Dem Kaiserlichen Gesundheitsamt vom 4. bis 6. Februar Mittags gemeldete Cholerafälle:
Regierungsbezirk Merseburg. In Nietleben am 3. d. M. 1 Erkrankung, 1 Todesfall; außerdem bei einem ver⸗ dächtig Erkrankten Cholera festgestellt. In Lettin 2 Er⸗ krankungen, 1 Todesfall, in Kröllwitz 1 Todesfall.
Regierungsbezirk Schleswig. In Altona am 2. und 3. d. M. in 6 Fällen Cholera festgestellt. 2 der Er⸗ krankten sind gestorben, am 6. Februar 4 Erkrankungen, 2 Todesfälle gemeldet. 1““
—“ Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent wird sich, wie die „Allg. Ztg.“ hört, bei dem Jubiläum des Papstes in Rom durch den General⸗Adjutanten Grafen von Lerchen⸗ feld⸗Brennberg vertreten lassen.
Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und der Erbgroßherzog von Luxemburg trafen vorgestern von Schloß Hohenberg in München ein. Der Großherzog setzte noch am Abend die Reise nach Luxemburg fort.
Württemberg. 8 Ihre Majestät die Königin ist am Freitag Abend von Nachod wieder nach Stuttgart zurückgekehrt. Am Sonnabend traf Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Herzogin Philipp von Württemberg mit den Herzogen Robert und Ulrich und in der Nacht zu gestern Seine önigliche Hoheit der Herzog Philipp in Stuttgart ein. Die Ankunft Seiner Königlichen Hoheit des Herzogs und Ihrer Kaiser⸗ lichen und Königlichen Hoheit der Herzogin Aldrecht erfolgt heute Mittag. Braunschweig.
Bei Ihren Königlichen Hoheiten dem Prinzen und der
Prinzessin Albrecht von Preußen fand im Herzoglichen Residenzschlosse am 3. Februar ein Hofball statt, zu dem ca. 540 Einladungen ergangen waren. „Bei der Beisetzungsfeier des verstorbenen Herzogs von Ratibor war Seine Königliche Hoheit der Prinz Albrecht, Regent des Herzogthums Braunschweig, durch den Flügel⸗ Adjutanten, Rittmeister von Seydewitz vertreten.
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Oesterreich⸗Ungarn.
Im Abgeordnetenhause des Reichsraths versammelten sich
Sonnabend Abend der Club der vereinigten deutschen Linken, der Polen⸗Club und der Club der Conser⸗ vativen. In sämmtlichen drei Clubs gaben die betreffenden Obmänner das Programm der Regieru ug bekannt. Das⸗ selbe lautet nach der „Wien. Ztg.“:
Die Allerhöchste Thronrede vom 11. April 1891 hat die Hoffnung ausgesprochen, daß sich die laufende Session des Reichsraths als eine Periode erfolgreicher Arbeit erweisen werde, und hat zur Mitwirkung alle Diejenigen aufgerufen, deren Ueberzeugung es ist, daß über den einzelnen Parteien die Gesammtheit, Staat und Volt, stehe und daß die Sorge für diese höchsten Interessen“ durch Parteibestrebungen niemals beirrt werden dürfe. Um diesen Intentionen der Aller⸗ höchsten Thronrede gerecht zu werden, erscheint es jedoch nach den gemachten Erfahrungen nothwendig, daß jene Parteien und Abgeordneten, welche dem an sie ergangenen Auf⸗ rufe mit patriotischer Bereitwilligkeit zu folgen entschlossen sind, in eine Coalition treten und hierdurch einen entsprechenden und gedeih⸗ lichen Fortgang der parlamentarischen Thätigkeit sichern. Die Re⸗ gierung wendet sich daher an jene parlamentarischen Factoren, welche den in der Allerhöchsten Thronrede entwickelten Anschauungen bei⸗ pflichtend im Interesse der Gesammtheit ihren Parteibestrebungen Einhalt geboten und dies durch einen übereinstimmenden Beschluß über die Art der Beantwortung der Allerhöchsten Thronrede auch bethätigt haben. Damit sich jedoch jene parlamentarischen Factoren, welche nach ihrer Auffassung der staatlichen Angelegenheiten für eine solche Coalition in Betracht kommen, bei voller Kenntniß der Absichten der Regierung über den Beitritt zu dieser Coalition zu entscheiden vermögen, erachtet es die v“ für ihre Pflicht, unter Hinweis auf die in der Sitzung des A geord⸗ netenhauses vom 2. Dezember 1892 abgegebene Erklärung die Grund⸗ säße klar auszusprechen, die sie bei der Führung der öffentlichen An⸗ gelegenheiten leiten. Ebenso wie die Regierung jederzeit bereit ist, im Sinne der auch von den Delegationen durchaus gebilligten aus⸗ wärtigen Politik der österreichisch⸗ungarischen Monarchie, die Maächtstellung des Reichs mit allen titteln zu wahren und zu kräftigen, somit auch für die Entwickelung der Wehrkraft voll einzustehen, hält sie rückhaltlos an dem gegenwärtigen
