Großbritannien und Irland 6
Im Oberhause stellte gestern Lord Salisbury die Frage, ob die Regierung schon jetzt den geistlichen Behörden in Wales Weisungen gegeben habe, als ob die die Entstaat⸗ lichung der Kirche vorbereitende sog. Suspensorische Bill bereits in Kraft sei. Lord Kimberley erklärte namens der Regierung den besonderen Fall, der zu der Anfrage jedenfalls Anlaß gegeben habe, und leugnete, daß die Regierung eine allgemeine Entscheidung über den betreffenden Punkt getroffen habe. 1 3 1
Zu den von einem Theil der Pariser Presse angegriffenen und verdächtigten Botschaftern gehörte auch Lord Dufferin. Derselbe hat das am 13. d. M. abgehaltene Jahresbankett der englischen Handelskammer in Paris dazu benutzt, die gegen ihn gerichteten Verdächtigungen zurückzuweisen. Der Präsident der Handelskammer Edward Blount hatte, in seinem Toast auf den Botschafter, auf jene Insinuationen anspielend, einen Ausspruch Lord Dufferin's citirt, der kürzlich gesagt hatte, wenn zwischen England und Frankreich ein Krieg entstände, so lange er Botschafter in Paris wäre, man an der französischen Grenze einen für ihn bestimmten Galgen errichten möge. In seiner Erwiderung auf diesen Toast bemerkte Lord “ 8
„Sir Edward Blount hat auf die durch einen Theil der Pariser Presse gegen gewisse Botschafter gerichteten Angriffe angespielt; wir haben eerlh nicht den Strick verdient, und doch sind meine Collegen und ich in einigen Pariser Journalen an den Pranger gestellt worden. Ich will nicht mit Bitterkeit auf das Vorgefallene zurückkommen, denn ich will annehmen, daß diese Angriffe mehr durch die Unwissenheit als durch die Böswilligkeit der Journalisten ent⸗ standen sind, welche dieselben verbreitet haben; aber es ist das erste Mal, daß ein Botschafter, der persönliche Vertreter seines Souveräns, in die innere Polemik des Landes, wo er beglaubigt ist, verwickelt worden ist. Bis jeßt hatte man stets angenommen, daß seine hohe Mission und die Majestät des Souveräns und des Landes, welches er vertritz, wie auch die Höflichkeit und die Gastlichkeit der Nation, wo er residirt, hinreichen müßten, um ihm dieses „halb⸗ conventionelle“ Dunkel zu sichern, welches ihn umgeben muß. Un⸗ glücklicherweise ist das nicht der sewesens ich bin häufig in den Journalen einer schmählichen Handlungsweise beschuldigt worden. Man hat mir Handlungen zugeschrieben, welche, wenn sie erwiesen wären, genügt hätten, um mich vor das Criminalgericht zu bringen. Ich habe diese Angriffe unbeachtet gelassen und mich nicht beklagt; aber heute Abend sind wir hier in England; die, welche mich um⸗ geben, halten auf meinen guten Ruf, wie ich selbst darauf halte und ich kann hier meiner Gewohnheit gemäß, wenn ich einer Lüge begegne, sie wie ein e Geldstück festnageln. Ich erkläre hier, daß alles, was man über mich gesagt hat, falsch ist, mit Einbegriff der absurden Behauptung, daß ich nach Frankreich gekommen bin mit der enormen Summe von drei Millionen im Portefeuille, welche dazu dienen sollte, die französische Presse und die französischen Politiker zu bestechen und die französisch⸗russische Allianz zu zerstören. Alles das ist nichts als eine unbegreifliche Mystification. Die Dolmetscher der öffentlichen Meinung in Frankreich, welche in der Presse schreiben, sind einige der geschick⸗ testen, der talentvollsten und der angenehmsten Pablicisten, die man in irgend einem Lande der Welt finden kann. Einige unter ihnen sihnn angesehene Mitglieder des Senats oder der Kammer, und ich
edauere sagen zu müssen, daß mit Ausnahme eines zufälligen Höf⸗ lichkeitsaustausches mit einem oder zwei hervorragenden Publicisten, denen ich in einer Gesellschaft begegnet bin, ich bis jetzt noch keinerlei directe oder indirecte Beziehungen mit irgend einer Persönlichkeit der Pariser Presse gehabt habe, und was die Interviewer betrifft, so halte ich dieselben sorgfältig von mir fern. Be⸗ züglich der drei Millionen, wenn ich sie in der Weise verwendet hätte, wie man behauptet hat, so hätte dieses Gold eine reichere Ernte hervorbringen müssen, aber ich habe in den Spalten der Journale nicht die enthusiastischen Lobeserhebungen Eng⸗ lands und der englischen Politik gesehen, die ich nach solchen Goldspenden zu erwarten berechtigt gewesen wäre. Es ist unnöthig, Ihnen zu sagen, daß ich, seitdem ich in Frankreich bin, keinen Sixpence ausgegeben habe, der nicht in die Taschen meines Metzgers oder meines Bäckers oder derjenigen, welche die Sünde Adam's rächt, der Kleidermacherin geflossen wäre. Was nun die Ge⸗ fühle der Freundschaft betrifft, die Rußland und Frankreich einigen, so habe ich darauf in meinen Unterhaltungen niemals die ge⸗ ringste Anspielung gemacht. Aber ich kann im Namen der englischen Nation und aller Regierungen, die sich an der Spitze derselben befinden könnten, versichern, daß man stets mit Sympathie und Wohl⸗ wollen die Verständigungen und die Einverständnisse betrachten wird, die sich zwischen europäischen Nationen im Hinblick auf die Auf⸗ rechterhaltung des Weltfriedens vollziehen. Ich bin überzeugt, daß nach dem, was ich gesagt habe, niemand in diesem Lande Frankreich, dem wahren home der Ritterlichkeit, an meinem Wort zweifeln wird. Mein einziger Wunsch besteht darin, mit allen meinen Kräften an der Verstärkung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Frankreich und England zu arbeiten.“
Frankreich.
In dem gestern abgehaltenen Ministerrath ist, wie „W. T. B.“ berichtet, die Antwort auf die von dem Deputirten Leydet beabsichtigte Interpellation über die allgemeine Politik der Regierung festgesetzt worden. Gutem Vernehmen nach wird das Cabinet die Erklärung abgeben, nur mit der republikanischen Partei ohne Rücksicht auf deren besondere Schattirungen regieren zu wollen, und eine dieser Erklärung nach Möglichkeit entsprechende Tagesordnung annehmen. Außerdem wurde über einen Gesetzentwurf bezüglich der von den Inhabern der Panama⸗Obligationen unternom⸗ menen gerichtlichen Schritte Beschluß gefaßt. Der Ge⸗ setzentwurf setzt ein gemeinsames Vorgehen aller Titelinhaber an Stelle der Einzelklagen, die denjenigen einen größeren An⸗ theil an dem vorhandenen Gesellschaftsvermögen sichern würden, die den anderen Obligationären mit der Klage zuvorkämen.
