SegeCaeeneK.7vF2
dies namentlich hervorgetreten auf demn Gebiete der Naturalleistungen.
Nun kamen die überbürdeten kleinen Leute, welche ganz unverhältniß⸗ mäßige Handdienste im Verhältniß zu den anderen leisten mußten, wiederholt und unausgesetzt an die Aufsichtsbehörde, baten um Schutz, baten um Abhilfe. Wir aber mußten mit verschränkten Armen dabei stehen und konnten nur sagen: bemüht euch, daß die Gemeinde einen anderen Beschluß faßt, wir können euch nicht helfen.
Ich glaube, solche und ähnliche Verhältnisse kommen auch ander⸗ weit vor, sodaß ich Ihnen nur rathen kann, an diesen Bestimmungen nicht zu rütteln; sie sind ein nothwendiges Correlat der den Ge⸗ meinden gewährten Bewegungsfreiheit und um so unentbehrlicher in dem Augenblick, wo wir ein Communalsteuergesetz einführen wollen, welches in manchen Beziehungen eine erhebliche Abänderung des bis⸗ herigen Zustandes herbeizuführen bestimmt ist. (Lebhafter Beifall rechts.)
Abg. Fritzen⸗Borken (Centr.): Er sei zwar gegen die Vorlage
zum Worte gemeldet, aber doch im großen und ganzen mit ihr ein⸗ verstanden. Man habe diesem Gesetze vorgeworfen, daß es ein zu großes Gewicht auf die indirecten Steuern lege: dies sei gerade ein Vorzug des Gesetzes. Düsseldorf bringe durch die Biersteuer 150 000 bis 200 000 ℳ mit großer Leichtigkeit auf, und trotzdem sei das Bier weder theurer noch schlechter geworden als in den Nachbarstädten. Man habe in Düsseldorf auch 1873 die Mahl⸗ und Schlachtsteuer abgeschafft; in den ersten Monaten sei darauf der Fleischpreis um 5 bis 6 ₰ gesunken, aber ein Jahr später habe das Fleisch ebenso viel gekostet wie in den Städten mit Schlachtsteuer. s8 müßte den Gemeinden eine noch größere Freiheit in der Ein⸗ führung indirecter Steuern gegeben werden. Was dieses Gesetz an Gebührenabgaben und sonstigen indirecten Steuern enthalte, sei sehr wenig. Dann mache man dem Gesetz den Vor⸗ wurf, daß es zu unbestimmt sei; bei der Verschiedengestaltigkeit der communalen Verhältnisse sei aber eine allgemeine apodiktische Rege⸗ lung ausgeschlossen. Daß dabei ein Correctiv in der Staatsaufsicht ö sein müsse, sei selbstverständlich. In vielen Städten sei die altpreußische Sparsamkeit verloren gegangen; es herrsche eine ewisse Großstadtsucht, alles so zu haben wie Berlin. Diese Groß⸗ tadtsucht müsse ein Correlat haben in der Remedur der Geneh⸗ migung der höheren Staatsbehörden. Er (Redner) habe selbst als Communalbeamter empfunden, wie unangenehm solche Geneh⸗ migungen der Behörden seien, aber das Unangenehme sei nicht die Genehmigung an sich, sondern die Ausstellungen, welche von der Aufsichtsbehörde manchmal ohne genügende Sach⸗ kenntniß gemacht würden, und die Verzögerung der Genehmigung. Der Minister⸗Präsident sollte dahin wirken, daß eine Beschleunigung eintrete. Ein Vorzug des Gesetzes sei die Möglichkeit, Präcipual⸗ beiträge zu erheben von denjenigen, welche von gewissen Gemeinde⸗ anlagen besonderen Vortheil haben. Er wünsche, daß von diesem Recht ein ausgedehnter Gebrauch gemacht werde. Der Schwerpunkt des Gesetzes liege in § 45, der einen Widerspruch enthalte, weil da⸗ nach die Gemeinden Realsteuern allein bis zu 150 % erheben könnten; sobald sie aber Einkommensteuerzuschläge erheben, dürften sie nur den eineinhalbfachen Betrag derselben an Grundsteuer erheben. Wenn eine Gemeinde 150 % Realsteuern erhebe und nur 10 % Einkommensteuer erheben wolle, so dürfe sie nur 15 % Grund⸗ und Gebäudesteuer erheben. Eine wichtige Frage sei die Regelung des Gemeindewahlrechts, die durchaus nothwendig sei. Damit hänge auch das Staatswahlrecht zusammen. Für den Reichstag habe man das allgemeine directe Wahlrecht; ob für die Wahlen zum Abgeordnetenhause das allgemeine directe Wahl⸗ recht eingeführt werden solle, lasse er dahingestellt; er habe erhebliche Bedenken dagegen. Auch seine Partei sei dafür, daß dem Grund⸗ S. sein Einfluß im Staatsleben bewahrt würde. Die Steuer⸗ reform werde dazu führen, daß das Wahlrecht auf einen ganz anderen Boden gestellt werde. Wenn das Abgeordnetenhaus seine Stellung der Regierung gegenüber bewahren solle, dann müsse sein Wahl⸗ recht auf eine breitere Basis gestellt werden, dann dürften nicht zwei oder drei Personen die Wahlmänner der ganzen ersten Klasse ernennen, dann müßten die Männer, welche weiter nichts besitzen als ihre Faust, um den vaterländischen Boden zu vertheidigen, das Ge⸗ fühl Haben, daß sie im Hause ebenfalls ausreichend vertreten seien.
