„ Hiernach
Strikesteuer, wöchentlich 1 ℳ von den Steinbildhauern und Mo⸗ delleuren, 50 ₰ von den Holzbildhauern, zur Füllun der ge⸗ Ferten gigsse vorläufig weiter erhoben werden. (Vgl. Nr. 33 und
in Berlin fand Blättermeldungen zufolge in der Nacht zum 15. d. M. eine Versammlung von Köchen statt, in der nach einem Bericht des socialdemokratischen Reichstags⸗Abgeordneten Schwarz⸗Lübeck eine eehxö gefaßt wurde, daß in einer allgemeinen Organisation das Mittel zur Beseitigung der im Kochgewerbe herrschenden Uebelstände zu finden sei.
Der Ausstand im Brüxer Kohlenrevier hat, wie ein Wiener Telegramm des „D. B. H.“ vom gestrigen Tage meldet, drei neue Schächte ergriffen. Der „Frkf. Ztg.“ zufolge erstreckt sich der Aus⸗ stand nun auf fast sämmtliche Schächte in der Nähe von Brüx; nur wenige fördern mit gkringer Belegschaft. Eine Klärung der Lage sei erst zum Beginn der nächsten Woche wahrscheinlich.
Aus Baden wird der „Voss. Ztg.“ unter dem 13. d. M. ge⸗ schrieben: Ein neuer Ausstand hat am Sonnabend in der Graf⸗ schaft Lancaster begonnen. Seit der Einführung der Mc. Kinley⸗ Zölle hat die englische Glasindustrie durch den deutschen Wettbewerb wesentlich gelitten; die Arbeitgeber waren außer stande, gleich hohe Löhne zu zahlen wie im Vorjahre. Trotzdem die Löhne der Flaschen⸗ bläser bis zu 60 ℳ wöchentlich betragen, haben die Arbeiter einen Ausstand begonnen, durch den augenblicklich 2500 Arbeiter feiern.
Kunst und Wissenschaft.
— Der General⸗Stabsarzt a. D. Dr. August von Wegner, Leibarzt Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich, beging, wie die Berl. „Börs. Z.“ berichtet, gestern die Feier des fünfzigjährigen Doctor⸗Jubiläums. Im Namen der Berliner medizinischen Facultet, die ihn vor einem halben Jahrhundert promovirt hatte, überreichte der Geheime Medizinal⸗Rath, Professor Dr. Jolly das erneuerte Diplom, welches die Verdienste des Jubilars um das Millitär⸗ Medizinalwesen hervorhebt.
S. Dresden. Auch in Sachsen geht mohr jetzt ernstlich daran, eine Behörde zum Schutze der Bau⸗ und Kunstalterthümer zu schaffen. Bereits im Jahre 1876 hatten zwei Eingaben sächsischer Architekten⸗ und Geschichtsvereine das Königlich sächsische Ministerium des Innern darauf aufmerksam gemacht, wie nothwendig eine solche Behörde sei. Das genannte Ministerium verlangte ein Gutachten von dem unter dem Vorsitz Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Georg stehenden Königlich sächsischen Alterthumsverein. Dieser ich schon damals nach eingehender Erörterung der Angelegenheit dafür aus, daß eine mit behördlicher Befugniß ausgestattete Commission geschaffen werde, und empfahl zugleich die In⸗ ventarisation der Alterthümer. Da das Ministerium zunächst diese wünschte, wurde im Jahre 1881 Professor Richard Steche mit der Bearbeitung des Inventarisationswerks betraut. Auf Grund seiner Arbeiten wurden in den Jahren 1882—91 fünfzehn je eine Amts⸗ hauptmannschaft umfassende Fehte dieses Werks veröffentlicht, sodaß das genannte Werk jetzt ungefähr zur Hälfte vollendet ist. Da Pro⸗ fessor Dr. Richard Steche Anfang des Jahres nach längerer Krank⸗
heit gestorben ist, hat das verdienstvolle Werk, das sich in den Kreisen der Alterthumsforscher voller Anerkennung erfreute, eine unliebsame Unterbrechung erfahren. Bevor nun ein neuer Bearbeiter für das Werk ernannt wird, soll von neuem die Frage erörtert werden, ob jetzt eine behördliche Commission zum Schutze der Alterthümer einzusetzen sei. Der Königlich sächsische Alterthumsverein hat dies entschieden befürwortet. Einmal hat das Inventarisationswerk dargethan, daß noch eine Fülle werthvoller Alterthümer in Sachsen vorhanden ist. Andererseits haben mancherlei unliebsame Vorkommnisse die Nothwendigkeit eines behördlichen Schutzes dargethan. Viele Alterthümer in Kirchen sind durch unver⸗ ständige Handwerker zu Grunde restaurirt worden u. s. w.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Rentengüter
von 1 ½ bis 60 ha Größe, mit gutem, mittlerem und auch geringerem Boden in beinahe sämmtlichen Kreisen der Provinz Schlesien, mit und ohne Gebäude — sind in großer Anzahl durch Vermittelung der Königlichen General⸗Commission für Schlesien zu Breslau zu vergeben. 1 1 Ansiedelungsbewerber wollen sich mit ihren Anträgen an die vorgenannte Behörde wenden und dabei ““ an⸗ geben, wie viel Land sie ungefähr, — in welcher Boden⸗ beschaffenheit und Gegend, namentlich ob in deutscher oder olnischer Gegend, in evangelischen oder katholischen Dörfern zu erwerben wünschen und über welche Geldmittel sie verfügen. Es werden auch Restgüter von 50 bis 75 ha Fläche als Rentengüter vergeben.
