eine Garantie
Einkommensteuer.
haben werde, daß die Einkommensteuerzuschläge den Gemeinden über⸗ wiesen würden und Berlin z. B. 10 Millionen Mark erhalten werde. Er glaube aber, daß diese ganze Ueberweisung den Gemeinden nichts nützen werde, und daß die überwiesene staatliche Gebäudesteuer überhaupt nicht mehr zur Erhebung gelange. Sämmtliche anderen Steuer⸗ zahler würden auf demselben Niveau stehen bleiben, und die Ver⸗ mögenssteuer werde noch von neuem auf ihre Schultern gelegt werden. Die schärfere Belastung werde eine sehr lebhafte Mißstimmung namentlich in den großen Städten und in der Industrie und dem Handel hervorrufen. Aber auch wegen der Concurrenz mit der großen Steuervorlage, die dem Reichstage vorliege, sei der Zeitpunkt nicht richtig gewählt. Dort sei auch eine Verdoppelung der Börsensteuer vorgeschlagen; die Börsensteuer treffe aber wiederum in erster Linie gerade diejenigen Leute, die durch die Vermögenssteuer der Staats⸗ regierung neu belastet würden. Denn die Börsensteuer werde von den Banquiers auf das kapitalistische Publikum abgewälzt werden. Mit aroßem Bedauern höre er fortwährend vom Regierungstisch: es sei richtig, die Steuerlast auf die stärkeren Schultern des Kapitals zu legen. Dieses fortwährende Losschlagen auf den Kapitalbesitz könne der Volkswirthschaft in keiner Weise förderlich sein. Unter den Kavitalbesitzern seien nicht lauter reiche Leute, die Steuer treffe auch solche Leute, welche am Ende eines mühevollen Lebens sich mit einer kleinen Rente zurückgezogen hätten und nun eine Schmälerung ihres Einkommens erfahren sollten. Er hätte nun erwartet, daß die Regierung mindestens vorher an die Pforte des Reichs gepocht und versucht hätte, die Zollvereinsverträge so zu ändern, daß es in den großen Städten ermöglicht werde, indirecte Steuern zu erheben. Wie sehr dies gewünscht werde, gehe daraus hervor, daß die Breslauer Stadtverordneten, vor die Frage gestellt, die Schlachtsteuer abzuschaffen, mit großer Majorität für die Beibehaltung der Schlachtsteuer sich ausgesprochen hätten. Die Regierung habe jenenSchritt nicht gethan, sondern statt dessen die Ergänzungssteuer vorgeschlagen. Diese sei auch nichts Anderes als eine Vermögenssteuer oder eine andere Art der Diese Steuer sei procentualiter viel zu hoch ver⸗ anschlagt, und dann stelle sie den Tarif der Einkommensteuer vollständig auf den Kopf. Es sei dies nicht eine Steuer auf das Vermögen — die Regierung wolle keine Confiscation des Vermögens, — sondern eine Einkommensteuer, angelegt nach dem Maßstabe des Vermögens. Ein weiterer Fehler der Vermögenssteuer sei das Eindringen in die Privatverhältnisse der Steuerzahler; die Vermögenssteuer wirke geradezu abschreckend auf das Erwerbsleben, und die Ver⸗ anlagungsgrundsätze seien ganz undurchführbar. Würden denn die 35 Millionen wirklich bei dem Steuersatz von ½ pro Mille aufkommen? Die ganze Sache liege doch in der Zukunft, und wenn das Jahr 1895 durch elementare Er⸗ eignisse ꝛc. ein unglückliches werde, so werde der Steuerfuß erhöht werden müssen. Die Regierung wolle durch die Vermögenssteuer das Problem der verschiedenen Besteuerung des fundirten Einkommens er⸗ reichen, aber es sei gar nicht möglich, das fundirte Einkommen von dem anderen genau zu unterscheiden. Wenn man alles Vermögen gleich besteuere, so lͤse man das Problem nicht, sondern umgehe es nur. Die Vermögenssteuer solle die Objecte treffen, die sich bisher der Steuer entzogen haben, d. h. die Vermögen, welche fundirtes Einkommen ergeben, und die, welche jetzt brach liegen, damit später eine höhere Rente erzielt werden könne. Die ersteren Vermögen ließen sich leicht heranziehen, aber wenn man nach den Grundsätzen des Einkommensteuergesetzes die Steuerkraft nach dem Einkommen berechne, so müßten Vermögen, welche kein Einkommen ergeben, steuerfrei bleiben. Man könnte vielleicht einen Mittelweg einschlagen und die bei der Einkommensteuer abgelehnte Aufwandsteuer wieder einführen; so würde man innerhalb der Einkommensteuer dasselbe erreichen, was man durch die Vermögens⸗ steuer erreichen wolle. Für die zeitweise ertraglosen Vermögensobiecte könnte man auch eine Besitzwechselsteuer einführen. Die Erbschafts⸗ steuer sei wesentlich besser als die Vermögenssteuer und auch das psychologische Moment hierbei für die Steuerzahler günstiger, als bei der Vermögenssteuer. Die Mängel der Erbschaftssteuer ließen sich leicht vermeiden. Eine scharfe Trennung zwischen dem Arbeits⸗ einkommen und dem Renteneinkommen sei nicht möglich, alle Ver⸗ suche dahin hätten nur einen approximativen Charakter. Er würde desbalb im Rahmen der Einkommensteuer den dreifachen Weg vorschlagen: einen niedrigen Steuersatz für das Arbeitseinkommen, einen erhöhten für das gemischte Einkommen aus Landwirthschafts⸗ und Gewerbebetrieb und den höchsten Satz für das reine Rentenein⸗ kommen einzuführen. Wie die Sätze im einzelnen zu gestalten seien, darüber würde sich eine Einigung erzielen erlassen. So würde man die ganze unliebsame Veranlagung der Vermögenssteuer mit all ihren Klammern und Fußangeln vermeiden und hätte zugleich gegen erneute Zuschläge auf die Ein⸗ kommensteuer, während eine solche Garantie bei der Vermögens⸗ steuer nicht vorhanden sei. Ferner brauchte dabei der Tarif der Einkommensteuer, der ein Product schwerer Kämpfe im Abgeordneten⸗ hause sei, nicht umgestoßen zu werden. Der angebliche Nachtheil dieser Vorschläge bestehe in dem Nichtabzug der Schulden. Der Schuldenabzug sei aber auch hier möglich, wenigstens bei dem ge⸗ mischten Einkommen aus Landwirthschaft⸗ oder Gewerbebetrieb, wenn nachgewiesen werde, daß die Schulden mit dem Betrieb im Zusam⸗ menhang ständen, und beim Arbeitseinkommen. Er könnte jedoch der ganzen Reform nur zustimmen, wenn gleichzeitig eine Neuregelung
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des Wahlgesetzes erfolge, und erkläre sich entschieden gegen ein System,
ließe sich vor
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ständigung herbeizuführen.
