1892 / 279 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 24 Nov 1892 18:00:01 GMT) scan diff

der Großherzoglichen Hofpianistin Fräulein E. Jeppe ein Concert, in welchem er Tschaikowsky's Violinconcert, op. 35, eine Polo⸗ naise von Wieniawski und Sarasate's bekannten Bolero vortrug. In allen drei Päcen ließ er von neuem eminente technische Sicherheit, elegante geräuschlose Bogen⸗ führung und ganz besonders eine geistvolle Art des Vortrages erkennen. Frau Moran⸗Olden sang eine Arie der Catharina aus Die ge⸗ zähmte Widerspänstige“ von Götz, ein Duett aus derselben Oper mit dem trefflichen Barytonisten (Mitglied der Kroll'schen Oper) Herrn Bertram, und den Monolog der Brünnhilde aus Wagner’'s „Götter⸗ dämmerung“. Die außerordentliche Kraft und Klangschönheit ihrer in allen Lagen gleichmäßig leicht ansprechenden Stimme, die sich fern hält von jedem Tremuliren, sowie die große dramatische Lebendigkeit ihres Vortrages setzten die genannten Nummern ins glänzendste Licht, sodaß der Beifall des Publikums kein Ende nehmen wollte. Auch Fräulein Jeppe, die das Concert (A-moll) von Grieg sehr gefällig spielte, sowie der Concertgeber ernteten reiche Beifallsbezeugungen und Hervorruf. Die Kapelle des Hauses leistete in der „Oberon“⸗Ouverture von Weber und in der Begleitung der erwähnten Vorträge unter Leitung des Herrn Döbber

sehr Tüchtiges. Thomas⸗Theater.

Das Ensemble⸗Gastspiel der Münchener Gesellschaft unter Direction des Königlich bayerischen Hofschauspielers Herrn Max Hofpauer errang gestern Abend durch das in dieser Spielzeit zum ersten Male aufgeführte oberbayerische Charaktergemälde „Almen⸗ rausch und Edelweiß“ von Hermann von Schmid, Musik von Müller, vor gut besuchtem Hause einen recht guten Erfolg. Dieser war ebensowohl dem einfach und naturgetreu aufgebauten, von Ernst und Scherz gleichmäßig durchwehten Werk, wie dem vortrefflichen Spiel der sämmtlichen Mitwirkenden zuzuschreiben. Nach dem allzu düsteren Ende des Volksschauspiels „Der Einsam’“ machte der ver⸗ söhnliche Abschluß in diesem, in Berlin schon wiederholt gegebenen Stück sichtlich einen wohlthuenden Eindruck auf die Zuschauer. In der Rolle der Evi trat das von ihrer früheren Bühnenthätigkeit in Berlin noch bekannte Fräulein Kester in diesem Ensemble zum ersten Male auf und zeigte, daß sie in ihrem erfolg⸗ reichen ernsten Streben nach weiterer Vervollkommnung zu einer auch schwierigen Aufgaben gewachsenen Künstlerin herangereift ist. Ihr fein durchdachtes sympathisches Spiel fand die wohlverdiente Anerkennung in reichstem Maße. Unter den übrigen Dar⸗ stellern sind hervorzuheben die Damen Schönchen und Laska, sowie die Herren Ranzenberg, Hofpauer, Balaithy, Bauer und Sselus. Auch das Zitherspiel des Herrn Sageder und der von den Herren Holzer, Meth und Maier ausgeführte Schuh⸗ plattltanz wurden mit Beifall aufgenommen.

Saal Bechstein. .

Fräulein Clotilde Kleeberg, die gestern ihren ersten Klavier⸗ abend gab, erfreut sich unter den Klavierspielerinnen mit Recht der besonderen Gunst des Publikums. Auch gestern bewies sie nicht nur ihre eminente Fingerfertigkeit, sondern namentlich eine große Fähigkeit, mit dem ö Ausdruck zu spielen. Das zeigte sich besonders in den Schumann'schen „Kinderscenen“, die wie eine Erzählung oder Malerei aus der Kinderstube anmutheten und erwärmten. Die Künstlerin, die lebhaften Beifall erntete, spielte unter anderem noch Variationen von Beethoven und mehrere Salon⸗ stücke, von denen der Vortrag der „Etincelles“ von Moszkowski eine besonders glänzende Aufnahme fand.

In der Vorstellung des „Tannhäuser“ am Sonnabend im königlichen Opernhause sind die Damen Sucher, Leisinger und Hellmuth⸗Bräm, die Herren Sylva, Betz, Krolop, Ritter,

1

Stammer und Krasa beschäftigt. Am Sonntag geht die Oper „Die Hugenotten“ mit den Damen Pierson, Dietrich und Herzog, den Herren Rothmühl, Betz, Bulß, Mödlinger und Philipp in Scene.

Im Deutschen Theater wurde in der vorgestrigen Auf⸗ führung der „Räuber“ Herr Sommerstorff durch einen unglücklichen Zufall an der Hand verwundet. Infolgedessen mußte gestern die Vor⸗ stellung von „Der Pfarrer von Kirchfeld“ ausfallen; sakt dessen ging „Des Meeres und der Liebe Wellen“ in Secene. Aus demselben Grunde wird morgen zu der Aufführung des „Misanthrop“ statt der angekündigten „Geschwister“ der Fulda'sche Einacter „Das Wunder⸗ kind“ gegeben. Die Verwundung des Herrn Sommerstorff wird vor⸗ aussichtlich in kurzer geit geheilt sein. 3

Im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater gelangt, wie bereits mitgetheilt, am Sonnabend die dreiactige Operette „Das verwunschene Schloß“ in der neuen Bearbeitung von Hugo Wittmann und mit der Musik von Carl Millöcker zur erstmaligen Aufführung. Die Hauptrollen sind mit den Damen Collin, Cornelli, Elise Schmidt, Navarra, Csendes sowie den Herren Klein, Wellhof, Steiner, Broda, Binder, Bruch, Pohl, Ernsthaft und Epstein besetzt. Herr Director Fritzsche hat das Werk inscenirt, während die musikalische Leitung in den Händen des Herrn Kapellmeisters Federmann liegt.

