1893 / 8 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 10 Jan 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Sigmaringen, 10. Januar. Seine Majestät der König von Rumänien traf gestern Mittag 121 ½ Uhr hier ein. Am Bahnhofe wurde der König von Seiner Königlichen Hoheit dem Fürsten von Hohenzollern, den Prinzen des Fürst⸗ lichen Hauses, Ihren Königlichen Hoheiten dem Herzog von Edinburg, dem Prinzen Alfred von Edinburg, dem Grafen von Flandern, Seiner Hoheit dem Erbprinzen von Sachsen⸗ Meiningen und dem. rumänischen Botschafter Ghika

mpfangen. Außerdem waren die Spitzen der Be⸗ hörden, die fürstlichen Beamten, das Offiziercorps und die Mitglieder des Magistrats zum Empfange anwesend. Der Prinz Ferdinand von Rumänien hatte rumänische Uniform ngelegt. Beim Eintreffen des Zuges spielte die Musik der uf dem Bahnhofe aufgestellten Ehren⸗Compagnie die rumänische Volkshymne. Der König, der preußische Artillerie⸗Uniform angelegt hatte, begrüßte den Fürsten, der in rumänischer Uniform erschienen war, auf das herzlichste. Ihre Königlichen Hoheiten der Herzog und die Herzogin von Connaught rafen gestern Abend hier ein. , G Zu Ehren der hier anwesenden Fürstlichkeiten fand gestern in großes Diner und hierauf ein Hofconcert statt, bei

welchem ein Stuttgarter Quartett spielte und Vogl und Frau

Weckerlin (München) Gesangspiècen vortrugen.

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Bayern.

Der Oberste Schulrath nahm in seiner Sitzung vom 7. d. M. zunächst die vorbehaltene zweite Lesung der allgemeinen Instruction zu der Gymnasial⸗Schulordnung vor; sodann wurden ausgesetzte Punkte zur neuen Prüfungsordnung und des Lehrmittelverzeichnisses für die humanistischen Gymnasien erledigt und hierauf die für Realgymnasien zuzulassenden Lehrbücher festgesetzt. In der Mehrzahl der Fächer stimmt das letztere Verzeichniß mit jenem der humanistischen Gymnasien überein. In der Nachmittagssitzung fand eine Besprechung der Grundsätze für die Revision der Schulordnung der Realschulen statt. Es ergab sich hierbei völlige Uebereinstimmung der Anschauungen und wird hiernach der Entwurf für den nächsten Zusammentritt des Plenums des Obersten Schulraths Ausarbeitung finden. Eine Ab⸗ minderung der Unterrichtsstunden erwies sich insbesondere für die drei unteren Curse als wohl durchführbar. Als letzter Punkt der Tagesordnung wurden die Gesichtspunkte, von denen bei einer Revision der organischen Bestimmungen für die Industrieschulen auszugehen sei, eingehend erörtert, sodaß auch hierüber der nächsten Plenarversammlung ein Entwurf mitgetheilt werden kann. urden den Cultus⸗Minister Dr. von Müller geschlossen.

Nach dem am Sonntag 9 Uhr früh ausgegebenen Bulletin hatte, wie das „Dr. J.“ meldet, Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Mathilde in der vorhergehenden Nacht ruhig geschlafen. ieber war nicht wiedergekehrt, der Masernaus⸗ schlag war erblaßt. Das Allgemeinbefinden war gut und werden regelmäßige Bulletins vorläufig nicht mehr ausgegeben werden.

Württemberg.

Seine Majestät der König kehrte gestern nach der Be⸗ grüßung Seiner Majestät des Ka sers in Ulm sofort nach Stuttgart zurück. 3

Der Kriegs⸗Minister, General⸗Lieutenant Freiherr Schott von Schottenstein ist seit mehreren Tagen an Lungen⸗ entzündung nicht unbedenklich erkrankt. B

Der „Staats⸗Anzeiger für Württemberg“ constatirt, daß der frühere Hauptmann Miller durch Königliches Decret vom Juli 1890 aus dem Offizierstande entlassen sei, somit unbe⸗ rechtigter Weise noch den Titel Hauptmann führe.

Oesterreich⸗Ungarn.

Die Regierung hat im ungarischen Unter⸗ hause einen Gesetzentwurf eingebracht, wonach die Erzeugung von Kunstweinen für den Handel verboten wird, ferner eine Vorlage über die Bewilligung eines Garantiefonds für die 1896 stattfindende Ausstellung. Bei der Verhandlung über das Budget rief dem „D. B. H.“ zufolge der Titel „Hofhaltung⸗ eine lebhafte Debatte hervor. Mehrere Redner der Opposition forderten eine selbständige ungarische Hofhaltung, und führten aus, eine Entfremdung zwischen der Krone und der Nation würde nie eingetreten sein, wenn eine ungarische Hofhaltung bestanden hätte. Diese Ent⸗ fremdung schade auch dem Ansehen der Monarchie. Der Minister⸗Präsident Dr. Wekerle erwiderte, er denke nicht an eine vollständige Separirung der Hofhaltung, sondern an eine Regelung, wonach im Erscheinen und Auftreten des Hofes die Staatlichkeit Ungarns zum Ausdruck gelange. Man sei mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Regelung be⸗ schäftigt; sobald sie fertiggestellt sei, werde sie dem Monarchen vorgelegt und dem Hause mitgetheilt werden. Auf die Frage, ob der König zürne, antworte er nicht; das Verhältniß zwischen der Krone und der Nation sei dauernd herzlich. Es sei außerdem stets der politische Grundsatz in Ungarn gewesen, daß man sich in der politischen Wirksamkeit nicht von Sym⸗ pathien leiten lasse. 11

Frankreich. . Die heutigen Morgenblätter geben, wie „W. T. B.“ meldet, allesammt der Ansicht Ausdruck, daß der heutige Tag vollkommen ruhig verlaufen werde. Der „Gaulois“ theilt ein Gerücht mit, dem zufolge gegen die Senatoren und Deputirten, deren gerichtliche Verfolgung ver⸗ fügt ist, das Verfahren werde eingestellt werden, da es nicht möglich sei, auf sie den Artikel des Strafgesetzbuchs anzu⸗ wenden, welcher sich nur auf Beamte, nicht aber auf Parla⸗ mentsmitglieder beziehe. Das „XIX. Siecle“ enthält eine ähnliche Information, die sich namentlich auf Thévenet und Rouvier bezieht. Dem „Eclair“ zufolge hat der Unter⸗ suchungsrichter ein Charles Lesseps Notizbuch beschlagnahmt, worin neue, auf die Panama⸗Affaire be⸗ zügliche Namen enthalten sein sollen. Es seien daher weitere Verhaftungen zu erwarten, der Untersuchungsrichter Franque⸗ ville werde neuerdings die Genehmigung für die gerichtliche Verfolgung mehrerer Parlamentsmitglieder verlangen. Der Devputirte Clémenceau wurde gestern Vormittag auf seinen eigenen Antrag vom EE1“ bezüglich des bekannten Vorfalls vernommen, der dem Tode des Barons Reinach vorherging. Die Vernehmung war von ziemlich langer Dauer.

