1892 / 281 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 26 Nov 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Hessen.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog hat, wie die „Darmst. Ztg.“ meldet, mittels Entschließung vom 25. d. M. die Inhaberstelle des 1. Großherzoglichen Infanterie⸗ (Leib⸗ Garde⸗) Regiments Nr. 115 übernommen.

Zur Feier des Geburtsfestes des Großherzogs wurde in Darmstadt gestern früh vom Thurme der Stadt⸗ kirche ein Choral geblasen; eine Stunde vorher fand Morgen⸗ musik vor der Dragonerkaserne statt. Die militärischen, staat⸗ lichen, städtischen und viele Privatgebäude hatten Flaggen⸗ schmuck angelegt, die Wachen und Posten trugen zur Feier des Tages Paradeanzug. In den Schulen fanden im Laufe des Vormittags Festacte statt.

Das österreichische Abgeordnetenhaus setzte gestern die Specialdebatte über das Budget⸗Capitel „Reicherath“ fort. Die Jungezechen erklärten, die Ernennung eines Landsmann⸗ Ministers sei ihnen gleichgültig; sie beständen aber darauf, weil dies seinerzeit den Altczechen als Preis für ihren Eintritt n den Reichsrath zugestanden worden sei.

In der gestrigen Sitzung des ungarischen Unter⸗ hauses rief, wie „W. T. B.“ meldet, ein Conflict zwischen dem Abgeordneten Andreanzky und dem Präsidium stürmische Scenen hervor, die eine kurze Unterbrechung der Sitzung nothwendig machten. Auch nach der Wiederaufnahme der Sitzung dauerte die Unruhe noch an, bis endlich durch Vermittelung des Minister⸗ Präsidenten Dr. Wekerle Graf Apponyi zum Worte kommen konnte. Graf Apponyi sprach seine Zweifel aus, daß die Re⸗ gierung die politische Befähigung zur Durchführung des auf⸗ gestellten Programms besitze, und erklärte unter stürmischem Beifall der Opposition, auch das gegenwärtige Programm des Liberalismus werde unfruchtbar bleiben. Gegenüber der Be⸗ hauptung des Grafen Apponyi, die Angriffe gegen den Aus⸗ gleich blieben im österreichischen Reichsrath unwidersprochen und ungerügt, erklärte der Minister⸗Präsident Dr. Wekerle, die österreichische Regierung respectire aufrichtig die Parität. Die Bestrebungen zum Umsturz des Ausgleichs fänden Allerhöchsten Orts keine Beachtung. Der Minister⸗Präsident gab ferner seiner Ueberzeugung von der Durchführung des aufgestellten Programms Ausdruck. Selbst der niedere Klerus werde die Drohungen wegen der Kirchenpolitik nicht verwirklichen, weil seine Vaterlandsliebe viel größer sei als der Wunsch nach einem Conflict.

Großbritannien und Irland.

Bei einem vorgestern den liberalen Parlamentsmitgliedern Causton und M'Arthur gegebenen Bankett hat der Minister des Innern Asquith die Ansichten der Regierung über aus⸗ wärtige und innere Angelegenheiten dargelegt. In der auswärtigen und Colonialpolitik, sagte der Minister, müsse Con⸗ tinuität herrschen. Was jedoch die inneren Angelegenheiten anbe⸗ treffe, so werde die Politik der jetzigen Regierung im principiellen Gegensatz zu derjenigen des verflossenen conservativen Gou⸗ vernements stehen. Indem das Land eine liberale Regierung gewählt, habe es ihr die Pflicht auferlegt, durch Gesetzvor⸗ schläge dafür zu sorgen, daß die Kluft, die zwischen England und Irland bestehe, für immer aus der Welt geschafft werde. Dieser Aufgabe werde sich die Regierung mit Unterstützung der öffent⸗ lichen Meinung und des Parlaments unterziehen. Eine zweite Re⸗ form, deren Ausführung ihr aufgetragen sei, sei die Veränderung des jetzigen Wahlgesetzes. Unter den übrigen Aufgaben sei ferner auch die, daß die Centralregierung und die Local⸗ und Ge⸗ meindebehörden in den Stand gesetzt würden, den Anforde⸗ rungen genügen zu welche die socialen Verhältnisse

sie stellten.

unserer Zeit an Frankreich.

Der Senat hat in seiner vorgestrigen Sitzung eine Commission zur Prüfung des Gesetzentwurfs über die Ab⸗ änderung des Preßgesetzes erwählt.

Die Deputirtenkammer nahm gestern bei der Berathung des Entwurfs über die Reform der Getränkesteuer mit 342 gegen 129 Stimmen eine von dem Deputirten Méline eingebrachte Resolution an, worin die Regierung auf⸗ wird, innerhalb Jahresfrist eine Vorlage über

ie Errichtung ländlicher Branntwein⸗Brennereien nach Art der in Deutschland und Belgien vorhandenen, einzubringen.

Der Kriegs⸗Minister hat der Kammer den Gesetz⸗ entwurf über die Cadres und die Effectivbestände des Heeres zugehen lassen. In der Begründung wird laut Mel⸗ dung des „W. T. B.“ ausgeführt, die Vorlage habe einen rein defensiven Charakter; es sollten nur die Mobilisirungsverhältnisse verbessert werden, ohne daß zugleich die Friedenspräsenz⸗ stärke abgeändert werde. Auch führe die Vorlage keine Er⸗ höhung des Militär⸗Etats herbei. Durch den Gesetzentwurf wird als neuer militärischer Grad derjenige eines Général d'Armée eingeführt. Solcher Generale sollen zehn eingestellt werden, für die das Lebensalter von 66 Jahren als Altersgrenze der Diensttauglichkeit festgesetzt wird. Zwanzig Brigade⸗General⸗ stellen sollen neu errichtet werden. Jedes Infanterie⸗Regiment soll einen Bataillons⸗Commandeur, jede Compagnie einen Hauptmann mehr erhalten. Diese Hauptleute sind für die Cadres der Reserve⸗Regimenter bestimmt. Die Cavallerie wird um 3 Regimenter, 6 Obersten und 53 Rittmeister, die Artillerie um 2 Bataillone Festungsartillerie und 2 Regimenter Gebirgs⸗ artillerie, die Fußtruppen um 2 Bataillone Alpenjäger und 2 Bataillone Genietruppen vermehrt. Mehrere Offtzierstellen, darunter Bataillons⸗ und Regiments⸗Adjutanten, werden ab⸗ geschafft und die Forderungen in verschiedenen Kapiteln des Militär⸗Etats herabgesetzt.

