und Ehrenhaftigkeit. Falls die Anschuldigungen un⸗ begründet seien, solle der Minister dahin wirken, daß die in dieser Hinsicht entstandene falsche Meinung im Auslande, ins⸗ besondere in Deutschland, zerstört und die grundlosen Anklagen geahndet würden. Die Interpellation wurde dem Handels⸗ Minister zugewiesen.
Großbritannien und Irland.
1““
Der Minister des Innern Asquith hat am Freitag in
Liverpool eine Rede gehalten, worin er, der „A. C.“ zufolge, rklärte, in der auswärtigen Politik werde die Regierung ich nicht in gewagte Abenteuer einlassen, aber wo sie, wie in
Egypten, Verantwortlichkeiten habe, vor der Ergreifung der erforderlichen Schritte nicht zurückschrecken. Die erste Pflicht er Regierung werde sein, dem Parlament einen Plan
für die Herstellung des irischen Parlaments zu
unterbreiten. Irlands Selbstverwaltung müsse eine echte
Autonomie sein, aber die Obergewalt des Reichsparlaments nüsse wirksam aufrecht erhalten werden. Vorbehaltlich dieser edingung müsse die irische Legislatur ein lebender, activer örper, nicht eine mechanische Puppe sein. Die Regierun
werde auch die Bedürfnisse Schottlands und Wales' nach
öglichkeit zu befriedigen und das Arbeitsproblem zu lösen suchen sowie eine gründliche Wahlreform einführen.
James Egan, der gleichzeitig mit James Daly wegen
Hochverraths verurtheilt worden war, ist nach Verbüßung von
zehnjähriger Zwangsarbeit in Freiheit gesetzt worden.
Frankreich.
Das „Journal officiel“ von gestern veröffentlicht ein Decret, wodurch die Zustimmung zu dem am 16. Dezember 1892 zwischen Frankreich, Deutschland und Belgien getroffenen Abkommen über den Austausch der Post⸗ packete mit Werthangabe ertheilt wird.
Der Senat genehmigte dem „W. T. B.“ zufolge in seiner vorgestrigen Sizung die Handelsübereinkommen mit Argentinien, Columbien, Uruguay und Para⸗ guay sowie die Vorlage über die vermehrte Noten⸗ ausgabe der Bank von Frankreich.
Die Deputirtenkammer setzte die Berathung des Cultus⸗ budgets fort. Auf Wunsch des Cultus⸗Ministers Dupuy. stellte die Kammer die von der Budgetcommission um 30 000 Fr. gekürzten Bezüge der Bischöfe sowie die von der Commission gänzlich gestrichenen Credite für die General⸗Vicare, erstere mit 315 gegen 198, letztere mit 309 gegen 193 Stimmen, in der von der Regierung beantragten Höhe wieder in das Budget ein. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde das Cultusbudget angenommen. Alsdann ging die Kammer zu dem Budget der Schutzgebiete über. In der Berathung constatirte der Minister⸗Präsident Ribot in Beantwortung verschiedener Einwände, die Erfolge in Tunis seien ausgezeichnete. Montag wird die Budgetberathung fortgesetzt werden.
Die vorgestern anläßlich der hundertjährigen Wiederkehr des Todestages König Ludwig’'s XVI. in mehreren Kirchen der Stadt und den Provinzen veranstalteten feier⸗ lichen Messen sind ohne jeden Zwischenfall verlaufen.
Die Panama⸗Untersuchungscommission vernahm am Sonnabend Clémenceau, der aufs neue versicherte, daß er die Liste, die Reinach ihm gesandt haben solle, nicht erhalten habe. Laguerre erklärte, er kenne Arton’'s genaue Adresse gegenwärtig nicht. Gerüchtweise verlautet, Arton befände sich in Rumänien, seine Auslieferung sei nicht unmöglich, obwohl kein Auslieferungsvertrag zwischen Frankreich und Rumänien bestehe.
Der General Ferron, früher Kriegs⸗Minister im Cabinet Rouvier, theilte einem Interviewer mit, daß Rouvier that sächlich Gelder aus den Geheimfonds des Kriegs⸗Ministeriums ur Bekämpfung des Boulangismus übergeben worden seien.
ie Gelder seien zurückerstattet worden.
Nach einem der „Magd. Ztg.“ aus London zugegangenen Telegramm hätten zwei französische Geheimpolizisten vorgestern im Beisein eines englischen Commissars eine Haussuchung in der Wohnung des Cornelius Herz in Bournemouth vorgenommen und alle vorgefundenen Papiere beschlagnahmt. Herz, der amerikanischer Staatsbürger sei, habe die Einmischung des amerikanischen Gesandten in London an⸗ gerufen, wodurch die Angelegenheit der Auslieferung verwickelt geworden sei.
Das Blatt „Soir“ stellt die Forderung auf, da der De⸗ putirte Delahaye, der zuerst mit Anschuldigungen gegen 104 Deputirte bezüglich der Panama⸗Angelegenheit an die Oeffentlichkeit getreten sei, in der Sitzung der Panama⸗ Untersuchungscommission am vergangenen Sonnabend keine Beweise für die Beschuldigungen Aließert habe, so müsse die Commission ihre Arbeiten nunmehr abschließen und Delahaye als Ehrabschneider brandmarken
Spanien. 8
In Paris sind dem „W. T. B.“ zufolge Nachrichten aus Madrid eingetroffen, wonach in Badajoz R 28 örungen stattgefunden hätten, denen übrigens ein größeres Gewicht nicht beizulegen sei. Es seien mehrere Verhaftungen vor⸗ genommen und die Ruhe bald wieder hergestellt worden.
Der frühere Minister⸗Präsfident Canovas del Castillo ist, wie „W. T. B.“ meldet, von einem Unwohlsein befallen und wird dem Bankett, das morgen im Königlichen Schlosse in Madrid stattfindet, nicht beiwohnen.
Di putirtenkammer faßte, wie „W. T. B.“ meldet, in ihrer vorgestrigen Sitzung mit 107 gegen 4 Stimmen gemäß einem von dem Ministerium ausgesprochenen Verlangen einen Beschluß, in welchem erklärt wird, es sei inopportun, als Einleitung der Berathung über die Finanz⸗ verhältnisse die Vertrauensfrage zu stellen.