Die Sitzungen wurden sodann durch

Der frühere Minister der öffentlichen Arbeiten Balhaut ist gestern Abend 6 ½ Uhr beim Heraustreten aus dem Zimmer des Untersuchungsrichters verhaftet und nach dem Gefangenen⸗ depot gebracht worden. Abends 9 Uhr wurde Balhaut dann in das Gefängniß Mazas übergeführt.

Der „Gaulois“ berichtet ausführlich, der Kriegs⸗Minister de Freyeinet sei in einem gewissen Zeitpunkt entschieden dafür eingetreten, daß die Eisenbahngesellschaften die Luftdruckbremse Wenger, deren Patent Cornelius Herz und der verstorbene Baron Reinach erworben hatten, auch bei den Güterzügen ein⸗ führen, obwohl die einstimmig erklärt hätten, die Militärzüge würden im Falle einer Mobilisirung nicht von der Stelle zu bringen sein, falls eine dieser Luftdruck⸗ bremsen platze. Das Blatt fordert sodann die parlamentarische Untersuchungscommission auf, festzustellen, weshalb Freycinet sich Herz derart untergeordnet habe, daß er selbst mit Gefährdung der nationalen Sicherheit an ihn das Telephonnetz und das rollende Bahnmaterial habe ausliefern wollen.

Ein eingehender Artikel des „Figaro“ über den Reinach⸗ schen Agenten Arton hebt hervor, daß dieser wiederholt auf Wunsch Floquet soder dessen damaligen Unter⸗Staatssecretärs Bourgeois den der Regierung zugewiesenen Dispositionsfonds durch Panamagelder verstärkt habe. Er sei es auch gewesen, der seinerzeit dem General Boulanger die Documente über die Be⸗ stechung von Deputirten mit dem Bemerken angeboten habe, daß damit Boulanger’s politisches Glück gemacht wäre. Boulanger habe jedoch das Anerbieten abgelehnt. Vor etwaigen Verfolgungen von Seiten Frreycinet's habe Arton sich sicher geglaubt, da er den Kriegs⸗Minister zu denjenigen Personen gerechnet habe, die ihm verpflichtet seien. In Bezug auf Freyecinet handle es sich, wie der „Figaro“ bemerkt, gewiß nicht um Geld, doch sei es sehr möglich, daß Freycinet den parlamentarischen Ein⸗ fluß Arton's in Anspruch genommen habe, wie er ja auch am 1. Dezember 1887 am Vorabend des Con⸗ gresses seinen „lieben und ausgezeichneten Freund“ Cor⸗ nelius Herz gebeten habe, ihm für die Wahl des Präsi⸗ denten der Republik die Stimmen Clémenceau's und dessen Gruppe zu sichern. „Er werde niemals“, so habe Freyecinet zu Herz gesagt, „die Unterstützung vergessen, die er ihm bei seinen Freunden angedeihen lassen werde.“ Dieser Artikel des „Figaro“ ist gleich jenem Artikel über Herz, welcher den Brief Clémenceau'’'s und Rouvier’s Demission herbeiführte, mit „Vidi“ gezeichnet.

Die Discussion über die Interpellation Choiseul in Betreff der Rückerstattung der Panamagelder seitens der damit Bestochenen wird zum nächsten Donnerstag erwartet. Es heißt, Floquet werde bei dieser Gelegenheit seine Haltung neuerdings vertheidigen.

Wie der „Matin“ meldet, reist der französische Botschafter Waddington, mit sehr bestimmten Instructionen betreffs der marokkanischen Angelegenheit, heute Vormittag nach London zurück. Die französische Regierung hätte sich dahin schlüssig gemacht, nicht zu dulden, daß irgend eine fremd Macht eine privilegirte Stellung in Marokko einnehme.

Rußland.

Den russischen Eisenbahnen war bisher verboten, Materialbestellungen im Auslande zu machen, was die russischen Industriellen ausnutzten, um durch Bildung von Syndicaten die Preise möglichst in die Höhe zu treiben. Um dem entgegenzuwirken, hat, wie „W. T. B.“ meldet, der neue Verkehrs⸗ und Wegebau⸗Minister Kriwoschein beim Reichs⸗ rath eine Verordnung eingebracht, die das gedachte Verbot aufhebt und den Kron⸗ und Privateisenbahnen gestattet, ihre Bestellungen im Auslande zu machen, wenn sie dadurch einen geringeren Preis erzielen können.

Gutem Vernehmen nach wird der bisherige General⸗ Gouverneur von Wilna, Kowno und Grodno, General der Artillerie Zwan Kochanow, zum Mitglied des Reichsraths ernannt worden. 1

Der Wirkliche Geheim⸗Rath Abasa, Präsident des Departe⸗ ments der Reichs⸗Oeconomie des Reichsraths, tritt zum 1. Januar von seinem Posten: als sein Nachfolger wird der frühere Reichs⸗Controleur, Wirkliche Geheim⸗Rath Ssolsky, augenblick⸗ lich Präsident des Codifications⸗Departements des Reichsraths, genannt. 8 1

Schweiz. 8 8 v“

Wie die „Frkf. Ztg.“ erfährt, hat eine auf gestern einbe⸗ rufene Conferenz schweizerischer Bahngesellschaften sich bereit erklärt, für die Dauer des Zollkrieges mit Frankreich Frachtermäßigungen für den Transport einiger bedeu⸗ tender Einfuhrartikel von der südlichen, östlichen und nördlichen Landesgrenze nach der West⸗Schweiz eintreten zu lassen. In einer zweiten Conferenz werden die Reductionen endgültig festgestellt werden. Diese dürften sich beziehen auf Vieh in ganzen Wagenladungen aus Oesterreich und Italien, auf Zucker aus Oesterreich und Deutschland, auf Wein in Fässern aus Italien und Oesterreich, sowie auf andere Lebens⸗ mittel, ferner auf Schnittholz von Buchs und Romanshorn ab.