Unter großem Zudrang des Publikums fand gestern vor dem Pariser Appellhofe der erste Termin in der Unter⸗ suchung wegen der Panama⸗Angelegenheit statt. Die Angeklagten waren nicht erschienen. Die Angelegenheit wurde daher .. Antrag der Anwälte bis zum 10. Januar 1893 vertagt.

ie parlamentarische Untersuchungscommission in der RReenbei vernahm gestern den Minister⸗Präsidenten Loubet, welcher der die Vorlegun der gerichtlichen Acten in Aussicht stellte. Darauf wurde der Deputirte Delahaye ver⸗ hört, der sich auf die Wiederholung der allgemeinen Behauptungen, die er in der Kammer vorgebracht hatte, beschränkte und im übrigen erklärte, er könne keinerlei

Commission

Namen nennen, deren Träger dem politischen Leben ange⸗ hörten; er besitze keine materiellen Beweise und müsse sich darauf beschränken, die Namen von Finanzmännern anzugeben, welche etwa Auskunft geben könnten. Zugleich überreichte Delahaye der Commission ein versiegeltes Schreiben, worin, wie die Abend⸗ blätter melden, die Fragen verzeichnet sind, die nach Ansicht Delahaye's den verschiedenen Zeugen in der Verhandlung über die Panama⸗Angelegenheit vorzulegen sein würden. Auch der Redacteur des Journals „Libre Parole „erklärte, nichts aus⸗ sagen zu können; Drumont allein, der gegenwärtig im Gefängniß Sainte⸗Pélagie eine Strafe verbüße, könne Aufschluß geben. Die Commission beantragte bei dem Justiz⸗Minister Ricard, Drumont zu gestatten, vor der Commission zu erscheinen und Aussagen zu machen. Sie beschloß ferner, die Regierung zu ersuchen, über die Ursachen des plötzlichen Todes des Varons Reinach Nachforschungen anzustellen, und wenn sich Selbst⸗ mord ergeben sollte, die Papiere des Verstorbenen durchsuchen zu lassen. Der ehemalige Deputirte Hugues, der von einem Pariser Blatt in der Panama⸗Angelegenheit als mitschuldig be⸗ zeichnet worden war, hat die Commission ersucht, ihn uͤber diese Anklagen zu hören. Die „Cocarde“ veröffentlicht jetzt Einzelheiten über die angebliche Bestechung Floquet's. Dieser hätte anfangs Januar 1888 einhunderttausend Franken, Ende Januar wieder hunderttausend, dann im April 1888 die letzten hunderttausend Franken erhalten, aber nicht als Geheimfonds, sondern zur eigenen Benutzung. Der Leiter der „Cocarde“ Ducret ver⸗ langt, hierüber vom Untersuchungsausschuß vernommen zu werden. Wie verlautet, beabsichtigen mehrere Deputirte, die Regierung darüber zu interpelliren, weshalb der Justiz⸗ Minister unterlassen habe, die Papiere des Barons Reinach unter Siegel zu legen, wozu er, weil Reinach gerichtlich ver⸗ folgt wurde, verpflichtet gewesen sei.

Eine Privatdepesche aus Portonovo meldet, der Gou⸗ verneur Ballot und der Generalstabs⸗Chef Oberst Gonard seien von Abomey zurückgekehrt und würden sich nun nach Abomey⸗Kallavi und Whydah begeben, um die Paci⸗ fication des Küstengebiets zu sichern. Die meisten Stämme hätten die französische Oberhoheit anerkannt. Der Gesund⸗ heitszustand der Truppen sei ein vorzüglicher. General Dodds sei damit beschäftigt, aus Eingeborenen bestehende Behörden einzusetzen.

Italien.

Im Senat erklärte gestern der Minister des Auswärtige Brin, er werde die Interpellation Lampertico's wegen der Weinclausel am Montag beantworten.

Unter den in der Deputirtenkammer bereits ein⸗ gebrachten Interpellationen befinden sich vier wegen an⸗ geblicher Einmischung der Regierung in die Wahlen und zwei wegen der Vertheidigung Siciliens angesichts der Umwandlung Bisertas in einen Kriegshasen.

Schweiz.

Das „Handelsamtsblatt“ erklärt, daß, wenn die fran⸗ zösische Kammer und der französische Senat bezüglich der in dem Handelsübereinkommen zwischen Frankreich und der Schweiz vereinbarten Zollreductionen eine gleich ungünstige Haltung wie die Zolltarifcommission einnehmen und die Reductionen theilweise oder ganz verwerfen sollten, alsdann das ganze Handelsübereinkommen, die Literarconvention mit eingeschlossen, seitens der Schweiz als gescheitert betrachtet werden müsse. Die Anwendung des Differential⸗ statt des Conventional⸗Zolltarifs werde dann un⸗ vermeidlich sein. Es sei zu hoffen, daß das französische Parlament die Motive würdige, welche die Regierung zu Gunsten der Tarifreductionen geltend machen werde. Gemäß ihrer Erklärung vom 20. Juli werde die französische Regierung Alles thun, um den Erfolg des Abkommens auch aus allge⸗ meinen Rücksichten zu sichern.

Belgien.

