1892 / 296 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 14 Dec 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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Umstände dazu Veranlassung geben. 8

gleitbericht aber nur noch dann zu erstatten, wenn besondere

Nach der im Reichs⸗Eisenbahnamt aufgestegten Nach⸗

weisung über die im Monat Oktober d. J. auf deutschen Bahnen (ausschließlich der bayerischen) bei den Zügen mit Personenbeförderung vorgekommenen Verspätungen haben auf 36 größeren Vahnen bezw. Bahnnetzen mit einer Gesammtbetriebslänge von 36 882,13 km von den fahrplanmäßigen Zügen überhaupt sich ver⸗ spätet: 1237 Schnellzüge, 1892 Personenzüge und 530. zur sowie zur Güterbeförderung gleichzektig dienende

üge, zusammen 3659. Von den fahrplanmäßigen Zügen mit Personenbeförderung wurden geleistet: 15 328 083 Zug⸗ kilometer, 295 110 621 Achskilometer gegen 15 455 989 Zug⸗ und 305 548 729 Achskilometer im Vormonat und gegen 15 188 320 Zug⸗ und 301 089672 Achskilometer in demselben Monat des Vorjahres. Von den Ver⸗ spätungen wurden 1387 durch das Abwarten verspäteter An⸗ schlußzuüge veranlaßt, sodaß den aufgeführten Bahnen nur 2272 Verspätungen zur Last fallen, gegen 1357 im Vormonat und 2843 in demselben Monat des Vorjahres. Von den auf eigener Bahn vorgekommenen Verspätungen entfallen auf 1 Million Zugkilometer 148, 1 Million Achskilometer 8, mithin auf 1 Million Zugkilometer 39 = 21 v. H. weniger als im Monat Oktober des Vorjahres und 60 = 68 v. H. mehr als im Vormonat, und auf 1 Million Achskilometer 1 = 11 v. H. weniger als im Monat Oktober des Vorjahres und 4 = 100 v. H. mehr als im Vormonat. Infolge der Verspätungen wurden 1920 An⸗ schlüsse versäumt (gegen 2536 in demselben Monat des Vor⸗ jahres und 1244 im Vormonat). Bei 4 Bahnen sind Zug⸗ verspätungen und bei 8 Bahnen Anschlußversäumnisse nicht vorgekommen. In der Nachweisung sind die Bahnen, auf denen Zugverspätungen vorkamen, nach der Verhältniß⸗ zahl (geometrisches Mittel) zwischen der Anzahl der von den fahrplanmäßigen, der Personenbeförderung dienenden Zügen auf 1 Million Zugkilometer und der auf 1 Million Achs⸗ kilometer entfallenden eigenen Verspätungen geordnet. Danach nehmen die Mecklenburgische Südbahn, die Bahnen im Bezirk der Königlichen Eisenbahn⸗Direction Erfurt und Neustrelitz⸗ Warnemünder Eisenbahn die ungünstigsten Stellen ein. Wird die Reihenfolge der Bahnen statt nach der Anzahl der Ver⸗ spätungen nach der Anzahl der Anschlußversäumnisse bestimmt, so treten die vorgenannten Bahnen ebenfalls an die un⸗ günstigsten Stellen 8

Der General⸗Inspecteur des Militär⸗Erziehungs⸗ und Bildungswesens, General der Infanterie von Keßler ist hierher zurückgekehrt.

Der Wirkliche Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Schneider im Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten ist aus der Provinz Ostpreußen zurückgekehrt.

Der Grenz⸗Commissarius, Polizei⸗Rath von Roöll zu Eydtkuhnen ist mit der commissarischen Verwaltung des Land⸗ rathsamts im Kreise Meseritz, Regierungsbezirk Posen, beauftragt worden. 6“

8

Württemberg.

Wie der „St.⸗A. f. W.“ vernimmt, treffen morgen Ihre

Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Groß⸗ herzogin von Baden in Stuttgart ein, um den von Ihren Majestäten dem König und der Königin im Sommer in Karlsruhe abgestatteten Besuch zu erwidern.

Hessen. Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Heinrich von

Preußen hat ihre Rückreise von Darmstadt nach Kiel auf

morgen festgesetzt. Ihre Kaiserlichen Hoheiten der Großfürst und die Großfürstin Sergius werden am nächsten Sonn⸗ abend die Rückreise nach Moskau antreten.

Oesterreich Ungarn.

In der gestrigen Sitzung des österreichischen Abge⸗ ordnetenhauses beantragte dem „W. T. B.“ zufolge der Abg. Dr. Steinwender die Dringlichkeit für die Wahl: eines aus 24 Mitgliedern bestehenden Ausschusses zur Prüfung der Entscheidungen des Ministeriums des Innern, durch die den Magistraten von Klagenfurt und Cilli die An⸗ nahme slovenischer Eingaben und deren Erledigung in slovenischer Sprache aufgetragen wird. Der Ausschuß soll ferner die bisher erlassenen Spr verordnungen überhaupt prüfen und dem Hause darüber Bericht erstatten. Bei der sodann fortgesetzten Berathung des Budgets beantragte der Abg. Ruß nachfolgende Resolution: „Das Abgeordnetenhaus erkennt den Grund der Auflösung der Stadtvertretung in Reichenberg nicht als ausreichend an, fordert die Regierung auf, bei der Ausübung des Staatsaufsichtsrechts sich jedes nicht uner⸗ läßlichen Eingriffks in die Gemeindeautonomie zu ent⸗ halten und spricht die Rechtsüberzeugung aus, daß im Falle der Auflösung der Gemeindevertretung die be⸗ seellten Staatsorgane nur die dringenden laufenden Geschäfte

zu 885b haben.“ Der Abg. Dr. Steinwender überreichte

eine Resolution, worin er die Regierung auffordert, die Sprachenverordnungen für Reichenberg, Klagenfurt und Cilli dem Hause vorzulegen. Die Resolutionen wurden dem Budget⸗ ausschuß überwiesen. Nächste Sitzung Donnerstag; auf der Tagesordnung steht das Budgetprovisorium.

Im ungarischen Unterhause erklärte der Minister⸗ Präsident Dr. Wekerle bei der Generaldebatte über das Budget, auch er trete gegen eine unnöthige Erhöhung der Heeresaus⸗ babes auf, könne sich jedoch gegen eine nothwendige Steigerung

erselben nicht verschließen; die übrigen europäischen Staaten machten ganz bedeutende Anstrengungen, während Ungarn in dem Rahmen des Nothwendigen geblieben sei. Der Stand der Staatsschulden Ungarns sei ein günstiger; kein europäischer Staat hätte in den letzten fünf Jahren die Staatsschulden verringert, nur Ungarn habe dies gethan und zwar um 3 750 Fl. 1 .