Am Sonntag wird der Schwank „Im Pavillon“ (Le parfum) im Residenz⸗Theater seine fünfzigste Aufführung erleben und zu⸗ gleich zum letzten Mal an einem Sonntag in Scene gehen, da in der nächsten Woche das dreiactige Lustspiel „Madame Agnes“ von Julien Berr de Turique zur Darstellung gelangen soll.

Der Geiger Herr Felix 8, wird im Kroll'schen Theater morgen sein zweites Concert geben und hat dazu folgendes Programm gewählt: 1) Violin⸗Concert von Mendelssohn, 2) Sé6ré- nade meélancolique mit Orchesterbegleitung von Tschaikowsky, 3) Ciacconna von Joh. Seb. Bach. Von Künstlern des Theaters wirken in diesem Concert mit Fräulein Gadski und Herr Bertram, die unter anderem auch das Duett aus der Oper „Der fliegende Hol⸗ länder“ von Wagner zum Vortrag bringen werden.

Der Violinvirtuose Arno Hilf, Concertmeister am Leipziger Gewandhaus, wird in seinem am Sonnabend, Abends 8 Uhr, in der Sing⸗Akademie stattfindenden Concert mit dem Philharmonischen Orchester Bazzini's „Grand Allégro de Concert“, Molique's A-moll- Concert und Paganini's Concert⸗Allegro Es-dur zu Gehör bringen. Zwei junge Künstlerinnen aus Frankfurt a. M., die in Berlin bereits vortheilhaft bekannt sind, die Concertsängerin Fräulein Elise Leutheußer (aus Dr. Krükl's Schule) und die Pianistin Fräulein Magda Eisele, geben hier am 26. d. M., Abends 7 ½ Uhr, gemeinschaftlich ein Concert im Saal Bechstein. Für den nächsten Volksunterhaltungs⸗Abend, der am Sonntag im Saal der Actien⸗Brauerei Friedrichshain stattfindet, haben u. a. folgende Künstlerinnen ihre Mitwirkung zugesagt: die Altistin Fräulein Ida Rosenmund, die Geigerin Fräulein Morgan, die Pianistin Fräulein Leo und die Declamatorin Fräulein Schirach.

Im Concerthause veranstaltet Herr Kapellmeister Meyder morgen den vierten „Wagner⸗Abend“ in dieser Spielzeit. Das Pro⸗ gramm wird die „Faust⸗Ouverture“, das „Albumblatt“, das „Sieg⸗ fried⸗Idyll“, Stücke aus den Musikdramen „Das Rheingold“ und „Die Walküre“ sowie die Vorspiele zu den „Meistersingern von „Lohengrin“, „Parsifal“ und „Tristan und Isolde“ ent⸗ Halten.

8 Jagd.

Morgen, Freitag, findet Königliche E statt. Stelldichein: Mittags 1 Uhr Jagdschloß Grunewald, 1 ½ Uhr am Saugarten.

Mannigfaltiges.

Die hervorragenden künstlerischen Leistungen auf dem Gebiete des Schulreitens und der Pferdedressur, die der Cireus Renz in der neuen Saison darbietet, locken allabendlich ein zahlreiches schaulustiges Publikum an. In der gestrigen Vorstellung gefielen besonders die von acht Damen und acht Herren in Costümen nach der Zeit

riedrich's des Großen gerittene Quadrille, das als äußerst geschickte Schulreiterin schon oft mit Anerkennung genannte Fräulein Oceana Renz auf dem Schulpferd „Coriolan“ und dem Steiger „Alep“, sowie der Clown Renard mit seinen dressirten Hunden. Den größten Ein⸗ druck machten jedoch Herr E. Renz durch die in Freiheit vorge⸗ führten Fuchshengste „Henry“ und „Merkur“ und der schon öfter ge⸗ rühmte Schulreiter Herr James Fillis mit seinem Vollblutpferde „Germinal“. Die Pantomime „Auf Helgoland“, die in den militä⸗ rischen Tableau durch Einführung des Ersten Garde⸗Regiments z. F. mit den historischen Blechmützen, durch ein Trompetercorps und durch eine Batterie von vier Geschützen eine erhebliche Bereicherung erfahren hat, bildet namentlich mit seinem effectvollen Feuerwerk immer noch den glänzenden Abschluß dieser sehenswerthen Cireus⸗Vorstellungen.

Darmstadt, 23. November. Als Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und der Prinz Heinrich von Preußen mit Gefolge von Gernsheim heute mit dem Regierungsdampfer in den Steinwaßs zur Jagd fuhren, erlitt, wie die „Darmst. Ztg.“ berichtet, nach kaum 5 Minuten dauernder Fahrt der Großherzogliche Ober⸗Stallmeister Freiherr von Nordeck zur Rabenau inmitten der auf Deck be⸗ findlichen Jagdgesellschaft einen Herzschlag, der nach späterem Ausspruch der rasch zur Stelle gewesenen beiden Gernsheimer Aerzte sofort tödt⸗ lich gewesen war. Der Großherzog befahl sofort die Rückfahrt nach Gernsheim, von wo die Herrschaften in Begleitung der Leiche mit dem fahrplanmäßigen Mittagszuge wieder in Darmstadt eintrafen.

