1892 / 298 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 16 Dec 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Der Geheime Regierungs⸗Rath Professor Dr. Foerster, Director der Berliner Sternwarte, feiert heute seinen sechzigsten Ge⸗ Geboren am 16. Dezember 1832, trat Dr. Foerster im Jahre 1855 unter Encke als Zweiter Assistent bei der Berliner Stern⸗ warte ein und rückte 1860 in die Stelle des Ersten Assistenten auf. Im Jahre 1863 übernahm er für den erkrankten Encke die Leitung des Instituts und wurde 1865 zum Director der Sternwarte ernannt.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Türkei.

Zufolge Beschlusses des internationalen Gesundheitsraths in Kon⸗ stantinopel vom 6. Dezember 1892 unterliegen Provenienzen aus italienischen und egyptischen Mittelmeerhäfen fortan nur noch einer ärztlichen Untersuchung. Ferner werden S iiße ohne Passagiere, welche aus franzö⸗ sischen Mittelmeerhäfen kommen, nur noch einer 24 stündigen Obser⸗ vation, solche Schiffe von der bfterrei Hischen, montene⸗ grinischen, bulgarischen und ostrumelischen Küste nur noch einer dreitägigen Quarantäne unterworfen.

„Für Frachtschiffe aus Odessa ist die Qurantäne auf 5 Tage er⸗ worden.

ie Herabsetzungen treten nur für die Schiffe ein, welche die

betreffende Reise nach dem 6. Dezember 1892 angetreten haben.

Bulgaren. B Zufolge Beschlusses des bulgarischen Gesundheitsraths vom Dezember 1892 werden

Reisende aus Rumänien nur noch einer ärztlichen Untersuchung unterworfen. Das Gleiche tritt bei Reisenden des Orient⸗Expreßzuges ein, welche in Bulgarien nicht zu bleiben beabsichtigen, anderenfalls unterliegen dieselben, ebenso wie diejenigen Personen, welche auf dem Donau⸗ wege oder über Zaribrod aus Oesterreich⸗Ungarn oder aus Serbien nach Bulgarien kommen, einer 24stündigen Beobachtung. (Des⸗ infection des Reisegepäcks durch Dampf findet nach wie vor statt.) Für Reisende aus den russischen Donau⸗ und den russischen Schwarzmeerhäfen ist die elftägige Quarantäne auf fünf Tage ermäßigt worden. 3.

Oesterreich, Serbien und die europäische Türkei sind als seuchefrei anerkannt.

Den Beschränkungen des Waarenverkehrs vergl. „R.⸗A.“ Nr. 282 vom 28. November 1892 unterliegen fortan nur noch directe Herkünfte aus Ruß land, Ungarn und der asiatischen Türkei. Sendungen, welche diese Länder nur im Transit be⸗ rührt haben, werden frei zugelassen. 1

Der Gesundheitspaßzwang ist aufgehoben worden.

Theater und Musik.

Berliner Theater. 6

Mit Allerhöchster Genehmigung fand gestern Mittag um 1 Uhr zum Besten des unter dem Protectorat Ihrer Königlichen Hoheit der Erbprinzessin von Sachsen⸗Meiningen stehenden „Charlottenheim“ eine Matinée statt, zu welcher Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin sowie mehrere Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses und deutscher Fürstenhäuser erschienen. Ein aus⸗ rlesenes Publikum hatte den Raum bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Vorstellung begann mit Wilbrandt’'s „Jugendliebe“, in der Herr Barnay und Frau Sorma die Hauptrollen spielten und für ihr

Gäste und das Personal des Kroll'schen Theaters die dort kürzlich als Novität erschienene Oper „A Santa Lucia“, in der sich be⸗ sonders Signora Gemma Bellincioni auszeichnete. Ihre Majestäten gaben Ihrer Anerkennung für die gebotenen Leistungen wie für die ganze, nach jeder Richtung gelungene Veranstaltung wiederholt huldvollen Ausdruck.

Sing⸗Akademie.

Der Violinvirtuos Herr Carl Markees gab ein Con⸗ cert mit dem Philharmonischen Orchester, welches Herr Prof. Joseph Joachim leitete. Seine stets gerühmte Sicherheit in Aus⸗ führung aller technischen Schwierigkeiten, die verständnißvolle, tief eingehende Vortragsweise der kla gischen Werke, sowie der neueren virtuosen Compositionen kamen in dem Spohr'schen Violinconcert (Nr. 7), in den sehr interessanten Variationen mit Orchester von Joachim, in einem Concertsatz von M. Bruch und den bekannten „Zigeunerweisen“ von Sarasate vortrefflich zur Geltung. Die bereits Frteilbaft bekannte Concertsängerin Fräulein Jacoba Elling, welche das Concert unterstützte, erfreute durch den wohl gelungenen Vortrag zweier Arien von Mozart und erntete gleich dem Concertgeber reich⸗ lichen Beifall des zahlreich versammelten Publikums.

„Im Deutschen Theater können die Wiederholungen der „Räuber“ mit Josef Kainz als Franz Moor, welche durch die Ver⸗ wundung des Herrn Sommerstorff eine längere Unterbrechung er⸗ fahren mußten, nunmehr nach dessen Genesung wieder aufgenommen werden. Die nächste Aufführung findet am Montag statt. Am Freitag, 23. d. M., geht der neue Schwank „Zwei glückliche Tage“ von Franz von Schönthan und⸗Gustav Kadelburg zum ersten Mal in Scene.

„Eleonora Duse wird ihr Gastspiel am Lessing⸗Theater Freitag, den 23. d. M., beschließen und somit außer der heutigen Vorstellung nur noch fünf Gastspielabende geben, für welche das Repertoire folgendermaßen bestimmt ist: Sonnabend, vierzehnter Duse⸗ Abend: „Die Cameliendame“, Montag, zum ersten Mal: „Odette“, Dienstag: „Fernande“, Donnerstag: „Cavalleria rusticana“ und „La Locandiera“, Freitag (achtzehnter Duse⸗Abend und Abschieds⸗ vorstellung): „Fedora“. Die für den früher angekündigten neun⸗ zehnten und zwanzigsten Duse⸗Abend bereits gelösten Billets werden an der Tageskasse wieder zurückgenommen.