In der gestrigen Vormittagssitzung der internationalen Münzceonferenz legten, wie „W. T. B.“ berichtet, die Delegirten der Vereinigten Staaten ihre Vorschläge vor und gaben der Hoffnung Ausdruck, daß auch die Vertreter der anderen Staaten mit Vorschlägen hervortreten würden. Die Grundzüge des von den Vereinigten Staaten befürworteten Projects eines internationalen bimetallistischen Währungs⸗ systems entsprechen dem Project, welches Moritz Levy der Münzconferenz vom Jahre 1881 unterbreitet hat, sowie dem in mehreren Blättern im laufenden Jahre veröffentlichten Entwurf Soetbeer's. Die amerikanischen Delegirten befür⸗ worteten die Wiederherstellung und Erhaltung eines festen Werthverhältnisses zwischen Gold und Silber sowie den ständigen Gebrauch beider Metalle als Münz⸗ geld. Zur Erreichung dieses Ziels müßten die gesetzlichen Be⸗ schränkungen, denen die Ausprägung von Silber unterworfen sei, aufgehoben und ein internationales Uebereinkommen über die Wiederherstellung eines festen Werthverhältnisses zwischen den beiden Metallen herbeigeführt werden. Die Hauptpunkte derherbei⸗ zuführenden Vereinbarung seien demnach die von jeglicher Be⸗ schränkung befreite Ausprägung von Gold und Silber zu Geld mit uneingeschränkter Zahlungskraft und die Bestimmung eines festen Werthverhältnisses zwischen beiden Metallen. In der Nachmittagssitzung erklärten die Delegirten des Deutschen Reichs und Oesterreich⸗Ungarns, sie seien im Besitze von Instructionen ihrer Regierungen. Letztere wünschten in der gesetzlichen Regelung des Münzwesens, wie sie zur Zeit bestehe, keinerlei Aenderungen zu treffen. Die russischen Delegirten betonten, daß sie ihre Regierung nach keiner Richtung hin verpflichten könnten und an den Be⸗ rathungen nur unter allem Vorbehalt theilnehmen würden. Tirard, als Wortführer der französischen Ver⸗ treter, und die Delegirten der lateinischen Münzunion erklärten sich bereit, jeden Vorschlag, der das Silber zu rehabilitiren geeignet sei. mit aller Sorgfalt zu prüfen. Die englischen Vertreter schlossen sich den Ausführungen der Amerikaner an. Die Ab⸗ gesandten der Niederlande, Spaniens und Mexikos er⸗ klärten sich gleich England bereit, dem Principeines ausgedehnteren Gebrauchs des Silbers zu Münzzwecken zuzustimmen, während die rumänischen, italienischen, schweizerischen und griechischen Delegirten betonten, daß sie von ihren Regierungen zu irgend welchen bindenden Erklärungen nicht ermächtigt seien.

8 Dänemark. Das Ministerium des Aeußern hat gestern ein

zwischen der dänischen und spanischen Regierung ver⸗ einbartes Abkommen veröffentlicht, wonach dänische Producte

8 11““

bei der Einfuhr in Spanien, Cuba und Porto⸗Rico nach dem

Minimal⸗Zolltarif behandelt werden sollen.

Alrmerika.

Der Präsident der Senatscommission für Einwanderungs⸗ wesen Chandler erklärte, wie „W. T. B.“ aus Washington meldet, gegenüber einem Berichterstatter: er werde der Commission einen Antrag unterbreiten, wonach niemand zur Einwande⸗

rung in die Vereinigten Staaten zunelassen werden solle,

der nicht des Lesens und Schreibens in seiner Muttersprache kundig und im Besitz von mindestens 100 Doll. und für den Fall, daß er Frau und Kinder in seiner Begleitung habe, im Besitz eines höheren Betrages sei. Chandler sprach die Meinung aus, daß die Einwanderung für fünf Jahre vollständig verboten

werden müsse, um ein Sinken der Löhne zu verhindern. Jeder

Reisende müsse einen Paß erhalten, durch den die Dauer des zulässigen Aufenthalts festgesetzt werde. Personen, deren Eltern in den Vereinigten Staaten ansässig seien, solle es jedoch nicht verwehrt werden, zum dauernden Aufenthalt bei ihnen zurückzukehren.

Asien.

Der „Times“ wird aus Kalkutta vom 25. d. M. meldet: Sherafzul Khan, ein Bruder des ehemaligen Herr⸗ schers von Chitral, habe einen Einfall in Chitral gemacht, den jetzigen Herrscher Afzululmulk sowie seinen Bruder Murreed ermordet und die Herrschaft an sich gerissen. Die Bevölkerung von Chitral habe sich ihm unterworfen

Auftralien.

Gestern in London eingetroffene Telegramme des „Reuter schen Bureau“ aus San Francisco bestätigen die in Nr. 274 des „R.⸗ u. St.⸗A.“ gebrachte Nachricht aus Samoa, daß unter den Eingeborenen der Insel Tutuila Unruhen ausgebrochen sind. Die Kämpfe an der Pagopago⸗Bai be⸗ gannen am 24. Oktober. Der Häuptling Leiato griff das Dorf Aoa an und tödtete 4 Bewohner desselben. Am 29. Oktober begaben sich Abgesandte aus Fagatono Aoa nach Pagopago, um Friedensbedingungen zu verein⸗ baren, wurden aber von den Fayasaas, welche sich der Pagopago⸗ Partei angeschlossen hatten, mit Schüssen empfangen. Faga⸗ tono Aca wurde in Brand gesteckt und der ganze östliche Theil zerstört. Der Häuptling Leiato begab sich hierauf auf die Insel Anuu in eine befestigte Stellung. Am 4. Oktober sind bei den Samoa⸗Inseln drei englische Kriegsschiffe eingetroffen.

Ein weiteres Telegramm des „R. B.“ aus San Francisco vom 25. d. M. meldet, der britische Kreuzer „Rapid“ habe sieben Dörfer der Eingeborenen auf den englischen Salomo⸗Inseln bombardirt und zerstört. Der Capitän habe sodann über die Eingeborenen, die der Theilnahme an der Ermordung des Kaufmanns Nybert und eines anderen Europäers bezichtigt seien, Gericht abgehalten; ein Eingeborener sei hingerichtet worden.

Parlamentarische Nachrichten.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 10. Sitzung vom 26. November, 11 Uhr.

Der Sitzung wohnen bei der Präsident des Staats⸗ Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg und der Finanz⸗Minister Dr. Miquel.

Die erste Berathung des Entwurfs eines Communal⸗ steuergesetzes wird fortgesetzt.