8 . Frankreich. 1.““

Der Finanz⸗Minister Rouvier hat infolge des in der „Justice“ veröffentlichten Schreibens Clémenceau’s (Siehe die gestrige Nummer des „R. u. St.⸗A.“) seine Demission einge⸗ reicht. An seiner Stelle ist gestern Abend Tirard, der sich zur Zeit als Delegirter zur internationalen Münzconferenz in Brüssel befindet, zum Finanz⸗Minister ernannt worden. Der Rücktritt Rouvier’s gab zu einer erregten Sitzung der Depu⸗ tirtenkammer Veranlassung, über deren Verlauf der „Frkf. Ztg.“ Folgendes berichtet wird: Bei Eröffnung der Sitzung befragte der Deputirte Trouillot die Regierung über das Gerücht von der Demission des Finanz⸗Ministers und deren Motive. Der Minister⸗Präsident Ribot erwiderte, vor einer halben Stunde habe der Finanz⸗Minister Rouvier ihn aufgesucht und ihm einen am Morgen erschienenen Brief Clémenceau's mitgetheilt. Dieser Brief taste keineswegs die Ehrenhaftigkeit des Herrn Rouvier an. (Gelächter rechts.) Aber Motiven folgend, deren Stolz er anerkenne, habe Rouvier seine volle Freiheit wiedernehmen wollen, um den Ver⸗ leumdungen entgegen zu treten. Er (Redner) erkenne vollauf die Verdienste an, die Rouvier sich um das Land erworben, und das Vertrauen, das dieses zu ihm gehabt habe. (Beifall.) Aber das Gewissen Rouvier's sei allein der Richter seiner Beweg⸗ gründe. Er (Redner) habe Rouvier nicht zur Rücknahme der Demission bewegen können, die übrigens dem Präsidenten der Republik noch nicht mitgetheilt sei. Hierauf ergriff der Finanz⸗ Minister Rouvier das Wort: Jedermann habe in den Morgen⸗ blättern den Brief gelesen, den Clémenceau als Antwort auf infame Verleumdungen geschrieben habe. Der Brief sei der genaue Ausdruck der Wahrheit; ihm scheine der Brief der Schluß eines Zwischenfalls, über dessen Tragweite er noch unklar sei. Der Brief aber scheine in der Presse der Ausgangspunkt einer neuen Campagne werden zu sollen, darum habe er den Cabinetschef ersucht, den Präsidenten zur Annahme seiner Demission zu bewegen. Er sei bedacht gewesen auf die Stärke und Autorität der Kammer und wolle nicht eine Schwächung des Cabinets verantworten, falls seine Erklärungen in der Kammer und draußen keinen Anklang finden sollten. (Beifall.) Es sei niemandem unbe⸗ kannt, daß der Finanz⸗Minister Beziehungen mit den Financiers des Landes unterhalte. So habe er auch Be⸗ ziehungen zu Reinach gehabt, der in der Pariser Finanzwelt eine bedeutende Stellung eingenommen habe. Diese Beziehungen hätten es ihm (Rouvier) erlaubt, zu gewissen Stunden dem öffentlichen Credit große Dienste zu leisten. (Beifall.) Ein Jöö habe ihn mit dem Deputirten Reinach ver⸗ nüpft. Einige Tage, nachdem der Panamaprozeß beschlossen worden sei und die Lancirung der Anklagen bevorgestanden habe, habe Baron Reinach, der gleich Rouvier nicht gewußt habe, daß er mitangeklagt sei, bei ihm (Rouvier) vorgesprochen und ihm gesagt, es sei eine Lebensfrage für ihn, daß die Preßcampagne gegen ihn aufgehalten werde. Er habe ihn (Rouvier) gebeten, ihn zu einer dritten Person zu begleiten, der er die Autorschaft der Campagne zugeschrieben habe. Die betreffende Person habe krank⸗ heitshalber nicht in das Cabinet des Ministers kommen können, deshalb sei er (Rouvier) hingegangen, denn es habe sich um Leben und Tod gehandelt. Er würde diesen Act der Mensch⸗ lichkeit niemandem abgeschlagen haben, wenn er auch nicht mit ihm befreundet gewesen wäre. (Beifall.) Trotzdem habe er es für nöthig gehalten, einen Zeugen mitzunehmen, Clémenceau, den Freund Reinach's und der dritten Person, der durch die Lauterkeit seines Charakters dazu designirt war. Er (Rouvier) habe nach dieser zehn Minuten währenden Unterredung an keinem weiteren Schritt theilgenommen; darum werfe ihm sein Gewissen nichts vor. Wenn dieses Vorgehen unklug sei, so werde man Gelegenheit haben, es zu sagen. Dieser Zwischen⸗ fall enthalte eine Lehre. Das Ziel der gegenwärtigen Angriffe sei eine Campagne gegen die Republik. Alle politischen Männer würden in den Koth gezogen. Zwischenruf: Warum sagt man nichts gegen RNibot und Loubet Rouvier: Wer hat das gerufen? Déroulsde, vom Platz aufspringend: Ich! (Große Bewegung.) Rouvier und Deérouléede rufen sich unverständ⸗ liche Worte zu: Dérouléède wird von Floquet zum Schweigen gebracht; Rouvier fährt fort: Er sei der erste, die tadellose Integrität Loubet’'s und Ribot's anzuerkennen. Wenn man aber wie er (Rouvier) lange Jahre der Regierung angehört und gegen eine Partei gekämpft habe, der Dérouléede angehöre (Beifall), so sei es kein Wunder, daß man der Verleumdung ausgesetzt sei. Rouvier schloß mit der Ver⸗ sicherung, er nehme seinen Deputirtenplatz mit erhobenem Haupt und ruhigem Gewissen wieder ein und werde auf alle Angriffe antworten. (Lebhafter Beifall im Centrum.) Dérouléède behauptet, Rouvier sei zu Reinach nach dessen Tode gegangen, kurz nachdem der Commissar Clément das Haus verlassen habe. Rouvier habe dies gethan, um Papiere wegzutragen und den Gang der Justiz aufzuhalten. Dérouléde erklärt ferner die Behauptung Rouvier’'s, er habe nicht ge⸗ wußt, daß Reinach mitangeklagt sei, für unwahr. Die Kammer wolle kein Licht schaffen; sie gleiche der Kammer von 1886. Präsident Floquet: Sie vergessen, daß die Kammer Sie zum Mitglied der Enquste⸗Commission ernannt hat. (Beifall.) Dérouléède: Wenn die Kammer Licht schaffen wolle, so möge sie den Staatsgerichtshof berufen. (Lebhafter Beifall rechts. Lärm.) Rouvier sei verdächtig, mehr als verdächtig; er möge sich vor dem Staatsgerichtshof präsentiren. (Lebhafter Beifall rechts.) Rouvier ecrklärt, wenn es nur von ihm abhinge, würde er mit größter Bereitwilligkeit die Gerichtsbarkeit der Haute Cour acceptiren; er versichere, daß es unrichtig sei, wenn Dérouléède behaupte, er sei nach Clément zu Reinach gegangen. Dérouléde ruft dazwischen: Ausreden! Spielen Sie nicht mit Worten! Rouvier versicherte ferner, erst um 8 Uhr Abends erfahren zu haben, daß Reinach mitangeklagt sei. Der Minister des Innern Loubet sei Zeuge. Damit war der Zwischenfall erledigt und die Sitzung wurde aufgehoben.

