenden Unfall verursacht ist. ie Versicherungsanstalt Baden erachtet sich in den genannten Fällen des § 9 Abs. 2 und des § 76 des Gesetzes für verpflichtet, die Invalidenrente vom Tage des Eintritts der dauernden Erwerbs⸗ unfähigkeit bis zum Beginn der Unfallrente im ganzen Betrag aus⸗ zuzahlen und von dem Tage des Beginns der Unfallrente an in dem Betrage, um welchen die Invalidenrente die Unfallrente über⸗ steigt. Es wird somit insbesondere zutreffendenfalls die Invalidenrente auch in den ersten 13 Wochen nach dem Unfall zu leisten sein. Sobald die Unfallrente festgestellt ist, hat die Ver⸗ sicherungsanstalt die Invalidenrente für die Zeit der ersten 13 Wochen auf sich zu behalten und in dem die Unfallrente übersteigenden Betrag weiter zu bezahlen. Die Versicherungsanstalt Baden hat dem Ver⸗ nehmen der „Bad. Corr.“ zufolge die Großherzoglichen Bezirks⸗ ämter ersucht, das Verfahren zur Feststellung der Invalidenrente gerade in den hier fraglichen Fällen thunlichst zu beschleunigen und nicht durch Verhandlungen mit den Berufsgenossenschaften zu verzögern.

Deutschlands Roheisenerzeugung.

Nach den statistischen Ermittelungen des Vereins deutscher Eisen⸗ und Stahlindustrieller belief sich die Roheisen⸗ production des Deutschen Reichs (errort setc a des eisa im Monat Oktober 1892 auf 416 073 t; darunter Puddelroheisen und Spiegeleisen 156 638 t, Bessemerroheisen 26 117 t, Thomasroh⸗ eisen 179 448 t, Gießereiroheisen 53 870 t. Die Production im Oktober 1891 betrug 392 166 t, im September 1892 397 458 t. Vom 1. Januar bis 31. Oktober 1892 wurden producirt 4 004 714 t gegen 3 687 822 t im gleichen Zeitraum des Vorjahrs. G.

Die Influenza als Todesursache im Jahre 1890

in Preußen.

Die Influenza ist zuerst im Jahre 1889, und zwar vornehmlich in den beiden letzten Monaten desselben, in Preußen aufgetreten und hat nach den Angaben der Standesbeamten 314 Menschen hingerafft. Im Jahre 18990 dagegen hat sich diese Krankheit in der drohendsten Weise gezeigt und ist für 9576 Personen zur Todesursache geworden; von diesen Todesfällen sind 1229 in 98 Orten mit mehr als 20 000 Ein⸗ wohnern vorgekommen. Wenn man bedenkt, daß eine ärztliche Leichenschau in Preußen nicht vorgeschrieben ist, so ist anzunehmen, daß diese Zahl der Todesfälle für den ganzen Staat nicht der Wirklichkeit entspricht, sondern als eine Mindestzahl zu gelten hat. Diese Ansicht bestätigt auch die ärztliche Erfahrung, daß die Influenza häufig Folgekrankheiten hervor⸗ gerufen hat, welche zu Todesursachen geworden sind; namentlich gilt dies von Lungenkrankheiten. In auffallender Weise sind diese Krank⸗ heiten 1890 zahlreicher als in früheren Jahren als Todesursachen auf⸗ getreten, wie aus folgender Uebersicht hervorgeht: Es starben nach den Angaben in dem kürzlich erschienenen Heft 118 der „Preußischen Statistik“ in Preußen

an Luftröhrenentzündung

an Lungen⸗ und Brustfell⸗ und Lungenkatarrh

entzündung 1— EEEEEEEEEqEIö6“ unter überhaupt Gestorbenen berhaupt Gestorbenen 11 592 1,56 5721 11 230 1,64 42 482 61 11 756 187 41 788 6,28 1889 12 628 1,85 41 528 6,08 1890 22 769 3 52 040 7,26