Abg. von Tzschoppe (freicons.) hält ebenfalls den § 45 für
bedenklich, weil durch ihn leicht eine Ueberlastung der Realsteuer⸗ zahler eintreten könnte. Die Gewerbesteuer sollte nicht den Ge⸗ meinden zur Aenderung überlassen werden, zumal man erst ein neues Staatsgewerbesteuergesetz eingeführt habe, dessen Wirksamkeit noch nicht erprobt worden sei. Die Details seien wohl besser in der Com⸗ mission vorzubringen. Aber ein principielles Bedenken müsse doch noch geltend gemacht werden. Die Vorlage betone die subsidiäre Natur der directen Steuern, namentlich gegenüber den indirecten Steuern und den Gebühren. Die Gemeinden, welche die Schlacht⸗ steuer haben, könnten diese forterheben, das sei eine Nothwendigkeit, denn die betreffenden Gemeinden würden wohl sonst in eine große Unordnung ihrer Finanzen gerathen. Wo es sich aber um die Neueinführung in⸗ directer Abgaben handele, werde zu prüfen sein, ob die Finanzverwal⸗ tung der Gemeinden eine indirecte Steuer nothwendig mache und ob die örtlichen Verhältnisse eine solche Einführung zulasse. Des⸗ halb sei die Betonung der indirecten Steuern nicht ganz unbedenklich vielleicht werde eine andere Fassung rathsam sein. Redner bemängelt; auch den § 62, wonach die Aufsichtsbehörden berechtigt sein sollen, Neuordnungen der Städte nicht zu genehmigen, wenn sie den Besteuerungsgrundsätzen des Gesetzes nicht entsprächen. Es könnte sich herausstellen, daß unter den Besteuerungsgrundsätzen auch die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Ministerialrescripte verstanden würden, was nicht zutreffend wäre. Redner bittet, die Vorlage einer besonderen Commission von 21 Mitgliedern zu überweisen. Abg. Knebel Gerh⸗ Daß zur Deckung des durch Realsteuern aufzubringenden Steuerbedarfs die veranlagten Grund⸗, Gebäude⸗ und Gewerbesteuern in der Regel mit dem gleichen Procentsatz herangezogen werden sollen, sei eine Ungerechtigkeit, denn die Grund⸗ steuer betrage über 4 %, die Gewerbesteuer nur 1 % des betreffenden Einkommens. Der Ertrag aus Grundbesitz würde also viermal so hoch herangezogen werden wie der aus Gewerbebetrieb. Am meisten trete diese Ungerechtigkeit da in die Erscheinung, wo die Communal⸗ steuern eine fast unerschwingliche Höhe erreicht hätten, wie in den industriellen Gebieten. Die kleinen Landwirthe würden dort völlig überlastet und könnten unmöglich aufbringen, was das Gesetz von ihnen verlange. Diese Bestimmung stehe im Widerspruch mit dem Grundsatz, den das Communalsteuergesetz zur Geltung bringen wolle, daß nach der Leistungsfähigkeit gesteuert werden solle, und sei auch nicht im Einklang mit der Denkschrift, die anerkenne, daß die Gebäude⸗ und Grundsteuer einerseits und die Gewerbesteuer andererseits durch⸗ aus ungleichartige Steuern seien. Die Gewerbesteuer sei als Staats⸗ steuer außerordentlich gut construirt, eigne sich aber nicht recht zur Communalsteuer. Wohin solle es führen, wenn Gewerbesteuer und Grundsteuer gleichmäßig belastet würden, wenn alle kleinen Gewerbe⸗ treibenden von der Steuer befreit würden, der kleinste Bauer da⸗ gegen mit Communalsteuer belastet werde? Diese Ungleichheit müsse absolut aus dem Gesetz heraus, und es müsse ein anderer Maßstab für die Vertheilung der Steuern gefunden werden. Man könnte vielleicht nach Maßgabe der in Landwirthschaft und Gewerbebetrieb beschäftigten Personen⸗ und benutzten Motorenanzahl vertheilen, um zu einem gerechten Resultat zu gelangen. Ein zweiter Uebelstand des Gesetzes sei, daß die Gemeinden, in denen Arbeiter eines industriellen Etablissements wohnen, dieses aber seinen Sitz oder eine Agentur nicht habe, den Besitzer des Etablissements nicht zu Communal⸗ steuern heranziehen könnten. Bei großen Bergwerken z. B. wohne nur die Minderzahl der Arbeiter in der Gemeinde, in welcher das Etablissement seinen Sitz habe, die größte Anzahl komme aus den Nachbargemeinden. In der Betriebsgemeinde bringe der Betrieb allein oft bis zu 95 % der Communalsteuern auf, die Nachbar⸗
steuerkräftigste Person, den Betrieb, heranziehen zu können; ein paar kleine Bauern und die Arbeiter müßten allein alle diese Lasten 53 bringen. Die Betriebsgemeinde verfüge oft über zu reichliche Mittel, während die Nachbargemeinden überlastet seien. Um diesem Uebelstand abzuhelfen, könnte man aus den betreffenden Gemeinden Verbände bilden und einem Selbstverwaltungs⸗ körper die Vertheilung der Lasten übertragen. Die Schwierig⸗ keiten dieser Lösung dürften nicht unüberwindlich sein, und er hoffe, daß e diese Frage schließlich gelöst werde. Wenn das Communalsteuergesetz nach den beiden erwähnten Richtungen abge⸗ ändert werde, so könne er sich im übrigen über den Inhalt desselben nur freuen. Dieser gestatte volle Freiheit der Selbstverwaltung, die für die außerordentlich verschiedenen Verhältnisse der Gemeinden nöthig sei, und halte an dem Aufsichtsrecht des Staats fest, das zum wirksamen Schutze der Minorität nicht entbehrt werden könne.
Abg. Vopelius (freicons.): Dem Abgeordnetenhause sowohl wie dem Reichstag hätten Petitionen der Städte Spandau, Ellerbeck, Gaarden vorgelegen, welche sich darüber beschwerten, daß der Reichs⸗ fiscus nicht zu den Communalabgaben herangezogen werden könne. Auch die Stadt Völklingen im Kreise Saarlouis sei leider nicht in der Lage, die Reichs⸗Eisenbahnverwaltung zu ihren Gemeindeabgaben heran⸗ zuziehen. Wenn die in diesen Städten belegenen Staatsbetriebe Privat⸗ betriebe wären, würden sie in ausgedehntem Maße der Besteuerung unterliegen. Ein besonders eclatanter Fall habe sich an anderer Stelle ereignet, indem eine einer kleinen Gewerkschaft gehörige Eisenbahn an den Staat übergegangen und in Moment die Besteuerung weggefallen sei. Neben anderen Abgeordneten habe sich auch der damalige Abg. Miquel bei Gelegenheit der Berathung einschlägiger Gesetzesvorlagen für die Besteuerung des Fiscus aus⸗ esprochen; er (Redner) hoffe, daß sein früheres Gerechtigkeitsgefühl heute noch dasselbe sei. 8