Die Zolltarif⸗Commission der Kammer hat gestern mit 15 gegen 14 Stimmen beschlossen, der Deputirtenkammer vorzuschlagen, zur Berathung der einzeluen Artikel des franzöͤsisch⸗schweizerischen Abkommens über⸗ zugehen. Méline wurde zum Berichterstatter ernannt.

Der Kammerdiener des Barons Reinach sagte gestern vor dem Untersuchungsrichter aus, er habe bei dem Leichnam seines Herrn ein Fläschchen mit Gift gefunden. Wie der „Temps“ meldet, haben die Sachverständigass festgestellt, daß Reinach sich mit Atropin vergiftet hat.

Eine Mittheilung des „Figaro“ über angeblich in Aix les Bains zwischen Freycinet und Cornelius Hertz ab⸗ gehaltene Zusammenkünfte wird in einer von der „Agence Havas“ veröffentlichten Note für unbegründet erklärt.

Den Beschlüssen der Panama⸗Untersuchungs⸗ commission, Zeugenaussagen entgegenzunehmen, die mit der Panama⸗Angelegenheit nichts zu thun haben, und die Mittheilung der Gerichtsacten über die Angelegenheiten der „Société centrale de dynamite“ zu verlangen, in welche der mehrfach genannte Agent des Barons Reinach, Arton, verwickelt sei, scheint die republikanische Mehrheit der Kammer nicht geneigt. Mehrere republi⸗ kanische Deputirte haben zu heute ihre Parteifreunde zusammen⸗ gerufen, um die früheren Gruppen wiederherzustellen und da⸗ durch der Ansicht der republikanischen Majorität in der Kamm Ausdruck zu geben. v“

Rußland.

Das Cassationsdepartement des Senats für Criminalsachen hat, wie „W. T. B.“ meldet, in einer Klagesache des bekannten Stuttgarter Professors Jaeger gegen einen hiesigen Arzt die principiell wichtige Entscheidung ge⸗ troffen, daß außerhalb Rußlands befindliche Angehörige eines fremden Staats in Rußland denselben Rechtsschutz genießen, wiẽ russische Unterthanen. Die Entscheidung richtet sich gegen einen Beschluß des St. Petersburger Gerichtshofes, der die Klage Jaeger's zurückgewiesen hatte, weil dieser im Auslande wohn⸗ haft sei. . 8

Rumänien. 1“

Der Senat beschloß gestern mit großer Mehrheit, den Adreßentwurf in Erwägung zu ziehen. Die Ausführungen der Minister Alexander Lahovary, General Lahovary und Carp wurden sehr beifällig aufgenommen. Die Regierung hat dem Senat den Handelsvertrag mit England vorgelegt.

S8 8 Bulgarien.

Der Minister⸗Präsident Stambulow hat in einer von zahlreichen Deputirten besuchten Versammlung den Entwurf zur Abänderung der Verfassung vorgelegt. Der Hauptpunkt bestimmt, daß sowohl der erste erwählte Fürst als auch der erste Thronerbe in der Religionsgemeinschaft, welcher sie angehören, verbleiben können. Die anwesenden Deputirten verpflichteten sich, den Entwurf zu unterstützen.

Die Blättermeldung, Bulgarien beabsichtige eine Kriegs⸗ flotte zu bauen, wird von gut unterrichteter Seite als er⸗ funden bezeichnet Bevor Bulgarien an die Errichtung einer Flotte denken könne, müsse es vielmehr befestigte Häfen be⸗ sitzen. 1 1

Amerika. b

Nach einer in Paris eingetroffenen Meldung aus Bueno Aires hätte Bermejo auf Ersuchen des Präsidenten der Republik Argentinien nun doch eingewilligt, das Porte⸗ feuille des Innern zu übernehmen.

Parlamentarische Nachrichten.

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Deutscher Reichstag. 1

Der Sitzung wohnen bei der Reichskanzler Graf von Caprivi, der Staatssecretär Freiherr von Marschall, der Königlich preußische Kriegs⸗Minister von Kaltenborn⸗ Stachau und der Königlich sächsische Kriegs⸗Minister Edler von der Planitz.

Die erste Berathung des Gesetzentwurfs über die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres wird fortgesetzt.

