1893 / 47 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 23 Feb 1893 18:00:01 GMT) scan diff

8 Italien. 1 In der Deputirtenkammer waren gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, der Sitzungssaal und die Tribünen wegen der auf der Tagesordnung stehenden Berathung über die Anfragen der Deputirten Colajanni, Demartino, Costa und Gavazzi über die Unterredung Crispi's mit dem Director des „Fanfulla“ (siehe Nr. 42 des „R.⸗ u. St.⸗A.“ vom 17. d. M.) überfüllt. Die Opposition suchte die von Crispi bei seiner Unterredung abgegebene Erklärung als mit den Erklärungen Giolitti's bei Gelegenheit der Berathung über die Bankenfrage im Widerspruch stehend darzustellen. Außer dem Minister⸗Präsidenten Giolitti und den Depu⸗ tirten, welche die Anfragen gestellt hatten, nahmen Crispi und mehrere andere Deputirte zur Abgabe vorwiegend persön⸗ licher Erklärungen das Wort. Die Sitzung war ziemlich be⸗ wegt, die Berathung schloß aber, ohne daß es zu irgend einem Beschluß kam. 1 Der Papst empfing gestern den französischen Botschafter Lefebvre de Behaine, der als außerordentlicher Abgesandter die Glückwünsche des Präsidenten Carnot und der fran⸗ zösischen Regierung überbrachte. Der Empfang der Pilger aus Ungarn, Argentinien und Uruguay wurde wegen einer

leichten Erkältung des Papstes verschoben.

Portugal.

Das neue Ministerium hat sich dem „W. T. B.“ zu⸗ folge gestern constituirt und ist, wie folgt, zusammengesetzt: Ribeiro Präsidium und Auswärtiges, Franco Castello Branco Inneres, Antonio Azevedo Justiz, Oberst Pi⸗ mentel Pinto Krieg, Fuschini Finanzen, Neves Fer⸗ reira Marine und Bernardino Machado Arbeiten. Die Minister werden heute ihr Programm den Cortes vorlegen.

8 Schweiz. Bundesregierung hat sich einer Depesche des französischen Botschafters Arago zufolge mißbilligend über eine dem Präsidenten Carnot in dem Baseler Karnevalszuge zugefügte Beleidigung ausgesprochen. Die Bundes⸗ regierung ist bereit, deshalb die ihr rechtlich zustehenden Mittel zur Anwendung zu bringen und Frankreich Genug⸗ thuung zu geben.

Amerika. 2. Zum Chef des Justiz⸗Departements im Cabinet Clepeland's ist, wie „W. T. B.“ aus Washington meldet, Richard Olney aus Boston, zum Marine⸗Secretär Hillary Herbert

bestimmt.

Parlamentarische Nachrichten.

Deutscher Reichstag. 8

Der Bericht über die 49. Sitzung vom 22. befindet sich in der Ersten Beilage.

50. Sitzung vom Donnerstag, 23. Februar, 1 Uhr.

Der Sitzung wohnt der Staatssecretär Dr. von Boetticher bei. b

Der Handelsvertrag mit Egypten wird in dritter Lesung ohne Debatte unverändert einstimmig genehmigt.

Darauf setzt das Haus die zweite des Etats des Reichsamts des Innern beim Kapitel „Kaiser⸗ liches Gesundheitsam!t“ fort. —1

Discutirt wird zunächst der zu diesem Kapitel gestellte Antrag Baumbach⸗von Bar:

„Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, die von dem Bundesrath auf Grund des § 29 der Gewerbeordnung erlassenen Vorschriften über den Nachweis der Befähigung als Arzt einer Revision in dem Sinne zu unterziehen, daß auf Grund dieses Nachweises auch Frauen die Approbation als Arzt ertheilt werden muß.“

Vor Eintritt in die Berathung macht Abg. Büsing (nl.) als Vorsitzender der Petitionscommission die Mittheilung, daß die Commission sich mit einer Anzahl von Petitionen, welche diese Frage und mehrere andere die Frauenfrage be⸗ treffende Angelegenheiten behandeln, beschäftigt und sie dem Reichskanzler zur Erwägung überwiesen habe. 8

