pflichtet, zunächst zu dem geltend gemachten Rentenanspruche selbst Stellung zu nehmen, sie darf sich nicht darauf be⸗ schränken, in dem Bescheide die Rentenzahlung einstweilen abzulehnen.
Die Berufsgenossenschaft ist zur Abfindung eines ver⸗ letzten Ausländers auch dann berechtigt, wenn diesem zu⸗ vor eine Rente rechtskräftig zugesprochen war.
Für die Höhe der Kapitalabfindung, welche
einem Ausländer nach § 67 des Unfallversicherungsgesetzes gewährt werden kann, gilt das im § 39 Absatz 2 des Bau⸗ unfallversicherungsgesetzes (auch zu vergleichen § 75 Absatz 2 des Seeunfallversicherungsgesetzes) vorgesehene gesetzliche Maß des dreifachen Betrages der Jahresrente nicht.
Eine Abfindung gemäß § 67 des Unfallversicherungs⸗ gesetzes ist nicht statthaft, wenn der verletzte Ausländer
zwar seinen Wohnsitz im Auslande hat oder nimmt, aber auch nach dem Unfall die Beschäftigung im Inlande nicht aufgegeben hat.
Die dreizehnwöchige Wartezeit des § 5 Absatz 2 des Unfallversicherungsgesetzes beginnt mit dem Ein⸗ ritt des schädigenden Betriebsereignisses selbst, nicht erst mit dem Hervortreten der nachtheiligen Folgen dieses Ereignisses.
Die Sonderausgabe der „Amtlichen Nachrichten des Reichs⸗Versicherungsamts, Invaliditäts⸗ und Altersversicherung“ Nr. 24 vom 15. Dezember d. J. enthält ein Rundschreiben an die Vorstände der Invalidi⸗ täts⸗ und Altersversicherungsanstalten, betreffend die Berechnung der Wartezeit für die Altersrente von Personen des Geburts⸗Jahrgangs 1823 nebst zuge⸗ höriger Tabelle sowie folgende Revisionsentscheidungen.
Ein Förster, welcher auf der in einer preußischen Provinz belegenen Besitzung eines außerhalb Preußens regierenden deutschen Bundesfürsten angestellt war, ist zu den durch Bundesrathsbeschluß vom 18. Dezember 1890 von der Versicherungspflicht be⸗ freiten „mit Pensionsberechtigung angestellten Beamten der landesherrlichen Hof⸗, Domanial⸗, Cameral⸗, Forst⸗ und ähn⸗ lichen Verwaltungen“ nicht gerechnet worden.
Ein auf der Oder als Lootse verkehrender „Ritt⸗ mann“ ist als ein selbständiger Gewerbetreibender erachtet worden.
Ein Schmied auf dem Lande, der mit seinem Grund⸗ stücke die auf demselben eingetragene Verpflichtung über⸗ nommen hatte, gegen ein von den einzelnen Gemeindemit⸗ gliedern je nach der Größe ihres Besitzes ihm jährlich ein für allemal zu lieferndes Maß an Naturalien sämmtliche in sein Fach schlagende Reparatnren für sie auszuführen, während er für Neuanfertigungen besonders bezahlt wurde, ist nicht als
Lohnarbeiter der Gemeindemitglieder, sondern als elbständiger Unternehmer angesehen worden.
Dem Directionsmitgliede einer in Schleswig⸗Holstei bestehenden Privatsparkasse, dessen Jahres⸗Arbeitsverdienst die Summe von 2000 ℳ nicht überstieg, ist die Eigenschaft eines versicherungspflichtigen Betriebsbeamten im Sinne des § 1 Ziffer 2 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungs⸗ gesetzes zugesprochen und eine Rente bewilligt worden.
Kleine Baarbeträge, die dem Arbeitnehmer neben reier Wohnung und Beköstigung gezahlt werden, fallen auch dann noch unter den Begriff des „freien Unterhalts“ im Sinne des § 3 Absatz 2 des Invaliditäts⸗ und Alters⸗ versicherungsgesetzes, wenn ihre Gewährung behufs jeweiliger Beschaffung von Kleidung erfolgt.
Der Invalidenrentenanspruch eines Klägers, der bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erkrankt und während des im § 156 a. a. O. bezeichneten ersten Bei⸗ tragsjahres ununterbrochen krank gewesen, demnach überhaupt noch nicht „Versicherter“ geworden war, ist un⸗ geachtet des fehlenden Nachweises der „dauernden“ Erwerbs⸗ unfähigkeit als unbegründet zurückgewiesen worden. 1
Unter Umständen kann auch eine Krankheit, welche in dauernde Erwerbsunfähigkeit übergegangen ist, auf die Pflichtzeit des § 156 des Invaliditäts⸗ und Alters⸗ versicherunsgesetzes zur Anrechnung gelangen, so⸗ fern und so lange sie noch die Hoffnung auf Besserung zuläßt und infolge dessen sich als vorübergehend darstellt.
Bei der Anwendung sowohl des § 4 Absatz 2, wie auch des § 9 Absatz 3 des Invaliditäts⸗ und Alters⸗ versicherungsgesetzes kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob jemand thatsächlich noch einen bestimmten Lohn verdient oder nicht, sondern darauf, ob er zu einem solchen Verdienste dauernd noch fähig oder ob er dauernd nicht mehr im stande ist, sich jenen Betrag durch Arbeit zu erwerben, und ob ferner letzterenfalls die Erwerbsunfähigkeit eine Folge der Beschaffen⸗ heit seines Körpers oder seines Geistes ist.
Der bereits erwerbsunfähig Gewordene kann eine freiwillige Fortsetzung der Versicherung gemäß § 117 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes nicht bewirken.
Aus der obengedachten Nr. 24 der Sonderausgabe ist noch Folgendes hervorzuheben:
Der Königlich preußische Finanz⸗Minister hat auf Anfrage unter dem 27. September 1892 erklärt, daß seiner⸗ seits nichts dagegen zu erinnern sei, wenn zu den Verträgen, welche im öffentlichen Interesse von den Vorständen der In⸗ validitäts⸗ und Altersversicherungsanstalten mit Privat⸗ personen über den Verkauß von Beitragsmarken EEEEI werden, ein Stempel nicht erhoben werde.