Abg. Haußmann (Vp.): Die bisherigen Erörterungen haben schon eine gewisse Klarheit geschaffen, nämlich die, daß die meisten Parteien der Vorlage, wie sie liegt, nicht zustimmen, selbst die Con⸗ servativen nicht. Nur der Abg. Freiherr von Stumm hat sich für die Vorlage erklärt, was freilich durch die gegentheilige Erklärung seines Parteigenossen des Abg. von Kardorff sehr beeinträchtigt wurde. Der Abg. Freiherr von Huene hat für seine Partei festgeleat, daß über den Rahmen der Friedenspräsenzstärke nicht hinausgegangen werden könne. Der Reichskanzler hat gerade die Erhöhung der Friedenspräsenz als den springenden Punkt erklärt. Also entweder muß der Reichskanzler sich mit der jetzigen Friedenspräsenz begnügen oder das Centrum muß diesen Hauptpunkt aufgeben. Von der Rede des Abg. Dr. von Bennigsen verspricht sich der Reichskanzler eine große Wirkung. Der Abg. Dr. von Bennigsen hat ja auch die Annahme des Kernpunktes der Vorlage in Aussicht gestellt. Er hat auch von der Beunruhigung des Pablikums durch die stückweise Be⸗ kanntgabe der Vorlage gesprochen. Wenn die Presse geschadet hat, so war es die nationalliberale Presse. Die „Nationalzeitunz“ hat die erste Nachricht gebracht, die dann vom „Hannoverschen Courier“ ergänzt warde, und schließlich hat die „Kölnische Zeitung“ die Vorlage veröffentlicht. Der Abg. Dr. von Bennigsen hat von den verschiedenen Feblern ge⸗ sprochen, welche die Regierung gemacht hat. Der größte Fehler war jedenfalls die Einbringung dieser Vorlage; deswegen werden wir auch dagegen stimmen. Die herrschende Mißstimmung betrachtet er als eine vorübergehende. Aber wenn er selbst zugiebt, nach einer Auf⸗ lösung würde die Mehrheit des Reichstags eine für die Vorlage ungünstigere werden, so bezeichnet er damit die Stim⸗ mung als eine der Militärvorlage dauernd unxgüistige. Wenn der Abg. Dr. von Bennigsen den Kern der Vorlage billigt, so bringt er dadurch nicht den Reichstag in die Stellung, die er ihm selber anweisen will. Der Reichskanzler hat alle Einzel⸗ heiten der Vorlage gestern vertreten und nirgends eine Neigung zur Nachgiebigkeit gezeigt. Ich bedaure, daß der Reichskanzler sich nicht über die Frage der Casernirung der neuen Truppen ausgesprochen hat, die nach Berechnung Richter's 200 Millionen kosten würde. Sollen die Mannschaften in Bürgerquartiere gelegt werden? Für die Regie⸗ rung dürfte die Wirkung einer solchen Maßregel nicht günstig sein. Wen die neuen Lasten dem Volke auferlegt werden und wir sagen: dafür bringen wir euch die zweijährige Dienstzeit, dann könnte uns das Volk mit dem sächsischen Kriegs⸗Minister von der Planitz sagen: was ist denn die zweijährige Dienstzeit? Sie besteht ja bei den meisten Truppentheilen schon thatsächkich. Ein solch kleines Geschenk ist die großen Opfer nicht werth. Der alte Mann soll nicht mehr in erster Linie herangezogen werden. Wenn aber der nächste Krieg der roße Krieg mit zwei Fronten ist, glaubt man da Firc daß die alten Leute zu Hause bleiben! Wenn die ver⸗ krüppelte Wehrpflicht und die verstümmelte Dienstzeit dadurch be⸗ seitigt werden soll, daß auf die nur bedingt Tüchtigen zurückgegriffen werden soll, so werden die Dienstpflichtigen sagen: lieber eine ver⸗ krüppelte Wehrpflicht als die Wehrpflicht der Verkrüppelten. Gewiß sind wir Freunde der zweijährigen Dienstzeit und der allgemeinen Durchführung der Wehrpflicht, aber wir berücksichtgen dabei die realen Verhältnisse. Der Reichs⸗ kanzler betrachtet seinen Plan als einen unabänderlichen. Wir müssen ihn ablehnen, weil wir hören, daß andere Generale billigere Pläne haben, weil das Ersatzreservesystem, das uns als etwas Gutes angepriesen worden ist, aufgegeben werden soll. Der Reichskanzler meint, wir hätten gar keine Ahnung von dem Truppengefühl. Er kennt nicht die Imponderabilien, die im bürgerlichen Leben eine große Rolle spielen. Er glaubt, es sei alles in die Wähler hineingeredet. Das ist nicht richtig⸗

Die Stimmung in den bürgerlichen Kreisen bringen wir hier nut im gedämpften Ton zum Ausdruck. Wenn der Reichskanzler sich begnügt mit der jetzigen Friedenspräsenzstärke, dann wollen wir in der Com⸗ mission eine Verständigung herbeizgführen suchen. Ob wir aber bis an die Grenze der jebigen Friedenspräsenz gehen, hängt noch von anderen Dingen ab. namentlich von der Deckung der Ausgaben und von der Erklärung der Regierung über die Reformen auf militärischem Gebiete wegen des Beschwerde⸗ rechtes und wegen der Militär⸗Strafprozeßordnung. Kommt die Vor⸗ lage im Sinne der Regierung zu stande, so möge die Regierung nicht glauben, daß sie dadurch für ihre künftige Politik gestärkt ist, denn eine Regierung ist nicht stark, wenn sie sich auf ein schwaches, nach⸗ giebiges Parlament stützt. Das Parlament muß der Ausdruck des wirklichen Volkswillens sein. 8 Abg. Freiherr von Manteuffel (deutscheons.): Ich weise es zu⸗

nächst zurück, daß der Abg. Bebel sich auf mich berufen hat als klassischen Zeugen für die Tüchtigkeit der französischen Milizarmee. Was ich damals gesagt habe, balte ich aufrecht, aber die Verhältnisse haben sich seitdem geändert, namentlich durch die Verbesserung der Gewehre und durch die Verwendung des rauchlosen Pulvers. Zum Reden ver⸗ anlaßt mich die Art und Weise, wie der Reichskanzler sich mit der conservativen Partei beschäftigt hat. Dem Reichskanzler steht gewiß das Recht zu, Kritik zu üben an den Reden und Abstimmungen der Parteien. Er kann auch Verhandlungen außerhalb des Hauses kritisiren, aber er kann nicht glauben, daß er unsere Meinung dadurch beeinflussen wird. Er hat auf Grund von ungenauen Zeitungsberichten, nament⸗ lich über den Gebrauch des Wortes „demagogisch“ sich ausgelassen. Ein Redner erklärte, man solle sich vor dem Wort demagogisch nicht fürchten: etwas demagogisch, d. h. volksthümlicher auftreten könnte der conservativen Partei nicht schaden. Hiergegen einen Widerspruch zu erheben, lag keine Veranlassung vor. Am Schlusse seiner zweiten Rede hat der Reichskanzler gesagt: einzelne Herren hätten die Absicht, ihre Abstimmung über die Militärvorlage von der Haltung der Regierung zum Bimetallismus abhängig zu machen. Sollte diese Ausführung gegen meine EE1 gerichtet sein, so muß ich dagegen nach⸗ drücklich Einspruch erheben. Ich habe in meiner Rede vom 10. De⸗ zember ausdrücklich erklärt, daß, wenn uns überzeugend nachgewiesen würde, daß die Existenz Deutschlands von dieser Vorlage abhängt, wir unsere Bedenken vor unserem Patriotismus weichen lassen würden. Eine so bündige Erklärung ist von keiner anderen Partei abgegeben worden. Die conservative Partei hat ihre Zustimmung niemals von Concessionen auf anderen Gebieten abhängig gemacht, am allerwenigsten bei Vorlagen von einer Wichtigkeit, wie die jetzige. Die Vergangenheit der Partei bürgt dafür, daß sie von diesem Grund⸗ satze nicht abgehen wird.

