Großbritannien und Irland.
Die Königin wird sich, der „A. C.“ zufolge, am 16. d. M. von Windsor nach Osborne auf der Vuse Wight begeben und dort bis zur ersten oder zweiten Woche im Februar verweilen. Die Herzogin von Connaught wird binnen kurzem nach Madeira oder den canarischen Inseln ab⸗ reisen, um dort ihren Winteraufenthalt zu nehmen. Vorgestern fand auf Trafalgar Square wieder eine Anarchistenversammlung statt. Etwa 2000 Personen, meistens Neugierige, hatten sich dort versammelt. Mowbray protestirte gegen die falsche Annahme, daß die Anarchisten nur uf Zerstörung ausgingen. Im Gegentheil wollten sie eine Ord⸗ nung der Gesellschaft herbeiführen, in der die Gewalt keine Stelle habe und die Verbrüderung aller Menschen zur wirklichen Thatsache werde. Leider begegneten sie überall bei ihren Be⸗ strebungen der nackten Gewalt. Ein anderer Redner, Namens Creagh, sagte, die Arbeitslosen müßten Schrecken in die Reihen er Besitzenden bringen und in jedem District die Läden plün⸗ dern. Diese Rede eröffnete die Reihe weiterer Perspectiven. Leggatt erklärte, es gebe zur Zeit nur Räuber und Beraubte. Die letzteren müßten die ersteren von der Bildfläche ver⸗ schwinden lassen. Im Buckingham⸗Palast gebe es eine Menge leer stehender Zimmer. Das Gesetz habe die Massen chloro⸗ formirt. Dem Kanoniern der Kapitalisten müsse man das Dynamitiren Btgegenseßen Beschönigend fügte er hinzu, Anarchie und Dynamit seien freilich nicht gleichbedeutend, das Dynamit sei aber eine von den Methoden, wie dem Anarchismus um Siege verholfen werden könne.
Frankreich. Im Senat richtete gestern Lascombe eine Interpella⸗ tion an die Regierung wegen deren Haltung gegenüber der von der Kammer eingesetzten Panama⸗Untersuchungs⸗ commission. Der ZJustiz⸗Minister Bourgeois erklärte, er habe der Commission die gesammten auf die Panama⸗ Angelegenheit bezüglichen Acten mittheilen zu sollen ge⸗ glaubt, um die Verbreitung vollen Lichtes über die Angelegenheit zu sichern und den Glauben nicht auf⸗ kommen zu lassen, daß gewisse Actenstücke verheim⸗ licht worden seien. Der Minister fügte hinzu, er ver⸗ bürge die Wahrung der Interessen der Vertheidigung, da die Geheimhaltung dessen, woran die Angeschuldigten ein Interesse hätten, gewahrt bleiben würde. Die Regierung werde die Com⸗ mission in dem Bestreben unterstützen, volle Aufklärung zu chaffen, ohne jemals die Schranken des Gesetzes zu über⸗ schreiten. Der Minister⸗Präsident Ribot hob hervor, noch vor wenigen Tagen hätte die Einleitung der Untersuchung über⸗ flüssig erscheinen können, Angesichts der Entfesselung der Verleumdungssucht sei jedoch die Untersuchung für die öffent⸗ ichen Gewalten zur Pflicht geworden. Der Justiz⸗Minister habe die Acten im Einvernehmen mit allen Mitgliedern der Regierung der Commission mitgetheilt. Die Republik sei stark enug, um volle Aufklärung zu Geffen⸗ allein das Parla⸗ ment müsse die Regierung in dem Bestreben unterstützen, dem zande verständlich zu machen, daß die Republik sich nicht in Gefahr befinde. Eine von Challemel⸗Lacour eingebrachte Tagesordnung, worin dem Vertrauen des Senats zu den Er⸗ lärungen der Regierung Ausdruck gegeben wird, wurde hier⸗ uf mit 228 gegen 14 Stimmen angenommen.
Die Deputirtenkammer nahm gestern den Antrag der
Budgetcommission, die Alkoholsteuer auf 245 Fr. pro Hecto⸗ iter festzusetzen, mit 319 gegen 225 Stimmen an. Die Depu⸗ irten des Rotours (conservativ) und Jourde (Socialist) efürworteten einen Antrag, wonach eine Börsensteuer ein⸗ eführt werden solle, damit die Alkoholsteuer herabgesetzt werden könne. Der Finanz⸗Minister Rouvier bekämpfte den Antrag. Die Frag⸗ sei eine überaus schwierige und könne nur nach reiflicher Prüfung gelöst werden. Die Inbetrachtnahme des Antrages wurde hierauf mit 230 gegen 208 Stimmen be⸗ schlossen und der Antrag an eine Commission verwiesen.
Die Commission der Deputirtenkammer für die Be⸗ rathung des Antrages Pourquéry, durch den die Panama⸗ Commission ermächtigt werden soll, den Untersuchungsrichter der Commission beizugesellen, vernahm gestern den Justiz⸗ Minister Bourgeois, der erklärte, der Antrag verstoße gegen alle rechtlichen Grundsätze, theilweise auch gegen die Verfassung; außerdem sei er unnütz, da die Panama⸗-⸗Unter⸗ uchungscommission sich für hinreichend ausgerüstet erklärt habe. Der Antrag Pourquéry wurde nach dem Weggange
es Ministers von der Commission mit einer unwesentlichen Aenderung angenommen und Pourquéry zum Bericht⸗ rstatter ernannt. 1 Bei Beginn der gestrigen Sitzung der Panama⸗Unter⸗ suchungscommission machte Sarrien, der der Com⸗ mission als Mitglied angehört, Mittheilungen bezüglich eines Artikels des „Figaro“. Er selbst habe im Jahre 1885 als damaliger Minister der Posten Cornelius Herz kennen gelernt, ihn jedoch seit der Zeit, wo er sich im Minister⸗ rath der Ertheilung einer Concession zu Gunsten einer Telephon⸗Gesellschaft widersetzt habe, nicht wieder gesehen. Cornelius Herz sei keineswegs sein Freund gewesen und würde sicherlich nicht zögern, der Commission, wenn diese es wünschen sollte, gewisse, ihn (Sarrien) betreffende Schriftstücke vorzulegen. — Die von der Panama⸗Untersuchungscommission gewählte Delegation wird heute im Geschäftszimmer des General⸗Staatsanwalts mit der Durchsicht der gerichtlichen Acten beginnen. Die „ZJustice“ veröffentlicht ein Schreiben Clémen⸗ eau's, worin dieser mittheilt, er habe sich bereit erklärt, Rouvier und Reinach als Zeuge zu Cornelius Herz und dann zu Constans zu begleiten, auf deren Einfluß Reinach gerechnet habe, um die Angriffe der Presse gegen ihn zu beseitigen. Herz habe erwidert, es sei ihm un⸗ möglich, den verlangten Dienst zu leisten. Constans sei erstaunt gewesen und habe energisch erklärt, daß er keinerlei Einfluß auf die Persönlichkeiten habe, die jene Angriffe in der Presse veranlaßt hätten. Reinach habe, als er Clémenceau verlassen, geäußert: Ich bin verloren. Der „Gaulois“ veröffentlicht unter der Ueberschrift „Die letzten Stunden des Barons Reinach“ einen langen Artikel, der die Erklärungen Clémenceau's über die Bemühungen Reinach'’s, sich aus der Affaire zu ziehen, bestätigt. Reinach sei voller Verzweiflung in seine Wohnung zurückgekehrt und habe das Giftfläschchen geleert. 3 In einer gestern Abend zum Zweck des Protestes gegen die Vorgänge in der Panama⸗Angelegenheit abgehaltenen, von etwa 2000 Personen besuchten 2Seens lung, bei der der ehemalige Deputirte Keller den Vorsitz führte und der mehrere conservative Deputirten und zahlreiche Socialisten beiwohnten, kam es wiederholt zu lebhaften und
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lärmenden Kundgebungen und Ruhestörungen. Als schließlich
unter der Rednertribüne eine kleine Petarde explodirte, wurde die Sitzung aufgehoben.
