„Zufolge Verfügung des französischen Ministers des Innern werden seit dem 7. November 1892 im Hafen von Marseille wieder reine Gesundheitspässe ausgestellt. Demgemäß sind die früher angeordneten Quarantänemaßregeln für die von Marseille kommenden, den Hafen von Nizza anlaufenden Schiffe aufgehoben worden. (Vergl. R.⸗A. Nr. 254 vom 26. Oktober 1892.)
1““ Die Königlich spanische Regierung hat Stettin unter dem 24. November 1892 für „seuchefrei“ erklärt (vergl. „R.⸗Anz.“ Nr. 227 vom 26. September 1892). 1 Türkei. Der internationale Gesundheitsrath hat folgende Quarantäneherabsetzungen beschlossen: 1) einer 24 stündigen Observation unterliegen:
a. Provenienzen aus nordeuropäischen Ländern,
b. Possagierschiffe aus italienischen Häfen sowie aus egyp⸗ tischen Mittelmeerhäfen,
2) einer 48stündigen Observation unterliegen Provenienzen aus französischen Mittelmeerhäfen,
einer ärztlichen Untersuchung werden unterzogen E“ aus italienischen Häfen sowie aus egyptischen ittelmeerhäfen.
b Herabsetzungen treten vom 22. November 1892 ab in Kraft.
Gegen Provenienzen des Finischen Meerbusens bleibt die fünf⸗ tägige Quarantäne bestehen. (vergl. „R.⸗A.“ Nr. 269 vom 12. November 92.) “ “
weitere
Theater und Musik
Die hier längst geschätzte Pianistin Fräulein Emma Koch gab gestern ein Concert, welches zahlreich besucht war. Die bedeutendsten Werke, die zugleich geeignet waren, die Vorzüge ihres Spiels ins glänzendste Licht zu setzen: das Concert, F-moll, von Chopin und das wundervolle Concert von Brahms, B-dur, in denen besonders die Kraft und die feine Schattirungsweise der Künstlerin zu loben waren, wurden mit sehr lebhaftem Beifall aufgenommen, der auch den kleineren Stücken von Schubert, Moszkowki und Liszt nicht fehlte. Die Concertsängerin Fräulein A. Rumpp (Sopran), die ihre Studien bei Frau “ in München gemacht hat, sang hier zum ersten Mal; sie gebietet über eine besonders in der Höhe sehr ausgiebige Stimme, die jedoch noch weiterer Ausbil⸗ dung bedarf. Eine Begabung für Lebendigkeit des Vortrags bewies sie in einer Arie aus „Sylvana“ von Weber und Liedern von Schubert, Leßmann, E. E. Taubert und anderen. Besondere Anerkennung ge⸗ bührt auch dem von Herrn Moritz Moszkowski geleiteten philharmonischen Orchester.
Saal Bechstein.
Die Sängerinnen Fräulein Emma und Ida Wooge (Berlin) hatten sich gestern zu einem Duett⸗Abend vereinigt, in welchem sie zum ersten Mal vor dem hiesigen erschienen. Sie sangen mehrere Duette von Rossini, Weber, Tschaikowsky, Brahms, Henschel, Ries, Rubinstein, Schumann und anderen. Beiden Damen fehlt jedoch noch die nöthige Ausbildung ihrer Stimmen, die Vor⸗ tragsweise der Gesänge ließ manches zu wünschen, auch schwankte im Alt mitunter die Reinheit der Intonation. Die hier schon wohl⸗ bekannte Klaviervirtuosin Fräulein Götz⸗Lehmann unterstützte das Concert durch einige sehr gelungen vorgetragene Stücke von S. Bach, Chopin, Rubinstein und Liszt. Einen ganz besonderen künstlerischen Genuß gewährten die Violinvorträge des Königlichen Kammervirtuosen
Herrn Felix Meyer, der die Zuhörer durch den in jeder Beziehung vollendeten Vortrag mehrerer Piscen von Bach, Mozart, Chopin und Rehfeldt erfreute und reichen Beifall erntete.
Das für den 2. Dezember angekündigte Symphonie⸗Concert im Königlichen Opernhause ist wegen des Herrn Kapellmeister Weingartner ertheilten Urlaubs verschoben worden. Das vierte Con⸗ cert wird unter Weingartner's Leitung am 16. Dezember stattfinden und sich zu einer Beethovenfeier gestalten. Die beiden letzten Con⸗ certe des ersten Cyclus sollen im Laufe des Januar gegeben werden.
Im Deutschen Theater geht am Montag neu einstudirt Grillparzer's Trauerspiel „Die Jüdin von Toledo“ in Scene. Den König Alfons spielt, wie in früheren Jahren, Josef Kainz, die Rolle der Rahel hat Lilli Petri übernommen.
Im Berliner Theater gelangt am Sonntag Nachmittag „Wilhelm Tell“ in der bekannten Besetzung zur Aufführung. Am Sonnabend und Sonntag Abend geht Sardou'’s Schauspiel „Dora“ in Scene.
Eleonore Duse spielt morgen im Lessing⸗Theater zum ersten Mal die „Fedora“ und läßt dann am Montag eine Wieder⸗ holung der „Cameliendame“ folgen. Am Sonntag wird der Schwank „Die Orientreise’ mit Emanuel Reicher als Demeter Mitrovics wiederholt.