¹Reichskanzler Graf von Caprivi (wir werden morgen die Rede des Reichskanzlers im Wortlaut bringen): Der stenographische Bericht ergiebt, daß ich nicht behauptet habe, die conservative Partei als solche wolle ihre Abstimmung über die Militärvorlage vom Bimetallismus oder einer anderen Bedingung abhängig machen. Ich habe, wenn ich mich nicht irre, von einzelnen Herren gesprochen. Ich lege keinen Werth darauf, nachdem ein Mitglied, wenn auch nicht, der conservativen, so doch der freiconservativen Partei diesen Standpunkt hier im Hause voll und ganz vertreten hat. Was den Parteitag angeht, so habe ich mich für verpflichtet ge⸗ halten, klar zu machen, wie wird der Parteitag wirken und wie hat die Regierung ihre Folgerung zu ziehen? Ich habe mich nach dem Bericht der, wie ich annehmen mußte, am besten unter⸗ richteten „Kreuz⸗Zeitung“ informirt. Ich nehme mit Befriedigung und Genugthuung Act davon, daß die Aeußerung, man wolle dema⸗ gogisch handeln, nicht im Sinne der Partei gethan und nicht von der Partei acceptirt wird. Sie in der ise aufzufassen, daß die Partei sie sich zu eigen macht, war ich dadurch berechtigt, daß kein Widerspruch gegen die Aeußerung erfolgt ist. Und nicht diese Aeußerung ist es allein gewesen, die mich bedenklich gemacht hat, sondern es fielen Aeußerungen, die auf den Prozeß, der in der letzten Woche seinen Abschluß gefunden hat, binzielten, und die offene, ganz unverhüllte Theilnahme mit dem Manne zum Ausdruck brachten, der infolge dieses Prozesses verurtheilt ist, der das deutsche Heer in einer Weise angegriffen und geschädigt hat, wie das von einem Deutschen bisher nicht geschehen ist. Das Verhalten der Conservativen auf diesem Parteitage erweckt den Anschein, als wenn sie sich mit diesem Mann und dessen Bestrebungen in Uebereinstimmung befinden. Ich berufe mich auf den Bericht, nach welchem der Gegencandidat des Rector Ahlwardt erklärte, daß er ihm in der Stichwahl seine Stimme gegeben habe: Lieber zehn Ahlwardt's als ein Freisinniger. Ich nehme mit Befriedigung davon Act, daß die conservative Partei sich diese Aeußerung nicht aneignet, aber ich finde es entschuldbar, wenn ich daraufhin des Glaubens war.

Abg. Freiherr von Stauffenberg (dfr.): Die allgemeine Mißstimmung hat der Abg. Dr. von Bennigsen schon angeführt; der Reichskanzler hat ja selbst früher einmal von dem Beunruhigungs⸗ bacillus gesprochen. Die Mißstimmung ist vorhanden, aber sie ist ein Residuum der Vergangenheit, eine Erbschaft, welche die jetzige Regierung von der früheren übernommen hat; ich erinnere nur an das Alters⸗

nd Invalidenversicherungsgesetz, das kein Product der gegenwärtigen Regierung ist. Der Reichskanzler stellt es so hin, als wenn die Militär⸗ vorlage ein Abschluß der Militärforderungen sei. Ich glaube ihm, daß seine Gedanken dahin gehen, aber wenn wir das im Lande er⸗ zählen wollten, so würde niemand es glauben. Die Entwickelung der Militärverhältnisse in den letzten zwanzig Jahren ist doch nicht aus

Welt zu schaffen. Vor wenigen Jahren hat man erst eine Veränderung des ganzen Wehrsystems gemacht zur Erhöhung der Kriegsstärke der Armee, und jetzt soll sie durch die

wieder beseitigt werden. Die Millitärverwaltung mag ja zu solchen Schlüssen kommen, aber die öffent⸗ liche Meinung macht einen derartigen Umschwung nicht leicht mit. Bei allen Militärvorlagen hat man immer eine Erhöhung der Prã⸗ senz verlangt mit dem Hinweis auf andere Staaten. Im Auslande hat man erklärt, daß die Vorlage angenommen werden müsse, daß der RKeichstag aufgelöst werden müsse, bis die Vorlage Annahme ge⸗ funden habe. Diese Auffassung in dem bundesfreundlichen Oester⸗ reich hat die Chancen der Vorlage sicher nicht verbessert. Glaubt der Reichskanzler wirklich, daß seine Vorlage allgemeinere Billigung findet? Die zweijährige, gesetzlich festgelegte Dienstzeit wird ja einigen von Vortheil scheinen, andere werden aber benachtheiligt sein, nämlich diejenigen, die jetzt nicht herangezogen werden. (Schluß es Blattes.)

Amtliches Wahlergebniß der am 9. d. M. stattgehabten Reichstags⸗Ersatzwahl im Wahlkreise Kaufbeuren (5. Schwaben). Es wurden insgesammt 15 616 Stimmen abgegeben. Davon entfielen auf den Oekonomen Ludwig Zinth⸗Ingenried (ultramontan) 8886 St., auf den Redacteur des , Vaterland“ Dr. Sigl⸗München (b. k. F.) 3105 St., auf den Landgerichts⸗Rath Jos. Wagner⸗Memmingen (lib.) 2815 St. und auf den Drechslermeister Ulrich Zitt⸗Irsee (Soc.) 826 St. Die übrigen Stimmen zersplitterten sich. Der Erstgenannte ist somit gewählt.