Amerika.

Der Senat berieth, wie „W. T. B.“ aus Washington meldet, gestern die von Mac Pherson eingebrachte Bill, nach welcher die monatlichen Silberankäufesuspendirt werden sollen. Der Senator für Colorado, Teller, hob im Laufe der Berathung hervor, es sei keine Aussicht dazu vor⸗ handen, daß die Bill in der gegenwärtigen Session werde an⸗ genommen werden. 58 Der frühere Staatssecretär Blaine wurde am Sonntag früh von mehreren Herzlähmungsanfällen so stark heimgesucht, daß die zur Hilfe gerufenen Aerzte einen ernsten Ausgang be⸗ fürchteten, doch ist gestern eine erhebliche Besserung ein⸗ etreten. 8 Nach einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ aus Buenos⸗Aires von gestern ist die Stadt Caseros von den Aufständischen der Provinz Corrientes nach einer zehn⸗ tägigen Belagerung eingenommen worden. Unter den Mit⸗ liedern des Cabinets seien wegen der dem Aufstand in der Sveseon Corrientes gegenüber zu ergreifenden Maßregeln Meinungsverschiedenheiten zu Tage getreten. Nach einer wei⸗ teren Meldung des „Reuter schen Bureaus“ hätte die Bundes⸗ regierung beschlossen, zwischen der Provinzialregierung und den Aufständischen zu vermitteln, um Blutvergießen

zu verhindern. Afrika.

Die „Times“ meldet aus Tanger, die englische Regie⸗ rung habe in ihrer Note an die marokkanische Regierung

(siehe Nr. 5 des „R. u. St⸗A.“ vom 6. d. M.) dem Sultan

nur 48 Stunden Frist gegeben, um sich zu erklären, ob er

die wegen der Erschießung eines britischen Unterthans au Gibraltar durch Genugthuung geben wolle oder nicht.

Parlamentarische Nachrichten.

Deutscher Reichstag. 17. Sitzung vom Dienstag, 10. Januar, 1 Uhr. Der Sitzung wohnen bei der Reichskanzler Graf von Caprivi, der Staatssecretär

Gültz und der Königlich bayerische Bevollmächtigte zum Bundesrath, Finanz⸗Minister Dr. Freiherr von Riedel.

Präsident von Levetzom eröffnet die Sitzung mit einem

Neujahrsgruß an die Mitglieder des Hauses und widmet den seit der letzten Sitzung verstorbenen Abgg. Lange⸗Liegnitz und Peter Reichensperger einen warm empfundenen Nachruf. Zu Ehren des Andenkens der beiden Dahingeschie⸗ denen erheben sich die Mitglieder von ihren Plätzen.

Das Strafverfahren gegen den Abg. Ahlwardt ist gemäß dem Beschlusse des Reichstags vom 10. Dezember für die Dauer der gegenwärtigen Tagung sistirt worden.

Auf der Tagesordnung steht die erste Lesung des Gesetz⸗ entwurfs über die Erhöhung der Brausteuer. Die Vorlage verdoppelt den bisherigen Brausteuersatz für Getreide, Reis und grüne Stärke von 4 auf 8 und schreibt die Ein⸗ beziehung von Elsaß⸗Lothringen schaft vor.

Die Verhandlung wird eingeleitet durch einen Vortrag

des Staatssecretärs Freiherrn von Maltzahn, über den wir,

wie über die weitere Verhandlung morgen, berichten werden.

Haus der Abgeordneten. 11 SGih ceee

Der Sitzung wohnen der Finanz⸗Minister Dr. Miquel und der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse bei.

Seit der letzten Sitzung sind die Abgg. Lange, Vygen, von Borke⸗Rienow und Dr. Reichensperger verstorben. Der Präsident von Köller widmet namentlich dem letzteren, dem Alterspräsidenten des Hauses, einen warmen Nachruf; die Anwesenden erheben sich zum Andenken an die Verstorbenen von ihren Plätzen.

Der Rechenschaftsbericht über die weitere Aus⸗ führung des Gesetzes, betreffend die Consolidation

preußischer Staatsanleihen, wird durch Kenntnißnahme 1

für erledigt erklärt.

In der ersten Berathung des Gesetzentwurfs über die Aufhebung von Stolgebühren in der evangelisch⸗ reformirten Kirche der Provinz Hannover erklärt auf eine Anregung des Abg. Dr. Freiherrn von Heereman der

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse, daß über dieselbe Materie mit den katholischen Bischöfen

Verhandlungen angeknüpft seien, die aber noch nicht zum Ab⸗-

schluß geführt hätten.

Die Vorlage wird darauf in erster und zweiter Lesung erledigt.

Das Haus geht sodann zu der ersten Berathung des Gesetz⸗ entwurfs über die Verbesserung des wesens und des Diensteinkommens der Volksschul⸗ lehrer über. Die Verhandlung, über die wir morgen be⸗ richten werden, wird durch eine Rede des Ministers der geist⸗ lichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse eingeleitet.

Nach d

Staatsbahnen mit normaler Spurweite am Schluß des Betriebs⸗ jahres 1891/92 25 070,25 km (18 453,53 km Hauptbahnen und 6616,72 km Nebenbahnen). Gegen die gleiche Länge von 24 767,43 km im Vorjahre ist hiernach eine Vermehrung um 302,82 km eingetreten. Das für die Bahnen verwendete (statistische) Anlagekapital betrug 6 530 457 831 oder für 1 km Bahnlänge von 261 104 (im Vorjahre 6 381 526 028 bezw. 258 276 ℳ).