Das Gesetz vom 7. Juli 1891, betreffend die Beförderung er Errichtung von Rentengütern, hat sich die Aufgabe gestellt, ilter Beihilfe des Staats die Vermehrung des kleinen und
mittleren Bauernstandes zu erleichtern. Rentengüter sind nämlich solche neu zu gründende bäuerliche oder Arbeiter⸗ stellen, welche gegen Uebernahme einer festen Geldrente erworben verden. Die Réente kann auf die Rentenbank zur Amortisation bernommen werden, und wird der Rentengutsnehmer dann, nachdem er die Rente eine bestimmte Reihe von Jahren hin⸗ durch gezahlt hat, schuldenfreier Eigenthümer des Gutes. sind auch Leute mit geringeren Mitteln — junge Landwirthe, die nicht den elterlichen Grund⸗ besitz erhalten, sondern in Kapital abgefunden werden, äusler und Gärtner, auch ländliche Arbeiter mit nur etwas Kapital — im stande, bei Fleiß und Sparsam⸗ keit ein eigenes Besitzthum zu erwerben. Die Beihilfe des Staats äußert sich nach folgenden Richtungen hin: 1) der Rentengutserwerber zahlt 60 ½ Jahr lang eine Rente, welche 4 Proc. von ¾ des Betrages der landschaftlichen der sonst zu beschaffenden Taxe des zu erwerbenden Renten⸗ guts beträgt. ½ 2) Zur Aufführung der nothwendigen Wohn⸗ und Wirthschaftsgebäude sowie auch zum Um⸗ und Ausbau etwa miterworbener Dominialgebäude, — sofern nicht die erfor⸗ derlichen Baulichkeiten durch Zuschlagung kleiner, wirthschaftlich nicht selbständiger (Häusler⸗) Stellen beschafft werden, gewährt die Rentenbank Darlehne an den Rentengutsnehmer. Die Erwerber solcher neuen Ansiedelungen haben daher nur etwa ¼ des mit dem Verkäufer zu vereinbarenden Kauf⸗ geldes baar zu zahlen oder für den Verkäufer eintragen zu
8 1113“
lassen und das erforderliche Inventarium und das Betriebs⸗
kapital zu beschaffen. 1d Breslau, den 10. Februar 1893. Koönigliche General⸗Commission für Schlesien. Schwarz.
XXI. Plenarversammlung des Deutschen Landwirth⸗ chaftsraths.
Der zweite Theil der Mittwochsitzung gehörte einer Verhandlung über die Maul⸗ und Klauenseuche. Als Referent sprach Ober⸗ Regierungs⸗Rath Dr. Lydtin⸗Karlsruhe, welcher in längerer Aus⸗ führung die folgende Resolution begründete: 88
„Der Deutsche Landwirthschaftsrath hat die Befriedigung, daß der dem Bundesrath als Antrag Preußens vorgelegte Gesetzentwurf Nr. 16 der Drucksache des Bundesraths 1893 den Wünschen der XX. Plenarversammlung (1892) unter Abth. I Ziffer 1 und 2 und Abth. 11 Ziffer 5 b12, die vorgeschlagenen Aenderungen der §§ 18 und 19 im Zusammenhalt mit § 20 des Gesetzes und des unter
Abth. I Ziffer 3 und Abth. II Ziffer 6 ausgedrückten Wunsches durch eine Ergänzung des § 29 des Seuchengesetzes vom 23. Juni 1880 ge⸗ recht geworden ist.
Auch hat der Landwirthschaftsrath mit großer Befriedigung ver⸗ nommen, daß die Bundesregierungen wegen der Seuchenzustände in Oesterreich⸗Ungarn sachgemäßen Gebrauch von den Bestimmungen des österreichisch⸗deutschen Viehseuchenübereinkommens gemacht haben.
Der Landwirthschaftsrath erklärt seine volle Zustimmung:
a. zu der Erweiterung der Befugnisse des Reichskanzlers hin⸗ sichtlich der Herstellung und Erhaltung der Einheit der Schutzmaß⸗ Febeln an den vom Auslande bedrohten Auslandsgrenzen der Bundes⸗
aaten,
b. zu der Ausdehnung der veterinärpolizeilichen Aufsicht auf die Uanbfncgefähelichen Gastställe, Schlachthäufer und Ställe der Vieh⸗ ändler,
c. zu der Ermöglichung der frühzeitigen Ergreifung zweckmäßiger Control⸗ und Schutzvorkehrungen in verseuchten Orten und für die der Seuchengefahr ausgesetzten Thiere, auch hinsichtlich des Verbots der Viehmärkte,
d. zu den Maßregeln, welche die Unschädlichmachung der Ställe und des Düngers von seuchenkranken Thieren, sowie der von ihnen benutzten Wege und Räume bezwecken.
Dagegen erachtet es der Landwirthschaftsrath mit Rücksicht auf die in Süddeutschland tödtlich aufgetretene Seuche für bedenklich, die Impfung gesunder Thiere mit Maulschleim erkrankter Thiere als polizeiliche Maßregel zu empfehlen.
Der Landwirthschaftsrath erklärt es für wünschenswerth,
1) daß die nach dem Viehseuchen⸗Uebereinkommen zulässige Controle der Zustände der Veterinärpolizei und des Seuchenwesens in Oesterreich⸗Ungarn deutscherseits fleißig geübt werde,
2) daß die österreichisch⸗ungarischen Schlachtviehsendungen unter der Herrschaft der dermalen in Kraft stehenden Bestimmungen an den Schlachtviehhöfen, nach welchen sie instradirt sind, in Contumazställe gelangen und dort von jedem Verkehr abgesperrt bis zur Abschlachtung, die im Schlachthause des Viehhofes zu geschehen hat, verbleiben.
Er erklärt die polizeiliche Abschlachtung einzelner Thiere oder Bestände zum Behufe des Seuchenschutzes in einzelnen Fällen als nützlich und beachtenswerth und empfiehlt die Entschädigung der Vieh⸗ besitzer für auf polizeiliche Anordnung geschlachtetes und an der Seuche gefallenes Vieh dem Herrn Reichskanzler und den Bundesregierungen zur Erwägung.
Der Landwirthschaftsrath schließt sich dem Wunsche des Königlich preußischen Landes⸗Oekonomiecollegiums an: 1
Es wolle von competenter Seite ein Preisausschreiben für die Erforschung des Ansteckungsstoffes l⸗ und . erlassen werden.
Der Landwirthschaftsrath erblick in den Vorschriften der beiden letzten Absätze des in das Seuchengesetz einzuschaltenden § 44 a eine Ausbildung des § 61 der Instruction zu dem Seuchengesetz von einer hygienischen zu einer veterinärpolizeilichen Maßregel und erklärt sich mit diesem Vorgehen einverstanden. Der Landwirthschaftsrath hält jedoch die in dem Gesetzentwurf vorgeschlagene Regelung für nicht ge⸗ nügend, um die Gefahr der Verschleppung des Seuchengifts durch den Verkehr mit Milch zu beseitigen. Zu dem gedachten Zwecke wäre ein allgemeines Verbot des Weggebens der Milch von Thieren eines Seuchen⸗ gehöfts oder einer der Sperre unterworfenen Ortschaft oder Feldmark erforderlich. Da aberein solches Verbot ebenso wie die in dem Gesetzentwurf vorgeschlagene Regelung des Weggebens der Milch in einzelnen Fällen zwecklos berechtigte Interessen schädigen würde, andernfalls aber der Schutz sich an einem Ort nur durch das gänzliche Verbot des Weg⸗ gebens der Milch, an einem anderen Ort aber nur durch das Gebot des Abkochens der Milch vor dem Weggeben erzielen läßt, erklärt es der Landwirthschaftsrath für zweckmäßig, daß die beiden letzten Absätze des § 44 a des Seuchengesetzes folgende Fassung erhalten:
Das Weggeben von Milch aus einem Seuchengehöft oder einer der Sperre unterworfenen Ortschaft oder Feldmark kann verboten oder an die Bedingung geknüpft werden, daß die Milch nur in abgekochtem Zustande weggegeben werde. 1
Die gleiche Bestimmung kann unter Berücksichtigung gegebener Verhältnisse auf Sammelmolkereien Anwendung finden, solange auch nur aus einem unter Sperre gestellten Viehbestande Milch zur Molkerei geliefert wird.“ b
Nach längerer Debatte, an welcher sich die Herren von Roeder, von Langsdorff, Freiherr von Cetto, Klein, von Below, von Arnim, Freiherr von Hornstein, von Bemberg und Professor May betheiligten, wurden die Anträge unter Ablehnung eines Antrages von Cetto, welcher eine Verschärfung des die polizeiliche Abschlachtung betreffenden Ab⸗ satzes enthielt, einstimmig angenommen.