Die Deputirtenkammer beschloß gestern mit 289
egen 229 Stimmen die Interpellation Leydet, dem Wunsche des Minister⸗Präsidenten Ribot entsprechend, heute zu berathen. Bei der darauf fortgesetzten Berathung des Bude ets wurde der Antrag, eine Steuer von jährlich 10 Fr. auf Pianos einzuführen, mit 307 gegen 145 Stimmen angenommen. Niederlande.
Im Haap ist, wie „W. T. B.“ meldet, vazesesc das zwischen den Niederlanden, Belgien, Dänemark, Deutschland und England vereinbarte Protokoll wegen Ausführung der Convention vom Jahre 1887 über den mißbräuchlichen Verkauf von Spirituosen unter den Nordseefischern unterzeichnet worden.
Rumänien.
Der Prinz Ferdinand ist laut Meldung des „W. T. B.“ zum Commandeur eines Jäger⸗Bataillons ernannt worden. Bei der feierlichen Vorstellung des Bataillons, die gestern erfolgte, hielt der König eine warme Ansprache an die Mannschaften. Alsdann erfolgte der Vorbeimarsch des Ba⸗ taillons unter dem Commando des Prinzen. Die Prinzessin Ferdinand sah dem militärischen Schauspiel von den Fenstern des Schlosses aus zu.
6 der „Monitorul official“ veröffentlicht ein Handschreiben des Königs an den Minister⸗Präsidenten, worin der Dank des Königs für die anläßlich der Vermählung des Prinzen Ferdinand aus allen Kreisen der Bevölkerung dargebrachten Loyalitätsk dgebungen zum Ausdruck gebracht wird
Serbien. 1u“ Die Fortschrittspartei hat dem „W. T. B.“ zufolge als Candidaten für die Skupschtina außer Garaschanin mehrere hervorragende Persönlichkeiten, darunter den General Horvatovic, den Gesandten Novakovic und den Obersten Fransovie, aufgestellt. Die Partei hofft zehn Sitze zu
erlangen. 111“ Bulgarien. ““ 9 1
Der Ministerrath hat, wie der „Pol. Corresp.“ aus Sofia gemeldet wird, dem Prinzen Ferdinand, der Prinzessin Clementine, der Prinzessin Marie Louise von Parma und dem Herzog von Parma tele⸗ graphisch Glückwünsche gesandt. Aus allen Landestheilen sind dem Minister⸗Präsidenten Stambulow zahlreiche Telegramme zugegangen, die von der allseitigen Freude über die erfolgte Verlobu ig des Prinzen Zeugniß geben “
Amerika.
Der Präsident Harrison hat dem „W. T. B.“ zufolge an den Senat eine Botschaft über Hawaii gerichtet. Sie ist von einem Vertragsentwurf über die Annectirung der hawaiischen Inseln durch die Vereinigten Staaten und zwar unter einer provisorischen Regierung begleitet. Der Senat trat so⸗ fort in die Berathung der Botschaft ein, worin die Genehmi⸗ dung des Vertrages befürwortet wird.
Hoke Smith hat den Posten des Cabinetssecretärs des Innern in dem von Cleveland zu bildenden Cabinet ange⸗ nommen. Smith stammt aus Georgia, ist Adocat und Besitzer der Zeitung „Atlanta“.
1 Afrika.
Der Correspondent der „Pall Mall Gezette“, der sich im Gefolge des Sir Gerald Portal auf seinem Wege nach Uganda befindet, hat dem genannten Blatte gemeldet, daß die Mission am 28. Januar in Machako angelangt sei, demnach die Hälfte des Weges nach Uganda bereits zuruͤck⸗ gelegt habe.
Parlamentarische Nachrichten.
Dentscher Reichstag.
Der Bericht über die 44. Sitzung vom 15. Februar befindet sich in der Ersten Beilage. 45. Sitzung vom Donnerstag, 16. Februar, 1 Uhr. Der Sitzung wohnen bei der Reichskanzler Graf von Caprivi sowie die Staatssecretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Maltzahn und Freiherr von Marschall.
Die Berathung des Etats wird bei dem Titel: „Gehalt des Staatssecretärs des Innern“ fortgesetzt.
Abg. Graf von Arn im (Rp.) wendet sich gegen die gestrigen Ausführungen des Reichskanzlers. Es entspreche nicht den Thatsachen, wenn dieser behaupte, daß gleiches Recht und gleiches Maß in Deutschland auch für die Landwirthschaft gelten. Schon der Unterschied, der sich zeige, wenn das mobile Kapital und wenn der Landwirth Credit suche, müsse jedem Unbefangenen vor Augen führen, daß mit dem gleichem Maß in dieser Beziehung nicht gemessen wird. Ganz unrichtig sei es, von Opfern zu sprechen, die für die Landwirthschaft gebracht werden. Wenn die Landwirthschaft erhalten bleibe, so komme der Erfolg dem ganzen Lande zu gute. Die Land⸗ wirthe bringen im die größten Opfer, um dem Wohl des Ganzen zu dienen. Er, Redner, würde wirthschaftlich viel besser daran sein, wenn er seinen ganzen Acker eingeschont hätte. Die kelaege ge Be⸗ wegung in landwirthschaftlichen Kreifen, die Folge der allgemeinen Unzufriedenheit, werde zur Gründung eines Bundes der Landwirthe fähren, die am 18. Februar hier in Berlin erfolgen solle. Redner hofft, daß das, was dort etwa an scharfen Worten gegen die Regierung gesagt werde, nicht wieder der conservativen Partei in die Schuhe gescheben werde. Für einen Handelsvertrag mit Rußland könne man sich nur erklären, wenn jemand garantiren könnte, daß dadurch der Preis des deutschen Getreides nicht gedrückt werde. Diese Garantie könne aber niemand übernehmen. Die Zahlen des Staatssecretärs, welche die Zunahme des Exports an Glas und Papier beweisen sollten, seien formell richtig; die Quantität des Exportproducts habe zugenommen, die Qualität aber und die Preise seien ganz unverhältniß⸗ mäßig zurückgegangen. Diese Thatsache treffe gleichmäßig auf Glas wie auf Papier zu.