Abg. Meyer⸗Berlin (dfr.): Wenn der Abg. Fritzen energisch das Aufsichtsrecht des Staats gewahrt wissen wolle, so müsse er sagen, daß in den östlichen Provinzen das Verlangen nach einer solchen Staatseinmischung in Communalangelegenheiten nicht vor⸗ handen sei. Man möge in einer Aufwandgesetzgebung die Ziele, welche die Commune zu verfolgen habe, näher bezeichnen; man möge verbieten, daß die Communen Geld für Theater ausgeben, aber man solle nicht der Staatsverwaltung ein arbiträres Ermessen beilegen. In den östlichen Provinzen herrsche im allgemeinen das Zutrauen zu den Communalverwaltungen, daß sie mit Umsicht und Einsicht die Bedürfnisse der Communen er⸗ messen. Er behaupte, man könne dort das Aufsichtsrecht der Staats⸗ behörde entbehren. Allerdings sei es wünschenswerth, daß die gesetz⸗ lichen Einrichtungen so beschaffen seien, daß die Communalverwal⸗ d ihre Eingesessenen wirklich vertrete, und dazu gehöre ein ange⸗ messenes Wahlrecht. Nach einer Reform des Gemeindewahlrechts strebe seine Partei bereits seit sehr langer Zeit. Sie wünsche, daß je früher desto besser eine neue Städteordnung ergehe, welche die morschen Grundlagen des gegenwärtigen Wahlrechts beseitige, um⸗ somehr, als die hierbei in Frage kommende Städteordnung und das Zuständigkeitsgesetz aus ganz verschiedenen Principien hervorgegangen seien. Das neue Communalsteuergesetz, wie es vorliege, halte er einfach für unmöglich, das Gesetz biete nirgends einen festen Punkt, der dazu eitrüge, daß man zu einer Regelung gelange. Die neue Einrichtung der Communalsteuern solle sich in drei Stadien bewegen: im ersten Stadium gingen die Staatssteuern in unveränderter Gestalt auf die Communen über, im zweiten beseitige die Commune diese Staats⸗ steuern und setze dafür etwas Neues, im dritten corrigire die Aufsichts⸗ behörde die Arbeit der Communen. Der erste Zustand werde in den Motiven der Regierungsvorlage selbst als ein völlig ungenügender betrachtet, weil die bestehenden Ertragssteuern für Grund⸗ und Ge⸗ bäudebesitz zu stark seien. Daß die Grundsteuer in ihren Wirkungen auf den Grundbesitz sich im Verlaufe der letzten 30 Jahre wesentlich verschoben habe, liege angesichts des großen Netzes von Eisenbahnen, welches inzwischen gebaut worden, auf der Hand. Die Möglichkeit, diese Grundsteuer lebendig zu machen, wie es heiße, sei im ersten Stadium dieser Gesetzgebung vollständig aufgehoben. Ja man habe überhaupt keine Garantie dafür, daß diese Grund⸗ steuer zu communalen Zwecken auch wirlich werde herangezogen werden. Er (Redner) halte die Behauptung, der Grundbesitz sei bisher überlastet gewesen, in dieser Form für absolut falsch; er habe die Lasten nur in einer verkehrten Weise zu tragen gehabt, und es sei unzweckmäßig, daß er dem Staate gegenüber belastet werde. Denn an den Hauptausgaben des Staates und Reiches, an den Aus⸗ gaben für Landesvertheidigung und Rechtspflege habe der Grund⸗ besitz kein lebhafteres Interesse als das bewegliche Kapital. Wohl aber habe der Grundbesitz ein Interesse an der Ausbildung der communalen Einrichtungen auf dem Lande, vor allem an der Ausbildung des Wegenetzes. Die ganze Aufmerksamkeit müsse sich darauf richten, daß dasjenige, was von dem Grundbesitz als solchem erhoben würde, in Zukunft nicht in die Taschen der Besitzer fließe, sondern für communale Einrichtungen flüssig gemacht werde. Wenn es auch unmöglich sein sollte — was er nicht zugebe —, ein einheitliches Communalsteuergesetz zu machen, das für alle Communen passe, gebe es dann nur die eine Wahl zwischen einem einheitlichen Schematismus und einer vollständig schrankenlosen Freiheit? Könnten nicht verschiedene Typen aufgestellt werden unter denen man zu wählen hätte? Die §§ 20 und 24 machten für ihn das ganze Gesetz ent⸗ schieden unannehmbar. Das Aufsichtsrecht im dritten Stadium solle getheilt werden zwischen den Bezirksausschüssen und der Staatsregie⸗ rung selber. Den be onderen Verhältnissen der Stadt Berlin trage übrigens der Gesetzentwurf keine Rechnung, was er für ein Redactions⸗ versehen halte. Zur Abstufung der Gewerbesteuer sei in be⸗ sonderer Weise die Genehmigung des Bezirksausschusses er⸗ forderlich. Ein Bezirksausschuß, der zum größten Theil aus Gutsbesitzern zusammengesetzt sei, solle entscheiden über die Ver⸗ hältnisse einer Stadt. In der Hauptsache verbleibe es also bei dem Bestätigungsrecht der Regierung. Ueberall stoße man bei der Ausführung dieses Gesetzes sonach auf Unzulänglichkeiten. Der Gesetz⸗ entwurf stelle ferner eine reichhaltige Liste von Steuern auf, welche die Communen einführen könnten. Auf dieser fehle aber gerade eine Steuer, die weder Grund⸗, noch Gebäude⸗, noch Gewerbesteuer sei, sondern einzelne Elemente aller dieser in sich schließe. Der grund⸗ sässige Gewerbebetrieb solle getroffen werden, der mit großen Mo⸗ toren, Maschinengebäuden und Hunderten von Arbeitern arbeite, nicht der kleine Gewerbetreibende. Diese Steuer aber könne an der Hand des Gesetzes nicht gestattet werden. Es sei ja erklär⸗ lich, daß in einzelnen Provinzen die Gemeindevertretung sehr schwer daran gehe, den Grundbesitz zu besteuern; dieses Bedenken falle jedoch fort, wenn man sich überzeuge, daß Gewerbebetrieb und Grund⸗ besitz unter dieselbe Regel falle. Es sei eine gesetzliche Norm erforder⸗ lich, auf Grund deren die Gemeinden ihre Bevärfniffe aufzubringen hätten. Ein weiteres Bedenken habe er (Redner) gegen die unklare Stellung zur Miethssteuer. Solle diese Realsteuer, welche Grund⸗ besitz und Gewerbebetrieb in gleicher Weise treffe, allein vom Eigen⸗ thümer oder auch vom Eigenthümer und Miether erhoben werden können? Die Berliner Miethssteuer z. B. bestehe seit beinahe achtzig Jahren und es seien siebzig Jahre vergangen, ohne daß über ihre Wirksamkeit Klage laut geworden. Die Communal⸗ verwaltung sei noch der Ansicht, daß die Berliner Miethssteuer eine gute Communalsteuer sei, und man sollte ernsthaft prüfen, ob es nicht angemessen wäre, diese Steuer auf das ganze Land aus⸗ zudehnen. Die Mängel in dem Gesetz seien nach alledem derart, daß es überall Unbestimmtheiten schaffe. Er müsse sich entschieden dagegen erklären, daß man von neuem den Versuch mache, indirecte Steuern für die Communen zu schaffen; auch müsse er sich gegen die Beibehaltung der Beamtenprivilegien erklären. ieses Communal⸗ steuergesetz sei nicht dazu angethan, in der Lage der Gemeinden das zu bessern, wohl aber könnte es vieles verschlechtern. Als Muster einer guten Communalsteuergesetzgebung schwebe ihm das englische System vor, das allgemein als gerecht anerkannt worden
gemeinden hätten aber durch die Arbeiter dieselben Lasten, Schullasten,
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Armenlasten ꝛc., wie die Betriebsgemeinde, ohne wie diese deren
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komme. Nur dürfe man nicht mit einem Schlage eine so radicale “
Umgestaltung vornehmen; das Communalsteuerwesen ließe sich zunächst nur durch einzelne Verordnungen regeln. Man könnte bestimmte Vor⸗ schriften vorschlagen: daß alle diejenigen Ausgaben, welche vorzüglich dem Grundbesitz zu statten kämen, also Straßenbau, e⸗Erhaltung, „Beleuchtung und ⸗Reinigung, von diesem’ getragen würden, daß andererseits gewisse andere Ausgaben, z. B. für Gemeindeschulen, aus der Einkommensteuer bestritten würden. Aber nur durch ein all⸗ mähliches Vorgehen werde man zu einem erwünschten Biel⸗ gelangen. In dem vorliegenden Gesetzentwurf sehe er einen radicalen Bruch mit dem Bestehenden, ein Verlassen des Standpunktes, den man bisher eingenommen habe, ohne daß man erkennen könne, wie und wo der Boden sei, auf den man springen solle. Er lehne das Communal⸗
wendigkeit, daß er die beiden anderen Gesetze ebenfalls ablehnen müsse. Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
ein preußischer Minister und die preußische Staatsregierung Gesetze mache, lediglich aus Gefälligkeit für die Interessen bestimmter Klassen, halte ich unter meiner Würde zu beantworten. (Bravo! rechts und im Centrum.)