Die vierte Sitzung begann heute Vormittag 10 Uhr unter Leitung des Grafen Lerchenseld,Köfering⸗ Den ersten Gegenstand der ügeeotonang bildete die Heimstättenfrage. Die Verhand⸗ lung knüpfte sich an die entsprechende von 1891 an, wo beschlossen wurde, zunächst die Gutachten der landwirthschaftlichen Centralvereine einzufordern. Diese Gutachten sind inzwischen eingegangen. Die beiden Referenten, Ministerial⸗Rath A. Buchenberger⸗Karlsruhe und Freiherr von Erffa⸗Wernburg brachten gemeinsam die folgende Resolution ein: 8
„Der Deutsche Landwirthschaftsrath wolle beschließen:
I. Unter Festhaltung seiner im Jahre 1891 gefaßten Beschlüsse, und gestützt auf die bei weitem überwiegend ablehnende Begutachtung seitens der deutschen landwirthschaftlichen Centralvereine erachtet der Deutsche Landwirthschaftsrath die bisher gemachten Versuche der Aus⸗ gestaltung eines Heimstätterechts für praktisch unzureichend und wirkungslos. 8 b
II. Der Deutsche Landwirthschaftsrath erblickt nach wie vor in der Heimstättebewegung einen gesunden socialpolitischen Gedanken, glaubt aber, daß erfolgreicher als durch unmittelbare Einschränkungen der Verfügungsfreiheit im Creditverkehr dieser Gedanke auf dem Wege einer socialreformatorischen Ausgestaltung der verschiedenen Ge⸗ biete des Acheste t. insbesondere hinsichtlich des Erbrechts in Grundbesitz, rechts verwirklicht werden kann. ]
III. Da eine den Grundgedanken der Heimstättebewegung mit
berücksichtigende Ausgestaltund des Agrarrechts nur unter vollster Be⸗ rücksichtigung der verschieden gestellten wirthschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse des ländlichen Grundbesitzes in den einzelnen deutschen Staaten erfolgen kann, so schließt diese Voraussetzung den Erlaß eines Reichs⸗Heimstättegesetzes aus, weist vielmehr auf die praktische Anwendung des Heimstätteprincips in den hier Vorziesen in Betracht kommenden Gebieten des Anerbenrechts, des Verschuldungs⸗ und Creditrechts, sowie der Organisation des ländlichen Creditwesens im Wege der Einzelstaats⸗Gesetzgebung hin. 8 IV. Eine unmittelbar Pratsische Anwendung des Heimstätte⸗ edankens erblickt der Deutsche Landwirthschaftsrath ferner in der inführung eines der Zwangsvollstreckungsordnung zu entziehenden Besitzminimums an Grund und Boden in das geltende Recht. Der Deutsche Landwirthschaftsrath beschließt, an den maßgebenden Stellen dahin vorstellig zu werden, daß bei der weiteren Bearbeitung des neuen Bürgerlichen Gesetzbuches und der Zwangsvollstreckungsordnung für das Deutsche Reich dieser Forderung Berücksichtigung zu theil werde.“ Nach dem Ergebniß der veranstalteten Erhebungen, das durch die noch ausstehenden Rückäußerungen einzelner landwirthschaftlicher Centralvereine eine wesentliche Aenderung nicht erfahren dürfte, würde die Stellungnahme (so führte der a Referent aus) des Deutschen Landwirthschaftsraths zu dem Entwurf eines Reichs⸗Heimstättegesetzes, und zwar auch in der verbesserten Gestalt, die dem Entwurf in der Reichtagscommission gegeben worden ist, nur eine endgültig ablehnende sein können. Ziel und Zweck des beim Reichstag ein⸗ gebrachten Antrags wie der ganzen Heimstättebewegung überhaupt: die landwirthschaftlichen Anwesen der bäuerlichen Bepölkerung vor übermäßiger Verschuldung zu bewahren, ihre wirthschaftliche Leistungsfähigkeit zu sichern, den Verbleib des Wirths auch in nie⸗ drigen Zeitläuften zu ermöglichen, könne selbstverständlich nicht anders
es Liegenschaftsverkehrs, fowie des Grundverschuldungs⸗
als gutgeheißen werden; nur sei die Möglichkeit und die Zweckmäßig⸗ keit zu bestreiten, dies Ziel und diesen Zweck im Sinne der bisher ge⸗ machten Vorschläge mit den Mitteln “ Bevormundung er⸗ reichen zu wollen. Das Aufgabeziel jeder Agrarpolitik, dasjenige den bäuerlichen Besitzungen die Eigenschaften von Familienheimstätten zu geben, d. h. durch die bestimmte Art des Agrarrechts und der Agrarpflege solche Allgemeinbedingungen des bäuerlichen Wirth⸗ schaftslebens zu schaffen, daß nicht nur die kräftigsten, tüchtigsten, sondern auch die schwächeren, minder geschickten in dem Erbe ihrer Väter sich zu erhalten vermögen — können nicht durch das mecha⸗ nische Mittel von Verschuldungsverboten oder von schablonenmäßigen Creditverschränkungen gewifsermassen auf einen Schlag erreicht werden. Vielmehr sei dazu der organische Aufbau einer wohldurchdachten, auf die bestimmten Verhältnisse des einzelnen Staatsgebiets gebührend Rücksicht nehmenden Rechts⸗ und Verwaltungsordnung, ein Aufbau, der nur allmählich, schrittweise und stets unter gewissenhafter Beach⸗ tung der Lebens⸗ und Wirthschaftsverhältnisse, auf die Sonderart und Charaktereigenthümlichkeiten der bäuerlichen Elemente seiner Voll⸗ endung entgegengeführt werden könne, erforderlich.