welches das Wahlrecht auf fingirte Steuern gründe. Ueber die Verwen⸗ dung der aus der Einkommensteuer bis 1895 mehr aufgekommenen 120 Mil⸗ lionen müsse gleichfalls gesetzlich Bestimmung getroffen werden. Es dem Lande nicht verantworten, eine neue Steuer einzuführen in einem Augenblick, wo man 120 Millionen disponibel habe, die ausdrücklich für diese Steuerreform reservirt worden seien. Der Vorschlag des Abg. von Huene, daß der Staat auf die Auf⸗ hebung der Gewerbe⸗ und Bergwerkssteuer verzichten möchte, sei von so stark agrarischem Charakter, daß für die Gesammtheit seiner poli⸗ tischen Freunde das Eingehen auf diesen Vorschlag mit einem Auf⸗ geben des ganzen Reformplanes gleichbedeutend wäre. Wenn man die Gewerbesteuer von der Ueberweisung ausnehme, so bliebe ein schweres Unrecht gegen die Gewerbetreibenden bestehen zu Gunsten der Grund⸗ und Gebäudebesitzer. Für die großen Städte und die industriellen Landgemeinden sei die Gewerbesteuer die Haupt⸗ steuerquelle. Bezüglich des Gemeindeabgabengesetzes habe er zunächst die Empfindung gehabt, daß die Vorschriften nicht zwingend genug seien; aber aus den Erörterungen im Kreise seiner politischen Freunde habe er ersehen, daß bei den verschiedenartigen Verhältnissen des Landes die Vorschriften nicht so zwingend sein dürften, wie wünschenswerth wäre, und daß eine gewisse Latitude ganz gut sei. E stehe dem Reformplan im großen und ganzen sympathisch gegenüber
und nehme auch, um zu einer rationellen Besteuerung zu gelangen,
einige kleine Uebelstände mit in den Kauf. Durch Ausscheidung der Vermögenssteuer werde es vielleicht möglich sein, eine allgemeine Ver⸗ stän rb n. Er wolle das Werk nicht zu Fall bringen, sondern von seinen Schäden heilen, damit es ein gutes Werk werde, nicht aere perennius, denn die Ansichten darüber, was gut und schlecht sei, wechselten im Laufe der Zeiten, aber ein Werk, das in hohem Grade dem Ideal der Gerechtigkeit nahe komme.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich kann mich ja mit dem Schlußausspruche des Herrn Vorredners ziemlich einverstanden erklären und freue mich, daß er bei der Bekämpfung einzelner Theile dieses Reformplans im großen und ganzen auf den Grundlagen derselben steht. Auch in dem vorletzten Punkt seiner Erörterungen, in welchem er sich gegen die Andeutung — die ich übrigens nicht als bestimmte Vorschläge
verstanden habe — des Herrn Abg. Huene wandte, daß, wenn es
gelänge, eine Ergänzungssteuer sowohl nach der finanziellen als nach
der steuertechnischen Seite hin zu stande zu bringen, man dann auf
den Gedanken kommen könnte, die Gewerbesteuer und die Bergwerks⸗
steuer beizubehalten, kann ich mich ihm nur in jeder Beziehung anschließen. 8 8
Meine Herren, wir würden damit eine der wesentlichsten Grundlagen des ganzen Reformplans über den Haufen werfen; denn das Ziel, welches der Reformplan verfolgt, ist, die Gegensätze, die sich an die verschiedenartige Besteuerung einzelner Besitzformen knüpfen, zu be⸗ seitigen, das Princip der Leistungsfähigkeit nach allen Richtungen hin durchzuführen. Das kann gar nicht einseitig gemacht werden für ein⸗ zelne Besitzformen; dann hört das ganze Princip auf. Wenn wir die Gewerbesteuer und die Bergwerkssteuer bestehen ließen, so würden wir das Gefühl der Präparation hervorrufen, während wir das Gefühl gerechter und gleichmäßiger Behandlung aller Steuer⸗ pflichtigen herstellen wollen. Wir würden dann aber auch zugleich doch zur Hälfte in dem Realsystem stecken bleiben, und wir würden dann, wenn dieser Zustand von Dauer würde, genöthigt sein, eine Kapitalrentensteuer einzuführen, da es doch wohl kaum möglich ist, allein das gewerbliche Kapital mittels einer Realsteuer zu belegen. Wir würden endlich verzichten auf die Möglichkeit der Durchführung einer Unterscheidung zwischen fundirtem und nichtfundirtem Einkommen, und nach allen diesen Richtungen hin kann man sagen, wäre die Ein⸗ heitlichkeit, Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit des ganzen Steuer⸗ reformplans durchbrochen. Ich glaube, daß Herr von Huene sich davon selbst überzeugen wird; ich verstehe wohl, daß diejenigen Herren, die eine Ergänzung nach der finanziellen Seite zwar für nöthig halten, aber sie in den vorgeschlagenen Formen für höchst unbequem erachten, sehr leicht auf einen solchen Gedanken, die Reform zur Hälfte durch⸗ zuführen, kommen.
Ich kann auch das unterschreiben, was der Herr Vorredner über die Bergwerkssteuer gesagt hat. Meine Herren, ich kenne kaum eine Realsteuer, wenn man sie so nennen will — man kann ihr auch einen anderen Namen geben, es kommt darauf nicht an; denn es ist eine Bruttobesteuerung —, die ihrer Natur nach so eminent ungleich sein muß wie die Bergwerkssteuer. Denn wenn ich brutto besteuere, so kann das vielleicht nur ein bequemer Ausdruck für eine Nettobesteuerung sein, wenn nämlich die Productionskosten des besteuerten Gegenstandes annähernd gleich sind. Beim Bergwerksbetriebe aber gerade sind die Productionskosten der einzelnen Bergwerke so eminent verschieden, daß man hier zu den allergrößten Ungerechtigkeiten gerade für die schwächeren Bergwerksbetriebe kommen muß. In der Bergwerkssteuer liegt heute eine Begünstigung der bestsituirten Bergwerke mit den besten Kohlen⸗ flötzen, mit dem leichtesten und billigsten Betriebe, mit dem größten Umfange des Betriebs, während gerade die ungünstigen im höchsten Grade benachtheiligt sind. Ich glaube daher, es würde ganz unverantwortlich sein, wenn wir bei dieser Gelegenheit, wo wir 75 Millionen Realsteuern erlassen würden durch Beseitigung der Grund⸗ und Gebäudesteuer, vor der Bergwerkssteuer Halt machten.