Der Rath am Kassationshofe Tanon ist an Stelle Quesnay de Beaurepaire’'s zum General⸗Staatsanwalt
ernannt worden. 1— Ittalien. 8 8 111
In der gestrigen Sitzung des Senats interpellirte Guarneri die Regierung über die jüngsten Senatoren⸗ Ernennungen. Der Minister⸗Präsident Giolitti erklärte dem „W. T. B.“ zufolge, er wolle aus Achtung vor dem Senat und vor sich selbst die an ihn gerichteten Phrasen Guarneri's übergehen und sich bloß auf die Aufklärung der Absichten der Regierung beschränken. Die Behauptungen Guarneri's über die Art und die Zahl der in letzter Zeit erfolgten Senatoren⸗Ernennungen müsse er zurückweisen. Nachdem noch . andere Redner gesprochen, wurde der Zwischenfall für erledigt erklärt und die Sitzung aufgehoben.
8
Spanien.
Der Minister⸗Präsident Sagasta verlas gestern im Senat und in der Kammer ein Decret, wodurch das Parlament vertagt wird. Die Sitzungen wurden nach einer Meldung des „W. T. B.“ im Senat und in der Kammer mit einem Hoch auf den König und die Königin⸗Regentin aufgehoben.
Der Schiffscapitan Cervera hat das Marine⸗ Ministerium übernommen. Der Posten des Maires von Madrid soll dem Marquis Cuba angeboten werden. Das Cabinet beschloß ferner, die wirthschaftlichen Verhand⸗ lungen mit Frankreich wieder aufzunehmen.
Griechenland.
Die Deputirtenkammer berieth gestern über den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Rumänien und ertheilte, wie „W. T. B.“ berichtet, der Regierung mit 130 gegen 7 Stimmen ein Vertrauensvotum. Sieben Stimmzettel waren unbeschrieben
Rumänien.
Der König nahm gestern die Adresse der Kammer entgegen und dankte laut Meldung des „W. T. B.“ in seinem und der Königin Namen sowie im Namen des Prinzen Ferdi⸗ nand und dessen Braut für die einmüthig ausgedrückten Ge⸗ fühle der Loyalität, mit welcher die Verlobung des Prinzen begrüßt worden sei. Dank den Kämpfen und über⸗ menschlichen Anstrengungen sei das Erreichte nunmehr consolidirt. Alle Bemühungen und Gedanken des Königs seien darauf gerichtet, Rumänien eine ruhige Gegenwart und gesicherte Zukunft zu geben. Während seiner langen, gesegneten, vom Vertrauen des Volks getragenen Regierung seien Bande geschaffen worden, die eine mächtige Gewähr für Rumänien bildeten, dessen Existenz so häufig durch den Wechsel der politischen Ereignisse x sei.
In der gestrigen Sitzung des Senats richtete Demeter Stourdza (liberal) bei der Debatte über den Adreßentwurf mehrfache Angriffe gegen die Conservativen. Der Minister des Auswärtigen Lahovarvy stellte verschiedene von Stourdza gemachte Angaben richtig. Der Minister der Domänen Carp wies darauf hin, daß die Conservativen dauernde Reformen, nament⸗ lich die ausgedehnte Preßfreiheit, geschaffen hätten. Die Liberalen dagegen hätten niemals auf die Bildung einer gesunden, Fen e Demokratie hingearbeitet; sie hätten ihre Thätigkeit wohl auf dem politischen, nie aber auf dem socialen Gebiet dargethan, ihr neues Programm bestehe aus unerfüll⸗ baren Versprechungen. Der Minister erklärte, er habe Joan Bratianu begriffen und seine großen Ideen wie sein warmes Herz gekannt; allein die gegenwärtigen Liberalen mit ihren beschränkten Ideen und ihrer unedlen Gesinnung könnten Bratianu nicht begreifen.
Schweden und Norwegen.
(F.) Nach dem Bericht des Staatscomptoirs in Stockholm betrugen die “ in den ersten elf Monaten dieses Jahres: Zölle 35 083 323 Kron. gegen 35 586 400 Kron., Branntweinsteuer 13 413 812 Kron. gegen 12 634 930 Kron., Rübenzuckersteuer 1 710 778 Kron. gegen 1 458 008 Kron., Staatseisenbahnen (Ueberschüsse) 5 500 Kron. gegen 5 600 000 Kron. oder zusammen 55 707 913 Kron. gegen 55 279 338 Kron. in der gleichen Zeit des Vorjahre
6 Alumerika.
Im Senat brachte, wie telegraphisch aus Washin gton gemeldet wird, Stewart ein Amendement ein zu dem Sher⸗ manschen Gesetzentwurf, das darauf abzielt, die freie Aus⸗ prägung von Silber sowie die Emission von Schatzbons zu gestatten, die auf Silberdepots basirt sein sollen.