Der zweite Referent zur Frage des Heimstättengesetzes Freiherr von Erffa⸗Wernburg war nicht anwesend. Es sprach Landrichter Schneider⸗Cassel über einige Hauptfragen bei der bevor⸗ stehenden Neuregelung des deutschen Zwangsversteige⸗ rungsrechts. Redner wandte sich dabei wesentlich gegen Absatz IV der beantragten Resolution. Die Ausscheidung eines Besitzminimums von der Zwangsversteigerung sei unzweckmäßig, weil dies Besitzminimum an sich wegen der Zerschlagung aller bisherigen Verhältnisse der Wirthschaft sehr entwerthet sei, weil die Ausscheidung desselben aber auch den Credit des betreffenden Besitzers auf das äußerste gefährde. Bei der Discussion sprachen sich im ähnlichen Sinne aus Professor von der Goltz⸗Jena und von Hövel⸗ Herbeck, während Freiherr von Cetto⸗Reichertshausen die Aus⸗ scheidung des Besitzminimums in Schutz nahm. Es wurden schließlich die drei ersten Sätze der beantragten Resolution (der dritte mit einer kleinen Aenderung) einstimmig angenommen, der vierte abgelehnt und statt seiner der folgende Satz angenommen:
„Der Deutsche Landwirthschaftsrath beschließt, an den maß⸗ gebenden Stellen dahin vorstellig zu werden, daß bei der weiteren Bearbeitung des neuen bürgerlichen Gesetzbuchs und der Zwangs⸗ vollstreckungsordnung für das Deutsche Reich den vom Landrichter Schneider Bedenken Berücksichtigung widerfahren möge.“
Diese Bedenken beziehen sich, abgesehen von dem obengenannten über das Besitzminimum und einige weniger wichtige Punkte, haupt⸗ sächlich auf den Paragraphen des Entwurfs, welcher einem Gläubiger gestattet, die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung gleichzeitig zu beantragen und nebenbei noch die Eintragung einer Zwangshypothek zu verlangen.
Es trat sodann eine Pause ein.
Der nächste Gegenstand der Tagesordnung betraf den Abschluß eines deutsch⸗russischen Handelsvertrags. Als Referent sprach von Below⸗Sal ske, welcher gemeinsam mit dem folgenden Referenten Dr. von Frege⸗Abtnaundorf den nachstehenden Antrag einbrachte: 8
„Der Deutsche Landwirthschaftsrath wolle erklären: Die Lage der Landwirthschaft ist nicht günstig genug, um ohne ernstliche Gefährdung ihres Gedeihens irgend welche weitere Ermäßigung der landwirthschaftlichen Zölle ertragen zu können. Eine Herabminderung dieser Einfuhrzölle Rußland gegenüber würde in den östlichen preußischen Provinzen die Existenz zahl⸗ reicher Landwirthe geradezu in Frage stellen, überall in Deutschland aber die Landwirthschaft schwer schädigen, so lange nicht das Deutsche Reich und Rußland eine auf festen gegenseitigen Vereinbarungen beruhende Währung besitzen und die Gefahr der Einschleppung von Viehseuchen aus Rußland durch wirksame Schutz⸗ maßregeln dauernd verhütet wird.“ 11““ 8
Handel und Gewerbe. Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. 4 In Oberschlesien sind am 14. d. M. gestellt 4990, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. — Zwangs⸗Versteigerungen. Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin stand am 15. Februar das dem Kaufmann Hugo Daus gehörige, in der Kastanienallee 88 belegene Grundstück zur Versteigerung; Nutzungs⸗ werth 13 800 ℳ; für das Meistgebot von 216 500 ℳ wurde der Maurermeister Wilhelm Friedrich, Kohlenufer 3, Ersteher. Beim Königlichen Amtsgericht II Berlin wurde das Verfahren der Zwangsversteigerung des zu Schönerlinde belegenen, dem Schmiedemeister Carl Wudicke gehörigen, im Grundbuche von Schönerlinde Band 2 Blatt Nr. 45 eingetragenen Grundstücks aufgehoben. Die Termine am 7. und 10. April d. J. fallen fort.
— Die Bilanz der Bayerischen Handelsbank weist, wie aus München gemeldet wird, einen Reingewinn von 1 728 051 ℳ auf;
der Verwaltungsrath wird eine Dividende von 7 % bei der General⸗ versammlung beantragen. 8
Verdingungen im Auslande.
Dänemark. . Trafikchefen for Sjaelland-Falster,
20. Februar, 12 Uhr. j Lieferung
Trafikforvaltningens Magasin, Bahnhof, Kopenhagen.
des Bedarfs 88 das Betriebsjahr 1893/94 an Kabeltau, Packtau,
Manillatau, Lampendochten und Hemmklötzen. Proben zur Ansich an Ort und Stelle, Bedingungen beim „Reichs⸗Anzeiger“ (in dänische Sprache). — .
28. Februar, 12 Uhr. Gasudvalgets Formand, Konsul W Helstrup in Thisted. und Aufstellung eines neuen Gas behälters (ca. 25 Kubikfuß), 2 edhnoungen an Ort und Stelle.
Niederlande.
20. Februar, 12 Uhr. Burgemeester en Wethouders van Amsterdam im Rathhause. Lieferung und Aufstellung von fünf hydraulischen Laufkrähnen auf der Handelskade zu Amsterdam. Lieferungsbedingungen nebst einer Zeichnung für 1 Fl. erhältlich i der Staatsdruckerei. — 1
27. Februar, 1 ½ Uhr. Hollandsche vzeren-Spoorweg. Maatschappy im Central⸗Personenbahnhof zu Amsterdam. Loo Nr. 551. Lieferung von stählernen Laschen⸗Schluß⸗ und Klemm⸗ platten, eisernen Hakenbolzen, stählernen, Schraubenbolzen und Hol schrauben sowie Contraschienen mit kleinem Eisenwerk in 1. A theilungen. Lieferungsbedingungen für 1 Fl. erhältlich bei dem Büreau Weg en Werken der genannten Gesellschaft, Zimme .
