tische That. Wiederholt hat er die wissenschaftliche Forschung seine Jugendliebe genannt, den Gegenstand seiner Neigung und Beanlagung. Die Mähnner der Technik, in deren Auftrage ich hier spreche, wissen, daß es nicht ihr Beruf ist, den wissenschaftlichen Forscher zu wür⸗ digen, sie wollen nicht darüber richten, welche von den beiden Rich⸗ tungen das größere Recht hat, Werner von Siemens für sich in An⸗ pruch zu nehmen; sie feiern heute den Mann der technischen That. Jede
hat ist die Anwendung des individuellen Willens auf die vorhandene Welt. Die Welt, das Product ahe in steter Fluction befindlicher Faktoren liegt da, ein lohnendes Arbeitsfeld für Jeden, der sie zu carbeiten versteht. Aber nur wenige gottbegnadete Menschen sind berufen, zur rechten Zeit zu erlernen, welche Frucht im gegebenen Augenblick dem Felde abzugewinnen ist und dieser Erkénntniß gemäß an der rechten Stelle und mit rechtem Entschluß dier Frucht zu brechen. Werner von Siemens gehörte zu diesen gott⸗ begnadeten Menschen.’ In geistvoller Weise unternahm es nun der Reduer, die technischen Thaten des Gefeierten in ihrem ursächlichen Zusammenhange mit dem Boden dar⸗ zustellen, auf dem sie vollbracht wurden. Er schilderte, wie der siebenzehnjährige Hannoveraner preußischer Unterthan wurde und damit die Grundlage aller Weiterentwickelung legte, wie er in der Artillerie⸗ und Ingenieurschule in die Wissenschaft weiter eingeführt wurde. Als Siemens in das praktische Leben eintrat, war die elektrische Kraft für die Technik kaum nutzbar gemacht, erst er war berufen dies zu thun, im richtigen Augenblick mit klarem Verständniß und energischem Willen. Die Muße, die ihm eine Festungshaft in Magde⸗ burg gab, benutzte er zu einem erfolgreichen Versuche, Gold aus einer unterschwefligsauren Lösung niederzuschlagen. Diese galpanische Ver⸗ goldung wurde 1842 der Gegenstand seines ersten preußischen Patents. Das Interesse seiner Waffe brachte ihn zur Benutzung des elektrischen Funkens zur Messung der Geschwindigkeit fliegender Geschosse. Der Redner schilderte sodann eingehend das, was Siemens gethan, um die praktische Einführung der elektrischen Telegraphie zu ermöglichen. Es gelang ihm, den ersten unvollkommenen Apparat, die Erfindung eines Engländers, durch Einführung der Selbstunterbrechung nach vollendetem Hub zu einer selbstthätig wirken ⸗ den Maschine und dadurch praktisch nutzbar zu machen. 1847 legte er, nachdem er durch Anwendung des Guttapercha eine geeignete Iso⸗ lation gefunden, die erste längere unterirdische Leitung von Berlin bis Großbeeren; das Jahr 1848 rief auf zur Benutzung der elektrischen Kraft für Zwecke des Krieges. Im Hafen von Kiel legte Siemens die ersten unterirdischen Minen mit elektrischem Zünder, die zwar nicht in Thätigkeit traten, aber ihre Wirkung doch nicht verfehlten. In einer kleiner Abschweifung gedachte der Redner beiläufig noch zweier militärischen Thaten Siemens, der Besetzung der kleinen Festung Friedrichsort und der erfolgreichen Anlegung zweier Vatterien bei Eckernförde. Die Folge der politischen Er⸗ eignisse war sodann die Herstellung der telegraphischen Verbindung zwischen Berlin und Frankfurt, es folgte der Bau der Linie Berlin⸗ Köln⸗Verviers, dann nahm der junge Offizier seinen Abschied, um sich ganz der Technik zu widmen. Der Redner schilderte nun eingehend die Weiterentwickelung der Telegraphie und wandte sich dann der Thätigkeit Siemens; zu, die der Benutzung der Elektricität zur Erzeugung großer Arbeitskräfte, der Starkstromtechnik, gewidmet war. „Schwer hat Siemens arbeiten müssen, um seine Erfindungsgedanken in die Wirklichkeit zu übersetzen. In einem solchen schweren Kampfe reicht das Genie nicht aus, der Charakter muß eintreten. Aus der Büste über mir spricht der Charakter, Fetigeg des Willens und Güte des Herzens“, darauf baute sich auch die Eigenschaft, welche durch alle Mühsale des Weges zum Ziele führte, „die Pflichttreue“. Diese Pflichttreue hat zu seinem Welt⸗ ruhm nicht weniger beigetragen als sein erfinderisches Genie. Ein durch und durch deutscher Mann hat Werner von Siemens mit seinen Mitarbeitern, denen gegenüber er seine Pflichttreue ganz be⸗ sonders bewährte, den Ruhm deutschen Geistes über die ganze Erde getragen. Das von ihm selbst so genannte naturwissenschaftliche Zeit⸗ alter hat er mit begründet und in seiner Entwickelung mächtig ge⸗ fördert. Die Stellung aber, welche er in seinem geliebten Vater⸗
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Kopenhagen. 760 1
Stockholm . 766 2 heiter In aranda . 774 still heiter 8 F .. 762 1 Schnee
Cork, Queens⸗ Cherbourg. 765 P11ö66 I1P11666““ amburg. . 759 winemünde 761. Neufahrwasser 762 Nemel ... 764 b3Z 766 Rünster .. 763 Karlsruhe. 765 Wiesbaden 765 München .. 761 Breslau . .. 765 022 858 765 nge⸗ 88 11 halb berd. 4
2) Nachts Schnee. ²) Nachts Schnee. ²) Nachts ee. früh Schnec. ⁴) Vormittags, Nachts Schnee. 1 Uebersicht der Witterung. Ein ziemlich tiefes barometrisches Minimum liegt bei den Shetlands, Ausläufer nach der westdeutschen Küste und nach der Kanalgegend entsendend; baro⸗ metrische Maxima lagern über West⸗ und Nord⸗
+
der Natur.
Scene
5Regen 5 bedeckt 0 2 bedeckti) — 6 3 bedeckt⸗) — 8 4 Schnee) — 12 b 1 bedeckt — 11 liche Tage. 2wolkenlos — 26 Mittwoch: weilt.
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fe⸗, 7 ½ Uhr.
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ebhafte südwestliche Winde mit starkem Schneefall.