Das ist gegen das Vorjahr eine Zunahme um 10 141 Todesfälle, oder über 80 % bei den ersteren, um 10 512 oder über 25 % bei den letzteren Todesursachen! Mit dieser auffallenden Thatsache steht das zeitliche Auftreten der Influenza in innerem Zusammenhange. Von allen Todesfällen an dieser Krankheit sind nämlich 7641. oder rund 80 % in den Monaten Januar und Februar vorgekommen, während der Rest sich auf die anderen zehn Monate des Jahres 1890 vertheilte. Da im Jahre 1891 wieder eine stärkere Heimsuchung des Landes durch diese merkwürdige Krankheit stattgefunden hat, so dürfte es sich empfehlen, die für jeden Regierungsbezirk nach Geschlecht, Alter, Familienstand, sowie nach Beruf und Erwerbszweig in unserer Quelle gegebenen Daten nach Ab⸗ lauf der ganzen Epidemie im Zusammenhang darzustellen und ins⸗ besondere die Complicationen der Influenza mit Lungenkrankheiten und anderen Leiden eingehend zu verfolgen.

im Jahre

1886 1887 1888

8 Sparwesen.

Der Fabrikdirector Max Meyer in Hamburg hat einen Versuch mit der Errichtung einer Fabriksparkasse gemacht, worüber er der „Wohlfahrts⸗Correspondenz“ Folgendes berichtet: „Ich habe im Frühjahr d. J., gelegentlich der Fin ührung einer neuen Arbeits⸗ ordnung in Gemäßheit der gesetzlichen Bestimmungen, den § 2 unserer früheren Arbeitsordnung dahin erweitert, daß jeder Arbeiter, welcher bei der Norddeutschen Jute⸗Spinnerei und Weberei in regelmäßige Arbeit tritt, außer Mitglied der Fabrik⸗Krankenkasse auch Mitglied der für deren Arbeiterpersonal bestehenden Sparkasse wird. In Ueber⸗ einstimmung hiermit sind dann die bestehenden Löhne derxartig regulirt worden, daß die Arbeiter trotz eines mäßigen Abzugs für die Sparkasse nicht weniger als früher verdienen, weshalb eine Unzufriedenheit mit dieser Neuerung nicht hervorgetreten ist. Heute kann ich bereits, nach Verlauf von kaum sechs Monaten, über die ausgezeichnete Wirkung dieser neuen Sparkasseneinrichtung berichten. Der Zweck der Sparkasse ist nach dem Regulativ, den Arbeitern der „Norddeut⸗ 889 Jute⸗Spinnerei und Weberei“ bis zu 5 % ihres Lohnes anzu⸗ sammeln und zu verzinsen, sowie durch sonstige Henseseahg zu ver⸗ stärken, damit im Falle unvorhergesehener Ausgaben oder Noth, bezw. bei ihrem Abgange aus der Fabrik, dieses Geld den Arbeitern zur Ver⸗ fügung steht. Unter „Arbeiter“ sind die Arbeiter beiderlei Geschlechts und jeden Alters zu verstehen. Zur Erreichung dieses Zwecks kann bei den Lohnzahlungen bis zu 5 % des verdienten Arbeitslohns gekürzt werden. Die auf diese Weise gesparten Beträge werden am Anfang eines jeden Quartals festgestellt und hiernach am Ende des Quar⸗ tals mit 5 % pro Jahr verzinst. Bei jeder Lohnzahlung werden auf der Rückseite des Lohnzettels die gesparten Beträge nebst Zinsen und etwaigen sonstigen Zuwendungen, sowie die etwaigen Aus⸗ zahlungen notirt, sodaßI hiernach das Gesammtguthaben eines eden Arbeiters bei der Sparkasse ersichtlich ist. Die ganze Arbeit esteht lediglich in der Führung einer besondern Rubrik in den Lohn⸗ . eitaufenthalt nicht verknüpft ist. Die arkasse ist am 18. Mai d. J. eröffnet; der angesammelte Betrag ch gegenwärtig auf 7324,40 Die irkung der Spar⸗ hauptsächlich darin, daß Arbeiter, welche von

u. s. w.) betroffen werden, oder solche, welche die Arbeit bei uns aufgeben, nicht gänzlich mittellos dastehen, sondern daß ihnen in ihrem Guthaben bei der Sparkasse ein sicherer Betrag zur Verfügung steht. In solchen Fällen haben wir bisher kleine Beträge aus unserem Arbeiter⸗Unterstützungsfonds bewilligt. Diese galten aber stets als Almosen, während das Guthaben bei der Sparkasse als ein dem Arbeiter zukommender Betrag in sittlicher Beziehung seine Wir⸗ 85 nicht verfehlt. Ich kann daher „bei größeren industriellen Be⸗ trieben die Einrichtung von Fabriksparkassen in dieser einfachen Form aufrichtig empfehlen.“ 2

Zur Arbeiterbewegung.