Het Gemeentebestuur zu Purmerend. “ und Au⸗ stellung eines Gasometers von 800 cbm ausnutzbarem Inhalt, etwa 12,8 m Durchmesser und 6,4 m Höhe in ges lagenem eisernen Behälter mit Zu⸗ und Ableitungsröhren, 8 fehan⸗ und Erwärmungskessel. Angebote mit Zeichnung, Be 5— bung. und Bedingungen sowie mit Preisangabe für einen Be⸗ hälter mit flachem und mit kugelförmigem, zugänglichem Boden werden vor dem 11. März cr. im Rathhaus zu Purmerend entgegen⸗
enommen. 1“ 1 Nähere Auskunft ertheilt der Director der Gasfabrik in Hoorn,
eerr W. de Liefde. 1 . 8 13. März, 12 Uhr. Departement van Kolonien (Technisch
Bureau) im Haag. n. Loos Nr. 139. Lieferung von 7 Untergestellen für Personen⸗ und
Güterwagen. 8
Loos Nr. 140. Lieferung des Eisenwerks für die Perransiberdaf
und eine Rampenüberdachung für das Stationsgebäude in 29 885
Loos Nr. 141. Lieferung von Untergestellen für Personen⸗ ung
Güterwagen, . 88 8 8
saͤmmtlich für die Staatseisenbahnen auf Java. Lieferungsbedingung ür 3 bez. 2 und 1 Fl. erhältlich bei dem Buchhändler Ma
yhoff im Haag. 8
“
zum Deut Noh 41.
Königreich Preußen. Königliche Technische Hochschule zu Aachen. Vorlesungen und Uebungen im Sommer⸗Semester 189
Beginn der Immatriculationen am 10. April, der Vorlesungen am 17. April 1893.
Abtheilung für Architektur. Professoren: Damert: Architektur der Renaissance; Entwerfen von Felegeg, amert. Veranschlagung und Bauführung. — Henrici: Pürgenlich Baukunst I. und II. Curs; Einrichtung und Entwerfen öffentlicher Gebäude und Anstalten; Ornamentik; Freihandzeichnen. — Reiff: Figuren⸗ id Landschaftszeichnen und Aquarellmalen. — Schupmann: lehre der Baukunst I. bis IV. Curs. — Vischer: Allgemeine Kunst⸗ geschichte. — Docenten: Frentzen: Detailliren von Gebäudetheilen I. und II. Curs; Formale Ausbildung der Ingenieurbauten; Architektur größerer Gebäude. — Krauß: Bossiren und Modelliren. — Privat⸗ docent Buchkremer: Kunstgewerbe. Abtheilung für Bau⸗Ingenieurwesen. Professoren: Bräuler: Straßen⸗ und Eisenbahnbau. — Forchheimer: Tunnel⸗ bau; Städtekanalisation; Encyclopädie des Bau⸗Ingenieurwesens. — Heinzerling: Höhere Bauconstructionen mit mathematischer Be⸗ gründung; Brückenbau I. und II. Curs; Geschichte des Brücken⸗ aues. — Intze: Bauconstruction; Wasserbau I. und II. Curs. — Werner: Praktische Geometrie; Geographische Ortsbestimmung; E1.“ ; heilungfür Maschinen⸗Ingenieurwesen. Professoren: Grotrian: Elektrotechnik I. und gr Curs; Elrrthrosßseren⸗ Praktikum. — Gutermuth: Maschinenbau; Maschinenconstruiren. — Herrmann: Mechanische Technologie I. und II. Curs; Fabrik⸗ anlagen und Werkzeugmaschinen. — Köchy: Locomotivbau; Eisen⸗ bahnmaschinenbau; Maschinen⸗Elemente; Grundzüge des Locomotiv⸗ baues; Grundzüge des Eisenbahnwagenbaues. — Lüders: Maschinen⸗ kunde (für Berg⸗ und Hütten⸗Ingenieure) I. und II. Curs. — Pinzger: 1 Theoretische Maschinenlehre; Kinematik; Maschinen⸗ technische Versuche. — Docent: von Jhering: Baumaschinen; 1ag hinenzeichnen; Heizung und Lüftung der Gebäude; Kleinkraft⸗ maschinen.
Abtheilung für Bergbau und Hüttenkunde und für Chemie. Professoren: Arzruni: Mineralogie und Krystallogra⸗ phie mit Demonstrationen und Uebungen im Bestimmen der Mine⸗ ralien; Petrogra öhie mit Demonstrationen; Uebungen im mineralo⸗
ggischen Institut; Anleitung zu selbständigen Arbeiten auf dem Gebiete der Krystallographie, Mineralogie und Petrographie. — Claisen: Erperimental⸗Chemie: Organischer Theil; Organisches Praktikum; Anleitung zu selbständigen Arbeiten auf dem Gebiete der organischen Chemie. — Classen: Chemie der Metalle, Anorganisches Prakti⸗ kum; Ausführung selbständiger wissenschaftlicher Arbeiten; Gericht⸗ liche Chemie. — Dürre: Einleitung in die Hüttenkunde; Metall⸗ hüttenkunde; Besondere Kapitel der Eisenhüttenkunde (Eisengießerei, Walzencalibrirung 8 Entwerfen von Hüttenanlagen; Hüttenmännische Probirkunst; Löthrohrprobirkunst; Anleitung zu metallurgischen Ver⸗ suchen. — Schulz: Bergbaukunde; Entwerfen bergmännischer und Aufbereitungs⸗Anlagen; Bergverwaltung. — Stahlschmidt: Tech⸗ nische Chemie; Entwerfen von chemischen Fabrikanlagen; Chemisch⸗ technisches Praktikum. — Docenten: Fenner: Markscheiden und eldmessen; Zeichnerische Uebungen; Uebungen im Markscheiden und Feldmessen. — Holzapfel: Specielle Geologie; Palontologische Uebungen; Elemente der Mineralogie und Geologie.
Abtheilung für allgemeine Wissenschaften, insbe⸗ sondere für Mathematik und Naturwissenschaften. Professoren: van der Borght: National⸗Oekonomie II.; Geschichte der National⸗Oekonomie; Grundzüge der Finanzwissenschaft; Baurecht. — Jürgens: Höhere Mathematik II mit Uebungen; Elementar⸗ Mathematik mit Uebungen; Mathematisches Seminar. — von Man⸗ goldt: Höhere Mathematik I mit Uebungen; Elemente der analytischen Geometrie, der Differential⸗ und Integral⸗Rechnung mit Uebungen. — Ritter: Mechanik I. und II. Curs. — Schur: Darstellende Geo⸗ metrie. — Wüllner: Experimental⸗Physik; Physik in mathe⸗ matischer und experimenteller “ Ausgewählte Theile; Uebungen im physikalischen Laboratorium: a. für Elektrotechniker, b. für Physiker. — Docenten: Wie ner: Experimentalphysik enc. Curs; Spectralanalyse mit Experimenten. — N. N.: Gewerbe⸗ Hygieine; Gewerbehygieinische Gesetzgebung. — Außerdem: Hasen⸗ elever: Kaufmännische Buchführung für Techniker. — Völckers: Die erste Hilfeleistung bei plötzlichen Unglücksfällen, mit Uebungen.