Catania, 23. November. In Biancavilla wurde, laut Meldung des „W. T. B.“, heute früh kurz vor 5 Uhr ein sehr starkes Erdbeben verspürt.

Brüssel, 23. November. In einer Versammlung des von der Syndicatsvereinigung gebildeten Specialausschusses für die im Jahre 1894 in Brüssel zu veranstaltende Weltausstellung erklärte dem „W. T. B.“ zufolge der Bürgermeister Buls, die Aufgabe des Comités für die Vorarbeiten sei nunmehr erfüllt. Die Unterstützung des Projects der endgültig beschlossenen Weltausstellung durch die Communalverwaltung Brüssels sei gesichert.

Nach Schluß der Redaction eingegangene

Depeschen. Homburg v. d. H., 24. November. (W. T. B.) Der frühere Polizei⸗Präsident von Berlin, Wirkliche Geheime Rath von Madai ist in vergangener Nacht hier gestorben. Paris, 24. November. (W. T. B.) Das Journal „Libre Parole“ nennt in seiner heutigen Ausgabe mehrere Parlamentarier, die in der Panama⸗Angelegenheit an geblich Geld erhalten haben sollen, darunter den Senator Bérat und den Deputirten Proust. Letzterer hätte 50 000 Fr. davon die Hälfte mittels eines Checks auf eine B in Niort.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten, Zweiten und Dritten Beilage.)

vom 24. November, Komische Oper

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Wind. Wetter.

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Temperatur 5⁰0 C.

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Dichtung nach Beaumarchais, von Cesar Sterbini, übersetzt von Ignatz Kollmann. Dirigent: Kapell⸗ meister Dr. Muck.

Schauspielhaus. 259. Vorstellung. Der Geigen⸗ macher von Cremona. 1 in Versen von Frangois Coppée, deutsch von Wolf Graf Baudissin. Regisseur Max Grube. Die gelehrten Frauen. Lustspiel in 5 Aufzügen von Jean Baptiste Molidre.

in 2 Acten von G. Rossini.

burg. Freitag: Zum 48. Male:

Anfang 7 Uhr. Blum und Raoul Toché.

Drama in 1 Aufzug und Vorher:

In Scene gesetzt vom Ober⸗ Anfang 7 Uhr.

Residenz⸗-Theater. Direction: Sigmund Lauten⸗ Im Pavillon. (Le Parrum.) Schwank in 3 Acten von Ernest Deutsch von Ludwig In Secene gesetzt von Sigmund Lautenburg. Der neue Gauymed. Lefort.) Schwank in 1 Act von Charles Louveau.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.

Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12—11 Uhr. 2 h 12

Concerte.

Sing⸗-Akademie. Freitag, Anfang 7 ½ Uhr: Concert von Georg Liebling, Herzogl. Sächsischer Hofpianist, mit dem Berliner Philharmonischen

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still wolkenlos

1¹) Nachts Sprühregen. ²) Nachts Reif. ³) Nebel. 4) Nachts Schnee. Uebersicht der Witterung.

Ein Hochdruckgebiet, Maximum über 770 mm,

liegt über

über einem Minimum unter 745 mm am

Meer.

üdfrankreich und der Alpengegend, gegen⸗

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Der Druckvertheilung entsprechend wehen in

Norddeutschland südwestliche bis nordwestliche Winde, unter deren Einfluß die Temperatur fast allenthalben gestiegen ist; an der deutschen Küste, sowie im süd⸗ westlichen Deutschland herrscht Thauwetter, dagegen auf dem Gebiete zwischen Bamberg, Breslau und Wien liegt die Temperatur 5 Grad. In Deutschland dauert die trübe, vielfach

neblige Witterun küste

von der Ostsee

noch unter

Minus

fort; Niederschläge werden nur gemeldet.

Deutsche Seewarte.

2

Theater⸗Anzeigen. Königliche Schauspiele. Freitag: Opern⸗

haus.

249. Vorstellung.

cana. (Bauern

von Pietro Mascagni.

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Ehre.) Oper in 1 Aufzug

Text

nach dem

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namigen Volksstück von Verga. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff.

meister Dr. Muck. Der Barbier von Sevilla.

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Dirigent:

1

Kapell⸗

8

In deutschen Versen von Ludwig Fulda. In Scene peseßt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 8

Sonnabend: Opernhaus. 250. Vorstellung. Tann⸗ häuser und der Sängerkrieg auf der Wart⸗ burg. Romantische Oper in 3 Acten von R. Wagner. Ballet von Emil Graeb. In Scene ge⸗ setzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapell⸗ meister Sucher. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 260. Vorstellung. Wilhelm Tell. Schauspiel in 5 Aufzügen von Friedrich von Schiller. Anfang 7 Uhr.

Deutsches Theater. Freitag: Der Misan⸗ s Vorher: Das Wunderkind. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: Lols’s Vater.

Sonntag: Die Welt, in der man sich lang⸗ weilt. 8

Berliner Theater. Freitag: 13. Abonnements⸗ Vorstellung. Wallenstein’s Tod. (Ludwig Barnay. Anfang 7 Uhr. 8

Sonnabend; Dora.

Sonntag: Nachmittags 2 ½ Uhr: Wilhelm Tell. Abends 7 ½ Uhr: Dora.

Lessing-Theater. Freitag: 3. Gastspiel von Eleonora Duse mit ihrer Gesellschaft unter der I von Cav. Flavio Ando. Nora. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: 4. Duse⸗Abend.