Nach Meldungen aus Buenos⸗Aires hat Antonin Bernejo aus Gesundheitsrücksichten die Uebernahme des Portefeuilles des Innern abgelehnt
Dem „Reuter'schen Bureau“ wird aus Calcutta ge⸗ meldet: Scher⸗Afzul Chan, der, wie in Nr. 281 d. Bl. vom 26. November gemeldet wurde, die Herrschaft über Chitral an sich gerissen hatte, sei nach den letzten von dort eingegangenen Nachrichten von Nizam⸗ul⸗Mulk in die Flucht geschlagen worden. habe von Chitral Besitz ergriffen, Scher⸗ Afzul Chan sei entflohen.
Afrika.
In Brüssel eingetroffene Nachrichten vom Ufer des Tanganyka⸗See vom 15. September besagen, die Führer der Streitkräfte der Antisklaverei⸗Gesellschaft Capitäne Jacques und Joubert befänden sich im besten Wohlsein. Danach wäre die von der „Réforme“ Jee Nachricht, daß beide ermordet worden seien (siehe Nr. 289 des „R.⸗ u. St.⸗A.“ vom 6. d. M.) eine unrichtige gewesen.
Parlamentarische Nachrichten.
Deutscher Reichstag. 8 14. Sitzung vom Dienstag, 13. Dezember, 12 Uhr.
Der Sitzung wohnen bei der Reichskanzler Graf von Caprivi, der Staatssecretär Dr. von Boetticher, der Königlich preußische Kriegs⸗Minister von Kaltenborn⸗ Stachau und der Königlich sächsische Kriegs⸗Minister Edler von der Planitz.
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mission für Arbeiterstatistik an Stelle des aus dieser Com⸗ mission geschiedenen Abg. Schippel der Abg. Molkenbuhr (Soc.) durch Zuruf gewählt und darauf die erste Berathuͤng des Gesetzentwurfs, betreffend die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres, fortgesetzt.
Königlich sächsischer Kriegs⸗Minister, General⸗Lieutenant Edler von der Planitz: Bei der Wichtigkeit der Vorlage ist es begreiflich, daß die Frage aufgeworfen worden ist, ob alle Bundesregierungen mit der Vorlage einverstanden sind. Es ist das Gerücht entstanden, daß einzelne Bundesregierungen der Vorlage widersprochen hätten. Davon ist mir aber nichts bekannt geworden. Alle Regierungen haben der Vorlage zugestimmt. Es ist auch hervorgehoben worden, daß einzelne Regie⸗ rungen der zweijährigen Dienstzeit widersprochen hätten. Was ist denn jetzt die dreijährige Dienstzeit? Sie besteht nur noch zum kleinsten Theil bei der Infanterie, und es handelt sich gar nicht um die Frage: Zwei⸗ oder dreijährige Dienstzeit. Bereits im Sommer hat die sächsische Militärverwaltung die Vorlage in den Händen gehabt und konnte ihre Wünsche zur Geltung bringen. die Vorlage wird meiner Ansicht nach keinerlei Schwächung der Armee herbeigeführt, numerisch tritt eine Verstärkung ein und besonders auch eine Verjüngung dadurch, daß die älteren Jahres⸗ klassen erst später herangezogen werden. Wenn die sächsische jetzt auf dem Boden der Vorlage steht, so muß sie wohl einen Fortschrirt bedeuten, denn Sachsen hat seit 1866 stets Werth darauf gelegt, daß es seine Schuldigkeit für das Reich thut. Die Vorlage hat auf den ersten Anblick nichts Anziehendes. Aber ich möchte sie mit einem Manne vergleichen, der beim ersten Bekanntwerden keinen guten Eindruck macht, der aber im Laufe der längeren Bekanntschaft gewinnt. Ich hoffe, daß es mit der Vorlage ebenso gehen wird.
Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Ein Theil meiner Freunde ist für die Vorlage, denn wir müssen mit einem Kriege gegen zwei Fronten rechnen, und dabei fällt in das Gewicht, daß wir den Streit⸗ kräften unserer beiden Nachbarn, die dabei in Betracht kommen, nicht gewachsen sind. Frankreich hat nicht unsere Orga⸗ nisation nachgemacht, sondern hat sie überflügelt. Es kann mit seinen 36 Millionen Einwohnern mehr Streitkräfte aufstellen als Deutschland mit seinen 50 Millionen. Jetzt würden wenige Tage nach der Mobilmachung alle Jahrgänge der Landwehr eingezegen werden müssen. Ist die Vorlage geeignet, eine Vermehrung der Armee in quantitativer und eine Verbesserung in quali⸗ tativer Beziehung herbeizuführen? Die volle Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht muß angestrebt werden. Der Abg. Richter befindet sich dabei in einem gewissen Widerspruch. Er sieht in der zweijährigen Dienstzeit einen Triumph des Laienverstandes über die militärischen Autoritäten; andererseits widerspricht er aber der Erhöohung der Präsenzstärke. Wie will er denn die allgemeine Wehr⸗ pflicht durchführen ohne Erhöhung der Präsenzstärke? Die heutige Vorlage ist eine Rückkehr zu den Principien von 1861, die auch eine Verjüngung der Armee darstellten. Wir können dem damaligen Könige nur dankbar sein, daß er allen Anfechtungen zum Trotz diese Organisation, die 1866 und 1870 noch bestand, durchgeführt hat. Man hat sich genöthigt gesehen, das zweite Aufgebot der Land⸗ wehr wieder einzuführen und den Landsturm einzurichten, weil man die hohen Kosten scheute, welche die Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht mit der dreijährigen Dienstzeit verursachen würde. Wenn die Regierung jetzt die zweijährige Dienstzeit für durchführbar hält, so sollten wir dafür dankbar sein. Daß man über die Kosten der Vorlage erstaunt gewesen ist, kann ich nicht glauben, denn ursprünglich hat man doch von 80 bis 90 Millionen Mark gesprochen, und nicht von 64 Millionen Mark. Ein Erstaunen über die Vorlage könnte höchstens bei den höheren Offizieren vorhanden gewesen sein in Bezug auf die Einführung der zweijährigen Dienstzeit. Wenn auch eine kleine Verminderung der Qualität der Truppen eintreten sollte, so wird das aufgewogen durch die Verjüngung der Truppen, die zuerst in das Feuer geführt werden. Die Windthorst'schen Resolutionen stehen der Vorlage nicht entgegen. Die erste Resolution bezieht sich auf die Unerschwinglichkeit der Kosten der Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht, aber sie ist damals von verschiedenen Seiten nur so auf⸗ gefaßt worden, daß sie sich auf die jetzige dreijährige Dienstzeit bezieht. Ich als alter Landwehrmann kann feststellen, daß meine Kameraden und meine Untergebenen damals das Möglichste geleistet haben; aber
wir konnten nicht sagen, daß man uns das hätte zumuthen können, was man der activen Truppe zugemuthet hat.