Um den Wünschen der Arbeitgeber auf Zulassung des Sen s und der Baareinlösung von ö— demnächst aber nicht verwendbaren Beitragsmarken thunlichst zu entsprechen, andererseits aber um dem Handel mit Marken im Publikum möglichst entgegenzutreten, hat das Reichs⸗Versicherungsamt mittels Rundschreibens vom 31. Oktober 1892 die seiner Aufsicht unterstellten Versiche⸗ rungsanstalten ersucht, ihrerseits die Rückgabe nicht verwendbarer Beitrags⸗ und Doppelmarken unter näher vor⸗ geschriebenen Bedingungen zuzulassen.
“ “ 11“
-
Dem Kaiserlichen Gesundheitsamt vom 20. bis 22. Dezember Mittags gemeldete Cholerafälle:
In Hamburg sind zwei Erkrankungen festgestellt. Todes⸗ fälle infolge von Cholera haben seit dem 12. d. M. nicht stattgefunden.
S. M. Kbt. „Wolf“, Commandant Corvetten⸗Capitän Hellhoff, beabsichtigt, am 22. Dezember cr. von Hankow nach Kiukiang in See zu gehen.
1“
— 1“ Sachsen⸗Meiningen.
Der Landtag hat sich vorgestern bis zum 9. Januar vertagt. Anhalt.
Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Friedrich Karl ist vorgestern Nachmittag von Dessau nach Berlin zurückgekehrt.
Reuß ä L.
+ Seine Durchlaucht der Fürst ist von den Jagden am 19. d. M. hier wieder eingetroffen.
In der Gesetzgebungscommission des Landtags wird zur Zeit der vorgelegte Entwurf eines neuen Einkommen⸗ steuergesetzes vorberathen.
Nachoder
Oesterreich⸗Ungarn. Der Kaiser ist, nach einer Meldung des „W. T. B.“,
Bayern und der anderen Jagdgäste von den Hochwildjagden in Neuburg nach Wien zurückgekehrt.
Frankreich. 8
In der gestrigen Sitzung des Senats wurde der Be⸗ richt der Commission über den Antrag auf gerichtliche Ver⸗ folgung der in die Panama⸗Angelegenheit verwickelten Se⸗ natoren vorgelegt. Thévenet, der mit zu den gerichtlich Ver⸗ folgten gehört, betheuerte, wie „W. T. B.“ berichtet, seine Unschuld und versicherte, er habe niemals etwas von der Panama⸗Gesellschaft erhalten. Die Berathung des Berichts wird morgen erfolgen. Im weiteren Verlaufe der Sitzung wurde der Gesetzentwurf wegen Einrichtung von Schieds⸗ gerichten angenommen und die nächste Sitzung auf Freitag festgesetzt.
In der Deputirtenkammer schloß sich gestern Jules
in sehr erregter Weise den Protesten der gerichtlich verfolgten Deputirten an, erklärte seine Unschuld und sprach sich miß⸗ billigend über das gegen die betreffenden Deputirten beobachtete Verfahren aus. Als er die Tribüne verließ, reichten ihm mehrere Deputirten die Hand. Hierauf nahm die Kammer die Berathung des Getränkesteuer⸗Entwurfs wieder auf. Das Amendement wegen Besteuerung der Börsen⸗ operationen wurde mit 281 gegen 232 Stimmen abgelehnt. Der Finanz⸗Minister Tirard hatte das Amendement bekämpft. Sodann wurde die neue Alkohol⸗Zuschlagsteuer von 9 Fr. ebenfalls abgelehnt. Die Alkoholsteuer bleibt also end⸗ gültig auf 240 Fr. festgesetzt. Demnächst wurde der ganze Ge⸗ tränkesteuer⸗Entwurf mit 304 gegen 237 Stimmen an⸗ genommen, bbwohl der Finanz⸗Minister Tirard erklärt hatte, daß die Ablehnung der Alkohol⸗Zuschlagsteuer von 9 Fr. ein Deficit im Budget zur Folge haben werde. Schließlich ge⸗ nehmigte die Kammer die zwei provisorischen Budget⸗ zwölftel.
Die Armee⸗Commission der Deputirtenkammer hörte heute den Kriegs⸗Minister de Freycinet und den Chef des Generalstabs der Armee, General de Miribel, die aus⸗ führliche Erklärungen bezüglich des Gesetzentwurfs über die Armee⸗Cadres abgaben. Die Commission wird den Gesetz⸗ entwurf so schnell wie möglich prüfen.
Der General⸗Procurator conferirte gestern bis zu später Stunde mit dem Justiz⸗Minister Bourgeois. Das Gerücht erhält sich, daß auch gegen die Boulangisten Naquet, Saint⸗Martin, Laguerre und Laur gerichtlich vorge⸗ gangen werden soll.
Die Panama⸗Untersuchungscommission beschloß mit 12 gegen 7 Stimmen, den Deputirten Ypes Guyot zur Vernehmung darüber vorzuladen, ob er gesagt habe, daß die Liste der in die Panama⸗Angelegenheit verwickelten Parlaments⸗ mitglieder dem Präsidenten der Republik zur Einsicht vorgelegt worden sei.
Den Mittheilungen eines Mitgliedes der Panama⸗Unter⸗ suchungscommission zufolge sind im Nachlasse des Barons Reinach hundert Checktalons vorgefunden worden, auf denen die Namen von fünfzehn Parlamentariern verzeichnet waren. Da die Talons nicht datirt sind, so läßt sich nicht feststellen, ob dieselben mit der Panama⸗Angelegenheit zu⸗ sammenhängen. Das Journal „Cocarde“ behauptet, der wirk⸗ liche Empfaͤnger des mit dem Namen Aigouin quittirten Checks im Betrage von 20 000 Fr. sei Floquet gewesen, der diesen Betrag ebenso wie die bereits erwähnten 300 000 Fr. für Wahlzwecke verwendet habe. Gerüchtweise verlautet, die Checks des Agenten Reinach's, Arton, seien aufgefunden und befänden sich in den Händen des Justiz⸗ Ministers Bourgeois. Es sei zu gewärtigen, daß neuerlich Parlamentarier verhaftet und gerichtlich verfolgt werden würden. Das Journal „Bouche de fer“ will wissen, der Marquis de Moreés lasse gegenwärtig die Documente des Reinach'⸗ schen Agenten Arton über die Panama⸗Angelegenheit photo⸗ graphiren; er habe sie für ein reactionäres Syndikat um 2 Millionen Francs erworben.
