werden, die Organisation der Arbeiter zu verhindern. Was den 9₰ Hänsler in München betrifft, so sollten die, welche im Bochumer Glashause sitzen, am wenigsten mit Steinen werfen. Herr Emmel ist bereits wieder freigelassen, also muß es mit der An⸗ schuldigung nicht weit her sein. Was würden Sie sagen, wenn wir bei Ihnen derartige ” verallgemeinerten! Wir predigen nicht Haß, wir wollen die Menschenliebe; so lange aber nicht gezeigt ist, wie die Dinge sich wirklich abspielen, wird mit den Versöhnungs⸗ melodieen des Abg. Dr. Hirsch nichts ausgerichtet. Von thatsächlichen Widerlegungen habe ich in der Rede des Abg. Möller nichts ge⸗ funden. Er selbst giebt zu, daß sich in Zwickau ein Fabrikinspector über eine Bundesrathsverfügung hinweggesetzt hat. Wir agitiren durchaus nicht gegen das Institun der höecee pectpren, wir 8 ja die Väter dieser Institution. Abg. Bebel hat bereits vor 25 Jahren einen dahin gehenden Antrag gestellt und in langem, schwerem Kampf haben wir es Ihnen abgerungen. Wir bemängeln die Dürftig⸗ keit der sächsischen Berichte, aber wir würden jede Summe zum Ausbau dieser Institution bewilligen. Schaffen Sie doch nationallibergle Arbeiterblätter, wenn Sie nicht wollen, daß die Arbeiter sich mit ihren Beschwerden an die socialdemokratischen Arbeiterblätter wenden! Wenn ein Fabrikinspector ein solches liest, erkennen Sie sgein eine amtliche Anerkennung der Socialdemokratie. Warum lesen Sie nicht die Anerkennung seitens der Socialdemokratie heraus, daß die Fabrikinspectoren nützliche und nothwendige Beamte 5 Mit dem Strike im Saarrevier haben wir nichts zu thun ge⸗ abt. Wir haben denselben von vornherein für aussichtslos erklärt, kein officieller Vertreter der Socialdemokratie ist dabei irgendwie betheiligt gewesen. Warum sind die Drahtgitter zum Schutze der Weber gegen das Herausspringen der Webschützen nicht obligatorisch überall eingeführt, wenn sie Sicherheit gewähren? Das ist aber nicht der Fall. In Gera sind erst kürzlich wieder drei Arbeiter durch herausspringende Webschützen getödtet, einer verletzt worden. Wenn Sie immer so arbeiterfreundlich sind, sollten Sie unsere An⸗ träge annehmen, daß die Webstühle in größerer Entfernung von einander aufgestellt werden. Die Arbeiter würden Ver⸗ trauen zu den Fabrikinspectoren gewinnen, wenn diese die Arbeiterblätter läsen, in denen sie ihre Beschwerden zum Ausdruck bringen, und wenn daraufhin sofort in den Fabriken ein⸗ geschritten würde. Wenn aber solche Veröffentlichungen geschehen, dann heißt es, wir hätten Unwahrheiten verbreitet. Die Fabrik⸗ inspectoren kümmern sich gar nicht um die Arbeiterblätter und sollen sich auch nach der hier vorgetragenen Auffassung gar nicht um die⸗ selben kümmern. Die Arbeiter werden gemaßregelt, wenn sie Uebel⸗ stände aus der Fabrik in die Oeffentlichkeit bringen, und das wird als gutes Recht der Arbeitgeber bezeichnet. Abg. Dr. Hartmann meinte, der Arbeitgeber könnte ja den Arbeiter entlassen, dessen Nase ihm nicht gefiele. (Abg. Hartmann: Nein! Umgekehrt!) Wenn ein Arbeiter entlassen wird, weil er von seinem gesetzlichen Rechte Gebrauch macht, so ist das eine Verhöhnung der Gesetze. Die Arbeiter erkennen immer mehr, daß ihnen freiwillig nichts ge⸗ währt wird, und daß sie nur durch Zusammenschluß etwas erreichen. Sie hier betrachten es als persönliche Beleidigung, wenn die Sünden der Arbeitgeber aufgedeckt werden; wir aber halten es für unsere Aufgabe und für sehr richtig, solche Vorkommnisse zur Kenntniß der weitesten Kreise zu bringen. 8 3
Nach einer kurzen Replik des Abg. Dr. Hartmann hält
Abg. Möller seine frühere Behauptung, Burns habe sich sehr ungünstig über die deutsche Socialdemokratie geäußert, aufrecht. Vor acht Tagen habe sich in Bochum eine Versammlung von 3000 Ar⸗ beitern unter socialdemokratischer Führung auch dafür ausgesprochen, daß man die Frauen zur Bewegung heranziehen müsse, ein Beweis, daß der Strike von den Socialdemokraten provocirt worden sei.
Abg. Bebel (Soc.) erwidert, daß Burns ihm persönlich, in Gegenwart von zehn Zeugen gesagt habe, er habe in der angezogenen Aeußerung die verschiedene Art der Taktik seiner Freunde auf dem Continent auf verschiedene Verhältnisse dieser Länder zurück⸗ geführt. Es sei ihm nie eingefallen, eine für die deutsche Socigldemokratie beleidigende Aeußerung zu thun. Es bleibt also nur die Alternative: Entweder hat Burns gelogen oder der Abg. Möller hat die Unwahrheit gesagt. Allerdings hat eine Bochumer Versammlung die Theilnahme der Frauen an der Bewegung gefordert. Das ist aber kein Fehler. Ich kann versichern: Wären wir über den Strike im Saarrevier vorher gefragt worden, wir würden davon abgerathen haben. b
Abg. Möller eänl.) hält an seiner Behauptung bezüglich des Burns fest; dessen Aeußerungen seien an demselben Tage niedergeschrieben worden; die von dem Abg. Bebel citirten Aeußerungen seien drei Jahre später gethan worden.
