1893 / 43 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 18 Feb 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Großbritannien und Irland, als Oberst⸗Lt., mit Pension und der Regts. Uniform, der Abschied bewilligt. Schmidmann gen. v. Wuthenow, Pr. Lt. vom Inf. Regt. Herzog Karl von Mecklenburg⸗Strelitz 6. Ofthaas Nr. 43, als halbinvalide mit Pension ausgeschieden und zu den Offizieren der Landw. Inf. 2. Auf⸗ gebots übergetreten. Schrewe, Hauptm. und Comp. Chef vom Füs. Regt. Graf Roon (Ostpreuß.) Nr. 33, mit Pension und der Regts. Uniform, v. Neumann⸗Cosel, Major à la suite des 2. Pomm. Ulan. Regts. Nr. 9, commandirt bei der Gestütverwaltung, mit Pension und seiner bisherigen Uniform, v. Sierakowski, Oberst⸗Lt. z. D., unter Entbindung von der Stellung als Commandeur des Landw. Bezirks Belgard, Ertheilung der Aussicht auf Anstellung im Civil⸗ dienst und der Erlaubniß zum Tragen der Uniform des Inf. Regts. von Manstein (Schleswig) Nr. 84, mit seiner Pension, v. Boms⸗ dorff, Major z. D. in der etatsmäß. Stelle eines inactiven Stabs⸗ offiziers bei dem General⸗ Commando des II. Armee⸗Corps, unter Ent⸗ bindung von dieser Stellung, mit seiner Pension und der Grlaubniß zum ferneren Tragen der Uniform des Gren. Regts. König Friedri Wilhelm IV. (1. Pomm.) Nr. 2, v. Renthe gen. Fink, Sec. Lt. vom Drag. Regt. von Arnim (2. Brandenburg.) Nr. 12, der Abschied bewilligt. v. Bandemer, Pr. Lt. à la suite des 2. Leib⸗Hus. Regts. Kaiserin Nr. 2, als halbinvalide und mit Pension und zu den Offizieren der Landw. Cav. 1. Aufgebots, v. Lieber, Rittm. und Escadr. Chef vom Ulan. Regt. Kaiser Alexander III. von Rußland (Westpreuß.) Nr. 1, als halbinvalide mit Pension und der Aussicht auf Anstellung in der Gendarmerie ausgeschieden und zu den Offizieren der Landw. Cav., über⸗ getreten. v. Frankenberg⸗Lüttwitz, ö und Platzmajor in Glogau, mit Pension, Eilert, Oberst und Commandeur des Feld⸗Art. Regts. von Clausewitz (Oberschles.) Nr. 21, mit Pension und der Regts. Uniform der Abschied bewilligt. Eyssenhardt, Sec. Lt. von der Res. des Rhein. Train⸗Bats. Nr. 8, von dem Commando zur Dienstleistung bei diesem Bat. entbunden. v. Geyso, Sec. Lt. à la suite des 2. Rhein. Hus. Regts. Nr. 9, ausgeschieden und zu den Res. Offizieren des Regts. übergetreten. Müller, Pert. Fähnr. vom 7. Rhein. Inf. Regt. Nr. 69, Kracht, Port. ähnr. vom 8. Rhein. Inf. Regt. Nr. 70, zur Res. v. König, Sec. Lt. vom 1. Hannov. Inf. Regt. Nr. 74, behufs Uebertritts in Königl. sächs. Militärdienste der Abschied bewilligt. Keßler, Port. Fähnr. vom 2. Hannov. Feld⸗Art. Regiment Nr. 26, zur Disposition der Ersatzbehörden entlassen. Henz, Sec. Lieut. vom Infanterie⸗Regt. Graf Barfuß (4. Westfäl.) Nr. 17, Lüdeke, Pr. Lt. vom Schleswig⸗Holstein. Drag. Regt. Nr. 13, ausgeschieden und zu den Res. Offizieren der betreffenden Regtr. übergetreten. Hoffmann, Oberst und Commandeur des 4. Magdeburg. Inf. Regts. Nr. 67, in Genehmigung seines Abschieds⸗ Plunhs. als Gen. Major mit Pension zur Disp. gestellt. Creuzinger, Major und Abtheil. Commandeur vom Feld⸗Art. Regt. Nr. 33, als Oberst⸗Lt. mit Pens. nebst Aussicht auf Anstellung im Civildienst und der Uniform des Magdeburg. Feld⸗Art. Regts. Nr. 4, v. Bercken, Hauptm. und Battr. Chef vom Feld⸗Art. Regt. Nr. 34, mit Pension nebst Aussicht auf Anstellung in der Gend. und der Uniform des Feld⸗ Art. Regts. Prinz August von Preußen (Ostpreuß.) Nr. 1, der Abschied bewilligt. Rosenow, Hauptm. und Battr. Chef vom Feld⸗ Art. Regt. Nr. 36, als halbinvalide mit Pension ausgeschieden und zu den Offizieren der Landw. Feld⸗Art. 2. Aufgebots übergetreten. Mackensen, Feuerwerks⸗Pr. Lt. à la suite, als Feuerwerks⸗ Hauptm. mit Pension nebst Aussicht auf Anstellung im Civildienst und der bisherigen Uniform, von Gaertner, Hauptm. von der 4. Ingen. Insp., mit Pension und seiner bisherigen Uniform, der Abschied bewilligt. v. Köppen, Sec. Lt. von der Res. des Feld⸗Art. Regts. von Holtzendorff (1. Rhein.) Nr. 8, von dem Commando zur Dienst⸗ leistung bei diesem Regt. entbunden. 8 8 Kaiserliche Marine. . Offiziere ꝛc. Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Berlin, 13. Februar. Ehrlich I., Capitän⸗Lt., zum Commandanten S. M. Aviso „Wacht“ ernannt. Witt, Vice⸗ Seecadett der Secwehr 1. Aufgebots im Landw. Bezirk Altona, zum Unter⸗Lt. zur See der Seewehr 1. Aufgebots befördert. Abschiedsbewilligungen. Berlin, 13. Februar. Aßmann, Stabs⸗Ingen., mit Pension, Aussicht auf Anstellung im Civildienst und der bisherigen Uniform der Abschied ben Schutztruppe für Deutsch⸗Ostafrika. v. Tettenborn, Pr. Lt. a. D., scheidet behufs Wiederanstellung in der Armee mit dem 16. Februar d. J. aus der Schutztruppe aus.