Meine Herren, insofern also bin ich mit dem Herrn Vorredner einverstanden, nicht aber mit seinen übrigen Ausführungen in Be⸗ ziehung auf allgemeine Fragen und noch weniger in Beziehung auf die Frage der Vermögenssteuer. Meine Herren, zuvörderst hat der Herr Vorredner gesagt, man solle doch nicht immer auf das Kapital losschlagen; ob man denn gar nicht wisse, daß das Kapital ein höchst wichtiger und nothwendiger Culturfactor ist und daß es sehr verkehrt sein würde, die Kapitalbildung zu ge⸗ fährden. Die Staatsregierung scheine immer nur auf das Kapital losschlagen zu wollen. Nun, meine Herren, diese socialpolitische und volkswirthschaftliche Betrachtung war eigentlich doch recht unnöthig, denn die Staatsregierung hat schon hinreichend zu erkennen gegeben, daß sie beabsichtigt, einseitig auf das Kapital loszuschlagen. Was thut denn die Staatsregierung mit dem Vorschlag der Vermögenssteuer? Sie will doch nur das fundirte Einkommen, welches in dem Kapital steckt, ebenso be⸗ handeln wie dasjenige fundirte Einkommen, welches im Grundbesitz steckt, und dasjenige, welches in Handel und Gewerbe steckt. Etwas anderes hat die Königliche Staatsregierung doch nicht vor⸗ geschlagen? Und der Herr Vorredner hat später im Widerspruch mit sich selbst sogar hervorgehoben, daß bei der unterschiedlichen Behandlung der verschiedenen Arten des fundirten Einkommens das Kapital am stärksten belastet werden müßte, was wir gar nicht einmal vorgeschlagen haben. Ich könnte ihm also den Vorwurf im vollsten Maße zurückgeben, daß er es ist, welcher auf das Kapital losschlägt. (Heiterkeit.)
Man hat auch bei einer anderen Gelegenheit in einem Zwischen⸗ ruf gesagt: die unglücklichen Actiengesellschaften sollen jetzt dreifach statt doppelt besteuert werden. Auch das ist vollkommen unzutreffend; wir wollen mit der Vermögenssteuer nur die physischen Personen treffen, die allerdings sehr verschiedener Beurtheilung unterliegenden Actien⸗ gesellschaften sind durch die Vermögenssteuer garnicht direct berührt. Aber andererseits würde die hohe Gewerbesteuer, welche doch wesentlich auch die Actiengesellschaften trifft und als Bruttobesteuerung drückend wirkt, auch hier wegfallen, und es ist daher statt einer neuen, systematischen Ueberlastung der Actiengesellschaften thatsächlich hier eine Entlastung vorhanden.
Nun tadelt der Herr Vorredner von seinem Standpunkte aus weiter, daß die Königliche Staatsregierung sich nicht mit der Frage beschäftigt habe, wie diejenigen Hindernisse zu beseitigen seien, die in der Reichsgesetzgebung gegen eine angemessene Entwickelung der Getränke⸗ steuer — so habe ich ihn wohl recht verstanden — der indirecten Besteuerung lägen. Er sagte ganz direct: die Staatsregierung hat solche Er⸗ wägungen natürlich nicht angestellt. Woher der Herr Vorredner das weiß, das ist mir vollständig unverständlich. Die Verhandlungen über diese Frage sind in vollem Gange; seit langer Zeit, seit einem
Jahre ist die Frage in ernstliche Erwägung genommen, und sie ist
schon weit, sehr weit vorgeschritten. Was das Ergebniß sein wird, kann ich nicht sagen; denn hier entscheidet ja nicht der preußische Staat, sondern das Deutsche Reich. Man muß sich aber doch von dieser Sache nicht dennzuviel vorstellen allerdings wird bei der hohen Belastung des Biers, die ja nun noch steigen soll, und auch des Branntweins die Besteuerung seitens der Gemeinden nicht in sehr hervorragendem Maße, nicht in der Weise wie in Frankreich, erfolgen können. Es handelt sich nach meiner Meinung doch nur um mäßige Beträge, die ich doch gar nicht gering anschlagen will namentlich für die Städte, während sie für das Land ja kaum in Betracht kommen, und ich erkenne an, daß die Bestim⸗ mungen der Zollvereinigungsverträge von 1867, welche namentlich in allen Communen außerhalb der sogenannten Weinländer die Weinbesteuerung gänzlich ausschließen, zu einer eminent un⸗ gleichen Behandlung der Communen im Deutschen Reich führen. Gerade aber das unbedingte Verbot der Besteuerung des Weins macht auch sehr vielen Gemeinden aus ganz
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anerkennenswerthen Gründen der Billigkeit und Gerechtigkeit eine Heranziehung des Bieres und Branntweins unmöglich. Wenn bei⸗ spielsweise das Rheinland nicht einmal zu den Weinländern im Sinne des Zollvereinigungsvertrags gehört, wenn Koblenz nicht in einem Weinlande liegt, so sehen Sie schon, wie diese Bestimmungen, die ja auch nur historisch zu erklären sind, einen inneren Grund gar nicht haben. Wenn ganze Gegenden in Süddeutschland, in den Reichslanden, theilweise einzelne Communen in Hannover, alle Com⸗ munen in Nassau, ein großer Theil der Communen im ehemaligen Kur⸗ fürstenthum Hessen weitgehende Besteuerungsrechte den Getränken gegen⸗ über haben, und man schneidet sie namentlich den altpreußischen Provinzen gänzlich ab, so ist allerdings hier wohl Grund vorhanden, die Frage zu erwägen, ob man hier nicht gleiches Recht für alle schaffen soll. (Sehr richtig!)
Meine Herren, ich betone aber nochmals: die Frage, ob und in welchem Maße es berechtigt ist, in den Communen derartige indirecte Steuern einzuführen oder weiter zu erheben, kann nur local beurtheilt werden, und irgend einen gesetzlichen Zwang auf die Communen, derartige indirecte Steuern einzuführen, würde ich für meine Person für ganz ausgeschlossen halten. (Sehr gut!) Die Lösung einer solchen Frage muß der Selbstverwaltung vorbehalten bleiben, und sie wird wahrscheinlich sehr verschieden entschieden werden, und mit Recht, weil die Verhältnisse der einzelnen Communen, ihre Bedürfnisse, ihre ganze Lage hierbei berücksichtigt werden müssen.