Abg. Singer (Soc.): Wir glauben der Versicherung von Burns mehr als der des Abg. Möller.
Abg. Freiherr von Stumm (dcons.) weist darauf hin, daß Emmel im Saarrevier als Agent der Partei gewirkt und den Strike unterstützt habe. 8 1
Abg. Singer (Soc.) bestreitet das auf das Entschiedenste. Emmel habe weiter nichts gethan, als Gelder zur Unterstützung der abgelegten Bergarbeiter zu sammeln. Das könne ihm und der Social⸗ demokratie nur zur Ehre gereichen.
Abg. Samhammer (dfr.) wünscht eine Erweiterung des Reichsgesetzes, betreffend den Schutz von Photographien mit Rück⸗ sicht auf die in der letzten Zeit gemachten Erfindungen und Verviel⸗ fältigungsarten.
Steaatssecretär Dr. von Boetticher:
Ich bin sehr gern bereit, dem Herrn Vorredner eine Antwort zu geben. Das Bedürfniß, das Gesetz zum Schutz der Photographie vom 10. Januar 1876 einer Revision zu unterziehen und für einen erweiterten Schutz der Photographie zu sorgen, ist allerdings bisher nur von einer Seite bei der Reichsverwaltung geltend gemacht worden, und zwar von Seiten des Sächsischen Photographischen Sachverstän⸗ digen⸗Vereins bezw. seines Vorsitzenden. Die Reichsverwaltung hat
aber, in dem Gefühl, daß die Photographie seit dem Jahre 1876 sehr
erhebliche Fortschritte gemacht hat, welche bei dem Erlaß dieses
Gesetzes nicht vorausgesetzt werden konnten, und daß diese Fortschritte wohl das Bedürfniß eines erweiterten Schutzes nahe legen können, auf Grund dar Anregung, die ihr gegeben war, ein Gutachten erfor⸗ dert. Dieses Gutachten spricht sich im allgemeinen auch dafür aus, daß eine Erweiterung des Photographieschutzes wünschenswerth ist, empfiehlt aber daneben, die Bedürfnißfrage noch einer weiteren Er⸗ örterung zu unterziehen.
In diesem Stadium liegt die Sache jetzt. Das Reichsamt des Innern ist nicht Hauptressort, sondern es liegt dem Reichs⸗Justizamt die Bearbeitung der Frage ob; ich werde aber das bei mir ein⸗ gegangene Gutachten dem Herrn Staatssecretär des Reichs⸗Justizamts mittheilen und zur Anregung bringen, ob nun entweder schon jetzt oder nach Anhörung weiterer Sachverständiger zu einem Entwurf ge⸗ schritten werden soll, der einen erweiterten Schutz für die Photographie in Aussicht nimmt. Welche Schicksale diese Correspondenz, die ich einzuleiten beabsichtige, haben wird, das weiß ich noch nicht; jedenfalls bitte ich, die Bewilligung des Tit. 1 des Kap. 7 des Etats nicht bis dahin hinauszuschieben, daß ein den Wünschen des Herrn Vorredners entsprechender Gesetzentwurf hier eingeht. (Heiterkeit.)
Hierauf wird um 5 ½ Uhr die weitere Berathung auf Freitag 1 Uhr vertagt.]
““
Nieberding? Stellen
Preußischer Landtag.
Haus der Abgeordneten. 28. Sitzung vom 9. Februar.
Ueber den Beginn der Sitzung ist bereits in der Nummer vom Donnerstag berichtet worden. Die Berathung von Petitionen wird fortgesetzt. 1
Die Petition des Directoriums des landwirthschaftlichen Centralvereins der Provinz Sachsen, betreffend den 8 en Deutschland und Rußland etwa abzuschließenden Handels⸗ vertrag soll nach dem Antrage der Petitionscommission der Regierung als Material überwiesen werden.
Abg. Dr. Axendt (freicons.) beantragt, die Petition zur Be⸗ rücksichtigung dahin zu überweisen, daß bei den bevorstehenden Ver⸗ tragsverhandlungen die Interessen der deutschen Landwirthschaft besser gewahrt werden, als in den Verträgen mit Oesterreich⸗Ungarn, Italien und der Schweiz.
Abg. Rickert (dfr.) beantragt dagegen den Uebergang zur Tagesordnung; der Antrag wird von den Freisinnigen und einigen Nationalliberalen unterstützt.
Abg. Vopelius (freicons.) empfiehlt die Annahme des Antrags Arendt und spricht sein Bedauern darüber aus, daß die Regierung bei dieser wichtigen Angelegenheit nicht vertreten sei. Denn er sei, im Gegensatze zum Minister, der Ansicht, daß die Landwirthschaft hier ihre Wünsche geltend machen müsse; wenn erst dem Reichstage ein Ver⸗ trag vorliege, sei es zu spät. Redner führt aus, daß er als Vor⸗ sitzender des Verbandes der Glasindustriellen vor dem Abschluß des Handelsvertrags mit Oesterreich eine Petition eingereicht habe gegen die Ermäßigung der Getreidezölle, weil dadurch die Kaufkraft der Landwirthschaft geschädigt werde. Eine ähnliche. Eingabe sei vom Centralverbande deutscher Industrieller ausgegangen. Die Commission des Landwirthschafts⸗Ministers habe allerdings in Wien versucht, die Ermäßigung der landwirthschaftlichen Zölle zu⸗ verhindern, habe aber gar keine Unterstützung gefunden. In Wien spricht man ganz offen über solche Dinge. Es sollen Unter⸗ suchungen angestellt werden über die Wünsche der Industriellen bezüglich eines russischen Handelsvertrags. Aber, der Ausfall einer solchen Untersuchung hängt von den leitenden Personen ab. Wir hoffen, daß man nicht die Leitung freihändlerischen Händen anvertraut. Wir sind mit den Conservativen vollständig einer Meinung. Wir könnten uns nur dann auf einen anderen Standpunkt stellen, wenn die Reichsregierung im Interesse der hohen Politik einen solchen Vertrag wünscht. Jedenfalls müssen wir verlangen, daß unsere Unterhändler so viel herausschlagen, daß die Consumkraft der In⸗ dustrie so gehoben wird, daß die der Landwirthschaft zugefügte Schädigung ausgeglichen wird.