Im Friedrich⸗Wilbelmstädtischen Theater morgen und am Sonntag Offenbach's Operette „Die schöne Helena“, in den Hauptrollen mit den Damen Cornelli, E. Schmidt, Navarra und den 6 Steiner, Wellhof, Binder, Broda, Ewald besetzt, zur Darstellung. Die erste Aufführung der Müller'schen Operekte „Der Millionenonkel“ ist auf Mittwoch, den 21. Dezember, angesetzt.

Im Residenz⸗Theater wird vom Sonntag bis zum Mitt⸗

woch wieder der Schwank „Im Pavillon“ (Le parfum) auf dem Spielplan erscheinen. Eine Ausnahme macht nur der Montag, an dem noch einmal „Denise“ in Scene geht. Am nächsten Donnerstag findet dann die ursprünglich für den 23. geplante erste Aufführung von „Familie Pont⸗Biquet' statt. Im Kroll'schen Theater wird schon wieder die Aufführung einer großen Opern⸗Neuheit, Rubinstein’'s vieractiger Oper „Die Kinder der Haide“, vorbereitet. Das Werk soll bald, nachdem das Künstlerpaar Stagno und Bellincioni sein Gastspiel beendet hat, im neuen Jahre in Scene gehen.

Im Neuen Theater wird am Sonntag Nachmittag um 2 ½ Uhr zu halben Preisen das japanische Bühnenspiel „Die Liebes⸗ händlerin“ aufgeführt. In der Abendvorstellung findet eine Wieder⸗

gelangt

flottes Spiel reichen Beifall ernteten. Alsdann gaben die italienischen

holung des Preislustspiels „Durch die Intendanz“, sowie des Schwanks

„Logirbesuch“ statt. Dieser Doppelvorstellung wegen ist der Beginn am Sonntag Abend ausnahmsweise auf 7 Uhr festgesetzt.

Im Concerthause wird morgen, an Beethoven’'s Geburtstag, ein „Beethoven⸗Abend“ veranstaltet. Das Programm enthält u. a. das Septett (mit mehrfacher Besetzung der Streichinstrumente), die C-moll-Symphonie Nr. 5 und die Ouverture „Leonore III.

Mannigfaltiges.

Der Polizei⸗Präsident von Berlin Freiherr von Richthofen läßt folgende Verordnung veröffentlichen: Mit Ermächtigung der Herren Minister für Handel und Gewerbe, der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten und des Innern verordne ich zur weiteren Ausführung der §§ 105 b Abs. 2 und 105c der Reichs⸗ Gewerbeordnung, was folgt: 1) am letzten Sonntage vor Weihnachten darf die Beschäftigung der Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter in allen Zweigen des Handelsgewerbes während des ganzen Tages bis um 10 Uhr Abends mit Ausschluß der für den Heunptgotteedigaft 8 gesehten beiden Stunden stattfinden. 2) Die Beschäftigung der Gehilfen,

ehrlinge und Arbeiter ist am 1. Weihnachtstage im Betriebe des Handels mit Blumen außer den letzten beiden Stunden vor dem Beginne des Hauptgottesdienstes auch wäh⸗ rend der Zeit von 12 bis 3 Uhr Nachmittags zulässig. 3) Die Vergünstigung der Verlängerung der Beschäftigungszeit bis 6 Uhr Abends findet für den Betrieb des Handels mit Blumen auch am Neujahrstage Anwendung. 4) Im Betriebe des Handels mit Blumen dürfen die Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter an Sonn⸗ und Festtagen fortan statt von 7 bis 10 und 12 bis 2 Uhr während der Zeit von 8 bis 10 Uhr früh und von 12 bis 3 Uhr Nachmittags beschäftigt werden.

In der gestrigen Stadtverordneten⸗Versammlung erfolgte nach Mittheilung hiesiger Blätter die Wahl des Rechts⸗ anwalts Kirschner aus Breslau zum Bürgermeister. Von 117 abgegebenen gültigen Stimmen fielen neunzig auf ihn, fünfundzwanzig auf den Stadtrath Meubrink. 1b

Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen. Paris, 16. Dezember. (W. T. B.) Auf Befehl des Justiz⸗Ministers ist das gerichtliche Verfahren gegen die Beamten der Panama⸗Gesellschaft wegen Bestechung eröffnet worden. Charles Lesseps und Fontanes als die Administratoren der Panama⸗Gesellschaft sowie der frühere Deputirte Sansleroy sind verhaftet worden. Der Administrator Cottu ist flüchtig geworden. St. Petersburg, 16. Dezember. (W. T. B.) Der deutsche Botschafter General von Schweinitz war gestern von dem Kaiser und der Kaiserin zur Mittagstafel nach Gatschina geladen. Das diplomatische Corps machte dem General von Schweinitz, welcher heute St. Petersburg verläßt, zwei silberne Candelaber zum Geschenk. Bern, 16. Dezember. (W. T. B.) Der Ständerath hat das Handelsübereinkommen mit Frankreich ein⸗ timmig genehmigt. 8

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

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Schauspielhaus studirt:

t vom 16. Dezember, r Morgens.

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Vom 22. Donnerstag, tag, 25. Dezember

Don Carlos. zember:

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zember: 2. Januar: Dienstag,

772 Wiesbaden. 771 München .. 770 Chemnitz. 765 Berlin.. 761 bedeckts) Wien.. 761 bedeckt

Breslau.. 758 3 bedeckt

Ile d'Aix 773 still bedeckt 7141766 still halb bed. Triest 765 S 1 wolkig

1¹) Nachts starker Regen. ²) Abends und Nachts Regen. ³) Vorm., Nachm. Regen. ⁴) Nachmitt. f. Regen. ⁵) Nachts stürmisch. ⁶) Nachts starker

Regen. Uebersicht der Witterung.

Das barometrische Maximum, welches gestern über Südwest⸗Europa lag, hat sich nordostwärts weiter ausgebreijet, während eine Depression über Skandinavien lagert und eine neue nordwestlich von Schottland erschienen ist. Der Luftdruckvertheilung entsprechend wehen über Central⸗Europa lebhafte westliche und nordwestliche Winde, unter deren Ein⸗ fluß die Temperatur allenthalben gestiegen ist. In Deutschland ist das Wetter veränderlich und mild; fast allenthalben ist Regen gefallen. Ganz Deutsch⸗ land ist frostfrei, nur Memel meldet noch leichten Frost. Da sich das barometrische Maximum weiter nach Osten zu verlegen scheint, so dürfte demnächst wieder Abkühlung und Frostwetter zu erwarten sein.