Spanien.
Die Neubesetzung der diplomatischen Posten an⸗ läßlich des kürzlich erfolgten Cabinetswechsels ist nach einer Meldung des „W. T. B.“ vertagt worden bis zur Er⸗ theilung der Zustimmung des Papstes zu dem für den Vatican in Vorschlag gebrachten Botschafter.
Portugal. Der amtliche „Diario“ veröffentlicht ein Decret über eine Reform im diplomatischen und Konsulardienste. Damit ist eine Verminderung der betreffenden Stellen sowie der Bezüge verbunden. Wie es nach einem Lissaboner Telegramm des „W. T. B.“ heißt, hätte diese Reform den Rücktritt des Ministers des Auswärtigen verursacht. Rumänien. In der gestrigen Sitzung des Senats wurde dem „W.
1“
T. B.“ zufolge der Gesetzentwurf wegen Regelung des Avancements und des Armeedienstes für die Mit⸗ glieder der Königlichen Familie mit 71 gegen 9 Stimmen
angenommen.
estern Abend in Begleitung des Prinzen Leopold von
Roche, der der vorgestrigen Sitzung nicht beigewohnt hatte,
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Vorgestern war bei dem Minister des Auswärtigen Lahovary Diner und Empfang, denen das diplomatische Corps beiwohnte.
Serbien.
Bei den gestrigen Wahlen zur Belgrader Stadt⸗ vertretung wurden, wie „W. T. B.“ berichtet, die liberalen Candidaten gewählt. Der Advocat Tatic wurde zum Bürgermeister gewählt.
Bulgarien.
Der „Politischen Correspondenz“ wird aus Sofia gegen⸗ über anderweitigen Nachrichten gemeldet, die bulgarische Regierung habe auf der Werft in Livorno nicht zwei Kriegsschiffe sondern zwei zur Ergänzung der Donauflottille bestimmte Kanonenboote in Bau gegeben. Da deren Fertigstellung noch geraume Zeit in Anspruch nehmen werde, 18 habe der bulgarische Agent in Konstantinopel Dimitrow bisher auch keinerlei Veranlassung gehabt, die Pforte um die Erlaubniß zur Durchfahrt der Boote durch die Meerengen zu ersuchen. Ebensowenig habe die türkische Regierung von der bulgarischen Aufklärungen in dieser Angelegenheit verlangt.
Amerika.
Der Bericht der Commission über die Vorlage, durch welche die Regierung ermächtigt werden soll, behufs Her⸗ stellung eines beide Occane verbindenden Nicaragua⸗Kanals die Aufnahme einer Anleihe von Obligationen in der Höhe von 100 Millionen Dollars zu garantiren, wurde gestern, wie „W. T. B.“ aus Washington meldet, im Senat von Sherman vorgelegt. Der Bericht béfürwortet durchaus die Regierungsvorlage.
Nr. 35 des „Eisenbahn⸗Verordnungsblatts“ (heraus⸗ gegeben im Königlichen Ministerium der öffentlichen Arbeiten) vom 19. Dezember 1892 hat folgenden Inhalt: Erlaß des Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 14. Dezember 1892, betreffend Prüfungs⸗ ordnung für die mittleren und unteren Beamten. — Nachrichten.
Nr. 51 A des „Centralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Ar⸗ beiten, vom 21. Dezember, hat folgenden Inhalt: Stoßver⸗ bindung der Breitfußschienen. — Berechnung von Durchbiegungen. — Vermischtes: Preisbewerbung um eine Turnhalle in Bozen. — Wett⸗ bewerb für Pläne zu einer katholischen Kirche in Essegg. — Adickes
esetzentwurf zur Erleichterung von Stadterweiterungen. — Brücke über den Ohiofluß bei Cairo (Illinois).
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Nach § 18 der Civilprozeßordnung wird der allgemeine Gerichts⸗ stand einer Person, welche keinen Wohnsitz hat, durch den Aufenthaltsort im Deutschen Reich bestimmt. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, IV. Civilsenat, durch Urtheil vom 26. September 1892 ausgesprochen, daß der Aufenthalt an einem Orte genügt, gleichviel ob die Anwesenheit von der Person gewollt ist und diese sich der Anwesenheit bewußt ist, oder ob das Ver⸗ weilen ein augenblickliches und vorübergehendes oder ein solches von längerer Dauer ist.
— Die Eintragungen in das Quittungsb usch einer Spar⸗ bank über Spareinlagen zu einer vereinbarten Verzinsung unter den im Quittungsbuche vorgedruckten allgemeinen Bedingungen sind, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Civilsenats, vom 1. Oktober 1892, in Preußen regelmäßig dem Schuldverschreibungsstempel unterworfen.
Statistik und Volkswirthschaft.
Knappschafts⸗Berufsgenossenschaft.
Die außerordentliche Genossenschaftsversammlung der Knapp⸗ schafts⸗Berufsgenossenschaft, welche am 10. d. M. unter dem Vorsitz des Berg⸗Assessors a. D., Bergwerks⸗Directors Krabler aus Altenessen in Berlin stattfand und von 72 Delegirten besucht war, genehmigte die Errichtung eines Unfallkranken, und Genesungshauses für Section IV (Halle a. S.) und den dafür erforderlichen Betrag bis zu 750 000 ℳ, ferner die Erbauung eines Dienstgebäudes für die Verwaltung der Section II (Bochum) und den hierfür erforderlichen Betrag bis zu 200 000 ℳ, sowie für den Erweiterungsbau eines Reconvalescentenhauses in Bonn 20 000 ℳ 14“
Zur Arbeiterbewegung.