Ueber die Verhandlungen des socialdemokratischen Berliner Parteitages wird weiter berichtet:

In der Versammlung am Sonnabend wurde auf Antrag Bebel's über die nach dem Programm nächsten Gegenstände der Tagesordnung: „Die wirthschaftliche Krise und ihre Folge, der allgemeine Nothstand“ und „Der Antisemitismus und die Social⸗ demokratie“ nicht verhandelt, um Raum für die einzelnen Anträge zu schaffen. Es folgte darauf die Debatte über Anträge aus den Reihen der Parteimitglieder. Die Hamburger Parteigenossen wollten als Wahlmündigkeitsalter die Großjährigkeit in das Programm auf⸗ genommen haben; der Antrag fand aber keine Unterstützung. Aus Charlottenburg lag ein die Stellung der Partei zur Religion be⸗ treffender Antrag vor, aber auf Antrag von Vollmar's ging die Ver⸗ sammlung über alle Anträge zum Parteiprogramm zur Tagesordnung über. Es schloß sich hieran die Erörterung der Anträge über die Parteipresse und an erster Stelle über den „Vorwärts“, dessen Chef⸗Redacteur Liebknecht aufs neue das Wort ergriff, um die Angriffe gegen das Centralblatt der Partei zurückzuweisen und seine Stellung gegenüber den „Unabhängigen“ zu rechtfertigen. Ueber seine eigene Thätigkeit bemerkte Liebknecht: Niemand koͤnne mehr thun, als in seinen Kräften stehe; er habe in seinem ganzen Leben nicht mehr gearbeitet als gerade hier; er sei angeschmiedet an das Rad. Es liege nicht im Interesse der Partei, daß er austrete aus der Redaction. Die Partei verdiene an ihm, nicht er an der Partei. Finde sie einen billigeren Redacteur, so trete er gern ab. Der Antrag, ein zweites wöchentlich erscheinendes Centralorgan der Partei zu begründen, wurde von Bebel befürwortet, von von Voll⸗ mar bekämpft und schließlich mit 118 gegen 110 Stimmen abgelehnt. Unter den weiteren Anträgen wurde ein aus Königsberg vorliegen⸗ der: zur Förderung der Agitation in den östlichen Provinzen, beson⸗ ders Ost⸗ und Westpreußen, ein Organ auf Kosten der Partei zu begründen, angenommen. Ein Antrag, der die Neugründung einer socialdemokratischen Zeitung von der Genehmigung der Parteileitung abhängig machen wollte, wurde abgelehnt. In der Nachmittagssitzung wurde nach längerer Debatte beschlossen, die im Verlage von Auer u. Co. in Hamburg erscheinende „Neue Welt“ bezüglich Inhalt und Ausstattung mehr socialdemokratisch zu gestalten und ein Flugblatt über die Militärvorlage auf Kosten der Gesammtpartei herzustellen und zu verbreiten. Ferner wurde über das Inseratenwesen durch Ablehnung fast aller vorliegenden Anträge entschieden. Ohne vorhergehende De⸗ batte gelangte eine eingehend begründete Resolution gegen den Antisemi⸗ tismus und ferner eine Resolution zur Annahme, die sich mit der Arbeits⸗ losigkeit beschäftigt. Nach einer längeren Rede der Schriftstellerin Klara Zetkin (Stuttgart) wurde eine Resolution angenommen, in der das Eintreten für die politische Organisation der Proletarierinnen, sowie die Aufhebung der politischen Rechtslosigkeit des weiblichen Geschlechts gefordert wird. Schließlich wurden in den Partei⸗ vorstand gewählt Singer, Bebel, Auer, Fischer, Metallarbeiter Gerisch und Rechtsanwalt Arthur Stadthagen. Als Sitz der Parteileitung wurde wiederum Berlin gewählt. In der heutigen Versammlung des Parteitages wurde als Ort des nächsten Parteitages Köln a. Rh. bestimmt. Es wurde ferner über die Anträge, die sich mit der Agitation beschäftigen, verhandelt.