Der Minister⸗Präsident Fereira erklärte in der Budget⸗ commission, er werde dem Project, die Zinsen für die aus⸗ wärtige Schuld unter 33 Proc. herabzusetzen, seine Zustim⸗ mung nicht geben. Der Präsident der Budget⸗ commission erwiderte, die Commission wolle, bevor sie bezüglich der Zinsen der Staatsschuld einen Beschluß fasse, die Einnahmequellen des Staats prüfen, da Fereira auch im vergangenen Jahre trotz des Beschlusses der Kammer, die Staatsschuld mit 50 Proc. zu verzinsen, sich genöthigt gesehen habe, die Zinsen auf 33 Proc. herabzusetzen.
Belgien.
S In einer am Sonnabend abgehaltenen Sitzung der Rechten erklärte nach der „Magd. Ztg.“ der Minister⸗Prä⸗
des Regierungsentwurfs; falls die Linke diesen ablehne, werde die Auflösung der Constituante im Februar erfolgen. Die Rechte nahm hierauf einstimmig den Regierungsentwurf an.
Türkei.
Der Patriarch Azarian wird sich, wie „W. T. B.“ be⸗ richtet, zum Jubiläum des Papstes nach Rom begeben, um dem Papst den Ausdruck der freundschaftichen Gefühle des Sultans zu übermitteln und als Geschenk eine goldene, reich mit Brillanten besetzte Tabatiéère zu überbringen. Der Cardinal Ledochowski sowie der Unter⸗Staatssecretär des päpstlichen Stuhls Mocenni werden hohe Auszeichnungen von Seiten des Sultans erhalten. ““
Griechenland. v1111““
Wie „W. T. B.“ aus Athen meldet, verlaute dort, der Kronprinz werde demnächst zum Divisions⸗General ernannt werden.
Serbien. Anläßlich der Aussöhnung der Eltern des Königs Alexander war dem „W. T. B.“ zufolge Belgrad am Freitag Abend festlich beleuchtet und am Sonnabend beflaggt.
1 Schweden und Norwegen.
(F) Stockholm, 18. Januar. Dem Lieutenant im 1. Leib⸗Grenadier⸗Regiment Freiherr Banér ist gestattet worden, ein Jahr im preußischen Infanterie⸗Regiment von Goeben (2. Rheinisches) Nr. 28 Dienst zu thun.
Amerika.
Die „New⸗York Times“ bringt einen Bericht über eine
Unterredung ihres Correspondenten in Syracuse mit dem neu⸗ gewählten Präsidenten Cleveland. Danach hätte dieser ge⸗ äußert, er hoffe auf die Annahme des Gesetzentwurfs, wo⸗ durch die Sherman⸗Bill bezüglich des Ankaufs von Silbermetall aufgehoben werde. Auf die Frage, ob der Mac Kinley⸗Tarif abgeschafft werden würde, habe Cleve⸗ land erwidert, er möchte wissen, ob man ihm denn zu einem anderen Zwecke die Macht anvertraut habe. Das Repräsentantenhaus hat die Berathung des Gesetzentwurfs über die Einwanderung begonnen. Ein Amendement, wonach den Herkünften aus Europa eine Quarantäne auferlegt werden soll, wurde verworfen.
Nach einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ aus Buenos⸗Aires von heute hielten die Radicalen und die Anhänger Mitre’s gestern ein Protestmeeting gegen die von der Regierung in der Provinz Corrientes befolgte Politik ab. Die von etwa 5000 Personen besuchte Versamm⸗ lung nahm einen ruhigen Verlauf. Die Ministerkrisis hat noch keine Lösung gefunden. .
Afrika.
Nach einer Meldung der „Times“ vom 22. d. M. ist Devismes von seiner Mission nach Fez, die im allgemeinen er⸗ folgreich war, nach Tanger zurückgekehrt. Er wird sich be⸗ mühen, Sir West Ridgeway bei seinen Unterhandlungen mit dem Sultan von Marokko zu unterstützen.
Parlamentarische Nachrichten.
Dentscher Reichstag. 6 Dder Bericht über die 27. Sitzung vom 21. Januar befindet sich in der Ersten Beilage.
28. Sitzung vom Montag, Sitzung wohnt der Boetticher bei. 2
Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Einführung einer einheit⸗ lichen Zeitbestimmung, dessen einziger Paragraph lautet:
„Die gesetzliche Zeit in Deutschland ist die mittlere Sonnen⸗ zeit des fünfzehnten Längengrades östlich von Greenwich. Dieses
Gesetz tritt mit dem Zeitpunkt in Kraft, in welchem nach der im
vorhergehenden Absatz festgesetzten Zeitbestimmung der 1. April 1893
beginnt.“
Die Commission beantragt, die Vorlage unverändert an⸗ zunehmen, schlägt aber folgende Resolution vor: 1
„Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem Reichstage baldigst die Vorlage eines Gesetzes zu unterbreiten, welches jenen
Uebelständen abzuhelfen geecignet ist, die daraus entstehen, daß mit
Einführung der Einheitszeit im Osten und Westen des Reichs viel⸗
fach erhebliche Verschiebungen gegenüber den auf Ortszeit be⸗
rechneten Zeitbestimmungen der Novelle zur Gewerbeordnung vom
1. Juli 1891 hervortreten.“
Die Commission beantragt ferner, die zu dem Gesetzentwurf ein⸗ gegangene Petition des Directors der Landwirthschaftsschule zu Weilburg, Matzat, durch die Beschlußfassung über den Gesetzentwurf für erledigt zu erklären.
Berichterstatter ist der Abg. Möller inl.).
Abg. Brandenburg (Centr.) hat zunächst Competenzbedenken gegenüber der Vorlage. Aber dies seien nicht die alleinigen Bedenken, welche ihn zur “ der Vorlage führen. Er halte die Fest⸗ setzung einer Einheitszeit für eine Ueberhebung der Gesetzgebung über die Natur.
Abg. Dr. Freiherr von Heereman (Centr.) spricht sich für seine Person ebenfalls gegen die Vorlage aus. Der Zeitunterschied zwischen der Einheitszeit und der früheren Ortszeit sei an den äußersten Punkten Deutschlands ein sehr erheblicher, er betrage mehr als eine halbe Stunde. Für diese Maßregel sei kein Grund vor⸗ handen, selbst die Eisenbahn⸗ und Postverwaltung könne mit der jetzigen doppelten Zeit auskommen. ür die Telegraphenverwaltung liege erst recht kein Anlaß vor, da der Verkehr derselben vielfach über die Grenze Deutschlands hinausgeht.