Abg. Gerlich freicons.): Er könne nicht anerkennen, daß das Gesetz allgemein verständlich und gerecht sei. Die Dorfschulzen hätten nicht Zeit, die Steuergesetze durchzulesen, weil sie ihre Landwirthschaft be⸗ treiben müßten. Wenn sie sich aus dem Gesetz nicht vernehmen könnten, dann würde die Regierung eingreifen und alles nach der Schablone machen. Richtiger wäre es gewesen, für Stadt und Land getrennt Gesetze zu machen, denn die Verhältnisse seien zu verschieden. Manche Städte hätten allerdings mit schwierigen Verhältnissen zu kämpfen, allein das liege auch zum theil daran, daß die Städte zu theuer gewirthschaftet hätten. Auch hätten sie viel zur Beschäftigung der Arbeitslosen aufzuwenden. Auf die Gefahr hin, von der freisinnigen Partei gesteinigt zu werden, müsse er gegen die Freizügigkeit sprechen und die Städte auffordern, Einzugsgelder zu erheben, um die Uebervölkerung fern zu halten. Ferner sollten die Gemeinden statt Steuern Gebühren erheben; denn sie müßten für gewisse Verrichtungen Beamte anstellen; die Leute, welche davon Nutzen ziehen, müßten also auch dafür zahlen. Redner wendet sich dann gegen die Vermögenssteuer, welche namentlich die Landwirthschaft belasten werde. Auch dieses Gesetz bringe eine Neu⸗ belastung der Landwirthschaft, denn durch die Aufhebung der 1ex Huene würden die Kreissteuern erhöht werden, und diese Kreissteuern sollten hauptsächlich durch Zuschläge zur Grund⸗ und Gebäudesteuer aufgebracht werden. Die Buntscheckigkeit der Communalsteuer⸗Ver⸗ hältnisse sei eine Folge der Verschiedenartigkeit der Verhältnisse, und es würde bedenklich sein, alles zu schablonisiren. Man sollte sich hüten, den Gemeinden, in die schon die Landgemeindeordnung tief eingegriffen habe, ihre letzten Eigenthümlichkeiten zu nehmen. Redner bemerkt übrigens zum Schluß, daß er nicht im Namen seiner Partei gesprochen habe. b

Abg. Vopelius (freicons.) bestätigt in einer Erklärung zur Geschäftsordnung, daß der Vorredner ganz im Gegensatz zu der frei⸗ conservativen Partei gesprochen habe.

Abg. S eyffarth⸗Magdeburg (ul.): Die Vorlage wolle den Streitigkeiten, welche bisher zwischen den Stadtgemeinden und der Regierung über die Höhe der Zuschläge zu den Real⸗ und Personalsteuern geschwebt hätten, ein Ende machen. Die Zu⸗ schlägge zu beiden Steuern sollten gleich hoch sein. Die Zuschläge zu den Realsteuern könnten aber auf das 1 9½fache der Per⸗ sonalsteuerzuschläge erhöht werden. Für die Normalgemeinden, in welchen neben den unteren Volksklassen der Mittelstand und die Wohl⸗ habenden gleichmäßig vertreten seien, möge dieser Maßstab passen, aber nicht für die industriellen Gemeinden, in welchen die arbeitenden Klassen überwiegen; es fehle dort an dem Realbesitz, der steuerkräftig genug wäre. Die wohlhabenden Klassen in den Industriegemeinden des Westens, welche vermöge des Dreiklassenwahlsystems und des Census die Herrschaft hätten, hätten deshalb freiwillig hohe Zuschläge zu den Personal⸗ steuern übernommen im Intcresse ihrer Arbeiter und des ärmeren Volks. In diesen Gemeinden sei der Hausbesitzer ein kleiner Mann, nicht der Rentier, wie in Berlin. Wenn diese Haus⸗ besitzer erheblich belastet werden, dann würden sich die Wohnungs⸗ verhältnisse des armen Mannes verschlechtern. Diese Seite der Frage möchte er (Redner) dem Herrn Minister zur Erwägung anheim geben; er hoffe bei ihm Verständniß dafür zu finden. Der Tendenz des Gesetzes habe er sonst nichts vorzuwerfen, er möchte nur solche bedenklichen Einzelbestimmungen geändert wissen. Durch die Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer würde ja im Osten eine erhebliche Erleichterung geschaffen, aber für die Industrie⸗ gemeinden würde die Ueberweisung drei⸗ oder viermal so hoch sein. Vielleicht würde man als Ersatz indirecte Steuern einführen können,

geh oben worden.

er möchte aber die absolut nöthigen Lebensmittel nicht besteuert sehen, sondern die Genußmittel. Er freue sich, daß der Finanz⸗Minister nach dieser Richtung hin Verhandlung en eingeleitet habe.

Im weiteren Verlauf der Berathung nahmen bis zum Schluß des Blatts noch das Wort der Finanz⸗Minister Dr. Miquel, der Präsident des Staats⸗Ministeriums Graf zu Eulenburg sowie die Abgg. Kelders (nl.), Würmer⸗ ling (Ctr.), Sombart (nl.), von Tiedem ann⸗Labischin (frc.), und Meyer⸗Berlin (dfr.)

Im Reichstage sind folgende Anträge eingebracht worden:

von den Abgg. Graf von Ballestrem (Centr.) und Genossen ein Antrag zur Aufhebung des Gesetzes gegen den Orden der Ge⸗ sellschaft Jesu;

von dem Abg. Gröber (Centr.) des Wahlgesetzes. 1

Antrag

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Giebt Jemand seinem Geschäftsfreunde sein Wechselaccept, damit sich dieser damit bei anderen Personen Credit verschaffe, und geräth sodann der Geschäftsfreund in Konkurs, so macht sich dieser nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Strafsenats, vom 21. Juni 1892, im Gebiete des Preußischen Allgemeinen Landrechts dadurch nicht der strafbaren Gläubigerbegünstigung 211 Konk.⸗Ordn.) schuldig, daß er den Acceptanten vor den übrigen Gläubigern sicherstellt.