1 Ueber Bergarbeiterversammlungen, die in Bild⸗ stock (Saarrevier) am 17. d. M. stattfanden, berichtet die „Saarbr. Ztg.“:

Die Versammlungen beriethen unter dem Vorsitz des Herrn N. Warken über die Bergarbeitsordnung. Als Redner traten auf: Thome⸗Altenwald, Berwanger. Weyand und Müller⸗Landsweiler. Schließlich wurde folgende, von Warken eingebrachte Resolution an⸗ genommen: Die Versammlungen erheben entschieden Pro⸗ test gegen die neue Arbeitsordnung und sprechen ihr tiefstes Bedauern darüber aus. Zugleich sollen die Ausschußmitglieder gehört werden, da eine Aenderung verschiedener Paragraphen vorgenommen werden muß. Wir bitten zugleich, daß Abhilfe geschaffen wird, welches wir unseren Ausschußmitgliedern mit Unter⸗ schrift in die Hände legen.

Aus Stuttgart wird der „Frkf. Ztg.“ geschrieben: Zwischen den Brauereigehilfen und der Commission der Brauerei⸗ besitzer wurde unter Theilnahme der Gewerkschaftscommissivn eine Vereinbarung erzielt, nach der die zwischen Arbeitgebern und Arbeitern schwebenden Streitigkeiten als beseitigt gelten können. Die auf⸗ gestellten Bedingungen sollen demnächst bekannt gegeben werden; die⸗ jenigen Brauereibesitzer, die sich ihnen anschließen, bleiben vom Boykott verschont.

Der Delegirtentag der sächsischen Textilarbeiter und »Arbeiterinnen, der wegen der Cholera verschoben worden war, fin det, wie die „Sächs. Arbeiter⸗Ztg.“ berichtet, nunmehr am 27. De⸗ zember in Glauchau statt.

Der Ausstand der Talesweber in Kolomea ist, wie der „Vorwärts“ berichtet, nunmehr beendet.

Ein Pariser Telegramm des „W. T. B.“ meldet vom heutigen Tage: Wie der „Matin“ berichtet, beschloß die Regierung, die auswärtigen Führer in dem Ausstande der Arbeiter der Nahrungs⸗ mittelbranche auszuweisen.

Aus New⸗York theilt ein Wolff'sches Telegramm mit, daß gestern in einer Versammlung der vereinigten Arbeiter⸗Genossen⸗ schaften von Homestead der Ausstand in der Fabrik von Carnegie als beendet erklärt wurde.

Kunst und Wissenschaft.

Verein für Geschichte der Mark Brandenburg. Sitzung am 9. November 1892.

Herr Geheimer Regierungs⸗Rath Kaegler machte Bemerkungen, zum theil berichtigender Art, zu Bardey's Geschichte der Stadt Nauen und des Östhavellandes; dem gegenüber erörterte der Ver⸗ fasser des Werks, Herr Dr. Bardey, den Standpunkt, von welchem aus er seine Arbeit angesehen wissen will.

Herr Oberst⸗Lieutenant Schnackenburg warf die Frage auf: Hahben sich die Regimenter der fridericianischen Armee eines Schlachtrufs beim Angriff bedient? und beantwortete sie dahin: Kein älteres preußisches Reglement, die von 1812 eingeschlossen, schreibt ein Schlachtgeschrei vor; das Hurrah, obwohl es ein schon im Mittelhochdeutschen vorkommender Ruf ist, haben wir in den Befreiungskriegen von den Russen entlehnt. Daß, aber auf Befehl beim Angriff ein Schlachtgeschrei auch in Friedrich's des Großen Zeit schon erhoben werden mußte, geht aus des Königs 1744 erlassener „Disposition, wie sich die Officiere von der Cavallerie... in einem PTreffen gegen den Feind

„zu verhalten haben“ ebenso hervor, wie aus der 1779 erschienenen Reisebeschreibung des englischen Arztes Dr. Moore, der bei der Ber⸗ liner Revue 1775 das „von dem Könige eingeführte“ Schlachtgeschrei hörte. Bestätigend und ergänzend fügten die Herren Professor Dr. Brecher, Amtsrichter Dr. Holtze, Oberst⸗Lieutenant Dr. Jähns und Gymnasial⸗Director Dr. Paul dem Vortrage weiezres hinzu.