Die Steuerreformcommission des Hauses der Abgeordneten berieth gestern den § 46 des Ergänzungssteuer⸗ gesetzes, welcher mit § 47 die Strafbestimmungen enthält. Nach langer Debatte und sehr complicirter Abstimmung wurde § 46 schließlich in folgender, von den nationalliberalen Mitgliedern vorgeschlagenen Fassung angenommen: „Wer in der Absicht, eine Verkürzung der Steuer herbeizuführen, über das ihm zuzurechnende steuerbare Ver⸗ mögen oder über das Vermögen der von ihm zu vertretenden Steuer⸗ pflichtigen unrichtige oder unvollständige thatsächliche Angaben acht, wird mit dem zehn⸗ bis fünfundzwanzigfachen Betrage der Jahressteuer, um welche der Staat verkürzt worden ist oder verkürzt werden sollte, mindestens aber mit einer Geldstrafe von 100 be⸗ straft. Ist eine unrichtige Angabe zwar wissentlich, aber nicht in der

Absicht der Steuerhinterziehung erfolgt, so tritt Gelkstrafe von

20 bis 100 ein. Straffrei bleibt, wer seine unrichtige oder unvoll⸗ ständige Angabe, bevor Anzeige erfolgt oder eine Untersuchung eingeleitet ist, an zuständiger Stelle berichtigt oder ergänzt und die vorenthaltene Steuer in der ihm gesetzten Frist entrichtet. § 47 (die Einziehung der hinter⸗ zogenen Steuer erfolgt neben und unabhängig von der Strafe) blieb unverändert. Mit § 48 beginnt der letzte Abschnitt des Gesetzes, „Schlußbestimmungen“. Die §§ 48, 49 und 50 wurden unverändert gutgeheißen. § 51 lautet: „(Abs. 1) Uebersteigt das Veranlagungssoll des Jahres 1895/96 den Betrag von 35 Millionen Mark um mehr als 5 %, so findet in dem Verhältniß des Mehrbetrages zu der genannten Summe eine Herabsetzun der sämmtlichen im § 18 bestimmten Steuersätze statt. al8⸗ 2.) Diese absetzung wird in angemessener Abrundung durch Königliche Verordnung festgestellt. Die in der letzteren bestimmten Sätze sind für das Steuerjahr 1895/96 und die folgenden Jahre maßgebend. (Abs. 3). Bleibt das Veranlagungssoll des Jahres 1895/96 hinter dem oben bezeichneten Betrage um mehr als 5 % zurück, so findet in gleicher Weise eine entsprechende Erhöhung der im § 18 bestimmten Steuer⸗ sätze statt. Diese Erhöhung wird durch Königliche Verordnung für die Folgezeit wieder außer Kraft gesetzt, wenn das Veranlagungssoll der Ergänzungssteuer den Betrag von 35 Millionen Mark zuzüglich einer Steigerung von 4 % für jedes auf 1895/96 folgende Steuerjahr erreicht“. Die Abgg. von Jagow (cons.) und von Tiedemann (freicons.) beantragten, den Abs⸗ 3 wie folgt zu fassen: „Bleibt das Veran⸗ lagungssoll des Jahres 1895/96 hinter dem Betrage von 35 Millionen Mark um mehr als 5 % zurück, so findet, insoweit der Ausfall nicht durch einen Mehrertrag der Einkommensteuer für das Jahr 1895/,96 über die Summe von 135 Millionen Mark gedeckt wird, in gleicher Weise eine entsprechende Erhöhung der in § 18 dieses Gesetzes bestimmten Steuersätze statt. Diese Erhöhung ꝛc.“ (unver⸗ ändert). Abg. von Jagow führte in der Begründung dieses Antrages aus: Die verschiedenen Abschwächungen des Gesetzes würden augenscheinlich das finanzielle Erträgniß beeinträchtigen, doch sei ein Schutz gegen eine starke Erhöhung des Steuerfußes noth⸗ wendig. Diesen gewähre der conservative Antrag. Der Abg. Dr. Krause (nl.) wünschte den Mehrbetrag, der sich etwa ergeben sollte, auf die Vermögenssteuer und auf die Einkommensteuer vertheilt zu sehen, und zwar im Verhältniß des Aufkommens beider Steuern. Der Abg. Freiherr von Zedlitz meinte, daß die Vermögenssteuer einen Ertrag von über 35 Millionen ergeben werde. Deshalb seien alle diese Fragen nicht besonders wichtig. Er wünsche aber, daß das Verhältniß zwischen den beiden Steuern dasselbe bleibe; deshalb sei er für den Antrag. Der Abg. Dr. Enneccerus (nl.) hielt die Vertheilung des Ueberschusses auf die Einkommensteuer für das zweckmäßigste. Der Finang- Minister Dr. Miqguel erklärte, die Regierung wolle durch die Reform keinen Gewinn, aber auch keinen Verlust haben. Der Gedanke des Abag. Krause sei nicht unberechtigt, aber

es sei schwer, ein bestimmtes Verhältniß zwischen beiden Steuern zu statuiren. Zu dem Antrage könne er noch keine Stellung nehmen, halte ihn aber finanziell nicht für bedenklich. Eine Quotisirung, wie diese der Abg. Freiherr von Zedlitz wolle, sei bei der Stellung der Ro⸗ gierung und der Parteien aussichtslos. Der Abg. Stengel sfreicons.) wünschte die Contingentirung bei der Einkommensteuer, nicht bei der Vermögenssteuer. Die Fortsetzung der Berathung wurde sodann auf heute Nachmittag 2 Uhr vertagt.

Kunst und Wissenschaft.

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Der neue, von Professor Begas geschaffene Entwurf zu einem National⸗Denkmal für Kaiser Wilhelm I. weicht, wie die „N. A. Z.“ berichtet, in sehr wesentlichen Punkten von dem Entwurf des engeren Wettbewerbes ab. Der Künstler hat es sich an⸗ gelegen sein lassen, die von der Kritik angefochtenen Theile zu be⸗ seitigen und zu ersetzen. Insbesondere hat das sich hoch aufbäumende Roß weichen müssen; an seine Stelle ist ein ruhig dahinschreitendes getreten. Beibehalten ist der Siegesengel, der, das Pferd am Zügel führend, zur Linken des Kaisers einherschreitet. Die Haltung und der Ausdruck der Figur des Kaisers haben keine wesentliche Aenderung erfahren. Ferner sind die Friedensgenien an der Vorder⸗ und Rückseite des Sockels, sowie die vier auf den Stufen lagernden Löwen in dem neuen Entwurf geblieben. Weggefallen sind dagegen die auf beiden Seiten aus Nischen hervorstürmenden antiken Siegeswagen. Die Quadrigen sind durch allegorische Gestalten abgelöst, und die um sie früher gruppirten Paladine des Kaisers haben jetzt besondere Standbilder vor den Säulen einer halbkreisförmigen Halle, die als architektonischer Aufbau das Denkmal umgiebt. Die Saulenhalle hält sich in solchen Maßen, daß eine größere Einengung des Spreebettes vermieden ist. Der architektonische Theil des Entwurfs hat eine wesentliche Verein⸗ fachung erfahren, auch die Brücke, die zu der geplanten „Verlängerten Brückenstraße“ führen sollte, ist endgültig aufgegeben.