Sonntag: Die Orientreise.

Die nicht abgeholten Bestellungen gelangen an der Vormittagskasse zum Verkauf.

Fedora.

Wallner⸗Theater. Freitag: 25. Gast⸗Vor⸗ stellung des Lessing⸗Theaters: Sodoms Ende. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: Die Ehre.

Sonntag: Die Großstadtluft.

Volksthümliche Preise (Parquet 2 ohne Aufgeld.

Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater. Freitag: Sechster Abend im Offenbach⸗Cyelus. 12. Aufführung. Orpheus in der Unterwelt. Burleske Oper in 4 Bildern von Hector Cremieur, neu bearbeitet von Eduard Jacobson. Musik von Jacques Offenbach. Dirigent: Kapellmeister Stolz. Ansfang 7 Uhr.

Sonnabend: Zum 1. Male in neuer Bearbeitung: Das verwunschene Schloß. Operette in 3 Acten von Alois Berla. Musik von Carl Millöcker.

Vorverkauf

In Vorbereitung: Madame Agnes.

Kroll's Theater. Freitag: 2. Concert des Violin⸗Virtuosen Herrn Felix Berber. Programm: 1) Violin⸗Concert von Mendelssohn. 2) Serenade Melancholique mit Orchester von Tschaikowsky. 3) Ciaconne von Joh. Seb. Bach. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag: Gastspiel von Gemma Bellincioni und Roberto Stagno. A Santa Lucia. Melodrama in 2 Acten von Pierantonio Tasca.

Neues Theater (am Schiffbauerdamm 4/5). Freitag: Zum 4. Male: Die Liebeshändlerin. Japanisches Bühnenspiel in 5 Aufzügen. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: Die Liebeshändlerin.

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Theater Unter den Linden Ronacher. Sensationell andauernder Erfolg des usstattungs⸗Ballets: Die Welt in Bild und Tanz, von Gaul und Haßreiter. Musik von J. Bayer, Ballet⸗Autoren der K. K. Hofoper in Wien. Inscenirt durch den Balletmeister Louis Gundlach. Um 9 Uhr: Das grandiose chinesische Ballabile Ein Drachenfest. (Mitwirkende: 500 Personen.) Gastspiel der 16 jährigen Primadonna Fräul. Sophie David. Die kleine Primadonna. Gelegen⸗ heitsschwank in 1 Act von Richard Genée. In⸗ scenirt durch den Ober⸗Regisseur Herrn C. A. Friese sen. Anfang 7 ½ Uhr.

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Adolph Ernst⸗Theater. Freitag: 80. Male: Die wilde Madonna. Gesangs⸗ posse in 3 Acten von Leon Treptow. Couplets von G. Görß. Musik von G. Steffens. Mit neuen Costumen aus dem Atelier der Fr. Köpke und neuen Decorationen von Lütkemeyer in Coburg. In Scene gesetzt von Adolyh Ernst. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Thomas-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Freitag: Ensemble⸗Gastspiel der Münchener unter Direction des Königlich Bayerischen Hof⸗ schauspielers Max Hofpauer. Zum 3. Male: Almenrausch und Edelweiß. Oberbayerisches Charaktergemälde mit Gesang und Tanz in 5 Auf⸗ zügen von Hermann von Schmid. Musik von Müller. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: Almenrausch und Edelweiß.

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Lehrter Bahnhof. 1 Sonntags 50 ₰. Gr. histor. Rundgemälde 1640 —1890. Geöffnet 9 Uhr bis Dunkelh. Sonnt. 9—9.

Orchester (Dirigent: Herr Rud. Herfurth).

Concert-Hans. Freitag, Abends 7 Uhr: Karl Meyder⸗Concert. 4. Wagner⸗Abend.

Saal Bechstein, Linkstraße 42. Freitag, Anfang 7 ½ Uhr: Concert des Pianisten Karel Textor aus Haag.

Circus Renz (Carlstraße.) Freitag, Abends 7 ¼ Uhr: Außerordentliche Vorstellung mit humo⸗ ristischen Einlagen sämmtlicher Clowns. Außerdem: Prinz Carneval und sein Gefolge, komisch⸗equestrische Vorführung vom Director Franz Renz. „Solon’“, geritten von Frl. Clotilde Hager. Mr. James Fillis mit dem Schulpferde „Germinal“. Entrée der 3 Gebrüder Lee, musikalische Clowns. Die aus 14 Personen bestehende Arabertruppe Hadje Abdullah. Zum Schluß der Vorstellung: Auf Helgoland, oder: Ebbe und Fluth. Großes Land⸗, Wasser⸗ und Feuer⸗Schauspiel. Nationaltänze von 82 Damen. Mit völlig neuen Einlagen: u. A. „Leib⸗Garde⸗ Artillerie“, „Hamburger Bürgerwehr“.

Sonnabend, Abends 7 Uhr: Große Vorstellung 8 vollständig neuem Programm und „Auf Helgo⸗ and“.

Sonntag: 2 Vorstellungen um 4 und 7 ½ Uhr. 4 Uhr Nachmittags (1 Kind freih; „Die lustigen Heidelberger. Abends 7 ½ Uhr: „Auf Helgoland“.

Billet⸗Verkauf durch den „Invalidendank“, Mark⸗ grafenstraße 51 a.

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Marie Loßnitzer mit Hrn. Land⸗ richter Erich Braun (Dresden). Frl. Alice Eiserhardt mit Hrn. Lieutenant Bernhardt von Pressentin (Straßburg i. E.).