Deutsche Seewarte.

ASASI

Sonntag: Die Montag: Die

Berliner Th fang 7 Uhr.

2NOUOOSOoOnCUOINnNNEOhdo U⸗

Abends 7 ½ Uhr: Montag: Nach Abends 7 ½ Uhr:

Eleonora Duse

dame.

Anfang 7 ½ Uhr.

Volksthümliche ohne Aufgeld.

Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opern⸗ haus. 270. besevene Fidelio. Oper in2 Acten

Sonnabend:

bach. Dirigent:

von L. van Beethoven. Text nach dem Französischen Anfang 7 Uhr.

von F. Treitschke. Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. Prometheus. Musik von Beethoven. Nach einer mythologischen Tanzdichtung E. Taubert's in 2 Acten von Emil Graeb. Dirigent: Musik⸗ director Hertel. Anfang 7 Uhr.

In Vor

Wallenstein’s 1 Aufzug von Friedrich gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Die

Friedrich von Schiller.

Alessandro Stradella. 3 Acten mit Tanz von Fr. von Flotow. Text von W. Friedrich. Dirigent:

preußischer Kammersänger, als Gast.)

Oper in 1 Aufzug von Pietro dem gleichnamigen Volksstück von Verga. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapell⸗

Schauspielhaus. Tod. Trauerspiel in 5 Aufzügen von Friedrich von Anfang 7 Uhr.

Schiller⸗Cyelus. 22. Dezember: Freitag, 23. Dezember: Kabale und Liebe. Sonn⸗

Wallenstein⸗Trilogie. 29. Dezember: Maria Stuart. Die Braut von Messina. Die Jungfrau von Orleans. 3. Januar: Mittwoch, 4. Januar: Wilhelm Tell.

Deutsches Theater. Sonnabend: Kinder der Excellenz. Anfang 7 Uhr.

onntag: Nachmittags 2 ½ Uhr: Julius Caesar.

Lessing-Theater. Sonnabend: 14. Gastspiel von

Direction von Cav. Flavio Ando. Die Camelien⸗ Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag: Die Orientreise.

Montag: 15. Duse⸗Abend. Zum 1. Male: Odette.

Wallner⸗Theater. Sonnabend: 47. Gast⸗Vor⸗ stellung des Lessing⸗Theaters:

Sonntag: Der Lebemann.

Friedrich⸗Wilhelmstüdtisches Theater.

Die schöne Helena. Operette in 3 Acten von Mailhac und Halévy. Deutsch von J. Hopp.

Dieselbe Vorstellung. ereitung: Der Millionenonkel. Operette in 3 Acten von Zell und Genée.

. 281. Vorstellung. Neu ein⸗ Lager. Schauspiel in

von Schiller. In Scene burg.

Bucowics. Anfang 7 ½ Uhr. Sonntag: Marquise.

Victorien Sardou. Montag: Denise.

Alexandre Dumas. Nächste Novität:

Schauspiel in 5 Aufzügen von Anfang 7 Uhr. Opernhaus. 271. Vorstellung. Romantische Oper in Musikdirector Wegener. della: Herr Emil Götze, Königlich Vorher: ascagni. Text na

usticana.

flöte. Anfan onntag:

7 ½ Uhr.

jer. e

Olde 8 Lürt 282. Vorf Olden und Juan Luria.

7 Uhr.

llung. Wallenstein’s Umberto Giordano. Dezember bis 4. Januar:

Die Räuber.

Fiesco. Montag, 26. Dezember: 2 9 Deenstag, 2, Miktwoch, 38. De.] Anfang (t Uhr Donnerstag, Freitag, 30. De⸗

Montag, hg

Hierauf: Logierbesuch.

Demetrius. Turandot.

Zum 85. Male: Die

Die Hee Musik von J.

ouis Gundlach. Ballabile: Ein Drachenfest. 500 in 1 von A. Braun.

Jüdin von Toledo. Räuber.

euter. Sonnabend: Nora. An⸗ spiel). Anfang 7 ½ Uhr.

Kean. mittags 2 ½ Uhr: Maria Stuart. Dorf und Stadt.

von Regel. Musik von Mader.

Haßreiter.

mit ihrer Gesellschaft unter der letzte Aufführung.

Madonna. Treptow. Steffens. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

In Vorbereitung: sangsposse in 3 Mannstädt. Couplets Musik von G. Steffens.

Der Lebemann.

Preise (Parquet 2 ℳ). Vorverkauf

Chausseestraße 25. 8 Komische schauspielers Max Hospauer. Musik von Jacques Offen⸗ bayerisches Herr Kapellmeister Federmann.

Tanz. Zither⸗Soli: 7 ½ Uhr.

Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

Musik von Adolf

Residenz⸗Theater. Direction: Sigmund Lauten⸗ Sonnabend: Denise. Schauspiel in 4 Acten von Alexandre Dumas (Sohn). Deutsch von Emerich

Lustspiel in 3 Acten von Deutsch von Robert Buchholz. Schauspiel in 4 Acten von

b Familie Pont⸗Biquet. Schwank in 3 Acten von Alexandre Bisson.

Kroll's Theater. Sonnabend: Die Zauber⸗

Vorletztes Sonntags⸗Gastspiel von Gemma Bellincioni und Gastspiel von Frau Moran⸗ Mala Vita. drama in 3 Acten von N. Daspuro.

Neues Theater (am Schiffbauerdamm 4/5).

Sonnabend: Zum 15. Male: Logierbesuch. Schwank in 4 Aufzügen von R. Weber und Max Löwenfeld.

onntag, Nachmittags 2 ½ Uhr: händlerin. Abends 7 Uhr: Durch die Inten⸗

Theater Unter den Linden. Sonnabend: Welt in und Tanz. Ausstattungs⸗Ballet von Gaul und Bayer. Inscenirt durch Das grandiose

ersonen.) Das Baby. (Novität.) Schwank et von H. F. Musik von A. Ferron. Couplets Inscenirt durch C. A. Imro Fox, amerikanischer Prestidigitateur (Gast⸗

In Vorbereitung: Die Sirenen⸗Insel. Ballet

(Repertoirestück der Wiener Hofoper.)

Adolph Ernst-Theater. Sonnabend: Vor⸗ Zum 102. Male:

Gesangsposse in 3 Acten von Leon Couplets von G. Görß. Musik von G. In Scene gesetzt von Adolph Ernst.