Die Gesammteinnahmen betrugen 910 807 158 (gegen 881 212 234 im Vorjahr), sind also um 29 594 924 oder 3,4 % gestiegen. Hiervon entfielen auf den Personenverkehr 237 184 735 (+ 8432 766 gegen das Vorjahr) und auf den Güterverkehr 627 450 910 (+ 17 403 749 ℳ). Die Ge⸗ sammtausgaben beliefen sich auf 593 638 960 (gegen 548 074 111 im Vorjahr), sind also um 45 564 849 (8,3 %) gestiegen. Von den Ausgaben entfallen 258 109 280 (+ 15 367 647 gegen das Vorjahr) auf die persönlichen Aus⸗ gaben, auf die Kosten der Unterhaltung 66 241 086 (+ 3 631 237 ℳ), auf die Kosten des Bahntransports 129 088 487 (+ 8 435 325 ℳ), auf die Kosten der Erneuerung be⸗ stimmter Gegenstände 92 21. (+ 17 490 358 ℳ), auf die allgemeinen Kosten 32 452 099 (— 1 535 684 ℳ) und auf die Kosten erheblicher Ergänzungen und Verbesserungen 11 695 949 (+ 2 552 058 ℳ). Auch im zur Betriebs⸗ länge ist gleichfalls eine allgemeine Steigerung der Ge ammtausgaben eingetreten: auf 1 km mittlerer Betriebslänge entfallen 23 683 (22 191 im Jahre 1890/91), also 1492 oder 6,7 % gegen das Vorjahr mehr.

Was die Personenbeförderung anbetrifft, so wurden ver⸗ einnahmt im ganzen 231 028 894 (222 857 934, im Vorjabre). Hiervon kamen aus der I. Wagenklasse 9 846 550 (9 951 084 im Vorjahre), aus der II. Wagenklasse 58 706 247 (57 622 090ks88 ℳ), aus der III. Wagenklasse 95 049 915 (90 483 950 ℳ), aus der IV. Wagenklasse 61 559 062 (57 914 232 ℳ) und aus der Militärbeförderung 5 867 120 (6 886 560 ℳ). Die Gesammtzahl der beförderten Personen, welche sich im Vorjahre auf 274 733 883 belief, betrug im Jahre 1891/92 303 949 780 Personen, hat mithin um 29 215 897 Personen oder 10,6 % zugenommen. Von der Gesammtzahl der Reisenden (Fahrten)

kamen auf die I. Wagenklasse 1 256 205 Personen (1 262 025), auf die

II. Wagenklasse 31 032 902 Personen (27 380 342), aufdie III. Wagenklafs⸗ 153 959751 (136 105 387), auf die IV. Wagenklasse 113 180 887 (104 607 192) und auf die Militärbeförderung 4 521 605 (5 378 937) Peasas Bei der Vermehrung der Sr der Reisenden ist wie ei der Steigerung der Einnahmen am erheblichsten die III. Klasse mit 17 852 794 Personen, sodann die IV. Klasse mit 3 9738 695 Per⸗ sonen und die II. Klasse mit 3 652 560 Personen betheiligt. 8 Die Zahl der zurückgelegten Personen⸗Kilometer hat sich von 7 520 479 823 im Jaßre 1890/91 auf 7 876 475 771 im Jahre

1891/92, mithin um 2955 995 948 Personen⸗Kilometer oder 4,7 % 8

erhüöht.

eine marokkanische Polizeiwache verlangte

Freiherr von Maltzahn⸗

in die Brausteuergemein⸗

Volksschul⸗

soeben im Hause der Abgeordneten zur Vertheilung gelangten Bericht über die Ergebnisse des Betriebs der preußischen Staatseisenbahnen im Betriebsjahr 1891/92 betrug die Gesammtlänge der im Betrieb befindlichen preußischen

und Dortmunder Frühschicht

Nr. 1 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund⸗ heitsamts“ vom 4. Januar hat folgenden Inhalt: Gesundheits⸗

stand. Mittheilungen über Volkskrankheiten, insbesondere Cholera.

Sterbefälle in deutschen Städten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in rößeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Berliner Krankenhäusern. Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Land⸗ bezirken. Gesundheitsstand und Sterbefälle im November.

Witterung. Maßregeln gegen Cholera ꝛc. Gesetzgebung u. s. w. (Preußen.) Aerztinnen. Hebammen⸗Lehranstalten. Thierseuchen. Rotz im Deutschen Reiche 1891. Veterinärpolizeiliche Maß⸗ regeln. (Preußen). Rechtsprechung. (Reichsgericht). Jugendliche Fabrikarbeiter. Verhandlungen von gesetzgebenden Körperschaften, Vereinen, Congressen u. s. w. (Deutsches Reich.) Jahresversamm⸗ lung des deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege. (Frank⸗ reich.) Cholera. Vermischtes. (Preußen.) XXI. schlesischer Bädertag. Sterbefälle in deutschen Orten mit 15 000 und mehr Einwohnern, November. Desgl. in größeren Orten des Auslandes.

Statistik und Volkswirthschaft

Zur Arbeiterbewegung.

Der augenblickliche Stand der Bergarbeiterbewegung in Rheinland⸗Westfalen läßt sich kurz dahin zusammen⸗ fassen, daß die Zahl der Ausständigen im Saarrevier täg⸗ lich geringer wird, während in Westfalen bisher überhaupt nur eine verhältnißmäßig unbedeutende Zahl von Bergleuten den Beschlüssen der Versammlungen von Bochum und Essen Folge geleistet hat und in den Ausstand eingetreten ist. Zu den wenigen Gruben, von denen unter den Telegrammen,‚„nach Schluß der Redaction“ noch Theilausstände gemeldet wurden, sind inzwischen keine neuen hinzugekommen; namentlich meldet ein Wolff'sches Telegramm vom heutigen Tage aus Bochum, daß die Belegschaften auf den nächstgelegenen Zechen zur heutigen Frühschicht ruhig angefahren seien. Allerdings wird im westfälischen Kohlenbezirk die Entscheidung der Bergarbeiter⸗ intereseen erst vom morgigen Tag erwartet, aber immerhin darf man von der unerwartet günstigen Gestaltung der Lage in Westfalen eine Rückwirkung auch auf die Verhältnisse im Saarrevier erhoffen, zumal das ent⸗ schiedene Verhalten der Bergbehörde viele Ausständige zu einer verständigen Ueberlegung zurückzuführen scheint. Eine Breslauer Meldung berichtet von einem Theilausstand auf einem oberschlesischen Bergwerk, der aber wohl unabhängig von der Bewegung im Westen entstanden ist. Ueber die Vorgänge im Ausstandsgebiet während der letzten Tage tragen wir noch Folgendes nach:

In der vorgestrigen Bergarbeiterversammlung in Essen wurden in einer von der „Rh.⸗Westf. Ztg.“ mitgetheilten Resolution die an die Arbeitgeber zu stellenden Forderungen folgendermaßen bestimmt; 1) Achtstündige Schicht, inel. Ein⸗ und Ausfahrt, 2) Minimallohn für Hauer 4,50 ℳ, 3) Verbot der Ueberschichten, 4) Einführung eines Schiedsgerichts, bestehend aus zwei Dritteln Arbeiter und einem Drittel Arbeitgeber, 5) Einführung von Grubenausschüssen, 6) Weg⸗ fall des einzuführenden Befähigungsnachweises, 7) bei Verhandlungen zu Zeiten eines Strikes soll nur das Strike⸗Comité maßgebend sein. Gestern Nachmittag fand, wie die „Rh.⸗Westf. Ztg.“ mittheilt, eine Sitzung des Vorstandes des Bergbauvereins statt, an die sich eine allgemeine Sitzung des Vereins anschloß. In beiden Sitzungen soll für den Bergarbeiterausstand beschlossen worden sein, den Zechen zu empfehlen, gemäß dem § 3 der Arbeitsordnung alle mehr als drei Tage ohne Grund von der Arbeit fortbleibenden Berg⸗ leute abzulegen.

In Gelsenkirchen explodirten gestern Abend vor zwei Hotels Dynamitpatronen. Wie der „Rh.⸗Westf. Ztg.“ berichtet wird, hat die Explosion vor den in der Nähe des Bahnhofs belegenen Hotels von Baumeister und Doebbeke stattgefunden. Die Dynamitpatronen sollen auf den Fensterbänken der Hotels niedergelegt und mittels Zündschnur zur Erplosion gebracht, die Hotelgäste, ohne Schaden zu nehmen, ins Freie geflüchtet sein. Die Fensterscheiben seien zum theil zertrümmert, die Mauern leicht aufgerissen worden.

Die sociglistische Bergarbeiter⸗Zeitung fordert, wie ein Wolff'sches Telegramm aus Gelsenkirchen meldet, in einem Extra⸗ blatt zur allgemeinen Arbeitseinstellung auf, kündigt das tägliche Er⸗ scheinen von Situationsberichten an und ladet zur Wahl eines Central⸗ Strike⸗Comités für heute Nachmittag 3 Uhr nach ein.

Im Herner, Bochumer und Wattenscheider Bezirk sind

sämmtliche Arbeiter zur gestrigen Nachmittagsschicht angefahren. Im Gelsenkirchner Bezirk ist der Strike auf den Zechen „Hibernia“

und „Wilhelmine“” jetzt allgemein. Auf Zeche „Consolidation“

strikt ein Theil der Arbeiter, die übrigen sind angefahren. Aus Bochum wird gemeldet: Ein gestern Abend verbreitetes Extrablatt der „Bergarbeiter⸗Zeitung“ sagt, es werde auf fünfzehn Gruben gestrikt, und giebt die Parole aus: „Entweder weiter⸗ arbeiten unter stetigem Elend oder Generalstrike und Sieg!“ Zugleich werden mehrere Versammlungen der strikenden Bergleute einberufen. Von heute wird gemeldet:

„Dortmund, 10. Januar. Die Lage hat sich hier nicht ver⸗ schlimmert. Die Agitation für den Eintritt in den Strike, dessen all⸗ gemeiner Ausbruch morgen befürchtet wird, war dagegen über und unter Tag stark im Gange. Die Strikeführer werden heute Mittag hier eine Versammlung abhalten, die christlich⸗socialen Bergleute eine Stunde später eine Gegenversammlung. Nach Mittheilung der „Rheinisch⸗ Westfälischen Zeitung“ arbeitet im Gelsenkirchner Revier alles, aus⸗ genommen Zeche „Hibernia“, wo nur 50 Mann, und Zeche „Wil⸗ helmine Victoria“, wo nur 150 anfuhren. Auf Schacht 1 und 2 der Zeche „Consolidation“ arbeitet wieder alles, nur Schacht 3 ist noch ausständig. Im Bochumer Revier arbeitet ebenfalls alles, aus⸗ genommen auf Zeche „Heinrich Gustav“, wo nur 162 Mann an⸗ uhren. Im Essener Revier striken im ganzen 1230 Mann, nämlich 360 auf Zeche „Wolfsbank“, 380 auf Zeche „Neu⸗Köln“ und 220 auf Zeche „Carolus Magnus“. Sonst befindet sich alles an der Arbeit. Gelsenkirchen, 10. Januar. In dem Ausstande im hiesigen Revier ist keinerlei Aenderung eingetreten. In dem Herner Bezirke sind sämmtliche Arbeiter zur angefahren. Auf Grund polizeilicher Anordnung wurden gestern. Abend sieben Uhr alle öffentlichen Wirth⸗ chaften geschlossen, in denselben sind die Anee r hetasaphen angeschlagen. Die Ruhe wurde nicht wesentlich gestört. Auf die Er⸗ nittelung der Urheber des gestrigen Dynamit⸗Attentats sind von dem Bürgermeister 3000 als Belohnung ausgesetzt worden. Vier Führer der Strikenden sind verhaftet worden, darunter Mattern, weil

derselbe geaugert hatte, er wünsche, daß Gewalt angewendet werde.

Hie hierher einberufene Bergarbeiterversammlung ist verboten und das Versammlungslocal polizeilich geschlossen worden. Aus dem Saarrevier liegen folgende Nachrichten vor: Wie der „Köln. Ztg.“ aus Saarbrücken gemeldet wird, erschien gestern früh im dortigen Bergamt bei dem Ministerial⸗Director eine A. ordnung, bestehend aus den Bergleuten Fox, André und Schäfer, um bei dem Ministerial⸗Director Ober⸗Berghauptmann Freund eine Audienz zu erbitten, hatte jedoch keinen Erfolg. Herr Freund lehnte ab, sie zu empfangen, da er sie nicht als Vertreter der Belegschaft

anerkennen könne, weil sie vom Rechtsschutzverein gewählt seien.