Abg. Rlckert (dfr.): Wie kann man eine so wichtige Petition in Abwesenheit der Regierung verhandeln, eine Frage, die nicht einmal zur Zuständigkeit des Landtags gehört und wobei man auf schwebende Verhandlungen eine Einwirkung ausüben will? Min⸗ destens sollte man heute die Verhandlungen nicht weiter führen; denn nicht einmal der Inhalt der Petition ist dem Hause bekannt gegeben worden. Die Petenten wollen, daß unter keinen Umständen ein Handelsvertrag mit Rußland abgeschlossen wird. Das nennt man vaterländische Politik. Wen meint denn der Vorredner mit dem freihändlerischen Leiter? Den Staatssecretär von Beoetticher, der die Untersuchungen leitet? Meinen Sie den Director Sie doch denen, die vernommen werden, kein so schlechtes Zeugniß aus; sie werden sich doch nicht von den leitenden Personen beeinflussen lassen! Auf den Vertrag mit Ruß⸗ land will ich nicht eingehen; wir werden Ihnen darauf im Reichs⸗ tag Rede stehen. Man sollte die Petition zur schriftlichen Bericht⸗ 8e an die Commission zurückverweisen, mindestens aber sie von der heutigen Tagesordnung absetzen.
Abg. Dr. Lieber (Centr.) schließt sich diesen Anträgen an, zumal in dem Antrage des Abg. Arendt eine Kritik des Verhaltens der Regierung bei den früheren Vertragsverhandlungen enthalten sei, gegen die die Regierung sich vertheidigen müsse.
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (cons.): Der Antrag ist wohl nur deshalb gestellt, weil den Herren (links) die Verhand⸗ lungen unbequem sind. Die Dinge sind klar und müssen erörtert werden. Die Zurückverweisung an die Commission würde mit dem Uebergang zur Tagesordnung gleichbedeutend sein.
Abg. Hobrecht (nl.) empfiehlt die Zurückverweisung an die Commission; wenn ein ernsthaft gemeinter Beschluß gefaßt werden solle, dann müsse keine Ueberrumpelung stattfinden.
Abg. von Schalscha (Centr.) spricht sich gegen die Zurück⸗ verweisung an die Commission aus, weil das aufgeregte Land den Wunsch — auf seine Vertreter bei den Handelsvertragsverhand⸗ lungen einzuwirken, so lange es noch Zeit sei.
Abg. Dr. Meyer (dfr.): Der Commissionsantrag bedeutet, daß man in eine materielle Besprechung nicht eintreten wolle; durch den Antrag Arendt sei die Sachlage verschoben; es werde eine sachliche Erörterung verlangt und diese könne in Abwesenheit der Regierung nicht gut stattfinden.
Abg. Dr. Arendt (freicons.): Es steht nicht bloß der Com⸗ missionsantrag auf der Tagesordnung, sondern auch die Petition, zu der Anträge gestellt werden können. Wenn die Ressort⸗Minister nicht anwesend sind, so können wir nicht dafür. (Der Finanz⸗ Minister Dr. Miquel tritt in den Saal.) Dieser Grund ist durch das Erscheinen eines Mitgliedes der Regierung hinfällig geworden.
Abg. Lehmann (Centr.) protestirt dagegen, daß die Zurück⸗ verweisung an die Petitionscommission eine Vertagung ad calendas Graecas bedeute; in acht Tagen könne ein schriftlicher Bericht er⸗ stattet werden.
Abg. Freiherr von Erffa (cons.) hält eine Vertagung der Debatte für überflüssig; vorhin habe man auch den Antrag auf Be⸗ rücksichtigung nicht zum Anlaß für eine Vertagung genommen.
Abg. Dr. Lieber (Centr.): Der Antrag Arendt enthält nicht bloß den Antrag auf Berücksichtigung, sondern eine ganz überraschend kommende Kritik. Der jetzt anwesende Finanz⸗Minister wird wohl
nicht in der Lage sein, Erklärungen der Staatsregierung in dieser
Sache abzugeben. Abg. Rickert (dfr.): Wir haben doch keine so große Eile;
müssen Sie denn schon vor dem 18. Februar, wo verschiedene Herren Landwirthe nach Berlin kommen werden, hier noch Großthaten verrichten?
Abg. v. Kardorff (freiconf.) will keine Verzögerung eintreten lassen, namentlich weil der Minister⸗Präsident, der hier verant⸗ wortlich sei, nicht mehr die preußischen Stimmen im Bundesrath
ühre. 89 Bei der Zählung des Hauses ergiebt sich die Ablehnung des Antrags Lieber auf Zurückverweisung an die Commission mit 122 gegen 115 Stimmen.
Abg. Dr. Friedberg (nl.) beantragt auf Grund des Art. 60 der Verfassung, die Gegenwart der betheiligten Ressort⸗Minister zu verlangen und bis zu deren Erscheinen die Verhandlungen auszusetzen.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich bin hierher gekommen, nicht, um mich an dieser Debatte zu betheiligen, sondern weil ich zufällig bei Gelegenheit der Berathung der Subcommission hier sein muß. Ich bin gänzlich außer stande, hier namens der Staatsregierung irgend eine Erklärung abzugeben. Da ich aber einmal zufällig anwesend bin, möchte ich meine persönliche Meinung doch dahin aussprechen, daß, wie es schon im allgemeinen bedenklich für die ganze Entwickelung des Deutschen Reichs ist, wenn particulare Landesvertretungen zu viel in Reichs⸗ angelegenheiten eingreifen, dies doppelt bedenklich ist in einem solchen Moment, wenn es sich bezieht auf schwebende Verhandlungen mit fremden Staaten, die das Reich führt und
Meine Herren, was nun den Antrag des Herrn Dr. Arendt be⸗ trifft, so bedeutet er nichts mehr und nichts weniger als ein Tadels⸗ votum gegen die preußische Regierung, gegen die Reichsverwaltung und endlich gegen den Reichstag. Wohin soll das führen, wenn die particulare Landesvertretung eine solche Competenz sich beilegt? Ich bitte Sie deshalb, den Antrag des Herrn Abg. Dr. Arendt auf alle Fälle abzulehnen.