Staatssecretär Freiherr von Marschall (wir werden die Rede morgen im Wortlaut bringen): Ich habe wiederholt anerkannt, daß der Wunsch der Landwirthschaft, bei Handelsverträgen ihre Inter⸗ essen gewahrt zu wissen, ein berechtigter ist. Es ist aber doch Feha Uhüm lich daß schon jetzt der Vorredner von möglichen Aus⸗ schreitungen auf dem nächsten Congreß der Landwirthe hier in Berlin spricht und den Versuch macht, die conserpative Partei von der Verantwortung für dieselben zu entlasten. Ich habe den Eindruck, daß die Klagen über die Nothlage der Landwirthschaft einiger⸗ maßen erschöpft sind; ich bin aber trotzdem bereit Rede und Antwort zu stehen, aach wenn die Herren wünschen sollten, beim Etat des Aus⸗ wärtigen Amts die Sache nochmals und gründlich zu erörtern. Ich beziehe mich auf meine wiederholten Darlegungen, daß die Farif verträge nothwendig wurden, weil ohne sie auch die Landwirthschaft einen 7⸗ Schaden erfahren haben würde. Wenn der Abg. Graf von Arnim von der Papier⸗ und der Glasindustrie gesprochen und eine Resolution andeutungsweise erwähnt hat, 187 die Glas⸗ industriellen gefaßt haben, so nehme ich von dieser Resolution an, daß Herr Vopelius ihr nicht ganz fern stand. Es ist ein immer⸗ hin Klückliches Resultat, wenn die Einfuhr bei im Jahre 1892 um zwei, die 2 aber um drei Millionen zuge⸗ nommen hat. Im Abgeordnetenhause’ haben sich Feben Herr Arendt und Herr von Erffa gleichmäßig auf Herrn Vopelius berufen, der den Nachweis der ungünstigen Wirkung der auf die deutsche Industrie geführt haben sollte. Ich habe diese Rede gelesen und bin so klug geblieben als wie zuvor. Mit Gründen scheinen die Herren also ziemlich bankerutt zu sein. Nun hat Herr Arendt den Handels⸗ kammerbericht von Frankfurt am Main als Zeugniß angerufen. Was aber steht darin? Eine Lobeserhebung für die Handels⸗ politik der deutschen Regierung, für den Abschloß der Tarifverträge, welche in Deutschland allgemein Befriedigung hervorgerufen hätten. Dasselbe gilt von der ebenfalls angezogenen Handelskammer in Essen. Nur der Bericht von Dortmund lautet etwas anders, das gebe ich zu; aber als ein Beweismittel gegen unsere Handelspolitik läßt auch er sich nicht verwerthen. Wenn Herr Arendt schließlich die Nähmaschinenfabrikanten ins Gefecht führt, so hat thatsächlich die Herabsetzung des Zolles in Oesterreich eine nicht unerhebliche Ver⸗ mehrung der deutschen Ausfuhr gebracht. (Schluß des Blattes.)
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3 Preußischer Landtag. fu⸗ der Abgeordneten.
Der Bericht über die gestrige Sitzung des Hauses de Abgeordneten befindet sic in der Zweiten Beilage B
32. Sitzung vom 16. Februar.
Der Sitzung wohnen der Minister für Handel und Ge⸗ werbe Freiherr von Berlepsch und der Minister für Land⸗ wirthschaft ꝛc. von Heyden bei.
Das Haus setzt die Berathung der Petition des Centralvereins der Provinz Sachsen zu dem russischen Handelsvertrag und die dazu vorliegenden
Anträge fort. Bevor in der Debatte ein Redner das Wort erhält,
bemerkt
Abg. Vopelius (freicons.) in Bezug auf die gestrigen Aus⸗ führungen des Reichskanzlers: Ich muß zunächst mein lebhaftes Be⸗ dauern ausdrücken, daß der erste Beamte des Reichs von „unquali⸗ ficirbaren Verdächtigungen“ gegen ein Mitglied dieses Hauses sprach, und überlasse diesem Hause die Kritik über diesen a sbrac, Von einer Verdächtigung kann keine Rede sein. Ich habe nur die bedauerliche Thatsache constatirt, daß der Vertreter des preußischen Handels⸗Ministeriums nicht die nöthige Unter⸗ stützung bei seinen Mitcommissarien gefunden habe. Wenn der Reichskanzler ferner sagt, der Wirkliche Geheime Ober⸗Re⸗ gierungs⸗Rath von Huber habe seit 1871 bei jedem Abschluß eines Handelsvertrages zur größten Zufriedenheit seiner Vorgesetzten mitge⸗ wirkt, so erlaube ich mir zu dieser Mittheilung nicht nur ein großes Fragezeichen zu machen, sondern ich bestreite direct die Angabe. Jeder ältere Parlamentarier weiß, daß Fürst Bismarck den Geheimen Rath von Huber wegen seiner freihändlerischen Richtung nicht mehr so verwandte, als es früher der Fall war. In meiner damaligen Aeußerung lag nichts gegen den Geheimen Rath von Huber, sondern nur die Anklage gegen die Reichsregierung, daß sie einen E’ als Unterhändler für die Vertragsverhandlungen gewählt habe. Wenn endlich der Reichskanzler sagt, eine solche Verdächtigung müsse das Selbstgefühl eines Beamten erschüttern, so erwidere i darauf: es ist besser, wenn das Selbstgefühl eines Beamten erschüttert wird, als wenn durch eine falsche Handelspolitik das Sicherheits⸗ gefühl eines productiven Standes erschüttert wird.
Die Unruhe im Hause ist so groß, daß der folgende Redner nur schwer verständlich ist und der Präsident mehr⸗ fach um Ruhe bitten muß, damit die Stenographen den Redner verstehen können.