setzlich geregelten Verhältnisse zur ungarischen Rei ghalfte. wo⸗ durch die der Monarchie ihren dauernden Abschluß ge⸗ funden hat, fest. Die Regierung steht unverrückbar auf dem Boden der bestehenden Verfassung und ihrer Grundprincipien und wird daher Aenderungen dieser Grundprincipien nicht zustimmen. Die Verfassung bildet die feste Basis für die Entfaltung des gesammten politischen Lebens. Auf dieser Basis wird sich aber das politische Leben nur dann im Einklange mit dem österreichischen Staatsgedanken ent⸗ wickeln, wenn dic gesetzlich gewährleistete Autonomie der Königreiche Tund Länder, ebenso wie der nationale Besitzstand der ein⸗ zelnen Volksstämme gewahrt und jedes Uebergreifen verhindert wird. Die Regierung erkennt an, daß die gesetzliche Regelung des Gebrauchs der Sprache in Amt, Schule und öffentlichem Leben Zunter voller Berüccksichtigung der der deutschen Sprache als allge⸗ meinem Verständigungsmittel auch für die Zwecke der Ver waltung zukommenden Bedeutung — geeignet ist, die Herstellung des nationalen Friedens zu fördern. Die Regierung wird daher ein Einvernehmen zwischen den betheiligten Parteien hinsichtlich dieser Frage herbei⸗ zuführen bestrebt sein und eine auf ein solches Einvernehmen sich gründende eventuelle legislative Action unterstützen. Bis zu dem Zu⸗ tandekommen eines solchen Gesetzes wird die Regierung — unter dem ausdrücklichen Vorbehalte der ihr zustehenden Competenz — innerhalb ihres administrativen Wirkungskreises Veränderungen des nationalen Besitzstandes thunlichst hintanhalten. Dies gilt ebenso für Ent⸗ scheidungen des freien Ermessens, als für jene der administrativen Judicatur. Im letzteren Belange wird die Regierung, welche durch die geltenden Gesetze und Verordnungen gnen ist, an der be⸗ stehenden langjährigen Uebung möglichst festhalten. Unser staatliches Leben erheischt jedoch nicht bloß die thunlichste Vermeidung nationaler Streitpunkte, sondern auch ein friedliches Verhältniß der einzelnen Fensesfioner⸗ Föö und Staatsbürger unter einander Die Regierung wird daher religiöse Ueberzeugungen stets achten und schützen und Verhetzungen jeder Art mit Entschiedenheit en gegenzu⸗ treten wissen. Die Regierung hält die Freft nenns. chenpoaitcher Fragen und der legislativen Behandlung von grun sätzlichen Aende⸗ rungen des Reichs⸗Volksschulgesetzes im Interesse des ruhigen Zu⸗ sammenwirkens der betheiligten Partemn für erforderlich. ie Re⸗ gierung wird jedoch bei der Anwendung des Reichs⸗Volksschul esetzes den religiösen Gefühlen der Bevölkerung innerhalb der beste enden Gesetze Rechnung tragen. In Fragen der religiösen Gefühle erkennt die Regierung lediglich das Gutachten der be⸗ treffenden kirchlichen Behörden als maßgebend an und wird deren Wünschen in dieser Hinsicht innerhalb der bestehenden
Gesetze nach Thunlichkeit entgegenkommen. Die Allerhöchste Thron⸗ rede hat bereits darauf hingewiesen, daß die Aufgaben des wirthschaft⸗ lichen Lebens, welche nicht das Snterefe einzelner Parteien, sondern die Sorge für die Gesammtheit uns anferleg durch die rasche Ent⸗ wickelung in der Gegenwart besonders zahlreich und dringend geworden sind, und hat eine Reihe von Gegenständen aufgezählt, welche diesem Gebiete angehören. Einige der betreffenden Gesetzesvorlagen haben in dem abgelaufenen Sessionsabschnitte bereits ihre Erledigung ge⸗ funden, andere stehen in parlamentarischer Behandlung, oder sind noch in Ausarbeitung begriffen. Mit diesen Gegenständen ist aber die noth⸗ wendige Thätigkeit auf wirthschaftlichem Gebiete in keiner Weise abgeschlossen. Es gesellt sich hierzu nicht bloß die stets erneute und
ei den immerfort wachsenden Anforderungen auf allen Gebieten des staatlichen Lebens stets schwieriger und verantwortungsvoller sich ge⸗ staltende Sorge für die Erhaltung und Festigung des Gleichgewichts im Staatshaushalt, sowie für die erfolgreiche Durchführung der Regelung unseres Geldwesens und der gerechten Vertheilung der Steuerlast; auch sonst lassen die gebotene, der naturgemäßen Entwickelung angepaßte Förderung der Production und des Verkehrs, die Nothwendigkeit der Erhaltung und des Schutzes der Mittelstände auf allen wirthschaftlichen Gebieten, sowie der Förderung des Ausgleichs socialer Gegensätze, und der Hebung der schwächeren Gesellschaftsklassen, endlich die Nothwendigkeit, solchen Ausschreitungen des Eigennutzes, welche einem gesunden wirthschaftlichen Fortschritte schädlich sind, mit Ernst und Strenge entgegenzutreten, fortgesetzt neue Aufgaben entstehen, deren eifriger Erfüllung Gesetzgebung und Verwaltung, welche auf der Höhe der Anforderungen schwieriger Zeit⸗ verhältnisse stehen wollen, sich durchaus nicht entschlagen können. Endlich bildet auch die gebotene Fortbildung des Civil⸗ und Strafrechts den Gegenstand großer legislativer Arbeiten. Nach den eben entwickelten Grundsätzen wird die Regierung vorgehen. Hierzu bedarf sie einer festen parlamentarischen Unterstützung. Sie erwartet bei dem Umstand, als keine der vorhandenen Hangee für sich allein diese Unterstützung gewähren kann, daß die staatserhaltenden gemäßigten Parteien und Abgeordneten gleicher Gesinnung in eine den Anschauungen der Re⸗ gierung böüpfiichtende Coalition treten werden. Soll diese Coalition thatsächlich feste Majoritäts⸗Verhältnisse im Abgeordnetenhaus schaffen, so benöthigt sie eines Organs aus ihrer Mitte, dem die Aufgabe zufiele, die Verbindung mit der Regierung ständig aufrecht zu erhalten und die gemeinsamen parlamentarischen und politischen Angelegenheiten zu ordnen.