Der Antrag kommt erst nach dem Antrag Rickert, der
eine Vertagung der Verhandlung verlangt, zur Abstimmung. Der Antrag Rickert wird aqgele at
„Abg. Freiherr von Minnigerode⸗Rossitten (cons.): Ein nach⸗ träglicher Einfluß auf die Entschließungen hat für uns keinen Werth.
Abg. Rickert (dfr.): Ich würde es auf das lebhafteste bedauern, wenn auf Grund eines Antrags, den der Finanz⸗Minister richtig kritisirt hat, hier zu Gericht gesessen werden sollte über Handlungen der Minister, ohne daß sie die Möglichkeit der Vertheidigung haben. Ich kann daher nur an Ihre Empfindung appelliren, und bitte um Annahme des Antrags Friedberg.
Auf Antrag des Abg. Dr. Sattler ist die Abstimmung eine namentliche. Der Antrag Friedberg wird mit 197 gegen 68 Stimmen angenommen. Dagegen stimmen die meisten Conservativen und einige Freiconservative.
Präsident von Köller erklärt, daß er der Regierung Mit⸗ theilung davon machen werde, daß die Anwesenheit der Minister bei dieser Verhandlung verlangt wird.
Die Petition des Baumschulenbesitzers Müller u. Gen. in Igel wegen Errichtung eines Güterbahnhofs daselbst wird der Regierung zur Erwägung überwiesen.
Die Petition des früheren Lehrers Hoffmann in Alt⸗ Werder um Bewilligung einer Pension wird durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt. .
Die Petition des Lehrers Schommers in Bechingen wegen Nachzahlung von Gehaltsbeträgen beantragt die Commission der Regierung zur Erwägung zu überweisen.
Abg. Dauzenberg (Centr.) beantragt Uebergang über diese Petition zur Tagebordnung. Der Lehrer sei aus dem Küsteramt entfernt worden, weil er gegen die geistliche Behörde sich unzulässig⸗ benommen habe. 1
Abg. Knebel (nl.): Der Lehrer ist als Küster abgesetzt worden, nachdem er patriotische Lieder hatte singen lassen, nachdem ihm die Geistlichkeit das Singenlassen von patriotischen Liedern verboten hatte. Ich sehe mich gezwungen, dies der falschen Darstellung des Vorredners gegenüber festzustellen. Es geschah das allerdings während der Zeit des Culturkampfes. Ich beantrage, die Petition der Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen.
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath von Bremen: Ich muß der Aeußerung des Vorredners gegenüber doch feststellen, daß der Lehrer Schommers sein Küsteramt verloren hat, weil er verschiedene kirchliche Verrichtungen nicht rechtzeitig erfüllt hat.
Abg. Graf Clairon d'Haussonville (cons.): Auch ich be⸗ antrage, die Petition der Regierung zur Berücksichtigung dahin zu überweisen, daß dem Lehrer eine angemessene Unterstützung als Schad⸗ loshaltung für den, nicht ganz ohne Verschulden erlittenen Verlust gewährt wird.
Abg. Knebel (nl.): Ich stelle den Aeußerungen des Herrn Re⸗ gierungscommissars gegenüber fest, daß ich nicht gesagt habe: weil, sondern nachdem der Lehrer patriotische Lieder hatte singen lassen, sei er als Küster entlassen worden. Das Absingenlassen von patrio⸗ tischen Liedern wird natürlich keine geistliche Behörde als Entlassungs⸗ grund angeben. Ich muß aber nochmals betonen, daß dem Lehrer das Absingenlassen von patriotischen Liedern seitens der Geistlichkeit verboten wurde.
Nach kurzer weiterer Debatte, an der sich die Abgg. Stoetzel (Centr.) und Dr. Sattler (nl.) betheiligen, wir die Petition, entsprechend dem Antrage der Commission, der Regierung zur Erwägung überwiesen.
Darauf vertagt sich das Haus.
Auf eine Anfrage des Abg. Freiherrn von Minnigero Rossitten (cons.) erwidert
Präsident von Köller, daß er am nächsten Schwerinstage, also am Mittwoch nächster Woche, die Petition, deren Verhandlung wegen Abwesenheit des Ministers heute abgebrochen worden sei, auf die Tagesordnung setzen werde.
Schluß nach 4 Uhr.
Nächste Sitzung: Montag, 11 Uhr. Auf der Tages⸗ ordnung steht der Etat des Ministeriums der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten
9
Verdingungen im Auslande. Niederlande. .“
14. März, 11 Uhr. Gemeentegasfabrieken zu Rotterdam: Liefe⸗ rung von 84 000 000 kg Gaskohlen für den Bedarf der Fabriken. Bedingungen käuflich für 10 Cents bei den Buchhändlern Wed. P. van Waesberge u. Zoon zu Rotterdam.
9. Februar. (W. T. B.) Das Königliche Eisenbah Betriebsamt macht bekannt: Der Trajectbetrieb Bonn — Ober⸗ cassel ist in vollem Umfange wieder aufgenommen.
Krefeld, 9. Februar. (W. T. B.) Das Königliche Eisenbahn⸗ Betriebsamt macht bekannt: Der Rheintraject Spyck — Welle, Strecke Kleve —Zevenaar, ist seit heute wieder in Betrieb.