Programme übersendet auf Ersuchen das Secretariat.
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 31. Sitzung vom 15. Februar.
Ueber den Beginn der Sitzung ist bereits in der Nummer
m Mittwoch berichtet worden. Zur Berathung der Petition des Directoriums des landwirthschaft⸗ lichen Centralvereins der Provinz Sachsen zu dem zwischen Deutschland und Rußland abzuschließen⸗ den Handelsvertrage liegt — nachdem ein Antrag des Abg. Dr. Arendt zurückgezogen war — folgender Antrag der Abgg. von Dziembowski, Freiherr von Erffa und Ge⸗ nossen vor:
Die Petition der Königlichen Staatsregierung zur Berücksichti⸗ gung dahin zu überweisen, daß diese im Bundesrath dahin wirke, daß bei den bevorstehenden Handelsvertragsverhandlungen mit Ruß⸗ land im Anschluß an die Erfahrungen, welché auf Grund der Wirkungen der Handelsverträge mit Oesterreich⸗Ungarn, Italien und der Schweiz gemacht sind, die Interessen von Landwirthschaft und Industrie ausgiebig gewahrt werden.
Abg. Rickert (bfr.) beantragt, über den Antrag von Dziembowski zur Tagesordnung überzugehen. Außerdem liegt folgender Antrag von Eynern vor:
„Für den Fall der Annahme des Antrages der Abgeordneten von Dziembowski und Genossen folgenden Zusatz zu machen: Gleich⸗ zeitig wird die Königliche Staatsregierung aufgefordert, vor und bei Abschluß von Handelsverträgen sich mit den Interessenten und Sachverständigen der Landwirthschaft und Industrie ausreichend in Beziehung zu setzen.“
Nach der mitgetheilten) Rede des Abg. Dr.
Arendt nimmt das Wort der
Präsident des Staats⸗Ministeriums, Minister des Innern
Graf zu Eulenburg:
1 Meine Herren! Ich muß zunächst entschieden Verwahrung ein⸗ legen gegen eine Aeußerung, welche gegen den Schluß der Rede des
Herrn Vorredners gefallen ist. Er hat es für möglich gehalten,
daß aus der Unzufriedenheit der Landwirthe mit irgend einer Maß⸗
Berlin, Donnerstag, den 16. Februar
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ihre Stellung gegenüber dem, was für den Staat und das Reich nothwendig ist zu seiner Vertheidigung und zur Aufrechterhaltung seiner Stärke. Ich halte das für eine Unterstellung, welche beleidigend für die Landwirthe ist und gegen die sie selbst, wie ich hoffe, den stärksten Protest einlegen werden. (Sehr richtig! links.) Im übrigen, meine Herren, ist eine der wesentlichen Grundlagen, auf welchen die Einigung Deutschlands beruht, die Herstellung eines einheitlichen Zoll⸗ und Handelsgebiets und die ausschließliche Uebertragung der Gesetzgebung auf diesem Gebiete auf das Reich. Diesem Rechtszustande entspricht es nicht, und jene Grundlage ist es zu erschüttern geeignet, wenn die Landesvertretung eines Bundesstaats, und zumal des größten, es unternimmt, in die Gesetzgebung des Reichs einzugreifen und sich durch seine Beschlüsse mit der Handelspolitik des Reichs in Gegensatz zu stellen. (Sehr richtig! links.) Meine Herren, diese Grenze, welche nach unserer Ansicht eingehalten werden muß, wurde überschritten durch den Antrag, welcher den Namen des Herrn Vor⸗ redners trägt und welcher nunmehr zurückgezogen ist. Der Herr Finanz⸗ Minister war also bei seinem Erscheinen in der letzten Woche während der Verhandlung dieses Antrages vollkommen berechtigt, nicht allein dagegen Einspruch zu erheben, daß ein Antrag von diesem Inhalt ohne Anwesenheit der Minister verhandelt würde, sondern auch dagegen, daß er zur Annahme gelangen könnte.
An solchen Anträgen und an solchen Verhandlungen ist die Staatsregierung ihrer Stellung im Reich gegenüber sich zu be⸗ theiligen nicht in der Lage. Anders liegt die Sache mit dem An⸗ trage, welcher jetzt unter Nr. 58 der Drucksachen vorliegt. Der Inhalt dieses Antrags ist nach seinem Wortlaut so unzweideutig, daß der Versuch, der vorher gemacht worden ist, ihn als gleich⸗ bedeutend mit dem anderen darzustellen, meines Erachtens ein gänz⸗ lich vergeblicher ist. (Sehr wahr! links.) Nach meiner Ansicht würde es zwar empfehlenswerth gewesen sein, dem Antrage, welchen Ihre Petitionscommission einstimmig angenommen hat, nämlich die Petition der Regierung als Material zu überweisen, beizutreten. Denn die Staatsregierung darf die Voraussetzung für sich in Anspruch nehmen, daß sie ihre Pflichten im Bundesrath und innerhalb des Reichs wahrnehmen und infolge dessen auch mit aller Kraft auf die Wahrung der Interessen von Landwirthschaft und In⸗ dustrie bedacht sein wird. Wenn Sie indessen, meine Herren, den Wunsch haben, dem noch besonders Ausdruck zu gebef so hat die Staatsregierung keine Veranlassung, dem zu widersprechen.
Was nun den Inhalt der Petition anbetrifft, der sich auf den Handelsvertrag mit Rußland im wesentlichen bezieht, so bin ich, einer feststehenden parlamentarischen Gewohnheit folgend, nicht in der Lage, mit Rücksicht auf die schwebenden Verhandlungen hierauf im einzelnen näher einzugehen. Ich würde es für sehr wünschenswerth halten, wenn die ernsten Gründe, welche dieser parlamentarischen Gewohn⸗ heit zu Grunde liegen, auch in diesem hohen Hause Beachtung fänden. (Sehr wahr! links.) Ich sage das nicht in dem Sinne, als ob die Gegenstände, welche in der Petition sonst berührt sind, nicht hier zur Verhandlung kommen sollen; auch nicht in dem Sinne, als ob ich dem Hause das Recht bestreiten wollte, seine Ansicht über einen Gegenstand, der demnächst im Reich zur Verhandlung kommen soll, zu äußern. Aber die Verhandlung solcher Dinge — und das beweist ebenfalls die Rede des Herrn Vorredners — führt nur zu leicht auf Gegenstände, welche in der That nicht von der Art sind, daß sie während schwebender Verhandlungen hier erörtert werden sollten. Sonst aber werden Sie uns jeder Zeit bereit finden, mit Ihnen zu verhandeln über die Bedürfnisse und die Beschwerden der Landwirthschaft, und es wird das unsererseits geschehen nicht allein, wie der Herr Abg. von Kröcher vorausgesetzt hat, mit dem vollen und warmen Interesse, welches diese wichtigen Factoren des staatlichen und wirthschaftlichen Lebens erfordern, sondern auch mit dem ernsten Bestreben, da zu helfen, wo es noth thut und soweit es in unserer Macht steht. (Bravo! links.)