Modernes Babylon. eten von Ed. Jacobson und W. theilweise von

Thomas-⸗Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Sonnabend: Ensemble⸗Gastspiel der Münchener unter Direction des Königlich Bayerischen Hof⸗ Zum 8. Male: Der E1 von Ammergau. G olksstück mit Gesang und Tanz in 5 Auf⸗ zügen von Ludwig Ganghofer und Hans Neuert. Musik von F. M. Frs Die Handlung spielt in Grasweg und Umgebung. Im 3. Act: Schuhplattl⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße N

Albert Sageser. 1

en Soheuzollern⸗Galerie, Lehrter Bahnhof. 1 Sonntags 50 ₰. Gr. histor. Rundgemälde 1640 1890. Geöffnet 9 Uhr bis Dunkelh. Sonnt. 9—9.

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.

Am Landes⸗ wSe „Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12—11 Uhr.

Concerte.

Concert-jaus. Sonnabend, Abends 7 Uhr: Karl Meyder⸗Concert. Beethoven⸗Feier.

Dienstag, 20. Dezember: Fest⸗Feier. Souper und Familien⸗Ball zum 25jährigen Bestehen des Hauses. Abends 8 Uhr. Karten à 5 im Bureau des Hauses. G

Saal Bechstein, Linkstraße 42. Sonnabend, Anfang 7 ½ Uhr. Lieder⸗Abend der Altistin Bertha Nagel aus Prag.

Circus Nenz (Carlstraße.) Sonnabend, Abends 7 ¼ Uhr: nge Gala⸗Vorstellung. Auf vielseitiges Verlangen: iederholung der festlichen Vorstellung des gesammten Damenpersonals. Besonders gewähltes Programm. U. a.: Hippologischer Congreß mit 36 der bestdressirten Freiheitspferde, vorgeführt vom Director Franz Renz. Grande Quadrille de la haute équitation, geritten von 6 Damen und 6 Herren. Mr. James Fillis mit dem Schul⸗ pferde „Germinal“. Auftreten sämmtlicher Kunst⸗ chinesische specialitäten I. Ranges. Zum Schluß: Auf (Mitwirkende: Henelan 2n oder: Ebbe und Fluth. Großes

ende:; Land⸗, Wasser⸗ und Feuer⸗Schauspiel. National⸗

tänze von 82 Damen. Neue Einlagen, u. a.: „Auf⸗

zug der Leib⸗Garde⸗Artillerie“. Großes Brillant⸗ Feuerwerk.

Sonntag: 2 große Fest⸗Vorstellungen. Um 4 Uhr (ein Kind frei): „Die lustigen Heidelberger“. Abends 7 ½ Uhr: Mr. James Filles und „Auf Helgoland“.

˙˙˙‧˙‧‧. Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Annemarie Witte mit Hrn. Refe⸗ rendar Georg von Harlem (Rostock). Geboren: Zwei Söhne: Hrn. Pastor T. Schmidt (Altona). Ein Sohn: Hrn. Pastor G. Schneider (Stampen). Eine Tochter: Hrn. Pastor Paul Boy (Badingen). Hrn. Amtsgerichts⸗Rath Volkmann (Berlin). Hrn. Rechtsanwalt und Notar Zdralek (Kupp). Gestorben: Fr. Pastor Hildegard Boy, geb. Hübener (Badingen). Hr. Regierungs⸗Assessor Dr. jur. Ernst Walter (Berlin). Fr. Berta von Reichenbach, geb. von Schlichten 8 el). Hr. Ober⸗Stabsarzt und Regiments⸗Arzt Dr. Tievenow (Düsseldorf). Verw. Fr. Ober⸗ tribunals⸗Präsident Isabella von Schlieckmann, geb. Freiin von Manteuffel (Naumburg).

Melo⸗ Musik von

Die Liebes⸗

Bild

Friese sen.

Choreogr. von

Die wilde

Ge⸗ G. Görß.

Redacteur: Dr. H. Klee, Director.

Ober⸗ Berlin:

Verlag der Expedition (Scholz). Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Pego.

Anfang Sechs Beilagen

(einschließlich Börsen⸗Beilage)

übertrieben.

zum Der NR. 298.

Erste Beilage

zeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger

Berlin, Freitag, den 16. Dezemher

1892

Deutscher Rei

16. Sitzung vom Donnerstag, 15. Dezember, 12 Uhr.

Ueber die zunächst auf der Tagesordnung stehende erste Berathung des Gesetzentwurfs über die Ersatzvertheilung, an der sich die Abgg. Richter, von der Schulenburg und Möller sowie der Königlich bayerische Bevollmächtigte zum Bundesrath General⸗Major Ritter von Haag betheiligten und die mit der Ueberweisung des Entwurfs an die Militärcommission endigte, haben wir bereits in der Donnerstag⸗Nummer berichtet.

Aus der dann folgenden Fortsetzung der ersten Berathung des Entwurfs eines Gesetzes über Abänderung von Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, des Gerichts⸗ verfassungsgesetzes und des Gesetzes vom 5. April 1888, betreffend die unter Ausschluß der Oeffentlichkeit stattfindenden Gerichtsverhandlungen (lex Heinze) haben wir über die Rede des Abg. Dr. Horwitz gleichfalls shes berichtet und fahren nun mit der Rede des Commissars

es Bundesraths Geheimen Ober⸗Justiz⸗Raths Dr. Lucas, deren Anfang bereits mitgetheilt ist, fort.