wohl gelingen, sie in ihr Nichts aufzulösen. Ich will hier bei⸗ läufig bemerken und zeigen, damit die Sachkenntniß des Herrn Dr. Meyer klar wird, daß er sagt: „ich halte das englische System für das allein richtige’ und nicht zu wissen scheint, daß dieses englische System heute in England selbst in der Wissenschaft und von wichtigen Selbstverwaltungsorganen selbst verworfen wird. (Sehr richtig! im Centrum) Man braucht nur die Verhandlungen der Grafschaftsorgane in London, der jetzigen Central⸗ verwaltung Londons, zu lesen, um sich davon zu überzeugen; ein System,
und Pächter und nicht einmal den Eigenthümer trifft, wäre bei uns jedenfalls ein völlig unmögliches System. (Sehr wahr! rechts und im Centrum.)
Hieran anknüpfend will ich bemerken, daß, wenn der Herr Abg. Dr. Meyer sagt, es müssen diese communalen, neuen, besonderen Steuerformen sich allmählich entwickeln, er mit sich selbst in Wider⸗ spruch tritt, wenn er verlangt, daß nicht allmählich, sondern durch eine in dieses Gesetz aufgenommene formalistische Zwangsjacke diese Entwickelung mit einem Schlage von oben gemacht werden soll. Ich werde überhaupt nachweisen, daß der Herr Abg. Dr. Meyer zwar den Freisinn, die Staatsregierung aber den Fortschritt vertritt. (Heiterkeit. Sehr gut! rechts.) Meine Herren, auch in anderer Beziehung kommt der Herr Abg. Dr. Meyer mit sich selbst in Widerspruch. Er sagt: die Männer von 1865, welche nicht mit einem Schlage die ganzen Realsteuern preisgeben wollten, sondern nur Theile davon, und sehen wollten, wie die Sache sich weiter dann in den Gemeinden entwickelt, sie haben das Rechte gethan. Nun, meine Herren, gleich⸗ zeitig verlangt er vollständig freie Bahn für die Aufstellung neuer Besteuerungsformen in den Gemeinden in Betreff der Objecte. Wenn ich eine Realsteuer nur theilweise überweise, so muß die Veranlagungs⸗ form, welche bisher bestand, natürlich bestehen bleiben, und diese Ver⸗ anlagungsform der Staatssteuer würde ja gerade nach den Aus⸗ führungen des Herrn Dr. Meyer die Aufstellung zweck⸗ mäßiger Communalsteuerformen verhindern. Das ist also ein absoluter Widerspruch. Für mich ist das ein Hauptgrund gewesen, aus dem ich herleite, daß eine wirksame Reform des Communalsteuer⸗ wesens nicht möglich ist, wenn wir sie „überweisen“; denn dann be⸗ halten Sie die staatliche Veranlagungsform bei, oder wenn Sie nur Theile aufgeben, dann behalten Sie sie auch bei, und jede derartige Beibehaltung würde eine freie Entwickelung des Communalsteuer⸗ wesens verhindern.
Meine Herren, jetzt komme ich aber auf den Haupt⸗ einwand. Herr Dr. Meyer sagt: ihr gebt den Gemeinden für die neuen Steuerformen nur Gesichtspunkte; statt daß ihr diesen Gesichtspunkte in bestimmte Paragraphen formulirt, vielleicht mehrere Eventualitäten aufgestellt hättet in diesen Paragraphen, und den Ge⸗ meinden nur die Auswahl darunter gelassen hättet, stellt ihr den Gemeinden eine Aufgabe, die sie garnicht lösen können. Nun, diese Frage ist ja eine sehr wichtige und sehr schwierige. Herr Dr. Meyer sagt: wir können die Aufgabe nicht lösen, der Finanz⸗Minister kann sie auch nicht lösen. Nun, dann bitte ich, mir die Adresse desjenigen Menschen zu sagen, der sie lösen kann; und wenn Herr Dr. Meyer das nicht kann, so ist seine ganze Deduction nichts werth. (Geiterkeit.) Ich bin allerdings auch der Meinung, daß diese neuen Steuerformen, welche auch in England, nebenbei gesagt, einige hundert Jahre zu ihrer Ausbildung gebraucht haben, sich nur allmählich entwickeln können an der Hand der Erfahrungen, die die Gemeinden selbst machen. Und daß die Gemeinden schließlich dazu befähigt sein wer⸗ den je nach den verschiedenen Kategorien, davon bin ich überzeugt; wir haben dafür genug Vorbilder. Beispielsweise ein Statut zu machen — das ist auch ein Steuerstatut — zur Ausführung des Ge⸗ setzes vom 2. Juli 1875 wegen Heranziehung der Grundstücke zu den Kosten der Straßenherstellung, war im Anfang recht schwierig. Man hat herumgetappt in den Gemeinden, die eine hat's so gemacht, die andere so; schließlich kam man auf das Richtige. Und so wie die eine oder die andere Stadt das Richtige getroffen hatte, machten bald die anderen Städte es nach. Die Frage wegen der Heranziehung der Grundstücke zu den Kanalkosten, nach welchen Normen die Kanal⸗ kosten umgelegt werden sollen, ist auch eine außerordentlich schwierige. Ein völliges Steuerstatut steckt in der Sache. Heute sind die preußischen Gemeinden sich völlig über den Weg im allgemeinen klar geworden. Im Anfang große Mißgriffe in verschiedenen Ge⸗ meinden; nach und nach sind sie klar geworden, und jetzt ist die Frage mehr oder weniger zur Zufriedenheit aller Theile gelöst.