Verehelicht: Hr. Referendar Dr. Richard Oertel mit Frl. Anna Maas (Wiesbaden).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Professor Karl von den Steinen (Wannsee). Eine Tochter: Hrn. Werner von Raven (Postelwitz). Hrn. Pastor Paulisch (Borsigwerk O.⸗S.).

Gestorben: Frl. Anna Plockhorst (Berlin). Fr. Sabine von Nostitz⸗Wallwitz, geb. Gräfin Bassewitz (Bautzen). Hr. Rechtsanwalt und Notar Friedrich August Poetsch (Krotoschin).

Redacteur: Dr. H. Klee, Director. Berlin:

Verlag der Expedition (Scholz). Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sechs Beilagen

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

No. 279.

Rede des Reichskanzlers Grafen von Caprivi in der Sitzung des Reichstags vom 23. November vbei Einbringung der Militärvorlagen.

Ich habe die Ehre, dem Reichstage zwei Vorlagen im Namen der verbündeten Regierungen zu übergeben. Die eine betrifft den Entwurf eines Gesetzes über die Ersatzvertheilung, die andere betrifft die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres. Beide Vorlagen stehen in einem inneren Zusammenhange. Die erste über die Aenderung der Ersatzvertheilung ist die Voraussetzung der zweiten.

Ich bin mir bewußt, daß es ungewöhnlich ist, wenn in diesem hohen Hause Vorlagen redend eingeführt werden, ehe sie zur ersten Lesung bestimmt sind; ich habe es aber nichtsdestoweniger für meine Pflicht gehalten, um das Wort zu bitten, einmal, um der Bedeutung der Sache willen und dann, weil, wie das ja natürlich und gut ist, die Militairvorlage die öffentliche Meinung schon lange beschäftigt hat, und weil, wie es mir scheint, die öffentliche Meinung sich vielfach in Details verloren hat, da sie die Vorlage und deren Motive im ganzen nicht kannte. Ich will es versuchen, diese Motive hier darzulegen, über den Rahmen der, wie es in militärischen Dingen üblich ist, knappen Motive, die der gedruckten Vorlage beigefügt sind. Ich will dies versuchen in der Hoffnung, die öffentliche Meinung zu überzeugen, daß es sich hier nicht um einzelne Fragen, nicht um irgend etwas Unbedeutendes handelt, daß es um Fragen sich handelt, die nicht vom Parteistandpunkt zu erledigen sind, um Fragen, von denen abhängen wird die Zukunft Deutschlands.

Die verbündeten Regierungen sind sich der Verantwortung, die sie, indem sie diese Gesetze vorlegen, übernommen haben, klar bewußt.

Es ist ihnen nicht leicht geworden, der Nation pecuniäre Opfer zuzumuthen, die zwar nicht unerschwinglich, die aber doch schwer sind. Drei Jahre sind vergangen, seit die Nothwendigkeit einer durch⸗ greifenden Vermehrung unserer Wehrkraft erkannt worden ist. In diesen drei Jahren ist die wirthschaftliche und militärische Seite der Vorlage eingehend erwogen worden. Die verbündeten Regierungen sind zu der Ueberzeugung gekommen, daß der Zustand, wie er jetzt besteht, nicht länger dauern kann; sie haben die Verantwortung, die Vor⸗ lage vorzulegen, übernommen trotz der Schwere der pecuntären Lasten, trotz der Unruhe, die, wie Sie wissen, bis zu einem gewissen Grade dadurch in Deutschland hervorgebracht wird, und trotz der ernsten Gefahr, die aus einer Ablehnung der Vorlage für Deutschland ent⸗ stehen könnte (Hört! hört! links). Ich brauche die Gefahr hier näher nicht zu erörtern. Die verbündeten Regierungen haben nicht geglaubt, diese Vorlage noch länger hinausschieben zu können; sie hat, wie ich mir eben erlaubt habe anzu⸗ führen, ein langes Stadium der Erwägung durchgemacht, und wenn sie, wie ich hoffe, von dem hohen Hause genehmigt wird, so wird der 1. Oktober 1893 der früheste Termin sein, an dem mit der Durchführung angefangen werden kann. Es wird dann das Jahr 1894 vergehen, bis die Durchführung der vermehrten Ersatzeinstellung mög⸗ lich gewesen sein wird. Damit ist aber die Wirkung der Vorlage noch nicht erschöpft; die wirkt erst in vollem Umfange nach zwanzig Jahren.

Man hat eingewandt, und mit Recht es lag ja auch den ver⸗ bündeten Regierungen der Einwand nahe —: kann man denn die Ein⸗ bringung nicht aufschieben? Wir leben in einer Zeit, in der erheb⸗ liche Zweige der Volkswirthschaft mehr oder weniger zu leiden haben; wir stehen vor vermehrten Ausgaben, die die Socialgesetz⸗ gebung nöthig macht, und wir befinden uns in einem Moment, wo der größte Staat des Deutschen Reichs im Begriff ist, seine Finanzen zu reformiren.

Das alles sind ungünstige Umstände, deren Werth und Tragweite die verbündeten Regierungen nicht verkannt haben, trotzdem aber haben sie geglaubt, einen längeren Aufschub nicht verantworten zu können. Wenn wir in einer wirthschaftlichen Depression leben, so ist die Wirkung der Vorlage eben auf einen so langen Zeitraum berechnet, daß wir mit Bestimmtheit die Hoffnung haben können, ihre Wirksamkeit werde sich auch wieder auf bessere Zeiten erstrecken, und hätten wir bessere Zeiten zum Beginn abwarten wollen, so wäre unvermeidlich gewesen, daß während der Wirkung der Gesetze, deren

Genehmigung wir Ihnen vorschlagen, auch schlechtere Zeiten ge⸗ kommen sein würden. Aber vor allen Dingen: jedes Jahr, das wir verlieren, ist unwiederbringlich verloren; jedes Jahr, in dem wir Anstand nehmen, die Rekruteneinstellung zu vermehren, um ältere Jahrgänge zu schonen, ist nicht wieder einzubringen. Die verbündeten Regierungen sind daher der Meinung gewesen, daß, wenn es ihnen auch schwer wird, diese Vorlage einzubringen, es unverantwortlich gewesen sein würde, sie jetzt nicht einzubringen.