Der Vorstand des Unterstützungsvereins deutscher Buchdrucker veröffentlicht eine Bekanntmachung, welcher zufolge der Tarifstreit, der den Hauptgrund des vorjährigen Ausstandes bildete, mit dem bevorstehenden 1. Januar vorläufig als beendet angesehen werden darf. Es heißt in der im „Vorwärts“ mitgetheilten Bekanntmachung:
Der Vorstand und der Tarifausschuß des Deutschen Buchdrucker⸗ vereins haben sich mit einer Revision des bisher gültigen Tarifs be⸗ schäftigt und demnächst die Principale Deutschlands aufgefordert, diesen repidirten Tarif vom 1. Januar 1893 ab zur Einführung zu bringen und einzuhalten. Wenn wir auch einseitige Abände⸗ rungen des Tarifs nach den zwischen den beiderseitigen Vertretern getroffenen Abmachungen für anfechtbar halten, so soll doch andererseits berücksichtigt werden, daß die geplanten Reducirungen zurückgezogen wurden, außerdem durch die Amtsnieder⸗ legung der Tarifvertreter seiner Zeit Vereinbarungen erschwert waren. Da es der Gehilfenschaft freisteht, jeder Zeit Abänderungen dieses Tarifs zu beantragen, glaubt der Vorstand zur Herbeiführung geregelter Zustände die Hand bieten und im Interesse des gewerblichen Friedens mit den augenblicklichen Verhältnissen rechnen zu sollen. Wir ersuchen daher die Mitglieder, gleichfalls den gegebenen Thatsachen Rechnung zu tragen und dadurch das Bestreben des Vorstandes, die Nachwehen des Kampfes zu beseitigen und Ordnung in tariflicher Be⸗ ziehung herbeizuführen, zu unterstützen. 1
Aus Frankfurt a. M. wird dem „Vorwärts“ berichtet, daß sich die dortigen Gewerkschaften nun auch zu einem Cartell ver⸗ einigt haben; als Zweck wird angegeben: die Wahrung der beruflichen und gewerkschaftlichen Interessen, sowohl der ganzen Arbeiterschaft als solcher, wie auch derjenigen der einzelnen Gewerkschaft gegenüber dem Staat und dem Arbeitgeber. F ““
Aus München wird der „Frkf. Ztg.“ geschrieben: Die hiesigen Socialdemokraten hatten auf den Montag ins Orpheum eine „Versammlung von Arbeitslosen“ einberufen, die von ungefähr 1000 Personen besucht war. Der Referent Schmid stellte den schließlich genehmigten Antrag, eine Commission von drei Mitgliedern zu wäͤhlen, die sich mit dem Fabrikinspector und mit der Stadt ins Vernehmen zu setzen habe, auf welche Art dem Nothstand abzuhelfen sei. Die Commission soll zugleich an den Magistrat die Forderung stellen, bei städtischen Arbeiten die Sstündige Arbeitszeit einzuführen.
In Fürth hat, wie der „Vorwärts“ mittheilt, eine Volks⸗
versammlung die Aufrechterhaltung des über die Brauerei Evora uü.
1. *
Meyer verhängten Boycotts beschlossen, da Herr Evora sich bis jetzt zu keinem Entgegenkommen bereit gezeigt, sondern die ihm ge⸗ machten Vermittelungsvorschläge zurückgewiesen habe.
Ueber den Ausstand der Buchdrucker Neuchztels (vgl. Nr. 299 d. Bl.) berichtet die „Frkf. Ztg.“: Der Ausstand dauert fort, ist jedoch seit Sonnabend in eine andere Phase getreten. Die Buchdruckereibesitzer, die im Anfang sich weigerten, in Unterhandlungen zu treten, erklärten sich bereit, eventuell einen ganz neuen Tarif anzu⸗ nehmen. Dieses Angebot wurde jedoch von den Gehilfen abgelehnt, weil es keine Bürgschaft dafür enthalte, daß die neunstündige Arbeits⸗ zeit angenommen würde. Zwei Gehilfen sind in Arbeit geblieben, vier wurden infolge Contractes gezwungen, die Arbeit wieder auf⸗ zunehmen. Die „Imprimerie du Neuchatelois“ in Cermier be⸗ willigte den Gehilfentarif. Der Verwaltungsrath der „Société typographique“ erklärte sich bereit, auf Grund der neunstündigen Arbeitszeit einen Tarif innerhalb Vierteljahrsfrist mit ihren Gehilfen zu vereinbaren. Infolge dessen nahmen die Gehilfen beider Geschäfte die Arbeit wieder auf. Das Centralcomité des Vereins schweizerischer Buchdruckereibesitzer war gestern in Bern versammelt. Die Arbeitgeber von Neuchatel waren auch eingeladen. Eine befrie⸗ digende Lösung ist jedoch nicht gefunden worden, da die Gehilfen von der Verkürzung der Arbeitszeit nicht abgehen wollen.
Aus Lrrbe wird der „Köln. Ztg.“ unter dem 19. d. M. berichtet: Die Geschäftsräume der Kohlenwerke von Commentry und Fourchambault wurden theilweise durch Dynamit zerstört. Der Sprengstoff war an den Raum gelegt worden, wo sich die Gruben⸗ kasse befindet. Der frühere Gendarmerie⸗Wachtmeister Dembot, der die Kasse bewacht, wurde unter den Trümmern verschüttet, jedoch un⸗ versehrt wieder hervorgeholt. Man vermuthet, daß es sich um eine Rachethat gegen ihn handele. —
In Havre haben nach einem Telegramm des „H. T. B.“ vom heutigen Tage die Dock⸗Werft⸗Arbeiter einen allgemeinen Aus⸗ stand beschlossen.
Aus Pittsburg meldet ein Wolff'sches Telegramm vom estrigen Tage: Unter den nicht dem Gewerkverein angehörigen Arbeitern der Carnegie'schen Werke in Homestead, wo kürzlich mehrere Fälle von Vergiftung entdeckt wurden, sind heute wiederum drei Todesfälle vorgekommen. Wie es heißt, sind von 4000 Arbeitern, die sich nicht am Strike betheiligten, gegen 2000 erkrankt und insgesammt 32 unter Symptomen von Vergiftung gestorben. Das Gericht hat die Untersuchung der Leichen aller kürzlich verstorbenen Angestellten der Gesellschaft angeordne
Kunst und Wissenschaft.