Die Frage, wie man die Wassergelder normiren solle, ob nach dem Umfang der Häuser oder nach den Miethen oder direct nach Wassergeld auf Grund von Wassermessern, ist eine eminent schwierige, und die verschiedenartigsten Gesichtspunkte concurriren da, und auch heute ist diese Frage in den Gemeinden noch verschieden geregelt, ohne daß dabei wesentliche Klagen über diese Verhältnisse erhoben werden. Ich bin der Meinung: hier wird derselbe Weg der richtige sein. Wir können bei der eminenten Verschiedenheit der Ver⸗ hältnisse nicht bloß von Stadt und Land, sondern von kleinen und großen Städten, von der Aufgabe, die sich die Städte stellen, ob sie Schullasten tragen oder nicht, nicht anders verfahren — alle derartigen Bedingungen machen es unmöglich, diese Frage
sei. Er theile ganz und gar das Bestreben, daß man in Preußen zu zu einem Abnlichen gerechten, dabei klaren und übersichtlichen System
vom grünen Tisch, möchte ich sagen, nach einer mechanisch⸗
steuergesetz ab, und daraus folge für ihn mit unerbittlicher Noth⸗
Meine Herren! Die nach meiner Meinung wenig geschmackvollen 8 persönlichen Angriffe des Herrn Dr. Meyer, der mir vorwirft, daß
Was seine sachlichen Einwendungen betrifft, so wird es mir
welches die gesammten Communallasten wirft auf Nutzungsberechtigte
Pureaukratischen Regel gegenwärtig zu ordnen. Ich will garnicht
sagen, ob nicht demnächst die Zeit kommen wird, wo man wirklich im gesetzlichen Wege diese Frage auch ordnen kann. Wenn erst in einer Reihe von Gemeinden in dieser Beziehung Erfahrungen gemacht sind, wenn hie und da mangelhaftere Einrichtungen, die zu erheblichen Klagen aus bestimmten Gründen führen, in anderen Gemeinden aber zweck⸗ mäßigere Einrichtungen, gegen welche diese Klagen nicht berechtigt sind, sich herausgebildet haben, kann man vielleicht demnächst zu einer gesetzlichen Regelung für verschiedene Arten der Gemeinden kommen, und ich hoffe, daß das im Laufe der Jahrzehnte der Fall sein wird. Gegenwärtig aber an die Gesetzgebung diese zur Zeit unlösbare Aufgabe zu stellen, heißt einfach auf ein Communalsteuergesetz verzichten.
Wenn der Herr Abg. Meyer selbst die Frage nicht lösen kann — er hätte ja solche Entwürfe uns vorlegen können —, wenn das Abgeordnetenhaus aber das Gefühl mit mir hat, daß wir gegenwärtig diese Frage noch nicht generell gesetzlich regeln können, wenn wir aber doch ein Communalsteuergesetz haben müssen und haben wollen, welcher andere Weg blieb dann übrig als derjenige, den wir eingeschlagen haben? Nun, wenn Sie diesen Weg einschlagen, dann allerdings können Sie die Genehmigung solcher Beschlüsse nicht entbehren, und das hat auch kaum der Herr Abg. Dr. Meyer bestritten. Diese Genehmigung geht aber doch auch wieder von praktischen Männern aus, die gewohnt sind, nicht nach Theorien, sondern unter Berücksichtigung aller Verhältnisse nach localen Gesichtspunkten zu entscheiden. Die Selbstverwaltungs⸗ organe sind hier meistens competent. Der Staat hat ein sehr großes dringendes Interesse, eine richtige Grenze zwischen der Heranziehung der Realsteuern und der Personalsteuern zu ziehen. Da kommt ein wichtiges Staatsinteresse in Frage. Der Staat hat auch ein Interesse, daß die Minoritäten nicht vergewaltigt, unterdrückt und ausgebeutet werden in den Gemeinden bei der Steuervertheilung durch die Majorität, aber entscheidend ist doch das erste Interesse. Ist mal in richtiger und billiger Weise, sei es durch Gesetz, sei es durch Zustimmung der Aufsichtsbehörden, die Scheidegrenze zwischen Realbesteuerung und Personalbesteuerung festgestellt, so ist die Art und Weise, wie die Realbesteuerung in der einzelnen Gemeinde ge⸗ regelt wird, nicht ein so unbedingtes staatliches Interesse. Da kann der Staat höchstens auf Beschwerden die Sache untersuchen und durch sein Genehmigungsrecht vorhandene Unbilligkeiten verhindern.
Wenn die Gesichtspunkte, wie ich sie hier aufgestellt habe, richtig sind, so fragt es sich für das Abgeordnetenhaus nur: wollen wir auf ein Communal⸗ steuergesetz gänzlich verzichten, bevor wir die von dem Herrn Vorredner aufgestellten Postulate nicht vollständig gelöst haben, — und ich bin überzeugt, daß Sie alle mit mir sagen werden, wenn wir auch diese Frage gegenwäriig allgemein gesetzlich nicht regeln können, so wird doch in der Selbstverwaltung den Gemeinden durch dieses Communal⸗ steuergesetz so eminent viel gewonnen, so viele Bedürfnisse, die gegen⸗ wärtig vorliegen, werden befriedigt, die Kraft und nationale Behand⸗ lung der Gemeindeverwaltung wird so sehr gefördert, daß es nicht zu verantworten wäre, wegen dieser zur Zeit noch nicht gelösten und nicht zu lösenden Frage auf das ganze Gesetz zu verzichten. Meine Herren, der Herr Abg. Meyer in seiner liebenswürdigen Weise sagt, dieses Communalsteuergesetz hätte ich lediglich erfunden, um die Gefällig⸗ keit gegen die Grundbesitzer durch Verzicht auf die Realsteuern einiger⸗ maßen zu verdecken. Nun, meine Herren, man kann die Nothwen⸗ digkeit der Beseitigung der Realsteuern neben hoch entwickelten Personalsteuern aus rein staatlichen Gesichtspunken allein rechtfertigen; dazu brauchte man gar kein Communalsteuergesetz (sehr richtig!), und ich würde mir getrauen, meine Herren — namentlich gegenüber diesem Hause, welches dahin gehende bestimmte Beschlüsse längst gefaßt hat, als deren Vollstrecker nur die Staatsregierung ich persön⸗ lich ansehe —, ich würde mir getrauen, die Nothwendigkeit der Be⸗ seitigung der Realsteuern aus dem Staatssteuersystem aus ganz selbst⸗ ständigen Gesichtspunken darzuthun. Aber allerdings würde ich mir auch getrauen, meine Herren, aus dem Gesichtspunkte der Gemeinde⸗ verhältnisse denselben Beweis zu führen. In beiden Fällen kommt man zu derselben Conclusion: eine vernünftige Gemeindelastenvertheilung ist ohne freie Disposition über die Objecte, die in der Gemeinde belegen sind, Gewerbe und Grund und Boden, undenkbar. Meine Herren, ich be⸗ haupte, daß seit Jahrzehnten keine Maßregel getroffen ist in unserem preußischen Staate, welche der freien Entwickelung der Gemeinden, einer wahren Selbstverwaltung einen so eminenten Vorschub leistet, wie die Reform, mit der wir uns jetzt beschäftigen. (Sehr richtig)) Denn, meine Herren, die schönsten Gesetzes⸗ paragraphen — das weiß doch jeder praktische Mann — nützen garnichts, wenn die Mittel nicht da sind, diese Gesetzesparagraphen in vernünftiger Weise anzuwenden. Wie wollen denn die Gemeinden eine zweckmäßige Form der Besteuerung — selbst in der Form, wie Herr Abg. Meyer will — durchführen, wenn der Staat von denselben Objecten vorab 75 — oder 95 Millionen erhebt? Die Zukunft wird lehren, wer in dieser Beziehung Recht hat.