Bei Einräumung einer Reallast auf einem Grundstück durch Vertrag ist nach einem Urtheil des Reichsgerichts, V. Civilsenats, vom 24. September 1892, im Gebiete des Preußischen Eigenthums⸗ erwerbsgesetzes der Grundeigenthümer ohne weiteres verpflichtet, auf Verlangen des Gegencontrahenten die Eintragung der Berech⸗ tigungen im Grundbuche zu veranlassen. 6

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Cholera. Pest, 25. November. In den letzten 24 Stunden sind hier vier Personen an der Cholera erkrankt und 2 gestorben. .

8 Großbritannien. Durch Verordnung des Local Governme vom 16. November 1892 ist das Verbot der Einfuhr von Lumpen, Bettzeug, gebrauchter und schmutziger Kleidungsstücke aus Däne⸗ mark nach England wieder aufgehoben worden. (Vergl. „Reichs⸗ Anzeiger“ Nr. 251 vom 22. Oktober 1892.)

Portugal. 8 Durch eine im „Diario do Goberno“ vom 21. November 1892 veröffentlichte Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern wird der bisher als von Cholera „verseucht“ angesehene Hafen von Havre für seit dem 1. d. M. derselben Krankheit „ver⸗ dächtig“ erklärt. 8 Lurembureg.. Die Großherzoglich luxemburgische Regierung hat mittels Be⸗ schlusses vom 19. November 1892 das aus Anlaß der Choleragefahr ergangene Ein⸗ und Durchfuhrverbot von Hadern, Lumpen, Bettzeug, getragener Wäsche und alten Kleidern wieder aufgehobe Vergl. R.⸗A.“ Nr. 214 vom 10. September 1892.)

Rumänien.

Die achttägige Quarantäne am Tschatal von Ismall ist seit dem 13. November 1892 auf fünf Tage herabgesetzt worden. (Vergl. „R.⸗A.“ Nr. 272 vom 16. November 1892.)

Die gleiche Ermäßigung ist für die Quarantäne an den Pruth⸗ mündungen eingetreten. (Vergl. „R.⸗A.“ Nr. 254 vom 26. Ok⸗ tob er 1892.)

Schweden.

Die schwedischerseits unter dem 24. (28.) Oktober 1892 er⸗ gangene Bekanntmachung, der zufolge Schiffe aus choleraverdächtigen Orten einer zwölfstündigen Beobachtungsquarantäne zu unterwerfen waren (vergl. „R.⸗A.“ Nr. 260 vom 2. November 1892), ist durch Königlich schwedische Bekanntmachung vom 18. November 1892 auf⸗

Das Gleiche ist der Fall hinsichtlich der Bekanntmachung vom 30. September 1892 (vergl. „R.⸗A.“ Nr. 239 vom 10. November 1892), betr. den Güterverkehr mittels der Dampffähre von Helsingör nach Helsingborrg. 8

Verbreitung von Thierseuchen im Deutschen Reich 8 im Oktober 1892.

(Nach amtlichen Mittheilungen; für Preußen und Braunschweig liegen Nachweisungen nur über Maul⸗ und Klauenseuche vor.)

Fälle von Rotz (Wurm) sind festgestellt in je 1 Gehöfte der Riedlingen (Württemberg) und Neustrelitz (Mecklenburg⸗ Strelitz).

Die Maul⸗ und Klauenseuche ist wiederum in nahezu allen Theilen des Reichs aufgetreten und hat in der Mehrzahl der verseuchten Gebiete eine größere erlangt, als im Sevptember. Neu ergriffen wurden beide euß, das bremische Staats⸗ gebiet, der Regierungsbezirk Stade und der Bezirk Ober⸗ elsaß. Verschont geblieben sind Schwarzburg⸗Sondershausen, Schaumburg⸗Lippe, das lübeckische und das hamburgische Staatsgebiet, ferner die Regierungsbezirke Osnabrück und Aurich sowie das Herzogthum Oldenburg und das Fürstenthum Birkenfeld. Haupt⸗ sächlich von der Seuche betroffen wurden die Regierungsbezirke Königsberg, Marienwerder, Potsdam, Frankfurt, Stettin, Stral⸗ sund, Posen, Bromberg, Breslau, Liegnitz, Merseburg, ferner Ober⸗ und Niederbayern. Ober⸗, Mittel⸗ und Unterfranken, Schwaben, die Kreishauptmannschaften Dresden, Leipzig und Zwickau, der Landes⸗Commissärbezirk Karlsruhe, Oberhessen und beide Mecklen⸗ burg. Im Vergleich zu dem Vormonat weises er⸗ beblich größere Zahlen von verseuchten Ortschaften auf die Regierungsbezirke Königsberg, Gumbinnen, Marienwerder, Stettin, Stralsund, Bromberg, Nieederbayern, Oberpfalz, Ober⸗ und Mittelfranken, Schwaben, die Kreishauptmannschaft Zwickau, die Landes⸗Commissärbezirke Freiburg, Karlsruhe und Mannheim, ferner beide Mecklenburg; geringere dagegen die Regierungsbezirke Posen, Liegnitz und Oberbayern. 8

Fälle von Lungenseuche sind nicht gemeldet worden.

usbrüche von Schafräude wurden ermittelt in je 1 Gemeinde von Oberbayern, der Pfalz, von Ober⸗ und Unterfranken, 4 von Mittelfranken, je 1 von Unterfranken, Schwaben und der Kreishaupt⸗ mannschaft Zwickau, 3 des Jagstkreises, 14 von Oberhessen, 6 von Sachsen⸗Meiningen und 1 von Waldeck.

Verkehrs⸗Anstalten.