Unter dem Namen „Deutscher Kun stverein in Berlin“ hat sich, wie die „Nat.⸗Ztg.“ berichtet, vorgestern hier ein neuer Verein gebildet. Zu der constituirenden Versammlung, die im Archi⸗
tektenhause stattfand, hatte das vorbereitende Comité diejenigen Per⸗ sonen geladen, welche als begründende Mitglieder des Vereins sich unterzeichnet hatten. Der Geheime Regierungs⸗Rath Dr. Dohme, ständiger Secretär der Akademie der Künste, begrüßte als Vorsitzender des Comités die Versammlung, zu der von den 640 Mitgliedern zahl⸗ reiche Damen und Herren der verschiedensten Berufsarten sich einge⸗ funden hatten. Den Bericht über die bisherige Thätigkeit der vorbereitenden Commission erstattete der Banquier Willy Molenaar. Er April be⸗
— theilte mit, daß aẽm 8. be⸗ reits von einer vorberathenden Versammlung ein Comité
gewählt worden sei, um ähnlich den in München, Dresden, Westfalen und am Niederrhein blühenden Corporationen einen Verein zu gründen, der, aus Künstlern und Kunstfreunden bestehend, Kunstwerke kaufen und jährlich unter seinen Mitgliedern verloosen, sowie ferner durch Vervielfältigungen in Kupfer⸗ und Stahlstich⸗Radirungen, plastische Arbeiten ꝛc. auf die Hebung des Geschmacks im Volke einwirken will. Bisher seien für diese Zwecke in Berlin nur zwei Vereine thätig, der „Verein der Kunstfreunde“ und der „Verein Berliner Künstler“: in dem einen fehlten fast ganz die Künstler, in dem anderen die Kunstfreunde; der neue Verein, mit dem eine Verschmelzung des alten Vereins der Kunstfreunde zu hoffen sei, solle für Künstler und Kunstfreunde einen gemeinsamen Boden schaffen. Der Verein wolle jungen Künstlern die Bahn ebnen und werde jede Kunstrichtung be⸗ rücksichtigen; so hoffe er der Kunst wie den Künstlern förderlich zu sein. Auf Antrag des Vorsitzenden beschloß die Versammlung: 1) die Satzungen so anzunehmen, wie sie in dem Entwurf des vor⸗ bereitenden Comités gedruckt vorliegen und etwa noth⸗ wendig erscheinende Abänderungsanträge der nächsten Haupt⸗ versammlung im Oktober zu unterbreiten; 2) daß der jetzt ge⸗ wählte Vorstand auch für das ganze Geschäftsjahr 1893/94 im Amte verbleibe, sodaß die satzungsmäßige Neuwahl der ausscheidenden Vorstandsmitglieder erst im Februar 1894 stattfinden wird. Dem Vorschlage der Commission entsprechend, wurde zum Ersten Vor⸗ sitzenden der Ober⸗Präsident, Staats⸗Minister Dr. von Achenbach und zu Vorstandsmitgliedern die Herren: Geheimer Ober⸗Regierungs⸗ Rath Dr. Jordan, Geheimer Regierungs⸗Rath Dr. Dohme, Hans Müller, Kaufmann Mielitz, Bankier Willy Molenaar, Bankier C. H. Kretschmar, Justiz⸗Rath von Simson. die Maler Conrad Fehr, Hans Fechner, J. Wentscher, der Bildhauer Otto Riesch, der Präsident der Akademie Professor C. Becker, Professor F. Schaper Redacteur G. Schweitzer, Verlagsbuchhändler P. Parey, Verlagsbuchhändler R. Mosse und Geheimer Regierungs⸗Rath Lippmann gewählt. „,—=— Dem verstorbenen Unter⸗Staatssecretär, Wirklichen Geheimen Rath Dr. von Marcard wollen, wie hiesige Blätter mittheilen, die beamteten Thierärzte Preußens ein dauerndes Denkmal er⸗ richten. Sie haben den Bildhauer Professor Herter mit der An⸗ fertigung der Büste des nunmehr Heimgegangenen beauftragt, die in der Aula der Thierärztlichen Hochschule hierselbst Aufstellung finden soll. —
.— Bei den Renovirungsarbeiten in der St. Nicolai⸗ Kirche zu Stralsund ist, wie man der „N. A. Z.“ schreibt, ein interessanter Fund gemacht worden. An drei Thüren in den Chor⸗ schränken fand man unter dem Holzanstrich Heiligenbilder, deren Farben noch völlig frisch sind und die den heiligen Augustinus, den heiligen Gregorius u. a. in ganzer Figur darstellen. Auch die Inschriften sind zumeist noch gut erhalten. Der kunstgeschichtliche Werth der Bilder ist nach dem Urtheil ven / Sachverständigen ganz bedeutend.
— Dem „Schwäbischen Merkur“ wird aus Marbach ge⸗ schrieben: Schon wieder ist von einer Stiftung für unser Schillerhaus zu berichten. Frau Dr. Karoline Notter (Friedrich Notter's Wittwe) in Stuttgart und Frau Finanz⸗Rath Märklin auf dem Berkheimerhof haben aus dem Nachlaß der bekannten Freundin der Christofine Schiller⸗Reinwald, Frau Dr. Notter, sieben eigen⸗ händige eichnungen der genannten Schwester Schiller's zu ihres Bruders Gedicht „Das Lied von der Glocke“ übersendet. Die Zeich⸗ nungen bekunden das schöne Zeichentalent Christofine’'s, und die Schenkung ist um so werthvoller, als dadurch die hier schon angesam⸗ melten Andenken an Christofine eine durchaus glückliche Ergänzung erfahren haben. Die beiden Damen haben sofort vom Schillerverein herzliche Danksagungen erhalten. Die sieben Bilder stellen dar: die Taufe, Heimkehr des Jünglings zu Eltern und Braut, der Hausfrau
ten, den Abschied der abgebrannten Familie vom Grabe ihrer Habe, die Beerdigung, Ernte, das Emporziehen der Glocke.
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Literatur.
Unterhaltung.