Abg. Dr. Baumbbach (dfr.): Die Frage, welche unser Antrag behandelt, steht auf der Tagesordnung der Nation und auf der der Volksvertretung. Günstig resolvirt haben über denselben bereits die Zweite Kammer in Baden und in Hefsen⸗ entgegenkommend sind auch die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses in Preußen. Auch aus Oesterreich ist gleiches gemeldet. Der Antrag ist seiner Zeit vom Reichs⸗ tag auf Antrag seiner Petitionscommission durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt worden. Diesmal hat unsere Petitions⸗ commission einstimmig einen anderen Standpunkt eingenommen. Das früher dem Reichstag unterbreitete Petitum ging auch weiter; es forderte die Zulassung der Frauen zum ärztlichen Studium und zur Ablegung der Reifeprüfung auf den höheren Schulen. Man machte dagegen besonders Competenzbedenken geltend. Diese fallen unserem heutigen Antrage gegenüber weg. Was wir heute verlangen, untersteht durchaus der Competenz des Bundesraths. Das Einzelne kann man ganz ruhig und vertrauensvoll der Weisheit des hohen Bundesraths überlassen. Wir sind es ja leider gewöhnt, daß die süddeutschen Herren vom Centrum die Competenz des Reichs bestreiten, mag es sich um die Zulassung der Frauen zum Studium oder um die bayerischen Briefmarken handeln; ich glaube aber, wir werden dies diesmal nicht erleben. Der Einwurf, daß das weibliche Geschlecht an geistiger Capacität dem männlichen nicht ebenbürtig sei, ein Einwurf, an welchen sich dann eine sehr gelehrte Deduetion über das geringe Gewicht des weiblichen Gehirns anzuschließen pflegt, finrdet seine schlagende Wider⸗ legung in dem Buch des Abg. Bebel: „Die Fraus. Es wird allerdings heute kaum noch der Vorwurf der Inferiorität des weiblichen Geschlechts ernsthaft erhoben werden können. Professor Leyden macht freilich den beachtenswerthen Einwurf, daß zur Aus⸗ übung der ärztlichen Praxis nicht bloß Kenntnisse, sondern auch Charaktere gehören. In dieser Beziehung fällt er über die Frauen unseres Mitrelstandes ein ziemlich abfälliges Urtheil. Professor Leyden geht aber zu weit; er macht die Ausnahme zur Regel. In ähnlicher Weise hat sich ja auch über die Frauen des Mittelstandes der Abg. Bebel in seinem Buche ausgesprochen. Im Grundgedanten begegnen sich beide Herren. Wo der Abg. Bebel seine Studien über die Frauen des Mittelstandes gemacht hat, weiß ich nicht; ich tann ihm doch eine große Anzahl Frauen vorführen, auf welche sein 213 Urtheil nicht zutrifft. Ein anderer Einwand wird aber heute sicher wieder erhoben werden: daß es unweiblich sei, wenn die Frauen aus der Häuslichkeit heraustreten, sich nicht mehr darauf beschränken, das heilige Herdfeuer zu pflegen und zu bewahren. Ja, wieviel Frauen verfügen denn über dieses nothwendige Requisit? Sind denn alle Frauen verheirathet, haben sie einen eigenen Herd? Die Frauen müssen doch in die Fabrik gehen; weshalb soll es also unweiblich sein,

wenn sie sich dem ärztlichen Beruf widmen? (Schluß des Blattes.)

Februar

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

Der Bericht über die gestrige Sitzung befindet sich in der Ersten Beilage.

37. Sitzung vom 23. Februar.

Der Sitzung wohnt der Minister der geistlichen ꝛc. An⸗ gelegenheiten Dr. Bosse bei.

Die zweite Berathung des Staatshaushalts⸗ Etats für 1893/94 wird fortgesetzt, und zwar im Etat des Ministeriums der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten bei dem Kapitel „Elementarunterrichtswesen“.

Abg. Lu brecht (nl.) bedauert die ablehnende Haltung der Mehr⸗ heit des Hauses gegenüber dem Gesetzentwurf wegen Aufbesserung des Einkommens der Volksschullehrer. Einem Antrage der Regierung auf Gehaltsaufbesserung sollte überhaupt niemand widersprechen. Ein Einkommen von 750 genüge für einen Lehrer nicht, wenn er auch einfacher als der Bauer auf dem Lande lebe. Besonders seltsam sei der Widerstand der Conservativen, denn der Lehrer auf dem Lande sei eine Stütze des Staats und der Kirche. Socialdemokraten würden die Lehrer wohl nicht werden, denn der Zukunftsstaat könne für sie keinen Reiz haben. Aber es müsse dafür gesorgt werden, daß den Lehrern die Nahrungssorgen abgenommen würden.

Minister der geistlichen zꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse dankt dem Vorredner für die Unterstützung der Regierungsvorlage und spricht die Hoffnung aus, daß das Gesetz doch noch in dieser Session zustandekommen werde.

Abg. von Schenckendorff (nl.) weist darauf hin, daß der eine Hilfslehrer bei dem Seminar für Stadtschulen in Berlin nur 1800 Gehalt habe, trotzdem er schon seit elf Jahren in seinem Amt sei. Redner empfiehlt, daß den Hauptlehrern mehrklassiger Schulen der Titel Rector gegeben werden möge.

Wirklicher Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Schneider erklärt, daß diesem letzteren Wunsche durch eine Verfügung des Ministers nachgekommen sei. Der Seminar⸗Hilfslehrer in Verlin beziehe das Maximalgehalt: er könne sich, wenn er seine Verhältnisse zu verbessern wünsche, um die Stelle eines ordentlichen Lehrers bewerben, wobei er allerdings von Berlin weg versetzt werden würde. Aber das wolle der betreffende Herr nicht.

Abg. Rickert (dfr.): Mit Rücksicht auf die drohenden Abend⸗ sitzungen will ich nur einige Dinge vorbringene Ich hoffe und wünsche, daß aus der Vorlage über die Verbesserung der Schullehrergehälter noch etwas werden wird. Bezüglich des Schulgesetzes erkläre ich, daß wir uns auf den Standpunkt: „ohne Schulgesetz kein Dotationsgesetz“ nicht stellen werden. Wir wissen, daß unter den jetzigen Parteiverhältnissen ein Schulgesetz keine Auesicht hat, aber deshalb wird die Forderung eines Dotationsgesetzes nicht von der Tagesordnung verschwinden. Ueber die Forderung der Regierung soll man eigentlich nicht hinausgehen; aber bezüglich der Schule haben wir uns an diesen Grundsatz nicht gekehrt. Wir werden die Regierung in Bezug auf die Schule in jeder Weise unterstützen, der Finanz⸗Minister l)r. Miquel wird wohl auch trotz der Schwierigkeit der Finanzlage keine Hindernisse in den Weg legen. Wenn nahezu 100 Millionen für Militärzwecke aus⸗ gegeben werden, dann verstehe ich nicht, wie man aus finanziellen Gründen mit dem Gelde für die Schule zurückhalten kann. Die Schuleinrichtungen sind vielfach so unzureichend, daß eine Aenderung eintreten muß.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse: Die Commission hat allerdings die Regierungsvorlage über die Lehrer⸗ gehälter zu meinem Bedauern abgeschwächt. Allein ich nehme lieber das Wenige, als garnichts. Daß ich zur Zeit ein Volksschulgesetz nicht einbringen kann, wissen Sie alle; Sie kennen auch die Gründe dafür. Komme ich mit dem Schulgesetz nicht durch, so werde ich mir⸗ vorbehalten, zu sehen, wie weit ich mit einem Dotationsgesetz komme. Wenn ich für die Lehrer nur etwas erreiche, so werde ich dem Hause bei Abänderungsanträgen soweit als möglich entgegenkommen.