Bremen, 10. Februar. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Kaiser Wilhelm II.“, am 28. Januar von New⸗York abgegangen, ist am 8. Februar Abends in Genua an⸗ gekommen. Der Postdampfer „Stuttgart“, am 20. Januar von Bremen abgegangen, ist am 8. Februar Nachmittags in Baltimore angekommen. Der Postdampfer „Gera“, nach dem La Plata be⸗ stimmt, hat am 8. Februar Nachmittags Santa Cruz passirt. Der Postdampfer „Amerika“, von Baltimore kommend, hat am 9. Februar Vormittags Eastbourne passirt. Der S nelldampfer „Aller“, von New⸗York kommend, ist am 9. Februar Nachmittags auf der Weser angekommen. Der Schnelldampfer „Trave“ ist am 7. Februar Mittags von New⸗York via Southampton nach der Weser abgegangen. Der Schnelldampfer „Lahn“, nach New⸗York bestimmt, hat am 9. Februar Nachmittags Dover passirt. Der Postdampfer „Baltimore“, vom La Plata kommend, hat am 7. Februar St.
Vincent passirt.
London, 9. sebwuaf (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Athenian“ ist gestern auf der Ausreise von Madeira abgegangen. Der Union⸗Dampfer „Mexican“ ist auf der Ausreise gestern in Ge e, s. angekommen.
— 10. Februar. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer „Gran⸗ tully⸗Castle“ hat heute au Der Castle⸗Dampfer „Hawarden⸗Ca der Heimreise von Capetown abgegangen.
le“ ist gestern
Preußen nicht.
erportirenden Länder eine unabweisbare Nothwendigkeit ist. Unter
der Heimreise Madeira bassirt
1W11““ 8
Rei
zum Deutschen
Zweite Beilage
s⸗-Anzeiger und Königlich Preußis
*
en Staats⸗Anzeiger.
der in den deutschen Münzstätten bis
Berlin, Freitag, den 10. Februar
Deutsches Reich. Uebersicht
Ende Januar 1893 vorgenommenen Ausprägung
n Reichsmünzen.
& G 1 d ünze n 1) Im Monat Januar Soldmünzer.
nutvʒnxv Xxen
—
ilbermünzen b
Nickelmünzen Kupfermünzen
1893 sind geprägt worden in:
Doppel⸗ kronen
Halbe
Kronen Kronen
Hiervon auf
Privat⸗
rechnung ℳ
Fünf⸗ 8
markstücke
6 Ein⸗ Fünfzig⸗ Zwanzig⸗ markstücke 8 1
markstücke pfennigstücke pfennigstücke ℳ ℳ 2* ℳ ₰
Zwanzig⸗ pfennigstücke
Zwei⸗ Ein⸗ pfennigstücke
Zehn⸗ Fünf⸗ pfennigstücke pfennigstücke
ℳ ℳ ℳ 3₰
Berlin. 4 821 120 München . .. Muldner Hütte. 1 Stnuttgart.. es Karlsruhe 1 — 2 106 300
4 821 120 —
2 106 300
11 188/41 73 713 20 14 000 — 31 600 — 10 000 — 10 511 20
96 943 29
Hamburg Summe 1. 6 927 420
2) Vorher waren geprägt*)
6 927 420 2 092 366 100 507 033 930†27 969 925 130497374077 610 905 ,108 463 5561181 972 560
71 486 552 —
5 005 860 80 29 965 169 —
236 768 25
14 590 225 70
184 273 90 V 6 213 207/44
3) Gesammt⸗Ausprägung 4) Hiervon sind wieder
eingezogen.. 1 27 5) Bleiben 2 098 02
2 220] 1 884 280 10 275 13
90][505 149 650[27 959 550
2 631 130 600 ℳ
*) Vergleiche den „Reichs⸗Anzeiger“ vom 10. Januar 1893 Nr. 8.
erlin, den 9. Februar 1893.
2 099 293 520507 033 930[27 960 925 1311901160777 610 9058108 465 556187 972 560
—
71 486 552 — 35 717922 80
3 770 9 882 9 586 3 846—
5 005 860 80
510” 1 486 90
14 826 993 95
500 60
5 21207 7 27 31 92
26——
77 602 135
108 453 6741181 962 974 71 27705— 462 215 560,60 ℳ
Hauptbuchhalterei des Reichs⸗Schatzamts. Biester.
60 ES
6 213 175 52
11 986 527,60 ℳ
14 826 493 35
30177 956— 49 980 283,15 ℳ
Statistik und Volkswirthschaft.
— —
Die Abwanderungen aus dem Osten und die innere Colonisation.
Als 56. Band der „Schriften des Vereins für Socialpolitik“ hät Professor Dr. Sering soeben eine Abhandlung über „die innere Colonisation im Zstlichen Deutschland“ (bei Duncker und Humblot in Leipzig, Preis 7 ℳ) erscheinen lassen, die nicht nur Ziele hierfür fest⸗ stellt, sondern auch reiches Material in Thatsachen und Vorgängen enthält, deren Untersuchung dem Verfasser durch die Güte des Ministers für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von Heyden wesentlich erleichtert wurde: auf Veranlassung des Ministers haben leitende und ausführende Beamte, Gutsbesitzer, Bauern und Colonisten dem Verfasser bereitwillig Belehrung und offene Auskunft auf seine Fragen ertheilt. Die mitgetheilten That⸗ sachen stellen die Nothwendigkeit einer inneren Colonisation des Ostens durch Seßhaftmachung der Arbeiter in Anlehnung an Bauerngemeinden fest.