Der Kanzler der Universität Tübingen, Proofessor der Theologie, Dr. Karl von Weizsäcker beging, wie der „Schwäb. Merk.“ berichtet, am 11. d. M. unter warmer Theilnahme der Lehrer und Schüler der genannten Hochschule seinen siebzigsten Geburtstag. Die Studirenden brachten dem Jubilar einen solennen Fackelzug und von nah und fern trafen zahlreiche Glückwünsche ein.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

8 Portugal.

Durch eine im „Diario do Governo“ vom 6. Dezember 1892 ver⸗ öffentlichte Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern wird der Hafen von Nantes für seit dem 18. November 1892 von Cholera „verseucht“ erklärt.

Durch eine im „Diario do Governo“ vom 9. Dezember 1892 veröffentlichte Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern wird der Hafen von Rotterdam, der bisher für von Cholera „verseucht“ angesehen wurde, seit dem 4. desselben Monats derselben Krankheit „verdächtig“ erklärt. (Vergl. „R.⸗A.“ Nr. 287 vom 3. Dezember 1892.)

Serbien.

Zufolge Verordnung der serbischen Regier vom 9. Dezember 1892 sind die aus Anlaß der Choleragefahr ergangenen Einfuhr⸗ verbote, soweit sie den Handel in Häuten und Lederwaaren, in Wolle, Haaren, Borsten, Hanf, Baumwolle und Federn, in Därmen und Blasen sowie Thierabfällen, in Caviar und Fischen sowie in Proben vorstehender Artikel betrafen, wieder aufgehoben worden. (Vergl.,R.⸗A.“ Nr. 219 vom 16. September 1982.) 1

Ferner werden Colonialwaaren fortan ohne Rücksicht auf eihre Provenienz einer Quarantäne nicht mehr unterworfen.

Reisegepäck und Uebersiedelungsgut wird nur insoweit desinfieirt, als es aus ungewaschener Wäsche besteht.

Bulgarien.

Der Bulgarische Gesundheitsrath hat durch Beschluß vom 6. De⸗ zember 1892 Frankreich und Belgien als seuchefrei anerkannt.

Die Waarenquarantane für Provenienzen aus verseuchten Ländern ist auf 5 Tage, diejenige für Herkünfte aus cholerafreien Ländern (sofernsie verseuchte Staatentransitirthaben) auf 3 Tage ermätigt worden. (Vgl. „R.⸗A.“ Nr. 282 vom 28. November 1892.)

Süd⸗Amerika (Uruguay). 8

Durch Verordnung der Gesundheitshehörde zu Montevideo vom 7. November 1892 sind die bisherigen Quarantäne⸗Be⸗ stimmungen vergl. „R.⸗A.“ Nrn. 235, 245 und 256 vom 5., 17. und 28. Oktober 1892 dahin abgeändert worden, daß die aus ver⸗ seuchten“ Häfen vor dem 20. Oktober d. J. abgegangenen Schiffe einer ihrer Dauer nach in jedem einzelnen Falle näher zu bestimmenden sanitären Beobachtung auf der Quarantäne⸗Insel Flores unterworfen werden, während die nach dem 20. dess. Mts. abgegangenen Schiffe nur eine strenge Desinfection auf der genannten Insel durchzumachen haben. Eine ebensolche Desinfection bleibt für Provenienzen aus „verdächtigen“ Hüten bestehen. Waaren werden ausnahmslos ohne

weiteres eingelassen.

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Verkehrs⸗Anstalten.

Die Post von dem am 9. November aus Shanghai abge⸗

gangenen Reichs⸗Postdampfer „Sachsen“, sowie die mittels

des Reichs⸗Postdampfers „Habsburg“ beförderte Post aus Australien (Abgang von Adelaide am 10. November) ist in Brindisi eingetroffen und gelangt für Berlin voraussichtlich am 15. d. Vormittags zur Ausgabe.

Bremen, 13. Dezember. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Werra“ ist am 10. Dezember Nachmittags von New⸗York via Gibraltar nach Genua abgegangen. Der Post⸗ dampfer Straßburg“, vom La Plata kommend ist am 10. De⸗ zember Abends auf der Weser angekommen. Der Postdampfer „Hannover“, vom La Plata kommend, hat am 10. Dezember Abends Las Palmas passirt. Der Postdampfer „Berlin“, nach Brasilien bestimmt, hat am 10. Dezember Abends St. Vincent passirt. Der Postdampfer „Amerika' ist am 10. Dezember Nach⸗ mittags von New⸗York nach der Weser abgegangen. Per Schnell⸗ dampfer „Kaiser Wilhelm II.“, am 30. Növember von Genua abgegangen, ist am 11. Dezember Abends in New⸗ Vork angekommen. Der Reichs⸗Postdampfer „Preußen“ hat am 11. Dezember Vormittags die Reise von Southampton nach Genua fortgesetzt. Der Reichs⸗Postdampfer „Stettin“ ist am 11. Dezember ohne Post von Port Said nach Brindisi abgegangen. Der Reichs⸗Postdampfer „Hohenstaufen“ hat am 12. Dezember Vormittags die Reise von Suez nach Aden fortgesetzt. Der Reichs⸗ Postdampfer „Danzig“ ist am 12. Dezember mit der ostasiatischen Post vom Reichs⸗Postdampfer „Sachsen“ und der australischen Post vom Reichs⸗Postdampfer „Habsburg“ von Port Said in Brindisi angekommen.

14. Dezember. (W. T. B.) Der Schnelldampfer „Ems“, am 29. November von New⸗York abgegangen, ist am 12. Dezember Mittags in Neapel angekommen. Der Postdampfer „Hermann“, von New⸗York kommend, hat am 13. Dezember Vorm. St. Cathe⸗ rines Point passirt. Der Reichs⸗Postdampfer „Sachsen“, von Ost⸗Asien kommend, ist am 13. Dezember Morgens in Genua an⸗ gekommen.

Hamburg, 14. Dezember. (W. T. B.) Hamburg⸗Ame⸗ rikanische Packetfahrt⸗Actien⸗Gesellschaft. Der Post⸗ dampfer „Rhaetia“ ist, von New⸗York kommend, gestern Nacht 12 Uhr auf der Elbe eingetroffen.

London, 13. Dezember. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer „Melrose“ ist heute auf der Ausreise in Durban (Natal)

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Theater und Musik.