Abg. Dr. Porsch (Centr.) hält ebenfalls eine Aufbesserung der unzureichenden Gehälter der Volksschullehrer für nothwendig: aber es seien auch andere Klassen vorhanden, deren Gehaltsverhältnisse un⸗

zureichend seien. Auf dem Standpunkt stehe seine Partei nicht, daß

sie aus Bosheit ein Schuldotationsgesetz ablehne, weil das Schulgesetz nicht zu stande gekommen sei; sie sei nur der Meinung, daß die Principienfragen auch beim Dotationsgesetz zur Geltung kommen würden.

Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (cons.): Wir sind in keiner Weise abgeneigt, für die Lehrer das zu thun, was nach Lage der Staatsfinanzen geschehen kann. Zu klagen haben die Lehrer wahrlich nicht; ihre Ansprüche sind jederzeit in erster Linie befriedigt worden, sodaß von einer wirklichen Noth der Lehrer keine Rede sein kann. Wenn wir nicht einmal die Ansprüche der directen Staatsbeamten befriedigen können, wie kommen dann die Lehrer zu solchen besonderen An⸗ sprüchen?

Abg. Knörcke (dfr.) weist darauf hin, daß nach Zeitungsnach⸗ richten der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten erklärt habe, er habe nicht nur nichts gegen die Betheiligung der Lehrer an den Schulvorständen, sondern er halte es für zweckmäßig, daß sie daran theilnähmen. Das würde ein bedeutender Schritt vorwärts auf dem Gebiete der Schulverwaltung sein. Deutschland sei in dieser Be⸗ ziehung zurückgeblieben, weil es die Betheiligung der Schulmänner an der Verwaltung der Schule nicht ausgebildet habe.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse: Ich habe die Verfügung so erlassen, wie sie der Vorredner citirt hat. Ich halte, es für dringend erwünscht, daß die Lehrer in den Schul⸗ vorständen und in den Schuld putationen vertreten sind. Die beiden letzten Schulgesetzentwürfe enthielten auch dahin gehende Be⸗ stimmungen. b 8

Die Ausgaben für die Seminare und Präparanden⸗Anstalten werden genehmigt.

Bei den Ausgaben für die Turnlehrer⸗Bildungs⸗ anstalt empfiehlt 18

Abg. von Schenckendorff (nl.) eine größere Berücksichtigung der körperlichen Ausbildung der Schuljugend. Es geschehe ja auf diesem Gebiet manches, aber namentlich für die Volksschulen sei verhältniß⸗ mäßig wenig gethan worden. Die Strömung im Voltk sei der Be⸗ wegung, die den Turn⸗ und Spielunterricht in der Schule fördern wolle, sehr günstig. Davon sollte auch die Unterrichtsverwaltung Vor⸗ theil zu ziehen suchen.

Abg. Sperlich (Centr.): Für die Städte mag der Turn⸗ und Spielunterricht nothwendig sein; auf dem Dorfe giebt es genug Ge⸗ legenheit zur Bewegung in freier Luft; da ist der Turn⸗ und Spiel⸗ unterricht nur eine Last für Schüler und Lehrer. Vom Turnen hängt die Militärtüchtigkeit nicht ab, sondern vielfach auch von den Ernährungsverhältnissen, und auch der Impfzwang hat manchen zum Krüppel gemacht. Ich möchte den Minister bitten, auf diese Frage sein Augenmerk zu richten. 1

Bei den Ausgaben für die Schulaufsicht trit

Abg. von Schenckendorff (nl.) für die Fagbe serung r Ge⸗ hälter der Regigrungs⸗Schulräthe ein, die jetzt schlechter gestellt seien als die Gymna sial⸗Directoren, trotzdem sie aus dem Kreise derselben hervorgingen. 8

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (cons.) erklärt bei dieser Gelegenheit, daß seine politischen Freunde bezüglich der Frage des Religionsunterrichts für Kinder der Dissidenten auf dem Standpunkt der Regierung ständen. Der Standpunkt, den der Abg. Stöcker ein⸗ genommen habe, lasse sich zwar mit pädagogischen Gründen ver⸗ theidigen, die Kinder sollten aber eine religiöse Grundlage mit⸗ bekommen; ob das Leben das später wieder vernichte, sei nicht Sache der Schulverwaltung.

Bei den Ausgaben für die Kreis⸗Schulinspectoren sind 26 neue Stellen eingestellt b