Deutscher Reichstag. 8

46. Sitzung vom Freitag, 17. Februar, 1 Uhr.

Die Berathung des Etats des Reichsamts des Innern wird fortgesetzt beim Gehalt des Staatssecretärs.

Ueber den Beginn der Verhandlung haben wir bereits in der Freitags⸗Nummer berichtet. Nach dem Abg. Grafen Kanitz nimmt das Wort der *

Staatssecretär Freiherr von Marschalltt

Meine Herren! In den Ausführungen des geehrten Herrn Vorredners habe ich eine Reihe von Argumenten ge⸗ funden, die ich als liebe alte Bekannte aus dem vorigen Jahre bezeichnen möchte. Der Herr Vorredner hat so ziemlich alles das wieder aufgerollt, was wir im vorigen Jahre discutirt haben. Es ist mir unmöglich, auf alle diese Details wieder einzu⸗

gehen. Ich greife nur das Grundprincip heraus, welches heute der Herr Abg. Graf von Kanitz aufgestellt hat, nämlich das Wort: er sei für Autonomie des Zolltarifs. Das heißt mit anderen Worten: ich verzichte auf jede Einwirkung bezüglich der Erhaltung und Sicherung des auswärtigen Marktes für die deutsche Industrie, oder wieder mit anderen Worten: ich gebe den deutschen Export preis dem Gutdünken der fremden Zollgesetzgebung. Das ist ein directer Bruch mit den Grundprincipien des Zolltarifgesetzes vom Jahre 1879. Denn damals war der Ruf: Schutz der nationalen Arbeit, nicht Schutz eines Theiles, nicht nur der Industrie, sondern auch der Landwirthschaft, aber Schutz nicht nur des inneren Marktes, sondern auch des äußeren Marktes! Und es waren bewährte Vertreter der Rechten, die damals das Wort erhoben zu Gunsten des Abschlusses von Tarifverträgen. Es war der Abg. Freiherr von Minnigerode, der in einer Sommer⸗ sitzung des Jahres 1881 gelegentlich der Discussion des damaligen Meistbegünstigungsvertrages mit Oesterreich die Forderung an die ver⸗ bündeten Regierungen stellte, nunmehr einen Tarifvertrag mit Oester⸗ reich abzuschließen, der wünschenswerth sei nicht nur aus wirth⸗ schaftlichen, sondern auch aus politischen Gründen. Meine Herren, wenn man seine Ansicht ändert, so habe ich nichts dagegen. Ich möchte nur glauben, daß man bei Angriffen auf diejenigen, die ihren Standpunkt gewahrt haben, mit einiger Mäßigung zu Werke gehen sollte.

Zum großen Erstaunen hat der Herr Vorredner, als er für einen autonomen Zolltarif plaidirte, sich auf England bezogen. Eng⸗ land hat allerdings einen autonomen Tarif. Es wird aber dem Herrn Vorredner sehr schwer fallen, darin irgend einen Schutzzoll zu finden, er wird insbesondere keinen Schutzzoll auf Getreide finden. Ich möchte also den Herrn Abg. Grafen Kanitz, für den Fall er die Absicht hat, die morgige Versammlung zu besuchen, dringend

1““

Ideal darzustellen. (Heiterkeit links.) Ich fürchte, daß dann die Vermuthungen des Herrn Abg. Grafen von Arnim wenigstens theilweise in Erfüllung gehen könnten. (Heiterkeit links.) Mit einem etwas unvermittelten Sprunge ging der Herr Vorredner dann darauf über, uns den französischen Zolltarif als nachahmungs⸗ werthes Muster darzustellen, der ziemlich direct das Gegentheil ist von dem englischen. Er hat uns gesagt, die Franzosen hätten es richtig gemacht; denn die hätten einen Tarif aufgestellt, mit dem sie von allen anderen Staaten die denkbar günstigsten Bedingungen sich sichern wollen. Das mag die Absicht gewesen sein; was aber die Franzosen mit ihrem System erreicht haben, ist einstweilen der Zoll⸗ krieg mit der Schweiz, und ich nehme an, daß der Herr Vorredner doch keine so schlimmen Absichten gegen die Schweiz hat, daß er ein ähnliches Verhältniß mit unserem Nachbar im Süden für wünschens⸗ werth erachtet.

Was den Vertrag mit der Schweiz betrifft, so habe ich mich im

vorigen Jahre in einer sehr langen Rede bemüht, klarzustellen, woher

es kommt, daß die Sätze unseres jetzigen Conventionaltarifs vielfach

höher sind, als die Sätze, die wir früher, vor dem 1. Februar v. J.,

genossen haben. Ich habe dargethan, daß das Sätze waren, die

wir aus Tarisverträgen erhielten, die die Schweiz mit dritten Staaten

geschlossen hatte; daß diese Verträge mit dem 1. Februar 1892 außer

Kraft traten, und daß wir deshalb selbst in die Tasche greifen mußten⸗

wenn wir von Seiten der Schweiz wieder Vergünstigungen erhalten

wollten.

Wenn der Herr Vorredner bezüglich der Tarifverträge speciell

auf die Baumwollen⸗ und auf die Eisenindustrie hingewiesen hat,

so war das kein sehr glücklicher Griff; denn in der Baumwollen⸗

industrie zeigt sich im Jahre 1892 gegenüber 1891 eine Minder⸗

einfuhr von ca. 13 Millionen Mark und eine Mehrausfuhr von

25 670 000 (Hört! hört! links), zusammen also eine Besserung

von ungefähr 38 Millionen Mark. Es ist dies kein glückliches Beispiel,

um den Nachweis zu führen, daß die Tarifverträge der Industrie zum Schaden gereichen. Und was das Eisen betrifft, so ist in dieser Beziehung die Ausfuhr etwa dieselbe geblieben, dagegen hat sich die Einfuhr um ca. 8 Millionen vermindert.

Der Herr Vorredner hat meine Behauptung bezüglich der vermehrten Getreideeinfuhr des Jahres 1892 gegenüber 1891 bemängelt. Ich habe nicht von der Getreideeinfuhr im allgemeinen, sondern von der Einfuhr von Weizen gesprochen, und da ist die Zahl von 88 Millionen Mark im wesentlichen richtig. Ich will aber dem Herrn Vorredner noch eine andere Zahl mittheilen, aus der er entnimmt, daß es mit der Mehreinfuhr im Jahre 1892 gegenüber 1891 doch nicht so schlimm bestellt ist. Wir haben allerdings im Jahre 1892 gegenüber dem Vorjahre an Rohstoffen mehr eingeführt für 165 922 000 ℳ, an Fabrikaten dagegen weniger eingeführt für 65 094 000 Eine vermehrte Einfuhr von Rohstoffen, eine verminderte Einfuhr von Fabrikaten hat niemals als eine Verschlechterung der Handelsbilanz gegolten!