Abg. Schmieding (nl.) führt aus, daß der neue Antrag eigent⸗ lich ganz harmlos sei, Freunde und Gegner des Handelsvertrages können ihm zustimmen. Jeder kann nur wünschen, daß die Lage genau geprüft wird, daß der Schutz der nationalen Arbeit aufrecht erhalten wird. Der beste Handelsvertrag ist derjenige, der für beite Theile vortheilhaft ist. Wenn Deutschland jetzt bessere Verträge ab schließen kann als früher, so liegt das daran, daß wir infolge de Zollpolitik des Fürsten Bismarck jetzt etwas zu bieten haben; es i nur zu befürchten, daß die Herren vom grünen Tisch die Frucht nicht ausreifen lassen, daß sie zu früh ernten wollen. Deutschlands Zustände erinnern an den Verfall Roms. Die großen Städte, namentlich die Hauptstadt, wachsen übermäßig an; daneben besteht eine Entvölkerung des platten Landes, die der Landwirthschaft zum Schaden gereicht. Die Concurrenz, welche die Provinzen Italien machten, wird heute von fremden Getreideländern der deutschen Landwirthschaft gemacht; sie kann diese Concurrenz nicht aushalten und muß im Interesse der Staatserhaltung geschützt werden. Der Schutz darf aber nicht hinaus⸗
ehen über das, was zur Aufrechterhaltung einer gesunden Landwirth⸗ chaft nothwendig ist; geht der Schutz darüber hinaus, dann liegt die Gefahr einer radicalen Aenderung nahe. Dann folgt bei hohen Preisen die Suspension der Zölle und die Suspension dehnt sich schließlich so weit aus, daß sie der Aufhebung gleichkommt. Der Zoll ist ausreichend und die Klagen der Agrarier sind unberechtigt. Hat nicht die Steuerreform die Absicht, die Doppelbesteuerung der Landwirthschaft zu beseitigen? Freilich ist dabei eine Doppelbesteuerung der Aetiengesellschaften neu eingeführt worden. Die Angriffe gegen das Kohlensyndikat sind unberechtigt; das Syndikat ist tein Ring, der die Preise werfen oder übermäßig steigern will, sondern es soll die Production der Consumtion angepaßt, jede Schwankung vermieden und ein Mittelpreis festgehalten werden. Geradezu verwunderlich ist die Annahme des Abg. von Kardorff, daß das Syndikat den Strike befördere; Strikes entstehen bei und Baisse der Montanwerthe an der Börse, die Preisschwankungen ver⸗ anlassen die Arbeiter zum Ausstand; Mittelpreise sichern auch de Arbeitern einen ständigen Lohn und dauernde Arbeitsgelegenheit. Bei den früheren Handelsverträgen ist auch die Industrie nicht ausreichend befragt worden. Deutschlands Position ist eine gute, es braucht auf den Abschluß eines Vertrages nicht zu dringen, sondern es kann warten.
Abg. Schmitz⸗Erkelenz (Centr.) spricht seine Freude über die maßvolle Haltung des Vorredners aus; in der freisinnigen Presse sii eine so gemäßigte Sprache, wie sie gestern der Abg. Meyer⸗Berln geführt habe, nicht zu finden, da werde in ganz unglaublicher Weise
egen die ackerbautreibende Bevölkerung gehetzt. Es wird von ihr be⸗ behg es daß sie dem Staat nichts leiste, daß sie aber mit Wohl⸗ thaten überhäuft werde. (Rufe links: Die Agrarier.) Ja, mit dem Schlagwort Agrarier macht man alle berechtigten Forderungen der Landwitthschaft einfach todt. Wenn das Haus zu einem Beschluß auf Grund der vorliegenden Anträge kommt, dann werde die Regierung denselben beachten müssen, auch wenn es sich hierbei um eine Reichs⸗ fache handle. Freilich sollen die Einzel⸗Landtage nur selten Gebrauch machen von ihrem Rechte, auch diese Dinge zu behandeln. Aber bei so wichtigem Anlaß kann man nicht stillschweigen, auch wenn die Verhandlungen schweben. Haben doch die Freisinnigen während der Verhandlungen mit Oesterreich sogar hier die einfache Aufhebung der Getreidezölle beantragt! Die Zölle sind nur ein Glied der Kette ven Schutzmaßregeln, deren die Landwirthschaft, welche nur kargen Ge⸗ winn abwirft, bedarf; die Aufhebung der Schutzzölle für landwirth⸗ chaftliche Erzeugnisse würde einen unersetzlichen Schaden bringen. edner spricht die Hoffnung aus, daß das hier Vorgebrachte von der Regierung beachtet wird; einem Handelsvertrage mit Rußland an sich kann die Landwirthschaft sich nicht widersetzen, sie kann nur die Berücksichtigung ihrer Interessen verlangen. 8 Abg. Böttinger (nl.) giebt zu, daß die Regierung sich nach Kräften informirt habe, daß sie sich stetig in Fühlung mit der Industrie gehalten habe. Aber die Vertreter der Regierung sind nicht immer genügend informirt gewesen über Verhandlungen, welche die Regierung mit einzelnen Industriellen führte über Klagen, deren Be⸗ rechtigung die Regierung anerkannte. Redner führt einige Fälle aus dem Bereiche der chemischen Industrie an. Von dem Vereine der chemischen Industrie sei nur der Vorsitzende nach dem Reichsamt des Innern berufen worden, der doch nicht im stande sei, über die Wünsche der vielen Zweige der chemischen Industrie Auskunft zu geben; man hätte Vertreter der verschiedenen Branchen berufen müssen.
Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch⸗ Der Vorredner scheint nicht zu überzeugen zu sein, daß genügenee Informationen eingeholt sind; er möge sich in meine Bureaux be⸗ mühen, es wird ihm dort Material vorgelegt werden, mit dem if länger als acht Tage zu thun haben dürfte. Wir können doch nich von jeder einzelnen Handelskammer für jeden einzelnen Betriebzzmeßs einen Sachverständigen ernennen; da könnte jedesmal ein klei 8 Perlamenf zusammenberufen werden. Es werden von jeder Kamma⸗
achperständige der Branche vernommen, in welcher sich dier delskammes auszeichnet. ie Interessenten warten mit ihren Wün chen nicht le⸗ sie gefragt werden, sondern, sobald nur eine Nachricht über einen Han Ve⸗ vertrag auftaucht, laufen dicke Berichte ein. Auch während der 98 andlungen wird Auskunft über einzelne Fragen eingeholt. Oeffen e8 ich können wir doch solche Untersuchungen nicht führen, denn L wollen uns von unseren Gegnern nicht in die Karten seh
lassen. Wenn die Wünsche der Betheiligten nicht in den Verträgen msan; sind, so liegt das nicht an der mangelnden der Commissarien, sondern an dem 1 5 ü2 “ 6 fahren leidet uur an dem Uebelstand, daß die Industrie nicht orientirt ist darüber, ob alle Branchen genügend vorher uffr t sicht Würde von den einzelnen industriellen Vereinen ein Ausschuß für Zollfragen errichtet, so würden darin auch nur zehn oder fünfzehn Personen sitzen, die nicht über alle Verhältnisse unterrichtet sein könnten. Einzelne Vereine haben sich einem solchen Gedanken gegen⸗ über ablehnend verhalten und ziehen die Vernehmung einzelner Sach⸗