Die Landwehrleute sind an ein bequemeres Leben gewöhnt, und deshalb nicht so felddienstfähig. Es liegt keine Beleidigung darin, “ sagt, die Landwehrleute können das nicht leisten, was der junge Mann leisten kann. Es wäre eine viel größere Beleidigung für die Landwehr, wenn man sie in erster Linie in das Feuer schickte und die jungen Leute zu Hause ließe. Es wird nicht möglich sein, die Vorlage sofort in einem Tage durchzuführen; es wird eine Reihe von Jahren nothwendig sein, die Vorlage wird Schritt für Schritt durchgeführt werden müssen. Der erheblichste Vorwurf gegen die Vorlage ist die Beseitigung der dreijährigen Dienstzeit. Die Dispositionsurlauber dienen ja nicht ein⸗ mal zwei Jahre. b ist, so liegt die Sache doch nicht so, daß alles unverändert erhalten werden muß, sondern er hat eine Schule geschaffen, welche die Truppen in den Zustand setzt, der den Zeitverhältnissen entspricht. Ich meine, es ist der Geist des Grafen Moltke, der aus dieser Vorlage spricht. Die zweite Windthorst'sche Resolution, die sich auf die zweijährige Dienstzeit bezieht, wird durch die Vorlage erfüllt. Die Kosten können dabei nicht ins Gewicht fallen; jetzt müssen wir 50 bis 60 Millionen Mark jährlich auf⸗ bringen, das bedeutet garnichts gegenüber den 20 oder mehr Milliarden die wir im Falle eines Krieges zahlen müßten. Außerdem hat sich durch die Wirthschaftspolitik der Wohlstand des Landes so gehoben, daß die Belastung als keine so erhebliche erscheint. Gerade diejenigen, die den jetzigen wirthschaftlichen Nieder⸗ gang als einen Grund gegen die Vorlage anführen, sollten dafür stimmen, weil die 64 Millionen im Lande bleiben und den Arbeits⸗ losen Beschaftigung geben. Uebrigens ist der Niedergang kein so er⸗ heblicher; die Baumwollenindustrie befindet sich sogar in einem Auf⸗ schwung wie seit langer Zeit nicht, und ich glaube, daß der Export sich bald wieder heben wird bei anderen Industricn. Mit dem Bimetallismus hat die Sache garnichts zu thun. Es handelt sich darum, wie sollen die Ausgaben aufgebracht werden. Nach meiner Ansicht wäre der Taback ein sehr viel besseres Steuer⸗ object als das Bier. Ich würde es dankbar begrüßen, wenn statt der Biersteuer eine andere Steuer durchgeführt werden könnte, vielleicht eine Inseratensteuer. Wenn wir jetzt die Wähler vor die Frage stellen: was ziehst Du vor, dreijährige Dienstzeit und sofortige Einberufung als Landwehrmann, oder zweijährige Dienstzeit und Zurückstellung der Landwehrleute im Kriegsfall und dafür 1 ℳ für den Kopf der Bevölkerung mit der Sicherheit vor feindlichen An⸗ griffen, dann wird kein Wähler zweifelhaft sein. Ich weise weit von mir die Verantwortung dafür, die Hand der Regierung, welche dar⸗ geboten ist zur Rettung des Vaterlandes, zurückzuweisen.
Abg. Dr. von Bennigsen (nl.): Ueber der Vorlage hat ein unglücklicher Stern gewaltet. Wochen⸗ und monatelang kamen bruch⸗ stückweise Nachrichten in die Oeffentlichkeit; richtige und unrichtige, zum theil hinsichtlich der Zahl vollständig übertriebene Nachrichten wurden bekannt. Naturgemäß bemächtigte sich eine große Unruhe der Bevölkerung; und denjenigen Parteien und politischen Persönlichkeiten, die den Grundlagen der Vorlage wider⸗ strebten, wurde es erleichtert, in der Presse und in Versammlungen der Vorlage entgegenzutreten. Das wurde befördert dadurch, daß sich herausstellte, daß die bedeutenden Summen zur Deckung der Vorlage durch neue Steuerbewilligung beschafft werden müssen. Die Deckung durch Matrikularbeiträge könnte nicht erfolgen wegen der Finanzverhältnisse der Einzelstaaten. Ueber die Art der Deckung, über
Auf Antrag des Abg. Singer (Soc.) wird in die Com⸗
So groß die Unsterblichkeit des Grafen Moltke’
die Artikel, die dafür in Aussicht genommen werden, stehen die An⸗ sichten der verbündeten Regierungen nicht fest oder wurden nicht leichmäßig aufrecht erhalten. 1“ wurde eine Menge von Interessen beunruhigt, und die Heranziehung des Tabacks hatte den Nachtheil, daß alle Zweige der Tabackindustrie, die schon oft be⸗ unruhigt waren, besonders aufgeregt wurden, weil eine Erhöhung der Tabacksteuer kaum durchzuführen war. Um so größer war die Beunruhigung in weiten Kreisen. Dadurch fand eine gewisse Ableitung des Interesses von der wichtigen Militärvorlage auf die Steuervorlagen statt. Die Vorlage enthält gewisse Vorzüge: die Durchführung der zweijährigen Dienstzeit, die im liberalen Lager allseitig verlangt wurde, die Verjüngung der Armee u. s. w. Mit den Steuern werden wir uns demnächst ja noch besonders zu beschäftigen haben; aber ich muß jetzt schon sagen, wenn die drei Steuervorlagen bewilligt werden sollten, geben sie keineswegs eine volle Deckung für die Militärvorlage. Sie geben nur eine Deckung für die laufenden Ausgaben des ersten Jahres von 56 Millionen Mark. Ob die Vorlagen wirklich das einbringen werden, was die Regierung annimmt, möchte ich bezweifeln. Es fehlt also an der Deckung für die 64 Millionen, welche die Vorlage vom zweiten Jahre ab kosten wird, und an der Deckung für die einmaligen Ausgaben beziehungsweise deren Verzinsung. Ein Betrag von reichlich 70 Millionen Mark jährlich wird erforder⸗ lich sein; damit müssen wir rechnen, und wir können davon nichts auf die Matrikularbeiträge abwälzen. Durch die Steuervorlagen ist die Aufmerksamkeit vom Kern der Militärvorlage abgelenkt worden; hätte man sofort die ganze Militärvorlage veröffentlicht, so wäre der Eindruck von den Vorzügen der Vorlage jedenfalls ein anderer gewesen. Die Herabsetzung der Dienstzeit von drei auf zwei Jahre