Nach längerer Berathung faßte der „Wien. Ztg.“ zufolge der Club der vereinigten deutschen Linken folgenden Beschluß: —
„Das mitgetheilte Programm der Regierung enthält vorerst die Einladung zur Bildung einer Parteiencoalition, sodann eine Reihe von Grundsätzen, von welchen die Regierung sich bei der Führung der öffentlichen Geschäfte leiten lassen zu sollen erklärt. Die vereinigte deutsche Linke hält noch immer dafür, daß eine Coalition von staats⸗
erhaltenden, nicht durch große innere Gegensätze geschiedenen Parteien
eine gedeihliche Entwickelung unserer politischen und parlamentarischen Verhältnisse herbeiführen und verbürgen würde; sie kann jedoch mit folchen Parteigruppen und Abgeordneten, welche gegenüber den Grundanschauungen der Partei bisher eine gegensätzliche Stellung eingenommen haben, ohne Preisgebung ihrer eigenen Ueberzeugung eine Coalition nicht eingehen. Die Partei nimmt den Inhalt des Regierungsprogramms zur Kenntniß und constatirt, daß jene Sätze, welche sich auf die Be⸗ kräftigung der auswärtigen Politik und des staatsrechtlichen Ver⸗ hältnisses zu Ungarn sowie auf die Aufrechterhaltung der Grundprincipien der Verfassung, die Erhaltung des nationalen Besitzstandes der Deutschen, die reichsgesetzliche Regelung der Sprachenfrage mit An erkennung der der deutschen Sprache zukommenden besonderen Stel⸗ lung und die Aufrechterhaltung der Grundsätze des Reichs⸗Volksschul⸗ estes, dann die Erhaltung des socialen und confessionellen Friedens
eziehen, den grundlegenden Anschauungen der Partei entsprechen, für welche dieselbe jederzeit eingetreten ist und welche sie auch künftighin mit Entschiedenheit vertreten wird. Dagegen rufen die im enthaltenen weitergehenden Vorbehalte bezüglich der Rechte der Executive und der administrativen Praxis ernste Bedenken wach; gilt dies schon von der Sprachenfrage, so halten wir uns überdies ins⸗ besondere bezüglich der Schulverwaltung für verpflichtet, ausdrücklich zu erklären, daß die religiösen Gefühle der Bevölkerung, die wir hoch⸗ halten und geschützt wissen wollen, durch die bestehende Reichs⸗ und Landesgesetzgebung über die Schule keinerlei Beeinträchtigung erfahren, daß wir daher eine administrative axis, welche dem Geist und lebendigen Inhalte des Reichs⸗Volksschulgese tzes widersprechen würde, unmöglich gutheißen könnten. Die Partei erklärt bei diesem Anlasse, daß sie im Interesse der Lösung einer der wichtigsten Aufgaben der inneren Politik, für welche zugleich bindende Verpflichtungen vor⸗ liegen, die Bestrebungen der deutsch⸗böhmischen Abgeordneten auf wirk⸗ same Fortführung der Ausgleichsaction, insbesondere aber der natio⸗ nalen Bezirksabgrenzung in Böhmen nach wie vor mit aller Macht unterstützen wird. Das politische Verhalten der Partei gegenüber der Regierung wird wesentlich von der Art der Handhabung der im Pro⸗ gramm aufgestellten Sätze sowie von dem allgemeinen Geiste der Ver⸗ waltung abhängig sein; bei Berathung der einzelnen sachlichen Re⸗ gierungsvorlagen wird sich die Partei die freie Hand wahren und dabei sich auch ihrerseits von dem aufrichtigen Bestreben leiten lassen, wirth⸗ schaftliche, gewerbliche, Verkehrs⸗ und socialpolitische sowie Justiz⸗ und Steuerreformen zu fördern.“
Der Polenelub nahm gestern, wie „W. T. B.“ meldet, das Regierungsprogramm für die Bildung einer Mehrheit zur Kenntniß und erklärte sich bereit, die Regierung im Sinne des Programms zu unterstützen; sachliche Prüfung, sowie die Entscheidung über die einzelnen Vorlagen behielt sich der Club jedoch vor. 1
Der conservative Club nahm das Programm gleich⸗
falls zur Kenntniß, sprach aber sein Bedauern darüber aus,
sehr ernste Bedenken gegen verschiedene Punkte des Programms vorbringen zu müssen. Der Club behielt sich eine sachliche Prüfung der Vorlagen vor und erklärte, keinen Anlaß zu haben, seine Stellung gegenüber der Regierung zu ändern. Bei der vorgestern im Abgeordnetenhause fort⸗ gesetzten Debatte über den Etat der Unterrichtsverwal⸗ tung trat bei dem Titel „Mittelschulen“ der Unterrichts⸗ Minister Dr. von Gautsch für Beibehaltung des Griechischen in den Gymnasien ein. Der Wegfall des Griechischen würde den Eckpfeiler der Cultur, der 1 mit den west⸗ lichen Völkern verbinde, zertrümmern un anfangs einen wenig bemerkbaren, später aber einen empfindlichen und überaus nachtheiligen Riß zwischen dem Geistesleben Oester⸗ reichs einerseits und Deutschlands, Frankreichs und Englands kerseits herbeiführen. C11““
Großbritannien und Irland.
In Huddersfield ist an Stelle des verstorbenen Summers,
eines Anhängers Gladstone’s, der Conservative Crosland zum Mitgliede des Parlaments gewählt worden.
Frankreich. Der „Agence Havas“ wird in einem Telegramm aus Konstantinopel eine Nachricht der „Times“, wonach der französische Botschafter Cambon Anweisung erhalten habe, auf die Pforte einen Druck auszuüben, damit eine europä ische Conferenz zusammenberufen werde, die über die durch die Intervention Lord Cromer’'s in Egypten geschaffene Lage be⸗ rathen solle, als unrichtig bezeichnet. . Bei dem am Sonnabend im Elysée abgehaltenen Ministerrath wurde, dem „W. T. B.“ zufolge, beschlossen,
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der Kammer eine Vorlage zu unterbreiten, nach welcher die Wittwe Renan's eine lebenslängliche Pension von 6000 Fres. erhalten soll.
In der vorgestrigen Sitzung der Deputirtenkammer erklärte bei der Berathung des Budgets für die Colonien der Unter⸗Staatssecretär Delcassé in Beantwortung verschiedener Anfragen, die Lage in Tongk ing sei eine günstige; die mili⸗ tärischen Streitkräfte dürften nicht vermindert werden, obwohl die Pacification des Landes eine vollständige sei. Von dem Gebiet am Mekong sprechend, betonte Delcassé, die Rechte rankreichs auf dieses Gebiet seien zu unantastbar, um Eingriffe seitens der Siamesen zu gestatten. Was Dahomey angehe, so sei die Kriegsperiode beendet. Ohne behaupten zu wollen, daß das Colonialgebiet Frankreichs nicht noch ausgedehnt werden könnte, halte er doch den Augenblick für gekommen, wo das Schwert den friedlichen Bemühungen den Platz räumen müsse.
Die Budgetcommission hat entgegen dem Antrage des Finanz⸗Ministers Tirard beschlossen, die Vorlage, be⸗ treffend die Börsensteuer, abzuändern. Der Entwurf der Commission wird einfach eine Steuer festsetzen, ohne deren Erhebung zu regeln, um nicht die gegenwärtige Stellung der Agents de change und der Coulissiers zu einander zu verändern.