Also ich glaube, in dieser Beziehung den Herrn Vorredner be⸗ ruhigen zu können und ihm gezeigt zu haben, daß sein extremes Miß⸗ trauen gegen den Mangel an Vorsicht seitens der Regierung doch zu weit geht.
Ich komme nun auf die Frage der Unterscheidung des fundirten und nichtfundirten Einkommens. Ich habe den Herrn Vorredner dahin verstanden, daß auch er davon ausging — um seinen eigenen Aus⸗ druck zu gebrauchen —: bei einer entwickelten Einkommensteuer ist diese Unterscheidung auf die Dauer nicht zu entbehren, sie ist ein Gebot der Gerechtigkeit.
Ich will hier vorab einschalten, daß dies Gebot der Gerechtigkeit nicht bloß theoretisch, gewissermaßen ganz wissenschaftlich gedacht werden kann, sondern daß in dem Augenblicke, wo wir die bisherige, höchst mangelhafte Lösung dieser Frage in den Realsteuern preisgeben, wir geradezu dahin gedrängt werden, billigerweise diese Unterscheidung auf andere Weise zu machen. Hätten wir seit Jahrzehnten keine Realsteuern, dann würde die Sache vielleicht ganz anders liegen. Wenn wir aber diese Objecte, die nun doch die Vorbelastung, wenn auch in höchst mangelhafter und ungerechter Weise, getragen haben, — wenn wir die nun streichen, so stehen wir vor der Frage: was sollen wir an die Stelle setzen? Da muß ich von vorneherein erklären, daß es doch bedenklich sein würde, während der Staat bisher unmittelbar die Hand an den Objecten hatte, am Vermögen, künftig jede Verbindung des Staats mit diesen Objecten zu lösen.
Merkwürdiger Weise ist mir Satz: Die indirecten Steuern persönlichen Steuern für den Staat die Communen — gar nicht erfüllen. Es ist nie meine Absicht gewesen, den Satz zu erfüllen; dann würde man auf die aller⸗ verkehrtesten Dinge kommen. Dieser Satz bedarf nach zwei Seiten der Modification. Nach der Seite des Staats kann es sehr zweifelhaft sein, ob es richtig ist, den Staat lediglich auf die Einkommensteuer zu stellen, ob es nicht gerathen ist, die unmittelbaren Beziehungen des Staats zu den Objecten doch beizubehalten, und nach der Seite der Communen wäre eine ausschließliche Aufbringung der Com⸗ munallasten durch Realbesteuerung geradezu die allergrößte Ungerechtigkeit. Denn, meine Herren, darüber sind wir doch klar, daß die Gemeinden eine Doppelnatur haben, insofern sie Glieder des Staats sind und die ihnen vom Staat übertragenen allgemeinen staatlichen Aufgaben erfüllen und dafür Steuern aufbringen müssen, und insofern, als sie einen wirthschaftlichen Verband darstellen, der lediglich in seinem eigenen engeren Interesse handelt. Die Kosten der ersteren Aufgaben können nicht den Objecten zur Last fallen, sie müssen gewissermaßen ebenso vertheilt werden, wie die Staatssteuern selbst, weil es sich um die Erfüllung staat⸗ licher Aufgaben handelt. Also die Absicht hat bei der Staatsregierung nie bestanden, jenen Satz buchstäblich zu nehmen, und der verehrte Herr Abg. Dr. Gneist hat gewiß auch, indem er diesen Satz aussprach, damit nur ein Ziel, ein Grund⸗ princip bezeichnen wollen, aber nicht ausnahmslos dies als einen kategorischen Imperativ hinzustellen beabsichtigt.
Nun sagt der Herr Vorredner: das fundirte Einkommen von nichtfundirtem Einkommen genau zu unterscheiden, ist überhaupt nicht nicht möglich, und jeder hierauf gerichtete Versuch muß scheitern. Ich unterschreibe den Satz vollständig. Wir haben durch die Vermögens⸗ steuer eine mathematische Scheidung zwischem fundirtem und nicht⸗ fundirtem Einkommen garnicht machen wollen, weil das eben unmöglich ist. Wir haben die Vermögenssteuer gewählt, weil wir in der Vermögens⸗ steuer die annähernd richtigste und gleichmäßigste Lösung dieses Problems erblicken.
Nun hat der Herr Vorredner noch namentlich gesagt: in der Vermögenssteuer liegt eine kolossale Belastung gerade des Kapitals, vorzugsweise in der Verbindung mit der Steigerung der Einkommenssteuer über 4 %. Warum gerade des Kapitals? Wird nicht der Grundbesitz mit den 4 % ebenso behandelt, und wird er in der Vermögenssteuer etwa geringer behandelt? Man könnte sogar sagen: nein! es liegt i
wir den directen, und die Realsteuern für
vorgehalten, daß fürs Reich, die
in der Vermögenssteuer wegen der Schätzung in gewissem Sinne eine Prä⸗ gravation des Grundbesitzes. (Sehr richtig! rechts.) Also von einer besonderen Belastung des Kapitals“ kann hier nach meiner Meinung nicht die Rede sein.
Außerdem ist hervorzuheben: den Grundbesitz sieht man, den hat man im Kataster, man wird ihn auch in Zukunft im Kataster haben; da kann der Steuer nichts entgehen, seine Existenz kann nicht ge⸗ leugnet werden; ob das Kapital überall so sicher zu ermitteln ist, das ist doch wohl eine große Frage. (Heiterkeit.) (Sehr richtig! rechts.)
Also auch nach dieser Richtung hin kann ich die Einwendung, daß hier eine Belastung des Kapitals stattfindet, durchaus nicht theilen, und ich bin überzeugt — ich kann das nur immer wiederholen — wenn Sie den Reform⸗ vorschlag scheitern lassen, wenn Sie die Realsteuern beibehalten, so wird es unmöglich sein, auf die Dauer der Forderung einer besonderen Kapital⸗Rentensteuer zu widersprechen. Ob nun dabei das Kapital besser oder schlechter wegkäme, wenn es sich einseitig um die Frage
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ossoich vielleicht
8 erwägen. Ich
handelte, nun das Kapital allein heranzuziehen, das möchte ich dem
Herrn Vorredner zur Erwägung geben.