verständiger für jeden einzelnen Fäl vor. Abg. Dr. Ritter ((eteoen estreitet, daß der Antrag von Dziem⸗ owski denselben Inhalt habe wie der Antrag Arendt; es fehle in dem ersteren die retrospective Kritik, die der letztere enthalten habe. Redner bekämpft den Antrag Broemel, wonach auch der Handel befragt werden selle; dadurch würde der ohnehin schon über⸗ mächtige Börsenhandel Einfluß gewinnen. Die Bedenken gegen en Abschluß von Handelsverträgen werden ziemlich allgemein in allen landwirthschaftlichen Kreisen und auch in industriellen Kreisen getheilt. Es handele sich nicht nur um einseitige ograrische Bedenken. Her Landtag vertrete die Intelligenz des Landes besser als der Reichstag, dessen Wahlsystem nicht die nöthigen Garantien bietet. Geschadet hat der Handelsvertrag mit Oesterreich nicht, aber auch nichts genützt. Ein Schaden ist dadurch indirect eingetreten, daß die Landwirthe die Industrie begünstigt glauben und daß kein Zusammengehen bei den Wahlen mehr stattfindet. Redner hält die Militärvorlage für eine Nothwendigkeit und befürwortet deren Annahme, aber gerade deswegen müsse die Landwirthschaft aufrecht erhalten werden. Er sei Agrarier, halte aber nicht die Landwirthschaft für die alleinige Säule des Staats. Die Industrie sei auch eine Stütze des Staats, wenn auch Deutschland noch nicht in dem Sinne ein Industriestaat zu nennen sei, wie Eng⸗ land. Die Mehrheit des Volkes lebe nicht von der 8 errsche auf dem Lande eine gewisse Rath⸗ und Muthlosigkeit; an wünsche von einem undefinirbaren Etwas befreit zu sein. Da sei es begreiflich, daß man nach einem Schuldigen suche. Man könne das Gefühl der Landwirthe vergleichen mit dem Gefühl der Seeleute des Columbus, die das Ziel nicht kannten, die nicht wußten, wohin der Curs geht. Woher soll die Ruhe für die Landwirth⸗ schaft kommen, wenn die Börse à la baisse speculirt, um das letzte Korn zu kaufen und dann die Preise in die Höhe zu treiben? Wenn trotz der niedrigen Preise des Getreides und des Viehes Brot und Fleisch nicht billiger geworden sind, so liegt das zum theil an dem wucherischen Zwischenhandel, zum theil muß der Bäcker und Fleischer höhere Preise halten, weil sie immer längere Credite geben, immer mehr damit echnen müssen, daß einzelne Kunden sie nicht bezahlen. Bei den Schwankungen der Krisen müssen die festen Dämme aufrecht erhalten werden, die zum Schutze der Production aufgeführt sind. Aus diesen Gedanken ist unser Antrag entstanden, der keinen Eingriff in die Zuständigkeit des Reichs enthält. Preußen besonders wird von einem Vertrage mit Rußland betroffen, deshalb ind wir berechtigt, zur rechten Zeit unsere Wünsche geltend zu machen. Der Antrag ist doch auch ein sehr bescheidener, sodaß ich nicht begreife, wie man von links demselben widersprechen kann. Ob der Vertrag mit Rnußland nothwendig ist, ist Sache der hohen Politik; darüber habe ich nicht zu entscheiden. Aber die Valutaverhältnisse, die Rechtsunsicherheit in Rußland, die militärische Besetzung der Grenze machen mich bedenklich. Die Landwirthschaft im Osten muß Bedenken gegen Tarifermäßigungen haben. Jeden⸗ falls muß ihr dann geholfen werden, mit dem Westen concurrenzfähig zu werden. Die Oeffnung der Grenze ist noth⸗ vendig; Bedenken dahin, daß die Kohlen nach Rußland gehen und der Ruhrkohlen⸗Ring das Uebergewicht erhält, halte ich nicht für berechtigt. An den Landwirthschafts⸗Minister richtet Redner die Frage, inwieweit früher und jetzt die Land⸗ wirthschaft zu den Handelsverträgen gehört worden sei. Daß Rußland gerade jetzt zu einem Handelsvertrag geneigt sei, könne nicht maßgebend sein für Unterlassung von Anträgen; man kenne Quelle nicht, aus der diese Neigung ent⸗ sei. Wenn man die Handelsverträge abgeschlossen um den vertragslosen Zustand nicht bestehen zu „so müsse man doch fragen: weshalb muͤßte denn Deutschland gerade für Europa den vertragslosen Zustand aufheben? Der vorliegende Antra ist durchaus berechtigt, das zeigt seine Be⸗ kämpfung durch die freisinnige Presse, die ihn todthetzen möchte; das
lassen wir uns aber nicht gefallen, wir stimmen für den Antrag. Bei Schluß des Blattes nimmt der Abg. von Eynern
das Wort.
— In der Militärcommission des Reichstags wurde heute nach längerer Berathung zur Abstimmung über Satz 2 des § 1 der Vorlage geschritten. Zunächst wurde das vom Abg. Bebel zu dem Antrage Rickert gestellte Amendement (Ein⸗ führung der zweijährigen Dienstzeit auch für die Ca⸗ vallerich gegen vier Stimmen (Socialdemokraten und Volks⸗ partei) abgelehnt. Alsdann wurde der Antrag Rickert (Fest stellung der zweijährigen Dienstzeit für die Infanterie durch Aende⸗ rung der Verfassung) gegen 9, der Antrag von Bennigsen (Feststellung der zweijährigen Dienstzeit für die Dauer der jetzt zu beschließenden Präsenzstärke) gegen 4, und schließlich die Fassung der Regierungsvorlage, gegen
Stimmen abgelehnt. Für den Antrag Rickert stimmten nur die Freisinnigen, Volkspartei und Socialdemokraten; für den Antrag von Bennigsen die Nationalliberalen und die Reichspartei, und für die Regierungsvorlage die Conservativen und die Reichspartei. — Die nächste Sitzung der Commission ist auf Montag anberaumt, wo ein Antrgg Richter über die Ergebnisse der finanzpolitischen Erörterungen zur Verhandlung steht.
— Der Begründung des gestern mitgetheilten Entwurfs einer Novelle zum Militär⸗Pensionsgesetz entnehmen wir Beghaden auf die Stellung pensionirter Iüniere im Civildienst Bezügliche:
Ber ces seit längerer Zeit sind auch außerhalb der Militär⸗ verwaltung die Härten und Schwierigkeiten anerkannt worden, mit welchen pensionirte Offiziere selbst dann zu kämpfen haben, wenn es ihnen gelingt, eine Anstellung im Civildienst zu finden. Insbesondere ist auch in den beiden Häusern des Landtags und im Reichstag wieder⸗ holt auf diese Angelegenheit hingewiesen worden. In der Plenar⸗ sitzung vom 16. März 1891 hat Hierauf der Reichstag eine Resolu⸗ tion angenommen, in welcher die verbündeten Regierungen ersucht werden, in Erwägung zu ziehen, inwieweit die Unzuträglichkeiten zu beseitigen sind, die sich bei Anwendung derjenigen Geseetzesstellen fühl⸗ bar gemacht haben, welche sich auf den Fortbezug der Pension neben dem Einkommen aus der Civilstelle beziehen.