Abg. Freiherr von Stumm (Rp.) fürchtet, daß aus dem Gesetz eine große Verwirrung entstehen wird: Eisenbahn⸗ und Tele⸗ graphen⸗Verwaltung könnten ja für ihren inneren Dienst die einheit⸗ liche Zeit einführen. Für das Publikum liege durchaus keine Noth⸗ wendigkeit dazu vor. Die Resolution sei schon ein Ausfluß der Mißstände, die sich herausstellen werden. Die Gewerbeordnung beziehe sich auf die Ortszeit. Wenn man diesen Zustand aufrecht erhalten wolle, werde man bezirksweise die Sache ordnen müssen und dann entstehe die größte Verwirrung und Verschiedenheit. Die Resolution müsse vom Hause angenommen werden, sonst müsse er gegen die Vorlage stimmen. (Bei Schluß des Blattes hat der Staatssec retär Dr. von Boctticher das Wort genommen.)
23. Januar, 1 Uhr.
Der Staatssecretär Dr. von
— Dem Herrenhause ist der Entwurf eines Gesetzes über Abänderung von Amtsgerichtsbezirken zugegangen.
— Die Commission des Hauses der Abgeordneten zur Berathung des Gesetzentwurfs wegen Aenderung des Wahlver⸗ fahrens setzte am Sonnabend Abend die Berathung der Vorlage
sident Beernaert, er bestehe auf der unveränderten Annahme
fort. Nachdem in der vorhergehenden e.. 1 unverändert an⸗ genommen worden war, stand vorgestern zunächst der Antrag Bachem
(Centr.) zur Verhandlung, einen § 1b folgenden Wortlauts anzu⸗ nehmen: „Die Berechnung der Gesammtsumme der nach § 1 anzurechnen⸗ den Steuerbeträge und die Eintheilung derUrwähler in die drei Abt eilungen findet statt innerhalb der einzelnen Urwahlbezirke.“ Im Zusammenhang damit wurde § 4 discutirt, welcher besagt: „Das Gesetz über Aenderung des Wahlverfahrens vom 24. Juni 1891 bleibt, unter Fortfall der im § 1 desselben enthaltenen zeitlichen Beschränkungen, in Kraft.“ Zugleich wurde ein Antrag von Tzsch 1 (freicons.) discutirt, der für nicht veranlagte Personen einen Steuerbetrag von 3 ℳ an Stelle der bisherigen Klassensteuer zum Ansatz bringt und für jeden Urwahlbezirk eine besondere Abtheilungsliste fordert. Abg. Dr. Arendt (freicons.) beantragt, an Stelle der 1891. vhngeüce Drittelung in den einzelnen Urwahlbezirken die Drittelung in der ganzen Ge⸗ meinde herbeizuführen. Dieser Antrag wird, nachdem sich der Präsident des Staats⸗Ministeriums Graf zu Eulenburg dagegen erklärt, gegen die Stimmen der Freiconservativen und National⸗ liberalen abgelehnt. § 4 bleibt demnach unverändert. Darauf wird § 2 discutirt: „Wo directe Gemeindesteuern nicht erhoben werden, treren an deren Stelle die vom Staat veranlagte Grund⸗ und Ge⸗ bäudesteuer.“ Hierzu liegt wiederum ein Antrag des DDr. Arendt und Genossen vor, dem Paragraphen die Worte anzufügen: „soweit der Nachweis mindestens gleichwerthiger Leistungen seitens der Be⸗ rechtigten erbracht wird.“ Auch dieser Antrag wird, nachdem sich der Präsident des Staats⸗Ministeriums Graf zu Eulenburg dagegen “ abgelehnt. — Die Berathungen werden heute fort⸗ gesetzt.
— In der Steuerreformcommission des Hauses der Abgeordneten wurde am Sonnabend der dritte Titel des Com⸗ munalabgabengesetzes §§ 9—15, die von den indirecten Gemeindesteuern handeln, erledigt. Die §§ 9— 12 blieben un⸗ verändert. Es liegen zahlreiche Petitionen vor, welche eine Erweite⸗ rung der indirecten Gemeindesteuern verlangen. Auf eine Anfrage des Abg. von Buch (cons.) erklärt der Finanz⸗Minister Dr. Miqu el, daß die Staatsregierung diesen Wünschen nicht abgeneigt sei; es schweben darüber noch Verhandlungen mit der Reichsregierung.
Ein Antrag der Conservativen, der eine Verallgemeine⸗ rung der Schlachtsteuer bezweckte, wurde abgelehnt. Ein Antrag Enneccerus, die Besteuerung privater Lustbarkeiten dem communalen Besteucrungsrecht zu entziehen, wurde ebenfalls ab⸗ gelehnt. § 13 lautet: „Die bestehenden Vorschriften über die Ver⸗ wendung des Aufkommens indirecter Steuern für bestimmte Zwecke (Kosten der Armenpflege u. s. w.) sind aufgehoben. Abs. 2: Un⸗ berührt bleiben die Bestimmungen wegen Verwendung der von den Militärpersonen zu entrichtenden Hundesteuer“. Auf Antrag des Abg. Dr. Enneccerus wurde Abs. 2 gestrichen. §§ 14 und 15 blieben unverändert.
In der heutigen Sitzung der Commission wurde § 16 (allge⸗ meine Bestimmungen über die Erhebung der direecten Gemeinde⸗ steuern) mit einer redactionellen Aenderung angenommen, und § 17 (die auf besonderem Rechtstitel beruhenden Befreiungen einzelner Grundstücke) einer Subcommission überwiesen.
Nr. 2 A des „Centralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Ar. beiten, vom 19. Januar, hat folgenden Inhalt: Aus dem preußischen Staatshaushalt für 1893/94. — Vermischtes: Chemisches Institut der Universität Halle. — Entwürfe für Londoner elektrische Untergrund⸗ bahnen.