Meine Herren, der Herr Abg. Meyer sagt, man sollte doch nicht einen arbiträren, d. h. willkürlichen Eingriff in die Gemeinde⸗ verhältnisee machen. Nun, meine Herren, was thun wir dagegen? Wir stellen eine gesetzliche Regel bezüglich der Vertheilung der Real⸗ und Personalsteuern auf, soweit es durch und nach Gesetz möglich ist, und im übrigen zeigen wir den Behörden, nach welchen Gesichtspunkten, unter Berücksichtigung welcher Verhältnisse sie ihr Genehmigungsrecht gebrauchen sollen. Wir wollen das nicht arbiträr sein lassen, sondern wir wollen den Behörden bestimmte Anhalts⸗ punkte geben. Was haben wir denn heute, meine Herren, für ein Communalsteuersystem? Das willkürlichste und buntscheckigste, welches Sie sich denken können. Ich habe das schon mehrfach ausgeführt: Unsere ganzen Communalsteuern in den verschiedenen Gemeinden und Verbänden beruhen rein auf Zufälligkeiten; sie sind nicht rationell, weil sie nicht nach bestimmten Gesichtspunkten eingeführt sind. Damit wird aller⸗ dings Wandel kommen, wenn nach festen, bestimmten, in einem Gesetz enthaltenen Gesichtspunkten in Zukunft die Kreisausschüsse und die Bezirksausschüsse zu verfahren haben. Denn, meine Herren, — ich kann das wohl hier verrathen — in Bezug auf die Vertheilung der Gemeindelasten haben selbst im Ministerium im Laufe der Zeit die Gesichtspunkte völlig geschwankt und es sind dadurch die Verschiedenheiten in den communalen Besteuerungsverhält⸗ nissen noch viel größere geworden.
Nun sagt der Herr Abg. Meyer, er müsse weiter den Versuch tadeln, hier wieder neue indirecte Steuern einzuführen und dadurch die wirth⸗ schaftliche Einheit des Deutschen Reichs zu unterbrechen. Nun, meine
Herren, diesen letzteren Versuch brauchen wir garnicht mehr zu machen, denn die Ungleichheiten in Bezug auf das Recht der Communen auf die indirecte Besteuerung im Deutschen Reich sind gerade groß genug, meine Herren. Sie brauchen nur die süddeutschen Gemeinden, die Gemeinden der Reichslande, selbst die Gemeinden in den einzelnen preußischen Provinzen und deren Rechte auf diesem Gebiet sich anzusehen, so wird das niemand bestreiten können. Was wir in dieser Beziehung thun könnten, ist eben, eine Rechtsgleichheit unter den Gemeinden von ganz Deutschland herzustellen, weil die Frage der indirecten Besteuerung allerdings eine Frage ist, wo hauptsächlich die Concurrenz mit dem Reich in Betracht kommt. Meine Herren, der Herr Abg. Meyer scheint darüber etwas ungehalten zu sein, daß ich mir gestattet habe, die Hoffnung auszusprechen, es werde nach Ueberweisung von zehn Millionen Realsteuern an die Stadt Berlin die Stadtverwaltung in Erwägung ziehen, ob nicht doch die Miethssteuer reformbedürftig sei. Nun, meine Herren, ich kann mich in dieser Beziehung darauf berufen, daß, wenn ich nicht sehr irre, der wohllöbliche Magistrat der Stadt Berlin selbst in einer Vorlage an die Stadtverordneten⸗Versammlung die Reformbedürftigkeit der Miethssteuer anerkannt hat (Zuruf links); — ich sage: ich glaube, daß ich in dieser Beziehung nicht irre; ich habe ausdrücklich gesagt, daß sie auf den freien Beschlüssen der Stadt Berlin beruhen. Wenn eine solche Reformbedürftigkeit anerkannt wird, so wird die Durchfüh⸗ rung einer Reform durch die Ueberweisung der Realsteuern an die Stadtverwaltung von Berlin viel leichter.
Meine Herren, wir haben auch nicht eine künstliche Begünstigung des indirecten Steuersystems irgendwo versucht. Wir wollen bloß in dieser Beziehung die Hindernisse wegschaffen, die einer Erwägung unter Berücksichtigung der localen Verhältnisse in dieser Frage entgegenstehen. Soviel über Herrn Dr. Meyer.
Meine Herren, der Herr Abg. Vopelius hat, sich an mich persön⸗ lich wendend, gewünscht, daß die Frage der Besteuerung der gewerb⸗ lichen Unternehmungen des Deutschen Reichs bei dieser Gelegenheit ge⸗ regelt würde. Er wird wohl selbst wissen, daß in einem Particular⸗ gesetz die Reichshoheit nicht berührt werden kann und eine solche Freigabe der Besteuerung des Reichs durch die Gemeinden der Einzel⸗ staaten nur durch ein Reichsgesetz erfolgen kann. Es schweben hierüber, wie ich wohl mittheilen kann, zwischen den Reichsbehörden und den preußischen Staatsbehörden seit längerer Zeit Verhandlungen, und ich glaube, wir werden in dieser Beziehung doch schließlich zu einem befriedigenden Ziele kommen.
Meine Herren, nun möchte ich noch einen Punkt berühren, den der Herr Abg. Knebel namentlich uns vorgetragen hat. Er beklagt sich mit Recht über die großen Unzuträglichkeiten, die aus den Verhältnissen der Wohnsitzgemeinden der Arbeiter eines in⸗ dustriellen Etablissements und den Betriebsgemeinden entstehen. Es ist dies eine der Beschwerden, die uns auch vielfach in Eingaben der rheinischen Gemeinden entgegengetreten sind, und der Abg. Knebel meint nun, es würde möglich sein, diese Frage schon bei dieser Gelegenheit zu lösen. Ob das möglich ist, kann man ver⸗ suchen. Diese Schwierigkeit ist wirklich vorhanden, und es entstehen dadurch große Unzuträglichkeiten. Ich fürchte aber, wir werden bei dieser Gelegenheit die Frage nicht lösen.