Der Herr Vorredner macht nun selbst Vorschläge; er beruft sich auf Italien. Ich habe gesagt, die italienische Manier ist eine rohe, und der Herr Vorredner acceptirt das, er meint nur, die Ver⸗ mögenssteuer löse das Problem ebenso roh. Nun möchte ich von vorne herein einen Einwand machen. Wenn Sie in der Einkommen⸗ steuer die Frage des fundirten und nichtfundirten Einkommens lösen wollen — wie soll es sich verhalten mit den Zuschlägen zur Einkommen⸗ steuer? Wollen Sie das fundirte Einkommen doppelt besteuern durch Zu⸗ schläge zur Einkommensteuer bei den Communen? Diejenigen, die so ängstlich sind wegen einer Belastung des Kapitals, sollten sich doch diesen Gedanken einmal klar machen. Ich glaube es nicht — (Zuruf.) — Ja, wie wollen Sie denn unterscheiden? Aber weiter! Werden Sie mir den Satz bestreiten können, daß, wenn man nicht untersucht zwischen den verschiedenen Theilen eines Gesammteinkommens, ob es aus Arbeits⸗oder der Vermögensquelle hervorgeht, daß man dann dahin gelangt, den Kleinbesitz zu überlasten und den Großbesitz zu entlasten? Denn ich glaube, keinen Widerspruch zu erfahren, wenn ich sage: durch⸗ gängig wird in dem Einkommen aus kleinem Besitz ein größerer An⸗ theil an Arbeit stecken, als in dem Einkommen aus großem Besitz. Der kleine Handwerker mit einem kleinen Anlagekapital und Betriebs⸗ kapital von 3000 ℳ liefert verhältnißmäßig zu dem Gesammtein⸗ kommen einen viel größeren Betrag aus Arbeit, als der Groß⸗ industrielle, der lediglich die Oberleitung hat, — und wenn der Klein⸗ bauer, der wesentlich von seiner Hände Arbeit lebt, das Einkommen aus seinem kleinen Besitz besteuern soll, so wird er prägravirt gegen den Großgrundbesitzer, bei dem das Einkommen aus dem Besitz selbst weit überwiegend ist.
Nun sage ich: wenn wir davon ausgegangen sind, die Menschen nach ihrer wahren Steuerkraft, nach ihrer Leistungsfähigkeit zu be⸗ steuern, und wenn wir anerkennen, daß in dem fundirten Einkommen eine größere Leistungsfähigkeit liegt — welche Lösung wäre dieser Vorschlag, der geradezu zum entgegengesetzten Resultate führt!
Der Herr Vorredner hat sich einigermaßen gegen diesen Vor⸗ wurf geschützt, indem er selbst anerkannt hat, die italienische Manier wäre roh. Nun, die italienische Manier besteuert ja die ver⸗ schiedenen Besitzformen verschieden. Wenn der Herr Vorredner sich mit der Frage beschäftigt hat, so wird er wissen, daß ganze Bände von Entscheidungen der italienischen Gerichte darüber ergangen sind, wo sich die Grenzen der einzelnen Besitzformen befinden. Das ist ja gerade der große Vorzug der Vermögenssteuer, daß man zwischen den einzelnen Besitzarten nicht mehr zu unterscheiden braucht, während so wie Sie verschiedene Steuersätze für die verschiedenen Besitzformen nachen, Sie alle Schwierigkeiten wieder hineinbringen, in denen das Realsteuersystem steckt.
Aber Sie kommen doch stets nur zu Realsätzen; ob die zutreffen
m einzelnen Falle bei den einzelnen Steuerpflichtigen, daß weiß man überhaupt nicht. Aus meinen früheren Ausführungen geht schon hervor, daß man sogar schon in einer großen Richtung weiß: man wird das
Gegentheil von dem erreichen, was man früher erreichen wollte. Nun aber zu sagen: beim Grundbesitz muß der Zuschlag gemacht werden, beim Kapital der Satz, beim Gewerbe der Satz, das ist doch reine Willkür. Ich glaube daher nicht, daß es gelingen wird, hier zu einem befriedigenden Resultat zu kommen. Ich gebe vollständig
u, daß den Vorschlägen des Herrn Vorredners manche Vorzüge zur
Seite stehen. Ich kann versichern, daß wir im Finanz⸗Ministerio uns
zuerst mit dem Versuch der Lösung der Frage des fundirten und nicht⸗
fundirten Einkommens auf dieser Grundlage lange beschäftigt haben und daß wir nur durch die inneren Schwierigkeiten nachher zur Ver⸗ mögenssteuer übergegangen sind. Ich wußte von vornherein, daß ich dabei viel größeren Widerstand finden würde; aber ich habe doch ge⸗ glaubt, und die Staatsregierung mit mir, daß man einen solchen
Widerstand vielleicht überwinden könnte, wenn das Haus sich über⸗
zeugt, daß dies die zutreffende, annähernd richtige Lösung des Problems ist.
G Nun beklagt sich der Herr Vorredner über das viel zu tiefe Ein⸗ dringen in die Verhältnisse, über die Unmöglichkeit der Geheimhaltung der Vermögensverhältnisse. Bei der Einkommensteuer ist die Geheim⸗ haltung nicht möglich — das haben wir gesehen — hauptsächlich wegen der Zuschläge durch die Gemeinden und sonstigen Verbände.
Hier sind die Zuschläge ausgeschlossen; hier bekommt bloß die Com⸗ mission Kenntniß von der Sache. Da ist die Geheimhaltung viel eher möglich. Außerdem, wenn man das Ein⸗
kommen eines Menschen nach den vier Arten kennt, so macht es doch keinen großen Unterschied, ob man nun auch sein Vermögen kennt. Die ganze Vermögenslage des Mannes wird
schon durch die Kenntniß des Einkommens aus den verschiedenen
Quellen bekannt gegeben. Also ich glaube, dieser Einwand ist kaum zutreffendd. Ob nicht in der Declaration Milde⸗ rungen eintreten können, das wollen wir in der Commission
möchte aber nur noch betonen, daß allzu⸗
schwache Bestimmungen in dieser Richtung allmählich wieder zu dem System des Nichteindringens führen würden, und sehr leicht dahin führen können, daß der Redliche für den Unredlichen zahlt.
(Sehr richtig!) Also allzu schwach dürfen Sie
Bestimmungen unter keinen Umständen machen,
fällt es ganz aus dem System heraus, welches Sie im
vorigen Jahre acceptirt haben, und welches jeder derartigen
Personalsteuer zu Grunde liegen muß. Das ist ein unzertrennlicher
Theil eines Personalsteuersystems; aber, wie gesagt, wir wollen gewiß
nicht weiter gehen, als zu dem Zwecke einer gleichmäßigen Heranziehung
der Steuer absolut nothwendig ist, und ich werde gern alle Vor⸗ schläge in dieser Beziehung in Erwägung nehmen, die in der Com⸗ mission etwa gemacht werden.