Der bedeutende Andrang zu der Oper „A Santa Lucia“ von Tasca, mit Gemma Bellincioni und Roberto Stagno, hat die Direction des Kroll'schen Theaters veranlaßt, diese Oper noch⸗ mals am nächsten Sonntag zur Aufführung zu bringen und die für diesen Tag bestimmt gewesene erste Aufführung von „Mala Vita“ auf Dienstag n. W. anzusetzen. G
Für das IV. Philharmonische Concert unter R. Masz⸗ kowski's Leitung und solistischer Mitwirkung der Herren Raimund von Zur⸗Mühlen (Gesang) und Charles Gregorowitsch (Violine) am Mon⸗ tag Abend 7 ½ Uhr in der Philharmonie findet am Sonntag, 12 Uhr Vormittag, die öffentliche Hauptprobe statt. Der Karten⸗ verkauf für diese (2 ℳ) ist bei Bote und Bock eröffnet. Das Pro⸗
ramm lautet: Unvollendete Symphonie H-moll von Schubert, Arie aus der Oper „Die Afrikanerin“ von Meyerbeer, Violinconcert von Mendelssohn, Arie aus Lakmé von Delibes, Symphonie F-dur Nr. VIII von Beethoven. — Frau Eva Grivot de Grandcourt wird in ihrem am Dienstag in der Sing⸗Akademie stattfindenden Concert außer der Arie aus Meyerbeer's Oper „Der Prophet“ und einigen Liedergruppen von Schumann und Bungert noch folgende Liedercompositionen zu Gehör bringen: „Les enfants“ von Massenet, „Vieille chanson“ und „Pastorale“ von Bizet, „Chanson de Florian“ von Godard.
Der General⸗Intendant der Königlichen Schauspiele Graf von Hochberg ist laut Meldung des „W. T. B.“ zur Theilnahme an dem fünfundzwanzigjährigen Jubiläum des Hoftheater⸗Intendanten Freiherrn von Perfall gestern Abend in München eingetroffen, um dem Jubilar im Namen der Mitglieder des Deutschen Bühnen⸗ vereins einen silbernen Tafelaufsatz zu überreichen.
Mannigfaltiges. Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich hat, wie die „Voss.
Ztg.“ erfährt, das Protectorat über das dem Andenken des verstorbenen
Chemikers, Geheimen Regierungs⸗Raths A. W. von Hofmann zu weihende Hofmann⸗Haus übernommen. Der Vorstand der Deutschen chemischen Gesellschaft hat aus diesem Anlaß ein Dank⸗ schreiben an Ihre Majestät gerichtet. Die ordentliche General⸗ versammlung der Gesellschaft findet am 16. Dezember statt.
Unter dem Protectorat Ihrer Durchlaucht der Fürstin Ann Stolberg⸗Wernigerode wird hierselbst am 13. und 14. Dezember d In von Morgens 10 bis Abends 9 Uhr, in den Räumen des Christlichen Vereins junger Männer, SW., Wilhelm⸗Straße 34, ein Bazar zum Besten des Ferienheims in Wernigerode stattfinden. Das Ferienheim hat im letzten Sommer mehr als 100 armen Erholungs⸗
aus Berlin eine vierwöchige unentgeltliche Sommerfrische gewährt. 1
Die Direction der Großen Berliner Pferde⸗Eisenbahn⸗Gesellschaft hat sich an den Magistrat und das Königliche Polizei⸗Präsidium mit der Bitte gewendet, die Straßenbahnanlage Moabit — Thier⸗ garten — Lützowplatz, die von Moabit durch die Stromstraße über die Lessingbrücke, die Lessingstraße, den Hansaplatz, die Altonaer⸗ straße, die Brücken⸗Allee, den Großen Stern, die Hofjäger⸗Allee, die Friedrich⸗Wilhelmstraße, über die Herkulesbrücke nach dem Lützowplatz führt, baldmöglichst zu prüfen und abzunehmen, um dann die Bahn sofort dem öffentlichen Verkehr übergeben zu können.
It Hannover. In Bad Rehburg (Kreis Stolzenau) ist das von Bremer Bürgern gegründete Asyl für arme Lungenkranke zum größten Theil im Rohbau vollendet.
St. Petersburg, 24. November. Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Astrachan entstand daselbst in der Nacht zum 23. d. M. auf einer Naphtha⸗Barke eine Feuersbrunst, die durch den Wind auch auf andere Fahrzeuge übertragen wurde, sodaß ins⸗ gesammt 26 Naphtha⸗Barken und zwei Dampfer verbrannten.
New⸗York, 22. November. eine aus zehn Personen bestehende Familie. Brand, als alle schliefen.
Bei Pittsburg verbrannte Das Haus gerieth in
Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen. 8
8 PFaris, 25. November. (W. T. B.) Die parlamen⸗ tarische Untersuchungscommission beschloß, heute den Deputirten Delahaye, ferner den Deputirten Proust und den Vertreter des Journals „Libre Parole“ zu vernehmen. Die Commission sprach sich gegen die absolute Geheimhaltung der Verhandlung aus und stellte es den Mitgliedern frei, auf eigene Ver⸗ antwortung der Presse Mittheilungen zugehen zu lassen. Der vom Journal „Libre Parole“ beschuldigte Senator Beval ersuchte die Commission, ihm zu ge⸗ statten, sich vor ihr zu rechtfertigen. Nach dem „Soleil“ wird in Deputirtenkreisen erzählt, Constans habe als Minister dem Präsidenten Carnot ein ver⸗ siegeltes Schreiben übergeben, in welchem er darlege, es sei natürlich, daß der Präsident der Republik die Namen der⸗ jenigen Deputirten kenne, die in der Panama⸗Angelegenheit Geld erhalten hätten. “
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
r Morgens.
vom 25. November, 8 .
Stationen.
eratur Isius = 40 R
Wind. Wetter.
emp
5⁰ C.
Mullaghmore Aberdeen .. Christiansund Kopenhagen. Stockholm.
Petersburg Moskau...
ONO A bedeckt SO 3 wolkig WSW 4 Schnee NNO 4 wolkenlos NNW A heiter NW 2 wolkenlos NNW 3 wolkenlos SW 2 bedeckt
T X e] in 0°Ce⸗
Tork, Queens⸗ E““
762
Nebel
2 Regen
2 wolkig
2 wolkenlos 2 bedeckt halb bed. ¹) Schnee ²) wolkenlos
— α2,—
2
—
1I
768 765 776 776 765 766 765 765 763
bedeckt Nebel Regen bedeckts) Regen bedeckt4)
Schnee ⁵) Schnee
Oondbo Sbo — —o JOͦbbU’U;S=2ͤm=hSOSS
- —-
Schnee
1) Nachts Regen u. Graupeln. ²) Nachts Schnee. Gestern u. Nachts wenig .