der Kreis⸗Schulinspectoren vielfache Anfechtung ersahren habe, nicht bloß der Kosten wegen, vbokesch diese auch sehr hoch gestiegen seien, nämlich von 60 000 auf mehr als 1 ½ Millionen Mark. B merkenswerth sei es, daß nur in den vorwiegend katholischen Provinzen Kreis⸗Schulinspectoren im Hauptamt angestellt seien. In den vorwiegend evangelischen Provinzen fungiren evangelische Geistliche im Nebenamt. In Brandenburg, Pommern, Sachsen und Hannover findet man faft Pr keinen Kreis⸗Schulinspector im Hauptamt; auf dem katholischen Fichsfeld sind aber zwei Inspectoren im Hauptamt. Ist es etwa eine besondere Bevorzugung der Katholiken, daß sie unter die Aufsicht der Kreis⸗Schulinspectoren im Hauptamt gestellt sind? Ist es eine Vernachlässigung der ehangetische Schulen, daß die Inspectoren im Nebenamt sie beaussichtigen? Ver jetzige Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten hat die Schul organisation von seinem Vorgänger geerbt; er macht sich aber zum Mitschuldigen, wenn er die Zahl dieser Stellen vermehrt. Di katholischen Kreis⸗Schulinspeetoren, die im Hauptamt ange stellt sind, haben von dem Katholicismus gewöhnlich nur noch den Namen. Ein Kreis⸗Schulinspector sollte aber immer ein durch und durch religiöser Mann sein. Die technische Qualification der Schulaufsichtsbeamten ist auch keine besondere. Es sind gewöhnlich Philologen, die durch das Oberlehrerexamen durchgefallen sind und deshalb in diese Laufbahn übertreten. Die ganze Schul⸗ aufsicht sollte auf den Aussterbe⸗Etat gesetzt, meinetwegen auch ganz aufgehoben werden; dann kommen wir auf denselben Stand⸗ punkt, auf dem die evangelischen Schulen stehen. Die katholischen Geistlichen stehen auf demselben Bildungsstandpunkt wie die evan gelischen und können ebenfalls für sich die Schulaufsicht verlangen.

Bei Schluß des Blattes nimmt der Minister der geist lichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse das Wort.

Das Gesetz über die Abzahlun gsgeschäfte ist von de in zweiter Lesung unverändert nach den Beschlüssen erster Lesung

sen dmigt worden. Zum Referenten ist Abg. Dr. Mehnert be tellt worden.

Eutscheidungen des Reichsgerichts.

Die Anordnung einer Beschlagnahme oder Du rch⸗ suchung steht nach §§ 98, 105 der Strasprozeßordnung den als Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft fungirenden Polizei⸗ und Sicherheitsbeamten „bei Gefahr im Verzuge“ zu. In Bezug auf diese Bestimmungen hat das Reichsgericht, I. Strafsenat, durch Urtheil vom 1. Dezember 1892 ausgesprochen, daß dem Richter eine Nachprüfung darüber nicht zusteht, ob das Erforderniß „Gefahr im Verzuge“ vorgelegen hat.

Nach § 154 Abs. 2 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungs⸗ gesetzes vom 22. Juni 1889 wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten derjenige bestraft, welcher wissentlich schon einmal ver⸗ wendete Marken in Quittungskarten abermals verwendet. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, III. Straf⸗

eine schon einmal verwendete Macke im Sinne dieser Strafbestimmung eine Marke zu verstehen ist, welche zur Tilgung einer bestimmten, fällig gewordenen Beitragspflicht des Arbeitgebers, bezw. des Verficherten gedient hat. Eine bereits vorher eingeklebte Marke

gilt dagegen bis zum Fälligwerden der Beitragepflicht nicht als ver

wendet.

Kunst und Wissenschaft. In d

dem Bericht über die Aus grabungen in Troja vom Jahre 1890 hatte Frau Schliemann das Versprechen gegeben, die durch den unerwarteten Tod ihres Mannes unter⸗ brochenen trojanischen Grabungen fortzusetzen und zum Ab⸗ schluß zu bringen. Dieses Versprechen soll jetzt eingelöst wer⸗ den; die Ausgrabungen sollen gegen Mitte April beginnen und werden voraussichtlich etwa drei Monate dauern. Ihre Leitung ist von Frau Schliemann dem früheren Mitarbeiter ihres Manncs, Herrn Professor Dörpfeld, Erstem Secretar des Kaiserlichen Archäclogischen Instituts in Athen, übertragen,

dem noch einige deutsche Mitarbeiter zur Seite stehen werden.

Während der Dauer der Ausgrabungen sind diese Herren gern bereit, allen denjenigen, welche Troja besuchen, die Ruinen zu erklären und ihnen beim Studium derselben be⸗ hilflich zu sein. Da über den Zustand der Ruinen und ihre Bedeutung nicht immer richtige Ansichten herrschen, ist es im Interesse der Wahrheit sehr erwünscht, wenn möglichst viele Fachmänner sich zur Reise nach Troja entschließen und die Ruinen selbst untersuchen wollen. Die Zeit dazu ist nicht zu versäumen, weil die Ruinen und Erdschichten wegenihrer einfachen Bauart und geringen Festigkeit voraussichtlich den zerstörenden Einflüssen der Witterung nicht lange Widerstand leisten werden. Angaben über den besten Weg zur Reise nach Hissarlik⸗ Troja findet man in den bekannten Reisehandbüchern: doch ist auch der Leiter der Ausgrabungen zu jeder näheren Auskunft bereit.

Es ist bei dieser Gelegenheit auch ein Irrthum in der Bekanntmachung über eine vom Kaiserlichen Archäologischen Institut vorbercitete Inselfahrt („Reichs⸗Anzeiger“ Nr. 35 v. 9. d. M.) zu berichtigen. Die Fahrt wird nicht am 11. März, sondern am 11. April beginnen. 3 8