Eine Vorlage von der Tragweite wie die vorliegende, von der

Natur wie die vorliegende, kann nicht mit kleinen Dingen motivirt werden. Man hat gesagt, warum wartet die Regierung nicht, bis irgend ein äußerer Anlaß es ihr leichter macht, eine so schwerwiegende Vorlage durchzubringen? Davon kann hier keine Rede sein. Eine Vorlage wie diese kann nur mit der vollen Wahrheit motivirt werden, sie kann nur die Zustimmung der Nation gewinnen, wenn die Nation sich überzeugt, daß es sich hier nicht um Einzelheiten handelt, sondern um einen Zustand, der schon lange existirt, der sich aber allmählich nach dem Schwergewicht der Dinge immer mehr ver⸗ schärft; diesen Zustand muß sich die Nation zum vollen Bewußtsein bringen und darauf ihre Entschließungen gründen. Ich kann nicht mit „Krieg in Sicht“ auftreten; davon ist keine Rede, ich werde nicht mit dem Säbel rasseln (Bravol), ich werde mich jeder Schwarzmalerei enthalten, sondern, soweit es meiner Kenntniß der Sache und meiner Gewissenhaftigkeit möglich ist, die reine Wahrheit vor Ihnen entrollen. (Bravo!)

Die deutsche Regierung lebt in normalen und freundschaftlichen Verhältnissen mit allen anderen Regierungen. Es ist uns seit der Zeit, wo ich die Ehre habe, an dieser Stelle zu stehen, nicht schwer gemacht worden, von keiner einzigen Regierung schwer gemacht worden,

Berlin, Donnerstag, den 24. November

die Würde und die Ehre Deutschlands dem Ausland gegenüber zu repräsentiren. (Bravo!) Wir haben aber auch nichts gewollt, was das anderen Leuten hätte erschweren können.

Es ist Ihnen früher von dieser selben Stelle erklärt worden, die deutsche Nation ist satt; wir haben nach dem Jahre 1870 das, was wir gewünscht haben, und wir haben kein anderes Ziel als den Besitzstand, den der Frankfurter Frieden gegeben hat, zu erhalten. Es ist ein durchaus treffendes Wort Seiner Majestät des Kaisers gewesen, das er bei der Uebernahme von Helgoland sprach, daß dies das letzte Stück deutscher Erde gewesen ist, nach dem unser Sinnen stand. Dieses letzte Stück haben wir bekommen. Wir haben nichts von anderem mehr zu wünschen, nichts zu begehren.

In der Presse und auch von wohlmeinenden hochpatriotischen Männern ist mir die Ansicht entgegengetreten: Ja, aber der Zustand in einer so schweren Rüstung, wie wir ihn tragen, einer Rüstung, die noch erschwert werden soll, wird der nicht auf die Dauer unerträglich, und thäten wir nicht besser, dem Zustande dadurch ein Ende zu machen, daß wir selbst zum Schwerte griffen, den günstigen Moment wählten und uns dann durch eine Ausnutzung der Siege, auf die wir hoffen dürfen, einen Frieden wiederum auf 20, 30 Jahre sicherten? Ich glaube, daß das eine Ansicht ist, die die verbündeten Regierungen und auch das deutsche Volk bei näherer Ueberlegung niemals würde acceptiren wollen. (Sehr richtig! links.) Abgesehen von den moralischen Bedenken, die dem entgegenstehen, stehen auch schwere sachliche Bedenken einer Durchführung solcher Ideen im Wege. Man kann einen Krieg politisch defensiv und militärisch aggressiv führen; es kann auch der umgekehrte Fall eintreten. Denke ich einen Nachbar mit Krieg zu überziehen, so muß ich mir vorher klar geworden sein, wenn ich den Krieg provociren wollte, was ist dann der Sieges⸗ preis? Nehmen wir an, es würde wirklich die Meinung herrschen, daß wir durch einen Präventivkrieg den schwierigen Zuständen, in denen wir leben, ein Ende machen könnten, so würde die Frage ent⸗ stehen, was ist denn nun unser Siegespreis, was könnte unser Sieges⸗ preis beispielsweise Frankreich gegenüber sein? Wir haben nicht den Wunsch, von Frankreich auch nur einen Quadratkilometer uns anzueignen; wir würden in Verlegenheit gerathen, wenn wir undeutsche Menschen dem Deutschen Reich einverleiben wollten. Wir haben in dem Gewinn von Milliarden doch auch in mancher Beziehung ein Haar gefunden (Heiterkeit), und wenn man mir endlich sagt, nehmt doch französische Colonieen, so möchte ich erwidern, zunächst haben wir an unseren eigenen genug (Heiterkeit); sie würden uns Schwierig⸗ keiten machen und Kosten, für die wir nach dem Ablauf eines solchen Präventivkrieges wohl nicht den Sinn und die Mittel haben würden.