Commissar des Bundesraths, Geheimer Ober⸗Justiz⸗Rath Dr. Lucas: Zwei Punkte der Rede des Vorredners könne er nicht unwidersprochen lassen. Zunächst die Behauptung, in Preußen würden die Richter zu Tagelöhnern herabgedrückt, namentlich durch das Quantum der ihnen im Uebermaß zugetheilten Arbeit. Die preußische Regierung habe von der Stellung und Wirksamkeit ihrer Richter eine zu vornehme Auffassung, als daß 9 sie zu Tagelöhnern herabdrücken sollte. Sie sei bestrebt, ihre Arbeitslast zu mäßigen im Interesse einer förderlichen Erledigung der Sache selbst, soweit es die finan⸗ ziellen Verhältnisse zuließen. Ferner habe der Vorredner es so dar⸗ estellt, als ob kein innerer zu gesetzgeberischem Einschreiten vor⸗ iege, als sei hier ein Gelegenheitsgesetz vorgelegt. Der Staats⸗ secretär des Reichs⸗Justizamts habe bereits nachgewiesen, daß die Mißstände, die im Prozeß Heinze zu Tage getreten seien, sich weit über den Rahmen dieses Prozesses hinaus erstreckten und in empfind⸗ licher Weise fühlbar geworden seien nicht nur in Berlin, sondern im ganzen Deutschen Reich. Da habe der Gesetz⸗ eber die Pflicht, einzuschreiten, und man könne ihm daraus beinen Vorwurf machen. In diesem Sinne hätten alle Völker zu allen-Zeiten Gesetze machen müssen. Eine gebundene Marschroute für die Bearbeitung dieses Gesetzes sei durchaus nicht egeben gewesen. Zwei Specialbestimmungen des Gesetzes seien be⸗ soabers angegriffen worden, §§ 184 und 16a. Was den § 184 an⸗ betreffe, so werde eine Aenderung des bestehenden Rechts in doppelter Richtung vorgeschlagen. Zunächst sollten gewisse Handlungen unter Strafe. gestellt werden, die bisher straffrei gewesen seien, weil in ihnen nur die Vorbereitung einer strafbaren Handlung gesehen worden sei. Ueber diesen Punkt werde wohl in der Commission eine Einigung sehr leicht sein, da gewichtige Argumente für diese Bestimmung sprächen. Doch seien sie nicht sacrosanct, und die Regierung werde, wenn ihr bessere Vorschläge gemacht würden, gern darauf eingehen. Die zweite Aenderung solle darin bestehen, daß Schaustellungen von Ab⸗ bildungen ꝛc. schon dann zur Strafe herangezogen werden sollten, wenn diese Dinge, ohne gerade juristisch unzüchtig zu sein, doch Aergerniß erregten, indem sie das Schamgefühl verletzten. Daß hierzu ein Bedürfniß vorliege, könne man alle Tage in den Straßen Berlins sehen. Man sehe oßt Ansammlungen 8 halbwüchsigen Per⸗ sonen vor Schaufenstern, in denen bedenkliche Bilder ausgestellt seien. Diese trügen nicht zur Befriedigung des künstlerischen Interesses bei, sondern sie seien nur gewissermaßen Lockvögel, eine niedrige Laden⸗ reelame. Es sei in hohem Grade erwünscht, daß die heranwachsende Jugend vor solchen Dingen bewahrt werde. In kleinen Städten

würde sich ein Sturm der Entrüstung dagegen erheben und die Sache würde sofort abgestellt. Warum solle das in der Hauptstadt anders sein?

Der Vorredner habe die schwersten Befürchtungen wegen der Latitüde dieses Gesetzes. Diese Befürchtungen seien in hohem Maße Bisher sei es üblich gewesen, erst dann einzuschreiten, wenn das Scham⸗ und Sittlichkeitsgefühl in geschlechtlicher Beziehung gröblich verletzt worden sei. Dieser Beweis werde von den Gerichten in sehr zahlreichen Fällen vermißt. Ob diese raxis vollständig richtig sei, wolle er nicht entscheiden. ber man müsse mit ihr rechnen als mit einem wesentlichen Factor, und in diesem Punkte liege ein Bedürfniß zur Um⸗ estaltung des Eine allgemein gültige Grenzlinie werde sich eilich nicht ziehen lassen, aber die Richter würden im allgemeinen bei der Beurtheilung des einzelnen Falles das Richtige treffen. Sie seien doch gebildete Männer, die unterscheiden könnten, ob ein Kunstinteresse vorliege oder eine schnöde Reclame. Was den § 16a betreffe, so legten die Regierungen auf ihn ein erhebliches Gewicht und zwar aus dem Grunde, weil diese Bestimmung gewisser⸗ maßen in dem Gebäude des Gesetzes den Schlußstein bilde, weil sie dazu bestimmt s seine im übrigen mehr theoretischen Vor⸗ schriften in das Praktische zu übersetzen und durch Schaffung eines wirklich wirksamen Strafmittels die Absichten des Gesetzes zur An⸗ wendung zu bringen. Wenn die Mehrheit dies ablehne und das Gesetz im übrigen annehme, so werde die Folge sein, daß sie Bestim⸗ mungen getroffen habe, die nur auf dem Papier ständen; denn die Strafe, auf die erkannt werden könne, würde den Betroffenen nicht bessern oder abschrecken. Das würde auf dasselbe hinauslaufen, als ob man einen neuen Paragraphen einstelle, der sage: es soll immer ruhig weiter fortgefrevelt werden. Der § 16a wolle, gegenüber den Leuten ohne Ehrgefühl, der Strafe ihre Kraft und ihren Ernst wiedergeben. Alle praktischen Leute seien sich darüber einig, und die Theorie gebe es mehr und mehr zu, daß die heutigen Freiheitsstrafen, namentlich die von kurzer Dauer, ihre Wirkung gänzlich verfehlten, weil sie nicht empfindlich genug eingerichtet vC’“ hätten sie überhaupt nur auf den Theil der Verurtheilten, der noch Ehr⸗ besitze. Nun müsse er allerdings zugeben, daß, wenn es nothwendig ei, Wandel zu schaffen, und diese Nothwendigkeit eine allgemeine Frage s wünschenswerth sei, die Sache auf viel breiterer Basis zu regeln. F sammten gegenwärtigen Strafsystems habe ja schon der Staatssecretär als nothwendig anerkannt; auch der preußische Justiz⸗Minister sei damit einverstanden. Aber die Schwierigkeiten technischer und finanzieller Natur, die sich dem entgegenstellten, seien so erheblich, dcß bis zum Zustandekommen einer allgemeinen gesetzlichen Regelung no eine Reihe von Jahren vergehen könne. Die Regierung wolle aber nicht das Bessere zum Feinde des Guten machen und in be⸗ schränktem Umfang die bessernde Hand anlegen. Es bedürfe keiner Rechtfertigung, daß der Entwurf an die Kuppler, Zu⸗ hälter u. dergl. mit Strafverschärfungen herantrete. Nun ziehe der Entwurf auch alle diejenigen Strafthaten heran, die von be⸗ sonderer Rohheit und Sittenlosigkeit Zeugniß ablegten. Dieses Weiter reifen sei von verschiedenen Seiten getadelt worden, aber auch in diesem Punkte wolle die Regierung einem abhelfen, das mit der Zeit Feradehn ein flagrantes geworden sei. Die Zahl und Intensität der Brutalitätsdelicte e ce stetig. In allen lättern, Versammlungen und Privatgesprächen werde darüber ge⸗ redet. Jeder könne sich durch Augenschein davon überzeugen; in einer Zeitung, Bhätten