1..“ Kroll's Theater. Gestern Abend vermittelten uns die italienis kanntschaft eines neuen, interessanten Opernwerks, das wiederum das frische Leben kennzeichnet, welches gegenwärtig in Italien auf dem Gebiet der musikalischen Kunst aller Orten pulsirt. Nach Mascagni Tasca, nach Leoncavallo Giordano, jeder ein Componist von Be⸗ gabung und künstlerischer Eigenart, wenn auch in ihrer Musik ein gemeinsamer, nationaler Charakter nicht verkannt werden kann. Umberto Giordano's Melodrama „Mala Vita“ bringt ein Bild aus dem niederen Volksleben auf die Bühne; auch die Vorgänger Giordano's hatten Stoffe aus dem italienischen Volksleben bearbeitet, das ja so reich ist an stimmungsvollen Bildern. Diesmal ist der behandelte Stoff an sich allerdings ein recht unerfreulicher. Häufig genug spielen sich unter dem warmen Himmel des südlichen Italiens Scenen des eigentlich intimen Familienlebens auf öffentlicher Straße ab So geschieht es auch in „Mala Vita“, und die Theilnahme des Volks an dem Schicksal der die Handlung tragenden Personen erhöht wesentlich die dramatische Wirkung. Ein Volk von starkem Gefühlsleben wie das italienische wird seine Stimmungen gern im Gesange zum Aus⸗ druck bringen, daher erscheint es nur natürlich, daß eins der gemein⸗ samen Merkzeichen der jüngsten italienischen Opernwerke, die auf die deutsche Bühne gekommen sind, darin zu finden ist, daß die Melodie den Stimmungsgehalt der Musik beherrscht und der künstlerische Plan des Componisten immer auf das Harmonische abzielt. Auch Giordano versteht es vortrefflich. Seelenstimmungen in Melodie umzusetzen und durch sie die Freude und den Ernst des Lebens charakteristisch auszudrücken. Er ist aber auch ein Meister der Instrumentirungskunst, und hier kann man vielleicht wieder von einem Einfluß der neuen deutschen Musik reden, wenn auch gerade Giordano dem italienischen Großmeister Verdi offenbar viel verdankt. Das Libretto behandelt einen nicht sehr wür⸗ digen Gegenstand. Ein Schwerkranker thut einem Volksbrauch ent⸗ sprechend das Gelübde, eine Gefallene zur Frau zu nehmen. Er findet Christina, die ihr Leben für ihn opfern will. Aber die frühere Ge⸗ liebte Amelia macht den Kranken in seiner Treue wanken, sodaß er Christina ihrem Schicksal überläßt. Die Scene zeigt nur im zweiten Act die Wohnung Amelia's, während im übrigen die offene Straße Ort der Handlung ist. Volkschöre und Lieder begleiten sinnig und stimmungs⸗ voll die Vorgänge. Eine nicht gerade tief angelegte, aber wirkungs⸗ volle Nummer der Oper bildet das Zwischenspiel des Orchesters im zweiten Act, das charakteristisch den scelischen Conflict, der sich unter den Menschen abspielt, mit dem elementaren Kampf in der Natur musikalisch in Parallele bringt: auch das Schlußgebet Christina's erscheint als eine rühmenswerthe Einzelheit der compositorischen Arbeit. Sehr wirkungsvoll ist überhaupt die Partie der Christina herausgearbeitet, die das höchste Herzensglück und das tiefste Seelen⸗ elend wiedergeben soll; aber auch die Rolle des Vito, des kranken Un⸗ getreuen, hat musikalisch schöne Stellen, namentlich gleich anfangs das Gebet um Heilung, das sich von dem Chor des theilnehmenden Volkes wirkungsvoll abhebt. Zu bedauern war. dabei aller⸗ dings, daß die Stimme des Herrn Roberto Stagno, der diese Partie sang, weder Kraft, Ausdauer noch Aus⸗ drucksfähigkeit genug besitzt, um neben den mitwirkenden Künstlerinnen bestehen zu können. Fräulein Gemma Bellincioni hatte zwei große Scenen, in denen sie neben ihrer schönen, markigen und zu Herzen gehenden Stimme ihr geradezu geniales schauspiele⸗ risches Können voll zur Wirkung brachte und dafür stürmischen Bei⸗ fall erntete; ihr Schlußgebet erscheint als eine besonders rühmens⸗ werthe Einzelheit der compositorischen Arbeit. Frau Moran⸗ Olden sang die Partie der wenig sympathischen Amelia sehr tüchtig und wirkungsvoll und darf einen großen Theil des Bei⸗ falls auf ihre Rechnung übernehmen; es wäre vielleicht für den Gesammteindruck von Vortheil gewesen, wenn die Sängerin die ganze Kraft ihrer großen und angenehmen Stimme nicht immer voll eingesetzt hätte. Herr Luria sang und vielte ann liederlichen Ehe⸗ mann mit verständigem Maßhalten.

Am 22. Dezember beginnt im Königlichen Schauspiel⸗ hause der Schillerecyklus. Aus technischen Rücksichten sind leider zwei Abweichungen von der chronologischen Folge der Stücke geboten gewesen. Auf die „Räuber“ folgt am 23. Kabale und Liebe“, dann am 25. Fiesco“, 26. Don Carlos“, 27. und 28. die Wallenstein⸗Trilogie, 29. „Maria Stuart“, 30. „Die Braut von Messina“. Um der alten Gepflogen⸗ heit des Hauses, am Solvester und Neujahrstage eine heitere Neuheit zu geben, treu zu bleiben, wird der Cyklus auf zwei Abende zu Gunsten des „Deputirten“ von E. Malden unterbrochen. Am 2. Januar folgt „Die Jungfrau von Orleans“, am 3. „Demetrius“ und „Turandot“, worauf am 4. der Schluß mit „Wilhelm Tell“ gemacht wird. Die Hauptrollen in dem neueinstudirten „Wallenstein’s Lager be⸗ finden sich in den Händen der Herren: Oberländer: Wachtmeister, Siegrist: Trompeter, Purschian: 1. Holkischer Jäger, von Hochen⸗ burger: 2. Jäger, Hartmann: Arkebusier, Keßler: Kürassier, Link: Kroat, Herzer: Rekrut, Plaschke: Bauer, und Vollmer: Kapuziner. Die Marketenderin giebt Frau Schramm. In dem vhausplei Die Piccolomini“ werden die Damenrollen vertreten durch

Frau Kahle: Herzogin, Frau von Hochenburger: Thekla, Fräulein Hoppe Gräfin Terzkv. Den Wallenstein spielt Herr Klein, Octavio

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