Umfang der Ab⸗
Der Verfasser constatirt zahlenmäßig den wanderung aus dem Osten und somit die Schwächung der östlichen Ludestheile in landwirthschaftlicher Beziehung. Unter der Ab⸗ wanderung ist hier nicht die Sachsengängerei zu verstehen, die ja im Winter stets die Abgewanderten wieder in ihre östliche Heimath bringt, sondern die Wanderung größerer Bevölkerungstheile zu dauernder Niederlassung nach dem Westen oder auch über See. In den Jahren 1885 — 1890 (also von Volkszählung zu Volkszählung) haben über⸗ haupt die vorzugsweise landwirthschaftlichen Districte [1) der Osten, 2) ein Streifen in Mitteldeutschland von Schleswig⸗Holstein, über Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Provinz Sachsen, Hessen⸗Nassau und die mitteldeutschen Kleinstaaten, sowie 3) Theile des Südens: Hessen, rechtsrheinisches Bayern, Pfalz, Baden, Württem⸗ berg, Hohenzollern und Elsaß⸗Lothringen] einen Verlust von 873 000 durch Abwanderung erlitten; dagegen hat sich die Bevölkerung von Berlin nebst Vororten, den Hansestädten, Königreich Sachsen, Rhein⸗ provinz und Westfalen in dem gleichen Zeitraum durch Zuwanderung um 543 000 vermehrt; die Differenz 330 000 Köpfe ist auf Rechnung der überseeischen Auswanderung zu setzen. Von den drei Gruppen, die sich durch Abwanderung um 873 000 vermindert haben, hat das mittlere Deutschland zu dem Wanderzuge nur 80 000, der Süden 150 000, der Osten hingegen 640 000 Köpfe gestellt. Sering meint, daß zwar das platte Land stets die Quelle gewesen sei, aus der die Städte frische Kraft gewonnen haben: das ständige Abströmen von Angehörigen der Landbevölkerung in die Sitze des ge⸗ werblichen und Lcommerciellen Lebens sei in jedem vollständig be⸗ siedelten Lande eine wirthschaftliche Nothwendigkeit, weil die Boden⸗ cultur, als an eine gegebene Landfläche gefesselt, niemals einer gleich schnellen Ausdehnung der Productionsfähigkeit fähig sei wie die In⸗ dustrie. Aber eine Völkerwanderung nach Art derjenigen, welche gegen⸗ bth. den ganzen Osten ergriffen hat, gehe weit über dieses natürlich bedingte Maß hinaus. In den Regierungsbezirken Gum⸗ binnen, Köslin und Stralsund sowie in Mecklenburg⸗Strelitz sei die Bevölkerung an 88 zurückgegangen, die geringfügige Zunahme der übrigen größeren Bezirke des Ostens entfalle ausschließlich auf die dortigen Städte. In allen preußischen Stadtkreifen östlich der Elbe bis auf drei (Posen, Frankfurt und Stralfund) hat sich die Be⸗ völkerung über ihr natürliches Wachsthum hinaus vermehrt, während die Einwohnerschaft der Gutsbezirke (von weniger als 2000 Köpfen) um ganzen und die Volkszahl in 105 von 220 Landkreisen der sechs östlichen Provinzen abgenommen hat, und dieses Schwinden der Be⸗ völkerung trifft Gebietstheile, welche ohnehin am wenigsten dicht unter allen dentschen Landschaften mit Menschen besetzt sind.
Während die Großstädte und Industriebezirke in ihren überfüllten Quartieren — so führt Sering weiter aus — eine wachsende Reserve⸗ armee ansammeln, welche kaum in den Zeiten des höchsten gewerb⸗ lichen Aufschwungs vollständig Beschäftigung findet und die pebens⸗ haltung der übrigen Arbeiter herabdrückt, gebricht es den weiten Flächen der östlichen Ackerbaudistriete an Menschen, welche sie bestellen und abernten, stehen Tausende von Arbeiterwohnungen leer. Nach einer Ermittelung der Landräthe waren im Jahre 1890 in 33 Kreifen der Provinz Ostpreußen mehr als 6000 Arbeiterwohnungen auf dem Lande unbewohnt. Der Mangel an tüchtigen Arbeitern hat einen Umfang angenommen, welcher den rationellen Betrieb der Land⸗ wirthschaft vielfa unmöglich macht. An manchen Stellen wird der
örnerbau durch angesäete Weide verdrängt. Es ist eine alljährlich wiederkehrende Erscheinung, daß die Ernte nicht rechtzeitig eingebracht werden kann, das Heu auf den Wiesen verdirbt und die Kartoffeln über Gebühr lange im Acker liegen bleiben. In einigen Gegenden fehlt es an genügenden Arbeitskräften selbst im Winter. Und dabei weisen die volkswirthschaftlichen Bedingungen 88 die intensivste Ausnutzung hin, die wegen der auf dem Grund und Boden liegenden Lasten und der starken Concurrenz der getreide⸗
der Entvölkerung des Landes leidet au Fütbel Grtwicketung des Ostens, „ Gesundheit unserer Nation und ihre militärische Kraft erleiden dur das allzurasche Ueberhandnehmen des ehe batiigens 28 urch die überseeische Auswanderung die schwerste S ädigung. 1 Diese. übermäßige Massenabwanderung wird von Sering im etzten Grunde auf die Stein⸗Hardenberg'sche Gesetzgebung, die in wie den Bauernstand
h die commercielle und in⸗ und die physische und moralische