Ven PFrigen Deutschland ist das Wetter ruhig, vor⸗ wiegend trübe und im Süden viel kälter. Während auf Helgoland die Temperatur beim Gefrierpunkte liegt, nimmt die Wärme nach Osten und insbesondere nach Süden hin rasch ab. Memel meldet 26, Chemnißz⸗ 23, München 24, Bamberg 25 Grad unter Null. Der Schneefall scheint sich weiter ostwärts und südostwärts auszubreiten, womit Schneever⸗ wehungen verbunden sein dürften.
Dienstag: in 4 Acten na
Theater⸗Anzeigen. Königliche Schauspiele. Dienstag: Opern⸗
haus. 16. Vorstellung. Die Hexe. Oper in 3 Acten von August Enna. Tert nach Arthur Fitger’s
Strauß.
burg.
land einnahm, zeigt eindringlicher,
Drama „Die Hexe“, übersetzt von Mary von eees Deutsch von Max Schönau. M 8. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. Schauspielhaus. 17. Vorstellung. Was ihr wollt. Lustspiel in 4 Aufzügen von Shakespeare, nach Schlegel's Uebersetzung. In Scene gesetzt von Ober⸗ Regisseur Max Grube. 8 Mittwoch: Opernhaus. 17. Vorstellung. Bastien und Bastienne. gang Amadeus Mozart. dapellm Sucher. — Der Wildschütz, oder: Die Stimme Komische Oper in 3 Acten, frei nach — August von Kotzebuc. gesetzt vom Dirigent: Kapellmeister Sucher. — Schauspielhaus. Des anere und der Liebe Wellen. de spiel in 5 Aufzügen von Franz Grillparzer. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube
Anfang 7 Uhr. 5 Die Welt, in der man sich lang⸗
Donnerstag: Zwei glückliche Tage. 1 Aufführung von „Das Käthchen von Heilbronn“ findet am Freitag statt. zast.) Segensh Mittwoch: Dieselbe Vorstellung⸗ Herliner Theater. Dienstag: Dora. An⸗ 8 3
Theater Unter den Linden.
Schli 2 3 3. * 1 de Erben. Schlimme Saat. Zum 3. Male: Lachen bsnit 8 der Inscenirt durch den artist. Leiter Ed. ¹
Binder. “ A. Ferron. Die neuem Programm und Ein Künstlerfest. militär. Evolutionen im 3. Act arrangirt von L. Vollständig neue Ausstattung an Deco⸗ rationen und Kostümen. — Hierzu: 9 Sürs. H. Regel.
heil von Jos. Haß⸗
Mittwoch: Richard III. Donnerstag: Neu einstudirt:
Lessing-Theater. Di
ittwoch: Heimath. 84 Donnerstag: Zum 1. Male: Banmeister Solneß.
Wallner-Theater. Dienstag⸗ Anfang 7 ½ Uhr.
8 , an 1 ittwoch: Der Probepfeil. Europa. Im nordwestdeutschen Küstengebiet vehn b Die Grofstadtluft.
friedrich -Wilhelmstüdtisches Theater.
Pariser Leben. 8 ch dem Französischen des Meilhac und
Halévy, von Carl Treumann. Hefenbach Dirigent: Herr Kapellmeister Federmann.
tsche Seewarte um 1. Male mit neuer Ausstattung: G Deu sche E1“ Fürfhin Nineita. Operette in 3 Acten von Hugo Dienstag: Gesammt⸗Gastspiel des Wiener En⸗ semble unter Leitung des Direct
Anfang 7 Uhr. Mittwoch: Z
jittmann und Julius Bauer. Anfang 7 Uhr.
Nesidenz-Theuter. Dirertion: Sigmund Lauten⸗ Dienstag: Zum 26. Male: Biqnet. Schwank in 3 Acten von Alex ndre;
8
als Worte es vermögen, die heutige Feier. Wir wissen, daß die Lücke, welche sein Scheiden gerissen hat, nicht ausgefüllt werden wird, aber wir wissen auch, daß er uns eine Erbschaft hinterlassen hat, welche noch künftigen Ge⸗ schlechtern zum Segen gereichen wird. So darf ich mit dem Dichter⸗ worte schließen: „Er glänzt uns vor, wie ein Komet verschwindend, Unendlich Licht mit seinem Licht verbindend.“ — Nach einem kurzen Moment wehmuthsvoller Stille begann der Domchor A. Becker’s Ostermotette, nach der ein Orgelpräludium in Es-dur von Seb. Bach die Feier beendete.
Die neunte ordentliche Jahresversammlung der Missions⸗ conferenz für die Provinz Brandenburg wird am 30. und 31. d. M. im Evangelischen Vereinshause zu Berlin, Oranienstr. 106, stattfinden. Die Geistlichen der Provinz sowie sonstige Missions⸗ freunde sind zu den Versammlungen eingeladen. Auch Damen haben Zutritt. Programme sind für die Geistlichen der Pro⸗ vinz den Herren Superintendenten zugegangen, können außerdem aber auch von dem Schriftführer der Conferenz Oberpfarrer von Cölln zu Brück (Mark) bezogen werden.
Ueber Schneefall und Kälte, sowie über dadurch herbeigeführte Verkehrsstörungen sind heute folgende weitere Nachrichten ein⸗ mnitz, 14. Januar. Infolge des Schneetreibens sind, wie „D. B. H.“ meldet, heute Morgen zwei Bahnbeamte auf dem hiesigen Bahnhof überfahren und dabei schwer verwundet.
Braunschweig, 14. Januar. Wegen starken Schneetreibens haben seit gestern Abend fast alle Züge große Verspätung. Der Personenzug Berlin — Magdeburg, der Nachts 12 ½⅞ ÜUhr hier eintreffen soll, verspätete sich um drei Stunden. Bei Gleidingen blieb ein Güterzug zwei Stunden im Schnee stecken. b
„Cassel, 14. Januar. Der Pr. Z.“ wird telegraphirt: Hier herrscht starker Schneesturm, heftiges Schneetreiben. Sämmtliche Eisenbahnzüge haben große Verspätungen. Der Pferdebahn⸗ verkehr ist eingestellt. 1 b “ 14. Januar. Der Berliner S chnellzug ist heute Vormittag in der Oberpfalz infolge heftigen Schneesturms stecken geblieben. Ueberhaupt erleidet der gesammte Verkehr starke Verspätungen. 1 “ G
14. Januar. Die Schiffsbrücke bei Maxrau (vergl. Nr. 12 d. Bl.) ist wieder aufgefahren, der diesseitige Verkehr mit der Rheinpfalz damit wieder hergestellt. Die Eisenbahn⸗ Schiffsbrücke bei Speyer ist nach einer Meldung der „Köln. 3. wegen Eisgangs abgeführt. Die Züge Heidelberg — Speyer verkehren nur zwischen Heidelberg⸗Altlußheim. 1 “
Metz, 15. Januar. Auch hier sind große Schneemassen nieder⸗ gegangen. Die Züge aus Frankreich treffen mit großen Verspätungen 8 Werschau 14. Januar. Wegen Schneeverwehungen ist, wie der „Voss. Ztge telegraphirt wird, der Bah nverkehr Warschau- Berlin unterbrochen. 116““ 1“ — 8 14. Januar. Der hiesige Hafen ist heute für die Schiffahrt gesperrt. Temperatur: 15 Grad unter Null. 1
Madrid, 16. Januar. Aus Andalusien werden dem „H. T. B.“ Schneestürme gemeldet, die allen Verkehr hemmen.