Der Herr Vorredner hat weiter die Vorlagen der Staats⸗ regierung als unvollständig bezeichnet; einmal müßte ein Wahl⸗ gesetz vorgelegt werden, und zweitens sei ein Gesetzentwurf über die Verwendung der 120 Millionen, die sich ansammeln würden, noch nicht dem Hause mitgetheilt. Was das Wahlgesetz betrifft, so habe ich schon anerkannt, daß es die Absicht der Regierung ist, Ihnen noch in dieser Session, sobald thunlich, ein solches Wahlgesetz vorzulegen. Früher, ehe die Regierung selbst definitiv schlüssig war, welche Vorschläge sie in Beziehung auf die Steuerreform machen sollte, konnte überhaupt gar kein Wahlgesetz vorgelegt werden; denn wenn das Wahlgesetz auf der Basis der Steuervertheilung beruht, müßte man erst wissen, wie diese beschaffen ist. Es ist sogar nach meiner Mei⸗ nung gar kein Schaden, daß die Staatsregierung, indem sie ihre
diese dann
letzten Entschlüsse über das Wahlgesetz faßt, doch einigermaßen mit Ihnen Fühlung gewonnen hat, auf welcher Grundlage denn über⸗ haupt eine solche Steuerreform zu Stande kommen könnte, denn da⸗ von hängt ja wieder der Inhalt des Wahlgesetzes ab.
Wenn die Herren nun sagen: für uns ist das Wahlgesetz unbe⸗ dingt zusammenhängend mit der Steuerreform, ohne Aenderung des Wahlgesetzes nehmen wir keine Steuerreform an, so ist Ihnen diese Gelegenheit nicht entzogen. Sie können das ja möglicherweise sogar in die Paragraphen selbst hineinbringen, jedenfalls brauchen Sie sich nicht eher schlüssig zu machen, bis Sie beide zu berathen in der Lage sind. Ich glaube also, dieser Vorwurf ist auch nicht zutreffend.
Endlich sagt der Herr Vorredner: Warum hat man nicht gleich⸗ zeitig ein Gesetz vorgelegt wegen der Verwendung der 120 Millionen Kapital? Nun, meine Herren, ich bin von vornherein der Meinung, daß diese 120 Millionen — ich glaube, ich habe es sogar in der da⸗ maligen Commission ausgesprochen — weil es sich hier nur um Kapital handelt, bei den Steuerreformen schwer werden verwendet werden können, hierfür unmiktelbar auch kein Bedürfniß vorhanden ist. Wenn ein Bedürfniß durch die Steuerreform entsteht, so liegt es daran, daß bei dem Verzicht des Staates auf die Ueber⸗ weisung der Realsteuern allerdings manche Härten entstehen, Ungleich⸗ heiten in der Wirkung der Wohlthat bei einzelnen Kreisen, in einzelnen Landestheilen. Da nun aus llichend wirken zu können, dafür geben uns gerade diese 120 Millionen eine sehr gute Handhabe. Und wenn wir beispielsweise dahin kommen, die wesentlich bedürftigen mittellosen und hilflofen kleinen Gemeinden nach der allgemeinen Regel, nach der der Staat seine Schullasten vorschreibt, mit diesen Mitteln zu unterstützen, so haben wir, glaube ich, nach dieser Richtung gerade für die weniger begünstigten Landestheile etwas sehr Nützliches gethan. (Sehr richtig!) Ich glaube — ich kann ja die Details des Gesetzes hier nicht sagen, aber ich meine, das ist auch schon ausgesprochen, daß eben nach dieser Richtung hin Ihnen sehr bald eine Vorlage wird gemacht werden, und ich hoffe daher, es wird der Herr Vorredner nun weiter sich nicht stören lassen, der Durchführung dieses Reformplans seine höchst werthvolle Unter⸗ stützung zu leihen und die Hindernisse, die etwa hier und da vor⸗ handen sein sollten, mit uns möglichst begleichen zu helfen. (Bravo!)
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (cons.): Der Umstand, daß sowohl der Abg. von Huene, als auch der Finanz⸗Minister ihre Erfahrung wesentlich im praktischen Leben gesammelt hätten bringe seine Partei mit ihren Anschauungen diesen beiden Herren sehr nahe. Er wolle unerörtert lassen, ob es richtig gewesen, daß der Abg. Herr⸗ furth seine Kenntniß von den Dingen im Ministerium im Abgeord⸗ netenhause gegen seine ehemaligen Collegen verwerthet habe; in diesem Falle sei sicherlich die Rede des Abg. Herrfurth für den Plan und die Darlegungen des Finanz⸗Ministers eine sehr gute Folie gewesen und habe die Aussichten auf das Gelingen des Werkes gesteigert. Daß die Aufhebung der Grundsteuer ein Geschenk für den Grundbesitz sein solle, sei nichts als eine Redensart; es handele sich nicht um ein Ge⸗ schenk, sondern lediglich um eine gerechtere Vertheilung der Steuer⸗ last. Wenn Herr Herrfurth jetzt für die Communen die weitgehendste Freiheit verlange und in dem neuen Communalsteuergesetz Eingriffe in ihre Selbstverwaltung sehe, wenn das derselbe Herr sage, der während seiner Amtsverwaltung die Oberaufsicht über die Kommunen gehabt, so gewähre der conservativen Partei diese Stellungnahme eine besondere Rechtfertigung dafür, daß sie diesen Herrn, so lange er im Amt gewesen, habe bekämpfen müssen. Sehr bedauerlich sei es, daß infolge der Handelsverträge den preußischen Staatseinnahmen 18 Millionen entgangen seien; das sei die Folge jener plötzlich und übereilt eingeschlagenen neuen Handelspolitik, die der Landwirthschaft entschiedenen Schaden zugefügt habe, ohne der Industrie zu nützen. Seine Partei werde immer und immer wieder diesen Protest erheben und fange schon jetzt damit an, obgleich die Handelsverträge auf zwölf Jahre abgeschlossen seien. Sie unterscheide sehr wohl die Einzelmaßregeln der Regierung von der Gesammtstellung und könne daher nicht begreifen, wenn der Abg. von Eynern behaupte, die Regierung würde im Reichstag dem Ansturm gegen die Kornzölle nicht gewachsen sein. Die conservative Fraction halte die Regierung für eine starke, und nur eine starke Regierung werde sie unterstützen. Was die nothwendige Ergänzung be⸗ treffe, so sei er (Redner) noch nicht überzeugt, daß sie nur auf dem Wege der Vermögenssteuer erreichbar sein werde. Schätzungen seien immer unvollkommen, auf sie könne man sich bei der Steuerreform nicht verlassen. Wenn die Vermögenssteuer eingeführt würde, könne es aber natürlich ohne Declaration nicht gehen, daran werde Herr von Eynern nichts zu ändern im stande sein. Gehe es nicht ohne Vermögenssteuer, so würde seine Partei auch darauf eingehen. Im
gensstel 9— 82 1 9 . ganzen erscheine ihr der vorgelegte Reformplan als eine geniale Schöpfung, an deren praktischer Verwirklichung sie sich mit voller Kraft betheiligen werde.