Herr Professor Dr. Brecher sprach über die Puren evan⸗ WbE Gesinnung vor der Reformation in der Mark Brandenburg. Wenn es auch feststeht, daß unter nicht Wenigen in der Zeit der letzten Regierungsjahre des reformationsfeindlichen Joachim I. evangelische Neigungen bestanden, so ist es doch nicht leicht, einzelne und zwar bedeutendere Persönlichkeiten nachzuweisen, welche damals dem Evangelium anhingen. Dies hat offenbar seinen Grund in der allgemeinen Furcht vor dem Kurfürsten, der selbst seine Ge⸗ mahlin wegen ihres evangelischen Glaubens verfolgte. Nun liegt uns in dem Schreiben eines vornehmen Kurfürstlichen Be⸗ amten, des Secretärs Joachim Zerer, ein Zeugniß vor, welches nicht nur dessen evangelische Gesinnung, sondern auch seine Glaubens⸗ treue und seinen ungebeugten Mannesmuth gegenüber dem Zorn und den Drohungen des Kurfürsten beweist. Der Brief Zerer's an den Kurfürsten ist aus dem Jahre 1533 und bildet die Antwort auf das Kurfürstliche Schreiben „vom Finken⸗Herd bei den Pannow, mit eigner Hand an mich gethan“. Er hatte es „oftmalen überlesen“ und „in meiner Mutter Garten vor Berlin beantwortet“. Es war „ganz ungnädig, gefährlich, schmählich“, so wie er es „weder von des Kurfürsten Hand, noch von dessen Räthen sein Leben lang jemals gesehen“ und, „so ich ein Verräther und der Aergste auf Erden wäre, könnte solches doch nicht schärfer, ernst⸗ licher, lästerlicher, gefährlicher und ungnädiger sein’. Der Kurfürst verglich ihn mit dem Satan. Zerer antwortet: „Ich muß das Gott klagen und ergeben und E. K. F. G. Ihren Gewalt und Willen lassen. Soll aber der Spruch d. h. Evangelii wahr sein: Wer seinen Nächsten und Bruder heißt Racha, oder Du Narre red, so habens E. K. F. G. schwerlich zu verantworten.“ Er sei auf⸗ gefordert worden, vor dem Kurfürsten zu erscheinen, und seinen Dienst wieder aufzunehmen; aber das könne er nicht, da er den „Vorbehalt“, des Kurfürsten (zum alten Glauben zurückzukehren) nicht zu erfüllen vermöge: „Und dieweil ich denn E. K. F. G. weder Jahre, Tag und keine Zeit zu dienen versprochen oder haftbar bin, sondern das zu E. K. F. G. gnädigem Gefallen, auch meinem guten Willen stehet, so weiß 89 dergetalt und in solcher Gefahr E. K. F. G. nicht länger zu dienen, sondern will hiermit E. K. F. G. meine Dienstpflicht aufgeschrieben haben.“ Gleichzeitig theilt er dem Kurfürsten mit, daß er sich in den Schutz des Konigs Ferdinand von Böhmen und Ungarn begeben habe „und dessen auch zu genießen gedenke.“ Dieser war wirksamer als die Berufung auf seiner „lieben Eltern und unser aller der Zerer lange und getreue Dienste.“ Der Kurfürst ließ ihn vorläufig nach der Lausitz ziehen. Später sehen wir nach der Reformation J. Zerer wieder im brandenburgischen Dienst.

„Herr Graf zur Lippe⸗Weißenfeld knüpfte an eine Me⸗ daille, welche der Berner Stempelschneider Mörikofer im Jahre 1759 auf Friedrich den Großen in Curs setzte, dem sie von seiner Schwester Amalie mitgetheilt wurde, den Nachweis, einerseits, wie abhold der König solchen Huldigungen war, andererseits, wie nachhaltig „Fritzisch“ die protestantische Schweiz gesinnt war, als deren Gesinnungsausdruck eine der Inschriften der Medaille gelten darf: Saeculum Friderici.