Einer Meldung des „D. B. H.“ aus Saarlouis zufolge hätte die an das Ober⸗Bergamt Bonn abgesandte Bergarbeiter⸗Deputation den Bescheid erhalten: Erst anfahren, dann verhandeln!

Vo In Altenkessel sagten in einer von 300 Personen besuchten versammlung am Sonntag mehrere Handwerker den Ausständigen ihre Unterstützung zu. An demselben Tage fanden in allen Berg⸗

mannsdörfern Versammlungen statt, in denen beschlossen wurde, weiter zu striken. Zwei socialdemokratische Nichtbergleute führten, wie der „Rh.⸗Westf. Ztg.“ geschrieben wird, das große Wort. Die Abweisung der Deputation durch den Ober⸗Präsidenten Nasse in Koblenz wird den Bergleuten beharrlich verschwiegen. . Saäaarbrücken, 10. Januar. Heute sind 11 171 Mann ange⸗ fahren. Ein Extrablatt des „Bergmannsfreund“ schreibt: „Saar⸗ brücken 10. Januar. Wegen ihrer aufreizenden Thätig⸗ keit vor dem Strike und ihres Verhaltens während des⸗ selben sind heute die Hauptagitatoren für immer aus der Grubenarbeit entlassen und wurden ihnen auf sämmtlichen Gruben des Bezirks die Abkehrscheine zugestellt. Diese Maßregel trifft vorläufig etwa 500 Mann, nahezu sämmtlich a gitatorisch thätige Mitglieder des Rechtsschutzvereins. Ob die Zahl der⸗ selben sich noch vermehren wird, hängt lediglich von dem weiteren Verhalten der Belegschaft ab. Ferner werden, da die schlechte Lage des Kohlengeschäfts eine Verminderung der Belegschaft nothwendig macht, außerdem von den Ausständigen mindestens zwei bis drei Tausend Mann bis auf weiteres von der Grubenarbeit zurück⸗ gewiesen werden. Die Bergverwaltung hatte die Absicht, diese im geschäft⸗ lichen Interesse nothwendige Maßregel lediglich mit Rücksicht auf die Belegschaft zu vermeiden. Diese Rücksicht ist aber nunmehr im Hinblick auf das Verhalten der Belegschaft in Wegfall gekommen. Selbst verständlich werden bei der Auswahl der von der Arbeit zurück⸗ zuweisenden mindestens 2 bis 3000 Mann in erster Reihe die⸗ jenigen in Betracht kommen, welche am längsten im Aus⸗ stand verharren. Das mögen sich die Ausständigen gesagt sein lassen. Wenn auch die Nothwendigkeit dieser Maßregeln im Interesse der Familien der Betroffenen beklagt werden muß so sind sie doch durchaus erforderlich, um den Ausständigen zum Bewußtsein zu bringen, daß man nicht ungestraft unter Contractbruch in einen frivolen Strike eintritt.“

Die über den Ausstand auf einer schlesischen Grube vor⸗ liegenden Meldungen besagen:

Dem Vernehmen nach ist gestern auf der dem Grafen Henckel von Donnersmarck gehörigen Grube „Deutschland“ ein partieller Ausstand ausgebrochen. Die Tagesbelegschaft ist nicht an⸗ gefahren; ob die Nachtschicht anfahren wird, ist noch ungewiß. Nach einer Meldung der „Bresl. Morgenztg.“ sind auf der Grube „Deutschland“ zur Nachtschicht 137 Mann also etwa ein Drittel der Belegschaft angefahren. Man hoffte, daß heute mehr Bergleute an⸗ fahren würden. Sonst war im schlesischen Bezirke alles ruhig.

Nach einer weiteren Meldung ist heute auf der Grube „Deutsch⸗ land“ nur der vierte Theil der Belegschaft angefahren; sonst sei in oberschlesischen Reviere alles ruhig und ein weiterer Ausstand nicht zu erwarten.

In Leipzig fand am Sonntag eine allgemeine Buch⸗ druckerversammlung statt, über die der „Mgdb. Ztg.“ geschrieben wird:

Die Versammlung war von etwa 300 Personen besucht. Der Vorsitzende der örtlichen Tarifcommission Herr Paul Seidel be⸗ richtete über den Hauptgegenstand der Tagesordnung: Der neue Tarif und die Bekanntmachung des Centralvorstandes. Der Vor⸗ tragende, der den neuen Tarif hierbei einer abfälligen Beurtheilung unterzog und die Bekanntmachung als eine verfehlte bezeichnete, die nur geeignet sei, den Standpunkt der Gehilfen zu schädigen, beantragte die Annahme einer Resolution, in der die Principale des Wortbruchs beschuldigt werden und dem Central⸗ vorstand Mißbilligung ausgesprochen wird. Herr Döblin, der Vor⸗ sitzende des Centralvorstands, der der Versammlung anwohnte, ver⸗ theidigte die Haltung des Centralvorstands und empfahl unter Hinweis auf die gegenwärtige Lage des Gehilfenstandes, den Principalstarif an 1eecat während die Herren Eichler, Pollender, Riedel u. a. den Standpunkt des Berichterstatters vertraten. Nach dreistündiger Versammlung wurde schließlich die von diesem vorge⸗ schlagene Resolution angenommen.

Hier in Berlin waren gleichfalls am Sonntag die Buchdruckergehilfen, etwa 1000 an der Zahl versammelt, um Stellung zu dem neuen Tarif des deutschen Buch⸗ drucker⸗(Arbeitgeber) Vereins zu nehmen. Nach einem Referat des Herrn Besteck wurde, der „Voss. Ztg.“ zufolge, folgende Erklärung mit allen gegen eine Stimme angenommen: Die Versammlung der Berliner Buchdruckergehilfen protestirt gegen den von dem Vorstande des Deutschen Buch⸗ druckervereins aufgestellten Tarif und wird nie und nimmer einem einseitig zu stande gekommenen Tarif ihre Zustimmung geben; die Versammlung erklärt hingegen den bisherigen (1890er) Tarif auch fernerhin als maßgebend und kann künftighin nur einem von den vereinigten Principalen in Gemeinschaft mit den organisirten Gehilfen auf Grund einer verkürzten Arbeitszeit geschaffenen Tarif Sympathie entgegen⸗ bringen.