Nun, meine Herren, ist ja recht interessant, daß auch die wissenschaftliche Construction des Begriffes „Schutzzoll“ in den Kreis der Debatte ge⸗ zogen worden ist und die Herren auf der Rechten nicht mehr zu⸗ frieden sind mit dem reellen Schutzzoll, der ihnen auf viele Jahre garantirt ist; daß sie auch diesen Schutzzoll wissenschaftlich so construirt haben wollen, wie es ihnen beliebt. Man hat sich höchst unzufrieden darüber gezeigt, daß man den Schutzzoll auf Ge⸗ treide als ein Opfer der Gesammtheit an die Landwirthschaft be⸗ zeichnet, und man ist auch damit nicht zufrieden, daß beigefügt wird: der Getreidezoll ist ein nothwendiges Opfer; denn durch Blühen und Gedeihen der Landwirthschaft wird das Opfer wieder ausgeglichen, das die Gesammtheit tragen muß. Sie wünschen die umgekehrte Construction, Sie wünschen, daß man vorausstellt: da das Blühen und Gedeihen der Landwirthschaft der Gesammtheit zum Vortheil gereicht, so ist der Getreidezoll ein schul⸗ diger Tribut an die Landwirthschaft! Ja, meine Herren, ich muß wirklich sagen: für die praktische Landwirthschaft ist doch die Haupt⸗ sache, daß sie einen Schutzzoll hat; wie derselbe wissenschaftlich construirt ist, ist ziemlich gleichgültig. Sie würden vielleicht Ge⸗ legenheit haben, diese Doctorfrage auch morgen zum Austrag zu bringen (Heiterkeit), und wenn eine längere Discussion gerade darüber sich morgen entspinnen würde, könnte das sicher nur eine beruhigende Wirkung auf die Versammlung ausüben.

Nun, meine Herren, wende ich mich zu einer Rede, die gestern im preußischen Abgeordnetenhause gehalten worden ist. Ich bin mir allerdings bewußt, daß es mißlich ist, hier in diesem Hause auf Reden, die an der anderen Seite der Leipzigerstraße stattgefunden haben, sich zu beziehen. Ich bin aber doch gezwungen, auf einen sehr heftigen Angriff hier einige Worte zu entgegnen, den der Herr Abg. Graf von Limburg⸗Stirum gegen die Reichsregierung gestern erhoben hat: nicht, weil ich dieser Rede eine besondere sachliche Bedeutung vindicire, auch nicht deshalb, weil die Kundgebung des Mißtrauens des Herrn Grafen gegen die Reichsregierung bei uns irgend einen erheblichen Eindruck macht nein, das ist nicht der Fall. Wir werden dieses Mißtrauensvotum mit Ruhe und Ergebung tragen. Aber die gestrige Rede ist ein schlagender Beweis dafür, wie leicht man es mit der Kritik von Tarif⸗ verträgen nimmt, wenn man sich frei und unbeschwert von der Kenntniß der Dinge fühlt (Heiterkeit links), die bis jetzt als unumgänglich nothwendig erachtet wurde, um über handelspolitische Fragen zu sprechen oder zu entscheiden. Ich muß es zum Ruhme des Herrn Vorredners sagen, daß er nach Kräften bemüht ist, sich eine umfassende Kenntniß von den schwierigen und umfangreichen Detailfragen zuzu⸗ legen, die er zur Beurtheilung jener Fragen bedarf. Von alledem ist, wie es scheint, dem Herrn Redner, den ich im Auge habe, nichts bekannt. Er spricht das große Wort aus: „Mit Oesterreich wäre ein

besserer Handelsvertrag zu erreichen gewesen“, und damit schließt dieser Satz. (Heiterkeit links.) Ja, meine Herren, das ist ja insofern richtig, als in dieser irdischen Welt alles unvollkommen ist, und der Satz: Es könnte besser sein, trifft jedes Menschenwerk, jeden Vertrag, jedes Gesetz, ja sogar jede Rede, sogar die Rede des Herrn Abg. Grafen von Limburg⸗Stirum. (Seiterkeit links.) Er fügte dann weiter bei: „Man ging von der falschen Voraussetzung aus, daß wir in einer Zwangslage waren und am 1. Februar 1892 einen Handels⸗ vertrag haben mußten. Wo steht denn, daß wir ein überwiegendes

Interesse an dem Handelsvertrage hatten?“

Das steht nirgends. Doch der Herr Graf von Limburg hat

sehr ungeschickt ist, zu früh seine Karten offen zu legen und ein Be⸗ dürfniß nach Vertragsabschluß kund zu geben, und er wendet nun diese Kenntniß an, aber falsch an; denn alle die Voraussetzungen, von denen er ausgeht, lagen garnicht vor. Wir haben uns niemals in einer Zwangslage befunden, wir haben uns niemals in einer Zwangslage gefühlt. Wir haben gewartet, bis wir sahen, daß eine Reihe von Staaten, die früher einer freien Handelspolitik Raum gegeben haben, zu einem Absperrungssystem übergingen, und da haben wir allerdings die Initiative ergriffen, um im Verein mit Oesterreich und Italien, mit unseren Verbündeten, diesem Absperrungssystem eine Gruppe von Staaten gegenüberzustellen, in denen freiere Principien bezüglich des Verkehrs maßgebend sein sollten. Welchen Erfolg diese Handelspolitik haben wird, steht heute noch dahin. Ich meine aber Deutschland hat sich dieser Initiative nicht zu schämen, und es sst der denkbar kleinlichste Gesichtspunkt, wenn man für diese Handels⸗ politik keinen anderen Maßstab hat, als gewisse diplomatische Kunst⸗

griffe, die man früher einmal gelernt oder zu lernen versucht hat.