löhnern und die Scheidung zwischen Arbeiter und Bauer, die Auf⸗ lösung der Interessengemeinschaft zwischen den im Dorf ansässig ge⸗ bliebenen Arbeitern und der Bauernschaft. Weiter bewirkte die immer weiter um sich greifende Bodencultur eine Lockerung des Verhältnisses zwischen Arbeitern und Gutsherren, an Stelle der mit dem Interesse der Gutswirthschaft verbundenen Instleute traten mehr und mehr freie Arbeiter. (Ueber die Verhältnisse der Landarbeiter ist kürzlich auf Grund der von dem Verein für Socialpolitik im vorigen Sommer angestellten Untersuchungen ein größeres Werk von Dr. Max Weber (gleichfalls bei Duncker und Humblot in Leipzig! erschienen, worin die allmähliche kapitalistische Entwickelung und deren Nachtheile für die Landarbeiter nachgewiesen und die Darlegungen von Sering bestätigt werden; es sei an dieser Stelle hierauf verwiesen.) Kurz, Gesetzgebung und wirthschaftliche Entwickelung haben zusammengewirkt, um die alte Anhänglichkeit, die innere Gebundenheit des Arbeiters an das Gut, an die Landgemeinde und an die Heimath immer mehr zu lösen, und Großindustrie und Eisenbahnen brachten schließlich die so gelockerten Arbeitermassen des Ostens in Bewegung nach den Industriestädten und über See. Aber auch ethische Momente sind hierbei mit⸗ bestimmend: die Arbeitermassen haben den Drang nach erhöhter Unabhängigkeit und Selbständigkeit sowie nach einem Vorwärts⸗ kommen. Aus diesem Grunde hält Sering es für unmöglich, der Abwanderung durch Aufhebung des Rechts der Freizügigkeit oder durch eine Seßhaftmachung, welche eine Art von Sch en⸗ pflichtigkeit des Arbeiters gegenüber dem einzelnen Betriebe begründen würde, entgegenzutreten. Dagegen hält er es für nothwendig, daß auf den Gütern eine Arbeitsverfassung ausgebildet werde, die mehr jenem Unabhängigkeitsgefühl Rechnung trägt und die ihre Ergänzung findet außerhalb der Gutsbezirke durch eine vermehrte Gelegen⸗ heit des Emporsteigens der Arbeiter zu voller Selbständigkeit. Deshalb sei eine Colonisationsthätigkeit nach der Richtung anzu⸗ streben, daß Stellen errichtet werden, welche strebsame Arbeiter allmählich erwerben können. Den Schwerpunkt der Colonisation er⸗ blickt der Verfasser nicht in der Errichtung von selbständigen Arbeiter⸗ colonien, die nur unter gewissen Verhältnissen in der Nähe von Städten u. s. w. prosperiren können, sondern in der Errichtung von Arbeiterecolonien in Anlehnung an Dorfschaften in der Herstellung von selbständigen Bauernwirthschaften, denen Arbeiterstellen ergänzend zur Seite treten: die grundbesitzenden Arbeiter sollen Glieder von Landgemeinden bilden, deren Kern aus selbständigen bäuer⸗ lichen Nahrungen besteht. Der Schwerpunkt würde demgemäß in der Errichtung von Bauerncolonien auf Grundlage des Rentengüter⸗ gesetzes vom 7. Juli 1891 liegen. In Bezug auf die nähere Be⸗ gründung hiervon sei auf das beachtenswerthe Werk selbst verwiesen.
Resultate der Volkszählung in Dänemark. 1
Das Statistische Bureau des Staats hat die Hauptresultate der Volkszählung vom 1. Februar 1890 mit Bezug auf die Erwerbs⸗ quellen, Vertheilung des Alters und das Glaubensbekenntniß der Bevölkerung veröffentlicht. Die gesammte Zunahme der Bevölke⸗ rung von 1880 bis 1890 beträgt 10,3 %, nämlich von 1 969 039 zu 2 172 380 Personen. Von dem Ackerbau ernährten sich 1890 882 000, 1880 925 000 Personen, dieser Theil der Bevölkerung hat folglich von 46,9 bis 40,6 % abgenommen. Von der Industrie lebten 1890 24,6 % der Bevölkerung (1880 22,9 %), von dem Handel 7,9 % (1880 6,8 %), von der Schiffahrt und Fischerei 2,7 % (1880 ebenfalls 2,7 %). Die Zahl der öffentliche Unterstützung Ge⸗ nießenden ist im Laufe des Jahrzehnts von 29 000 zu 39 000 gestiegen, zeigt folglich eine größere relative Zunahme als die relative hme der Bevölkerung.
Die evangelisch⸗lutherische Volkskirche umfaßt nicht weniger als 98,5 % der Bevölkerung. Die zahlreichsten Glaubensgemeinschaften außerhalb der Volkskirche sind Baptisten (4500) und Juden (4000). Die größte Zunahme haben die Methodisten (208 %) und die Irvingianer (152 %) gehabt; die Zunahme der Katholiken ist in dem Jahrzehnt 1880/90 662 Personen gleich 28 % gewesen. Ohne „positive Religion“ lebten 2148 Personen gleich 1 %%, was doppelt soviel wie e Die Zahl der Mormonen und Reformirten zeigt eine
nahme.
Zur Arbeiterbewegung.
Aus dem Saarrevier wurde der „Dortm. Ztg.“ bereits unter dem 7. d. M. mitgetheilt, daß auf der Inspection VIII. 70 der bei Beendigung des Ausstandes abgelegten Berg⸗ leute wieder angefahren seien. Wie nun der „Köln. Ztg.“ vom 8. d. M. weiter berichtet wird, hat die Bergbehörde den Abgelegten der Gruben Kohlwald und König die Erlaubniß zum Anfahren gegeben.
Aus Chemnitz meldet ein Telegramm des „D. B. H.“, daß in der J11 die Petition der Arbeitslosen um Beschäftigung berathen und beschlossen wurde, dem Rathsbeschlusse beizustimmen, daß mittels städtischer Arbeiten denjenigen Arbeits⸗ suchenden, die ohne eigenes Verschulden arbeitslos geworden sind und Angehörige zu versorgen haben, Beschäftigung bei einem Stundenlohn von 13 bis 22 ₰ zu gewähren sei. Die vereinigten Berliner Ortsvereine des Verbandes der deutschen Gewerkvereine erlassen einen Aufruf an alle Arbeiter wegen der am 20. d. M. bevorstehenden Wahlen zum Gewerbe⸗
demselben Maße die Landarbeiter herabgedrückt gehoben hat, zurückgeführt. Durch sie entstanden Tausende von Tage⸗
gericht und Einigungsamt für Berlin. Der Aufruf weist
auf das Vorgehen der Socialdemokraten hin, die das auf den socialen und alle Nichtsocialisten von der Ausübung des Richteramts aus⸗ schließen möchten. Der Aufruf theilt gleichzeitig die Candidatenliste der dem Verbande der deutschen Gewerkvereine angehörigen Berliner Ortsvereine mit. .