768 774
Nachts Schnee.
Uebersicht der Witterung.
„Ein barometrisches Maximum
liegt über Südnorwegen einem Minimum unter 746 mm.
flache Britischen
Thauwetter.
in der Depression befindet sich westlich von den und scheint
reitend. In Deutschland ist das Wetter in den 8 üstengebieten heiter und kälter, im Binnenlande trübe und wärmer, in dem Streifen Breslau fällt Schnee; in Westdeutschland herrscht 1 In Nordost⸗Europa ist es erheblich älter geworden, Haparanda meldet minus 16 Grad. Da das Maximum über. Nord⸗Europa sich weiter zu utwickeln scheint, dagegen der Luftdruck im Ab⸗
Inseln
nehmen begriffen ist,
der Temperatur für unsere Gegenden zu erwarten
sein.
˙˙˙˙¹—
bedeckt still wolkig
— —
0
4) Nebel, Reif.
über 772 mm ähe von Moskau; eine
nordwärts fort⸗
Hannover⸗
o dürfte demnächst Abnahme
Deutsche Seewarte.
Theater⸗Anzeigen.
Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opern⸗
250. Vorstellung.
Sängerkrieg auf der Wartburg.
Oper in 3 Acten von R. Wagner. Ballet von
Emil Graeb. In Scene
Faf. Dirigent: Kapellmeister Sucher. r.
haus.
1“
Tannhäuser und der Romantische
esetzt vom Ober⸗Regisseur nfang
Schauspielhaus. 260. Vorstellung. Wilhelm Tell. Schauspiel in 5 Aufzügen von Friedrich von Schiller. Anfang 7 Uhr.
Sonntag: Opernhaus. 251. Vorstellung. Die Hugenotten. Große Oper in 5 Acten von Meyerbeer. Text nach dem Französischen des Scribe, übersetzt von Castelli. Tanz von Emil Graeb. In Scene gesetzt vom ö“ Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. Anfang 7 Uhr.
Schauspielhaus. 261. Vorstellung. Der Geigen⸗ macher von Cremona. Drama in 1 Aufzug und in Versen von Frangois Coppée, deutsch von Wolf Graf Baudissin. In Scene gesetzt vom Ober⸗ Rgisseur Man Grube. — Die gelehrten Frauen. Lustspiel in 5 Aufzügen von Jean Baptiste Molidre. In deutschen Versen von Ludwig Fulda. In Scene Felctt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang
r.
Deutsches Theater. Vater. Anfang 7 Uhr. .“ Die Welt, in der man sich lang⸗
eilt.
Montag: Prinz Friedrich von Homburg.
Sonnabend: Lols's
Berliner Theater. Sonnabend: Dora. An⸗ fang 7 Uhr. Sonntag: Nachmittags 2 ½ Uhr: Wilhelm Tell. “ ö dee. . ontag: Der ttenbesitzer. (Nuscha Butze, Anns Beüga, Aethir. ürenbects Ladoh Seht)
Lessing-Theater. Sonnabend: 4. Gastspiel von Eleonora Duse mit ihrer Gesellschaft unter der Zstion von Cav. Flavio Ando. Fedora. Anfang
2 Sonntag: Die Orientreise. Montag: 5. Duse⸗Abend. Die Cameliendame.
Die nicht abgeholten Bestellungen gelangen an der
Vormittagskasse zum Verkauf. “
8 Wallner-Theater. Sonnabend: 26. Gast⸗Vor⸗ stellung des Lessing⸗Theaters: Die Ehre. An⸗ fang 7 ½ Uhr. Sonntag: Die Groftstadtluft. .“ Volksthümliche Preise (Parquet 2 ℳ). Vorverkauf ohne Aufgeld.
Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25. Sonnabend: Zum 1. Male in neuer Bearbeitung: Das verwunschene Schloß. Operette in 3 Auf⸗ zügen von Alois Berla. Musik von Carl Milllöcker. In Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent: Herr Kapellmeister Federmann. Anfang 7 Uhr. Sonntag: Dieselbe Vorstellung.
Residenz-Theater. Direction: Sigmund Lauten⸗ burg. Sonnabend: Zum 49. Male: Im Pavillon. (Le Parfum.) Schwank in 3 Acten von Ernest Blum und Raoul Toché. Deutsch von Ludwig Fischl. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. — Vorher: Der neue Ganymed. (Café Lefort.) Schwank in 1 Act von Charles Louveau.
11“ “
*
Anfang 7 ¼ Uhr.
Sonntag: Dieselbe Vorstellung. In Vorbereitung: Madame Agnes.
1“ 1 Lustspiel in 3 Acten von Julien Berr de Turique.
Kroll'’s Theater. Sonnabend: Wegen Privat⸗ festlichkeit geschlossen.
Sonntag: Gastspiel von Gemma Bellincioni und Roberto Stagno. A Santa Lucia. Melodrama in 2 Acten von Pierantonio Tasca. Anfang 7 ½ Uhr.
Neues Theater (am Schiffbauerdamm 4/5). Sonnabend: Zum 5. Male: Die Liebeshändlerin. Fehnisches Bühnenspiel in 5 Aufzügen. Anfang
r
Sonntag: Die Liebeshändlerin.