(Sehr gut! und Heiterkeit links.) Nun, meine Herren, komme ich zu dem positiven Theil der Rede des Herrn Abg. Grafen von Limburg, zu dem Theil, den ich den programmatischen nennen möchte. Da heißt es: „Andere Staaten hätten ebenso unter einem vertragslosen Zustande gelitten als wir.“

Der Herr Graf empfiehlt also eine Handelspolitik, bei der er a priori voraussetzt, daß wir darunter Noth leiden; und wenn dann die Klagen der Landwirthschaft und Industrie gekommen wären, würde er gesagt haben: Seht nur, die leiden da drüben ebenso, denen geht es vielleicht noch schlechter. Und nun kommt der entscheidende Satz: „Man könnte es ruhig eine Zeit lang ohne einen Handels⸗ vertrag probiren.“ Gewiß, das könnte man. Das ist der bekannte Satz: Probiren geht über Studiren, aufs Handelspolitische über⸗ tragen. Wenn man gar nichts weiß, dann probirt man und sieht nun zu, ob die Sache gut geht oder schief. Nun wäre ich doch begierig gewesen, wenn wir vor 1 ½ Jahren die Frage hier im Hause: Was habt Ihr an Fürsorge angesichts des 1. Februar 1892?2 mit dem Herrn Abg. Grafen Limburg⸗ Stirum dahin beantwortet hätten: Wir haben nichts, wir wissen nichts, wir wollen erst probiren ja, meine Herren, ich bin über⸗ zeugt, wir würden ausgelacht worden sein und alle Welt würde uns eine unfähige Regierung gescholten haben, die nicht mal für den kritischen Tag der Handelspolitik Europas irgend ein Programm hat; ja, ich bin überzeugt, daß der Herr Abg. Graf Limburg⸗Stirum in der vordersten Reihe der Kritiker gestanden haben würde.

Nun kommt ein Excurs über den Geheimen Rath von Huber, der regelmäßig ja dann eintritt, wenn es anfängt, mit den sahlichen Argumenten etwas kurz zu werden. Und dann heißt es: „Man kann mit den anderen Staaten in den besten politischen Beziehungen stehen und handelspolitisch Krieg mit ihnen führen.“ Das kann man thun; ob es aber weise ist, ist mir doch sehr zweifelhaft, und darauf kommt es doch allein an. (Zustimmung links.) Ich halte es nach wie vor für undenkbar, daß wir mit Oesterreich, mit Italien uns gemeinsam rüsten für den Fall der Gefahr, und uns wirth⸗ schaftlich bekriegen, und uns gegenseitig in unserem materiellen Wohl⸗ stande zu schädigen suchen.

Zum Schlusse richtete der Abg. Graf Limburg⸗Stirum an den Herrn Minister⸗Präsidenten „unbefangen“ die Aufforderung, unsere Interessen zu vertreten. Von der völligen Unbefangenheit des Herrn Abg. Grafen Limburg⸗Stirum auf handelspolitischem Gebiete wird diese Rede wohl den genügenden Beweis geliefert haben. (Sehr gutl links.)

Ich will meine Bemerkungen schließen mit einer kurzen Entgegnung an den Herrn Abg. Dr. Buhl. Der Herr Abg. Dr. Buhl hat in Bezug auf meine Ausführung über den italienischen Wein erklärt, in dem letzten Jahre sei die Sache ganz gut gegangen, man könnte aber kein abschließendes Urtheil abgeben. Das entspricht vollkommen den Anschauungen, die ich vor drei Wochen ausgeführt habe. Ich habe gesagt, man kann jetzt die Wirkungen der Handelsverträge noch nicht übersehen. Man hat mir aber den Kampf aufgedrängt, man hat fortwährend von den Erfahrungen der Landwirthschaft und Industrie gesprochen, als ob die so un⸗ günstig wären. Erst dann habe ich mich veranlaßt gesehen, auch an der Hand der statistischen Zahlen dies zu widerlegen. Aber ih stimme, wie gesagt, dem Herrn Abg. Dr. Buhl vollkommen zu: es läft sich gegenwärtig ein bestimmtes Urtheil über die Wirkungen der Handelsverträge auf Landwirthschaft und Industrie noch nicht bilden; und wenn die Erkenntniß, daß hierzu unsere ganze Dis⸗ cussion verfrüht ist, hier nach vier Tagen in diesem Hause allgemein Platz greift, so würden wir immerhin ein positives Resultat von dieser Debatte haben.

Staatssecretär Freiherr von Maltzahn:

Eine Aeußerung des Herrn Grafen von Kanitz zwingt mich, um kein Mißverständniß aufkommen zu lassen, zu einer kurzen Bemerkung. Der Herr Abgeordnete sprach seine Befriedigung darüber aus, daß vom Bundesrathstisch gestern eine wohlwollendere Haltung der Währungsfrage gegenüber zugesagt wäre. Ich glaube, diese com⸗ parative Form des Ausdrucks beruht auf einem Mißverständniß dessen, was ich gestern gesagt habe.

Der wesentliche Inhalt war der, daß auch die bisherige Haltung der verbündeten Re⸗ gierungen eine den Bestrebungen auf Hebung des Silber⸗ preises feindselige keineswegs gewesen ist; und ich glaube das nach⸗ gewiesen zu haben aus dem Inhalt der Instruction, welche 8 unseren Commissarien in Brüssel gegeben haben, aus dem Ver⸗ halten dieser Commissarien selbst im Vergleich mit dem Ver⸗ halten der Vertreter anderer Regierungen, und aus dem Ver⸗ halten der deutschen Regierung seit Einführung der Gold⸗ währung in Deutschland. Wenn ich dabei gesagt habe, daß die deutsche Regierung sich nicht für stark genug halte, um allein eine Wiederherstellung der früheren oder eine erhebliche Hebung der jetzigen Silberpreise zu versuchen, so habe ich zu dieser Bemerkung auch von einer Seite des Hauses zu meiner Freude eine Zustim⸗ mung gefunden, von der ich es nach manchem, was in letzter Zeit 5 öffentlichen Blättern gesagt worden ist, kaum erwartete. 1

Also, meine Herren, ich resümire meine gestrigen Ausführunge noch einmal dahin: die geltende Währung unseres Landes . Goldwährung, und diese zu schützen und aufrecht zu halten, 8 wir in erster Linie verpflichtet und gewillt. Aber, meine Herren, de⸗

Sinken und noch mehr das Schwanken des Silberpreises wird an

meiner gestrigen Ausführungen

davor warnen, den englischen Zolltarif als ein nachahmenswerthes

offenbar einmal gelernt, daß es in lilomatischen Verhand ungen

8

2 nd von uns als eine Schädigung der deutschen Interessen anerkannt, u

wenn sich ein irgendwie gangbarer Weg zeigt, diesem Uebelstande entgegenzuwirken, so werden wir unsere Mitwirkung dabei nicht ver⸗ sagen. Von diesen Erwägungen aus sind wir, wie bisher, auch in Zukunft gewillt, alle dahin gehenden Vorschläge einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen. Von denjenigen Vorschlägen, welche bisher in Brüssel erörtert worden sind, erwarte ich allerdings eine erhebliche Wirkung nach dieser Richtung nicht.