Aus dem Sagenschatz der Harzlande. Von Friedrich Günther. Mit vielen Textbildern von H. Mittag. Hannover⸗Linden und Leipzig, Verlag von Manz u. Lange. (Pr. 5 ℳ) — Diese
ammlung von Harzsagen. die wir beim Erscheinen der ersten Liefe⸗ zung bereits angekündigt haben, ist zuvörderst für die Schule bestimmt. Der Verfasser wollte damit jedem Lehrer in den Harzlanden ein Buch 2 die Hand geben, dem er die Sagen entnehmen kann, deren er für Anen Unterricht in der Heimathkunde bedarf, und das er auch seinen
Schülern für die häusliche Unterhaltung und Belehrung unbedenklich
*
empfehlen kann. Dann aber soll es für die Harzbewohner ein Haus⸗ buch sein, in dem sie das Schönste und Beste, was an Erzählungen aus dem Heimathlande ihnen von den Vorfahren überliefert ist, in einfacher, verständlicher Sprache zusammengestellt finden. Bei der Auswahl ist durchaus diese Rücksicht auf Schule und Haus maßgebend gewesen und hat der Verfasser daher alle anstößigen oder minder⸗ werthigen Erzählungen ausgeschlossen. Da die alten Sagen im Volks⸗ munde mehr und mehr verklingen, so ist diese schriftliche Sammlung gewiß verdienstlich und erscheint zur Erhaltung und Wiedereinführung der schönsten Perlen dieses sinnreichen Schatzes wohlgeeignet. Auch über die eigentliche Heimath der Sagen hinaus dürfte das Buch bei den vielen Freunden des Harzes und seiner romantischen Stätten Beifall und Anklang finden, zumal die Verlagsbuchhandlung ihm ein gefälliges Gewand gegeben hat. Verschiedenes.
„Frauen⸗Erwerb“, von⸗ Paul Dobert.“Leipzig, Adalbert Fischer's Verlag. Preis 2 ℳ kart. — Das beachtenswerthe Buch verfolgt den praktischen Zweck, den Eltern und den jungen Mädchen genaue Antwort auf die Fragen zu geben: „Was können unsere Töchter werden?“ und „Wo und wie erwerben sie die noth⸗ wendigen Kenntnisse?“ Es giebt über Lehranstalten, Lehrzeit, Kosten des Unterrichts, Bedingungen zum Eintritt ꝛc. genaue Auskanft. Alle wichtigen Berufe, die der Frau offen stehen, mit Ausnahme der Fabrik⸗ arbeit, sind vertreten, also von der gelehrten Universitätsbildung, dem Kunststudium ꝛc. an bis zur Ausbildung in den Handarbeiten, im Kochen u. s. w. Den Nachweisen über die Lehranstalten ꝛc. eines jeden Berufs ist eine Einleitung vorausgeschickt, die über das betr. Gebiet orientirt. Die Ausstattung des Handbuchs ist eine gute.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maͤßregeln.
Cholera.
Oesterreich⸗Ungarn. Vom 7. bis 14. Dezember sind, wie in den „Veröffentlichungen des Deutschen Kaiserlichen Gesundheitsamts“ mitgetheilt wird, in Galizien und zwar nur im Bezirke Husiatyn zwei Neuerkrankungen an Cholera aus der Gemeinde Husiatyn, sowie ein tödtlich verlaufener Fall aus Konciu binczyki gemeldet worden. Von den früher mitgetheilten Fällen hat noch einer aus Olchowezyk einen tödtlichen Ausgang gehabt. Die Gesammtzahl der bisherigen Cholerafälle im Bezirke Husiatvn beträgt 38, darunter achtzehn Sterbefälle. — Aus Budapest sind vom 3. bis 9. Dezember nach⸗ stehende Cholera⸗Erkrankungen und Todesfälle (tageweise geordnet) amtlich gemeldet worden: 0:0, 1:1, 1:1, 4: 0, 1:0, 2:1, 0:0, insgesammt 9:3. In Kroatien⸗Slavonien kamen zwischen dem 19. und 27. November in Dvor (Bezirk Kostajnica) vierzehn (davon sechs mit tödtlichem Ausgang), in Essek zehn Erkrankungen vor. Ueber das Vorkommen der Cholera im ungarischen Heere wird Folgendes mitgetheilt: Am 26. September traten die ersten Cholerafälle in der Civilbevölkerung auf, die am 1. Oktober zweifellos als Cholera asiatica erkannt wurden. Beim Militär ist der erste Cholerakranke am 5. Oktober eingebracht worden. Vom 5. Oktober bis einschließlich 30. November erkrankten in der Garnison Budapest zwei Personen, die dem gemeinsamen Heere, und sieben Personen, die der Königlich ungarischen Landwehr angehörten, im ganzen daher'’ neun Personen. Hiervon sind genesen sechs, starben drei Personen.
Frankreich. In Dünkirchen sind vom 21. November bis 10. Dezember vier „choleraartige’“ Erkrankungen und ein Todes⸗ fall festgestellt worden, in sechs Ortschaften der Umgegend dreizehn bezw. acht.
Rußland. In der Stadt Moskau erkrankten und starben vom 27. November bis 4. Dezember 31 bezw. siebzehn Personen, im Gou⸗ vernement eine bezw. keine. In Russisch⸗Polen haben im Gouvernement Plock vom 2. bis 10. Dezember 24 Neu⸗ erkrankungen und sechs Todesfälle stattgefunden, in den übrigen Bezirken scheint die Seuche im Abnehmen zu sein. Die Stadt Warschau hatte vom 6. bis 8. Dezember zwei Erkran⸗ kungen, vom 9. bis 12. Dezember weder Erkrankungen noch Todes⸗ fälle, die Gouvernements Radom vom 5. bis 7. desselben Monats 4:5, Lublin vom 7. bis 10. desselben Monats 11:4, Siedlec in der gleichen Zeit 0: 1, Lomza vom 4. bis 6. desselben Monats 2: 2. — Im Gouvernement Grodno ist zufolge einer amtlichen Mittheilung die Seuche erloschen. 3
Belgien. Nach einer neueren amtlichen Zusammenstellun waren in der Stadt Antwerpen vom 15. August bis einschließli 21. Oktober d. J. insgesammt 258 Erkrankungen und 98 Todesfälle infolge von Cholera vorgekommen; seitdem haben Neu⸗Erkrankungen und Todesfälle nicht mehr stattgefunden. In der Provinz Antwerpen haben sich die ersten Krankheitsfälle am 26. August, und zwar in zwei Ortschaften gezeigt. Bis ein⸗ schließlich 15. November sind in 30 Ortschaften insgesammt 540 Er⸗ krankungen und 302 Sterbefälle festgestellt. Die Stadt und Provinz zusammen hatten demnach 798 bezw. 400. Die Höhe der Epidemie in der gesammten Provinz fiel mit 32 Erkrankungen in 24 Stunden auf den 16. September; die meisten Todesfälle (dreizehn) hatten der 19. und 20. September, sowie der 1. Oktober d. J.