In erster Linie handelt es sich zierbei um die Beseitigung der Ungleichheit zwischen der Behandlung pensionirter Offiziere und der⸗ jenigen pensionirter Reichs⸗ und Staatsbeamten bei Wiederanstellung im Communaldienst. Die im Communaldienst angestellten pensionirten Offiziere haben bisher eine Kürzung ihrer Pension erleiden müssen, während die in demselben Dienst befindlichen ehemaligen Reichs⸗ und Staatsbeamten ihre Pension ungeschmälert Feecbezieben. Diese Un⸗ gleichheit will der Gesetzentwurf dadurch beseitigen, daß künftig auch die Offiziere bei Anstellung im Communaldienst eine Kürzung der Pension nicht mehr erleiden. 8
Sodann bedarf es einer Abänderung derjenigen Bestimmungen, nach welchen die Kürzung der Pension der im Reichs⸗ oder Staats⸗ dienst angestellten Offiziere erfolgt. Bisher wird die Pension dieser Offiziere gekürzt, sobald aus Pension und Civildiensteinkommen zu⸗ sammen der Betrag des früheren pensionsfähigen Diensteinkommens überschritten wird, d. h. bei dem Stabsoffizier als Bataillons⸗Com⸗ mandeur der Betrag von 6530 ℳ, Hauptmann oder hü tnesster I. Klasse der Betrag von 5030 ℳ, Hauptmann oder Rittmeister
Mangel an Toncessionen Das bisherige Ver⸗
II. Klasse der von 3590 ℳ, EETb der Betrag
von 2126 ℳ, Second⸗Lieutenant der Betrag von 1946 ℳ
trag von 1459 ℳ übersteigt.
9. Februar 1893 bestimmt worden, daß alle Herkünfte, welche Mar⸗
seille, vorgeschrieben.
die Anzahl der Erkrankungen und Todesfälle elf bezw. fünf; u. a.
der 3., 2: 2 in der 5. Abtheilung des Lazareths. Die zuerst eingetretenen Erkrankungen betrafen Soldaten aus Taizz⸗Zebin. Neuerdings wurden weitere Ankünfte entlassener Soldaten aus Yemen angekündigt. Der Gesundheitzrath zu Konstantinopel hat daher beschlossen, an dee Pforte eine Vorstellung zu richten, um die Ausschiffung choleraerkrankter Sol⸗ daten auf Kamgran, wo schon hinfort zu verhüten. Um eine Ue ertragung der Cholera auf die Pilger und den Ausbruch einer Epidemie im Hedjas während der zu verhindern, hat der Gesundheitsrath empfohlen, für die Soldaten die Quarantänestation in El Wedj einzurichten.
an Kohlen auf den worden:
Danach kann z. B. ein pensionirter Second⸗Lieutenant, welcher in der Regel 487 ℳ Pension bezieht, nur so lange im ungeschmälerten Genuß der Pension bleiben, als sein Civileinkommen nicht den Be⸗ Jede darüber hinausgehende Gehalts⸗ aufbesserung wird an der Pension wieder einbehalten. Besonders empfindlich tritt daher die Kürzung der Pension dann in die Erschei⸗ nung, wenn dem pensionirten Offizier nach , Mühen in der Civilstelle eine Gehaltserhöhung etatsmäßig zu theil werden soll, oder wenn derselbe häusliche Mehrarbeiten liefert, von denen er weiß, daß sie besonders honorirt werden. Von der Gehaltserhöhung hat dann meist nicht der Pensionär den Vortheil, sondern der Militär⸗Pensions⸗ fonds, und die vielleicht auf Kosten der Gesundheit geleistete Mehr⸗ arbeit ist vielfach umsonst gewesen.
In erschöpfender Weise würde diesem Uebelstande abgeholfen werden, wenn jegliche Bestimmung über die Kürzung der Pensionen bei Anstellung im Civildienst aufgehoben würde. Aus finanziellen Gründen indessen ist dieses nicht angängig. Der Gesetzentwurf be⸗ schränkt sich daher darauf, lediglich für diejenigen Pleßenter eine Besserung des bisherigen Verhältnisses anzustreben, welche von dem⸗ selben am härtesten betroffen werden, und zwar die aus der Charge der ö Uund Second⸗Lieutenants hervorgegangenen. Wie bereits für die Personen der Unterklassen durch die bisherigen Gesetzesvorschriften als maßgebend für die Kürzung der Pensionen be⸗ stimmte Einkommensgrenzen festgestellt sind, unabhängig von dem früheren pensionsfähigen Diensteinkommen, ebenso wird hier durch den Entwurf eine Erweiterung der bisherigem Grenze für die Lieutenants auf 3000 ℳ jährlich beabsichtigt.
.— Der Präsident des Hauses der Abgeordneten, Wirkliche Geheime Rath von Köller begeht morgen seinen siebzigsten Geburtstag.
— In der Steuerreform⸗Commission des Hauses der Abgeordneten wurde gestern Abend die zweite Lesu ng des Ergänzu ngssteuergesetzes beendet, indem fast durchweg die Beschlüsse erster Lesung in der von der Redactions⸗Commission vor⸗ süehrazener Fassung bestätigt wurden. Das Gesetz im ganzen wurde chließlich mit 22 gegen 5 Stimmen (2 Nl., 2 Dfr. und 1 Centr.) angenommen. — Am Freitag beginnt die Commission die zweite Berathung des Ueberweisungsgesetzes.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
OBOHOrsterreich ungarn.
Die für Herkünfte aus deutschen Häfen der Ostsee, sowie aus belgischen, niederländischen, französischen und deutschen Häfen der Nordsee angeordnet gewesene siebentägige Quarantäne (vergl. „R.⸗A.“ Nr. 208 vom 3. 9., Nr. 209 vom 5. 9., Nr. 213 vom 9. 9., Nr. 224 vom 22. 9. und Nr. 227 vom 26. 9. 1892) ist laut Verfügung der Kaiserlich und Königlichen Seebehörde zu Triest durch eine “ ärztliche Untersuchung ersetzt worden, die auch auf Herkünfte aus den französischen Häfen des Mittelmeereg ausgedehnt ist. Gegen Herkünfte von der Elbmündung bleibt die siebentägige Quarantäne aufrecht erhalten.
1 8 Italien.
Zufolge einer sanitätspolizeilichen Verordnung vom 9. Februar 1893 tritt bezüglich der Provenienzen aus den französischen Häfen des Mittelmeers die Verordnung vom 11. November 1892 wieder in Kraft, wonach die aus solchen Häfen kommenden Schiffe sich im ersten italienischen Ankunftshafen einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen haben, und die Einfuhr gebrauchter Gegenstände ohne vorherige Desinfection verboten ist. (Vergl. „R.⸗A.“ Nr. 270 vom 14. No⸗ vember 1892.)