Abg. Büsing (nl.): Meine Freunde stimmen mit den Aus⸗ führungen des Abg. Dr. Buhl über die Getreidezölle nicht überein; wir billigen die Handelsvertragspolitik der Regierung und werden sie nach Kräften unterstützen. Ich als Mecklenburger muß selbstverständ⸗ lich das Gedeihen der Landwirthschaft wünschen, aber Mecklenburg hat auch das Exportinteresse der Seestädte zu berücksichtigen. Der

usammenhang zwischen der Währungsfrage und der Nothlage der Zusswirtgschaft ist mir durchaus nicht klar geworden, abgesehen davon, daß die Schulden der Landwirthe durch die Doppelwährung gemildert würden. Die Leute, welche im praktischen Leben stehen, wünschen keine Aenderung der Währung; durch die Doppelwährung wird das Schwanken der russischen Valuta nicht beseitigt, das könnte nur geschehen dadurch, daß Rußland selbst eine feste Währung einführt. Das Sinken der Getreidepreise steht mit dem Sinken der Silber⸗ preise in keinem Zusammenhange, wie eine Tabelle in dem englischen „Economist“ beweist. Wenn wir die Doppelwährung einführen, so würde das Silber, das schlechte Geld, das Gold zum Lande hinaustreiben; das ist die unbestrittene Theorie. Es würde bald das Goldagio eintreten wie es sich jetzt schon nach Meldung der „Times“ in Amerika zeigt. Wenn das in einem so reichen Lande wie Amerika geschieht, welches nur eine beschränkte Silberausprägung hat, wie soll es erst bei uns aussehen? Die Verschlechterung des Geldes bringt die Steigerung der Preise, die Steigerung des Zinsfußes, die Steigerung der Steuern mit sich. (Zuruf des Abg. von Schalscha: Sind bei der Einführung der Goldwährung die Preise nicht gefallen?) Nein, Herr von Schalscha ein Fallen der Preise konnte nicht eintreten, weil damals bei Ein⸗ führung der Goldwährung das Verhältniß zwischen Gold und Silber ein richtiges war. Wie kommt die Landwirthschaft dazu, zu glauben daß sie bei minderwerthigem Gelde billiger produciren wird als Länder, z. B. Indien, welche mit billigerem Lohn, billigeren Frachten und 8e Kpbehen 2

g. Graf Dönhoff (deons.) wendet sich gegen die Ausfü

des Abg. Schultze in der Sitzung vom Mithmocht 8 von busfücrungen Löhnen in Ostpreußen gesprochen hat. Redner weist darauf hin, daß die dortige Löhnungsmethode eine von allen als gut anerkannte sei. Die Leute werden durch dieselbe an den Betrieb gefesselt und gewinnen ein dauerndes Interesse an diesem. Sie erhalten außer einem festen Deputat noch einen Antheil an dem erdroschenen Getreide, und dieser wird von ihnen so als Vortheil empfunden, daß sie selbst eine Mehrarbeit übernehmen, um den Lohn zu steigern.

Abg. Jordan (dfr.) erklärt, daß er keine Währungsrede halten wolle, weil er nichts davon verstehe. Er weist darauf hin, daß die mittleren Landwirthe es den großen nachthun wollen. Der Groß⸗ grundbesitzer entsendet seine Söhne in die Armee und lebt auf großem Fuße. Der mittlere Grundbesitzer will es ihm nachmachen. Hier würde eine sehr einfache Selbstkur helfen. Die Leute müssen sich einschränken. Ich bin selbst in ein mittleres Gut gekommen und würde nicht mehr darauf sitzen, wenn ich dem Wege gefolgt wäre, den meine Collegen eingeschlagen haben, die ihren Besitz infolge dessen haben aufgeben müssen. Ueber den Arbeitermangel wird geklagt. Die Ar⸗ beiter kommen als Soldaten in die größeren Städte und lernen die dortigen Verhältnisse kennen; sie wollen nicht mehr auf dem Lande bleiben, und je länger sie in den Städten als Soldaten festgehalten werden, desto mehr werden sie sich in die Städte drängen. Der Großgrundbesitz wirkt wie ein Magnet, er zieht die kleinen Güter an sich und drängt die mittleren und kleineren Besitzer aus dem Lande. Welche Geschäfte wurden gemacht während der Zeit, als die Güter⸗ preise stiegen! Die Güter wurden gekauft und mit Verdienst ver⸗ kauft; das war Bodenwucher, bei dem die Leute reich wurden oder auch Bankerott machten. Dabei ist es öffentliches Geheimniß, daß die größeren Gutsbesitzer ihre Söhne weniger auf die landwirthschaftlichen Akademieen als in die Armee schicken. Die Gutsbesitzer verstehen deshalb nicht viel von der Landwirthschaft und dazu kommt noch die mangelhafte Es müßte eigentlich ein Gesetz er⸗ lassen werden, welches die Landleute zur Buchführung zwingt; dann würde die Subhastationsstatistik vielleicht eine erfreulichere sein. (Präsident von Levetzow: Ich bitte doch den Redner, nicht noch über das hinauszugehen, was bisher besprochen worden ist.) Ich füge mich der Meitias Cö“ und will gleich erklären, daß ich mit den Agrariern darin ü ereinstimme, daß ich keinen Widerspruch gegen das Gehalt des Staatssecretärs erhebe. Ich glaube aber, da uͤber Alles und noch etwas Anderes gesprochen ist, auch über die römische Ge⸗ schichte, etwas sprechen zu können über die Subhastationen. Ich schließe mit der Mahnung an die agrarischen Parteien, ihre Agi⸗ tationen nicht zu sehr zuzuspitzen und es nicht zu solchen Drohungen kommen zu lassen, wie sie auch hier schon ausgesprochen sind:

ir würden, wenn es zu Wahlen käme, unsere Sitze verlieren. Das lassen Sie unsere Sorge sein! Wir werden unseren Wählern die sehr viel ländliche sind, wahrscheinlich sehr wenig von der Währungs⸗ frage sprechen, aber sehr viel davon, daß durch die Ermäßigung der Getreidezölle infolge der Handelsverträge die kleinen Landwirthe keinen Schaden haben, während die großen Grundbesitzer von diesen ölent iehes ncch deüich Vortheil 8 8