Infolge einer Erklärung Rochefort's, Cornelius Herz habe ihm mitgetheilt, daß er vier Millionen Francs für Clémenceaus Blatt „Justice“ geageben, beabsichtigt der Abgeordnete Millevoye an die Panama⸗Untersuchungs⸗ Commission das Ersuchen zu richten, Delegirte nach London zu senden, um Rochefort wegen dieser Er⸗ klärung zu vernehmen. Nach einer den Pariser Blättern zugegangenen Mittheilung, würde der Justiz⸗Minister Bour⸗ geois es ablehnen, eine eventuelle Interpellation in dieser Sache zu beantworten. Clémenceau hat sich erboten, der Untersuchungscommission die Bücher der ‚Justice“ zur Ver⸗ fügung zu stellen.
Der König Milan hat sich am Sonnabend von „¼ nach Frankfurt a. M. begeben. “ “
Rußland.
Der Emir von Buchara hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ Rußland um die Anerkennung seines Sohnes als Thronfolger gebeten; der Prinz soll in St. Petersburg erzogen werden. Wie verlautet, wäre die Anerkennung be⸗ reits erfolgt.
Italien.
In der Sitzung der Deputirtenkammer vom Sonn⸗ abend wurde laut Meldung des „W. T. B.“ ein Antrag Rudini's verlesen: in Bezug auf die Erklärung Tanlongo’s, er habe an mehrere Minister⸗Präsidenten Summen vertheilt, eine Untersuchung anzuordnen.
Erklärung ab, er habe niemals irgend welche Summe von der
Banca Romana verlangt oder erhalten. Nach einer kurzen Erwiderung des Minister⸗Präsidenten Giolitti beschloß die
Kammer, die Festsetzung eines Tages für die Berathung
Antrags Rudini sich vorzubehalten.
Die Staatseinnahmen in den sieben ersten Monaten des laufenden Rechnungsjahres übersteigen diejenigen aus d gleichen Zeitraum des Vorjahres um etwa 20 Mlillionen Lire.
Michel Lazzaroni, der Neffe des bereits in Unter suchungshaft befindlichen Kassirers der „Banca Romana“ Cesar Lazzaroni, ist gestern Abend wegen Betheiligung an den Unterschlagungen und Fälschungen, die bei der „Banc Romana“ begangen find, verhaftet worden.
Spanien.
Nach dem gestern ausgegebenen Bulletin Besserung im Befinden des Königs fort.
Die Königin⸗Regentin hat, wie „W. T. vorgestern das Decret, durch
Hierauf gab Rudini die
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das die Cortes auf den
5. April einberufen werden, unterzeichnet. Die Deputirten⸗
wahlen sind auf den 5. März, die Wahlen Senat auf den 19. März anberaumt worden. — Der Zustand der Herzogin von Montpensier hat
sich nicht gebessert; die Königin von Portugal sowie der Graf
und die Gräfin von Paris weilen in Sevilla an dem Kranken⸗
lager. Auch der Herzog von Orleans, der sich bereits auf der
Rückreise von Asien befindet, wird daselbst erwartet.
zu
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Am Sonnabend Abend fand in Madrid eine zahlreich
besuchte republikanische Versammlung statt, an der
die hervorragenden Parteiführer mit Ausnahme von Castelar
theilnahmen. Salmeron und mehrere Anhänger Zorilla's
hielten Ansprachen, in denen sie für einen Zusammenschluß
aller Republikaner und für eine iberische Union eintraten. Nach dem Schlusse einer in Barcelona abgehaltenen
Versammlung von Studirenden, die zur Förderung
der Erbauung einer protestantischen Kapelle in Madrid ein⸗ berufen war, griff ein von einer Frau geführter Haufe von Anarchisten die Polizei an und feuerte auf diese. Zwei Poliziten wurden leicht verwundet. Die Gendarmerie stellte die Ruhe her. Sechs Verhaftungen wurden vorgenommen.
Griechenland. Der König und die Königin sind, wie „W. T. B.“ meldet, begleitet vom Kronprinzen und dem Prinzen Nikolaus,
am Sonnabend Abend von Athen nach Korinth abgereist, um
—
von dort an Bord der Königlichen Nacht Sphakteria“ die
Fahrt nach Zante anzutreten. Rumänien. B 88
Der Prinz und die Prinzessin Ferdinand von Rumänien sind, wie „W. T. B.“ berichtet, am Sonnabend Mittag in Bukarest eingetxoffen und wurden auf dem Bahnhofe vom König bewillkommnet. Zum Empfange waren daselbst alle Civil⸗ und Militärbehörden, die Staatswürdenträger und deren Damen erschienen. Eine Compagnie des Jäger⸗Bataillons, dessen Commandeur der Prinz⸗Thronfolger ist, war mit Fahne und Musik als Ehrenwache auf dem Bahnhofe aufgestellt. Eine große Menschenmenge bereitete dem hohen Paar einen enthusiastischen vhe durch Absingen der Nationalhymne, während Salut⸗ schüsse abgegeben wurden. Der Prinz Ferdinand und Gemahlin, sowie der König betraten hierauf mit dem Gefolge den für den feierlichen Empfang auf dem Bahnsteig errichteten und⸗ elegant ausgestatteten Pavillon, in welchem die Vorstellungen erfolgten und die Damen zahlreiche prachtvolle Blumen⸗ spenden überreichten. Vom Bahnhof begab sich der König mit dem Prinzen und der Prinzessin Ferdinand zur Kathedrale, wohnte dem vom Erzbischof und Primas von Rumänien unter Assistenz der hohen Geistlichkeit celebrirten Tedeum bei und unterzeichnete mit der hohen Geistlichkeit und den Staatswürdenträgern eine über den feierlichen Act aus⸗ gestellte Erinnerungsurkunde. Hierauf begab sich der Zug
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r findet sich in der Dritten Beilage.
nach dem Palais, wo die Prinzessin Ferdinand von jungen Mädchen unter Ueberreichung von Blumen willkommen eheißen wurde. Ueberall wurde das hohe Paar bei fechem Einzuge mit enthusiastischen Zurufen begrüßt und Blumen wurden auf den Weg gestreut. Die Stadt prangte in Pien Schmuck rumänischer, englischer deutscher und russischer Fahnen. Am Abend fand ein Galadiner bei Hofe statt, woran sich ein Zapfenstreich mit Fackelzug und Illumination anschloß. Gestern wurden zur Erinnerung an die Vermählung des Prinzen Ferdinand zweiunddreißig Paare, je eins aus jedem District, in besonders feierlicher Weise öffentlich getraut. Der nach der Volkssitte veranstaltete Hochzeitszzug mit seinen blumengeschmückten Wagen bot einen prächtigen Anblick. Nach dem feierlichen Trauacte folgte ein Dejeuner, bei dem der König, sowie der Prinz Ferdinand mit seiner Gemahun auf das Wohl der neuver⸗ mählten Paare tranken und einem jeden ein reiches Geld⸗ geschenk als Hochzeitsgabe überreichten. Der König sowie der Prinz und die Prinzessin Ferdinand wurden überall mit enthusigstischen Zurufen begrüßt. In der Stadt herrschte leb⸗ hafte Bewegung; aus allen Theilen des Landes waren zahlreiche Bewohner zur Theilnahme an den Festlichkeiten eingetroffen.