Theater Unter den Linden Ronacher. Sonnabend: Sensationell andauernder Erfolg des pompösen Ausstattungs⸗Ballets: Die Welt in Bild und Tauz, von Gaul und Haßreiter. Musik von J. Bayer, Ballet⸗Autoren der K. K. Hofoper in Wien. Inscenirt durch den Balletmeister Louis Gundlach. Präcise 9 Uhr: Das grandiose chinesische Ballabile Ein Drachenfest. (Mitwirkende: 500 Personen.) Gastspiel der 16 jährigen Primadonna Fräul. Sophie David. Die kleine Primadonna. Gelegen⸗ heitsschwank in 1 Act von Richard Genge. In⸗ scenirt durch den Ober⸗Regisseur Herrn C. A. Friese sen. Anfang 7 ½ Uhr.
In Vorbereitung: Das Baby. Schwank in 1 Act von H. F. (Novität.)
Adolph Ernst⸗Theater. Sonnabend: Zum 81. Male: Die wilde Madonna. Gesangs⸗ posse in 3 Acten von Leon Treptow. Couplets von G. Görß. Musik von G. Steffens. Mit neuen Costumen aus dem Atelier der Fr. Köpke und neuen Decorationen von Lütkemeyer in Coburg. In Scene gesetzt von Adolph Ernst. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonntag: Dieselbe Vorstellung.
Thomas-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Sonnabend: Ensemble⸗Gastspiel der Münchener unter Direction des Königlich Bayerischen Hof⸗ schauspieles Max Hospauer. Zum 4. Male: Almenrausch und Edelweiß. Oberbayerisches Charaktergemälde mit Gesang und Tanz in 5 Auf⸗ zügen von Hermann von Schmid. Musik von Müller. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonntag: Almenrausch und Edelweiß.
143041) Hohenzollern⸗Galerie
Lehrter Bahnhof. 1 ℳ Sonntags 50 ₰. Gr. histor. Rundgemälde 1640 — 1890. Geöffnet 9 Uhr bis Dunkelh. Sonnt. 9—9.
Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.
Am Landes⸗Ausstellungs⸗ b Geöffnet von nKeelung-. Park (Lehrter Bahnhof)
Concerte.
Sing-Akademie. Sonnabend, Anfang 8 Uhr: Concert des Violin⸗Virtuosen Arno Hilf aus Leipzig, unter Mitwirkung des Berliner Philhar⸗
monischen Orchesters (Dirigent: Herr Rud. Herfurth). 1“ 1 be 11.““ 11I1“
Concert-Hans. Sonnabend, Abensn 7 Uhr:
Karl Meyder⸗Concert. Walzer⸗ und Stxretten⸗ Abend.
Saal Bechstein, Linkstraße 42. Sonnabend, Anfang 7 ½ Uhr: Concert von Elise Leutheusser
(Sopran) und Magda Eisele (Klavier).
Circus Renz (Carlstraße.) Sonnabend, Abends 8
7 ¼ Uhr: Große Gala⸗Vorstellung. Aus dem Pro⸗ ramm sind u. a. hervorzuheben: Hippologischer ongreß, 36 der edelsten Racepferde, vorgeführt vom
Director Franz Renz. — Mr. James Fillis mit dem Schulpferde „Markir“. — Schulquadrille, geritten
von 6 Damen und 6 Herren. — Mr. Leop. Renz, der beste Jockeyreiter der Gegenwart. — Zum Schluß der Vorstellung: Auf Helgoland, oder: Ebbe und Fluth. Großes Land⸗, Wasser⸗ und Feuer⸗Schauspiel. Nationaltänze von 82 Damen. Mit völlig neuen Einlagen: u. A. „Leib⸗Garde⸗ Artillerie“, „Leibgarde der Kaiserin“.
Sonntag: 2 Gr. Vorstellungen um 4 und 7 ½ Uhr. 4 Uhr Nachmittags (1 Kind frei): „Die lustigen Heidelberger. Abends 7 ½ Uhr: „Auf Helgoland.
Billet⸗Verkauf durch den „Invalidendank“, Mark⸗ grafenstraße 51 a. 11111““;
8s
Familien⸗Nachrichten.
Verlobt: Miß Nellie Peter mit Hrn. Lieutenant Ernst Grafen von Gersdorff (Berlin — Potsdam). Frl. Elisabeth von Kayser mit Hrn. Premier⸗ Lieutenant Ludwig von Friedeberg (Metz— Münster i. W.)
Verehelicht: Hr. Major und Flügel⸗Adjutant Dietrich von Hülsen mit sser Hildegard von Lucadou (Berlin). — Hr. Forst⸗Assessor Constantin Frhr. von Hammerstein⸗Loxten mit Frl. Margarete von Beulwitz (Loccum). — Fr. Alexander Graf von Dombski mit Frl. Martha Murrmann (Berlin).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Prem.⸗Lieut. Wilhelm von Doering (Potsdam). — Hrn. Rittmeister Conrad von Blücher (Potsdam). — Hrn. Ober⸗ Urban Cleve (Lüchow i. H.). — Eine
vochter: Hrn. Douglas (Zerbow). — Hrn. Lieut. von Prittwitz und Gaffron (Breslau).
Gestorben: Fr. Alwine von Pollem, geb. Riecke (Remscheid). — Fr. General⸗Major Freifrau Eva von Richthofen, geb. Freiin von Teichmann⸗ Logischen (Breslau). — Fr. Marie Eleonore Frei⸗ frau Treusch von Buttlar⸗Brandenfels, geb. von Kommerstaedt (Dresden). — Herr Provinzial⸗ Steuerdirector, Geheimer Ober⸗Finanzrath Jaeh⸗ nigen (Hannover).
Redacteur: Dr. H. Klee, Director. Berlin:
Verlag der Expedition (Scholz). Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagb⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 33. Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage),
und die amtliche Gewinnliste der VI. Weseler Id⸗Lotterie.
Deutscher Reichstag. 3. Sitzung vom Donnerstag, 24. November, 2 Uhr.
Der Sitzung wohnen bei die Staatssecretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Maltzahn und Freiherr von Marschall sowie der Königlich preußische Kriegs⸗Minister von Kaltenborn⸗Stachau.