Meine Herren, eine Reihe von rheinischen Gemeinden, namentlich aus den Industriegegenden, beklagen sich auch noch darüber, — ganz abgesehen von dem Gravamen, welches ich eben berührte, — daß sie überhaupt bei dieser Ueberweisung der Reallasten zu kurz kämen, daß ihren Verhältnissen nicht wesentlich aufgeholfen werden würde, und namentlich die Armen⸗ und Schullasten wollen dieselben entweder auf die Provinz oder auf den Staat übertragen. Nun, der Herr Minister⸗Präsident hat schon hervorgehoben, daß wir uns garnicht einbilden, durch diese Reform alle aus den besonderen Verhältnissen der einzelnen Gemeinden hervorgehenden Uebelstände beseitigen zu können. Vielfach liegen die auf ganz anderen Gebieten, beispiels⸗ weise auf dem Gebiete der Vertheilung der Lasten über⸗ haupt, ob die einzelnen Gemeinden zur Last zu legen ist oder größeren Verbänden. In vielen Fällen wird man beispielsweise sich damit helfen können, daß wir einen ähnlichen Schritt auf anderen Gebieten auch thun, wie wir ihn gethan haben bei der Uebertragung der extraordinären Armenlast auf den Kreis⸗ Aber auf dem Gebiet der Steuerreform liegen alle diese Beschwerden nicht. Wir wissen sehr wohl, daß die Steuerreform nicht entfernt in der Lage ist, alle derartigen Incongruenzen zu beseitigen.
Schließlich möchte ich doch noch hervorheben, daß dieses voll⸗ ständig verwerfliche Urtheil des Herrn Dr. Meyer über dieses ganze Gesetz bis jetzt ganz vereinzelt geblieben ist, daß hier im Hause die erfahrensten Männer aus der Communalverwaltung in Stadt und Land vorhanden sind und daß bisher wenigstens nicht einer, der doch vielleicht an praktischer Sachkenntniß auch nicht hinter Herrn Dr. Mever zurück⸗ steht, in ein so wegwerfendes Urtheil hat einstimmen wollen. Ich werde mit Ruhe erwarten, ob das in der Zukunft der Fall sein wird.
(Bravo!)
Abg. von Buch (cons.): Es sei anzuerkennen, daß die Vorlage den Gemeinden volle Freiheit gelassen habe und daß die Schablonisi⸗ rung vermieden worden sei. Die Aufsichtsbehörden hätten nicht das Recht, die Neuordnung selbst zu machen, sondern nur darüber zu süt. daß die Ausgaben auf die einzelnen Steuerquellen gerecht ver⸗ theilt würden. Wenn die Staatsaufsicht eingeschränkt werden solle, müßten engere gesetzliche Vorschriften geschaffen werden. Dadurch würde aber die Selbständigkeit der Gemeinden eingeschränkt. Es wäre allerdings die Frage, ob nicht in manchen Punkten die Staats⸗ aufsicht strenger ausgeübt werden könnte, namentlich bezüglich des Schuldenwesens der Gemeinden. Die Erhebung der indirecten Steuern sei den Gemeinden allerdings gestattet, aber die Vorschriften des Ge⸗ setzes und die Zollvereinsverträge verhinderten es, daß die Gemeinden davon zusgiebigen Gebrauch machten. So sehr schlecht könne die Schlachtsteuer doch nicht sein, denn an der Spitze der Ge⸗ meinden, welche sie haben, hätten oft Leute gestanden,, welche sonst von den indirecten Steuern nichts wissen wollten. Freunde der Miethssteuer finde der Abg. Meyer auf Seiten der Partei des Redners nicht; ihr wäre es lieber gewesen, wenn diese ganz aus der Vorlage herausgeblieben wäre. Was das Beamtenprivilegium bezüglich der Communalabgaben betreffe, so dürfe man nicht vergessen, daß der Vortheil, den eine Stadt durch die Anwesenheit einer Behörde habe, nicht im Verhältniß zu dem Nachtheil stehe, den sie durch die geringere Besteuerung erleide. Dagegen bitte seine Partei den inanz⸗Minister, zu erwägen, ob er nicht nochmals mit einiger Aussicht auf Erfolg an die Reichspforte klopfen könnte behufs Heran⸗ ziehung des Reichsfiscus zu den Communalabgaben. Daß Gewerbesteuer und Grundsteuer gleichmäßig zu den Com⸗ munalabgaben herangezogen würden, entspreche der Billig⸗
keit, denn die Gewerbetreibenden hätten in sehr vielen Fällen ein noch höheres Interesse an den Communaleinrichtungen als der
Grundbesitz, und gerade der Gewerbebetrieb verursache den Gemeinden
die meisten Schul⸗ und Armenlasten. 88 aft erscheine es, ob es ganz richtig sei, daß die Gemeinden nach dem Entwurf bis zu 150 % an Reallasten erheben könnten, ehe sie die anderen Steuer⸗ pflichtigen, Gewerbetreibenden ꝛc., heranzögen. Bedenklich sei ferner die Bestimmung, daß durch Verträge die Steuern für fabrikmäßige Betriebe und Bergwerke auf eine Reihe von Jahren contingentirt werden könnten. Was den Grundbesitz betreffe, so wolle seine Partei diesen in seinen historischen Vechatäfen erhalten und werde seine Existenzbedingungen nicht angreifen lassen. 3
Abg. von Strombeck (Centr.): Er sei kein Feind von indirecten Steuern, aber er könne doch nicht soweit gehen, wie sein Parteigenosse Fritzen, daß er sie auch in den Gemeinden zulassen könnte. Der all⸗ gemeine Verkehr werde dadurch zwar nicht erschwert, bedenklich aber werde die Zulassung der indirecten Steuern, weil sie ausgedehnt werden sollten auf die Lustbarkeiten, und es sollten sogar die Lustbarkeiten von Privatgesellschaften davon nicht ausgeschlossen sein. Das würde ein sehr lästiges Eindringen in die Privatverhältnisse erfordern. Be⸗ denklich sei auch der § 36, wonach die Gemeinden berechtigt sein sollten, über die Besteuerung von -v und Bergwerken abs dem Ein⸗ kommen und dem Gewerbebetriebe Verträge abzuschließen, durch welche der Steuersatz für mehrere Jahre festgelegt werde. Das könnte dahin führen, daß ein großer Betrieb auf die Gemeinde einzuwirken suche, um günstige Steuerbedingungen zu erhalten. Redner geht dann auf einige Einzelheiten der Vorlage ein, welche er der Commission zur Erwägung anheimstellt. 1 Abg. Sperlich (Centr.): Bezüglich des Communalsteuergesetzes könne er sich den zustimmenden Ausführungen seiner Parteigenossen nur anschließen. Besonders sei er mit den Principien, welche die Denkschrift ausgeführt habe, vollständig einvelstanden. Er hätte gern einige Einzelheiten hervorgehoben, sei aber schon überholt. Der jetzige Augenblick sei auch wohl nicht geeignet dazu. Was die Reform⸗ vorlagen im allgemeinen betreffe, so sei er für den ganzen Plan. Er wolle nicht nur die Grund⸗ und Gebäudesteuer, sondern auch die Gewerbesteuer und Bergwerksabgaben für den Staat auf⸗ geben und sie den Gemeinden überlassen; eine theilweise Verzichtleistung würde nicht ausreichen. Aber er sei ein principieller Gegner der Ergänzungssteuer und wünsche, daß man die nöthigen Mittel im Rahmen des Einkommensteuergesetzes beschaffe. Bezüglich des Wahlrechts schließe er sich den Ausführungen des Abg. Fritzen an. Der letzte Termin für die Vorlegung nicht bloß, sondern auch für die Fertigstellung des Wahlgesetzes würde für ihn der Zeit⸗ punkt zwischen der zweiten und dritten Berathung dieser Gesetze sein.