4† Im Kunstsalon Gurlitt, dessen rühriger, um das Ber⸗ liner Kunstleben wohlverdienter Inhaber Fritz Gurlitt unlängst einem unheilbaren Leiden erlegen ist, finden wir eine nicht unbeträcht⸗ liche Anzahl von Werken älterer französischer Künstler zu einer Ausstellung vereinigt, die einen Ueberblick über die Richtungen der Schule von Fontainebleau gewährt. Der Führer der Landschafter Theodore Rousseau fehlt freilich, aber Jules Dupré ist mit einem bemerkenswerthen größeren Bilde „le repos des moissonneurs“ aus dem Jahre 1842 ver⸗ treten. Am Saume eines Eichenwaldes öffnet sich der Blick in e ne Flachlandschaft, deren Auffassung und Colorit die Erinuerung an die großen holländischen Landschaften weckt. Auch sein jüngerer Bruder und Schüler Victor Dupré schließt sich an die Hobbema, Ruysdael und Koninck an, alterthümelnd in der Behandlung und doch modern in der intimen Empfindung. Demselben Kreise gehört der Thiermaler C. Troyon an, von welchem drei liebenswürdige Schöpfungen ausgestellt ·;12 F. Daubigny emancivirt sich ungleich energischer von jeder Stilistik; seine frei und lebendig slizzirten Veduten, wie die prächtige Abendstimmung am Waldweiher (Nr. 25) tragen gegen⸗ über den Werken von Dupré und Troyon einen durchaus modernen Charakter. Die weiche flockige Behandlung verleiht ihnen den Reüs zarter poetischer Stimmung. Kraftvoll und klar in der Tiefe des duntlen Colorits sind die Kanalbilder Boudin’s, während Louis Frangais die duftige Weichheit seines Meisters Corot anstrebt. Von Jean Frangçois Millet finden wir ein Werk voll ernster Ruhe und grandioser Haltung: die Kirche seiner normannischen Heimath Gréville, vielleicht das bedeufendste Bild dieser französischen Ausstellung. Ermürend wirkt in ihrer steten Wiederholung die verschwommene

Manier des jüngeren Millet, dessen Heuschober im Mondenlicht

. Abg. Dauzenberg (Centr.) weist darauf hin, daß die Institution

mit der Vorberathung beauftragten Reichstagscommission gestern Abend

senat, durch Urtheil vom 8. Dezember 1892 ausgesprochen, daß als

und bei Gewitterstimmung gleich trostlos in den Himmel ragen und nur noch die Function von Wahrzeichen der Urheberschaft Millet's haben. Auch der etwas farbenfreudigen kleinen Pastelle des Künstlers fehlt die rechte Energie des Ausdrucks. 5 ise⸗Virgil Diaz, den Zigeunermaler, charakterisiren leidlich zwei glatt gemalte, den weichen Halbschatten Correggio's anstrebende Bilder „Confidences“ und „les Bohémiens“, sowie zwei kleinere Waldinterieurs von inniger Empfindung. Auch Lbon Bonnat, der efeierte Porträtmaler und feinsinnige Kunstsammler, hat seine kleine Flalienerin im Stile Diaz' gemalt. Ribot und J. Bail sind mit je einem nicht sonderlich kennzeichnenden Bilde vertreten. Damit auch die Drientmalerei und das Soldatenbild nicht fehlen, hat man zwei Bilder von Washington und einige kleinere Skizzen von Neuville und Detaille mitausgestellt. Meissonier’'s Aquarell „Je Mousquetairg“ giebt keinen Begriff von seiner Meisterschaft, während ein Abglanz seiner geistreichen Delicatesse auf Roybet's „Schach⸗ partie“ gefallen ist. Vortheilhaft hebt sich von der Mehrzahl der untergeordneten Durchschnittsleistungen Lhermitte's Markt in der Bretagne ab, ein Werk, das den hohen Ernst der künst⸗ lerischen Auffassung Lhermitte's gut wiedergiebt. Es mag schwer halten, eine größere Anzahl von wirklich bedeutenden Arbeiten französischer Maler auf den deutschen Kunstmarkt zu bringen; aber darum ist es noch nicht gerechtfertigt, die keineswegs immer berühmten Leistungen berühmter Maler dem deutschen Publikum, wie der von dem Pariser Unternehmer verfaßte Katalog es thut, als „oeuvres importantes“ vorzuführen. Eine Aus⸗ stellung moderner französischer Kunstwerke von actuellem Interesse würde zwar geringeren geschäftlichen, aber um so größeren künst⸗ lerischen Erfolg versprechen.

Unter den deutschen Bildern der Ausstellung interessiren nament⸗ lich die phantasievollen Schöpfungen zweier jüngerer Böcklin⸗Schüler: Hans Sandreuter in Basel und Urban⸗München. Sand⸗ reuter verfügt freilich nicht über die Intensität der Farbenempfindung seines Meisters, seinen Gestalten haftet eine gewisse akademische Kühle

‚aber schon der Versuch, sich an die weltfremde Empfindungssphäre Böcklin's heranzuwagen, beweist Muth und ernsten Künstlersinn. Urban ist noch abhängiger von dem Schweizer Meister, erfüllt leich ihm, vielleicht auch von Stuck nicht unbeeinflußt, Wald⸗ und Seeeinsamkeiten mit phantastischen Gesichten und hat ine reichschillernde Farbenscala auf seiner Palette. Einige nordische Schneelandschaften mit Staffage von Fries⸗Schwenzen seien chließlich noch wegen der trefflichen Beobachtung des Schneelichts

d ihrer echt nordischen Luftstimmung gerühmt. Italien hat Ar⸗ eiten von IJrolli Saporeki, Forti, Brancaccio und Cecconi beigesteuert, unter denen Ettore Forti's sorgfältig durchgeführtes, im Colorit äußerst reizvolles „Idyll“ den Preis verdient.