Spanien.
IFrnfolge des Auftretens der Cholera in Marseille ist durch eine in der „Gaceta de Madrid“ veröffentlichte Königliche Ordre vom
seille nach dem 24. Januar d. J. verlassen haben und in Spanien nach dem 9. Februar eintreffen, in den Quarantänehafen zu senden sind. Alle Häfen, welche weniger als 165 km von Marseille, das als „verseucht“ erklärt ist, entfernt sind, werden als „choleraverdächtig“
angesehen. Portugal.
Zufolge einer am 10. Februar 1893 im „Diario do Governo“ veröffentlichten Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern wird der Hafen von Marseille für „choleraverseucht“ erklärt.
Egypten. „Der Gesundheitsrath zu Alexandrien hat eine fünftägige Quaran⸗ täne, einschließlich der Ueberfahrtsdauer für die Herkünfte aus Mar⸗
1 Cholera. 8
Oesterreich⸗Ungarnu. In Galizien haben, wie in den „Veröffentlichungen des deutschen Kaiserlichen Gesundheitsamts“ mit⸗ getheilt wird, in der Zeit vom 22. Januar bis 4. Februar zwei Todes⸗ älle infolge von Cholera stattgefunden. Der eine ereignete sich am 22. Januar in der am Zbrucz gelegenen Gemeinde Skala (Bezirk Borszezow), der andere am 30 Januar zu Kociubince (Bezirk Husiatyn). — In Budapest gelangten nach Mittheilung des „D. österr. Sanitätswesens“ vom 22. bis einschließlich 27. Januar acht Erkrankungen, sechs Todesfälle zur Anzeige, vom 28. Januar bis 3. Februar 14:9. Außerhalb Budapests sind in Ungarn drei Cholera⸗ fälle festgestellt worden. Niederlande. Laut amtlicher Mittheilung hat in den Nieder⸗ landen während der Woche vom 15. bis 21. Januar ein Todesfall infolge von Cholera zu Oß (Nordbrabant) stattgefunden.
Rußland. Laut Meldung vom 30. Januar sind zufolge den letzten, aus den einzelnen Gouvernements Russisch⸗Polens eingegangenen⸗ amtlichen Nachrichten keine weiteren Cholerafälle daselbst festgestellt worden. — „D. österr. Sanitätswesen“ vom 9. Februar theilt mit, daß in den am Zbrucz hart an der österreichischen Grenze gelegenen Gemeinden Podoliens die Cholera⸗Epidemie fortdauert und fort⸗ während Todesfälle veranlaßt.
Arabien. Ueber die Einschleppung der Cholera in Kamaran liegen den „Veröffentlichungen des deutschen Kaiserlichen Gesundheits⸗ amts“ nähere Nachrichten vor: Am 5. Januar langte daselbst der Dampfer „Adang“ aus Hodeldah mit 1727 Passagieren und entlassenen Soldaten an. Nach ihrer Ausschiffung kamen am 9. Januar in dem Lazareth zwei verdächtige Todesfälle vor; am 12. Januar wurde Cholero in zwei Fällen festgestellt. Vom 9. bis 14. Januar betrug
erkrankten von den Quarantänewächtern zwei und starb einer. Vom 15. bis 19. Januar zählte man 21 Erkrankungen, neun Todesfälle in
etzt Schiffe mit Pilgern ankommen, ilgerfahrt
Verkehrs⸗Anstalten.
In Berlin sind nach amtlichen Anschreibungen im Jahre 1892 Feeamtliche 8 Wasserstraßen eingeführt
Dies ergiebt gegen das Vorjahr eine Abnahme von 62 100 t
virtuos Herr Dr. Reimann traten noch Sololeistungen
An der Steinkohlenzufuhr nahmen theil Schlesien mit 1 078 338 t, 8 Sachsen mit 7591 t, 8 Westfalen mit 78 266 t,
8 England mit 106 089 t, 8 während an der Versorgung Berlins mit Braunkohlen betheiligt waren
das Inland mit 647 254 t, 2 das Ausland mit 182 669 t. 1
Der Verbrauch deutscher Braunkohlen, der 1880 nur 153 833 t betrug, ist seitdem um 320,7 % gewachsen, wogegen die Zufuhr böhmischer Braunkohle, die 1880 die inländische überflügelte (153 975 t), in der ganzen Zwischenzeit nur um 18,6 % zugenommen hat.
An der Gesammtzufuhr an Stein⸗ und Braunkohlen, die im Jahre 1892 mit 10 705 t gegen diejenige des Vorjahres zurückblieb, war die deutsche Braunkohle betheiligt:
1880 mit 11,3 %, 1881 mit 188 %, 1882 mit 15,2 %, 1883 mit 17,6 %, 1884 mit 19,3 %, 1885 mit 19,9 %, 1886 mit 21,9 %. 1887 mit 22,2 %, 1888 mit 23,3. %, 1889 mit 24.1 %,
25 %, 1891 mit 27,9 % und im Jahre 1892 mit 30,8 %.
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Kiel, 15. Februar. (W. T. B.) Nach amtlicher Mittheilung nehmen die deutschen Postdampfer vom 16. Februar ab die Fahrten Kiel — Korsör wieder auf. Der Abgang von Kiel wird bis auf weiteres Vormittags zwischen 8 und 9 Uhr, nach Ankunft des Zuges 52 erfolgen. * 3 1
Bremen, 16. Februar. (W. T. B.) „Norddeutscher Lloyd“. Der Reichs⸗Postdampfer „Oldenburg“ hat am 15. Fe⸗ bruar Vormittags die Reise von Antwerpen nach Bremen fort⸗ gesetzt. Der „Schnelldampfer „Kaiser Wilhelm II.“ ist am 15. Februar Vormittags von Genua via Gibraltar nach New⸗York abgegangen. Der Schnelldampfer „Werra“, nach New⸗York bestimmt, und der Postdampfer „Salier“, von New⸗York kommend, haben am 15. “ Dover passirt. Der Trave“, von New⸗York kommend, hat am 15. Februar Morgens Lizard passirt. Der Postdampfer „Weser“, vom La Plata kommend, ist am 15. Februar Nachmittags auf der Weser angekommen. Der Schnelldampfer „Travpe“, am 7. Februar von New⸗York abgegangen, ist am 15. Februar Nachmittags in Southampton angekommen.
Hamburg, 15. Februar. (W. T. B.) Hamburg⸗Ameri⸗ kanische Packetfahrt⸗Actien⸗Gesellschaft. Der Post⸗ dampfer „Bavaria“ hat, von New⸗York kommend, heute früh Lizard passirt. Der Postdampfer „Thuringia' ist, von Hamburg kommend, heute in St. Thomas angekommen.