ist eine große Erleichterung für die Bevölkerung. Die Un⸗ gerechtigkeit, die in der jetzigen Dienstzeit mit dem System der Dis⸗ positionsurlauber liegt ist überall hart empfunden worden, zumal, da bei der Mitwirkung subalterner Stellen Menschlichkeiten nicht vermieden worden sind. Daß die Verjüngung der Armee ein außerordentlicher Vorzug ist, wird wohl allgemein anerkannt; die Ungerechtigkeit wird aus der Welt geschafft, daß die ersten ent⸗ scheidenden Schlachten von älteren verheiratheten Männern geschlagen werden, während Hunderte von jungen Männern mangelhaft ausgebildet in der Heimath bleiben. Der gemeine Mann aus dem Volke wird diesen Vorzug auch begreifen. Die Erhöhung der Friedenspräsenz⸗ stärke um 83 000, der Aushebung um 60 000 Mann jährlich ist ein Sprung, wie wir ihn in der Bedeutung bei den ilitärvorlagen noch nicht gehabt haben; alles, was man seit 1874 gefordert hat, kommt zusammen der jetzigen einmaligen Bewilligung gleich. Die verbündeten Regierungen haben aus allen Reden, abgesehen von der des Abg. Freiherrn von Stumm, wohl den Eindruck bekommen, daß die FVorlage auf Annahme im vollen Umfange nicht zu rechnen hat. In der Presse und im Stimme der entscheidenden Parteien für die vollen Zahlen der Vorlage erhoben worden, und ich bedauere, auch im Namen meiner Freunde eine solche Zustimmung nicht in Aussicht stellen zu können. Schon wegen der mangelnden Deckung können wir der Vorlage in vollem Umfange nicht zustimmen. Weiter sind nicht nur bei uns, sondern auch in weiteren Kreisen Bedenken vorhanden, ob es möglich ist, die Umgestaltung auf einmal vorzunehmen, namentlich das Instructionspersonal sofort zu gewinnen, das zur Durchführung der Maßregel erforderlich ist, also, abgesehen von dem noch nicht ausgeglichenen Manquement in der jetzigen Verfassung, ein Mehr von 2100 Offi⸗ zieren und 12 000 Unteroffizieren. General von Verdy hat selbst von einem etappenweisen Vorgehen für seine Pläne gesprochen, weil das Instructionspersonal in einem so kurzen Zeitraum nicht be⸗ schafft werden kann. Wegen der Vermehrung der Spoecial⸗ waffen möchte ich nur bemerken, daß von der Nothwendig⸗ keit der Vermehrung der Cavallerie meine Freunde nicht recht überzeugt sind. Das wichtigste ist die Bildung von 173 vierten EL“ Hierüber ist die Begründung nicht voll⸗ kommen ausreichend. Der Reichskanzler und der Kriegs⸗Minister haben wohl mit Recht darauf hingewiesen, daß dies am besten in der Commission geschehen könne; ich muß das abwarten. Ueber militärische Dinge müssen wir uns schließlich hier im Parlament auch ein Urtheil bilren können, wenn auch vielleicht nicht so leicht wie die Militärs. Da halte 8 es doch für nothwendig hervor⸗ zuheben, daß sowohl wegen der Beschaffung des Instructionspersonals als wegen der vierten Bataillone erhebliche Bedenken be⸗ stehen. Es wird sehr wesentlich darauf ankommen, zu vermeiden, daß die vierten Bataillone eine minderwerthige militärische Be⸗ deutung erhalten. Wegen der zweijährigen Dienstzeit ist die dauernde Aufrechterhaltung im Verwaltungswege in Aussicht ge⸗ nommen. Ich zweifle nicht, daß es in der
Hause ist keine
ommission gelingen wird, eine Formulirung zu finden, welche die zweijährige Dienstzeit im Gesetz dauernd festlegt. Die Zumuthung kann nicht an uns ge⸗ stellt werden, daß wir eine Armee besitzen, die den beiden Gegnern nach zwei Fronten hin gewachsen ist. Aber das wird man verlangen können, daß wir den Franzosen vollständig gewachsen sind, namentlich weil die französische Bevölkerung hinter der deutschen um rund zwölf Millionenzzurückbleibt. Einer Ausgleichung des Vorsprungs, den Frankreich vor uns hat, werden ernsthafte Gründe wohl nicht entgegengesetzt werden können. Im französischen Parlamente werden solche Forderungen auch von den Oppositionsparteien ge⸗ nehmigt. Die Neigung zu solchen Bewilligungen ist in Frankreich naturgemäß eine größere, als in Deutschland, einmal wegen der Be⸗ geisterung der Franzosen für ihren Ruhm und dann wegen der Neigung, für die Niederlage an Deutschland Revanche zu nehmen. Solche Gründe sind bei uns nicht vorhanden. Nach militärischem Ruhm geizen wir nicht. Unsere Grenzen sind abgeschlossen, wir begehren nicht nach neuen Ländern. Aber in der geo⸗ graphischen Lage Deutschlands ist ein Umstand von schwerem Gewicht vorhanden, daß in Deutschland jederzeit das Gefühl, die gesammten Volkskräfte zur Verfügung zu haben, um das zu ver⸗ theidigen, was wir 1870 gewonnen haben, mächtig sein muß. (Zu⸗ stimmung.) Der schwere Niedergang der Industrie und des Handels stellt sich jedem neuen Opfer an Steuern entgegen, und es sind man
Umstände in Deutschland vorhanden, die eine gewisse Mißstimmung verbreitet haben. Es ist Kritik und Unzufriedenheit erhoben gegen manche Maßregeln der Regierung; es sind gewiß große und kleine Fehler begangen, die eine weitgehende Mißstimmung ervorzurufen geeignet waren. Die Autorität der Regierung steht jetzt nicht so hoch und kann auch nicht so hoch stehen, wie in den siebziger Jahren unter dem Eindruck der großartigen Siege und der Wiederherstellung des Deutschen Reiches. Der A Phan⸗ aller Dinge verbreitete sich auf die Häupter der Männer, des Kaisers, des Kanzlers und des igroßen Schlachtenlenkers, die den Ruhm der deutschen Nation in sich vereinigten. Das waren Umstände, wie sie kaum in hundert Jahren für eine Nation wiederkehren können. Es folgte ein so großer Auf⸗ schwung des Gefühlslebens, des Wirkens und Schaffens; des Volkes selbst, welcher sich überall bemerkbar machte. (Schluß des Blattes.)