Ein Antrag der Abgg. Auer (Soc) und Genossen ist eingegangen, den Reichskanzler zu ersuchen, zu veranlassen, daß die gegen den Abg. Kunert schwebenden Strafverfahren auf die Dauer der Session eingestellt werden.
Die im gestrigen Bericht Interpellation des Abg. Dr. Petri (nl.) wegen des Gebrauchs der Schuß⸗ waffen von den Wachtposten erklärt der Kriegs⸗Minister sofort zu beantworten sich bereit.
Abg. Dr. Petri (nl.): Am Abend des 22. Oktober habe in Straßburg ein angetrunkener Arbeiter über den von ihm einzuschlagenden Weg den Posten vor dem Ober⸗Postdirectionsgebäude gefragt. Er sei mit dem Posten in einen Wortwechsel gerathen, infolge dessen der Posten den Arbeiter verhaftet und in das Schildethaus ab⸗ geführt habe. Der Arbeiter habe die Flucht zu ergreifen gesucht, worauf der Posten unverzüglich einen scharfen Schuß abgefeuert habe. Der Arbeiter sei nicht verletzt, weil er in demselben Augenblick um die Ecke des Gebäudes gekommen sei, auch sonst sei niemand verwundet, eine glückliche Fügung, da gerade an dieser Stelle ein sehr reger Verkehr herrsche. Dieser Fall neben ähnlichen Vorgängen lasse die Aenderung der Vorschriften über die militärischen Wachtposten als ein unabweisbares Bedürfniß erscheinen. Der Reichstag habe am 15. Februar d. J. einmüthig eine Resolution dahin gefaßt, die ver⸗ bündeten Regierungen um eine möglichste Einschränkung der militärischen Wachtposten und des Gebrauchs der Schußwaffen zu ersuchen. Es sei zu bedauern, daß auf diese An⸗ regung des Reichstags nichts geschehen sei, und daß die ver⸗ bündeten Regierungen es nicht für nöthig gehalten hätten, einem berechtigten Verlangen des ganzen Volkes zu entsprechen, und doch sei es leicht, die nöthigen Aenderungen zu treffen und die Gefahr zu beseitigen, welche die Anwendung der jetzigen Vorschriften über die militärischen Wachtposten für die Gesundheit und das Leben harmloser Personen mit sich bringen müßten. Man könnte z. B. die Posten, wenn nicht vollständig abschaffen, so doch vermindern, und soweit sie durchaus nothwendig 88” s wenigstens nicht mit scharfen Patronen versehen. Der Ehrenposten bedürfe überhaupt keiner scharfen Patronen zu seiner Vertheidigung. Auch, die Zahl der Sicherheitsposten könnte eingeschränkt werden. Der Sicherheitsdienst könne in vielen Fällen von Schutzleuten besser versehen werden, als von Militärposten, weil erstere in der Regel eine bessere locale und personale Kenntniß hätten. Er setze voraus, daß die verbündeten Regierungen bereit sein würden, hier Wünsche zu erfüllen, die dem ganzen Volke am Herzen lägen. Diese Bereitwilligkeit würde wesent⸗ lich beitragen zur Klärung und Versöhnung bestehender Meinungs⸗ verschiedenheiten, zur Beseitigung von Mißständen, zur Förderung des allgemeinen Wohles und zur Sicherung des guten Verhältnisses zwischen dem Reichstag und den verbündeten Regierungen.
Kriegs⸗Minister von Kaltenborn⸗Stachau:
Der Vorfall, welchen der Herr Interpellant zur Sprache gebracht hat, hat keine Veranlassung gegeben zu besonderen Maßregeln (Unruhe links), denn es war schon vorher angeordnet worden, daß in sämmtlichen Garnisonen gemischte Commissionen zusammentreten sollten, um zu erwägen, welche Posten als überflüssig oder unnöthig eingezogen werden könnten. Die Resultate dieser Ermittelung liegen noch nicht vollständig vor. Die vorliegenden, ziemlich zahlreichen, liefern aber den Beweis, daß die Civilbehörden den höchsten Werth auf die militärischen Posten legen, und daß sie die zu be⸗ wachenden Objecte vielfach nicht für sicher genug bewacht halten anders als durch die Millitärposten. Die Heeres⸗ verwaltung ist nun zwar unausgesetzt weiter bestrebt, die Vermin⸗ derung dieser Posten herbeizuführen, sie kann sich aber nur dann Erfolg versprechen, wenn es den Civilbehörden möglich ist, mehr Wächterpersonal anzustellen und durch bauliche Einrichtungen eine vermehrte Sicherheit zu schaffen.
Auch die Abänderung der Bestimmungen über den Waffengebrauch der Posten ist einer Erwägung unterzogen. Sämmtliche betheiligten Stellen sind aber darin einig, daß eine Codificirung dieser Bestim⸗ mungen dieselben verschlechtern würde. (Hört! hört! links.)
Die Militärverwaltung sucht die Abhilfe der beregten Uebelstände nun darin, daß an die betheiligten Stellen eine Verfügung erlassen wird, Anordnungen zu treffen, daß die in belebten Straßen stehenden Posten in Zukunft nicht mehr mit Munition versehen werden sollen. Ich hoffe, daß damit den Wünschen des Herrn Interpellanten und derjenigen, die die Interpellation unterschrieben haben, Genüge ge⸗ schieht, und man muß von dem gesetzlichen Sinn der Bevölkerung erwarten, daß auche mit dieser Maßregel die öffentliche Sicherheit gewährleistet ist. (Beifall.)
Auf Antrag des Abg. Singer (Soc.) tritt das Haus in eine Besprechung der Interpellation ein.