55
Der auswärtige Handel
des deutschen Zollgebiets weist
1891 festgestellten Einheitspreisen — folgende Summen auf: dagegen 1891: Werth der Einfuhr 4 463 093 000 ℳ, 4 403 404 000 ℳ Werth der Ausfuhr 3327 980 000 ℳ, 3 339 755 000 ℳ Der Werth der Einfuhr wäre danach gegen das Vorjahr gestiegen um 59 689 000 ℳ, der Werth der Ausfuhr gefallen um 11 775 000 ℳ Der Menge nach wurden im Jahre 1892 eingeführt: 295 073 013 D.⸗Ctr., (im Vorjahr: 290 127 188), ausgeführt: 198 910 496 D.⸗Ctr., (im Vorjahr: 201 393 755), und in den drei letzten Monaten gestalteten sich die Ein⸗ und Ausfuhren folgendermaßen (in Doppel⸗Centnern): Eingeführt 1892 1891 27 706 171 28 123 066 — November 27 039 984 26 507 117 19 217 499 18 985 639 Dezember 23 241 344 23 381 193] 17 695 161 16 415 6602 Danach weist die Ausfuhr in den letzten beiden Monaten ein gegen die betreffenden beiden Monate des Vorjahrs günstigeres Ergebniß auf.
Ausgeführt 1892 1891 18 230 436] 19 022 482
2
Oktober
Invaliditäts⸗ und Altersversicherung.
Bei dem für den Stadtkreis Berlin errichteten Schieds⸗ gericht für Invaliditäts⸗ und Altersversicherung wurden im ver⸗ gangenen Jahre 292 Berufungen neu anhängig; hierzu kamen 44 auts dem Vorjahre übernommene, sodaß im ganzen 336 Berufungen schwebten, worunter 9, die durch Revisionsentscheidung des Reichs⸗Versicherunggamts in die Berufungsinstanz zurückverwiesen worden waren. Von den im Berichtsjahre anhängig gewordenen Berufungen waren 261v1 von den Versicherten, 29 vom Staatscommissar und 2 von beiden erhoben; es waren 42 Berufungen gegen die Feststellung einer Invalidenrente, 14 gegen die Feststellung einer Altersrente, 112 gegen die Ablehnung einer Invalidenrente, 124 gegen die Ablehnung einer Altersrente gerichtet. — Von allcn 336 schwebenden Berufungen wurden 18 durch rechtskräftigen Bescheid des Vorsitzenden, 17 durch Vergleich oder urücknahme der Berufung, 229 durch Entscheidung des Schiedsgerichts erledigt. Von diesen Entscheidungen lauteten 14 auf Zurückweisung wegen Versäu mung der Berufungsfrist, 153 auf Bestätigung des angefochtenen 1ge 62 auf völlige oder theilweise Abänderung desselben. Zwei Berufunge wurden auf andere Weise erledigt und 70 auf das neue Jahr übeꝛ nommen. Es fanden 36 Sitzungen statt, und in 96 Berufungssache wurde Beweis aufnahme vorgenommen. In 60 Sachen wurden währem des Berichtsjahres wegen Einlegung der Revision die Acten vor Reichs⸗Versicherungsamt eingefordert. 8 1
Lebensmittelpreise. 5 Nach der „Statist. Corr.“ betrug der Duͤrchschnittspreis n Roggen im Jahre 1892 auf 1000 kg 176 ℳ, für Weizen 188 5 Die Preise an der Berliner Börse betrugen am Sonnabend e Roggen 135 ℳ, für Weizen 153 ℳ (Lieferungsqualität). — sind an Durchschnittspreisen für das Jahr 1892 zu nennen: Fchr 155 ℳ, Hafer 148 ℳ (jetzt 140 ℳ Lieferungsqualität), Eßkartoffel An Fleischpreisen sind für das Jahr 1892 folgende Durchf preise ermittelt: 1 ¼g Rindfleisch 1,28 ℳ, Schweinefleisch 128 ₰ Kalbfleisch 1,25 ℳ, Hammelfleisch 1,24 ℳ, inländ. geräucher 7 Sa 1,69 ℳ, Eßbutter 2,30 ℳ Eier kosteten 3,57 ℳ das Sch⸗ 5 94 ℳ Kilogramm R b1 0,32 ℳ, Weizenmehl 0,34 ℳ, Javareit J294 roher Javakaffee 2,83 ℳ, gebrannter 3,69 ℳ Schweineschmalz 64
8
Statistik und Volkswirthschaft. 6
1 vll nach den Aufstellungen des Kaiserlichen Statistischen Amts für das Jahr 1892 — im Specialhandel, vorläufig berechnet nach den für das Jahr
in Westfalen stehen folgende Nachri
mund berichtet, auf den Zechen „Neu⸗Köln“,
231 und auf „Germania 18
Architektenhauses statt.
Zur Arbeiterbewegung.
In Verbindung mit der beendeten Ausstandsbewe gu n g
84 ten: Am Sonnabend fehlten, wie die vhrichten⸗. Ztg.“ aus Dort⸗ 1 „Christian Lewin“ Wolfsbank“, „Germania I und I1“, „Zollern“ und „Eisgtan, Fewin, n ganzen noch 1000 Mann, größtentheils von den Zechenverwaltungen rrückgewiesene Bergleute. Speciell auf Zeche „Zollern“ waren in er Nachtschicht angefahren 26 Mann von 106, in der Morgenschicht 272 Mann von 716. Auf Zeche „Germania 1“ sind von 707 Mann w 221 Mann von 805 angefahren.
Aus Bochum wird der „Frkf. Ztg.“ von Verhandlungen be⸗ richtet, die mit den Zechenverwaltungen geführt werden, um den abgekehrten Bergarbeitern die Wiederanlegung zum 1. Februar zu ermöglichen. Gestern fand einer Wolff’'schen Meldung zufolge in Bochum eine Bergarbeiterversammlung für alle Bezirke des rheinisch westfälischen Kohlenreviers statt, die von etwa 300 Personen besucht war. Beschlüsse wurden nicht gefaßt. Am 2. Februar soll eine all gemeine Versammlung in Bochum stattfinden.
Hier in Berlin nahm am Sonnabend eine allgemeine Brauer⸗ versammlung eine Resolution an. die sich nach dem Bericht der Berliner „Volksztg.“ für die achtstündige Arbeitszeit im Brauerei⸗ gewerbe ausspricht, da bei einer längeren Arbeitszeit und der Schwere der Berufsthätigkeit die Brauergesellen bald arbeitsunfähig würden, auch nur durch eine derartige Verkürzung der Arbeitszeit der überfüllte Arbeitsmarkt entlastet werden könne.