Abg Holtz (Rp.): Die großen Grundbesitzer sprechen hier im Reichstag nicht für sich selbst, sondern für dsicgs, spre ; sie stellen die Offiziere; sie erhalten den kleinen Besitz durch die Rentengüter, dafür sollte man den großen Grundbesitzern dankbar sein. Durch das Beispiel der Großgrundbesitzer werden die kleinen Besitzer nicht zu verschwenderischem Leben verleitet, sie sind charakterfest genug, um solcher Verlockung Widerstand zu leisten. Daß es unter den Freisinnigen auch Landwirthe giebt, mag „richtig sein; aber wenn die Getreidezölle nicht eingeführt worden wären, dann würden die Perren vielleicht heute nicht mehr die Freihandelstheorie vertheidigen.

ie große Mehrheit der Landwirthe steht jetzt hinter uns. Es muß schlimm stehen, wenn die Landwirthe, die sonst sehr schwer dazu zu bringen sind, sich zusammenraffen und nach Berlin kommen, um sich zu organisiren. Daß man die Noth⸗ lage der Landwirthschaft einsieht, zeigen besonders die Auslassungen des Abg. Vopelius, welcher keine Vortheile für die Industrie will, men dadurch die Landwirthschaft geschädigt wird. Wir sind aller⸗ ings in Bezug auf die Getreidezölle von 50 auf 5 gestiegen, aber es ind auch inzwischen von der Regierung 6 beantragt ge⸗ wesen. Die Regierung muß diesen hohen Satz für nothwendig ge⸗ halten haben und besonders ist der Schutz nothwendig Rußland gegen⸗ über wegen der Valutaverhältnisse. Den Abg. Büsing verweise ich nur auf die Mittheilung, welche der Abg. von Schalscha im Ab⸗ Poldnetenhause gemacht hat. Die Preise werden weniger durch die Zölle als durch den Rubelcurs beeinflußt. Wenn wir Rußland gegen⸗ über nicht einen hohen Zoll haben, werden wir mit Getreide überschwemmt, welches in die Transitlager geht. Hier konnte die hebung des Identitätsnachweises helfen, ferner die Staffeltarife, die aber dem Westen un pmpatbilc⸗ sind. Redner wendet sich dann be⸗ sonders gegen den russischen Handelsvertrag, der eine besondere Gefahr qe nommen wird. 1 141“*“

Reichskanzler Graf von Caprivi: Mieine Herren! Auf die Ausführungen des Herrn Vorredners habe ich nur Eine Bemerkung zu machen. Er hat unter den Be⸗ sorgnissen, die ihm der kommende Handelsvertrag mit Rußland ein⸗ flößt, auch die Verseuchung unseres Viehs durch importirtes russisches Vieh angeführt. Es ist schon einmal das ist mir erinnerlich durch den Herrn Staatssecretär des Auswärtigen Amts gesagt worden, daß wir überhaupt nicht die Absicht haben, mit Rußland über den

Import von Vieh zu verhandeln, daß wir nicht die Absicht haben, in dieser Beziehung etwas zu ändern.

Ich würde mich nicht zum Worte gemeldet haben, wenn ich nicht durch die Gesammtlage dazu veranlaßt wäre, wünschen zu müssen, mich noch einmal, ehe die Debatte hier zu Ende geht, aussprechen zu können.

Die Debatte, die wir hier mehrere Tage geführt haben, ist nach

meinem Dafürhalten von ungewöhnlicher Tragweite, nicht sowohl wegen ihres Inhalts als wegen der begleitenden Umstände. Es ist eine auffallende Erscheinung, daß im preußischen Abgeordnetenhause und hier gleichzeitig Debatten über die Landwirthschaft hervorgerufen wurden, während morgen ein Verein zusammentritt, der ganz aus Landwirthen besteht. (Hört, hört! links.) Es ist auffallend, daß die Debatte hier beim Etat des Reichsamts des Innern aufgenommen wurde; es ist mir aufgefallen der Ton, der, wenn auch nicht in diesem Hause, aber doch an anderen Stellen in die Debatte gebracht und gegen die Regierung gerichtet ist. Die schärfsten Angriffe hat die Regierung des Reichs sowohl in einzelnen Beamten, als besonders in dem Reichskanzler zu erfahren gehabt, und ich muß mir die Frage nahelegen: woher kommt das und wohin will das?

Ich bin dem Grafen Kanitz dankbar dafür, daß er ausgesprochen hat, er habe Vertrauen zur gegenwärtigen Regierung oder er würde es wiedergewinnen. Ich muß gestehen, daß ich, so sehr mich das von dem Herrn Grafen freut, nicht überall derselben Ueberzeugung sein zu können glaube. Es sind so starke Beweise von Mißtrauen seit Monaten, und am stärksten zusammengetragen, condensirt in den letzten Tagen, hervorgetreten, daß ich mich der Ansicht nicht ver⸗ schließen kann, es habe sich, wenn auch nicht bei allen denen, die die Reichsregierung angegriffen haben, doch aber bei einem Theile der Herren, darum gehandelt, die Reichsregierung über⸗ haupt anzugreifen, vielleicht zu stürzen. (Bewegung.) Der russische Handelsvertrag ist nicht das Object, was den Inhalt dieser Tage ausgemacht hat, konnte es auch nicht sein; denn es lohnt in der That nicht, über einen Vertrag, der noch Embryo ist, Tage lang zu reden. Die Bewegung, die aber im Lande und in den beiden Häusern sich geltend gemacht hat, die geht sehr tief. Mir ist jetzt häufig von Herren, die der morgen stattfindenden Versammlung näher stehen, gesagt worden: Sie glauben nicht, wie tief diese Bewegung geht. Ja, meine Herren, ich glaube das, ich glaube, sie geht sehr tief, und deshalb nehme ich diese Bewegung, die jetzt so tief geht, sehr ernst und habe den Wunsch, diesen meinen Ernst hier noch einmal zum vollen Ausdruck zu bringen.