— Dem Reichstag ist eine Denkschrift über die Thätigkeit der Physikalisch⸗Technischen Reichsanstalt in den Jahren 1891 und 1892 vorgelegt worden. In der Einleitung wird gesagt: Die Phvsttalischee nische Reichsanstalt hat auch in den letzten beiden Jahren wissenschaftliche und technische Arbeiten innerhalb ihres in der Denkschrift vom 13. Dezember 1890 dargestellten Aufgaben⸗ kreises ausgeführt. Die Ergebnisse derselben sind sowohl durch Ver⸗ öͤffentlichungen in Fachzeitschriften wie durch schriftlichen und münd⸗ lichen Verkehr den betheiligten Kreisen zugänglich gemacht. Namentlich hat die Anstalt auf die letzteren auch fördernd gewirkt durch ihre umfassende Betheiligung an den Ein⸗ richtungs⸗ und Prüfungsarbeiten auf der vorjährigen inter⸗ nationalen elektrotechnischen Ausstellung zu Frankfurt a. M., sowie in öffentlichen Versammlungen durch Vorträge und Anregung in Fragen der Glasfabrikation, der elektrischen Meßgeräthe, der Lichtmesungh er Härteversuche, des Anlaßverfahrens bei Metallen und der einheitlichen Schraubengewinde. Insbesondere muß hierbei die unermüdliche
Thätigkeit des leider im Oktober d. J. durch den Tod abberufenen Direckors Dr. Loewenherz hervorgehoben werden, der durch seine rast⸗ lose Energie, seine ausgebreitete Sachkenntniß, seine Treue und Hin⸗ gabe für die Ziele und Wirksamkeit der Anstalt, das Verständniß für die letztere weit über die nächsten Kreise hinausgetragen und der E““ und Industrie rühmlichst anerkannte Dienste ge⸗ eistet hat.“
— Der Abg. Liebermann von Sonnenberg (b. k. F.) hat im Reichstage folgenden schleunigen Antrag eingebracht: „Der Reichstag wolle beschließen: den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, zu veranlassen, daß das gegen den Abg. Ahlwardt, ge⸗ wählt für den 1. Wahlkreis des Regierungsbezirks Frank⸗ furt a. O, wegen öffentlicher Beleidigung durch die Presse beim Landgericht Berlin I schwebende Strafverfahren für die Dauer der laufenden Session eingestellt werde.“ Unterstützt ist der Antrag durch folgende Abgeordnete: Auer, Bebel, Birk, Dreesbach, Frohme, Geyer, Grillenberger, Hickel, Liebknecht. Meister, Freiherr von Münch, Schmidt (Frankfurt), Seifert, Singer, Stadthagen, Tutzauer, Werner und Wurm.
— Bei der Ersatzwahl zum Reichstag im Wahl⸗ kreise Kaufbeuren stellte sich, wie „W. T. B.“ meldet, das vorläufige Wahlergebniß wie folgt: Finh (Centr.) 7965 Stimmen, Sigl (Centr.) 3143, Wagner (natlib.) 2762 und Zitt (Socialdem.) 799 Stimmen. Ersterer wäre somit gewählt.
— Die Steuerreformcommission des Hauses der Abgeordneten trat gestern in die Berathung der §§ 17 und 18. des Ergänzungssteuergesetzes ein, welche die Berücksichtigung besonderer Verhältnisse, sowie den Steuertarif enthalten. Die beiden Paragraphen waren wegen der Erkrankung des Finanz⸗Ministers Dr. Miquel zurückgestellt worden, welcher zur gestrigen Sitzung wieder erschien. § 17 der Regierungsvorlage lautet: „Zur Ergänzungssteuer werden nicht herangezogen: 1) diejenigen Personen, deren steuerbares Vermögen den Gesammtwerth von 6000 ℳ nicht übersteigt; 2) diejenigen Personen, deren nach Maßgabe des Einkommensteuergesetzes zu berechnendes Jahres⸗ einkommen den Betrag von 900 ℳ nicht übersteigt, insofern der Gesammtwerth ihres steuerbaren Vermögens nicht mehr als 16 000 ℳ beträgt; weibliche Personen, welche minderjährige Familienangehörige zu unterhalten haben, vaterlose minderjährige Waisen und Erwerbs⸗ unfähige, insofern das steuerbare Vermögen der bezeichneten Personen den Betrag von 16 000 ℳ und das nach Maßgabe des Einkommen⸗ steuergesetzes zu berechnende Jahreseinkommen derselben den Betrag von 1200 ℳ nicht übersteigt. Die freiconservativen Mit⸗ glieder beantragten als Nr. 4 hinzuzufügen: „Steuerpflichtigen, welchen auf Grund des § 19 des Einkommensteuergesetzes eine Ermäßigung der Einkommensteuer gewährt wird, kann bei der Veranlagung auch eine Ermäßigung der Ergänzungssteuer um höchstens zwei Stufen gewährt werden, sofern das steuerpflichtige Vermögen nicht mehr als 50 000 ℳ beträgt.“ Die conservativen Mitglieder wünschten folgenden Zusatz zu § 17: „Personen, deren Ver⸗ mögen 30 000 ℳ nicht übersteigt, werden, wenn sie nicht zur Einkommensteuer veranlagt sind, mit höchstens 3 ℳ jährlich, wenn sie zu den ersten 4 Stufen derselben veranlagt sind, höchstens mit einem um 2 ℳ unter der von ihnen zu zahlenden Ein⸗ kommensteuer verbleibenden Betrage zur Ergänzungssteuer herangezogen.“ Die Vertreter des Centrums beantragten, in Nr. 1 statt 600) ℳ zu setzen: 12 000 ℳ.,, und in Nr. 2 und 3 statt 16 000 ℳ zu setzen: 20 000 ℳ Endlich beantragten die nationalliberalen Mitglieder einen besonderen neuen § 18a folgenden Wortlauts: „Für diejenigen Personen, deren steuerpflichtiges Einkommen 3000 ℳ und deren Vermögen 30 000 ℳ nicht übersteigt, beträgt die Ver⸗ mögenssteuer die Hälfte der im § 18 bestimmten Steuersätze.