Die Buchdruckereibesitzer in Lausanne (Schweiz) werden, wie der „Vorwärts“ mittheilt, am 1. April den Neunstundentag einführen und damit eine Gehilfenforderung erfüllen.
Der Ausstand der Porzellanmaler in Porsgrund (Norwegen) ist nach demselben Blatte gütlich beigelegt worden.
Kunst und Wissenschaft.
zjt Der veränderte Entwurf des National⸗Denk⸗ mals für Kaiser Wilhelm I. von Reinhold Begas ist jetzt auch dem Publikum in dem Atelier des Künstlers zugänglich. Der Gesammteindruck ist der einer conciseren, gedrängteren Fassung der ursprünglichen Composition; begreif⸗ licherweise hat damit die letztere etwas von ihrem pathetischen Schwunge eingebüßt, dafür aber an monumentaler Ruhe und Geschlossenheit gewonnen. Der das Reiter⸗Denkmal im Halbkreise gegen das Spreeufer abschließende Säulen gang, bei dessen Ausführung der Künstler von einem Schüler Wallot’s, Halmhuber, unterstützt wurde, bekrönt mit Victoriagespannen und Trophäen, zeigt die Statuen der Bundesfürsten und Hermen der bedeutendsten Heer⸗ führer unter Wilhelm J. vor den gedoppelten Säulenstellungen. Die Seitenflügel dieser Halle springen nicht, wie im 1c Entwurf, bis zu dem vorderen Abschluß des Denkmalssockels vor, sodaß eine wirkungsvolle Seitenansicht der Hauptgruppe möglich wird. Diese selbst in kolossalen Maßen mit dem Sockel zwanzig Meter hoch — gedacht, ist wesentlich schlichter und 8 gehalten als früher. Das kräftige Roß schreitet langsam aus, die zügelführende Victoria ist dagegen in leb⸗ hafter, pathetisch gesteigerter Bewegung belassen. Hier wäre bei der Ausführung vielleicht eine ausgleichende Vermittelung am Platze. Das Kaiserbild ist von stimmungsvoller Hoheit und würdiger Gelassenheit und entspricht dem Wesen des ver⸗ ewigten Monarchen weit mehr, als die Gestalt auf bäu⸗ mendem Roß im ersten Entwurf. Die Ecken des schwach profilirten Sockels sind durch schwebende Victorien be⸗ lebt, an Stelle der den Sockel umgebenden Reiter⸗ gruppen sind an den Längsseiten sehr zarte Flachreliefs, Krieg und Frieden versinnlichend, getreten, auf den zum Sockel emporführenden Stufen auf der rechten und linken Seite desselben ruhen die prägnant aufgefaßten Gestalten des Kriegsgottes und Friedensgenius. Eine gewisse Uebertreibung in den Verhältnissen der kolossalen Gliedmaßen zum Kopf ist den meisten Gestalten des Meisters eigen; sie dürfte bei der Ausführung besonders empfindlich werden, da die Köpfe sich bei der Untenansicht ohnehin verkürzen. Indeß liegen zunächst hier nur Skizzen vor, welche sicherlich in Einzelheiten noch mannigfacher Aenderung unterzogen werden. Der imposante große Zug der ganzen Anlage ist gewahrt, für das Schaffen von R. Begas bedeutet die Umgestaltung einen bedeutsamen Fort⸗ schritt auf der Bahn zur Vollendung. Offenbar hat der Meister in dem Bewußtsein gearbeitet, daß bei einer so eminent nationalen Aufgabe Ruhm nur zu gewinnen ist, wenn die höchsten Ansprüche erfüllt werden.
Im Verein für deutsches Kunstgewerbe wird am Mittwoch, den 25. d. M., Herr Professor Max Koch, Lehrer am Königlichen Kunstgewerbe⸗Museum, eine lehrreiche Ausstellung seiner Malereien, Kartons, Skizzen und Reisestudien veranstalten und daran Mittheilungen knüpfen über Kunst und Technik der monumentalen Malerei und die Erziehung des Decorationsmalers. Außerdem stehen noch andere für die decorative Malerei interessante Vorlagen in Aussicht. Die Sitzung findet 8½ Uhr Abends im großen Saale des Gäste sind willkommen.
Literatur.
In des Königs Rock. Soldaten⸗Ansprachen in Ver⸗ bindung mit evangelischen Militär⸗Geistlichen herausgegeben von D. Richter (evangelischem Feldpropft der Armee). Nr. 6. Rocholl (Militär⸗Oberpfarrer), Fürchtet Gott, ehret den König (Kaisers⸗ geburtstag). Einzelpreis 5 ₰, 100 Exemplare 4 ℳ, 1000 Exem⸗ plare 30 ℳ, 5000 Exemplare 75 ℳ E. S. Mittler und Sohn, Königliche Hofbuchhandlung, Berlin SW. 12, Kochstraße 68—70. — Das schönste aller patriotischen Feste — der Geburtstag Seiner Majestät des Kaisers — rückt näher, und die Armee, die Schulen und patriotischen Vereine sind mit den Vorbereitungen zu einer würdigen Feier beschäftigt. Das patriotische Gefühl, die Liebe zum Herrscher in den weitesten Kreisen des Volks zu pflegen und zu ördern, eignet sich besonders die hier vorliegende Soldaten⸗Ansprache. In kurzen, klaren, zu Herzen dringenden Worten führt diese Ansprache uns das Charakterbild unseres Herrschers vor Augen. Diese Schrift eignet sich daher nicht nur zur Vertheilung in den Kasernen, sondern auch für Schulen, Kriegervereine, Fabriken ꝛc.