Einer Bekanntmachung des Königlichen Eisenbahn⸗ Directionsbezirks Altona zufolge wird vom 1. Dezember d. J. ab der Schlafwagenverkehr 12. Berlin und Hamburg bei den Nachtpersonenzügen Nr. 51 ab Hamburg Berliner Bhf. 11.00 Abends und Nr. 52 ab Berlin Lehrter Bhf. 11,30 Abends wieder aufgenommen. 8 3

Bremen; 26. November. (W. T. B.) Norddeutscher Llopd. Der Reichs⸗Postdampfer Hohenzollern“ von Australien kommend, ist am 24. November Nachmittags in Antwerpen angekommen. Der Reichs⸗Postdampfer „Darmstadt“, nach Ost⸗Asien bestimmt, ist am 25. November in Hongkong angekommen. Der Post⸗ dampfer „Weser“ hat am 25. November Morgens die Reise von Antwerpen nach Corunna fortgesetzt. Der Reichs⸗Postdampfer „Hohenstaufen“, nach Australien bestimmt, ist am 25. November Morgens in Antwerpen angekommen. Der Schnelldainpfer „Trave“, von New⸗York kommend, ist am 25. November Morgens auf der Weser angekommen. Der Reichs⸗Postdampfer „Habsburg“, von Australien kommend, ist am 25. November Nachmittags in Co⸗ lombo angekommen.

London. 25. Nobember. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Anglian“ ist auf der Heimreise gestern von Capetown abge⸗ gangen. Der Union⸗Dampfer ist auf der Ausreise heute von Plymouth abgegangen. Der Castle⸗Dampfer „Dunbar⸗Castle“ ist auf der Ausreise heute von London ab⸗ gegangen.

St. Petersburg, 25. November. (W. T. B.) Die Passage St. Petersburg Kronstadt ist durch Eis gesperrt. D Schiffahrt dürfte mithin als geschlossen anzusehen sein. 1

Theater und Musik.

Lessing⸗Theater.

Wie Berlin im vorigen Jahre unter dem Zeichen der „Cavalleria rusticana“ stand, so jetzt unter dem Zeichen der Signora Eleonora Duse, die mit ihrer kleinen italienischen Theatergesellschaft seit Montag in drei Stücken: „Cameliendame“, „Fernande“ und „Nora“ aufgetreten ist und trotz doppelt und dreifach erhöhter Preise 2 8 . 8 e 8 .,28 . stets wirklich ausverkaufte Häuser erzielt hat. Es ist nicht allein das Fremde, das Italienische, was anlockt: von dem Publikum verstehen die Wenigsten das Italienische so, daß sie im stande wären, ohne Vorbereitung und ohne deutschen Text der Aufführung zu folgen; in gewissem Sinne wird der Genuß also durch die fremde Sprache etwas beeinträchtigt. Was die Schaaren zu Eleonora Duse treibt, ist eine ganz neue Richtung, die sie in der Schauspielkunst vertritt, und ihre Kunst selbst, die ein getreues Abbild der Natur giebt. Die Worte, die in Gold⸗ schrift über dem Bühnenraum des Lessing⸗Theaters angebracht sind: „Kunst und Natur sind Eines nur“, sind bei Eleonora Duse zur vollen Wahrheit geworden. Die Dame verfügt weder über ein bestrickendes Aeußere, noch über ein großes volltönendes Organ. Aber sie ist groß durch die tiefe Erfassung der darzustellenden Charaktere, durch die Aufdeckung auch der kleinsten und geheimsten Falten des menschlichen Herzens, aus denen die Stimmungen, Gesinnungen, Ent⸗ schlüsse und Thaten hervorgehen, und durch eine so natürliche Wieder⸗ gabe des Charakters, daß der Eindruck der Künstelei, der Schau⸗ spielerei völlig verloren geht: es kommt nicht ein Kunstproduct zur Darstellung, sondern ein natürlicher Mensch; man vergißt, daß es Kunst ist, was uns auf der Bühne vorgeführt wird, sondern glaubt, die Cameliendame, die Fernande, die Nora in Wirklichkeit vor sich zu sehen. Man kann ihre Richtung in der Schauspielkunst mit der Hellmalerei vergleichen; die Künstlerin huldigt einem natürlichen, aber nicht unschönen Realismus Das ist neu und macht das große Aufsehen begreiflich. Daß hier und da die Charaktere anders auf⸗ gefaßt werden können, daß sich z. B. der Nora, in welcher Rolle sie gestern auftrat, noch andere Seiten abgewinnen lassen, thut nichts zur Sache: die Auffassungen über einen Charakter gehen auch im ge⸗ wöhnlichen Leben soweit auseinander, daß sich schwer Einigkeit erzielen läßt. Die Hauptsache ist, daß sie uns den Charakter in solcher Natürlichkeit und Ungezwungenheit ohne jedes Pathos, jede Effect⸗ hascherei wiedergiebt, daß er uns als naturwahr erscheint. Uebrigens verdient bemerkt zu werden, daß das Spiel auch der Mit⸗ wirkenden von dem leitenden Stern beeinflußt wird, sodaß sich ein autes harmonisches Zusammenspiel ergiebt. Herr F. Andé (Advocat SIae unterstützte die Künstlerin in wirksamster Weise. Für die Duse⸗Vorstellungen ist von Hermann Bahr ein „Führer“ (im Ver⸗ lage von Alfred H. Fried u. Co. in Berlin und Leipzig) zum Preise von 75 erschienen, der uns nicht nur mit der Person der Künstlerin bekannt macht, sondern auch eine dem Verständniß bestens zu Hilfe kommende Inhaltsangabe der zur Darstellung gelangenden Stücke bietet.

Kroll's Theater.

Der Violin⸗Virtuose Herr Felix Berber trug gestern Abend in seinem zweiten Concert das Violin⸗Concert von Mendels⸗ sohn mit Orchesterbegleitung mit großer Präcision vor; der Ton tritt frei und edel heraus, eine geklärte künstlerische Empfindung durch⸗ dringt den Vortrag, der auch nicht der belebenden Wärme des Gefühls ermangelt. Nicht; weniger gute Eigenschaften, die ein günstiges Zeugniß für die ursprüngliche Begabung des jungen Künstlers ablegen, traten auch in den beiden anderen von ihm zu Gehör gebrachten Piècen, der Séörénade mélancolique von Tschaikowsky und der Ciacconna von Joh. Seb. Bach hervor, sodaß der Concertgeber schnell die herzliche Theilnahme der Hörer ge⸗ wann. Die unter der Leitung des Herrn Zschoppe von dem Kroll’'schen Orchester sehr lobenswerth ausgeführte dritte Leonoren⸗Ouverture eröffnete den Abend in würdiger Weise. Das Programm brachte außerdem einige Gesangsvorträge von Mitgliedern der Kroll'schen Oper. Fräulein Gadski und Herr Bertram sangen das Duett aus dem Fliegenden Holländer „Wie aus der Ferne längst vergangener Zeiten, und die Damen Gadski und Ippen trugen einige Lieder und Duette von Brahms, Rubinstein, Fried und Kleffel zierlich und sauber vor.