Hamburg, 14. Januar. Die vierzehnte Delegirten⸗ versammlung deutscher Seestädte, die heute hier zusammen⸗ trat, wurde, wie „W. T. B.“ meldet, von dem Präsidenten der Handelskammer Crasemann eröffnet und begrüßt. Vertreten sind Altona, Brake, Bremen, Danzig, Emden, Flensburg, Geeste⸗
ünde, Harburg, Ki önigsberg i. Pr., Lübeck, Rostock durch münde, Harburg, Kiel, Königsberg i. Pr., Ro 8 32 Delegirte. Zur Berathung standen: Die Maß⸗ regeln wegen der gesundheitspolizeilichen Controle der in deutschen Häfen anlaufenden Schiffe. Zum Vorsitzenden wurde Crasemann gewählt. Waechter⸗Stettin empfahl, die von der Stettiner Handelskammer ausgearbeiteten Resolutionen als Grundlage der Be⸗
Tetzlaff. Sißmund Lautenburg. Anfang 7 Uhr. ”
— Vor dem Tode. Von Kroll's Theater.
Fräulein Louise Heymann. (Amine: Frl. Louise Heymann.)
Anfang 7 Uhr.
Singspiel in 1 Act von Wolf⸗ Dirigent: Kapellmeister
Musik von Albert Lortzing. Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Anfang 7 Uhr.
Neu einstudirt: Trauer⸗
Victoria-Theater.
18. Vorstellung. stattungsstück mit Ba
ebillemont und C. A. Raida.
Welt in achtzig Tagen.
Deutsches Theater. Dienstag: Zwei glück⸗ 8e.e 8 1 Neues Theater (am Schiffbauerdamm 4/5). Die Lore. (Frau Hachmann⸗ Zipser als Gast.) — erae. et. iel in 3 Aufzügen von Meilhac und Halévy. (Frar spiel in 3 Aufzügen 3
Dienstag: Zum 6. Male: in 1 Act von O. L. Hartleben.
Hachmann⸗Zipser als Gast.)
3 Acten von Horst und Stein.
inberger. ag: Heimath. An⸗ Weinberg
Gundlach. Insel. Ballet in 1 Act von
Der Probe⸗ “ Gundlach.
Adolph Ernst⸗Theater.
3 Acten von
or Chausseestraße 25. Couplets theilweise
Komische Operette
Musik von Jacques Anfang 7 ½ Uhr.
Musik von Johann
Graselli. Die Gigerlu von
amilie Pont⸗ 8 Visso In Vorbereitun
“
In Scene gesetzt von
ee. Uhr.
Mittwoch: Familie Pout⸗Biquet. .
In Vorbereitung: Glänbiger. — Herbstzeichen. August Strindberg.
Dienstag:
Die Nachtwandlerin. Anfang 7 Uhr. Dud Mittwoch: Concert der K. K. österr. Kammer⸗ “ sängerin Frau Friedrich⸗Materna. Leufel“ von Mevyerbeer.
Belle⸗A Dienstag: Mit neuer Ausstattung: Die Reise qum die Welt in achtzig Tagen. Großes Aus⸗
et in 5 Acten von A. d'Ennery und Jules Verne. irt vom Balletmeister C. Severini. M Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch und folgende Tage: Die Reise um die
von R. vE 2. 8 eiter. Inscenirt durch den Balletm 8 (Sensationeller Erfolg.) Anfang 7 ½ Uhr.
24. Male: Modernes Babylon. Gesan sposse in F.n—n Ed. Jacobson und W. Mh von G. Görß. G. Steffens. In Scene gesetzt von Adolph Ernst.
Mittwoch: Dieselbe Vorstelung.
Thomas-Theater. Alte Jakob
ors Franz Josef Mefn. mit Gesang in 4 Acten von J. Wimmer. von Carl 52 daesh⸗ 87⁄ Mittwoch: Dieselbe Vorste 1 22 9: Der Distanzritt.
rathung anzunehmen. Ruperti⸗Hamburg schlägt vor, dem Antrag Hamburgs auf Annahme der in England geltenden Vorschriften für die Quarantäne, die sich in jeder Beziehung als ausreichend erwiesen hätten, beizustimmen. Alsdann wurde beschlossen, die Verordnung vom 11. Juli 1883 paragraphenweise und darauf den Stettiner und den Hamburger Antrag durchzubecathen.
Interlaken, 12. Januar. Oberhalb Därligen ist ein Stüch der Bödeli⸗Eisenbahn in dem Thunersee versunken. Dem „Bund“ wird darüber folgendes nähere berichtet: Johann Dietrich, Sohn des Bahnwächters Dietrich in Därligen, befand ich am Montag Abend ungefähr um 6 Uhr auf der Straße Därligen —Interlaken ; un⸗ gefähr 500 m oberhalb der Bahnstation hörte er ein eigen⸗ khümliches starkes Krachen und beobachtete, da gerade oberhalb der 15 m langen Bahnbrücke über eine Bucht des Thunersees, an einer Stelle, von der es heißt, man wisse nicht, wie tief dort der See sei, ein Stück der Bahnlinie von ungefähr 20 m in dem See versank. Wissend, daß im Augenblick ein Bahnzug von Interlaken unterwegs sein mußte, sprang der Sohn Dietrich schnell entschlossen zurück in das Bahnwärterhäuschen seines Vaters, nahm dort die Signallaterne, eilte damit längs der versunkenen Bahnstelle und kam gerade noch frühzeitig genug, um den heranfahrenden Zug anzuhalten. Fünf Per⸗ sonen Fahrpersonal und ein Ingenieur, der zufällig der einzige Reisende war, verdanken der Geistesgegenwart und raschen Entschlossenheit des wackeren jungen Mannes ihr Leben und die Bahngesellschaft die Ver⸗ hütung eines bedeutenden Verlustes, denn ohne das rasche Handeln des jungen Dietrich wäre der ganze Bahnzug in den See gestürzt. Das Versinken dieses Bahnstücks in den See wird dem Umstand zugeschrie⸗ ben, 8 das Ufer vom See stark unterfressen war; der jetzige niedrige Wasserstand habe seinen Einsturz befördert.
Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen.
Gelsenkirchen, 16. Januar. (W. T. B.) Der Vor⸗ sitzende des Bergarbeiter⸗Verbandes Schröder ist heute ver⸗ haftet worden. Paris, 16. Januar. (W. T. B.) Nach einer Meldung des „Gaulois“ hielt der General Loizillon bei der Ueber⸗ nahme des Kriegs⸗Ministeriums in Anwesenheit mehrerer Generale, unter denen sich auch der General de Miribel befand, eine Ansprache, worin er hervorhob, daß er das Portefeuille angenommen habe, weil durch seine Ernennung um Kriegs⸗Minister einem Regime ein Ende gemacht werde, 85 nicht alle erhofften Früchte getragen habe.
Der „Figaro“ veröffentlicht eine ihm von einem Par⸗ lamentarier zugegangene Zuschrift, worin authentisch fest⸗ gestellt wird, daß der Präsident Carnot im Jahre 1886 in der Commission die Erklärung abgegeben habe, daß er in der Kammer den Gesetzentwurf über die Ausgabe von Panamaloosen nicht vertheidigen werde, weil das der Angelegenheit eine Garantie geben hieße, die ihr nicht gegeben werden dürfe. Die Unterschrift Carnor’s unter dem Pghetzentwurf bedeute nur, daß er vom finanziellen Gesichtspunkt aus keinen Einwand zu erheben habe. 1
An Stelle des bisherigen französischen Botschafters in London Waddington soll, wie es heißt, Cambon treten.
Dem „Figaro“ zufolge hätte den russischen Botschafter Baron Mohrenheim am Sonnabend nur ein von fast allen Diplomaten unternommener gemeinsamer Schritt da⸗ von abgehalten, seine sofortige Abberufung zu erbitten.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)
Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde⸗ Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof).
8 Geöffnet von 12—11 Uhr.
Coneerte.
Concert-Haus, Leipzigerstraße 48. Dienstag: Karl Meyder⸗Concert. Anfang 7 Uhr. „Leonore“ von Beethoven. „König ven Pvpetot“ von Adam. Phantasie aus „Robert de 1 „Groß⸗Berlin“, Walzer (neu) von Hille. Phantasie aus „Carmen“ von Bißet. „O cara memoria“ für Cello von Servais (Her⸗ Smit). „The lost chord“ für Piston von Sullivan (Herr Steffens).
Saal Bechstein, Linkstraße 42. Dienstag, Anfang 7 ½ Uk r: II. Kammermnsik⸗ Abend ven Gustav und Ingeborg Exner und Fritz Espen⸗ hahn.
Gastspiel von
Uliancestraße 7/8.
115 Bildern) 8 Ballet arran⸗ Musik von
Circus Renz (Carlstraße.) Dienstag, Abent⸗ 7 ½ Uhr: Große Extra⸗Vorstellung. Aus dem Pre⸗ gramm u. a. hervorzuheben: Mr. James Fillis mir dem Schulpferde ““ SSTZ licher Künstlerspecialitäten ersten Ranges. — 3 Schluß: Ein Künstlerfest. h Große Ausstattungs⸗Pantomime vom Hofballet⸗ meister A. Siems. Mit überraschenden Licht⸗ und Wassereffecten und auf das Glanzwollste inscenin vom Director Fr. Renz. Costume, Wagen, Reout⸗ siten vollständig neu. Unter Mitwirkung des ge⸗ sammten Personals. Ballet von 100 Damen. 9
Mittwoch, Abends 7 ¼ Uhr: Große Vorstellung mit
Plauderei
Dienstag: Operette in
Familien⸗Nachrichten
Verlobt: Frl. Elsa Klein mit Hrn. Bürger⸗ meister Wilhelm Schmidt (Doberan). „„„ Verehelicht: Hr. Rechtsanwalt und Notar — mann mit Frl. Hedwig von Heyking (Danzig
Spandau). “ Geb oren; Ein Sohn: Hrn. Regierunge,1. meister Bertram (Friedenau]. — Eine To sep Hrn. Sanitäte⸗Rath Dr. Richard Schmitz Neuenahr). “ “ Gestorben: Fr. Ober⸗Consistorial Rath und Pr fessor Marie Kleinert, geb. Hofmeier (Berlin
Musik Herrn L. Dienstag: Zum Ban⸗
annstädt. Musik von
Redacteur: Dr. H. Klee, Director. Verlag der Expedition (Scholzz).
cf der Norddeutschen Buchdruckerei und Druc, zeit Berlin 3 Wilhelmstraße N.
Acht Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilase)
Lokalposse Musik
um Deutschen Reichs⸗Anz
z 14.
Erste Beilage
Berlin, Montag, den 16. Januar
eiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
1893.
Deutscher Reichstag. Sitzung vom Sonnabend, 14. Januar, 1 Uhr.
Die Besprechung der Interpellation der Abgg. Auer Singer wird fortgesetzt.
Ueber den ersten Theil der Rede des Abg. Hitze, der zunächst das Wort hat, haben wir bereits in der Sonnabend⸗ Nummer berichtet. Wir fahren in der Berichterstattung fort, indem wir nachstehend über den Schluß der Rede desselben Abgeordneten berichten.