Nun will ich aber doch annehmen, die Ansicht, daß der jetzige Zustand nicht erträglich wäre eine Ansicht, welche die verbündeten Regierungen in keiner Weise theilen —, bräche durch, so könnte das Ziel dieses Präventivkrieges nur das sein, daß wir nach seiner glück⸗ lichen Beendigung auf eine längere Periode des Friedens hoffen könnten, als wir heutzutage zu hoffen im stande sind.

Nun bitte ich Sie, in Ihre Erinnerung zurückzurufen, daß, als wir im Jahre 1870 die französische Grenze überschritten, uns acht Kaiserlich französische Armee⸗Corps entgegenstanden, während wir, wenn ich die süddeutschen Contingente mitzähle, mit etwa 17 Armee⸗ Corps die Grenze überschritten. Schon aus diesem einen Umstand ergiebt sich, daß es uns im nächsten Kriege nicht so leicht werden wird, wie im vorigen, glänzende Siege zu erringen, denn wir würden im nächsten Kriege mindestens ebensoviel gute fran⸗ zösische Armee⸗Corps uns gegenüberfinden und hinter ihnen noch eine Reserve⸗Armee, die ungefähr der ersten Armee gleichkäme, eine Reserve⸗ Armee, die in ihrer Beschaffenheit weit über dem Niveau stehen würde, das wir zu Gambetta's Zeiten kennen gelernt haben. Aber wir über⸗ schreiten die Grenze, wir siegen, obwohl wir nicht die numerische Ueberlegenheit in dem Maße haben wie 1870; denn wir würden doch immer damit rechnen müssen, daß ein Theil unserer Armee in den Garnisonen an der russischen Grenze zurückbleibt. Wir würden ein solches Entgegenkommen wie beim Beginn des Krieges 1870 von russischer Seite nicht mehr erwarten können; also wir müssen etwas, mag es mehr oder weniger sein, an der Grenze stehen lassen und wir würden nicht mit überwältigender Uebermacht aufzutreten im stande sein. Aber wir rücken in Frankreich ein, wir siegen, wir stoßen auf eine Linie von Sperrforts, die seit Jahren forgfältig vorbereitet und mit allem ausgerüstet sind, was die moderne Technik bietet. Diese Sperrforts liegen an der Mosel und an der Maas, Flüssen, deren Ueberschreitung uns ohnehin Schwierigkeit machen wird. Es müssen aber mehrere solcher Sperrforts genommen werden, wenn Armeen mit ihrem Heergeräth im stande sein sollen, weiter in Frankreich vorzugehen. Aber wir nehmen auch diese Sperrforts, zwar mit Aufenthalt, doch wir nehmen sie. Und nun kommen wir an die Reihe der großen Festungen Verdun, Toul, Epinal, Festungen, von denen jede einzelne stärker ist, fortificatorisch und stärker armirt, als Metz und Straßburg 1871 waren, also Festungen, vor denen wir wieder einen Aufenthalt erleiden und einen Theil unserer Kräfte stehen lassen müssen. Wir lassen sie stehen und schreiten weiter vor. Wir schlagen auch (die französische Reserve⸗Armee, die uns entgegentritt, und unsere Armee geht nach Paris. Wir finden das Paris nicht wieder, was wir 1870/71 gekannt haben, sondern eine Festung, wie die Welt sie noch nicht gesehen hat, um⸗ geben von 56 Forts und mit einer äußeren Linie von 130 Kilo⸗ metern. So einzuschließen wie das alte Paris ist es nicht. Es aushungern würde sehr schwer sein, vielleicht nicht einmal glücken. Aber es werden sich andere Mittel finden. Man wird schließlich, wenn die Ausdauer und der Wille nicht fehlen und Gott uns begünstigt, auch damit fertig werden. Wir kommen nun nach einem Kriege, der aber länger sein würde als im Jahre 1870/71, endlich zum Ziel und wir haben Paris wieder erobert. Es setzt das immer noch voraus, daß uns selbst in dieser Zeit wegen des Krieges, den wir provocirt haben,

nicht allein das Gewissen nicht geschlagen hat, sondern auch nicht die

1892.

Idee gekommen ist: mein Gott, warum provocirtet ihr, wenn es so schwer ist!

Aber wir haben Paris, wir sind Herren davon. Was ist die weitere Folge? Würden wir nun eine Ruhe von 20, 30 Jahren genießen können? Würden wir nicht, wenn wir nach Hause kämen, in der Lage sein, von neuem rüsten zu müssen, und in einer Weise, die voraussichtlich weit kostspieliger, weit lästiger wäre als die gegen⸗ wärtige? Wenn wir erschöpft aus einem langen prophylaktischen Kriege nach Hause kämen, würden nicht andere Leute da sein, die vielleicht geneigt wären, von unserer Schwäche Vortheil zu ziehen? Ich habe die feste Ueberzeugung, daß selbst nach einem glücklichen Abschlusse eines prophylaktischen Krieges der Zustand, in den wir ver⸗ setzt werden würden, ungleich ungünstiger wäre als der gegenwärtige. Ich wiederhole also, nicht bloß als meine eigene Ueberzeugung, sondern, soweit es mir bekannt ist, als die Gesinnung der verbündeten Regierungen, daß niemals von Deutschland ein solcher Präventivkrieg wird geführt werden.