Inzwischen ist ein Antrag Broemel eingegangen, sowohl in dem Antrage von Dziembowski als in dem Antrage von Eynern an Stelle der Worte: „Landwirthschaft und Industrie“ zu s „Landwirthschaft und Handel“.
Ferner ist vom Abg. Seer ein Antrag eingegangen: „Die Regierung möge auf den Abschluß eines Handelsvertrages mit Spanien hinwirken, durch welchen dem deutschen Spiritus das verlorene Absatzgebiet wiedergewonnen wird.“
Abg. Freiherr von Erffa (cons.): Die Petition meiner hei⸗ mathlichen Provinz hat alle Stadien der Verhandlung durchlaufen: Antrag auf Absetzung von der Tagesordnung, Hammelsprung, nament⸗ liche Abstimmung, Citirung der Minister; meine Provinz kann zu⸗ frieden sein mit der Beachtung, die der Petition geschenkt ist, und ich spreche in deren Namen meinen Dank dafür aus. Ich gehe auf Einzelheiten nicht ein; in der dreitägigen Debatte über den Domänen⸗ Etat konnte sich jeder von der Lage der Landwirthschaft über⸗ zeugen, namentlich hat uns der Abg. Schmitz nach seiner zwanzigjährigen Erfahrung als Vormundschaftsrichter gezeigt, wie es um den kleinen Besitz bestellt ist. Die Petition ist von zwei Namen unterzeichnet, die in der ganzen landwirthschaft⸗ lichen Welt bekannt sind: Nathusius und von Mendel, und diese schützen vor dem Verdacht, daß es sich um Vortheile für den Groß⸗ grundbesitz handelt. Von den 285 681 selbständigen landwirthschaft⸗ lichen Betrieben in der Provinz Sachsen gehören dem Großgrund⸗ besitz nur 843, dem großbäuerlichen Besitz 17 408, dem kleinbäuerlichen Besitz 77 449 und dem Parcellenbetrieb 189 981 an; von den 2 644 000 Hektar landwirthschaftlich benutzten Areals bewirthschaftet der Groß⸗ grundbesitz 22 %, der großbäuerliche 43 %, der kleinbäuerliche 29,5 % und der Parcellenbetrieb 5,5 %. Mehr als 70 % sind also in bäuer⸗ lichem Besitz, und da kann man nicht sagen, daß es sich bei dieser “ um die „Unersättlichkeit“ der Großgrundbesitzer handele. Eine Provinz von über 70 % bäuerlichen Besitzes muß doch wissen, was mit den Bauern los ist. Man bestreitet die Identität der Interessen des Groß⸗ und Kleingrundbesitzes. Ein Bauer ist doch kein sen binson Crusoe auf einsamer Insel, der si Kleider, Schuhe, Ackergeräthe u. s. w. selbst macht, er 8 also über seinen eigenen Bedarf bauen und verkaufen können; denn er braucht baares Geld, um alle diese Dinge kaufen und auch Steuern bezahlen zu können. Einen Normalbauern, der nur braucht, was er baut, giebt es nicht. Ich begreife, daß die Regierung jetzt, wo die Verhandiungen mit Rußland schweben, nicht in der Lage ist, uns etwas Näheres über den Stand der Sache mitzutheilen, und daß sie ein Tadelsvotum, wie es
in dem Antrag des Abg. Arendt lag, nicht gerade mit Vergnügen begrüßt hat. Bestreiten muß ich aber, daß man die Resultate des österreichischen Handelsvertrages noch nicht übersehen könne. Wir haben nie behauptet, — ich bitte ausdrücklich dies zu beachten —, daß die Handelsverträge allein die jetzigen schlechten Getreidepreise herbeigeführt haben; ich selber habe früher nßr esagt, die ausgezeichnete Ernte, die wir in diesem Jahre gehabt ist nicht allein an diesen schlechten Getreidepreisen Schuld, sondern auch der deutsch⸗öster⸗ reichische Handelsvertrag. Daß bei der Preisbildung auf dem Welt⸗ markt auch noch andere Factoren mitspielen, weiß ich recht gut. Bei der Berathung des österreichischen Handelsvertrages hat der Reichskanzler von der Landwirthschaft ein patriotisches Opfer ver⸗ langt. Damit ist klar ausgesprochen, daß die Landwirthschaft der hohen Politik ihr Opfer bringen sollte. Man kann also gar nicht leugnen, daß die Landwirthschaft Verluste gehabt hat. Diese Verluste waren vorgesehen., Der Herr Präsident des Staats⸗Ministeriums hat bei der Beantwortung dieser Petition uns die Wahrung der Interessen der Land⸗ wirthschaft in vollstem Maße versprochen. Wir fürchten aber, daß durch den russischen Handelsvertrag die Landwirthschaft in ihrer Eristenz fundamental geschädigt wird. Er hielt es für sehr bedenklich, daß ein Particular⸗Landtag sich in Reichssachen einmische. Ja, ich bitte ihn, uns einmal mitzutheilen, wo und wann die deutsche Landwirthschaft in der Lage ist, ihre Wünsche über einen derartigen Handelsvertrag zu äußern. Die Erörterung in der Presse kann nur eine rein akademische sein, und außerdem steht mir nur 1¹10 der Presse zur Verfügung. Der sächsische und der bayerische Landtag haben sich darüber geäußert, und ich lehne es ab, daß der preußische Landtag nicht berechtigt wäre, eine derartige Frage vor sein Forum zu ziehen. Und wann sollen wir uns über die Frage äußern? Wenn ein Handelsvertrag dem Reichstag vorliegt, so kann er nur angenommen oder ee werden. Hat man uns erst den Hut über den Kopf gestülpt, dann ist es zu spät, noch Wünsche vorzubringen, und dieses „zu spät“ wollen wir im Interesse unserer Berufsgenossen vermeiden. Ich behauptete neulich, daß 1891 Rußland trotz seiner Mißernte mit 64 % des ge⸗ sammten Getreideimports in Deutschland betheiligt gewesen sei. Ich behaupte heute, daß von 1888 —1891 Rußland einen Antheil am Import von Roggen in Deutschland von 80 % gehabt hat. Wenn man dann noch zweifelhaft sein kann, daß die deutsche Landwirth⸗ schaft in der größten Besorgniß ist, dann kann ich nicht mehr streiten. Werden die Zollsätze