„Abg. Hitze (Centr.): Die Frage der Krisen haben die Auto⸗ ritäten der Socialdemokraten wie Marx einer gründlichen Kritik unterzogen und dadurch der Wissenschaft einen dankenswerthen Bei⸗ trag zur Beurtheilung unserer heutigen Zustände geliefert. Nun ist es aber Zeit, die Wege zu bezeichnen, auf denen wir zur Besserung dieser Zustände gelangen werden. Sie (zu den Socialdemokraten) ver⸗ trösten uns immer auf den Zukunftsstaat, aber Sie sagen nicht, wie Sie es machen wollen. Wenn Sie einen gangbaren Weg zeigen, so werde ich mit voller Objectivität auf die Verfolgung desselben eingehen. Aber mit diesen allgemeinen Redens⸗ arten über die Anarchie der heutigen Production ist es nicht gethan. Sh Sie den von mir gemachten Vorschlag 5 machen Sie
egenvorschläge! Es wird Ihnen nicht gelingen, die Unregelmäßigkeit der Production zu beseitigen, so lange Sie den Consum nicht regeln. Die Consequenz Ihres Grundsatzes wäre, daß, wenn mehr Stiefel producirt, auch mehr getragen werden müßten. Die Gründe des Strikes im Saarrevier 85 der preußische Handels⸗Minister zu⸗ treffend - Sie beruhen einerseits auf einem gewissen Miß⸗ trauen der Arbeiter, welches noch aus dem Jahre 1889 stammt, andererseits haben die Führer den Strike frivol angezettelt, weil sie merkten, daß ihnen der Boden unter den Füßen wankte. Auch hier hat sich die Erfahrung bestätigt, die zu meinem Bedauern überall gemacht wird, daß Arbeiterorganisationen nur gut sind, wenn die richtigen Leute an der Spitze stehen. Aber wenn diese Organisationen von vorne herein den Charakter des Kampfes tragen, dann werden immer Hetzer an die Spitze treten. Die socialdemokratische Partei lehnt jede Solidarität mit den Führern im Saarrevier ab. Warken ist aber zweifellos ein Socialdemokrat. Ich bedauere, daß die Frage, ob der Strike berechtigt war oder nicht, hier erörtert worden ist. Ich halte es nicht für förderlich, wenn sozusagen nach Ausbruch des Krieges von Seiten der Socialdemokraten die Lage des Arbeiterstandes in einer Weise geschildert wird, welche die Aufregung in jenen Kreisen noch erhöht. Andererseits halte ich es nicht für richtig, wenn eine vermehrte Energie gegen die Arbeiter gefordert wird. Wenn die Verhältnisse ruhiger geworden sind, dann ist es Zeit, zu streiten, wer Recht und Unrecht atte. Der preußische Handels⸗Minister steht auch heute noch auf dem Standpunkt der Nothwendigkeit eines Befähigungsnachweises für die Bergarbeiter, und ich stimme ihm darin zu. Der Bergarbeiter muß sechs Jahre als Schlepper arbeiten, zwei Jahre als Lehrhäuer — nicht drei das hat man den Arbeiterausschüssen concedirt. Abg. Auer sprach die Befürchtung aus, daß durch diese Einrichtung der Lehrhäuer der Lohn in seinem Durchschnittswerth gekürzt werden könnte. Ich glaube aber nicht, daß die Staatsregierung diese Absicht hat. Daß gerade dieser Punkt den Anlaß zum Strike bildete, bestätigt, daß derselbe von den jugendlichen Arbeitern hervorgerufen wurde, denn die älteren können unmöglich gegen eine solche Einrichtung sein. Der Strike ist insofern ein frivoler, als die Führer sich Frivolität haben zu schulden kommen lassen. Aber die ihnen gefolgt sind, sind mehr zu bedauern als anzuklagen. Die Furcht vor Gewaltmitteln hat auch viele ruhige und besonnene Leute in den Strike getrieben. Es ist ungemein schwierig, hier zu unterscheiden. Ich möchte daher den preußischen Handels⸗Minister bitten, dahin zu wirken, daß die Behörden sich nicht zu Unüberlegtheiten hinreißen lassen. Wenn die Leute zur Arbeit zurückkehren in dem Bewußtsein, daß sie nur in Güte etwas ausrichten können, dann soll die Staatsregierung volle Nachsicht walten lassen und nach einem gemessenen Zwischenraum in eine ernste Prüfung der Frage eintreten, wie weit den Ansprüchen der Arbeiter entgegengekommen werden kann. “ 8
Abg. von Kardorff (Rp.): Die Arbeitslosigkeit, wie sie jetzt in den Fabrikdistricten zu Tage tritt, ist großentheils eine Folge der Entvölkerung des platten Landes. Der Strom der Landbewohner hat sich in die Städte ergossen, und daran sind Sie (Centrum) mit schuld, denn Sie haben mit dem Freisinn zusammen die Regierung auf die wirthschaftliche Bahn gebracht, welche das platte Land zur Ver⸗ armung und Entvölkerung brachte. Sie haben die Regierung mit gedrängt, die Grenzsperre gegen Rußland und Oesterreich aufzuheben, zum Schaden der deutschen Viehproduction; denn seitdem ist Deutsch⸗ land von der Maul⸗ und Klauenseuche so durchseucht, daß der Ver⸗ lust der deutschen Landwirthschaft auf 40 Millionen eher zu niedrig als zu hoch angeschlagen wird. Hoffentlich bringt das neue Vieh⸗ seuchengesez eine Remedur. Zweitens haben Sie die Regie⸗ rung auf den Weg gedrängt, das amerikanische Schweinefleisch zu⸗ ulassen, obwohl dasselbe in Amerika durchaus nicht mit der Sorg⸗ falt untersucht wird, wie es bei uns zur großen Unbequemlichkeit der Bevölkerung geschieht. Sie haben ferner im Verein mit dem Freisinn und einem Theil der Nationalliberalen die Regierung gedrängt, die Rübenzucker⸗Exportprämie aufzuheben, wodurch die deutsche Industrie ihre dominirende Stellung auf dem Weltmarkt an Frankreich verloren hat, welches im Besitz einer dreimal so großen Exportprämie sehr leicht uns selbst mit raffinirtem Zucker überschwemmen kann. Dazu kommen dann noch die Handelsverträge. Die Getreidezölle sind auf die Hälfte dessen herabgesetzt worden, was die Regierung ursprünglich vorgeschlagen hatte. Infolge dessen ist die deutsche Landwirthschaft in diesem Jahre trotz der guten Ernte großentheils in einer sehr trüben Lage, denn die egenwärtigen Preise stehen unterhalb der Productionskosten. fene drängen Sie die Regierung noch heute auf den Weg hin, die Brennereisteuer zu ändern. Drücken Sie Ihre Ab⸗ werden der Kartoffelbau und die Brennerei noch weiter zurückgehen, das platte Land wird entvölkert wer⸗ den, die städtische Bevölkerung zunehmen, und Sie werden dann eine Arbeitslosigkeit und eine Noth im Lande erleben, wie wir sie gegenwärtig noch nicht haben. Ich fürchte allerdings, daß wir mit allen den Maßregeln gegen die Landwirthschaft noch lange nicht am letzten Ende angekommen sind, denn man liest wieder in der offiziösen Presse von den Fortschritten der Handelsvertrags⸗ verhandlungen mit Rußland. Der Abg. Liebknecht hat auch die Währungsfrage berührt, und ich kann bei dieser Gelegenheit auf eine neuliche Aeußerung des Abg. Bebel erwidern. Er hat mir Marx als Autorität bezeichnet. Der Abg. Bebel wird mir zugeben müssen, daß es etwas hart ist, wenn er uns zumuthet, einen Mann, dessen Doctrinen auf der atheistischen, pessimistischen und materialistischen Weltanschauung beruhen, als Autorität anzuerkennen. Herr Marx ist ein origineller scharfer Denker und ehrlicher Forscher, obwohl seine Anschauungen auf Trug⸗ schlüssen beruhen. Aber in der Währungsfrage macht er wohl selber auf Originalität keinen Anspruch; er betet lediglich nach, was die manchesterliche Lehre seit Jahren gelehrt hat. Die Währungsfrage ist eine sehr neue Wissenschaft, gie existirt erst seit 20 Jahren. Es ist das Unglück, daß alle die Herren, welche gegenwärtig in leitenden Stellungen sind, auf den Universitäten nur die manchester⸗ lichen Doctrinen gehört haben. Heute wird die wissenschaft⸗