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Kunst und Wissenschaft.

In, dem Oberlichtsaal III der Königlichen Ge⸗ mälde⸗ Galerie ist aus Anlaß der Neuerwerbung eines hervorragenden

Gemäldes von Albrecht Dürer, der sog. Madonna mit dem Zeisig, eine Ausstellung veranstaltet, welche die Gemälde, wichtigsten Handzeichnungen, Kupferstiche und Holzschnitte des Meisters umfaßt, die sich im Besitz der Königlichen Museen befinden. Die Ausstellung wird Mittwoch, den 11. Januar, cröffnet.

Ein mächtiges Ritterschwert ist, wie der „Voss. Ztg.“ be⸗ richtet wird, im Garten des Prinzlichen Jagdschlosses Klein⸗ Glienicke bei Potsdam, dicht am Ufer der Havel, etwa 30 cm tief im Schlamm liegend, aufgefunden worden. Es ist ein sogenanntes Reiterschwert für zwei Fäuste, wie es gegen Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts in Gebrauch kam, weil die damals eingeführten Plattenpanzer eine größere Wucht der Angriffswaffe erforderten. Die Klinge ist zweischneidig, spitz, 94 -cm lang und bis 5 cm breit; in der flachen breiten Blutrinne befinden sich einige, theils ornamentale, theils buchstabenförmige Zeichen in Bronze eingelegt. Die Parirstange ist gerade, achtkantig ausgearbeitet, 18 cm lang. Die Griffzunge ist bis zum großen und schweren Knauf hinauf 21 cm lang; der Knauf mit der Schlußsspite 6,3 cm.

Die Nordpolfahrt von Dr. Nansen ist, wie der „Nat.⸗Z.“ mitgetheilt wird, ihrer Verwirklichung einen Schritt näher⸗ geführt, indem das dazu bestimmte eigenthümlich construirte Schiff „Fram“ glücklich vom Stapel gelaufen ist. Zu Anfang des kom⸗ menden Sommers will Nansen in See gehen. Inzwischen hat er seinen ersten Plan, von der Bering⸗Straße aus die vorausgesetzte 18 strömung auf Grönland hin zu erreichen, aufgegeben. Er will nun⸗ mehr durch das Karische Meer die Nordspitze Asiens beim Cap Tscheljuskin ansegeln, dann von der Lena⸗Mündung aus die Westküste der neusibirischen Inseln erreichen und von dort in die vermuthete, nach Osten gerichtete Polarströmung eindringen. Mit dieser gedenkt er sich, nöthigenfalls im Eise eingeschlossen, auf Nord⸗Grönland treiben zu lassen.

Verkehrs⸗Anstalten.

Die Königliche Eisenbahn⸗Direction Berlin theilt

mit, daß infolge der Einstellung der Nachtverbindung von und nach Kopenhagen auf der Strecke Warnemünde —Gjedser die Schnellzüge 917, Berlin ab 10 Uhr 20 Minuten Nachmittags, und 918, Berlin an 7 Uhr 14 Minuten Vormittags, von heute ab ausfallen.

Triest, 9. Januar. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Helios“ ist, von Konstantinopel kommend, gestern Mittag hier

eingetroffen.

Theater und Mufik. Kroll's Theater.

„»Oberst Lumpus“, eine komische Oper in einem Act (nach einer historischen Anekdote), zu der Text und Musik von Theobald Rehbaum herrühren, fand gestern Abend bei ihrer ersten, recht gelungenen Aufführung eine sehr freundliche Aufnahme. Oberst Lumpus ist eine Gestalt aus Grimmelshausen's Roman „Der selt⸗ same Springinsfeld“, die Herr Rehbaum etwas verfeinert und in eine zierliche Liebesgeschichte verwickelt hat. Der durch ein Fäßchen Goldes reich gewordene Deserteur streut als Oberst Lumpus das Geld mit vollen Händen aus; den General Holtz, seinen Herrn, verpflichtet er sich durch ein kostbares Geschenk; zu guterletzt erwürfelt er sich die Freiheit und das Leben, das er von nun an der klugen Gundel weiht, die ihm in der Gefahr treu zur Seite stand. Dies Soldatenstückchen hat der Componist mit einer angenehmen Musik umschrieben, die zumeist kriegerisch im Ausdruck und marsch⸗ mäßig im Zeitmaß gehalten ist. Der Tondichter zeigt, wie schon in älteren Arbeiten, eine reiche melodische Erfindung, und seine Weisen fließen gefällig und anmuthig, wie⸗ auch -seine Behandlung des orchestralen Theils sich sonst immer in der Sphäre des Harmonischen bewegt und inhaltlich frohsinnige Stimmung bevorzugt. Hervorzuheben ist im besonderen ein Zerliches Duett „Laß uns denn ein trautes Nestchen bauen“ dessen Melodie bereits in der Ouverture verwandt ist und im Schlußchor wiederkehrt. Die Darsteller, besonders Fräulein Islar (Gundel) und Herr Wilhelm Meyer (Oberst Lumpus), sangen sauber und glatt und spielten mit Schelmerei und Munterkeit. Ddie reizende Operette „Fritzchen und Lieschen“ von Poly Henrion, zu der Offenbach die Musik geschrieben hat, ging voran und wurde von den Damen Wenzel und Pazofsky frisch und ge⸗ fällig vorgetragen.

1“ Thomas⸗Theater.

Nachdem die ‚Münchener“ die Residenz verlassen haben, um vor der Rückkehr in ihre Heimath in andern nordischen Städten Gast⸗ spiele zu geben, ist in das verwaiste Haus für kurze Bett eine andere Gesellschaft kingelogen. die gestern Abend ihre erste Vorstellung gab. Die Hauptgabe dieser Aufführung bildete die phantastische Pantomime „Das Märchen von der blauen Grotte“, das, an eine Sage über die blaue Grotte auf der Insel Capri anknüpfend, in zwei an Abwechslung reichen Bildern hübsch gruppirte Tänze bringt, bei denen das ganze Balletcorps ohne daß man den kunstvollen Mechanismus bemerkt, zeitweise hoch in der Luft schwebt. Besonders war es die hier schon bekannte Fliegende Fee“ Preciosa Grigolatis, die durch die anmuthige und geschickte Art bei Ausübung ihrer Kunst ungetheilte Be⸗ wunderung fand. Die geschmackvollen Decorationen trugen nicht dazu bei, den guten Eindruck des Tanzdivertissements zu erhoͤhen.