Abg. Hansen (freicons.): Es sei ihm vor allem sehr zweifelhaft, ob das Verlangen der Rückzahlung der für die Aufhebung der Grund⸗ steuerbefreiung gezahlten Entschädigungen zu rechtfertigen wäre; die Verhältnisse in den Elbherzogthümern sprächen durchaus dagegen; namentlich würden die sogenannten Canon⸗Bauern ganz außerordentlich schwer von dieser Forderung betroffen. (Redner führt dies im ein⸗ zelnen näher aus.) Er hoffe, daß die Commission hier Gerechtigkeit walten lassen werde.
Abg. Krause (nl.) hält den Reformplan für einen großen und guten und steht nicht auf dem ablehnenden Standpunkte des Abg. Herrfurth. Allerdings habe dieser beachtenswerthe Einwände vor⸗ gebracht, die die Abfertigung nicht verdienten, welche ihnen der Abg. Graf Limburg habe zu theil werden lassen. Die Ausfälle des letzteren hätten auch wohl nicht die Rede des Abgeord⸗ neten Herrfurth, sondern die Landgemeindeordnung und ähnliche Sünden des Staats⸗Ministers Herrfurth im Auge gehabt. Daß der Gutsbezirk besser wegkomme als die Gemeinde bei der Beseiti⸗ gung der Grundsteuer, sei nicht hinwegzudisputiren. In dem Verhält⸗ niß beider werde hier ganz entschieden eine Bevorzugung der Guts⸗ bezirke statuirt. Vielleicht wäre die Regelung nach der Richtung zu er⸗ möglichen, daß die Armen⸗ und Schullasten für die Hintersassen gesetzlich den Gutsbezirksinhabern auferlegt würden. Im übrigen stehe für den Kenner der Verhältnisse, trotz der Ausführungen des Abg. Richter, fest, daß die Gutsbezirke ihren communalen Verpflichtungen min⸗ destens ebenso gut gerecht geworden seien, wie die Gemeinden. Was die Ergänzungssteuer betreffe, so müsse er der Vermögenssteuer durch⸗ aus den Vorzug geben, weil sie allein eine wirkliche Belastung des fundirten Einkommens ermögliche; daran müsse festgehalten werden ganz ohne Rücksicht auf die Deckungsfrage. Wenn der Abg. Graf Lim⸗ burg davon spreche, daß durch die Handelsverträge 18 Millionen Staatseinnahmen auf die Straße geworfen seien, so sei das ein Standpunkt, den sicherlich nur wenige im Hause theilten, ein Stand⸗ punkt, der wirklich verdiene, festgenagelt zu werden. Werde die Ver⸗ mögenssteuer aber eingeführt, dann lasse sich doch die Doppelbesteue⸗ rung der Actiengesellschaften durch das Einkommensteuergesetz wirklich nicht mehr vertheidigen. “
Abg. Meyer⸗Berlin (dfr.): Aus dem Inhalt der Rede des Abg. Herrfurth habe er nicht entnehmen können, daß derselbe identisch sei mit dem früheren Minister Herrfurth. Seine Rede sei durchaus sachlich gewesen und auf Verhältnisse basirt, die jedem bekannt sein könnten. Allerdings habe dem Abg. Herrfurth eine größere Sach⸗ kenntniß zur Seite gestanden, als vielen Mitgliedern des Haufes, und daher habe er manches überzeugender erörtern können, als andere. Er (Redner) halte es für einen Fortschritt in unserm öffentlichen
Leben, wenn frühere Minister als Abgeordnete sich gedrungen
fühlten, die Meinungen auszusprechen und zu vertheidigen, welche sie als Minister hatten. Wenn der frübere Minister im Parlament seine Meinung sages so sei es für die Betheiligten, jedenfalls besser, als wenn er als Stump⸗Redner im Lande herumziehe und hie und da un⸗ controlirbare Erinnerungen aus seinem Leben zum Besten gebe. Graf Limburg weine den verlorenen 18 Millionen Thränen nach; was sollte man aber erst machen, wenn man die 100 Millionen für die Garnisonirung der polnischen Landestheile, die Millionen für die Colonien und die Dampfersubventionen bedenke? Was die Grundsteuer betreffe, so habe im Jahre 1861 die Rechte jedenfalls diese Steuer bekämpft mit dem Argument, daß sie eine Rente sei. Man sehe hieraus, wie zweischneidig sol e Argumente seien. „Steuer⸗ fragen seien Machtfragen“ habe vor Jahren ein Conservativer gesagt. Dieser Ausspruch sei richtig; die jedesmalige Majorität richte die Steuern so ein, daß die Minorität möglichst viel bezahlen müsse. Er bekenne sich ganz offen zu der Ueberzeugung, daß er die Grund⸗ steuergesetzgebung für einen Fehler und in ihren Folgen für ein schweres Unglück für das Land halte, aber deswegen möchte er keinen ähnlichen Fehler begehen. Die alte historische Grundsteuer zu beseitigen, halte er für einen überan bedenklichen Fehler, und die neu eingeführte ohne Entschädigung wieder aufzuheben, für eine Unbegreiflichkeit. Daß die Grundsteuer das Rückgrat des Staats sei, diesen Satz habe damals gerade der heutige General⸗ Steuer⸗Director verfochten; 1878 bis 1881 habe die Regierung gerade seiner Partei entgegengehalten, daß, wenn die Grundsteuer aufgehoben würde, eine unhaltbare Bevorzugung der Gutsbezirke stattfinden würde. Es scheine ihm hier also eine ungerechtfertigte Radicalumwälzung beabsichtigt. Die Regierung sage, sie wolle nichts gewinnen und nichts verlieren bei der Reform. Gegen den Verlust schütze sie sich, aber nicht gegen die Möglichkeit, daß sie gewenne. Man müsse hier die Quotisirung verlangen. Viele Mitglieder des Hauses würden sie für eine Schmälerung der Kronrechte und für eine Erweiterung der parlamen⸗ tarischen Rechte halten, sie sei aber nöthig, um die Finanzwirthschaft in geordneten Bahnen zu erhalten. Das Communalsteuergesetz ent⸗ spreche den Erwartungen seiner Partei nicht; die früheren Ankündi⸗ gungen darüber im „Staats⸗Anzeiger“ hätten große Erwartungen rege gemacht, die sich nicht erfüllt hätten. Er halte für die Grundlage des ganzen Steuerreformplanes das Communalsteuergesetz und d s für die Grundlage
diese Grundlage sei morsch; die rechte Seite des Hauses sehe den Erlaß der Grundsteuer an, dieser gefalle ihr und darum stimme sie dem Plane zu. Die Hauptsache sei die Reform des Wahlrechts, welche jetzt auch das Centrum wieder ver lange. Man meine anscheinend das Dreiklassen⸗Wahlsystem nun retten zu können, indem man es in eine Besserungsanstalt bringe. Er glaube das nicht; das Dreiklassen⸗Wahlsystem würde auf dem Transport dahin verscheiden.