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liche Freihandelstheorie nicht mehr allein vorgetragen, und das Manchesterthum hat nur noch wenig bedeutende Vertreter. Wenn der Abg. Dr. Bamberger und andere mit großer Siegesgewißheit die Währungsfrage eigentlich als überflüssig bezeichnen, so erinnere ich daran, wie sie in demselben siegesgewissen Ton die Freihandelstheorie vertraten, kurze Ie. bevor der Freihandel mit seinen Ruinen das Land bedeckte. Ich rechne auch in der Währungsfrage mit positiver Sicherheit auf einen Umschlag. Wenn einmal eine Wahrheit gefunden ist, so geht sie der Menschheit niemals verloren. Der Reichskanzler hat neulich seine Verwunderung ausgesprochen, daß ich die Militär⸗ vorlage mit der Währungsfrage in Zusammenhang brachte. Die Währungsfrage übt ihren Eingluß aus auf die Landwirthschaft, und darum ist sie auch eine militärische Zerstörung der Landwirthschaft nale Wehrkraft. Die Socialdemokraten haben den Strike im Saarrevier von ihren Rockschößen abzuschütteln gesucht. Aber wenn sie mit ihren Theorien von Ausbeutung des Arbeiters durch den Kapitalisten, von dem Kampf zwischen Kapital und Arbeit nicht die ganze Welt erschüttert hätten, dann würde dieser Strike nicht gekommen sein. Sie können die Schuld für diesen Strike nicht von sich abwälzen, selbst wenn ein Theil der Strikenden und die Führer nicht Socialdemokraten gewesen sein sollten. Es liegt in der Natur der Socialdemokratie selbst, daß sie gegen ein von allen bedeutenden Forschern anerkanntes Gesetz der Harmonie der Interessen ankämpft. Sie muß dagegen kämpfen, daß es ein entgegengesetztes Interesse zwischen Arbeiter und Arbeitgeber, Producent und Consument, Arbeit und Kapital nicht giebt. Wir haben, um diesen Interessen möglichst gerecht zu werden, das Arbeiterschutzgesetz erlassen. Ich habe meines Theils dagegen gestimmt, weil mir der Schutz der Arbeitgeber ganz ungenügend schien. Der Gang der Ereignisse hat meine damalige Auffassung bestätigt. Um die Harmonie der Interessen herbeizuführen, haben die Arbeiterausschüsse gewiß üute Dienste geleistet, aber der Vorredner hat schon mit Recht etont, daß dies nur geschehen kann, wenn die richtigen Personen an die Spitze gestellt werden. Es hat sich bestätigt, daß diese Arbeiter⸗ ausschüsse den Händen der Socialdemokratie überantwortet sind. So lange das Socialistengesetz bestand, brauchte die Verwaltung kaum ein Bedenken haben, Socialdemokraten zu beschäftigen. Soll die Arbeiter⸗ schutzgesetzgebung richtig functioniren, so müssen wir, ich will nicht sagen, das Socialistengesetz wiederherstellen, aber im gemeinen Fst das Preß⸗, Vereins⸗ und Versammlungsgesetz verschärsen Ich habe sehr bedauert, daß das Socialistengesetz zu Falle kam durch eine Art Mißverständniß. Die Deutschconservativen haben das Gesetz fallen lassen, weil sie glaubten, einem Wunsche des Fürsten von Bismarck zu entsprechen. Ich habe später den Fürsten Bismarck selbst gefragt, und er hat mit einer gewissen Heftigkeit versichert, niemals irgend eine solche Aeußerung gethan zu haben. Die Socialdemokratie ist trotz des ruhigen Verhaltens ihrer Anhänger unendlich gewachsen, und ich fürchte allerdings, die nächsten Wahlen werden den Beweis liefern, daß sie in Kreisen Anklang gefunden hat, wo sie nicht mehr als eine verfehlte, sondern als eine berechtigte politische Partei angesehen wird. Das Gesetz der Harmonie der Interessen existirt wirklich. Wenn der Arbeitgeber von keinem Wohl⸗ wollen gegen seine Arbeiter beseelt wäre, so müßte er sie schon aus Klugheit so gut stellen, wie er es irgend möglich machen kann. Wenn Sie (zu den Socialdemokraten) aber dazu beitragen wollen, Arbeits⸗ losigkeit und Noth von den Arbeitern fern zu halten, dann nehmen Sie der Landwirthschaft gegenüber eine andere Position ein als bisher! Abg. Dr. Hirsch (dfr.): Ich habe dem Gedanken der Harmonie der Interessen stets eine große Sympathie entgegengebracht, der Abg. von Kardorff scheint sie aber dahin zu verstehen, daß die Arbeit⸗ geber die Staatsgewalt benutzen, um jede selbständige Regung der Arbeiter ö daß der Arbeitgeber allein die Rechte, der Arbeiter allein die Pflichten hat. Das ist aber ein großer Irrthum. Es ist noch nicht lange her, daß die Verhältnisse der Bergarbeiter als musterhafte hingestellt wurden, und wo man darauf ausging, diese auf die gesammtsé übrige Arbeiterschaft ev. durch Zwangsmaßregeln zu übertragen; das wurde bekanntlich bei der Unfallversicherung ganz besonders empfohlen. Wie hat sich das doch in wenig Jahren ver⸗ ändert! Nirgends mehr Unzufriedenheit und Verbitterung als in, diesen Kreisen. Die alten patriarchalisch⸗bureaukratischen Ein⸗ richtungen bei den Bergarbeitern sind eben unhaltbar ge⸗ worden, kirchliche und weltliche Autoritäten sind im Nu⸗ beseitigt worden; die Bergleute, unselbständig in ihrem Denken und Handeln, sind die Beute der Führer geworden. Nun empfiehlt man von allen Seiten die größte Strenge und Schärfe gegen die Aus⸗ ständigen. Ich halte diese Vorschläge für verderblich. Ich freue mich, daß der preußische Handels⸗Minister davon nichts wissen will. Unklar ist mir nur, was er über die zukünftige Haltung der Behörden gegen den Rechtsschutzverein gesagt hat. Es schien, als ob er andeuten wollte, daß der Verein durch einen Staats⸗Ministerialbeschluß geschlossen werden sollte. Wenn der Verein sich gegen die Gesetze vergangen hat, wird die Regierung berechtigter Weise dagegen einschreiten; wenn das aber nicht der Fall ist, wird man hoffentlich das Coalitionsrecht nicht durch eine solche Maßregel beein⸗ trächtigen. Zu meinem Erstaunen ist der Abg. von Kardorff soweit ge⸗ gangen, die Wiederherstellung des Coalitionsvernichtungs⸗Paragraphen in der Gewerbenovelle und die Wiederherstellung des Socialistengesetzes oder