Ueber einen interessanten römischen Gräberfund in Köln berichtet die Köln. Ztg.“: Bei den Grundarbeiten zum Neubau eines Hauses an der Neußerstraße stieß man zu Ende des vorigen Monats in einer Tiefe von etwa 2 m auf fünf durch die Beigaben als römische gekennzeichnete Gräber. Die drei ersten enthielten unverbrannte Reste von Gebeinen ohne eine Spur von Särgen, die beiden anderen kleine Aschensarko⸗ phage aus Tuffstein. Bei dem einen fand man eine interessante Pygmäenfigur aus Thon mit großer Nase und grinsend verzerrten Lippen, bekleidet mit dem Cucullus, dem römischen Kapuzenmantel, ferner einen Trinkbecher aus rothem, schwarz gefirnißtem Thon mit aufgemalten Verzierungen und dem Sinnspruch AVO0C0 ME (gich vergnüge mich“; man würde vielleicht eher erwarten: avoco te) in weißer Farbe, verschiedene Sigillata⸗Schüsseln, darunter eine mit dem selkenen Töpferstempel QVVATRINVS. F, einen leider zer⸗ brochenen Spiegel aus versilberter Bronze, gläserne Ampullen und Münzen der Julia Domna und des Marc Aurel. Das hervor⸗ ragendste Fundstück des zweiten Grabes bildet der bronzene Untersatz einer Lampe, bestehend aus einer Schale auf I11 em hohem Fuß, neben welchem auf dem Sockel ein Windhund von vorzüglicher Durchbildung in sehr eleganter Stellung gelagert ist; daneben fanden sich gewöhnliche Topfwaaren, plattbauchige Glas⸗ fläschchen, Haarnadeln von Bein, eine Thonlampe und eine Bronze⸗ münze (vielleicht Hadrian). Das dritte Grab enthielt eine Venus⸗ Statuette aus weißem Thon, in einer Nische mit Muschelwölbung stehend und rückwärts mit T. M. bezeichnet, eine andere rohere Venusfigur und ein Kinderspielzeug, einen Reiter auf plumpem Pferde aus demselben Material. Von besonderem Werthe sind zwei Kugelschalen aus dickem, farblosem Glase mit geschliffenen Verzierungen; die eine ist an der Außenseite mit großen, hohlgeschliffenen Scheiben bedeckt, die von eingeschnittenen Kreisen werden, die andere hat kleinere Scheiben und ein breites Kerbband. Der wohlerhaltene Schädel der dritten Leiche hielt zwischen den Zähnen eine Bronzemünze der Julia Titi als Fährgeld für Charon, welche das sonst vortreffliche und vollständige Gebiß und den Unterkiefer mit grüner Patina über⸗ zogen hat. Die gesammte Ausbeute der Gräber, der erste wissen⸗ schaftlich controlirbare Römerfund, der seit Jahresfrist, in Köln gemacht worden ist, gelangte durch Kauf in den Besitz des Museums Wallraf⸗ Richartz, wo er im Laufe dieses Winters bei der Neuordnung der römischen Alterthümer zur Aufstellung gelangen wird.

Verkehrs⸗Anstalten. 8

Bremen, 20. November. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Postdampfer „Berlin“, hat am 19. November Vormittags die Reise von Antwerpen nach Bremen fortgesetzt. Der Postdampfer

„Köln“ ist am 18. November von Santos nach Europa in See egangen. Der Reichs⸗Postdampfer „Oldenburg, nach Australien bestimmt, ist am 19. November Vormittags in Aden angekommen. Der Reichs⸗Postdampfer „Neckar“ hat am 19. November Mittags die Reise von Genua nach Southampton fortgesetzt. Der Postdampfer „München“ hat am 18. November Nachmittags die Reise von Corunna nach dem La Plata fortgesetzt Hamburg, 20. November. (W. T. B.) Hamburg⸗Ame⸗ rikanische Packetfahrt⸗Actien⸗Gesellschaft. Der Post⸗ dampfer „Thuringia“ ist, von Hamburg kommend, vorgestern in St. Thomas eingetroffen. 8 Triest, 19. November. (W. T. B.) Der Lloyd⸗Dampfer „Thalia“ ist heute Nachmittag hier eingetroffen. 1 London, 19. November. (W. T. B.) Der U. nion⸗Dampfe „German“ ist auf der Heimreise heute in Southampton an⸗ gekommen. Der Castle⸗Dampfer „Garth Castle“ ist gestern auf der Ausreise in Capetom n angekommen. Der Castle⸗ t

Dampfer „Melrose“ ist gestern auf der Ausreise in Durban angekommen.