Es hat sich das, was den Gegenstand der Debatte gemacht hat, das, was der Gegenstand der Angriffe gegen die Regierung war, zu⸗ sammengedrängt in die Worte: „Noth der Landwirthschaft“, und: „welche Stellung nehmen die verbündeten Regierungen, nimmt ins⸗ besondere der Reichskanzler dazu ein?“ Schon vor einem Jahre habe ich, wie ich glaubte, mit einer Deutlichkeit, die nichts zu wünschen übrig ließ, ausgesprochen, welchen Werth die verbündeten Regierungen auf das Gedeihen der Landwirthschaft legen, daß ich selbst dieser An⸗ sicht bin. Ich habe das hier wiederholt. Trotzdem aber hören die Zweifel nicht auf: Ja, ist das auch so, wird auch die Reichsregierung geneigt sein, diesen Nothständen abzuhelfen? Ich bin noch weiter ge⸗ gangen und auch aus innerster Ueberzeugung weiter gegangen, ich habe mich im vorigen Jahre dahin geäußert, daß ich nicht bloß den Werth der Landwirthschaft als solcher anerkenne, sondern daß ich auch den Werth der Erhaltung derjenigen Geschlechter und Familien, die die Land⸗ wirthschaft betreiben, in diesem Gewerbe für im Staatsinteresse liegend halte. Ich habe angeführt, daß jeder Wechsel auf eine Reihe von Jahren den Grundbesitz deteriorirt. Wer darauf scheitert, nutzt ihn aus, der neue muß erst Erfahrungen machen. Ich habe ausgeführt, welcher sittliche Werth im Heimathsgefühl liegt, das die Landwirth⸗ schaft erzeugt, die sich an Grund und Boden knüpft. Das war voriges Jahr, und trotzdem hören die Angriffe nicht auf und es heißt, die verbündeten Regierungen und der Reichskanzler kümmern sich nicht um die Landwirthschaft, oder wenigstens nicht um die Landwirthe. Also ich weise, ehe Sie morgen in die Versammlung gehen, diese Angriffe noch einmal auf das allerbestimmteste zurück. Wer den Beweis für das oben Gesagte will, mag meinen Vortrag nachlesen, ich will Sie hier nicht mit Citaten und Vorträgen ermüden.

Nun aber weiter, wenn man auch so freundlich ist, anzuerkennen, daß ich Interesse für die Landwirthschaft documentirt habe, daß auch die verbündeten Regierungen das documentirt haben, so sagt man: „Ja, die Worte hören wir wohl, aber wo ist der Wille?“ Man geht dabei nicht auf diejenigen tieferen Motive ein, auf die nach meiner Ansicht die Noth der Landwirthschaft vielfach zurückführt, sondern man greift kleinere Dinge heraus und sagt: „Wenn Ihr diese und jene Wünsche nicht befriedigt, so wollt Ihr nichts für die Landwirthschaft thun.“

Man hat ähnliche Angriffe gegen den Königlich preußischen Herrn Minister für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten gerichtet. Der Herr ist nun selbst Grundbesitzer, ist aus den Reihen der Herren, die jetzt die Opposition in dieser Richtung machen, hervorgegangen. (Hört, hört! links.) Ich verstehe nicht ganz, wie es möglich ist, dem Herrn, der die Rentengüter wieder ins Leben gerufen hat, vorzuwerfen, er habe kein Interesse für die Landwirthschaft. Aber auch die preußische Regierung im ganzen kann der Vorwurf nicht treffen. Sehen Sie sich doch an, was in den Steuerfragen jetzt von der preußischen Re⸗ gierung geschieht! (Sehr richtig! links.) Sie werden nicht behaupten können, daß diese Steuerreform zu Ungunsten der Landwirthe stattfindet. Also soweit wir eine Gelegenheit gehabt haben, in Vorarbeiten, in Gesetzen, die wir vorgelegt haben, auf die Förderung der Landwirth⸗ schaft hinzuwirken, ist das geschehen; aber wir finden auch unsere Grenze in den Umständen. Wenn Sie mir sagen: wir wünschen noch diese und jene Dinge, ja, welche Mittel habe ich denn, den Reichstag zu zwingen, daß, wenn wirklich ein solches Gesetz ausgearbeitet wird, die Majorität dafür ist? Welche Mittel habe ich, die englische Re⸗ gierung zu zwingen, daß sie auf den Bimetallismus eingeht? Alle, auch die Herren, die für den Bimetallismus gesprochen haben, geben zu, daß die Zustimmung Englands Voraussetzung ist.

Ich kann England nicht zwingen, das wissen die Herren. Bei alledem kehrt der Vorwurf wieder: Warum führt ihr nicht den Bimetallismus ein? Ja, die Macht, den Weltmarkt zu zwingen, den Weltmarkt wegzuschaffen, habe ich nicht. Er ist da und wirkt mit elementarer Gewalt auf die Verhältnisse unserer Landwirthschaft ein.

Von der Regierung verlangen, daß sie das ändern soll, heißt Unmög⸗

liches verlangen. Kann ich unsere arbeitende Klasse zwingen, daß sie da arbeitet, wo sie nicht arbeiten will, und daß sie da Arbeit nicht sucht, wo ihr die Arbeit lohnender und angenehmer erscheint? Auch dazu hat die Regierung kein Recht. Immer aber wiederholt sich, und das ist mir auch in Gesprächen entgegengetreten, die Ansicht: Dazu ist ja die Regierung da, die Regierung müßte Mittel gegen diese Dinge schaffen. Meine Herren, das ist ein billiger Vorwurf, aber er trifft nicht, denn er verlangt Unmögliches. Ich könnte viel eher sagen: Wenn Abhilfe überhaupt möglich ist, und zwar schnelle Abhilfe, so würde doch unter den vielen Tausenden intelligenter Landwirthe, die mit ihrem Wohl und Wehe an der Sache betheiligt sind, sich eine große Anzahl gefunden haben, die annehmbare, gedeihliche Abhilfe⸗ vorschläge machten. Das habe ich aber nicht gefunden. Alles, was hier und in den Zeitungen gesagt worden ist, sind theils problematische, theils unausführbare Dinge, wenigstens unausführbar bei der jetzigen Lage der Verhältnisse.