Abg. Singer (Soc.): Nicht nur in Straßburg, sondern auch in anderen Städten seien Fälle des Mißbrauchs der Schuß⸗ waffen von den Wachtposten vorgekommen und bedeutend unglück⸗ licher abgelaufen. In diesem Sommer sei eine Nachricht aus Erfurt durch die Presse gegangen, wonach dort Offiziere mit Civilisten in eine Schlägerei verwickelt worden seien und ein Offizier der herbeigeeilten Militärpatrouille zugerufen habe, auf die flüchtenden Civilisten zu schießen. Nur dem Umstande, daß diese Patrouille nicht mit scharfer Munition versehen gewesen, sei es zuzuschreiben, die Straßen Erfurts von einer Schießangelegenheit, verschont geblieben seien. Was aus der Sache geworden sei, wisse er nicht, jeden⸗ falls sei die Nachricht ohne Widerspruch geblieben. In voriger Tagung habe der Fall vor der Reichsdruckerei in der “ hier Veraniasfung gegeben, die Frage zu besprechen. Damals habe der Regierungsvertreter den Bescheid gegeben, daß die Militärverwaltung keine Veranlassung habe, eine seit 55 Jahren bewährte In⸗ struction zu ändern. Ende März sei in der Wrangelstraße vor der Kaserne des 3. Garde⸗Regiments zu Fuß ein Arbeiter von einem Wachtposten, den er geneckt habe, erschossen. Die städtische Vertretung Berlins habe wegen dieses Falles an den Reichs⸗ kanzler wiederholt das Ersuchen gerichtet, für Aenderung des be⸗ tehenden Zustandes Sorge zu tragen. So dankenswerth der heutige Bescheid des Kriegs⸗Ministers sei, so sehr müsse er es bedauern, daß die Berliner Stadtverwaltung darauf keine Antwort erhalten habe. Die Entschließung, welche die Kriegsverwaltun jetzt getroffen habe, komme außerordentlich spät. Er könne nur an den Kriegs⸗ inister das dringende Ersuchen stellen, die Verordnung, von der er ge⸗ sprochen habe, möglichst bald in Kraft treten zu lassen.
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II r . üen eiger und Königlich Preußisch
Staatssecretär Dr. von Boetticher:
Meine Herren! Ich habe nicht die Absicht, auf alle Ausführungen des Herrn Vorredners näher einzugehen. Ich würde, wollte ich dies thun, Gefahr laufen, daß ich, was beispielsweise seine Bemerkungen über Militarismus und über die Militärvorlage anlangt, heute schon in eine Debatte einträte, von der es, wie ich meine, besser ist, daß wir sie ex professo erst in den nächsten Wochen in Angriff nehmen.
Einige Bemerkungen zu dem, was der Herr Vorredner ausgeführt hat, habe ich aber doch zu machen. Ich glaube, darüber kann in diesem Hause und überhaupt in der ganzen Welt gar kein Zweifel sein, daß es außerordentlich beklagenswerth ist, wenn durch den Waffen⸗ gebrauch der Posten unschuldige Menschen getroffen werden, Un⸗ schuldige leiden müssen. Darüber besteht eine communis opinio und es hätte nicht der Emphase bedurft, die der Herr Vor⸗ redner angewendet hat, um uns zu dieser Auffassung zu bringen. Wir besitzen sie bereits. Allein, meine Herren, der Waffen⸗ gebrauch der Posten wird nicht vollständig aufgegeben werden können, und es wird, auch wenn, wie nach den Erklärungen des Herrn Kriegs⸗ Ministers anzunehmen ist, die Posten künftig ohne Munition auf⸗ ziehen, also von der Schußwaffe nicht mehr Gebrauch machen können, doch nicht außerhalb der Möglichkeit liegen, daß durch den Gebrauch der Hieb⸗ und Stichwaffen ein Menschen⸗ leben zu Grunde gerichtet wird. Ich glaube auch nicht, daß der Herr Vorredner selbst so weit wird gehen wollen, diese Möglich⸗ keit durchaus auszuschließen. Ich erinnere ihn z. B. an den Fall, wo ein Angriff auf ein größeres Pulvermagazin, auf ein Dynamitmagazin gemacht wird zu dem Zwecke, um dieses Magazin in die Luft zu sprengen, sodaß durch solchen Angriff ein weit größerer Schaden ge⸗ schieht, als durch den Angriff auf ein einzelnes Menschenleben. Für solchen Fall wird, glaube ich, selbst der Herr Vorredner nicht der Meinung sein, daß der Posten thatenlos dem Angreifer gegenüber⸗ stehen soll.
Also ich bin der Meinung, daß man bei den Untersuchungen und Erläuterungen, welche der Herr Kriegs⸗Minister angeordnet und über deren bisherigen Erfolg er uns heute Mittheilung gemacht hat, dahin streben muß, das Rechte zu finden, daß man cum grano salis untersuchen muß, wie ohne Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Gebrauch der Schußwaffen von Seiten der Posten einzurichten sei. Ich zweifle auch gar nicht, daß man auf diesen Wegen zu brauchbaren und einwandsfreien Ergebnissen kommen wird.
Wenn nun aber der Herr Vorredner sich darüber beschwert, daß auf eine Eingabe der städtischen Behörden von Berlin, welche dem beklagenswerthen Unfall aus dem Frühjahr dieses Jahres an der Kaserne in der Wrangelstraße zum Ausgange genommen hatten und welche darauf abzielten, eine Revision der Instruction über den Waffengebrauch des Militärs herbeizuführen, noch keine Antwort ergangen ist, so kann ich ihm sagen, daß der Grund dafür einfach darin liegt, daß eben die Untersuchungen, von denen ich soeben ge⸗ sprochen habe, bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht haben beendigt werden können, daß also eine Auskunft über das Ergebniß der Er⸗ wägungen, die angestellt worden sind, unmöglich abgegeben werden konnte.