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Theater und Musik.
Thomas⸗Theater.
Die Wiener Gäste führten gestern Abend als zweite Gabe des Nestroy⸗Cyklus die vieractige Gesangsposse „Einen Jux will er sich machen“ zum ersten Male auf und hatten bei einem zahl⸗ reichen, beifallsfreudigen Publikum mit diesem anspruchslosen Erzeug⸗ niß übermüthigster Laune einen nicht geringeren Erfolg, als mit dem „Lumpacivagabundus“. Die abenteuerlichen Erlebnisse des zur Feier der Hochzeit seines Principals zum Compagnon heraufgerückten Handlungsdieners Weinberl mit dem aus demselben Anlaß zum Commis beförderten Lehrjungen Christopherl, die zusammen in der benachbarten Hauptstadt sich einen „Jux“ machen wollen, bilden den Inhalt des harmlosen Stücks. Keck giebt Weinberl sich für den Gatten einer jungen, hübschen Wittwe aus, führt sie mit ihrer Freundin in ein Wirthshaus, wo er sich der Bezahlung der Zeche durch die Flucht entzieht, weil seine Mittel für die Ansprüche der beiden Damen nicht ausreichen, und gelangt endlich nach mancherlei Irrfahrten wieder zurück in das Haus seines Chefs, wo er nur mit Mühe der Gefahr entgeht, als ein Einbrecher festgenommen zu werden, und wo schließlich das glückliche Spiel des hilfsbereiten Zufalls auch die junge Wittwe wieder erscheinen und ihm die Hand zum ewigen Bunde reichen läßt. Die gut eingeübte Vorstellung ließ nichts zu wünschen übrig und wurde stellenweise mit lebhaftem Beifall aufgenommen. Besonders gelang es den Herren Müller und Grüneker, in den Rollen des Handlungsdieners Weinberl und des Lehrjungen Christopherl viel Heiterkeit zu erregen. Auch fanden sie beide Gelegenheit, sich als gewandte Coupletsänger zu zeigen. Als Gewürzkrämer Zangerl und als Hausknecht Melchior machten außerdem um den Erfolg der Auf⸗ führung die Herren Kneidinger und Mentzl sich verdient. Die Herren wurden von den Damen Jolly und Graselly bestens unterstützt.
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“ Sing⸗Akademie.
Fräulein Alice Barbi gab gestern einen Lieder⸗Abend, für welchen sie Arien von Scarlatti, Martini, Monsigny (1600 — 1700), Lieder von Franz, Brahms und Schumann, sowie einige französische Lieder von Bizet und Massenet zum Vortrag gewählt hatte. Eine kleine Indisposition schien den Klang ihrer sonst so klaren und frischen Stimme beeinträchtigt zu haben. Der lebendige und warm empfindende Vortrag begeisterte jedoch wie immer die Zuhörer zu rauschenden Beifallsbezeugungen, sodaß die liebenswürdige Künstlerin noch einige
Zugaben gewährte. - Saal Bechstein.
Gestern Abend gab der Pianist Herr Alfred Sormann ein Concert, in dem er an klassischen und modernen Musikstücken seine tadellose Technik und sein feines musikalisches Gefühl aufs neue be⸗ wies. Zum Vortrag gelangte Baäch Toccata in Dmoll und Beethoven’'s E-dur-Sonate op. 109, deren Stimmungsgehalt der Vor⸗ tragende mit klarem Verständniß wiedergab. Von neueren Com⸗ positionen heben wir Chopin's Impromptu Fis-dur, Moszkomwski g „Etincelles“ und Liszt’s Polonaise E-dur hervor, die gleichmäßig sauber in eigenartiger Erfassung und darum wirkungsvoll zu Gehör gebracht wurden. — Der Concertgeber wurde durch die Sängerin Fräulein Adelina Herms sehr angenehm unterstützt. Die Dame besitzt eine schöne Mezzosopranstimme und verfügt über eine ursprüngliche Vortragsweise voll Anmuth und Wärme. Drei „Rosen⸗ lieder“, Compositionen des Concertgebers, schienen sehr zu gefallen; in Liedern von Rubinstein, Brahms, Taubert, Gounod und Schmidt bewies das Organ der Sängerin vielseitige Ausdrucksfähigkeit und der Vortrag Tiefe der Empfindung.
18 St. Matthäi⸗Kirche. Zunm Besten des unter dem Protectorat Ihrer Majestät der Kaiserin stehenden „Deutschen Frauenvereins für Krankenpflege in den Colonien“ gab Frau’⸗Anna Goldbach gestern ein Concert. das sehr zahlreich besucht war. Nach der Toccata (D-moll) von Bach, die Herr Dr. Reimann auf der Orgel vortrug, folgte das Engel⸗Terzett aus „Elias“ von Mendelssohn, das von drei kunstgeübten Dilettantinnen: der Frau Ober⸗Appellationsgerichts⸗R Mohrdiek, Frau Oberst Köppen und der Frau Director Dr. Klee sehr empfindungsvoll vorgetragen wurde. Daß in dieser Kirche die demr Gesange Hees. Wölbungen fehlen, bietet den Stimmen manche Schwierigkeiten. Frau Goldbach (Mezzosopran), deren Stimme in den Tönen der eingestrichenen Oetave einen sehr metallenen Klang hat, die jedoch in der Intonation nicht ganz sicher ist, sang eine Arie aus „Samson“ von Händel und einige ö von eß, Mozart, Stollbrock und A. Becker mit sehr warm empfindender Ausdrucksweise. Auch die Damen Mohrdiek und Köppen erfreuten noch durch den sehr gelungenen Vortrag eines Duetts aus Glias—. Die Contraaltistin Frau Dr. Klee, die schon öfter ihr schönes Talent
milden Zwecken gewidmet hat, sang mit sehr wohlgeschulker Stimme
und tief ergreifender Wärme des Ausdrucks den schoönen Psalm 61: „Herr, ich traue auf Dich“, von W. Stade. Hof.⸗ Kavellmeiter
1 (bekannt durch die Verbreitung Berkioz scher Werke in
utschland). Auch der Hostcellist Herr Grüͤnfeld, wie der
mit einigen sehr werthve en
hervor. Zum Schluß des Concerts hrach
Steinkohlen und eine Zunahme von 51 395 t Braunkohlen.
1 270 284 t Steinkohlen und Frauenchor des Vereins unter Lei X* 829 923 t Braunkohlen. Fäeudend erg den Pfalm Der Seh * Z“ 8
hor bewies hierin große Präcision und verständnihve
Schnelldampfer