Saal Bechstein.

Der junge Pianist Herr Karel Textor [aus dem Haag,, der, unter Leitung des Professors Franz Kullak ausgebildet, in den Nieder⸗ landen bereits in mehreren Städten mit Erfolg concertirt hat, gab gestern hierselbst sein erstes eignes Concert. Mit musterhafter technischer Sicherheit, rundem und gesangreichem Anschlag, der auch im Gebrauch des Forte frei ist von jeder Härte, verbindet der Künstler zugleich verständnißvolle Auffassung und fein⸗ sinnige Vortragsweise: Vorzüge, die in einer Toccata von Bach⸗Tausig wie in Stücken von Grieg, Bizet, Chopin und Liszt vortrefflich zur Geltung kamen. Der Königliche Kammer⸗ musiker Herr M. Salzwedel (Violine), der in Gemeinschaft mit dem Concertgeber den Abend mit einer Sonate von Grieg eröffnet hatte, erfreute noch durch sehr hübsche Solostücke von Saint⸗Saëns, Svendsen und Beiden Künstlern wurde reicher und wohl⸗ verdienter Beifall zu theil. Frau Bielenberg führte die Klavier⸗ begleitung mit gewohnter Decenz auaus.

Am Fenutog geht im Königlichen Opernhause „Mignon“

mit den Damen Rothauser und Dietrich, den Herren Philipp, Schmidt, Lieban, Fränkel und Krasa in Scene. Am Dienstag gelangt „Diamileh; mit den Damen Rothauser und Urbanska, den Herren Philipp, Lieban und Schmidt zur Darstellung. In der darauf folgenden Oper „Freund Fritz“ sind die Damen Pierson und Lammert sowie die Herren Sylva, Betz, Lieban, Philipp und Krasa 8 Am Montag, 5. Dezember, findet die erste Aufführung der Oper „Pagliacci“ (Bajazzi) von Leoncavallo in

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folgender Besetzung statt: Canio, Haupt einer Dorfcomödiantentruppe Hr. Sylva, Nelda, seine Gattin: Frau Herzog; Tonio, Beppo, Mit⸗ glieder der Truppe: Herren Bulß und Herr Philipp; Silvio, ein junger Bauer: Herr Fränkel. Das von Herrn Ober⸗Regisseur Tetzlaff in Scene gesetzte Werk wird von Herrn Kapellmeister Sucher geleitet.

Der Spielplan der Königlichen Oper für die Zeit vom 27. November bis 3. Dezember lautet: Sonntag: „Die Hugenotten“, Montag: „Mignon“, Dienstag: „Djamileh“, „Freund Fritz“, Mittwoch: „Die Zauberflöte“, Donnerstag: „Cavalleria rusticana“, „Prometheus“, Freitag: „Der Troubadour“, „Slavische, Braut⸗ werbung⸗, Sonnabend: „Das goldene Kreuz“, „Die Puppenfee“.

Das Königliche Schauspielhaus bringt am Freitag das von Schiller hinterlassene Fragment des „Demetrius“ neu einstudirt zur Aufführung; hieran schließt sich Gozzi's tragikomisches Märchen „Turandot“ in der Schiller'schen Bearbeitung. Diese Vorstellung wird am Sonntag wiederholt. Am morgigen Sonntag sowie am Dienstag, Donnerstag und Sonnabend finden Wiederholungen des Feeeunacher von Cremona“ und der „Gelehrten Frauen“ von Molidère statt. Der kürzlich neu einstudirte „Fiesco“ kommt am Montag in der be⸗ kannten Besetzung zur Aufführung. Der Mittwoch bringt eine Wiederholung des „Meister Balzer“ von E. von Wildenbruch. Seine Königliche Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen, Regent von Braunschweig, beehrte die Vorstellung des „Geigenmacher von Cremona“ und der „Gelehrten Frauen“ am Mittwoch mit Höchst⸗ seinem Besuch und wohnte auch der gestrigen Wiederholung dieser Vorstellung von Anfang bis zu Ende bei. 3

Die Verwundung des Herrn Sommerskorff ist zwar in der Heilung begriffen, doch wird der Künstler noch für die ganze Woche am Auftreten im Deutschen Theater verhindert sein. In⸗ folge dessen findet die Wiederaufnahme des Trauerspiels „Die Jüdin von Toledo“ mit Joseph Kainz als König Alfons und Lilli Petri als Rahel, neu einstudirt, erst am Freitag statt. Morgen sowie am Dienstag wird „Die Welt, in der man sich langweilt“ gegeben; am Montag geht „Prinz Friedrich von Homburg“ in Scene. Am Mittwoch wird mit der Aufführung des „Misanthrop“ wieder der Einacter „In Civil“ verbunden. Auf Donnerstag ist „Doctor Klaus“, auf Sonn⸗ abend „Lolo's Vater“ angesetzt.

Im Berliner Theater geht das Sardou’sche Schausp el „Dora“ morgen Abend, am Mittwoch und am Sonnabend mit Agnes Sorma, Anna Haverland, Ludwig Barnay und Ludwig Stahl in den Hauptrollen in Scene. Für Montag ist der „Hüttenbesitzer“ an⸗ gesetzt, für Dienstag „Nora“, um Agnes Sorma nach längerer Zeit wieder Gelegenheit zu geben, in der Titelrolle dieses Ibsen'schen Schau⸗ spiels aufzutreten. Am Donnerstag kommt Moser und Schönthan’'s „Krieg im Frieden“ zur Aufführung. Für Freitag (14. Abonnements⸗ vorstellung) ist eine Wiederholung des Trauerspiels „Richard III.“ angesetzt, in der Ludwig Barnav die Titelrolle und Anna Haverland die Margarethe spielen wird. Morgen Nachmittag geht „Wilhelm Tell“ in Scene. Als nächste Bereicherung des Spielplans ist Shake⸗ speare's „Macbeth“ ausersehen.