Das sei aber zur Zeit nicht möglich. Eine Revision des ge⸗

neulich zwei schwere Fälle der Art hinter⸗

einander gestanden. Solche Fälle müßten energisch zur Strafe gezogen werden können. Es sei darauf hingewiesen worden, daß die Bestimmungen des § 16a auch auf Preßdelicte und politische Vergehen würden Anwendung finden können. Er glaube versichern zu können, daß die redliche Absicht der Regierungen dahin gehe, nur die Mißstände zu beseitigen, die er vorher gekennzeichnet habe; an den politischen Gesichtspunkt sei nicht gedacht worden. Es sei nicht wahr⸗ scheinlich, daß jemandem, der Preßdeliete begehe, eine besondere Rohheit nachzuweisen sei. In besonderen Ausnahmen könne zwar in dem gedruckten oder gesprochenen Wort auch eine besondere Roh⸗ heit liegen, also in diesem Fall wäre grundsätzlich bei Preß⸗ delicten eine Strafverschärfung nicht ausgeschlossen. Doch man könne den Richtern zutrauen, daß sie so viel bon sens haben würden, um im einzelnen Fall das Kriterium besonderer Rohheit und Sitten⸗ losigkeit festzustellen. Die Regierung werde übrigens bereit sein, wenn in der Commission wirkliche Verbesserungen vorgeschlagen werden sollten, darauf einzugehen. Nur bitte er, sich dem Grund⸗ gedanken des § 16 a wohlwollend ö man werde damit der Rechtspflege und dem Vaterlande einen erheblichen Dienst eisten.

Abg. Rintelen (Centr.): Er habe zunächst zu erklären, daß der Abg. Gröber seinen Widerspruch gegen die Verweisung des Gesetzes an eine Commission von 21 Mitgliedern aufgegeben habe. Man habe es hier nicht mit einem Gelegenheitsgesetz zu thun; im Laufe des Lebens träten so manche häßliche Erscheinungen in den Vordergrund, angesichts deren dringende Abhilfe geboten erscheine. Der vorliegende Gesetzentwurf schaffe Abhilfe und man könne die Materie unmöglich verschieben, bis das vollständig redigirt sei. Der Abg. Bebel habe in seiner Rede über den Entwurf ver⸗ schiedene Aeußerungen gethan, die man nicht unwidersprochen lassen dürfe. Er habe die Frage aufgeworfen, wie „diese armen Wesen“ zu ihrem Beruf kämen, und habe gemeint: „Es ist Ihre erste Aufgabe, dies zu untersuchen und dort den Hebel anzusetzen. Das thun Sie aber nicht.“ Strafgesetz und christliche Liebe müßten Hand in Hand gehen. Man habe es im Reichstag nicht mit den Werken der christlichen Liebe zu thun, sondern mit dem politischen Leben, mit dem Zustand der bürgerlichen Gesellschaft. Das Christenthum sorge auf seinem Gebiet, der Staat müsse auf dem seinigen sorgen. Daher müsse man ein Gesetz haben, das repressiv wirke, wo die Heil⸗ mittel der Kirche nicht aushülfen. Aber die Gesetzgebung dürfe nicht, wie es bisher vielfach in wesentlichen Punkten geschehen sei, die christ⸗ liche Kirche in ihrem Wirken unterbinden und hemmen, sondern sie müsse dafür sorgen, daß die Kirche frei ihre Kräfte entfalten könne. Dann werde sie heilsam wirken und eine große Anzahl von Uebelständen, die man heute beklage, beseitigen. Gerade auch auf dem Gebiet der Schule müsse die Kirche Freiheit haben; die Schule habe Vieles verdorben. Die Gesetzgebung müsse die⸗ jenigen Hemmnisse hinwegräumen, die der Ausbreitung der katholischen Orden entgegenständen. Gebe man die Orden frei, ganz frei, dann werde man Abhilfe auf vielen Gebieten haben. Der Abg. Träger habe die Definition des Wortes „unsittlich“ verlangt. Er (Redner) bitte ihn, einen Paragraphen des Strafgesetzbuches zu nennen, der eine Definition enthalte; auch die Beleidigung könne nicht definirt werden. Daß es Annoncen gebe, die das Schamgefühl in höchstem Grade berührten, könne auch der Abg. Träger nicht leugnen. Auch hier müsse Abhilfe geschaffen werden. Schaustellungen seien zuweilen ganz harmlos angekündigt, die Nafführang geschehe aber in einer Weise, die geradezu ein Skandal sei. Die „Schöne Helena“ von Offenbach könne z. B. in einer Weise aufgeführt werden, daß eine Dame nicht hineingehen könne. Die gehe gerade zu solchen Stätten und werde dort verdorben. Er wünsche, daß es in der Commission gelingen möchte, Bestimmungen zu finden, wonach auch derartige Theater⸗ vorstellungen und Schaustellungen unter Strafe gestellt werden könnten, die das Scham⸗ und Sittlichkeitsgefühl verletzten. Die sogenannte Humanität sei, wie er aus 8 amtlichen Thätigkeit wisse, in höchstem Grade verkehrt, die Bestimmungen über Cööu“ seien daher vollständig gerechtfertigt. Er sei jedoch mit dem Abg. Gröber der Meinung, daß diese Bestimmungen in das Shrrofgesesbuch eingefügt werden müßten, und nicht der richterlichen Entscheidung freie Hand gelassen werden dürfe. Bei Berathung des G über den Strafvollzug könne man hierauf Rücksicht nehmen. Die Bestimmungen richteten sich keineswegs nur gegen die unteren Stände. Ein gerechter Richter werde sich der Strafverschärfung auch bei Personen aus den gebildeten Ständen nicht widersetzen. Wenn sich Personen aus höheren Ständen leicht ein ärzt⸗ liches Attest beschaffen könnten, so möge man bestimmen, daß ein solches von dem Anstaltsarzt ausgestellt werden müsse. Die Strafverschärfung sei dem Abg. Träger eine Etappe zur Prügelstrafe. Allerdings führe der Zug der Zeit zu der Meinung, daß für gewisse Vergehen die Prügelstrafe die allein richtige Strafe sei. So Mancher bekehre sich jetzt dazu, der früher ein Gegner der Prügelstrafe gewesen sei. Im Jahre 1868, kurz nach Aufhebung der körperlichen Züchtigung in Strafanstalten, sei es vorgekommen, daß ein junger Bursche im Gefängniß Tag und Nacht geschrieen und dem Aufseher gesagt habe: „Prügeln kannst Du mich nicht, ich bleibe dabei.“ Nachdem er es mehrere Tage so getrieben, sei er durch ein paar Ohr⸗ feigen zur Ruhe gebracht. Den Abg. Bebel bitte er zu sagen, aus welcher Stelle der Motive sich ergebe, 8 eine Kasernirung der Prostitution ö sei. Er 888 könne eine solche Stelle nicht finden. Der Abg. Bebel habe ferner gemeint, die Prostitution sei entstanden, als das Eigenthum ent⸗ standen sei. Die Herren sprächen so viel von ihrer socialistischen Gesellschaftsordnung, 88 sollten aber doch einmal darstellen, wie der socialistische Staat sich in allen Consequenzen gestalte, ob mit seiner Einführung auch die Prostitution beseitigt werde. Einer der Grund⸗ gedanken in diesem socialistischen Staat sei die freie Liebe. Diese führe aber in ihrer Consequenz zur Prostitution des ganzen weiblichen Geschlechts. Wenn der Abg. Bebel gegen den persönlichen Gott und die Unsterblichteit der Seele eifere, wo finde er dann die Grundlage für seine Moral? Wenn der Abg. Bebel meine, die Prostitution solle zu einer staatlichen Institution gemacht werden, wie die Kirche, so habe er die heiligsten Gefühle eines großen Theiles des Reichstages damit verletzt; derartige Aeußerungen sollte man hier weglassen.