“ — Im Verlaufe der längeren Berathung, die sich über diese verschiedenen Anträge entspann, wurde seitens der anwesenden Regierungs⸗ vertreter ausgeführt, daß der finanzielle Effect der Centrums⸗ vorschläge schwer zu schätzen sei. 2 900 000 ha Grundbesitz, also 13 ½ % der Gesammtfläche, würden damit ausfallen und damit eine Steuer von 1 600 000 ℳ Bei dem Gewerbebetrieb würden event. 100 000, beim Kapitalbesitz 1 500 000 ℳ ausfallen, sodaß ein Ausfall von etwa 4 Millionen eintreten würde. Durch die De⸗ gression würden weitere 2 bis 3 Millionen in Wegfall kommen, so⸗ daß der Ausfall ca. 7 Millionen betragen würde. Bei dem national⸗ liberalen Antrage dürften 4 bis 5 Millionen in Wegfall kommen, bei den beiden conservativen Anträgen würde der finanzielle Erfolg kein sehr großer sein. Der Finanz⸗Minister Dr. Miguel sprach den Wunsch aus, man möge die allgemeine Finanzlage des Staates nicht aus dem Auge lassen. Durch Aufgabe der Realsteuern werde den Censiten eine größere Erleichterung gewährt, als ihnen durch die Ergänzungssteuer Lasten aufgebürdet werden würden. Eine starke Degression würde epent. eine unerwünschte Progression zur
olge haben. Die Einkommensteuerüberschüsse würden mit als Ersatz ür die aufgegebenen Realsteuern herangezogen werden müssen, sofern das neue Schulgesetz vom Hause abgelehnt würde. — Die national⸗ liberalen Mitglieder zogen darauf, vorbehaltlich der Wiederaufnahme in zweiter Lesung, ihren Antrag zurück. — Bei der Abstimmung wurde Abs. 1 des § 17 unverändert angenommen, Abs. 2 und Abs. 3 mit der vom Centrum vorgeschlagenen Modification (20 000 statt 16 000 ℳ). Sodann wurde ein neuer § 17 . formulirt, indem als Abs. 1 der oben mitgetheilte conservative, als Abs. 2 der freiconserva⸗ tive Antrag angenommen wurde. — § 18 (Steuertarif) wurde nach längerer Debatte gemäß den Vorschlägen der Regierung angenommen, jedoch der Abs. 3 dieses Paragraphen, welcher lautet: „Bei Vermögen von mehr als 2 Millionen Mark bis einschließlich 2 100 000 ℳ be⸗ trägt die Steuer 1000 ℳ und steigt bei höherem Vermögen für jede angefangenen 100 000 ℳ um je 50 ℳ“, gestrichen. — Die Berathung wurde Hne fortgesetzt.
— Im 1. Marienwerderschen Landtags⸗Wahl⸗ bezirk (Stuhm⸗Marienwerder) ist an Stelle des früheren Landraths Wessel, der wegen seiner Beförderung das Mandat niedergelegt hat, von 314 abgegebenen Stimmen Freiherr von Buddenbrock zu Klein mit 200 Stimmen zum Mitgliede des Hauses der bgeordneten gewählt worden. Conrad Leinweber⸗Marienwerder (lib.) erhielt 36 und der Rittergutsbesitzer von Donimirski⸗Buchwalde (Pole) 78 Stimmen.
— Im 3. Hildesheimer Landtags⸗Wahlbezirk (Marienburg⸗Goslar) ist an Stelle des verstorbenen Rentners Mackensen von 239 gültig abgegebenen Stimmen der Fabrikant S u Goslar (nl.) mit 122 gegen 117 Stimmen, die der
viabesther Jordan⸗Holle (nl.) erhielt,F zum Mitgliede des Hauses der Abgeordneten gewaͤhlt worden.
Kunst und Wissenschaft.
— Die Hof⸗Kunstanstalt Franz Hanfstängl in München ist seit dem Sommer mit Neuaufnahme der Dresdener Galerie beschäftigt und hat soeben mit der Publication der Aufnahmen be⸗ gonnen. Es sind im ganzen 300 Blatt in Aussicht genommen. Die erste Serie enthält 84 Blatt. Uns liegen davon einige 28 vor, welche beweisen, zu vwelcher Vollkommen⸗ heit die Füre es in Anwendung des Kohledruckverfahrens gebracht hat. Es, sind drei ilder in Extraformat erschienen: Die “ Madonna in 60 : 90 cm Bild⸗ größe, das Brustbild der Sixtinischen Madonna in 70:88 cm Bild⸗ größe und Rembrandt's Selbstbildniß mit seiner Gattin in 72:88 cm — jedes Blatt 50 ℳ Dieses Format wie das Imperialformat
(40:51 cm Bildgröße) eignen sich zum Zimmerschmuck, das Royal⸗
format (29:38 cm 8. sowohl als Zimmerschmuck wie zum Sammeln in einer Mappe. Das Imperialformat kostet 12 ℳ, das Royalformat 6 ℳ In diesem liegen uns außer der Sixtinischen Madonna und Rembrandts Selbstbildniß die Murillo;sche Madonna, Meleager und Atalanta von Rubens, sowie die Magdalena von Francesco Gessi vor. Bei der Größe der Bilder kommen die Meisterwerke bis in die kleinsten Einzelheiten, bis in die zartesten Nuancen zur Geltung Durch ein der Hanfstängl'schen Anstalt eigenthümliches Verfahren ist es möglich gewesen, auch den coloristischen Charakter der Originale in Sepiaton getreu wieder⸗ zugeben: in der Abstufung vom höchsten Licht zu den Mitteltönen und von da zur größten Tiefe im Gemälde sind die Aufnahmen geradezu vollendet. Sie zeichnen sich durch Feinheik und Klarheit aus und verbürgen durch den unveränderten Kohledruck Dauerhaftigkeit, sodaß man sich in den Besitz getreuer Reproductionen der Kunstschätze der Dresdener Galerie setzen kann, ohne befürchten zu müssen, daß sie verblassen und schlecht werden. Die neue Publication secheßt sich würdig den bekannten, von derselben Firma veranstalteten Galerie⸗ Ausgaben alter Meister in Amsterdam, Berlin, Brüssel, Cassel, Haag, Haarlem und München an.
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Land⸗ und Forstwirthschaft. “
Saatenstand in Italien.