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Abends fand im Theater eine Galavorstellung statt, an die
eine Illumination anschloß.
Dänemark.
biner Meldung des „W. T. B.“ aus Kopenhagen zuͤ⸗ folge verlautet daselbst in parlamentarischen Kreisen, die Com⸗ mission des Folkething habe beschlossen, die Einführung durchgreifender Reformen im dänischen Konsulatswesen zu befürworten. Danach sollten die wanzig wichtigsten Plätze mit ernannten Berufs⸗Konfuln besetzt, im übrigen die gewählten Konsuln beibehalten, letzteren aber an einigen Orten besoldete Konsulats⸗Secretäre bei⸗ gegeben werden. Was die Besoldung der Berufs⸗Konsuln be⸗
treffe, so verwerfe die Commission das jetzt bestehende System
der Konsulatssporteln und empfehle behufs Gewinnung der er⸗ forderlichen Mittel, den dänischen Schiffen, die Fahrten ins Ausland unternähmen, eine jährlich zu entrichtende kleine Ab⸗ gabe aufzuerlegen 8 Amerika. 1“““ Dem Staatssecretär des Auswärtigen Foster ist dem „W. T. B.“ zufolge ein vom 18. Januar datirtes Telegramm des Minister⸗Residenten der Vereinigten Staaten in Hawaii, Stevens, zugegangen, wonach die diplomatischen Vertreter der auswärtigen Mächte die neue Regierung auf Hawaii
anerkannt haben. 8
Afrika. „Reuter'schen Bureau“ wird aus Assiut vom 5. d. M. gemeldet: Der Khedive ist gestern hier an⸗ gekommen und wird heute nach Sohag (Girgeh) weiter⸗ reisen. An allen Bahnhöfen wurde ihm von der Bevölkerung ein warmer Empfang bereitet. Morgen wird der Khedive seine Reise nach Abu⸗Tig (Ober⸗Egypten) fortsetzen, um dort der Eröffnung der neuen Eisenbahnline beizuwohnen.
Einem Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“ aus Sansibar von gestern zufolge sind daselbst Meldungen aus Kismaju eingetroffen, wonach ernstliche Ruhestörungen unter den Somalis in Kismaju und Baraza vorgekommen sind. Da eine Telegraphenverbindung zwischen Sansibar und “ nicht besteht, liegen noch keine Einzelheiten vor. Die Veranlassung zu den Ruhestörungen scheint gewesen zu sein, daß die Somalis den Agenten der englisch⸗ostafrikanischen Gesellschaft mißhandelt hatten und deshäͤlb die Polizei und die Besatzung des englischen Kriegsschiffs „Widgeon“ ge⸗ zwungen war, auf die Somalis zu feuern. Acht von diesen sollen getödtet sein, die anderen hätten sich alsdann zuruͤck⸗ gezogen. Nach den bisherigen Nachrichten wäre kein Europäer verwundet. Rennell Rodd, der englische Geschäftsträger in Sansibar während der Abwesenheit Portal's, ist an Bord des Kriegsschiffs „Philomel“ nach Kismaju abgegangen, um die Angelegenheit zu ordnen.
““
Dem
Parlamentarische Nuchrichten.
Deutscher Reichstag. Bericht über die 36. Sitzung vom
— De
4. Februar be⸗
37. Sitzung vom Montag, 6. Februar, 1 Uhr.
wohnt der Staatssecretär Dr.
Der Sitzung Boetticher bei.
„ Auf der Tagesordnung steht zunächst ein schleuniger Antrag Singer und Genossen, betreffend die Sistirung IIööe gegen den Abg. Freiherrn von Münch.
Der Abg. Freiherr von Münch ist vom Landgericht Stuttgart ausgefordert worden, bis zum 20. Februar entweder die zweimonatige Gefängnißftrafe anzutreten, die gegen ihn erkannt ist oder den Nach⸗ weis zu führen, daß der Reichstag die Einstellung des Strafverfahrens für die Dauer der Session verlangt. Auf Ersuchen des Genannten d 5 socialdemokratische Partei den letzteren Antrag beim Reichstag gestellt.
Der Antrag wird ohne Discussion angenommen.
Darauf setzt das Haus die zweite Berathung des Etats des Reichsamts des Innern beim Titel „Staatssecretär⸗ gehalt 50 000 ℳ“ fort.