Land⸗ und Forstwirthschaft
Stand der Saaten. Der Stand der Wintersaaten im Ne. Wies baden ist ein sehr guter und berechtigt zu den besten Aussichten für nächsten Herbst. Eine Ausnahme bilden die Futterkräuter insofern, als der Klee sich infolge der anhaltenden Trockenheit schlecht entwickelt hat und an vielen Orten sogar eine anderweitige Bestellung der Felder im Frühjahr nöthig machen wird. Weinernte. Wie aus dem Regierungsbezirk Wiesbaden geschrieben wird, hat die Weinernte nih alle Hoffnungen erfüllt. Wenn auch die Hualität des geernteten Weines durchweg eine gute ist und deshalb für Most und Trauben hohe Preise gezahlt werden, so ist sie doch nicht eine so hervorragende geworden, wie man anfangs geglaubt hatte. Der vielfache und oft plötzliche Wechsel der Temperatur hatte der Entwickelung der Trauben erheblich geschadet.
“
(conf. „Reichs⸗Anz.“ vom 20. Oktober 1892.) In Dänemark betrug während des III. Vierteljahres 1892 di 1 Einfuhr Ausfuhr 8 von Roggen . . 4 477 900 kg 4 520 865 kg „ Weizen . . 13 764 8338 „ 12 876 888 „ 8 Gerste. 111“ 2 745 955 „ „ Hafer. 6 112 820 „ 43 610 „ Maio. . 21 088 900 „ 1 746 000 „ Die Wintersaaten sind in Dänemark überall mit einer dicken Schneeschicht bedeckt, die gegen die seit Wochen herrschende starke Kälte genügenden Schutz bieten dürfte.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Cholera.
Halle a. S., 23. Januar. Von Sonnabend Mittag bis Sonntag früh sind in der Irrenanstalt zu Nietleben sieben neue Todesfälle und neun neue Erkrankungen vorgekommen. Unter den Erkrankten befinden sich zwei Aerzte und eine Wärterin. Dem an der Cholera erkrankten Ersten Asfsistenz⸗Arzt Dr. Bucholtz lag besonders die Leitung aller auf die Bekämpfung der Cholera gerichteten. Maßnahmen in Nietleben ob. Der Kreisphysikus meldet, daß in der Irren⸗ anstalt von gestern Mitternacht bis heute Mitternacht zwölf Er⸗ krankungen und vier Todesfälle infolge von Cholera vorgekommen sind. Im ganzen sind 84 Personen an Cholera erkrankt und dreißig Personen gestorben. In der Sitzung der Sanitäts⸗Commission am Sonnabend haben, wie die „Saale⸗Zeitung“ meldet, sämmt⸗ liche anwesenden Aerzte den Gesundheitszustand der Stadt Halle als vorzüglich constatirt. Die Polizeiämter sind angewiesen worden, alle zur Verhinderung der Weiterverbreitung der Cholera getroffenen Maß⸗ nahmen zu überwachen. Der Landrath verfügte die Verlöthung der Anstaltswasserleitung und die vollständige Desinfection der Abfluß⸗ gräben mit Kalkwasser. 8 8 Verkehrs⸗Anstalten.
Wegen der Choleragefaähr ist in den Vereinigten Staaten von Amerika die Einfuhr von gebrauchten Kleidern und Haushaltungsgegenstän den in Post⸗ frachtstücken bis auf weiteres nur dann zugelassen, wenn die Sendungen von einem durch die Ortsbehörde des Abgangsorts unter Beidrückung des Dienstsiegels ausgestellten Zeugnisse begleitet sind, in welchem bescheinigt wird, daß am Abgangs⸗ ort zur Zeit der Absendung des Packets die Cholera nicht geherrscht hat.
Bremen, 22. Januar. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Reichs⸗Postdampfer „Darmstadt“, von Ost⸗Asien kommend, ist am 20. Januar Abends in Antwerpen angekommen. Der Reichs⸗Postdampfer „Hohenzollern“, nach Australien bestimmt, ist am 21. Januar Vormittags in Colombo angekommen. Der Schnelldampfer „Ems“ ist am 21. Januar Vormittags von Alexan⸗ drien via Neapel nach New⸗York abgegangen. Der Schnelldampfer „Julda“ hat am 21. Januar Vormittags die Reise von Gibraltar nach New⸗Vork fortgesetzt.
Hamburg, 21. Januar. (W. T. B.) Hamburg⸗Ameri⸗ kanische Packetfahrt⸗Actien⸗Gesellschaft. Der Post⸗ dampfer „Albingia“ ist gestern in St. Thomas eingetroffen.
Wien, 21. Januar. (W. T. B.) Auf der Strecke Oder⸗ berg — Wien ist der Güterverkehr in vollem Umfange wieder auf⸗ genommen worden.
Triest, 21. Janugr. (W. T. B.) Der Lloydhampfer „Vorwärts“ ist heute Mittag hier eingetroffen.
London, 21. Januar. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer „Lismore⸗Castle“ ist heute auf der Ausreise von London ab⸗ gegangen. Der Castle⸗Dampfer „Warwick Castle“ ist heute auf der Heimreise in London angekommen.
23. Januar. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Mexican“ ist am Sonnabend auf der Ausreise von Southamp⸗ ton abgegangen.
Sofia, 21. Januar. (W. T. B.) Der Verkehr auf den bul⸗ garischen Eisenbahnen ist wieder hergestellt.
Kopenhagen, 21. Januar. (W. T. B.) Die Post aus dem Ausland, einschließlich der vom Freitag, ist nebst 310. Reisenden von Eisbrechern über den Großen Belt gebracht worden; darauf wurde ein Ertrazug um 3 Uhr von Korsör nach Kopenhagen abgelassen. 1ö“
Theater und Musik.
Residenz⸗Theater.