Im Lessing⸗Theater wird Eleonora Duse am Montag als fünfte Gastvorstellung „Die Cameliendame“ wiederholen und am Mittwoch noch einmal die Gräfin Clothilde in Sardou’'s Schauspiel „Fernande“ spielen. Morgen wird „Die Orientreise“ wiederholt.

Im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater wird von heute ab bis einschließlich Sonnabend, 3. Dezember, „Das ver⸗ wunschene Schloß“ gegeben. 8

Herr Pagay tritt nach seiner Beurlaubung jetzt wieder als Montesson in dem Repertoirestück des Residenz⸗Theaters „Im Pavillon“ (Le parfum) auf; inzwischen wurde seine Rolle von Herrn Haack dargestellt.

Im Kroll'’'schen Sheater ist der Spielplan für die neue Woche folgendermaßen entworfen: Sonntag: „A Santa Lucia“ mit Gemma Bellincioni, Roberto Stagno und Juan Luria; Montag bleibt das Theater wegen Vorbereitung zu „Mala Vita“ geschlossen; Dienstag: zum ersten Male: „Mala Vita“, Melodram in 3 Acten von N. Daspuro, Musik von Humberto Giordano, in den Hauptpartien mit Gemma Bellincioni, Frau Moran⸗Olden, Roberto Stagno und Juan Luria; Mittwoch: „Mala Vita“; Donnerstag: Kurmärker und Picarde“; darauf „Der Trompeter von Säkkingen“; Freitag: „A Santa Lucia“ (Sgra. Bellincioni, Sgr. Stagno, Herr Luria); Sonnabend bleibt das Theater einer Privatfestlichkeit wegen geschlossen.

Im Belle⸗Alliance⸗Theater wird morgen durch eine von

der Theater⸗Agentur Ferd. Röder zusammengestellte Gesellschaft „Der Hüttenbesitzer“ zur Aufführung gebracht. Die Hauptrollen des Stückes sind in den Händen der Damen Gerster, Alberti, Hellmer sowie der Herren Martin Ries. Paul Barthold und Linke ꝛc. Im Theater Unter den Linden wird die erste Aufführung des neuen Haßreiter'schen Ballets „Die Sireneninsel“ nach etwa vierzehn Tagen erfolgen können. Der neue Schwank „Das Baby“ gelangt vorcas sichtlich schon am 3. Dezember an Stelle des bis dahin noch im Programm verbleibenden Gelegenheitsschwankes „Die kleine Primadonna“ zur ersten Aufführung. 8

Im Neuen Theater bleibt die „Liebeshändlerin“ vorläufig weiter auf dem Spielplan.

Auf dem Programm des nächsten Montags⸗Symphonie⸗Concerts im Concerthause stehen Haydn's Symphonie Nr. 4, D-dur, Mexi⸗ kanische TVänze Nr. 1 und 2, eigene Melodie von Goldbeck, unter persönlicher Leitung des Componisten, und Lieder von Bohm, gesungen von Fräulein Bartenwerffer.

Der Pianist Ludwig Hirschberg wird in seinem am 29. d. M., Abends 7 ½ Uhr, im Saal Bechstein stattfindenden Concert u. a. die E-moll⸗Sonate von Grieg, die variations sérieuses von F. Mendelssohn und den Klavierpart in Beethoven’'s A-dur-⸗ Sonate für Klavier und Cello zu Gehör bringen. Das Programm des Concerts, welches Frau Eva Grivot de Grandcourt unter Mitwirkung des Cellisten Herrn Victor Haus⸗ mann am Dienstag Abend 8 Uhr in der Sing⸗Akademie ver⸗ anstaltet, bringt von Vocalcompositionen u. a. eine Arie aus Mever⸗ beer’s „Prophet“, welche die Concertgeberin mit dem französischen Text von Scribe zum Vortrag bringen wird, ferner fünf Lieder aus Schumann’'s Cyelus „Frauenliebe und ⸗Leben“ und eine Gruppe Bungert'scher Lieder.

8 Mannigfaltige .

Ueber die Verwendung jener 50 000 ℳ, die Ihre Majestät die Kaiserin an Allerhöchstihrem Geburtstage aus den Ueberschüssen der Schloßfreiheitslotterie dem engeren Ausschuß des Evangelisch⸗ kirchlichen Hilfsvereins überwiesen hat, sind folgende näheren Be⸗ stimmungen getroffen worden. Die Hälfte der Zinsen dieser 50 000 soll so lange zurückgelegt werden, bis das Kapital dadurch, sowie durch zu⸗ fließende andere Zuwendungen auf 150 000 angewachsen ist. Die andere Hälfte der Zinsen soll zunächst zur Pflege armer Wöchnerinnen oder, falls diese selbst in Kliniken und Wöchnerinnenhäusern aufgenommen sind, zur Pflege ihrer Familien verwendet werden. Bei Vergrößerung des Kapitals will man so verfahren, daß für diese Pflege allmählich immer größere Summen verwendet werden, bis der volle Zinsertrag von 50 000 dem Zwecke zugewendet werden kann. Ueber die An⸗ wendung der weiter verbleibenden Zinsen sollen später Bestimmungen getroffen werden.

Zum Besten der Kinderpflege⸗ und Erziehungsanstalt „Zions Hilfe“ in Schöneberg, welche arme, meist mutterlose Kinder verpfleg und erzieht, wird, wie alljährlich, ein Verkauf in den Räumen de Herrenhauses, Leipzigerstraße 3, vom 1. bis 3. Dezember 1892 statt⸗ finden.

Laut testamentarischer Verfügung sind, wie die „Voss. Ztg.“ meldet, der Direction des Botanischen Gartens aus dem Nach lasse des verstorbenen Rentners Wilhelm Levin 900 zur einmaligen Vertheilung an bedürftige Arbeiter des Botanischen Gartens über

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