Die Witterung war zu Anfang vorigen Monats in Nord⸗Italien für die Aussaat zu naß; das darauf folgende trockene und kalte Wetter aber brachte Besserung, sodaß der Stand der Wintersaat im all⸗ gemeinen als befriedigend gelten kann. Auch in Süd⸗Italien ist die Witterung den Saatfeldern förderlich gewesen, und die Saat steht in der Provinz Neapel und den südlichen Provinzen längs des Adriatischen und des Mittelmeeres jehr gut. 9
Saatenstand in Rumänien.
In der Wa lachei ist die diesjährige Herbstaussaat im Ver⸗ hältniß zu den Vorjahren bedeutend im Rückstande, doch hält man es nicht für ausgeschlossen, daß der infolge ungünstiger Witterung unter⸗ brochene Anbau demnächst wieder aufgenommen werden wird. In der Moldau, wo die anhaltend trockene Witterung, welche bis tief in den Oktober hinein herrschte, den Beginn des Herbstanbaues ver⸗ zögerte, ermöglichten spätere Niederschläge, daß derselbe doch noch in genügendem Umfange vorgenommen werden konnte. Der Saatenstand ist dort befriedigend. Die Anbaufläche in diesem Jahre ist noch nicht bekannt; dagegen wurde neuerdings amtlich die Anbaufläche Ru⸗ mäniens für das Jahr 1891 bekannt gegeben. Danach wurden im Herbst 1890 bezw. im Frühjahr 1891 angebaut:
mit Weizen . . . . . 1 542 582 ha, „ Mats. 1 693 392 Gerste. 525 909 Hafer. 184 940 Roggen 183 451 Raps 121 913
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und 1
Maßregeln.
8 EE11““ “ Pest, 12. Dezember. Das Amtsblatt veröffentlicht nachstehenden amtlichen Cholerabericht: In Pest ist am 9. d. M. weder eine Er⸗ krankung, noch ein Todesfall infolge von Cholera vorgekommen; in Zenta waren vom 25. bis zum 30. November zwei Erkrankungen und ein Todesfall an Cholera zu verzeichnen; auf dem Gebiet des Graner Comitats ist die Epidemie vollständig erloschen. Amsterdam, 13. DBezember. Nach dem Wochenbericht des Ministers des Innern sind in Holland in der letzten Woche zwei Personen an der Cholera gestorben. 1“
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Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks
an der Ruhr und Oberschlesien. öG
An der Ruhr sind am 12. d. M. gestellt 11 037, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 10. d. M. gestellt 4690, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. ö“
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Zwangs⸗Versteigerungen.
Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin stand am
12. Dezember das Grundstück des Kaufmanns Karl Hollwitz in der Forsterstraße 21 zur Versteigerung. Nutzungswerth 5000 ℳ, Mindestgebot 87 900 ℳ; für das Meistgepot von 88 000 ℳ wurde der Rentier Paul Lindenau, Potsdamerstraße 19, Ersteher.
— Dem Aufsichtsrath der Bergwerksgesellschaft Hibernia, Herne, wurden in einer heute in Berlin abgehaltenen Sitzung fol⸗ gende Mittheilungen gemacht. In den abgelaufenen 11 Monaten dieses Jahres beziffert sich die gesammte Kohlenförderung auf netto 1 393 768 t (gegen 1 469 742 t in dem gleichen Zeitraume des Vor⸗ jahres), wovon 412 829 t auf die Zeche Wilhelmine Victorig, 328 744 t auf die Zeche Hibernia, 650 606 t auf die Zeche Shamrock 1/II und 1589 t auf die Zeche Shamrock III/IV. entfallen. An Koks wurden 71 525 t auf der Zeche Sham⸗ rock 1/II1 und 49 209 t auf der Zeche Hibernia producirt. Auf Shamrock 1/II wurden ferner 840 t Theer, 288 t schwefelsaures Ammoniak und auf der dortigen Gasfabrik 397 000 cbm Gas erzeugt; die Production von Ziegelsteinen auf Wilhelmine Victoria betrug 3 379 710 Stück. Man erwartet, daß der Gewinn des laufenden Geschäftsjahres die Vertheilung von 5 ½⅜ % Dividende gestatten werde. 8 Leipzig, 12. Dezember. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. b. Plata. Grundmuster B., per Dezember 3,70 ℳ, per Januar 3,70 ℳ, per S 3,72 ½ ℳ, per März 3,75 ℳ, per April 3,77 ½ ℳ, per Mai 3,80 ℳ, per Juni 3,80 ℳ, per Juli 3,82 ½ ℳ, per August 3,82 ½ ℳ, per September 3,85 ℳ, per Oktober 3,87 ½ ℳ, per November —. Umsatz 60 000 kg.
Wien, 13. Dezember. (W. T. B.) Ausweis der Südbahn in der Woche vom 2. Dezember bis 8. Dezember 708 039 Fl., Minder⸗
einnahme 16 628 Fl. (W. T. B.)
London, 12. Dezember. verändert.
An der Küste 1 Weizenladung angeboten.
— 13. Dezember. (W. T. B.) Nach einer Meldung der „Times“ aus Philadelphia sind die für den 13. d. M. zum Export be- stellten 2¼ Millionen Gold fast ganz für Oesterreich bestimmt. Das gegenwärtige Agio begünstigt den Export. “
Glasgow, 12. Dezember. (W. T. B.) Die Ne von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 5398 Tons gegen 5838 Tons in derselben Woche des “ Jahres.
Bradford, 12. Dezember. (W. T. B.) Wolle flauer ruhiger, Preise stetig; Exportgarne belebt.
ürich, 12. Dezember. (W. T. B.) Der “ der Nordostbahn beschloß, für den Bau von 16 Locomokiven 960 800 Fr. in das Baubudget von 1893 einzustellen. 8
New⸗York, 12. Dezember. (W. T. B.) Die Börse er⸗ öffnete in steigender Haltung, schwächte sich jedoch im weiteren Ver⸗ laufe etwas ab und schloß recht fest. Der Umsatz der Actien be⸗ trug 380 000 Stück. Der Silbervorrath wird auf 1 100 000 Unzen geschätzt. Die Silberverkäufe betrugen 50 000 Unzen. Für den Staatsschatz wurden angekauft 447 000 Unzen zu 83,70 à 83,80. Morgen sollen 3 Millionen Gold nach Europa abgesandt werden.
Weizen anfangs höher, später schwächer auf Abgaben der Haussiers. Schluß schn — Mais enfangs fester, nachher etwas abgeschwächt infolge siers. Schluß stetig.
Wollpreise un⸗
ealisirungen der Hau
eizen 75 571 000 Bushels, do. an
Visible ; y an Mais 10 711 000 2
ushels. 8 “
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