August Strindberg, ein viel genannter, berühmter Name unter den nordischen Dichtern der Gegenwart, stand als Verfasser den drei einactigen Dramen vorgezeichnet die in der gestrigen Matinée ihre erste Aufführung erlebten. Mit einer Tragilomödie „Gläu⸗ biger“ wurde begonnen; ein Lustspiel „Herbstzeichen“ folgte und das Trauerspiel „Vor dem Tode“ schloß die Vorstellung ab. Auf das zahlreich versammelte Publikum brachten die drei der Art nach so verschiedenen Dramen keine unterschiedliche Wirkung hervor; es wurde durchweg mit feierlichem Ernst den Worten des Dichters gelauscht; die Komödie erregte kein Lächeln, höchstens riefen die wunderlichen Phantasiesprünge in dem sorgfältig erdachten Dialog der Tragikomödie hin und wieder einen kleinen 1nE. Heiterkeitsausbruch hervor. Es wurde die Frau als ein „im Wachs⸗ thum stehen gebliebener Mann“, als eine „chronische Anämie“ bezeichnet, um ihren niedrigeren Standpunkt dem Mann gegenüber zu kennzeichnen. Die Hörer fanden diesen ernst gemeinten Vergleich scherzhaft und lachten. Allerdings darf man eingestehen, daß für die Frauen, die Strindberg auf die Bühne stellt, diese Bezeichnungen fast noch zu hoch gewählt sind, wenn man unter einem Mann, ein menschliches Wesen mit Muth, Kraft, Verstand und Seele begreift. Die Männer aber, die der nordische Dichter in den drei kleinen Dramen den Frauen gegenüber⸗ stellt, erscheinen nur als saft⸗ und kraftlose ohnmächtige Werkzeuge der verachteten Frauen. Im ersten Stücke, dem „Gläubiger“, werden zwei Männer, die beiden aufeinander folgenden Gatten einer äußerlich weltgewandten, aber völlig herz⸗ und geistlosen älteren Frau vor geführt, die beide durch dieses Weib geistig und körperlich zu Grunde gerichtet worden sind; der erste Gatte hat sich soweit wieder gekräftigt, daß er als mahnender Gläubiger bei dem Paare, das ihm seine Ehre stahl, erscheint und sich durch eine unendlich häßliche, kleinliche Intrigue an ihm rächt. — Der Held der „Herbstzeichen“ ist der unbedeutende Gatte einer Fäfagegch gen Frau, einer Mustergattin, die die erste herzliche Regung für ihren Mann nach fünfzehnjähriger Ehe an dem Tage ver⸗ spürt, als eine Wittwe und ein dreister, cynisch angelegter Backfisch — Mutter und Tochter — dem harmlosen Ehemann mit derben Liebesanträgen auf den Leib rücken. Da die gute Ehefrau an jenem Tage den ersten Vorderzahn verliert, offenbar das „Herbst⸗ zeichen“, — entschließt sie sich endlich, dem Gatten Gattin zu sein. — Das Trauerspiel „Vor dem Tode“ macht die Zuschauer mit einem geistig und sittlich vollständig verwahrlosten Vater bekannt, der in seinem eigenen Hause, einer schweizer Pension, den Kellner spielt, Trinkgelder nimmt und von seinen drei Töchtern, unter denen sich aber keine „Cordelia“ findet, schmählich behandelt wird. Die einzelnen Nebenumstände sind so unglaublich widerwärtig und abgeschmackt, daß man von einer näheren Inhaltsangabe Abstand nehmen darf. Erwähnt mag nur sein, daß in diesem Stück über einem Sumpf von sittlicher Verkommenheit wie ein Irrlicht ein Funken von Vaterliebe hin⸗ und herflackert, der in Brandstiftung und Selbst⸗ mord verlischt.
Ueberall blicken uns aus den Personen der drei Dramen schwächliche, niedrige oder gar brutale Herzens⸗ und Geistesregungen entgegen; wo eine Kraftäu —2 vorliegt, ist es die zum Bösen. Dabei gehören alle diese Charaktere nicht etwa der Verbrecherwelt an, sondern sollen Typen der äußerlich anständigen „bürgerlichen Gesellschaft sein. Die nordischen Führer der naturalistischen Schule spüren mit Vorliebe den Nachtseiten der Menschenseele nach, ihr Auge scheint verschlossen für die klare Lichtquelle des Guten und Schönen, das doch in den Menschen nicht ausgestorben ist und auf der Bühne schon aus pädagogischen Gründen ein Vorrecht haben sollte. In ihrem Darstellungskreise besitzen jene Dramatiker freilich eine Art Meisterschaft. Der Zuschauer ist gleichmäßig über⸗ rascht durch den Gang der Handlung, durch die Entwicke⸗ lung unerhörter Charaktere und durch den sorgsam ausgeklü⸗ gelten Dialog. Daß diese mit so großem Verstandesaufwand gepflegte literarische Richtung aber irgend etwas Ersprießliches für die zukünftige Gestaltung der Kunst und für die Volksgesittung hervorzubringen ver⸗ mag, ist zu bestreiten. In dieser Gestalt kann die Kunst ihrer Auf⸗ gabe nicht gerecht werden, denn -sie ergötzt nicht, sie rührt und erhebt nicht.
Die Darstellung hob durch ihre Kraft und Lebendigkeit über manches Unerquickliche hinweg; besondere Anerkennung haben Fräulen Bertens und die Herren Rittner und Sarno verdient. 8
Thomas⸗Theater.
Die Wiener Gäste unter Leitung, des Directors Graselli brachten am Sonnabend als zweite Gabe ihres diesmaligen Gastspiels eine neue Original⸗Gesangsposse in fünf Bildern „Der Distanz⸗ ritt“ von Carl Costa und Franz Müller, Musik von Heinrich Müller, zur ersten Aufführung. Das erste Bild spielt im Wiener Offiziers⸗Casino, das zweite in Podiebrad, das dritte auf dem Bahnhof in Georgswalde, das vierte in Florisdorf und das fünfte in einem Hotel⸗Garten in Dresden. In den fünf Bildern werden in derb komischer Possen⸗Manier Scenen aus dem Wiener Leben, die nur in losem Zusammenhang untereinander und in fast gar keiner Beziehung zu dem im Oktober v. J. veranstalteten Distanzritt zwischen Wien und Berlin stehen, vorgeführt. Das komische Element tritt dabei zu selten, das derbe dagegen zu häufig in die Erscheinung, sodaß durch diese Posse dem Unterhaltungsbedürfniß der zur ersten Aufführung zahlreich zusammengeströmten Zuschauer nicht in genügender Weise Rechnung getragen wurde. Das Stück wird von einer ansprechenden und gut ausgeführten Musik eingeleitet und ist auch mit mehreren hübschen Gesangsmelodien versehen, die dem wohlwollenden Publikum wieder⸗ holt Gelegenheit zu Beifallsbezeigungen gaben. Auch gefiel ein von Herrn Franz Müller als ungarischer Husar, Diener eines der Distanzreiter, mit Fräulein Jolly als Stubenmädchen Leni getanzter
„Czardas so sehr, daß seine Wiederholung verlangt und gewährt wurde.