Abg. von Kröcher (conf.): Die Rede des Abg. von Huene sei von ihm aufrichtig bewundert worden. denn sie habe den Nagel auf den Kopf getroffen. Für eine weitere Ausdehnung des Stimnrechts sei seine (Redners) Partei nicht zu haben. Die Vorwürfe des Abg. Richter gegen den verschuldeten Grundbesitz ließen ihn kalt; er sei stolz darauf der Verleger der „Kreuzzeitung“, nach Herrn Richters Meinung des Organs des verschuldeten Grundbesitzes, zu sein. Der Grundbesitz sei thatsächlich sehr verschuldet; wenn die unverschuldeten 20 % aller be trügen, so wäre das schon sehr hoch. Wenn immerfort von einer Mehr⸗ belastung durch die Einkommensteuer gesprochen werde, so sei das auch unrecht; denn die Leute hätten doch nicht mehr Einkommen angegeben, sondern es seien lediglich die Sätze in den höheren Stufen höher bemessen worden. Ueber die Landgemeindeordnung des Abg. Herrfurth könne man sich nicht mehr wundern, wenn man jetzt von ihm gehört habe, daß auf dem Lande die Angesessenen auch immer die Wohlhabenderen seien. Das Gegentheil sei der Fall; der einfache Knecht in seiner (Redners) Gegend, der bei freier Station bis zu 300 ℳ erhalte, stehe viel besser da, als der kleine Häusler mit einigen Zuadratruthen. Was die Rückzahlung der Grundsteuerentschädigung betreffe, so müsse er darüber sprechen, ob⸗ wohl er in der Lage sei, dabei pro domo zu reden. Nach seiner Meinung müßten entweder alle Entschädigten zurückzahlen, oder nur diejenigen Besitzer, die sich noch im Besitze befinden. Das Ver⸗ mögenssteuergesetz müsse gründlich umgearbeitet, werden, wenn es annehmbar werden solle, namentlich in den Bestimmungen, die die Schätzungen des Grundwerthes betreffen.
Abg. Dr. Bachem (Centr.): Für seine Partei sei und bleibe die Vorbedingung für ihre Zustimmung zu den Vorlagen die Aenderung des Wahlrechts nach der Richtung einer gründlichen Einschränkung der plutokratischen Wirkungen der Steuerreform. Der Finanz⸗ Minister habe am Montag die Zusage, daß der betreffende Entwurf noch im Laufe der Session dem Hause werde vorgelegt werden, ohne jede Clausel abgegeben; man werde ihn beim Wort nehmen. In der Sache selbst halte die Centrumspartei die Ueberweisung der Gewerbesteuer und der Bergwerkssteuer für lange nicht so dringlich, wie die Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer; jene könnten sehr wohl noch einige Jahre warten, und man komme auch besser zurecht, wenn man sich jetzt auf die Ordnung der Grund⸗ und Gebäudesteuer beschränke. Der Bergbau sei doch auch kein Gewerbe, sondern ein Zweig der Urproduction; also aus diesem Grunde sei die Ueberweisung keineswegs geboten. Die Aufhebung der lex Huene könne seine Partei für einen ersten Schritt zur Aufhebung der Kornzölle nicht ansehen, sonst würde sie sich allerdings überlegen, ob sie diesen Schritt thun solle. Er (Redner) sei gewiß agrarischer Instinete nicht verdächtig, aber diesen Schritt zu thun, bevor klare Beweise dafür vorhanden seien, daß die Aufhebung der Kornzölle möglich geworden, dazu könne er sich nicht entschließen. Die Vermögenssteuer, wie sie liege, könne unmöglich so bewilligt werden; darüber sei das ganze Haus einig es müsse vor allem auch hier der Grundsatz der Leistungsfähigkeit zur Geltung gelangen. Die kleinen Vermögen müßten frei bleiben, die Einschätzungsmodalitäten, die lediglich zur unangenehmsten Chicane
U führen könnten, müßten gänzlich umgearbeitet werden. Die Möglichkeit, auch in den Städten wieder zur Vermehrung der seßhaften Elemente zu kommen, mache für ihn die Ueberweisung der Gebäudesteuer aus socialpolitischen Rücksichten zur Hauptsache.
Abg. Schröder (Pole) spricht sich in längerer Ausführung über den Steuerreformplan im wesentlichen zustimmend aus; namentlich begrüßt er die Absicht des völligen Erlasses der Grund⸗ und Ge⸗ bäudesteuer als eine wirklich reformatorische Maßregel. Am Schluß knüpft Redner an die Bemerkung des Abg. Meyer über den Hundert Millionen⸗Fonds an, dessen Bewilligung der Ausdruck eines völlig ungegründeten Mißtrauens gegen die polnische Bevölkerung Preußens gewesen sei, und meint, daß eine Aufhebung im Namen der Gerechtig⸗ keit immer und immer gefordert werden müsse.
Der Schluß der Generaldiscussion wird angenommen und nach einigen persönlichen Bemerkungen der Abgg. Herrfurth, Graf Limburg⸗Stirum, von Kröcher, Dr. Friedberg und Dr. Bachem auf den Vorschlag des Präsidenten die Entscheidung über die geschäftliche Behandlung der Vorlage, betreffend die Aufhebung directer Staatssteuern, bis nach Beendigung der Generaldis⸗ cussion über das Ergänzungssteuergesetz und das Communal⸗ abgabengesetz hinausgeschoben.
Schluß der Sitzung 4 ½ Uhr. 1 11 Uhr. (Erste Lesung des Ergänzungssteuergesetzes Communalabgabengesetzes)
Nächste Sitzung Donnerstag und des
Parlamentarische Nachrichten. Der dem Reichstage zugegangene Entwurf eines Gesetzes über das Auswanderungswesen lautet:
I. Unternehmer. 8 § 1. Wer die Beförderung von Auswanderern nach außer⸗
deutschen Ländern betreiben will (Unternehmer), bedarf hierzu der Erlaubniß.