vermindert und kommen noch die russische Valuta und die russischen billigen Tarife hinzu, so bekommt Rußland thatsächlich eine Importprämie in Deutschland, und das wollen wir nicht. Der allgemeine Nothschrei der Landwirth⸗ schaft sollte doch die Regierung bedenklich machen. Eine der⸗ artige Bewegung kann sehr leicht in eine falsche abschüssige Bahn kommen. Unser Wunsch ist es, diese Bewegung in eine richtige Bahn zu leiten, aber eine Verantwortung muß ich namens meiner Se durchaus ablehnen. Auch die Rede des Abg. Vopelius, eines o hervorragenden Vertreters der Industrie, sollte der Regierung zu denken geben. Ein Theil der Industrie sieht ein, daß eine Re⸗ duction der Zölle nicht zu verlangen ist, wenn dadurch die Land⸗ wirthschaft geschädigt wird. Der deutsche Landwirthschaftsrath wird sich morgen mit der Frage beschäftigen. Er thut es aus eigener Initiative. Er ist nicht gefragt worden bei dem deutsch⸗österreichischen Handelsvertrag, auch nicht bei der Enquste, welche von der Regie⸗ rung einberufen worden ist. Darum begrüßen wir den Antrag Eynern, der die Anhörung auch der Landwirthschaft bei den Verhandlungen über den russischen Handelsvertrag wünscht. Den Antrag auf Uebergang zur Tagesordnung bitten wir natürlich abzu⸗ lehnen. Der Altmeister der Volkswirthschaftslehre Thaer hat ge⸗ sagt, daß der Ackerbau die ganze Cultur des Landes hebt. Der Ackerbau kann aber nur dann getrieben werden, wenn man ihn vortheilhaft macht. Dies sollte die Regierung beachten. 1
Abg. von Schalscha (Centr.): Die hohe Staatsregierung hat das Recht, das Haus über seine Meinung zu fragen, und wenn sie das unterläßt, weil sie genügend informirt ist oder genügend informirt zu sein glaubt, so können wir doch nicht darauf verzichten, unsere Meinung zu sagen. Die Position der Staatsregierung im Bundes⸗ rath kann dadurch nur gestärkt werden. Wäre 1891 so verfahren worden, es wäre manches vermieden worden, was geschehen ist. Die vielgerühmte Festlegung des Zolles ist gerade ein Fehler. Er ist nur nach oben hin festgelegt, eine gesunde Entwickelung des Zolles ist ausgeschlossen; aber nach unten hin ist er nicht festgelegt. Es kommt nur darauf an, welche Wirkung die Hetze derjenigen haben wird, welche über die Vertheuerung schreien. Ich vertrete seit Jahren die Ansicht, daß wir noch immer nicht dahin gekommen sind, daß der “ welche Einwirkung auf die Preise gehabt hat. Der Ninister sollte mir einmal das Fehlerhafte meiner Zahlen nachweisen, dann hätte er gewissermaßen Recht. Die Bedeutung der Valuta ist allerdings auch den hohen Staatsbeamten, dem General⸗Konsul in St. Petersburg und den höchsten Beamten in Berlin, verborgen geblieben. Diese Sache begreift aber in Oberschlesien der einfachste Bauer. Ob der Zoll 3¼ ℳ oder 5 ℳ beträgt, macht für den Preis nicht viel aus. Ein Zoll ist nur wirksam, wenn er die Verhältnisse der Valuta ausgleicht, sonz ist er nur ein Finanzzoll, der die Reichskasse füllt. Wenige dhn or nach Einführung des Fünfmark⸗Zolles hatten wir die aller⸗ niedrigsten Preise, weil der Rubel 163 stand. Heller Jubel entstand darüber, daß Oesterreich zur Goldwährung uͤberging; der Jubel hat ich in Trauer verwandelt, denn es ist eine weitere Depression des Silbers erfolgt und der Import wird dadurch erleichtert. Ruß⸗ land soll die Absicht haben, den Rubelcurs zu stabilisiren. Das klingt sehr schön, aber was soll stabilisirt werden, das Gute oder das Elend? Wenn der Rubelcurs 300 steht, brauchen wir keine Zölle. Der Herr Präsident des Staats⸗Ministeriums hat sich gewundert, daß man diese Dinge mit der Militärvorlage in Zu⸗ sammenhang gebracht hat. Aber wenn der Landwirthschaft neue Opfer für die Militärlast zugemuthet werden, dann darf die Regierung in demselben Augenblicke nicht eine neue Blutabzapfung vornehmen. Denn die höchsten Ideale schwinden, wenn die Noth eintritt.
Abg. von Kardorff (freicons.): Wenn wir eine Reichs angelegenheit hier behandeln, muß diese nicht nur wichtig sein, sondern auch einen speecifisch preußischen Charakter tragen. Das ist aber gerade bei dieser “ der Fall. Preußen ist der einzige deutsche Staat, der an Ruß and grenzt, es wird also durch einen russischen 1“ unmittelbarer und wirksamer getroffen, als das g ammte übrige Deutschland. Für die Noth der Landwirthschaft, die von mancher Seite bestritten wird, spricht die Entvölkerung des platten Landes in den östlichen Provinzen, welche dadurch entsteht, daß die Landwirthe nicht in der Lage sind, die Löhne des industriellen Westens zu zahlen. Ferner sind die Domänenpachten in den öst⸗ lichen Provinzen um 30 % heruntergegangen. Wer angesichts dessen darauf hinweist, daß auch die Kapitalisten durch Herabgehen des Zinsfußes leiden, zeigt, wie wenig er überhaupt von der landwirth⸗ schaftlichen Noth begriffen hat. Ich nehme an, von zwei Brüdern hat der eine ein kleines Gütchen von 9000 ℳ laut testamentarischer Bestimmung des
übernommen, der Antheil des anderen ist mit 4500 ℳ hypo⸗
thekarisch eingetragen. Dem Kapitalisten kann es nun be⸗ gegnen, daß sein Bruder statt 4 ½ nur noch 4 oder 3 ½ % Zinsen ahlt, er verliert dann ein Viertel seiner bisherigen Einnahme. De
Landwirth aber sieht den Preis des Gutes von 9000 auf 6000 ℳ sinken, 4500 ℳ gehören dem Bruder, er besitzt also nur noch