Aus Pest berichtet ein „Wolff sches Telegramm“, daß in der Ungarischen Waffenfabrik gestern 1177 Arbeiter die Arbeit wieder aufgenommen haben. Der Strike ist somit beendet, da die noch ausständigen Arbeiter entlassen worden sind.
Aus Lille wurde der „Köln. Ztg.“ unter dem 8. d. M. bereits geschrieben, daß sämmtliche Bergleute der bei Béthune wegen Lohnkürzung die Arbeit niedergelegt haben. —
reichs weiter ausgedehnt und die „Mgdb. Ztg.“
. und n gestrigen Tag die Zahl der Ausständigen auf 10 000 an. 8 5
gieb
Literatur.
8 8 “ Geschichte. ““ ff. Deutsche Zeitschrift herausgegeben von L. Quidde. 8. Band, 1. Heft. Freiburg i. B. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr. 1892. — Das vorliegende Heft enthält folgende größere Aufsätze:
1) Aristoteles als Historiker von Friebsägh Cauer, Be⸗ kanntlich wurde vor ungefähr zwei Jahren eine Papyrushandschrift
von den Entdeckern dem
über den Staat der Athener aufgefunden, die Aristoteles zugeschrieben wurde. Während die meisten deutschen Forscher diese eeiinung acceptirten und eine außerordentlich werthvolle Quelle zur Geschichte des Alterthums gefunden zu haben glaubten, lehnte sie Cauer von Anfang an ab und er⸗ klärte die für das Werk eines aristotelischen Schülers. In diesem Aufsatze begründet er seine Ansicht noch einmal aus⸗ führlich. Die Handschrift, argumentirt Cauer, ist zunächst als Ge⸗ schichtsquelle gänzlich ohne Werth, denn sie berichtet nachweislich mehrfach Falsches und verwechselt verschiedene Epochen der athenischen Verfassungsgeschichte mit einander, ferner steht sie nicht selten, namentlich in Bezug auf die Werthschätzung der athenischen Gerichte, in directem Widerspruch mit Anschauungen des Aristoteles, wie sie uns in Schriften, die unzweifelhaft von ihm selbst verfaßt sind, über⸗ liefert sind. Da nun überdies kein änßerer Grund für die Autorschaft des Aristoteles spricht, so hält Cauer den Beweis für erbracht, da der große Stagirite nicht als Verfasser dieses dürftigen Machwerks angesehen werden kann.
2) Astrologische Geschichtsconstruction im Mittel⸗ alter von Friedrich von Bezold. Jedermann kennt aus der Lectüre von Schiller's Wallenstein den Einfluß, den astrologische Speculationen auf die Entschlüsse von Feldherren und Staatsmännern ausgeübt haben: den Constellationen der Gestirne glaubten die Astro⸗ logen die Geschicke der Staaten und Individuen unterworfen und durch ihre Beobachtung wollten sie Vergangenheit und Zukunft erkennen, alle Ereignisse erklären. Die ersten An 28 dieser Anschauung finden sich bereits, wie Bezold ausführt, bei Arist oteles; von der christlichen Kirche der ersten Jahrhunderte als ketzerisch verdammt, verschwand die Astrologie im Abendlande fast gänzlich, wurde dafür aber um so eifriger von den Moslemin in Spanien und Afrika gepflegt, die sie zu einem festen Systeme ausbildeten. Allmählich nach Feeaeec verpflanzt, faßte sie im Abendlande im 12. und 13. Jahrhundert festen Fuß, vor allem in Italien, wo Regenten und Könige wie Kaiser Friedrich II., zu ihren eifrigsten Anhängern zählten. Wenn so astrologische Specu⸗ lationen ohne Frage großen Einfluß auf das politische Leben übten, so vermochte sich doch nicht eine eigentliche astrologische Geschichts⸗ auffassung zu bilden. Im 14. Jahrhundert versuchten zwar einige Chronisten, die Geschichte nach den Regeln der Astrologje einzutheilen, aber ihnen standen unter den übrigen Historikern ebenso entschiedene Feinde einer siderischen Geschichtsauffassung gegenüber. In der Folge⸗ zeit ging die astrologische Geschichtsconstruction noch weiter zurück⸗ ein umfassender Versuch, sie historisch zu rechtfertigen, den Johannes im 16. Jahrhundert in Deutschland unternahm, blieb ohne Frfolg.
3) Beiträge zur Geschichte der nordischen Frage von Fritz Arnheim. Mit diesem Aufsatze beendet der Verfasser eine Reihe von Artikeln, in denen er die nordische Politik der europäischem Mächte in dem ersten Jahrzehnt nach dem siebenjährigen Kriege auf Grund eingehender Studien in schwedischen Archiven geschildert In diesem Theil behandelt er hauptsächlich den Staatsstreich Gustav's III., der im Jahr 1772 die aristokratische Verfafsung be⸗ seitigte und die seit dem Tode Karl's XII. zum tten herabge⸗ sunkene Königliche Gewalt wiederherstellte.
n den kleinen Mittheilungen enthält das Heft u. a. eine Studie von Otto Harnack über die russische Orthographie und die Verdeutschung russischer Namen, die zur Ergänzung eines früher an dieser Stelle publicirten Aufsatzes von Minzas be⸗ stimmt ist. Jeder, der sich mit der russischen n beschäftigt hat. weiß, wie schwer es ist, für die russischen Buchsta ie entfprechenden deutschen zu finden, und wird daher die hier Anregungen und Vorschläge dankbar annehmen. Ferner bringt das Heft eine gruße
Anzahl von Nachrichten über historische Commissi vovinzial⸗ vereine, Personalveränderungen und zum Schluß eine iographie
286.—
zur neueren deutschen Geschichte, die die in der ersten vorigen Jahres erschienenen 8 mfaßt. g
Frieden berechnete Institut allein für ihre Anhänger in Besitz nehmen
Kohlenwerke Vendrin
Inzwischen hat sich der Ausstand unter den Bergarbeitern Nordfrank⸗
5
pfennigstücke
für Geschichtswissenschaft,