wenigstens einer ähnlichen allgemeinen Maßregel zu beantragen. Durch sosche Mittel einem freien selbstbewußten deutschen Arbeiter⸗ stand entgegentreten zu wollen, das hieße nur Oel ins Feuer gießen; das würde dahin führen, daß statt jetzt 25 000 demnächst 100 000 Arbeiter in den Strike treten. Ich bestreite durchaus nicht, daß in weiten Kreisen der Bevölkerung Mangel und Noth herrscht haupt⸗ sächlich infolge Verdienst⸗ und Arbeitslosigkeit, aber es ist doch nicht nöthig, noch Uebertreibungen zu machen, wie z. B. die Abgg. Liebknecht und Auer hier Thatsachen und Ziffern anführten, die gar nicht zu⸗ sammenhängen mit der gegenwärtigen außerordentlichen Arbeitslosig⸗ keit. In gewissen Gegenden und zu Zeiten der todten Saison wird immer eine gewisse Arbeitslosigkeit herrschen und dadurch bisweilen auch Noth und Elend; die Schiffer, wenn die Ströme zugefroren sind, die ungeheure Zahl der Bauhandwerker haben. im Winter nichts zu thun. Verfammlungen von Arbeitslosen, die aus solchen Personen bestehen, bilden keinen Beweis für einen außerordentlichen Nothstand. Ebensowenig ist es gerechtfertigt, wenn der Abg. Auer die Noth im Erzgebirge uns in so kläglicher Weise vorführte. Diese Noth war früher genau so wie jetzt, das sind dauernde Nothstände und anormale Verhältnisse, fr die ja auch gesorgt werden muß. Wenn man von alledem absieht, bleibt doch sehr viel Mangel und Elend zurück, auch bei Denen, die Arbeit haben, infolge niederen Arbeitslohns, Lohnabzügen ꝛc. Ich muß dem gegenüber sehr erstaunen über die Rede des Abg. von Kardorff, der einen Nothstand leugnet und hier nur die Klagen über die Noth der Landwirthschaft vorträgt. Es ist tief zu beklagen, daß er sagt, der einzige große Grund für die hier geschil⸗ derten traurigen Verhältnisse bestehe in dem billigen Preise der Lebensmittel. Wenn wir jeßt auch noch die Theuerung vom vorigen hätten, dann sähe es heute wahrlich 9 viel trauriger aus. ie klagen immer über die Entvölkerung des platten Landes. Aus Vergnügen gehen doch die Hunderttausende alljährlich gewiß nicht vom Lande in die großen Städte und übers Meer. Größtentheils sind es die traurigen Verhältnisse, in denen sie leben, welche die Leute in die Städte treiben, wo . mehr als moderne Menschen sich fühlen und bewegen können. Solange auf dem Lande nicht ein so würdiges
Frage. Die langsame zerstört auch unsere natio⸗
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und modernes Verhältniß besteht, wie es von Menschen verlangt wird, so lange wird der Zufluß zu den Städten fortdauern. Der Landmann wünscht einen kleinen eigenen Grundbesitz. Dieses ge⸗ rechte Bestreben, das mit der Vaterlandsliebe zusammenhängt, zu erreichen, wird ihm durch die Gestaltung des Grundbesitzes in den östlichen Provinzen verhindert. Parzelliren Sie doch den Großgrund⸗ besitz;! Aber Sie denken nicht daran, irgendwelche Parzellen abzu⸗ geben, dann ist es freilich kein Wunder, daß das platte Land sich ent⸗ völkert. Daß das Rütteln am Schutzzoll die jetzigen unerfreulichen Störungen hervorgebracht hat, wie die Abgg. Bißg und von Kardorff behaupten, ist eine Umkehrung der Thatsachen. as Schutzzollsystem wurde ja gerade damit empfohlen, daß es derartige Störungen und Stockungen unmöglich machen könne. Daraufhin ist es zur An⸗ nahme und Durchführung gelangt und erst im vorigen Jahre etwas gemildert worden. Ständen wir noch unter dem Druck der unver⸗ minderten Schutzzölle, dann hätte der jetzige strenge Winter an Noth⸗ standserscheinungen nicht seinesgleichen gehabt. Es haben wenigstens zahlreiche Arbeiter unter den neuen Arbeitsbedingungen Beschäfti⸗ gung gefunden. Nichts Besonderes soll nach meiner Meinung geschehen, 1 es braucht nur manches Vorhandene gefördert zu werden. Den Werth einer Abkürzung der Arbeitszeit unterschätze ich keineswegs. Bei übertriebener Arbeitszeit ist die Ueberproduktion die Folge. Ohne eine mechanische Regelung zu wollen, wünsche ich doch, daß sich die Industriellen des Vortheils einer kürzeren Arbeitszeit bewußt werden. Aber von einem schablonenmäßigen Maximalarbeitstag kann keine Rede sein. In der Art der Lohnzahlung sind unsere Staatswerkstätten leider nicht mit gutem Beispiel vorangegangen. Die Eisenbahnverwaltung hat statt der bisherigen halbmonatlichen Löhnung die monatliche eingeführt. Eine Petition von Arbeitern an den preußischen Minister der öffentlichen Arbeiten wünscht, daß die Löhnung alle vierzehn Tage am Freitag stattfinde, damit die Frauen am Sonnabend die Einkäufe für den Haushalt besorgen können, und daß den fortwährenden Lohnreductionen Einhalt gethan werde. Diese Petition ist ein Stück aus der Nothstandsvorlage. Die Staatsverwaltungen erkennen ihre sociale Aufgabe noch nicht genügend. Nach dem Sparsystem der preußischen Eisenbahnverwaltung scheint das fiscalische Interesse das sociale und humane Interesse bei weitem zu überwiegen. Ist man mit seiner socialen und sonstigen Stellung zufrieden, so erträgt man auch eine augenblickliche Entbehrung; es kommt also auch auf die subjective Stimmung der Arbeiter an. Nach Berufung der inter⸗ nationalen Arbeiterschutz⸗Conferenz und der Einbringung der Arbeiterschutz⸗Novelle hatten die Arbeiter bessere Zeiten erwartet. Die Erwartungen haben sich aber nicht erfüllt; die Stimmung der Arbeiter wurde herabgedrückt. Man fragte von allen Seiten: wird das Gesetz auch richtig ausgeführt werden? Von der Arbeitsordnung erwarteten die Arbeiter die Einführung der Gleichberechtigung und Anbahnung eines freundlicheren Verhältnisses zwischen Arbeit⸗ gebern und Arbeitern. Aber eine große Zahl der erlassenen Arbeits⸗ ordnungen widerspricht den Wünsschen und Bedürfnissen der Ar⸗ beiter; zum theil sind sogar ungesetzliche Bestimmungen in den Ar⸗ beitsordnungen enthalten. Und durch die obligatorischen Ar⸗ beiterausschüsse sind die Arbeiter erst recht auf solche Bestimmungen aufmerksam gemacht, die ihre Unzufriedenheit erregen mußten. Für die Arbeitslosen müßte auch mehr geschehen. Der Eisenbahn⸗ verwaltung wäre es bei ihren großen Kapitalien wohl möglich, Arbeitslose zu beschäftigen. Aber nicht nur die Regierung, sondern auch die Arbeitgeber müssen in dieser Richtung vorgehen. Mit der Gewerbenovelle sollte ein neues Leben zwischen Arbeitgeber und Arbeiter beginnen. Jetzt müssen die Verheißungen der früheren Jahre erfüllt werden durch ein humanes Arbeitsverhältniß mit auskömmlichen Löhnen und einer mäßigen Arbeitszeit. Ich hoffe herzlichst, daß die jetzige traurige Zeit diese Frucht tragen möge.