„Abg. Bebel (Soc.): Der Abg. Leuschner hat am Sonnabend erklärt, aufs Wort verzichten zu können, da die Socialdemokratie in den drei Tagen der Debatte vollständig moralisch vernichtet sei. Daß wir selbst darauf den Antrag auf Vertagung stellten, beweist wohl schon, daß wir noch nicht vernichtet sind. Wir sind jederzeit bereit, diesen Kampf aufzunehmen und zu führen, und wer in demselben moralisch Sieger bleibt, wird die Arbeiterwelt entscheiden. Noch nie hat eine herrschende Klasse zugegeben, daß die von ihr ver⸗ tretene Ordnung eine falsche oder auch nur eine verbesserungsfähige sei. Ihr Denkvermögen erlaubt Ihnen auch nicht, zwischen Staat und Gesellschaft einen Unterschied zu machen. Der Zukunftsstaat soll Anerseite ein Zuchthaus, andererseits ein Kaninchenstall sein, sagt der A 8 Freiherr von Stumm. Er mag ja nicht wissen, wie es im Zuchthaus aussieht. Die Fabrikordnung der Gebrüder Stumm ist ganz genau so beschaffen, wie die für ein Zuchthaus. Der Abg. Freiherr von Stumm hat ja ausgesprochen, daß er seine Vorschriften, die jetzt nicht mehr in die Fabrikordnung kommen können, gleichwohl es dürchftihren lassen, also auch seine Heirathsbeschränkungen, seine Finflußnahme auf die Regelung der Kindererzeugung und Fort⸗ flanzung. Die bürgerliche Gesellschaft ist sel st nach 1866 8 Aufhebung der Ehebeschränkungen übergegangen, als sie die politische Macht in die Hände bekam. Ist es denn wirklich wahr, daß wir mit
*
von
Bestrebungen
95. lunseren Bestrebungen gegen die Natur handeln, daß wir allen natür⸗ ichen Bedingun gen der Menschheit entgegenstreben? Dann haben vom ersten Tag seiner Existenz an verloren sein. Aber weil Sie wissen, daß das nicht sein wird, weil Sie wissen, daß Sie es mit einer Culturbewegung ersten Ranges zu thun haben, darum schildern Sie den Zukunftsstaat in der abschreckenden Weise, wie es in diesen Tagen geschehen. Alles, was die Abgg. Dr. Bachem und Richter in ihren Reden gegen den Zukunftsstaat entwickelt haben, ist ja bei den Wahlen in Flugblättern ausgesprochen worden. Da wurden wir als die Mordbrenner, Räuber, die alle Cultur und Civilisation zerstören wollen, die die Barbarei zurückführen wollen, dargestellt. An wen kommen diese Flugblätter? An Leute, welche von uns und unseren
nicht das Mindeste gehört haben. Und nrolbem ist die Zahl unserer Stimmen immer mehr gewachsen. Der Abg. Stöcker sagt, wir verführen die Massen. Warum sind sie zu ver⸗ führen? Weil Sie (rechts) sie in der Unwissenheit gelassen haben. Diese Unwissenheit ist ein Produet Ihrer Politik, und wir kommen, um Aufklärung zu bringen. Sie erklären ja auch, es ist in der Ordnung, daß der Arbeitgeber die Arbeiter zwingt, ihre Stimmen bei der Wahl für ihn und seine Richtung abzugeben. Der Abg. Freiherr von Stumm und Herr Krupp verbieten gewisse Zeitungen ihren Arbeitern oder verhängen über dieselben den Boycott. Herr Krupp nimmt dann den von ihm über zwei klerikale Zeitungen verhängten Boycott zurück und läßt er⸗ klären, er habe sich überzeugt, daß diese Blätter für die Arbeiter keine Gefahr mehr seien. Das sind Zuchthauseinrichtungen. Warum haben die Herren vom Centrum nicht das allgemeine, gleiche directe und ge⸗ heime Wahlrecht in Preußen verlangt? Sie haben die Grundlagen desselben unangetastet gelassen; sie wollen eben den Arbeitern politische Rechte nicht geben. Der Abg. Dr. Bachem hat eine Rede Bismarck's vom 26. November 1884 citirt, aber nicht vollständig. Fürst Bismarck hat damals erklärt, daß das bischen Socialreform, welches Deutschland macht, ausschließlich den Socialdemokraten zu verdanken sei. Die 36 Socialdemokraten sind eine verschwindende Minorität, aber sie haben mehr moralischen Einfluß, als die übrigen 360 Mitglieder des Reichstags. Ausdrücklich stellt dies auch schon die Kaiserliche Botschaft von 1881 fest. Der Abg. Dr. Bachem irrt sich, wenn er glaubt, wir hätten keine alten Arbeiter zu unseren Anhängern. Haben wir nicht die meisten Stimmen bei der letzten Wahl bekommen? Sind wir nicht stärker als das Centrum? Und bei den nächsten Wahlen werden wir dieses mit der doppelten Stimmenzahl schlagen! Lassen Sie es doch darauf an⸗ kommen! Weshalb haben Sie denn die fünfjährigen Legislatur⸗ perioden eingeführt? Doch nur aus Angst vor der Social⸗ demokratie! Wenn 1 427 000 Wähler für eine Partei stimmen, welche von allen übrigen Parteien aufs heftigste bekämpft wird, dann können wir sagen, sie gehören uns. War es arbeiter freundlich, die Reichsunmittelbaren erst mit dem Kapital auszustatten, damit sie endlich zur Steuerzahlung herangezogen werden konnten? Und gerade das Centrum ist dafür mit Feuereifer eingetreten. Der Abg. Dr. Bachem verlangt von uns officielle Aufklärung über den Zukunftsstaat. Ich habe mir Mühe gegeben, darzustellen, wie nach meiner Auffassung, gemessen an dem Maßstabe der heutigen Verhältnisse, sich die Production in Zukunft gestalten könnte. Der Abg. Dr. Bachem hat davon aber nichts in unseren Schriften gefunden, während der Abg. Richter erklärt, es stehe das alles in Bebel's „Frau“ und sich 1 ½ Stunden lang mit guten und schlechten Witzen dagegen abmüht! Gute und schlechte Witze lösen aber die socialen Probleme nicht. Was ich 1869 geschrieben habe, war ein erster schriftstellerischer Versuch, die späteren Auflagen machen in der Vorrede ausdrücklich darauf aufmerksam. Von einer Fanatisirung der Massen mit Anschauungen, an denen wir selbst nicht mehr festhalten, ist also keine Rede. Die betreffende Anschuldigung des Abg. Stöcker ist unbegründet. Auch was in meinem Buche „Die Frau“ steht, halte ich voll und ganz aufrecht. Die nächste Auflage, welche noch viel schärfer in der Tonart sein wird, wird in 70 000 Exemplaren erscheinen. (Schluß des Blattes.) “
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
Der Bericht über die
Dritten Beilage. 27. Sitzung vom 6. Februar.
Der Sitzung wohnt der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen bei.
Auf der Tagesordnung steht die Berathung des Etats der Bauverwaltung. ““ .u“
Bei den Einnahmen führt “ .