It Im Architektenhause hat der in Halle ansässige Maler A. Männchen eine kleine Sonder⸗Ausstellung seiner Aquarelle ver⸗ anstaltet, unter welchen sich besonders die breit und farbig gemalten

Veduten aus Tunis und Pompeit durch glückliche Beobachtung und

freie Behandlumg auszeichnen. Die Hauptstärke des Künstlers liegt offenbar im Landschaftlichen, wie auch ein stimmungsvolles Städtebild im Winterschnee beweist, während die figürlichen Studien recht ungleich sind und zum theil ängstlich und unfrei wirken. Auch ein Kircheninterieiur mit einer vor dem Kirchenpfeiler knieen⸗ den, händeringenden weiblichen Gestalt und das coloristisch allzu unruhige Atelier mit Staffage stehen hinter den genannten Landschaften bedeutend zurück. Eine glänzende Leistung ist die Abendlandschaft C. Palmis's aus München, ein Jagdschloß am See, dessen von waldigen Ufern umsäumte Fluthen im warmen Abendlichte schillern. In alle Schatten dringt das Reflexlicht hinein, und die reiche Abendstimmung der einzelnen Partien verleiht dem breit und sicher hingestrichenen Bilde einen eigenartigen Zauber der Stimmung, der indeß nicht etwa auf Kosten der Natur⸗ wahrheit erzielt ist. Hoffentlich begegnen wir dem talent⸗ vollen Münchener Künstler von jetzt an häufiger in unseren Berliner Ausstellungen. Auch aus anderen Münchener Ateliers finden wir im Architektenhause bemerkenswerthe Leistungen: so A. Röseler’'s 1892 prämiirtes großes Bauernbild „Auf dem Tanz⸗ boden“, ein Meisterstück fein abgewogener Helldunkelmalerei und derber Entschlossenheit in der Haltung der kräftigen Gestalten; zwei ober⸗ bayerische Dorfbilder von Alois Gabl, eine überschwemmte Herbst⸗ landschaft von H. E. Berlepsch und ein vornehm⸗ernstes Männer⸗ bildniß von der Gräfin Marie von Kalckreuth. René Reinecke, der geistreiche Zeichner modernen Gesellschaftslebens, hat seine für ein „Backfischalbum“ bestimmten, eleganten Gouachen gusgestellt, und der gleichfalls in München ausgebildete Pro⸗ fessor der Weimarer Akademie Max Thedy schildert uns in einer stark an EClaus Meyer erinnernden etwas glatten Zierlichkeit das trauliche Stübchen einer Näherin. Zwei große effectvolle Strand⸗ bilder von Le Mayeur, sowie eine Marine von Eschie und ein Lofotenbild Carl Böhme’'s bilden neben Röseler's schon genanntem Kirmesbild die Hauptanziehungspunkte im Kuppelsaal der Ausstellung. Das historisch bedeutungsvolle Ruppiner Thor in Gran⸗ see ist bis auf einige Arbeiten im Innern durch Aufbau zweier Giebel und Anlage eines hohen Satteldaches wieder hergestellt. In der Klosterruine zu Chorin sind die baulichen Vorbereitungen für Instandsetzung und Ausmalung des „Fürstensaales“ durchgeführt.

Statistik und Volkswirthschaft. Centralverein für Hebung der deutschen Fluß⸗ und

8 „Kanalschiffahrt. 3 3 In einem Fractionszimmer des Reichstagsgebäudes fand gestern

Abend eine Ausschußsitzung des Centralvereins für Hebung der

deutschen Fluß⸗ und Kanalschiffahrt statt. Der Vorsitzende, Professor I. Schlichting eröffnete die Versammlung mit etwa folgender Worten: „Ich kann Ihnen die erfreuliche Mittheilung machen, daß Seine Königliche Hoheit der Prinz Ludwig von Bayern, Protector des bayerischen Kanalvereins, huldvollst geruht haben, die Ehrenmitgliedschaft des ECentralvereins für Hebung der deutschen Fluß⸗ und Kanalschiffahrt anzunehmen. Es ist das mit um so größerer Freude zu begrüßen, da da⸗ durch ein einiges, umfassendes Band für sämmtliche deutsche Binnenschiffahrts⸗Vereine geschaffen worden ist. Der Vorstand hat

beschlossen: seinem hohen Ehren mitglied als Zeichen der Dankbarkeit

ein Diplom zu überreichen. Am 26. März d. J. wird in München eine Ausschußsitzung des bayerischen Kanalvereins stattfinden, der der hohe Proteckor präsidiren wird. Es sollen zu dieser Versamm lung die Vorsitzenden aller deutschen Binnenschiffahrts⸗Vereine einge⸗ laden werden. Sollte ich ebenfalls eine Einladung erhalten, dann werde ich derselben, schon mit Rücksicht auf die große A die diese Versammlung für die deutsche Binnenschiffahrt zweifellos haben wird, Folge, leisten. Meine Herren, der Zufall will es, daß wir heute unsere Ausschußsitzung an dem hundertjährigen Geburtstag des Begründers unseres Centralvereins „des Mannes der rothen Erde“, unseres unvergeßlichen Fritz Harkort abhalten. Was heute uns als selbstverständlich erscheint, daß für den Ausbau und die För⸗ derung der Wasserstraßen eine geeignete Vertretung vorhanden sein muß, diese Idee hatte Harkort schon vor vielen Jahren; ihm verdankt der Centralverein in erster Linie seine Entstehung. Ich ersuche Sie, sich zum Zeichen der ochachtung für den Verewigten von Ihren Plätzen zu erheben. (Dies geschieht.) Der Vorstand wird als Zeichen der Dantbarkeit im Namen des Centralv reins einen Kranz auf das Grab Harkort's niederlegen lassen.“ g Das für Seine Königliche Hoheit den Prinzen Ludwig von d ayern angefertigte Ehrendiplom lag. auf dem Vorstandstische aus; vüe Widmung lautet: „Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Ludwig von Bayern widmet der Centralverein für Hebung der deutschen Fluß⸗ und Kanalschiffahrt auf Grund des Beschlusses vom 1, Januar 1893 ein Diplom als Ehrenmitglied zum Zeichen auf⸗ richtiger Dankbarkeit für die hohe Fürsorge und das warme Interesse, melches, Seine Königliche Hoheit zum Segen des gesammten Vater⸗ 1808,b Eer deutschen Binnenschiffahrt weihen. Berlin, den 8. Februar 3. J. Schlichting, Professor an der Königlichen Technischen Hoch⸗