Dem Ballet voran ging der einactige Schwank „Othello s Erfolg“ von E. A. Lutze, worin Herrn Lenau Gelegenheit gegeben wurde, sich dem hiesigen Publikum als ein recht begabter Komiker vorzustellen. Eingeleitet wurde der Abend durch das in Berlin schon häufig gesehene Alpenbild „Das Versprechen hinterm Herd“ von Baumann, das, von Fräulein Berg und den Herren Kunz und Lenau flott gespielt, den lebhaftesten Heifanl fand.

Philharmonie.

Das sechste Philharmonische Concert fand gestern unter Leitung des Kapellmeisters Herrn Felir Mottl aus Karlsruhe statt, der für den noch erkrankten Herrn Hans von Bülow eingetreten war. Haydn's militärische Symphonie, eine der bekanntesten unter den so⸗ genannten „Londoner Symphonien“, deren Bezeichnung durch die häufige Verwendung der Schlagwerkzeuge gerechtfertigt er⸗ scheint, eröffnete das Concert. Es folgte hierauf das zweite Klavier⸗Concert von Eugen d'Albert, vorgetragen von seiner Gattin Teresa Carreso⸗d'Albert. Die vier Abtheilungen dieses Werkes sind in einen größeren Satz zusammengefaßt die Themata bestehen theils aus energischen kurzrhythmischen, theils aus figurativ gestalteten langtaktigen Tongruppen, die, auf⸗ und nieder⸗ schwebend, abwechselnd vom Orchester und dem Solo⸗ instrument vorgetragen werden. Zwischen diesen beiden Hauptmotiven des sehr originellen und geschi durchgeführten Concerts erscheint noch eine sehr melodiös erfundene Cantilene, nach welcher die ersten Themata, in veränderter Form wiederkehrend, den Abschluß bilden. Die berühmte Virtuosin, bereits bei ihrem Erscheinen mit Enthusias⸗ mus begrüßt, spielte unter Leitung ihres Gemahls dies Werk in so vollendeter Weise, daß der Beifall kein Ende nehmen wollte. Die Ouverture zu „Tannhäuser“ in der von R. Wagner später eingerichteten Erweiterung folgte dem Klavier⸗Concert und wurde leich der großen C-dur-Symphonie Beethoven'’s unter der ruhigen und dee Leitun des Herrn Mottl von dem Orchester ganz vortrefflich ausgeführt. Mit sehr lebhaftem Beifall und Hervorruf des Dirigenten von Seiten des außerordentlich zahlreich erschienenen Publikums wurde der Abend beschlossen.

Die General⸗Intendantur der Königlichen Schauspiole macht bekannt, daß Meldungen um Zuschauerbillets für den III. Rang zu dem am 8. Februar stattfindenden Subscriptionsball bereits so zahlreich eingegangen sind, daß davon nur em kleiner Theil wird bewilligt werden können. Meldungen, die nach dem 10. Januar ein⸗ gehen, können unter keinen Umständen mehr berücksichtigt werden.

Am Donnerstag geht im Königlichen Opernhaufe die mythologische Tanzdichtung „Prometheus“ in Scene. Darauf folgt „Bajazzi“ mit Frau Herzog und den Herren Sylva. Bulß, Philipp und Fränkel. Das Werk, welches auch am Sonnabend in Gemeine⸗ schaft mit „Djamileh“ zur Aufführung kommt, muß für die näcksste Woche wegen eines Urlaubs der Frau Herzog vom Spielplan ab⸗ gesetzt werden. Am Freitag findet, wie schon gemeldet, die erste Auf⸗ führung der Oper „Die Here von Enna’ statt.

Im Wallner⸗Theater wird morgen Oscar Blumenthalls Lustspiel „Der Probepfeil“ zum ersten Mal mit den Gästen des Lessing⸗Theaters zur Darstellung gelangen. Die Posse „Der Stolz der Familie“ von Carl Laufs wird abwechselnd mit dem „Probepfril.- den Spielplan der Woche ausfüllen.

„Der Probepfeil“, der morgen im Wallner⸗Theater zur ersten Aufführung kommt, wird zunächst in ununterbrochener Folge wiederholt werden. Den Baron von der Egge srielt Carl Waldom, den Krasinski Franz Schönfeld, den Rittmeister Albert Eckert, den Grafen Dohnegg Gustav Kober, den Hellmuth Herr Prechtler und den Professor Spitzmüller Ernst Horn. Die Baronin Hortense wird von Seraphine Detschy, die Comtesse Beate von Frida Wagen dar⸗ gestellt werden.

Der Director des Friedrich Wilhelmstädtischen Theaters

Herr Fritzsche hat sich nach Wien begeben, um der ersten Aufführung der Strauß'schen Operette „Fürstin Ninetta“, die, wie bereits ge⸗ meldet, hier am Mittwoch, I8. Januar, erstmalig in Scene gehen soll, beizuwohnen. 1

Der Director des Residenz⸗Theaters Herr Lautenbung hat bei seinem Aufenthalt in Wien das Drama „Laveu“ angekauft, das von Sarah Bernhardt verfaßt ist und bei dem diesjährigen Gastspiel der bekannten Tragödin in Wien einen bedeutenden Erfolg errungen hat.

Frl. Louise Heymann wird bei ihrem morgigen ersten Auftneten⸗ im Kroll'’schen Theater als Rosine in Rossint's „Barbier”“ die „Proch'schen Variationen“ und die Arie aus der Oper „La perie dh Brésil“ von F. David als Einlagen vortragen. Die Auffuhrung von Erik Mever⸗Helmund's komischer Oper „Margitta“ (Tert vom Rudolf Bunge und Julius Freund) findet am Donnerstag statte

Mannigfaltiges.

Den Gedächtnißtag des Heimgangs weiland Ihrer Mazestät der Kaiserin und Königin Augusta feierte, wie die „R. Pr. n berichtet,

die Kaiserin⸗Augusta Stiftung zu Charlottenkung durch

einen Gottesdienst in ihrer Kapelle, bei dem der Pasten üep die