Abg. Knebel (nl.) aus, daß der Verkehr a f den Wasserstraßen den Verkehr auf den Eisenbahnen erheblich überflügelt hat. Der Güterverkehr auf Wasserstraßen betrug 1875 219 000 t, auf Eisen⸗ bahnen 410 000 t, jetzt 480 000 bezw. 450 000 t. An dieser Hebung des Wasserverkehrs hat auch der Rhein einen großen Antheil.
rüher war der Verkehr auf dem Rhein sehr beschränkt, weil die
ürsorge für die Wasserstraße damals keine einheitliche war. Erst unter preußischer Herrschaft ist es gelungen, hier eine Besserung eintreten zu lassen, sodaß seit 1885 wieder ein directer Seedampferverkehr zwischen Köln und London stattfinden kann. In Frankreich ist man bestrebt, den Seeverkehr bis nach Paris zu leiten, und auch für Berlin hat man ha ähnliche Pläne in Aussicht genommen. Redner empfiehlt eine er⸗ hebliche Vertiefung des Rheins, wie sie bei der Unterweser geschehen ist. Wenn die entsprechenden Gebühren auf dem Rhein wie auf der Weser erhoben werden, wird es leicht sein, die Kosten aufzubringen. Die Ausdehnung des Seeverkehrs bis Köln würde unsere seemännische Bevölkerung vermehren, und auch die Eisenbahneinnahmen würden dadurch vermehrt werden.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Die Regierung verkennt keineswegs die hohe wirthschaftliche Bedeutung der vom Vor⸗ redner angeregten Frage; sie ist den Bestrebungen entgegengekommen, die darauf gehen, Untersuchungen anzustellen und Vorarbeiten fertig zu stellen. Es muß nunmehr festgestellt werden, ob die Gutachten zutreffend sind in Bezug auf ihre technische Möglichkeit und ihre finanzielle Grundlage. Der Strombau⸗Director von Koblenz ist zum Bericht darüber aufgefordert worden. Es stehen aber dem Project eine Reihe großer Schwierigkeiten entgegen: zunächst der Umstand, daß das preußische Staatsgebiet nur bis Emmerich geht, daß der untere Lauf des Rheins in den Niederlanden liegt, die allerdings große Mühe auf die Correction des Rheins verwendet haben; die Wassertiefe des Rheins soll dort bis auf 2,70 m gebracht werden. Die Wassertiefe von 5—6 m herzustellen würde also eine Bereitwilligkeit seitens der niederländischen Regierung erfordern, die vielleicht nicht so leicht zu erreichen sst. Von Bingen bis Köln ist die Tiefe von 2 ½ m noch nicht erreicht, von Köln bis Emmerich ist aber eine Tiefe von 3 m erreicht. Die Bedeutung Koölns als Umschlage⸗ platz ist gegenüber Mannheim und anderen Plätzen sehr zurückgegangen, zum theil wegen der Vernachlässigung der Hafen⸗ anlagen. Die Verbesserung der Wasserstraßen wird auf die Dauer dem Verkehr der Eisenbahnen nicht schädlich sein. Die Verbesserung 2b Wasserstraßen wird daher bei mir stets eine warme Vertheidigung inden.
Abg. Knebel (nl.): In meinen Worten sollte durchaus kein Vorwurf gegen die Regierung liegen. Es ist alles geschehen, was geschehen konnte, um den Verkehr zu heben. Ich kann nur wünschen, daß die Bestrebungen des Ministertz guten Fortgang nehmen.
Die Einnahmen werden bewilligt. 8 Bei den Ausgaben und zwar beim Gehalt des Ministers richtet
26. Sitzung befindet sich in der
Abg. Rickert (dfr.) an den Minister die Bitte, bei den Zah⸗ lungen an die Handwerker anders zu verfahren als bisher Diese
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Sie garnicht nöthig, sich über den Zukunftsstaat zu ereifern, er wird
Zahlungen müßten möglichst schnell und correct geleistet werden, es werde aber über die Verzögerung der Zahlungen seklagt. Die Hand⸗ werker haben mehrfach Jahr und Tag warten müssen. In einem Falle hat der Minister Abhilfe geschafft. In wenigen Wochen könnten sich solche Dinge doch wohl abwickeln lassen. Wenn die Handwerker länger warten müssen, werden sie theurer werden, indem sie dem Staat die Zinsen anrechnen. Auch die Finan verwaltung hat ein dringendes Interesse daran, daß nicht zu viel Reste von einem Jahre in das andere hinübergehen. Der Minister sollte seine Unterbehörden durch Generalverfügungen anweisen, in dieser Beziehung anders zu verfahren als bisher.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Es ist ein großer Uebelstand, wenn die Handwerkerrechnungen ohne zwingende Gründe längere Zeit unbezahlt bleiben. Die gewünschten Verfügungen sind aber schon längst erlassen. Der von dem Abg. Rickert mir vor⸗ getragene Fall ist der einzige geblieben, der zu meiner Kenntniß ge⸗ kommen ist. ——
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (cons.) hält es nicht für
richtig, daß die Aenderung in dem Profil des Dortmund⸗Ems⸗Kanals dem Landtag nur durch eine Denkschrift zur Kenntniß gebracht worden ist, und bezweifelt, daß der Kanal den Kohleninteressenten das bringen werde, was sie erwarten. Richtiger würde es daher ewesen sein, wenn dem Landtag eine ganz neue Vorlage gemacht würde. Für die Kohlenindustriellen wollen wir etwas thun. Redner über⸗ nimmt für seine Freunde die Verpflichtung, in der Höhe der früheren Bewilligung die neue Vorlage zu bewilligen. Die Kohlenindustrie wird vielleicht unter der Ausdehnung der Anwen⸗ dung der Elektricität zu leiden haben; man wird die in der Wasser⸗ kraft aufgespeicherte Kraft benutzen und deshalb weniger Kohlen ge⸗ brauchen. Deshalb wollen wir für die Kohlenindustrie etwas thun. Mijnister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Die Frage ist vom Hause im vorigen Jahre gründlich berathen worden und dies hat der Regierung zugestimmt. Es sind 160 km des Kanals in Angriff ge⸗ nommen, es ist also nicht mehr res integra. Eine grundsätzliche Erörterung der Frage, ob der Dortmund⸗Ems⸗Kanal gebaut werden soll oder nicht, kann daher nicht mehr stattfinden. Der Kanal findet seine Ergänzung durch einen Kanal nach dem Rhein und durch einen Kanal von Henrichenburg über die Weser zur Elbe. Der Kanal wird also in dieser Ausdehnung nicht bloß für die Kohlen⸗ industrie, sondern für das ganze Preußen von rroßer Wichtig⸗ keit sein. Die Benutzung der Kraft des Windes o des Wassers zur Erzeugung von Elektricität wird nicht eine solche Ausdehnung annehmen, wie der Vorredner befürchtet. Deshalb wird der Kohlen⸗ industrie durch den Bau dieses Kanals eine erhebliche Verbesserung zugeführt. Für die Zweigkanäle sind die Vorarbeiten bereits gemacht, namentlich auch für den Kanal zur Elbe. Die dafür eingesetzte Commission hat nicht bloß die technische Seite der Frage zu erledigen, sondern soll sich auch mit den Interessenten der betreffenden Landes⸗ theile in Verbindung setzen, um die beste Trace zu ermitteln.