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schule, Erster Vorsitzender; Regierungs⸗Baurath Wernekinck, Zweiter Vorsitzender; Commerzien⸗Rath Arnold, Schatzmeister; Hauptmann z. D. Hilken, Schriftführer.“

Bergrath Gothein bemerkte, daß der Finanz⸗Minister geäußert habe: die Erhöhung der Schiffahrtsabgaben auf den märkischen Wasserstraßen betrage nur ein Drittel der früher erhobenen Abgaben. Infolge der eigenartigen Abgabenerhebung betrage jedoch die Erhöhung in den meisten Fällen das Fünffache des früheren Satzes. Die Schiff⸗ fahrt sei nicht in der Lage, eine solche hohe Mehrbelastung zu ertragen. Auf Vorschlag des Redners wurde beschlossen: bei dem Finanz⸗ Minister und dem Abgeordnetenhause deshalb vorstellig zu werden.

Allbsdann kam die Frage der Kanalisirung der oberen Lippe und ihrer Bedeutung für die Verbindung des Dortmund⸗Emshäfen⸗Kanals mit dem Niederrhein zur Besprechung; von einer Beschlußfassung wurde abgesehen.

Naturalverpflegungsstation.

Im Regierungsbezirk Stade haben sich die Naturalverpflegungs⸗ stationen, wo sie noch bestehen, insoweit bewährt, als eine erhebliche Einschränkung der Wanderbettelei in den betheiligten Ortschaften und Kreisen bemerkt worden ist. Leider ist die Existenz dieser Stationen in dem genannten Regierungsbezirk, da sie lediglich aus freiwilligen Leistungen der Kreis⸗ Communalverbände geschaffen und unterhalten werden, diese Verbände aber nur sehr schwer zur Hergabe der erforder⸗ lichen Mittel zu bewegen sind, gefährdet. 8

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Dortmund berichtet die „Rhein.⸗Westf. Ztg.“, daß die dortige Strafktammer den ehemaligen Bergmann und langjährigen Führer der Bergarbeiter Fritz Bunte wegen indirecter Auf⸗ forderung zum Ausstand in Bergarbeiterversammlungen zu Dortmund, Essen und Dorstfeld zu einjährigem Gefängniß verurtheilte.

Aus Braunschweig wird dem „Vorwärts“ mitgetheilt, daß die Drechsler der Wehrenpfennig ’schen Holzwerkzeug⸗Fabrit wegen der Lohnverhältnisse die Arbeit niedergelegt haben.

In Ober⸗Grüne bei Iserlohn haben nach demselben Blatt die Gelbgießer der Firma Gebr. Kuhlmann wegen Lohnherab⸗ setzung die Arbeit gekündigt.

Hier in Berlin legten die Arbeiter der Kisten fabrik von S. Mannheim mit Ausnahme von zweien am Dienstag früh die Arbeit nieder; als Grund werden im „Vorwärts“ Lohnverhältnisse angeführt. Der Ausstand in der Lampenfabrik von R. Gerling ist beendet.

Zu dem Ausstand der Baumwollindustrie⸗Arbeiter in Lancashire berichtet die Londoner „Allg. Corr.“: Gegenüber dem Anerbieten der ausständigen Baumwollenarbeiter, die Arbeit zu um 2 ½ % ermäßigten Lohnsätzen wieder aufzunehmen (pgl. Nr. 45 dieses Blattes), kam der Bund der Fabrkkanten vorgestern zu einem ablehnenden Bescheid. Das Anerbieten sei nicht annehmbar, namentlich weil während der letzten fünfundzwanzig Jahre jede Lohnerhöhung den Arbeitern gewährt worden sei, ohne daß sie strikten, und in teinem Falle weniger als 5 % betragen habe; weil sowohl die zugestandene Lohnkürzung von 2 ½ %, als auch die Zeit von drei Monaten, während der sie eintreten sollte, nicht ins Gewicht fallen gegenüber den Verlusten der letzten Jahre; weil ferner in dem denkbar günstigsten Falle Jahre verstrichen seins müssen, bevor die ungünstige Bilanz überwunden werden könne, während welcher das Kapital im Baumwollenhandel mit 1 % Nutzen oder Gewinn gearbeitet hat u. s. w. Um jedoch den guten Willen des Bundes zu zeigen, soll die Lohnkürzung erst 6 Monate nach Ab⸗ schluß des Vergleichs eintreten.

Aus Chicago meldet ein Wolff'sches Telegramm, daß alle Weichensteller der Chicago Western Indiana⸗Eisenbahn wegen der Verweigerung einer Lohnerhöhung ausstehen. Der Waarenverkehr der Eisenbahn ist unterbrochen.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Verbreitung von Thierseuchen im Deutschen Reich im Januar 1893. (Nach amtlichen Mittheilungen; für Preußen und Braunschweig liegen Nachweisungen nur über Maul⸗ und Klauenseuche vor.)

Fälle von Rotz (Wurm) sind festgestellt in zwei Gehöften des Bezirks Neuburg a. D. (Schwaben), in je einem Gehöft der Stadt Dresden sowie der Oberamtsbezirke Böblingen (Neckarkreis) und Ravensburg (Donaukreis).