Abg. Hahn (deutschcons.): Den Standpunkt seiner Partei zu der Vorlage habe neulich schon der Abg. von Holleufer dargelegt. Sie wolle durch die Gesetzgebung den Auswüchsen entgegentreten, die das Volk in gefährlicher Weise vergifteten, und stelle sich daher auf den Boden der Vorlage. Nur in einem wichtigen Punkt er von dem Abg. von Holleufer ab. Der Abg. von Holleufer habe das Einverständniß der Mehrheit der Fraction damit betont, daß die Vorlage den Polizeibehörden die Möglichkeit zur Kasernirung der Prostitution gebe. Er habe dabei nicht die schweren ethischen Bedenken gegen eine solche Maßnahme verkannt, aber gemeint, daß noch größer als diese Bedenken der Schaden sei, der dem Volke bei dem jetzigen Zustande zugefüigt werde. Er (Redner) meine dagegen, daß die schweren ethischen Bedenken gegen die Kasernirung weit mehr ins Gewicht fielen, als irgend welche praktischen Rücksichten, die zu ihrer Begründung angeführt werden könnten. Die zur Zeit des Heine Pröheses tagende evangelische Generalsynode, der er mit acht anderen Mitgliedern des Reichstages angehört habe, habe am 2. Dezember 1891 einstimmig beschlossen: „Durch den evangelischen Ober⸗Kirchen⸗ rath an Seine Majestät die ehrfurchtsvolle Bitte zu richten, es

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möge Ihm als Schutz⸗ und Schirmherrn unserer evangelischen Kirche

gefallen, bei den zum Zweck der Bekämpfung der Prostitution zu

fassenden Entschließungen solche B“ abzuwehren, welche eine n

Verwirrung der sittlich⸗religiösen schauungen unseres christlichen Volkes zur Folge haben müßtén.“ Nach der diefes Be schlusses sei unter solchen Maßnahmen die Kasernirung der Prostitution

zu verstehen gewesen. Er halte an diesem Beschluß fest. Vom strafrecht⸗

lichen und ethischen Standpunkt sei es nicht unbedenklich, daß da

Strafgesetzbuch im § 163,6 an sich strafbare Handlungen als straflos

hinstelle, wenn sie unter polizeilicher Duldung geschähen. Dies müsse die Ferchtsanschauunßen des Volkes verwirren, und man sollt guf 8 Abänderung dieser Bestimmung Bedacht nehmen, anstatt ie no des Reichs⸗Justizamts habe allerdings bestritten, daß die Zulassung der Toleranzhäuser beabsichtigt sei; die Fassung des Gesetzentwurfs lasse eine solche Annahme aber zu. Seine Partei hoffe, daß die Commission dem Entwurf eine Gestaltung geben werde, die solche Bedenken ausschließe.

Abg. Dr. Pieschel enl.): Er erkeune die Nothwendigkeit der Vor⸗ lage nach den Erfahrungen seiner amtlichen Praxis an. Sie sei nicht nur durch den Fall Heinze und die Zustände in Berlin begründet, sondern auch durch die Zustände an vielen anderen Orten. Wenn man sich amtlich mit den Dingen beschäftige, sehe man in einen Abgrund von Elend und Verderbtheit, wie man es sich nicht schlimmer vor⸗ stellen könne. Der Abg. Bebel habe Recht, die erste Wahr⸗ nehmung sei die eines grenzenlosen Elends. Die ro⸗ stituirten seien häufig ohne eigenes Verschulden, vielmehr durch die Schuld der Männer zu diesem Erwerbe gekommen. Die Zuhälter seien nicht immer einfach als Kuppler zu fassen, denn in den äußeren Handlungen, die für die Feststellung des Thatbestandes wichtig seien, unterscheide sich der Zuhälter vom Kuppler so wesentlich, daß es in der Praxis außerordentlich schwer sei, ihn zu bestrafen. Immer⸗

zu erweitern, wie es die Vorlage thue. Der Staatssecretär

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hin sei die Vorlage eine lex specialis, und man dürfe deshalb

nicht so weitgehende Bestimmungen machen, wie der Entwurf wolle. Wenn man nicht bis zur Regelung des Straf⸗ vollzuges warten wolle, dann sollte man wenigstens die Strafverschärfung in einem besonderen Gesetze ordnen. Der Abg. Bebel meine, die Prostitution existire erst, seitdem es Privateigenthum gebe. Allerdings habe es nicht immer Privateigen⸗ thum gegeben, aber das Streben nach Besitz, nach Eigenthum liege in der Natur eines jeden Menschen begründet. Weit im Volke sei die Ueberzeugung verbreitet, daß der socialdemokratische Staat auf der allgemeinen Theilung des Eigenthums beruhe. Redner wendet sich schließlich noch gegen einige weitere Ausführungen des Abg. Belel bleibt aber auf der Tribüne unverständlich, weil er sich nur den Socialdemokraten zuwendet und der Tribüne den Rücken kehrt.