Abg. Nadbyl (Centr.) verlangt eine andere Ordnun des Bau⸗ beamtenwesens, da die Baubeamten erst nach längerer Zeit als die anderen Beamten in eine etatsmäßige Stellung kommen und hinter den anderen Beamten im Range zurückstehen; oft werden sie n-ne den jüngsten Assessor zurückgestellt.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Es ist bisher nicht möglich gewesen, den Wünschen des Vorredners Rechnung zu tragen; damit ist die Sache aber nicht von der Tagesordnung abgesetzt; ich werde mich bemühen, einen Ausgleich herbeizuführen, und zwar im Ressort der allgemeinen Bauverwaltung, wie er bei der Eisenbahn⸗ verwaltung schon stattgefunden hat.
Abg. Tschocke (nl.) fragt, wie weit die Vorarbeiten für den Kaual um Breslau gediehen sind. Er spricht die Hoffnung aus, daß die Regierung mit der österreichischen Regierung Hand in Hand gehen werde, um den Donau⸗Oderkanal herzustellen. Es heißt jetzt, daß französische Ingenieure den Donau⸗Oderkanal bauen wollen. Er hoffe, daß der Kanal von Oesterreich selbst gebaut werde.
Geheimer Baurath Keller erklärt, daß für den Kanal um Breslau herum die Vorarbeiten fertig gestellt sind. Dje Pläne unter⸗ liegen jetzt der landespolizeilichen Hrütung Wenmn die Grund⸗ erwerbungen glatt ablaufen, kann im nächsten Frühjahr mit dem Bau begonnen werden. Vom Donau⸗Oderkanal liegt die Hauptstrecke im österreichischen Gebiete. Von dort ist aber noch keine Anregung aus⸗ gegangen, um den Kanal auszubauen.
Abg. Schöller (freicons.) hält die Ausbildung der Wasser⸗ straßen von Osten nach Westen, um eine Verbindung zwischen den von Süden nach Norden strömenden Flüssen zu schaffen, für dringend nothwendig. Redner hält es aber au 9 nothwendig, daß auf dem kanalisirten Rhein ebenso Gebühren erhoben werden wie auf der Oder.
Abg. Riesch (freicons.) weist darauf hin, daß die Verordnung vom Jahre 1827 über die Unterhaltung der Ufer, wonach den Ad⸗ jacenten die Pflicht der Unterhaltung obliegt, sich nicht bewährt habe, vielmehr eine Belastung der Adjacenten mit sich bringe.
Ministerial⸗Director Schultz erklärt, daß die Verordnung, die mehr zum Ressort des landwirthschaftlichen Ministers gehöre, sich vortrefflich bewährt habe; daß Klagen, welche eine generelle Aenderung verlangen, nicht laut geworden sind.
Abg. Rickert (dfr.) Wenn nur der eine Fall sehr später Bezahlung der Handwerker dem Minister bekannt geworden ist, dann liegt das daran, daß die Handwerker eine Beschwerde scheuen, weil sie fürchten, nicht wieder mit Arbeiten berücksichtigt zu werden. „ Bei dem Titel: Kosten für Arbeitshilfe und Vorarbeiten für größere Bauausführungen empfiehlt 8
bg. Broemel (dfr.) die Vertiefung Ides Fahrwassers von Stettin und Swinemünde.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Die Ermittelunge haben noch nicht so weit zum Abschluß gebracht werden können, darauf hin eine Vorlage hätte gemacht werden können. Die Fischerei interessenten fürchten sehr herintrachtigt zu werden durch die Vertiefund der Fahrrinne, namentlich dadurch, daß die Laichgründe der Fische durch die ausgebaggerten Massen bedeckt werden würder Es finden Erörterungen daräͤber statt, ob diese Beeinträchtigungen verhindert werden können. Die Kosten des Projercts sind auch noch nicht festgestellt. Vielleicht wird im nächsten Jahre, wenn die Finanz⸗ lage es gestattet, eine Summe im Etat gefordert werden.
Unter den einmaligen Ausgaben findet sich auch eine Summe von 1 442 000 ℳ zur Regulirung der Weichsel und des Rheins. Abg. Kieschke (b. k. F.) weist darauf hin, daß diese Position seit zwöͤlf Jahren erscheine, krotzdem lasse sich aber keine Besserung des Wasserverkehrs auf der Weichsel fesüserlene 3 Geheimer Baurath Kummer: Die Folgen einer Regulirung treten nicht immer sofort ein, und wenn auch eine Regulirung ab. geschlossen ist, so ergeben sich immerhin nachher noch Nachregulirungen.
Abg. Kieschke (b. k. F.) bezeichnet diese Auskunft als wenig tröstlich.
Ministerial. Dipecter Schultz erklärt, daß über die Nach“ regulirungen dem Hause eine beß 8 * Denkschrift zugehen solle. 1b Abg. Kieschke (b. k. F.): Dann können wir die Forderungen für Nachregulirungen doch nur mit Vorbehalt bewilligen und müssen ver⸗ langen, daß die Denkschrift noch vor der dritten Lesung vorgelegt wird. Abg. Freiherr von Minnigerode⸗Rossitten (Tons.) weist darauf hin, daß die Budgetcommission den Posten von 750 000 ℳ 8* Nachkegulienngen für sehr gering gehalten und deshalb de⸗ willigt habe.
Abg. Simon⸗Waldenburg (nl.): Die Nachregulirumgen schen mir doch bedeutender zu A als man nach — Ereühe Regierung in der Commission annehmen konnte; deshalb wäre die SePeushe der Denkschrift vor der Bewilligung doch sedr wünschens⸗ werth. 8 Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Den Anspruch den Landtags, vollständig aufgeklärt zu werden üder die Pesten, welche nothwendig sind, erkenne ich vollständig an. Abet die ittelung
der Kosten erfordert eine geraume Jeit. Daruüder werden moch Me. nate vergehen; aber es wäre unwirdhschaftlich, deshalb die Arbeitea