Abg. Möller (nl.): Bezüglich des Ausstandes an der Saar bin ich nicht Sachverständiger, da ich keine Fühlung mit diesem Be⸗ zirk habe und mich auf das Urtheil Dritter veeege muß. Der Abg. Freiherr von Stumm klagte die Bergbehörde an der Saar an. Aus dem westfälischen Bezirk hat aber der Herr, der im Saarrevier an der Spitze der Ber behörde steht, immer in dem Rufe eines der tüchtigsten und energischsten Beamten gestanden. Allerdings hätte man vielleicht an der Saar von Anfang an mit größerer Energie und Klugheit vorgehen können. Vielleicht lag das aber mehr an den hemmenden Eingriffen der oberen Instanz. Der preußische Handels⸗ Minister erklärte ja, daß Instructionen von hier aus nöthig gewesen seien und dadurch Verzögerung eingetreten sei. Er hat aber dann der Bergbehörde vollkommen freie Hand gelassen. Jeder Strike ist eine Machtfrage. Haben die Arbeiter durch die wirthschaftlichen Ver⸗ hältnisse und die Macht ihrer Gründe die Oberhand, so wird jede verständige Arbeitgeberpartei mit ihnen pactiren; bei umgekehrter Lage müssen aber die Arbeitgeber und die Behörden sofort mit Energie und Strenge anfangen, denn das schafft Klarheit und Klarheit schafft Besonnenheit. Ob an der Saar so verfahren ist, ist zweifelhaft. Das ist aber eigentlich Sache des preußischen Landtags. Ich hoffe, daß der Preußis e Handels⸗Minister sich ebenso wie an der Saar, bei dem Strike an der Ruhr einmischen wird. Dieser Strike ist noch viel ungerechtfertigter als der an der Saar. Er ist lediglich durch eine Art Infection entstanden. Die Arbeiter an der Ruhr müßten dankbar sein, denn es sind keine Ablegungen vor⸗ gekommen, die ganze starke Arbeiterschaft ist mit Hilfe von Feier⸗ schichten der jungen Leute an der Arbeit erhalten worden. Die⸗ jenigen Führer, welche heute leichtfertigerweise in Westfalen die Arbeit niederlegen, haben eine verhängnißvolle Verantwortung auf sich geladen. Wenn die gesammte Belegschaft nicht zur Arbeit zurück⸗ kehrt, so könnte damit wohl eine einzige Zeche in Schwierigkeit gerathen, der ganze Bezirk aber nicht; denn die Production ist so zurückgegangen, daß mit viel weniger Arbeitern auszukommen sein würde. In Westfalen sind Tausende von Arbeitern übrig. Na⸗ amtlichen Zahlen sind die Löhne seit der Hausseperiode von 1888 fortdauernd gestiegen. Sie betrugen im Durchschnitt aller Arbeiter für die oberirdischen Arbeiter 1887: 2,57 ℳ, 1888: 2,69, 1889: 3,05, 1890: 3,49, 1891: 3,54 ℳ und für die unterirdischen Arbeiter 1887: 2,93 ℳ 1888: 2,96, 1889: 3,42, 1890: 3,98, 1891: 4,08 ℳ Diese Löhne sind nicht so hoch wie im Saarrevier, aber demnächst die höchsten in Deutschland. An der Saar sind die Löhne in nicht ganz wirthschaftlicher Weise übermäßig gesteigert worden. So hohe Löhne in Zeiten der Prosperität sind 8 Segen für die Arbeiter. Denn ein späterer Rückgang der Löhne 1 der Periode hoher Löhne bedeutet ein Zurückschrauben der ganzen Lebensweise der Arbeiter. Für die Arbeiter an der Saar ist es geradezu grausam gewesen, daß die Löhne so hoch waren und dann plötzlich so tief fielen. Eine langsame Steigerung wie in Westfalen ist empfehlenswerther wie die schnelle an der Saar. Bezüglich der Lohnabzüge bei den Lehrhäuern ist der Abg. Auer nicht richtig informirt. Es handelt sich nicht um einen Abzug zu unsten des Bergfiscus, sondern um eine bessere Vertheilung des gesammten Gedinges; die jungen Leute bekommen weniger, die alten mehr, ein Princip, auf das in England streng gehalten wird. Die hohen Löhne für die jungen Leute sind kein Segen. Die Arbeitsordnung ist immer der Streitpunkt an der Saar. Die Ein⸗ führung einer Arbeitsordnung an sich ist äußerst wünschenswerth und nothwendig. Aber die obligatorische Anhörung der Arbeiter bezüglich der Arbeitsordnung habe ich nie für eine kluge Maßregel gehalten und die Dinge an der Saar haben diese Meinung bestätigt. Erst durch das Befragen der unter socialdemokratischem Einfluß stehenden