Niederlande. In den Niederlanden scheint, wie in den „Veröff. d. D. Kais. Ges.⸗Amts“ geschrieben wird, die Cholera im Erlöschen begriffen zu sein. Nach einer amtlichen Bekanntmachung sind in der Woche vom 4. bis 10. Dezember nur zwei Personen der Seuche erlegen. “ Spanien.
Zufolge einer unter dem 19. Dezember 1892 ergangenen, in der „Gaceta de Madrid“ vom 21. desselben Monats veröffentlichten Königlich spanischen Verordnung, sind Provenienzen aus Hamburg, welche nach dem 6. Dezember 1892 abgegangen sind, ausnahmslos als „unrein“ erklärt worden.
Schiffe, welche nach jenem Tage aus einem innerhalb einer Ent⸗ fernung von 165 km von Hamburg gelegenen Hafen abgefahren sind, werden als „verdächtig“ angesehen.
Türkei.
Zufolge Beschlusses des internationalen Gesundheitsraths in Konstantinopel vom 13. Dezember 1892 ist die Quarantäne gegen e. ee is in Mustapha Pascha auf fünf Tage ermäßigt worden.
Gegen Frachtschiffe aus den bulgarischen und den ostrumelischen Häfen ist die bisherige Quarantäne auf 24 Stunden, gegen Passagier⸗ schiffe dieser Provenienz auf fünf Tage herabgesetzt worden.
Herkünfte aus Odessa mit Passagieren unterliegen nur noch einer fünftägigen, ohne Passagiere einer 48 stündigen Quarantäne.
Herkünfte aus ööö Häfen sind ausnahmslos nur noch einer dreitägigen Quarantäne, solche aus den französischen Mittelmeerplätzen und aus Montenegro lediglich einer ärztlichen Untersuchung unterworfen.
8.
Handel und Gewerbe. Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks
an der Ruhr und in Oberschlesien. 1 An der Ruhr sind am 21. d. M. gestellt 11 324, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. 1 Oberschlesien sind am 20. d.⸗M. gestellt 4760, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.
Zwangs⸗Versteigerungen. 8
Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin standen am 21. Dezember die nachverzeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Schulzendorferstraße 18, dem Tischlermeister Aug. Behrendt gehörig; Nutzungswerth 14 300 ℳ; 164 500 ℳ; für das Meistgebot von 204 000 ℳ wurde der desete Gustav Schmidt, Gartenstraße 81, Ersteher. — Forsterstraße 36, dem Wagenfabrikanten W. Brandt gehörig; Nutzungswerth 16 420 ℳ; Mindestgebot 209 200 ℳ; für das Meistgebot von 247 000 ℳ wurden die Kaufleute
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straße 127, Ersteher. — Adolfstraße 14, dem Schankwirth gehörig; Nutzungswerth 7540 ℳ; für das festgesetzte Mindestgebot von 500 ℳ wurde die Preußische Hypotheken⸗ Actien⸗Bank Ersteherin.
Leipzig, 21. Dezember. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. per Dezember 3,65 ℳ, per Januar 3,65 ℳ, per Februar 3,67 ½ %, per März 3,70 ℳ, per April 3,70 ℳ, per Mai 3,72 ½ ℳ, per Juni 3,75 ℳ, per Juli 3,77 ½ ℳ, per August 3,80 ℳ, per September 3,82 ½ ℳ, per Oktober 3,82 ½ ℳ, ver November 3,82 ½. Umsatz 60 000 kg. Wien, 21. Dezember. (W. T. B.) Bei den 298 km langen Localbahnen der Oesterreichischen Local⸗Eisenbahn⸗Geselt⸗ schaft, die bereits im Vorjahre im Betriebe wames betrugen die provisorisch ermittelten Einnahmen im Monat Neovbember d. J. 217 010 Fl. und in der Zeit vom 1. Januar bis Ende November 1892 1 758 910 Fl., während die definitiven Einnahmen in der gleichen des Vorjahres 208 179 bezw. 1 792 391 Fl. be⸗ tragen haben. Die provisorisch ermittelten, oben nicht inbegriffenen Einnahmen der Localbahn Budweis —Salnau betrugen im Monat November 1892 16 341 Fl., und in der Zeit vom 1. Januar bis Ende November 1892 bei einer durchschnittlichen Betriebslänge von 53 km 125 693 Fl.
London, 21. Dezember. (W. T. B.) An der Küste 1 Weizen⸗ ladung angeboten.
New⸗York, 21. Dezember. (W. T. B.) Die Börse eröffnete fest, befestigte sich im Verlaufe weiter, schloß jedoch matt. Der Umsatz der Actien betrug 312 000 Stück. Der Silber⸗ vorrath wird auf 860 000 Unzen geschätzt. Die Silberverkäufe betrugen 45 000 Unzen, die Silberankäufe für den Staatsschatz 461 000 Unzen zu 82,45 à 82,80. 1
Weizen. Nachdem Preise gewichen, befestigten sich dieselben wieder auf Deckungen. Schluß fest. — Mais vorübergehend weichend, dann wieder befestigt auf bessere Nachfrage. Schluß stetig.
Chicago, 21. Dezember. (W. T. B.) eizen anfangs niedriger, dann höher auf größere Kaufordres. Schluß fest. — Mais fortgesetzt weichend den ganzen Tag auf Realisirungen. Schluß stetig.
Verdingungen im Auslande.