Abg. Stadthagen (Soc.)! Das Böseste, was der Heinze⸗ Prehes zu Tage gefördert habe, sei die Thatsache gewesen, daß die olizei die Zuhälter und Dirgen als Fütkäger nig

ht geglaubt habe

entbehren zu können, und gegen diese Zuhälter u. s. w. werde nun eine

Vorlage gerichtet. Es wäre gut gewesen, wenn die Reichsregierung den Reichstag über diesen inneren Widerspruch aufgeklärt hätte. die Zuhälter werde niemand eintreten, sie seien der Abschaum der Ge⸗ sellschaft, aber sie seien der Abschaum erst geworden durch die heutige Gesellschaftsordnung. Gewisse Locale dürften von Damen ohne Herrenbegleitung nicht betreten werden. Solche Reglements schafften direct die Zuhälterei. So lange die Prostitution bestehe, werde auch das Zuhälterthum bestehen. Wolle -man die Prostitution eindämmen, so möge man den Arbeiterinnen lohnende Arbeit schaffen. Vor allem sorge man dafür, daß die freie Bewegung der Frauen, ihr Coalitionsrecht zur Erringung besserer Arbeitsbedingungen nicht erschwert werde. Wo die Arbeiterinnen sich regten, um ihre Lohnverhältnisse zu verbessern, damit sie nicht der Prostitution in die Arme fielen, da werde die Bewegung von der Polizei unterdrückt. Man sage, die Kasernirung der Prostitution werde nicht beabsichtigt. Man sollte doch nicht wie die Katze um den heißen Brei herumgehen. Man ver⸗ suche in gewissen Zeiträumen immer wieder die mittelalterlichen Bordelle einzurichten. In Hamburg beständen die Bordelle heute noch, trotzdem man allgemein angenommen habe, daß sie durch das Strafgesetzbuch abgeschafft seien. In den Motiven werde sogar ausdrücklich gesagt, daß gewisse Personen ohne die Bei⸗ hilfe der Prostituirten nicht leben könnten; es heiße in den Motiven: „Es würde gegen die Billigkeit verstoßen, hilfsbedürftige, nächste An⸗ gehörige, wie etwa den kranken, erwerbslosen Vater oder Sohn mit der Strafe des Zuhälters zu belegen. In Fällen dieser Art enthält die Annahme von Zuwendungen nicht das Schimpfliche der Freiwilligkeit und der moralischen Theilnahme an dem Laster, sondern sie wird mehr von der Noth und den Umständen aufgezwungen.“ Wenn die Zuhälter als Kuppler bestraft würden, weshalb würden nicht die Männer bestraft, die zur Kuppelei verleiteten, diejenigen Personen, die mit Prostituirten verkehrten? Besonders merkwürdig sei es, welchen geringen Schutz die Mädchen genössen, die zur Prostitution gezwungen werden sollten. Schriften und Bildwerke sollten. strafbar sein, wenn sie vergerni zu erregen geeignet seien. Die Bibel ent⸗ halte eine Menge solcher Stellen, auf welche diese Worte paßten, und die gebe man den Kindern in die Hände und lasse vieles daraus auswendig lernen. Das Vertrauen zu den Richtern habe hiermit nichts zu thun. Ihr Studium hätten sie ja absolvirt, aber Literaturkenntnisse besäßen sie nicht, dazu hätten sie keine Zeit. Wenn ihnen ihr Amt noch Zeit lasse, dann erwiesen sie sich möglichst als Streber, aber zur Bereicherung ihrer Literaturkenntnisse hätten sie keine Zeit. Es sei ein trauriges Brandmal, das die Gesellschaftsordnung sich selbst aufdrücke, daß ohne Prostitution ein großer Theil der Menschen nicht mehr leben könne. Der Aus⸗ schluß der Oeffentlichkeit beim Gerichtsverfahren sei sehr bedenklich. Nicht derjenige schädige die Allgemeinheit, der die Wahrheit sage und Mißstände aufdecke, sondern derjenige, der die Wahrheit verberge, die Aufdeckung von Mißständen verhindere. So wie der Gesetz⸗ entwurf vorliege, sei er unannehmbar.

Commissar des Bundesraths Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rathvon Lenthe: ser Bundesrath habe sich mit dem Vorredner auf den Standpunkt gestellt, daß Bordelle nicht gestattet seien. Wenn der Vorredner trotzdem behaupte, daß in Hamburg Bordelle beständen, so stehe das in Widerspruch mit den Mittheilungen des Wenn die Prostituirten in Hamburg in so beruhe das auf einer An⸗ in anderen Straßen nicht

Hamburger Senats. bestimmten Straßen wohnten, ordnung des Senats, wonach sie wohnen dürften. Das sei etwas ganz Anderes, als die Concessionirung von Bordellen. Die Aenderung des §8 180 sei namentlich von den ö“ verlangt worden; es sei nothwendig, sie vor der Bestrafung als Kuppler zu schützen, wenn sie ohne ihr Wissen Prostituirte in ihr Haus aufnähmen. Dagegen müsse er Einspruch erheben, daß die Richter nur Streber seien. Die Urtheile der unterlägen der Prüfung durch die höheren Gerichte. Wenn sie dort für richtig befunden würden, so gebe ihm das mehr Vertrauen zu ihnen als die Beurtheilung durch den Abg. Stadthagen. Solche Aeußerungen seien in diesem Saale um 8 weniger Uüres als es sich dabei um Landesbehörden und nicht um Reichsbehörden handele.

Abg. Bebel: Auf die Frage, wie seine Partei sich die Gesellschaft ohne Prostitution denke, könne er hier nicht eingehen, einmal, weil ihm der Präsident das nicht gestatten würde; dann aber sei er fest davon überzeugt, daß seine Ausführungen nicht auf einen fruchtbaren

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