Wenn der Herr Vorredner weiter meint, es sei auch höchst be⸗ klagenswerth, daß die Verordnung, von der der Herr Kriegs⸗Minister vorhin Mittheilung gemacht hat, nicht früher getroffen worden ist, so kann ich darauf nur erwidern, daß die Instruction über den Waffengebrauch des Militärs bereits in den dreißiger Jahren, so wie sie heute gilt, erlassen ist, und daß erst in neuerer Zeit durch die Unfälle, die vorgekommen sind, das Bedürfniß ein dringenderes ge⸗ worden ist, diese Instruction einer Revision zu unterziehen.
Ich finde, daß eigentlich die heutige Discussion nach den Er⸗ klärungen des Herrn Kriegs⸗Ministers keinen rechten Boden mehr hat, denn der Hauptübelstand, den der Herr Interpellant, den der Herr Vorredner und den wir alle mit ihm beklagen, daß auch unschuldige Menschen durch den Waffengebrauch getödtet werden können, der wird, wenn die Anordnung ins Leben tritt, die der Herr Kriegs⸗Minister heute verkündet hat, vollständig ausgeschlossen sein. Dabei sollte sich der Herr Vorredner beruhigen und abwarten, ob Posten, die ohne Munition aufziehen, auch ferner ein solches Unheil anrichten werden, wie es von ihm beklagt wird. (Bravo!)
Abg. Gröber (Centr.): So anerkennenswerth auch das Entgegen⸗
kommen des Kriegs⸗Ministers gegenüber seinem Auftreten in der
vorigen Tagung sei, so könne es doch nicht genügen. Eine Grenze zwischen belebten und unbelebten Straßen werde sich schwer ziehen lassen, und die öffentliche Sicherheit sei nach wie vor bedroht. Der ganze Fehler liege in den alten preußischen Gesetzen von 1835 und 1837, nicht eigentlich in der Resolution. Kein Mensch werde ver⸗ langen, daß der Wachtposten thatenlos dastehe, wenn jemand ein Pulvermagazin in die Luft sprengen wolle. Darum handele es sich auch gar nicht, daß der Posten gegen einen mörderischen An⸗ riff schutzlos sein solle, sondern nur um die Vereitelung der Flucht. Hie Hauptsache sei, daß man veraltete Gesetze aufhebe und an deren Stelle ein einheitliches, klares, den heutigen Anschauungen entsprechendes Reichsgesetz mache; erst dann werde den vorhandenen Mißständen ab⸗ geholfen werden.
Abg. Dr. Eberty (dfr.): Er könne sich den Ausführungen des Vorredners nur anschließen. Die Frage sei keine Parteifrage; alle “ des Hauses seien verpflichtet, zum Schutz ihrer nichtbewaffneten Mitbürger einzutreten; der Wacföneberxu des Militärs sei jetzt mit den unendlich vervollkommneten Waffen viel Fenebehche. als 1837; die EEö der Geschosse sei gegen früher die fünffache. Warum eine Codification dieser Bestimmungen die Sache verschlechtern solle, verstehe er nicht. 1 8
d Dr. Hartmann (deutscheons.): Er halte die Anordnung des Kriegs⸗Ministers für eine 8 bedeutsame und folgenreiche. Wenn künftig in belebten Straßen mit scharfen Patronen nicht aufziehen dürften, dann sei die Wiederkehr solcher Fälle wie in Berlin und Straßburg, so ziemlich ausgeschlossen. Allerdings sei der Reichstag in seiner vorjährigen Resolution weitergegangen, er habe eine den veränderten Verhältnissen entsprechende Revision der Bestimmungen über den Gebrauch der Schußwaffen durch die Militärposten her⸗ beigeführt sehen wollen. Durch die Erklärung des Kriegs⸗Ministers sei der Fall nicht berührt, daß auf einen Fliehenden geschossen werden müsse. Der Fall stehe in den deutschen Gesetzen einzig da, daß wegen des geringsten Versehens von den Beamten — hier von
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den Soldaten — von der Schußwaffe Gebrauch gemacht werden
könne. Eine solche Bestimmung passe nicht mehr in die jetzige Zeit hinein. Er wünsche deshalb, daß der Bundesrath der vorjährigen Resolution Folge geben möge. Ein solches Entgegenkommen des Bundesraths würde gerade in der jetzigen Zeit einen besonderen Eindruck machen. . 4182
Abg. Dr. Petri (nl.): So dankenswerth die Züficherung des Kriegs⸗Ministers sei, daß Wachtposten in belebten Straßen nicht mehr mit scharfen Patronen versehen werden sollten, so sehr bedauere er seine Antworten, wegen einiger Punkte den gerechten Wünschen, die von dem Reichstag ausgesprochen seien, nicht entgegenkommen zu wollen. Das gelte zunächst davon, daß der Krie Minister seine Zu⸗ sicherung auf die belebten Straßen beschränkt habe; das sei ein sehr elastischer Begriff. Er hätte es mit Freude begrüßt, wenn der Kriegs⸗Minister gesagt hätte, in Städten sollten allgemein die Wacht⸗ posten nicht mehr mit scharfen Patronen vessehen werden. Des weiteren habe er keine Aufklärung gegeben wegen der Resolution vom vorigen Jahre. Im Wege der Instruction lasse sich viel erreichen, aber was der Reichstag als Wunsch ausgesprochen habe, könne nicht durch Resolutionen, sondern einzig und allein im Wege der Gesetz⸗ gebung abgeändert werden. 8
Damit schließt die Besprechung.
Die allgemeinen Rechnungen über die Etatsjahre 1884/85 bis 1888/89, sowie die Uebersicht der Ausgaben und Ein⸗ nahmen für 1891/92 werden der Rechnungscommission über⸗ wiesen.
Der Gesetzentwurf, betreffend die Controle des Reichs⸗ haushalts und des Landeshaushalts von Elsaß⸗Lothringen, wird in erster und zweiter Berathung ohne Besprechung er⸗ bangt. Der Text des Gesetzes gelangt unverändert zur An⸗ nahme.