Ich komme von hier auf eine Bewegung, die die Gemüther jetzt vielfach erregt hat dadurch, daß in Bezug auf den Beginn des Krieges 1870/71 Publicationen und Aeußerungen stattgefunden haben, die geeignet sind, das öffentliche Urtheil zu verwirren. Man hat die Behauptung aufgestellt, Deutschland und in erster Linie der Fürst Bismarck habe durch gewisse Manipulationen man ist selbst bis zum Ausdruck „Fälschungen“ gegangen, die in einer Depesche vorgenommen wären fälschlich den Glauben erregt, daß Frankreich uns zum Kriege provocirt habe, während factisch wir und zunächst der Fürst Bismarck der Provocirende gewesen seien. Die ausländische Presse hat daran einen Entrüstungssturm geknüpft, der, wenn man diesen Zeitungen glaubt, die Ueberzeugung zurück⸗ lassen mußte, daß alles, was wir seit 22 Jahren geglaubt haben, eitel Lug und Trug gewesen wäre. Dem ist nicht so. Ich bin in der Lage, auf Grund actenmäßigen Materiales den Beweis zu führen, erstens, daß Deutschland Frankreich nicht pro⸗ vocirt hat, zweitens, daß der Fürst Bismarck Depeschen nicht gefälscht hat, und drittens, daß, was von einigen Journalen be⸗ hauptet, angedeutet worden ist, weil sie sich einen Vers aus der Sache nicht machen konnten, daß der alte Kaiser Wilhelm zu versöhnlich gewesen sei oder vielleicht in dem Verkehr mit den Franzosen den Accent nicht getroffen habe, der dem berechtigten Be⸗ wußtsein der deutschen Nation entsprach, falsch ist. Ich rufe ins Ge⸗ dächtniß zurück, daß der hochselige Kaiser Wilhelm sich am 13. Juli 1870 in Ems befand, daß er da auf der Morgenpromenade von dem französischen Botschafter Grafen von Benedetti angeredet wurde, daß der König ihm eine abweisende Antwort gab, daß der Graf Benedetti den Versuch, sich dem Könige zu nähern, wiederholte und

er König seinen Flügel⸗Adjutanten schickte und sagen ließ, daß, wenn

er nochmals eine Audienz nachsuchte, um auf die Sache zurückzu⸗ kommen, der König sie ihm nicht gewähren werde. Die Erzählung dieser Dinge ist niedergelegt in einem Promemoria, das der Flügel⸗ Adjutant Prinz Anton Radziwill am Abend des 13. Juli aufgezeichnet hat. Dieses Promemoria ist erst am 17. Juli in Berlin eingegangen, wie das Präsentat

in den Acten ergiebt und ich bin bereit, den Herren, welche es sehen wollen, die Acten hier vorzulegen —, dieses Promemoria des Flügel⸗Adjutanten ist dem Aus⸗ wärtigen Amt nicht telegraphisch zugegangen, sondern am 17., also nach der Rückkehr des Königs, mit anderen Dingen, die den Emser Aufenthalt betrafen, Dingen, die also schon überholt waren, überliefert worden. Ich will mir jetzt erlauben, Ihnen zunächst die Depesche vor⸗ zulesen, die aus Ems am 13. Juli an den Fürsten Bismarck er⸗ gangen ist, also die sogenannte echte Depesche, die bisher nie pu⸗ blicirt worden ist, während die zweite, die der Fürst Bismarck dann auf Grund dieser echten an das Ausland gehen ließ, in der deutschen Presse schon früher publicirt worden ist. Diese erste Depesche trägt und ich lege auch darauf Werth die Actennummer A 2301 es ist jedem Geschäftsmann bekannt, daß der Eingang und der Aus⸗ gang auf dieselbe Nummer kommt, daß also, wenn die zweite Depesche dieselbe Nummer trägt, das auch ein Beweis dafür ist, daß die zweite Depesche unmittelbar aus der ersten hervorgegangen ist, ein Beweis, der übrigens auch durch die Sache geführt wird.

Seine Majestät der König Wilhelm I. war in' Ems begleitet von dem Wirklichen Geheimen Legations⸗Rath Abeken, und diese erste Depesche, die ich die Ehre haben werde vorzulesen, ist von dem Herrn Geheimen Rath Abeken abgefaßt. Ich habe hier in den Acten ein Concept von der Hand des Herrn Abeken und die Dechiffrirung, die daraufhin in Berlin vorgenommen worden ist. Die Depesche ist aufgegeben am 13. Juli 1870, 3 Uhr 50 Minuten Nachmittags, in Ems und angekommen in Berlin 6 Uhr 9 Minuten Nachmittags. Die Entzifferung lautet:

„Seine Majestät der König schreibt mir:

Graf Benedetti fing mich auf der Promenade ab, um auf zuletzt sehr zudringliche Art von mir zu verlangen, ich sollte ihn autorisiren, sofort zu telegraphiren, daß ich für alle Zukunft mich verpflichtete, niemals wieder meine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Candidatur zurückkämen. Ich wies ihn zuletzt etwas ernst zurück, da man à tout jamais dergleichen Engagements nicht nehmen dürfe noch könne. Natürlich sagte ich ihm, daß ich noch nichts erhalten hätte, und da er über Paris und Madrid früher benachrichtigt sei als ich, er wohl einsähe, daß mein Gouvernement wiederum außer Spiel sei.“

Es bezieht sich dies darauf, daß Benedetti dem König gesagt hat, er wisse aus Madrid über Paris, daß die Hohenzollernsche Candidatur zurückgezogen sei. Um die Zeit, als Benedetti das dem König sagte, hatte der König noch keine Nachricht darüber.

Nun fährt Herr Abeken fort: 1

Seine Majestät hat seitdem ein Schreiben des Fürsten bekommen. Nämlich der Fürst ist der alte Fürst von Hohenzollern.

Da Seine Majestät dem Grafen Benedetti gesagt, daß er Nachricht

vom Fürsten erwarte, hat Allerhöchstderselbe, mit Rücksicht auf die

obige Zumuthung, auf des Grafen Eul und meinen Vortrag