Zwei praktische Vorschläge sind gemacht worden. Der eine will Landwirthschaftskammern haben. Ja, meine Herren, ob wir damit viel weiter kämen, ist mir fraglich. Denn wenn Berichte von Handelskammern citirt werden, sind diese Herren meist abgeneigt, ihnen irgend einen Werth beizulegen. (Sehr richtig! links.) Das würde umgekehrt dort auch kommen. Außerdem haben wir, soviel ich weiß, Tausende von landwirthschaftlichen Vereinen, in denen auch soviel Intelligenz concentrirt ist, daß sie wohl im stande sind, ein sachverständig motivirtes Urtheil abzugeben.

Der andere Vorschlag ging auf eine Enquste aus, um über den Bimetallismus klar zu werden. Ja, was hilft es uns? Es ist ja in Brüssel auch eine Art von Enqubte gemacht. Hier im Lande kann sie uns nichts helfen, wir müssen sie ausdehnen auf andere Länder. Wir haben dazu kein anderes Mittel als die diplomatischen Ver⸗ handlungen.

Ich möchte also glauben, daß wir weder mit. Landwirthschafts⸗ kammern, noch mit der Enquête erheblich weiter kämen. Wenn mnun aber die Dinge so liegen, daß, wie vielfach angenommen wird, den verbündeten Regierungen der Wille oder die Fähigkeit fehlt, der Land⸗ wirthschaft aus der Noth zu helfen, stellen Sie doch Anträge, statt immer Beschuldigungen gegen die Regierung vorzubringen. (Hört! hört! links.) Formuliren Sie Ihre Wünsche! Sie werden zur Ab⸗ stimmung gebracht werden, und dann wird es unsere Pflicht sein, uns damit zu beschäftigen und zu sagen, zu welchen Resultaten wir ge⸗ kommen sind. Ich halte diese fortgesetzten Angriffe auf die Regierung für in hohem Grade schädlich, nicht sowohl der Regierung wegen als des Landes wegen. (Sehr richtig! links.) 8

Ich glaube, ich bin ein durch und durch conservativer Mann. Es fragt sich, was man unter „conservativ“ versteht, und ich glaube, daß heutzutage eine Richtung aufgekommen ist, die die dieses Begriffs nicht mehr klar erkennen läßt, weil eben viele wirth⸗ schaftliche Motive den politisch conservativen Grundgedanken zu über⸗ wuchern anfangen. Ich bin der Meinung, daß Conservativsein der Ausfluß einer Welt⸗ und Lebensanschauung ist. Wenn man von der Ansicht ausgeht, daß die Welt nach einem gewissen Plan geführt wird, daß das historisch Gewordene eine gewisse Berechtigung im Dasein hat, die ihm nur genommen werden soll; wenn zwingende Gründe zu einer Aenderung vorliegen: wenn man der Meinung ist. daß für uns Deutsche ein christlich⸗monarchischer Staat der Staat ist. den zu erhalten die conservative Partei und conservative Menschen n Interesse haben, so bin ich durch und durch confervatid. (Lebhafter Beifall rechts.) Ich muß gestehen, daß ich nicht Agrarier bin, ich besitze keinen Ar und keinen Strohhalm und weiß auch sonst nücht. wie ich dazu kommen sollte, Agrarier zu werden. Ich meis sehr wohl, daß in einer conservativen Richtung und in dem conservativen Menschen die Erhaltung der verschiedenen Erwerbszweige vor 30, 40 Jahren mwürde man gesagt haben, der verschiedenen Stände einen großen Platz ein⸗ nehmen muß. Aber mir scheint, dieser Platz darf nicht so rnß werden, daß eben das auf das Dasein des Staats gerichtete Element im Conservatismus dadurch untergeht. Ich bin durch den Herrn Vorredner auf den Herrn Abg. von Kardorff hingewiesen worden, der ein hübsches Bild von dem Baum brauchte, um dessen Wurzeln immer mehr gute Erde gelegt werde, damit er aufblühe. * reffend. zweifellos! Nur, woher die gute Erde nehmen, und auf wessen Kosten soll die gute Erde genommen werden? (Heiterkeit links.)

Der Herr Abg. von Kardorff hat früher einmal ich Haube. er citirte da eine Aeußerung aus anderem Munde die Aeußerung gethan: Es wäre gut, wenn es dahin käme, daß alle Minister ange⸗ sessene Landwirthe wären. Ich bedauere nun, für meine Perfon dieser Anforderung nicht genügen zu können. Ich glaube aber auch, e& üst* gut, daß dem so ist; denn ich bin der Meinung, die Landwirthschaft ist heutzutage ein so schwieriges Gewerde geworden, dasß. wer zu gleicher Zeit Minister und Landwirth seim follte, das eine oder l andere als Nebenamt ansehen muß. Darunter würde alfo der Minister oder der Landwirth leiden. (Heiterkeit Uinss.)

Ich glaube daher, es würde nichts dabei herauskommen. Ich muß aber weiter meinen, es ist wünschenswerth, daß der Reichstanzlen nicht Agrarier ist; denn je mehr unfer Parteileben don wirthschaft⸗ lichen Interessen bedingt wird, um so mehr muß die Regierung iich einen freien Blick über weite Verhältnisse, über den Stant und das Reich zu erhalten suchen, um diesen zu ihrem Recht zu rHxiren. Wenn wir den Staat agrarisch regieren wollten, dann möchte das dme⸗ Weile ganz gut gehen, wir würden aber in absehbarer Zeit am Erde 8 vor sehr schweren Katastrophen stehen. (Sade wehen

inks.

Das wirthschaftliche Interesse, wenn es weit getrieden wird wad immer dazu neigen, mit dem staatlichen zu collidiren. Wirth ah ftich Interessen basiren immer mehr oder weniger auf Sgenmeeeh, pflegt zu sagen, gesundem Egotmus, während der Soaat Fefene rungen an die Opferfähigkeit und den Idealheuzes dihen rm stellt. Je weiter also die Parteien, auch die relüticden Paxtxienn ih das Wirthschaftsleden und dessen Interessen vertoechehn wendenne esbe. somehr muß es Pflicht der Stoatsvegierung sein, de wade demühhe Pflicht der Reaterung; den agrarischen mie den edvaltreübde znd dehe kapitalistischen, wie üderdaupt jeden Besitz. dden weddes dan. sdühn Recht geben lassen und mit allen Mittehe eehd 8 & geschützt bleidt. Ader wir haben auch Pc

die B esen.

Nun kann ich mich des I¶. schon einmal, als ich Res 858