Ein Vertagungsantrag wird angenommen.
Schluß gegen 3 ¾ Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend 11 Uhr. (Fortsetzung der Berathung des Communalabgaben⸗ gesetzes.)
Statistik und Volkswirthschaft.
Ein⸗ und Ausfuhr.
Nach dem Oktoberheft der „Monatlichen Nachweise über den Auswärtigen Handel“ hat die Einfuhr der Menge nach betragen im Oktober: 27 706 171 Doppel⸗Ctr. (im Oktober vorigen Jahres: 28 123 066 Doppel⸗Ctr.) also — 416 895 Doppel⸗Ctr.; in der Zeit vom Januar bis Ende Oktober 244 905 232 Doppel⸗Ctr. (gegen 240 233 156 Doppel⸗Ctr.), also 4 672 076 Doppel⸗Ctr. mehr. Die Ausfuhr betrug im Oktober: 18 230 436 Doppel⸗Ctr. (gegen 19 022 482) mithin — 792 046 Doppel⸗Ctr., in der Zeit vom Januar bis Ende Oktober 161 997 842 Doppel⸗Ctr. (gegen 165 992 454) mit⸗ hin — 3 994 612 Doppel⸗Ctr.
Statistik des Grundeigenthums.
In der Zeitschrift des Königlich sächsischen Statistischen Bureaus werden von den Regierungs⸗Rath Edm. Steglich „Beiträge zur Statistik des Grundeigenthums“ veröffentlicht, worin der Versuch gemacht wird, den Werth des Grund⸗ und Gebäudebesitzes in seiner zeitlichen Entwickelung zu ermitteln. Nach den angestellten Erörterungen dürfte der Zeitwerth einer Grundsteuereinheit gegenwärtig zwischen 50 und 75 ℳ anzunehmen sein, was bei 79 501 720 Grundsteuereinheiten einen Werth des sächsischen Grund⸗ besitzes von 4 bis 6 Milliarden Mark ergiebt (ausschließlich ca. 909 Millionen immobiles Staatsvermögen). Doch dürfte eher die höhere wie die niedere Grenze zutreffend sein. Bestätigt wird dies durch die Herbeiziehung der Einkommensteuerstatistik, nach welcher sich aus Grundbesitz (im Jahre 1890) ein Einkommen (ohne Abzug der Schuldzinsen) von 262 742 613 ℳ ergiebt. Bei einer Kapitalisirung dieses Einkommens nach einem 4 % Zinsfuß würde sich der Kapitalwerth des Grundbesitzes auf 6568,5 Millionen Mark berechnen. Einen weiteren Anhalt für diese Werths⸗ ermittelung gewährt die Statistik der Landes⸗Immobiliar⸗Brandver⸗ sicherungsanstalt, wonach allein die Gebäude in Sachsen am Jahresschlusse 1890 einen Gesammt⸗Versicherungswerth von 3725,5 Millionen Mark hatten. (Der wirkliche Werth der Gebäude ist jedoch aus mehrfachen Gründen noch höher als der Versicherungs⸗ werth zu beziffern.) Die Belastung des Grundbesitzes ergab am Jahresschlusse 1881 eine Hypotheken⸗Schuldsumme von 2 204 559 696 Mark, bei Ausschluß der Credit⸗ und Cautions⸗ hypotheken 2 075 270 9884 ℳ Im Hinblick auf den Werth des Grundbesitzes kann diese Verschuldung nur als eine mäßige, keines⸗ wegs als eine Ueberschuldung gelten. Auf die Rittergüter entfielen 120 6 Millionen Mark (einschließlich circa 4,5 Mil⸗ lionen Cautions⸗ ꝛc. Hypotheken). Auf den Grund⸗ und Gebäudebesitz der Städte entfielen 1031,47 Millionen Mark
(mit Ausschluß der Cautions⸗ ꝛc. Hypotheken: 970,23 Millionen Mark), auf den dörflichen Grundbesitz 1052,48 (bezw. 988,76) Millionen Mark. Nach Darleiherklassen ergab sich, daß die be⸗ stellten Pfandrechte entfallen mit 3,91 % auf Erbtheile, mit 15,0 % auf Sparkassen, mit 11,12 % auf andere Creditinstitute, mit 63,9 % auf Privatpersonen, Stiftungen ꝛc. und mit 5,86 % auf Credit⸗ und Cautionshypotheken ꝛc. Die in Rede stehende Veröffentlichung orientirt des weiteren auch über die Bewegung im Schuldenstande während der Jahre 1885 bis 1890, die in dieser Periode eine außer⸗ ordentlich lebhafte gewesen ist. Im Laufe der genannten Jahre erhöhte sich der Schuldenstand fortgesetzt und zwar bis auf ins esammt 3 018 104 243 ℳ im Jahre 1890, was gegen 1884 eine Zunahme um ca. 37 % bedeutet. Die interessanten Ausführungen des Verfassers er⸗ geben, daß die Ursache der Zunahme des Realcredits hauptsächlich in der intensiveren Wirthschaft zu suchen ist. Die erweiterte Zu⸗ führung von Kapital ist dem Grundbesitz nur förderlich und für die vom Grundbesitz untrennbaren Gewerbe, in erster Linie für die Land⸗
wirthschaft zur ersprießlichen weiteren Entwickelung nothwendig.
Bewegung der Bevölkerung im Königreich Sachsen.
Das Heft I und II des Jahrgangs 1892 der Zeitschrift des Königlich sächsischen Statistischen Bureaus enthält zunächst einen Aufsatz von Medizinal⸗Rath Dr. A. Geißler über die Bewegung der Bevölkerung im Königreich Sachsen während des Jahres 1890. Hier⸗ nach betrug die Fehr der Eheschließungen im Jahre 1890: 32 436 gegen 31 790 im Jahre 1889. Die Geburtenziffer des Berichtsjahres ist dagegen zurückgegangen, und zwar von 147 978 (1889) auf 145 661 (1890), spdaß, das Berichtsjahr, in welchem auf 1000 Lebende 41,90 Geburten entfielen, nicht an den Durchschnitt des Jahrfünfts 1886,90 mit 43,24 Geburten auf 1000 Lebende heranreicht. Die Zahl der Gestorbenen erhöhte sich von 89 952 im Jahre 1889 auf 93 439 im Jahre 1890. war sind der verminderten Geburtenzahl Itsprechen auch weniger Kinder im ersten Lebensjahre gestorben, aber die übrigen Altersklassen und zwar vornehmlich die Kinder vom 2.— 6. Lebensjahre und die üb 60 Jahre
alten Leute waren weit mehr als im Vorjahre gefährdet.
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