Das flotte Zusammenspiel und die Inscenirung verdienen Anerkennung, ohne daß unter den etwa sechzig Mitwirkenden besondere Leistungen hervorzuheben wären. 1“ 1 Sing⸗Akademie. Ddie hier bereits vortheilhaft bekannte Violinvirtuosin Fräulein Frida Scotta gab am Sonnabend ein Concert mit dem phil⸗ Ferneetsche Orchester, das sehr zahlreich besucht war. Ihre brillante Technik, unfehlbare Sauberkeit des Spiels auch in den höchsten Tönen des Flageolets, sowie ihre lebendige und sehr feinsinnige Vortragsweise kamen in zwei Concerten von Mendelssohn und Saint⸗Saëns wie in kleineren Stücken von Schumann, Bizet und Sarasate vortrefflich zur Geltung. Rauschender Beifall und Hervorruf folgten ihren Vorträgen. Das von Herrn Kavpellmeister Herfurth geleitete Orchester bewährte seine anerkannte Tüchtigkeit.
Saal Bechstein.
Die Opern⸗ und Concertsängerin Fräulein Elise Kutscherra (Mezzosopran) gab am Sonnabend ein Concert, das zahlreich besucht war. Die Sängerin gebietet über eine sehr kräftige, wohlklingende, einem Bühnenraum mehr entsprech nde Stimme, die bis auf einen etwas unsicheren Toneinsatz in der Tiefe eine sorgfältige Ausbildung erkennen läßt. Unter den 18 Gesängen und Liedern sind besonders erwähnens⸗ werth: die vier anmuthigen, wenn auch nicht sehr orginellen, zum ersten Mal hier vorgetragenen Lieder von Leo Fall, „Ständchen“ von Franz und „Immer leiser wird mein Schlummer“ von Brahms, welche die Künstlerin mit warm empfundenem Vortrag zu Gehör brachte. Der stets gern gehörte Cellist Herr Sand ow erfreute durch einige mit sicherer Technik und zartem Vortrag ausgeführte Salon⸗ stücke. Auch der Pianist Herr M. Capllonch unterstützte das Concert durch einige Piècen von Chopin, in denen mehr die technische Fertigkeit, als die Ausdrucksweise anzuerkennen war. 8
Die General⸗Intendantur der Königlichen Schauspiele in Berlin hat mit der Königlich dänischen Hof⸗Musikalienhandlung in Kopenhagen (Director Henrik Hennigs), welche die ausschließliche Vertretung von Enna’s Werken für alle Zeiten und Länder erworben hat, einen Vertrag abgeschlossen, wonach die erste Aufführung der Enna’schen Opern in Deutschland und Oesterreich bis zum 1. Januar 1903 der Königlichen Oper zugesichert worden ist. Gleichzeitig hat die Königliche Oper das neueste Werk von August Enna „Cleo⸗ patra“, Oper in 1 Vorspiel und 3 Acten, Textbuch von Einar Christiansen, deutsch von Fr. M. von Borch, zur Aufführung an⸗ genommen.
In der am Neuen Theater morgen stattfindenden ersten Auf⸗ führung von „Baronin Ruth“, Schauspiel in vier Acten von Robert Misch, sind außer Frau Kastner beschäftigt: die Damen Berg, Linden und Reichenbach, sowie die Herren Fischer, Haid, Hellmuth⸗Bräm, Seldeneck, Vorwerk und Worlitzsch.
Der nächste zweite Kammermusik⸗Abend der Herren Waldemar Meyer und Felix Dreyschock findet Mittwoch im Saal Bechstein statt. — In dem Wohlthätigkeits⸗Concert zur Linderung der Nothstände Rixdorfs in der Philharmonie am Donnerstag wird Frau Rosa Sucher außer der Cavatine aus St. Saëns' Oper „Samson und Dalila“ die „Träume“ von Wagner singen, Herr Bulß das wohlbekannte Josef Suͤcher'sche Lied „Liebesglück“ und zwei neue Gesänge von R. Schumacher. Frau Herzog trägt die Clärchen⸗ Lieder aus „Egmont“ von Beethoven und einen bisher unveröffent⸗ lichten „Bolero“ von Berlioz vor. — Ernesto Consolo, ein junger Klaviervirtuose aus Mailand, giebt hier am 3. Februar im Saal Bechstein ein Concert, für welches Herr Professor Dr. Joseph⸗ Joachim seine Mitwirkung zugesagt hat.
Z1’e Hof⸗Kapellmeister Vincenz Lachner in Karlsruhe ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Abend gestorben.
Mannigfaltiges.
Der Einzel⸗Etat der städtischen Park⸗ u nd Garten⸗ verwaltung für 1893/94 schließt ab, wie wir der „Voss. Z.“ ent⸗ nehmen, in Einnahme mit 17 732 ℳ, in Ausgabe mit 636 430 ℳ, wovon 481 780 ℳ auf das Ordinarium und 154 650 ℳ auf das Extraordinarium entfallen; es beträgt der zu leistende Zuschuß mit⸗ hin 618 698 % An Arbeitslöhnen, Löhnen für die Bewachung, Unterhaltung der Bewässerungseinrichtungen, Anfuhr von Dung, Erde, Kies u. s. w. sind angesetzt 393 200 ℳ Der Zuschuß der Stadt Berlin zur Unterhaltung der Anlagen im Thiergarten beträgt 30 000 ℳ Im Extraordinarium And angesetzt für die Erweiterung des Köll⸗ nischen Parkes bei Gelegenheit der Regulirung der Wassergasse 11 900 ℳ, desgleichen auf dem Terrain südöstlich der Auferstehungs⸗ kirche an der Friedens⸗ und Diestelmeyerstraße 10 300 ℳ, zur Her⸗ stellung von Schmuckstreifen in der YVorkstraße von der Großbeeren⸗ bis zur Katzbachstraße 16 000 ℳ, zur Herstellung eines Fahrweges im Treptower Park 12 000 ℳ u. s. w. — Der Einzel⸗Etat der städtischen Gemeindeschulen für das Jahr 1893/94 schließt ab in Einnahme mit 87 745 ℳ, in Ausgabe mit 9 434 380 ℳ, der erforderliche Zuschuß
beläuft sich somit auf 9 346 665 ℳ. In der Einnahme ist