Die Rechnung der Kasse der Ober⸗Rechnungskammer für 1889/90 geht an die Rechnungscommission. 5 1
Es folgt die erste und zweite Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Anwendung der für die Einfuhr nach Deutschland vertragsmäßig be⸗ stehenden Zollbefreiungen und Zollermäßigungen gegenüber den nicht Höö“ Staaten.
Durch das Gesetz wird der Bundesrath ermächtigt, gegen die Einräumung gewisser Vortheiledie bis zum 1. Dezember gewährten Zollbefreiungen u. s. w. bis längstens zum 1. April 1893 den nicht meistbegünstigten Staaten zuzugestehen.
Abg. Freiherr v. Pfetten (Centr.): Er sei überrascht durch den Gesetzentwurf, wodurch die Regierung sich eine derartige Vollmacht ertheilen lassen wolle in einem AÄugenblick, wo der Reichstag versam⸗ melt sei. Er könne sich nicht verhehlen, daß eine derartige Ermäch⸗ tigung auch im materiellen Sinne weiter gehe, als es nothwendig sei. Es würden damit Rechts gewährt, die später wieder aufzuheben sehr schwer seien. Schwere Bedenken habe er, die Vorlage in dem Um⸗ fange zu gewähren, wie sie nach dem Wortlaut des Gesetzentwurfs
Er erwarte, daß von dieser Befugniß nur Gebrauch gemacht werde, soweit es die Motive zuzulassen schienen, indem diese nur von Spanien und Rumänien sprächen. Bevor er aber nicht die Gewißheit habe, daß die Regierung von der verlangten Be⸗ fugniß lediglich Gebrauch mache denjenigen Staaten gegenüber, denen das Reich jetzt schon auf Grund des Gesebes vom 30. Januar d. J. die Meistbegünstigung gewährt habe, könne er dem Gesetzentwurf seine Zustimmung nicht geben. Das Opfer, welches die deutsche Landwirthschaft in den Handelsverträgen gebracht habe, laste schwer auf ihr; man sollte daher nicht versäumen, bei den Vertragsverhand⸗ lungen mit auswärtigen Staaten die gesetzlich bestehenden ordnungs⸗ mäßigen Interessenvertretungen zu hören, bevor weitere Verträge zum Abschluß gelangten, damit der Reichstag nicht wieder vor die Wahl gestellt werde, im ganzen anzunehmen oder abzulehnen.
Staatssecretär Freiherr von Marschall:
Ich kann die Auffassung des geehrten Herrn Vorredners bezüglich der Tragweite des Gesetzentwurfs dahin als richtig bestätigen, daß die verbündeten Regierungen lediglich gewillt sind, von den ihnen durch das Gesetz gegebenen Befugnissen jenen Staaten gegenüber Gebrauch zu machen, denen wir jetzt schon auf Grund des Gesetzes vom 30. Januar d. J. vorübergehend die Meistbegünstigung gewährt haben, nämlich Spanien und Rumänien. Mit beiden Staaten sind wir in diesem Augenblick in Handelsverhandlungen eingetreten, und es liegt auf der Hand, wie mißlich es wäre, wenn gerade in diesem Augenblick die provisorischen Uebereinkommen, mit welchen wir uns gegenseitig die Meistbegünstigung gewähren, außer Kraft träten. Ich erkenne mit dem Herrn Vorredner an, daß es ein etwas ausnahmsweises Vor⸗ gehen der verbündeten Regierungen ist, daß wir in diesem Augenblick eine Verlängerung der discretionären Gewalt erbitten, wo der Reichs⸗ tag bereits versammelt ist. Es ist deshalb geschehen, weil die be⸗ treffenden Abkommen in wenigen Tagen ablaufen und es dringend nothwendig ist, keine Lücke entstehen zu lassen.
Im übrigen möchte ich nur noch die Bitte hinzufügen, die An⸗ gelegenheit möglichst als eine dringende zu behandeln. Es bedarf noch der Kaiserlichen Sanction des Gesetzes, es müssen noch mit Rumänien und Spanien die betreffenden Abkommen getroffen werden, und es bedarf noch der Genehmigung des Bundesraths; auch liegt auf der Hand, daß die Interessenten möglichst bald wissen müssen, woran sie sind.
Ich kann Sie nur bitten, dem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben.
Abg. Dr. von Frege (deutscheons.): Diese Erklärung werde in weiten Kreisen im Lande mit Genugthuung begrüßt werden und eine allgemeine Beruhigung zur Folge haben. Ohne diese Erklärung haͤtte man in weiten Kreisen befürchten können, daß sich hinter dieser scheinbar gleichgültigen Form mehr verberge, was berechtigte Interessen schwer gefährdet hätte. Solange der Reichstag nicht versammelt gewesen sei, habe die Regierung mit einer solchen Vollmacht ausgestattet werden müssen, weil sonst Schwierigkeiten in den internationalen Verhandlungen eingetreten wären, aber jetzt, wo der Reichstag versammelt sei, sei es denkbar, daß diese Vollmacht nicht nöthig gewesen sei. Aber nachdem der Staagtssecretär aus⸗ drücklich hervorgehoben habe, daß es sich nur um Handelsvertrags⸗ verhandlungen mit Spanien und Rumänien handele, so stellten seine Faräigenossn⸗ welche die Frage eingehend erwogen hätten, ihre Be⸗ orgnisse zurück und seien geneigt, die Vollmacht zu ertheilen; sie ingen davon aus, daß daraus irgendwelche Prä e einem Staate gegen⸗ über, der mit Deutschland nicht im Meistbegünstigungsverhältniß stehe, nicht gefolgert werden könnten. Deutschlands Beziehungen zu Spanien seien außerordentlich wichtig wegen der nach Spanien ausführenden Spritindustrie, deren Interessen mit denen der Boden⸗
verstanden werden könnte.
melioration und des Kartoffelbaus eng zusammenhingen. Die
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