Niederlande. x29. Dezember. 1 ½ Uhr. Het gemeente bestuur im Haag, im Rathhause: Lieferung der nöthigen Magazingüter für die Gemeinde⸗ Gasfabrik im Dienstjahre 1893 in 20 Abtheilungen, barunter ver⸗ schiedene Arten Röhren, Fittings ꝛc. Lieferungsbedingungen einzuseben und erhältlich in der genannten Fabrik, sowie im Gemeindesecretariat (3. Abtheilung).
31. Dezember. de Landbouwers Vereeniging Eigen Hulp te Hontenisse bei Herrn P. Verbist in Kloostergaude (Provinz See⸗ land), Lieferung von 162 000 kg Superphosphat, enthaltend 14 % in Wasser lösliche Phosphorsäure. Augebotsformulare und Lieferungs bedingungen erhältlich bei dem Secretär und Kassenführer Herrn J. Buysrogge. .
5. Januar 1893. de Vereeniging landbouw belang in Noord⸗ Beveland im Local des Herrn Jac. de Keyzer zu Cortgen (Provinz Seeland), Lieferung von 283 500 kg und mehr Superphosphat. Angebote einzusenden an den Secretär der Gesellschaft Herrn Witte Hage in Wissenkerke.
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Verkehrs⸗Anstalten.
Laut Telegramm aus Köln hat die zweite englische Post über Ostende vom 21. d. M. in Köln den Anschluß an Zug 31 nach Berlin über Hildesheim nicht erreicht; Grund: verspätete Landung des Schiffes in Ostende wegen Nebels auf See.
In Bulgarien sind die Einfuhrbeschränkungen für Postsfendungen aus Deutschland nunmehr gänzlich aufgehoben worden. Derartige Sendungen erhalten demnach allgemein wieder Beförderung, soweit sie nicht die unten bezeichneten Gegenstände ent⸗ halten, deren Durchfuhr durch Oesterreich⸗Ungarn zur Zeit noch ver⸗ boten ist: Hadern, ungereinigte Trennwolle, alte, getragene Kleidungs⸗ stücke (einschließlich alten, getragenen Schuhwerks) als Handelsartikel, gebrauchte und nicht gereinigte Leib⸗ und Bettwäsche. 5
8 Theater und Musik.
Sing⸗Akademie.
Das Künstlerinnenpaar Frau Anna Schultzen von Asten und Fräulein Julie von Asten gab unter Mitwirkung der Herren Professoren Joachim und Hausmann gestern ein Concert, das sehr zahlreich besucht war. Die wohlklingende und gut geschulte Stimme der erstgenannten Sängerin kam in Liedern von Brahms, Godard, Pauline Viardot⸗Garcia, Tosti, Randegger, Eckert, Levy, H. Schmidt, Viol, Giehrl, Max Stange und in einer Arie von Mozart aufs wirksamste zur Geltung. Ihre ver⸗ ständnißvolle und feinsinnige Schattirungsweise trug ihr so lebhaften Beifall ein, sodaß sie das „Ständchen“ von Brahms und die „Chanson de Florian“ von P. Viardot wiederholte. Die Herren Professoren Joachim und Hausmann spielten zu Anfang des Concerts in Gemein⸗ schaft mit der Pianistin Fräulein von Asten Schumann’s Trio (D-moll) mit vollendeter Präcision und sehr schwunzvollem Vortrag. Letztere begleitete auch sämmtliche Gesänge mit lobenswerther Discretion.
Concerthaus.
Das gestrige Fest⸗Concert zur Feier des 25 jährigen Be⸗ stehens des Hauses wurde mit einem von dem Kapellmeister Meyder componirten Jubiläums⸗Marsch eröffnet, der sich durch rhythmische Lebendigkeit und geschickte Instrumentirung auszeichnete. Dieser dem Medding'’schen Ehepaar gewidmete Marsch, sowie eine ebenfalls neue Jubiläums⸗Fanfare von Bilse wurden von dem zahlreich erschienenen Publikum mit rauschendem Beifall aufgenommen. Das Programm, dessen zweiten Theil Hof⸗Musikdirector Bilse selbst dirigirte, enthielt außerdem meist bekannte und beliebte Compositionen. Ein Prolog, der die Verdienste der Herren Bilse und Meyder, sowie des Besitzers des Se9. Herrn Medding hervorhob und auch der mehrmaligen Anwesenheit des hochseligen Kaisers Wilhelm I. im Concerthause gedachte, wurde von dem früheren Königlichen Hofschauspieler Herrn P. Dehnicke sehr ausdrucksvoll vorgetragen. — Am Tage zuvor hatte aus demselben Anlaß ein Festmahl stattgefunden, an welchem gegen 300 Damen und Herren theilnahmen. Den Vorträgen der Frau aibel, des Fräulein Nittschalk, der Herren Dehnicke, Mörs (Tenor), Hungar (vom Residenz⸗Theater) Wesenberg, Lichtenstein, Wittmann und anderer schloß sic eine die Verdienste des Hof⸗Musikdirectors Bilse um die Popularifirung der Werke Richard Wagner’'s betonende Rede von W. Tappert an. Auch einige Solisten der Hauskapelle erfreuten durch künstlerische Leistungen, während die Tafelmusik von einer be⸗ sonderen Kapelle gespielt wurde. Saal und Logen waren zu der Feier aufs glänzendste decorirt.
Das Gastspiel der Frau Gemma Bellincioni im Kroll'schen Theater findet neueren Anordnungen zufolge nicht schon morgen, sondern erst in den Feiertagen seine Fortsetzung und den dem⸗ nächstigen Abschluß.
Die Direction des Victoria⸗Theaters (Belle⸗Alliance⸗ Theater) theilt mit, daß die für morgen angekündigte Vorstellung der „Reise um die Welt“ wegen decorativer Schwierigkeiten erst am Sonntag stattfinden kann. G
Das Thomas⸗Theater bleibt heute, morgen und am Weih⸗ nachtsabend geschlossen und wird am ersten Feiertag mit der Bauern⸗ posse „Der Nothhelfer“ wieder eröffnet, die dann am zweiten Feiertag und dem darauf folgenden Tage wiederholt wird. Die Nachmittags⸗
Otto Reymer u. Okto Masch, Leipziger⸗
Vorstellungen der Volksstücke „Der Herrgottschnitzer von Ammergau“