Die Maul⸗ und Klauenseuche läßt abermals einen Rück⸗ gang erkennen. Wenn dieselbe auch noch aus fast allen Regierungs⸗ und sonstigen größeren Verwaltungsbezirken gemeldet wurde, so sind doch in der Mehrzahl dieser Gebiete weniger Gemeinden ergriffen worden als im Vormonat. Dies gilt besonders von den bisher stark betroffenen Regierungsbezirken Königsberg, Gumbinnen, Marien werder, Potsdam, Frankfurt, Stettin, Posen, Bromberg, Breslau, Merseburg und Schwaben, den Kreishauptmannschaften Dresden, Leipzig und Zwickau, dem Landescommissärbezirk Karlsruhe, sowie von Mecklenburg⸗Schwerin und den Thüringischen Staäaten. Dagegen weisen die nur wenig betroffen gewesenen Regierungsbezilke Magdeburg, Schleswig, Hildesheim, Lüneburg, Münster, Minden, Arnsberg, Cassel, Köln, Aachen, Oberbayern, Mittelfranken, Unterelsaß und Lothringen, sowie der Landes ommissär⸗ bezirk Konstanz diesmal eine geringe Zunahme auf. Neu befallen wurden das oldenburgische Fürstenthum Lübeck und das bremische Staatsgebiet. Nicht wieder aufgetreten ist die Seuche in dem Regierungsbezirk Osnabrück, dem oldenburgischen Fürstenthum Birkenfeld sowie in den Staaten Lübeck und Hamburg; auch sind die Regierungs⸗ ezirke Stade, Aurich, das Herzogthum Oldenburg, ferner Schwarzburg⸗ Sondershausen und Schaumburg⸗Lippe wieder frei geblieben. Haupt⸗ sächlich von der Seuche heimgesucht waren die Regierungsbezirke Königsberg, Danzig, Marienwerder, Potsdam, Stralsund, Breslau, Oberbayern, Mittelfranken, Schwaben,⸗Dresden und Zwickau, ferner Mecklenburg⸗Schwerin; am wenigsten Berlin, die Regierungs⸗ bezirke Erfurt und Trier, der Landescommissärbezirk Konstanz, ferner Waldeck, Bremen und das Ober⸗Elfaß.

Die Lungenseuche wurde festgestellt in je 1 Gehöfte des Bezirks Burglengenfeld (Oberpfalz) und des Kreises Ballenstedt (Anhalt).

Ausbrüche der Schafräude sind ermittelt in je 1 Gemeinde von Oberbayern, Ober⸗ und Unterfranken und Schwaben, in 2 des Schwarzwald⸗ und 1 des Jagstkreises, 6 von Oberhessen, je 1 von

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Mecklenburg⸗Schwerin, Sachsen⸗Weimar, Waldeck und Reuß 8

Cholera.

Oesterreich⸗Ungarn. In Galizien ist während der Woche vom 5. bis 11. Februar ein Cholerafall nicht zur Anzeige gelangt. In Budapest sind, wie das „D. österr. San. Wes.“ berichtet, vom 4. bis 10. Februar vier Erkrankungen und zwei Todesfälle festgestellt worden.

Frankreich. Zufolge einer Mittheilung in den „Veröffent⸗ lichungen des Deutschen Kaiserlichen Gesundheitsamts“ wird die Anzahl der in Marseille vom 5. bis einschließlich 8. Februar vorgekommenen Todesfälle auf 5, 15, 4, bezw. 9 angegeben. Die Gesammtzahl der täglichen Sterbefälle von Marseille hat zufolge „Le petit Marseillais“, vom 31. Januar bis einschließlich 4. Februar (tageweise geordnet) 37, 32, 28, 65, 57 und am 7. Februar 55 betragen.

Rußland. Zufolge einer Mittheilung vom 6. Februar ist in Schachtnaja (Gebiet der donischen Kosaken) die Cholera wieder ausgebrochen.

Arabien. Nach einer Mittheilung vom 5. Februar haben auf Kamaran im Lazareth weitere Cholera⸗Erkrankungen seit dem 29. Januar nicht stattgefunden. Um der Verschleppung der Seuche vorzubeugen, hat der englische Vertreter in Konstantinopel die Wei⸗ sung nach Indien gelangen lassen, die Pilgerfahrten einstweilen aufzuhalten.

versehen.

3 Spanien. 1 8 1

Zufolge einer in der „Gaceta de Madrid“ veröffentlichten Ver⸗ ordnung des Königlich spanischen Ministers des Innern vom 15. Fe⸗ bruar 1893 werden Herkünfte aus Brügge (Belgien) als „rein“ wieder frei zugelassen.

Oesterreich⸗Ungarn.

Der Königlich ungarische Handels⸗Minister hat unter dem 13. Februar 1893 für Herkünfte aus den französischen Häfen des Mittelmeers wegen des Auftretens der Cholera in Marseille strenge ärztliche Untersuchung angeordnet.

Verdingungen im Auslande. Niederlande.

27. Februar, Uhr. Hollandsche vzeren Spoorweg- Maatschappij im Central⸗Personen⸗Bahnhof zu Amsterdam: Loos Nr. 549. Lieferung von unzubereiteten und zubereiteten platten Eisenbahnschwellen aus Eichen⸗ und Rothholz in 4 Loos Nr. 550. Lieferung von viereckig behauenem Eichenholz für Weichen. Lieferungsbedingungen für 1 Fl. per Loos erhältlich bei dem Bureau Wegen Werken der genannten Gesellschaft, Zimmer 154.

28. Februar. De afdeeling Boxtel der Noord-Brabantsche Maatschappij van Landbouw: 1) Lieferung von ca. 50 000 kg chemischen Dünger, enthaltend 3 ½ % Seiickstoff aus Chilesalpeter, 8 % Phosphorsaͤure in citronensaurem Ammoniak löslich und 12 % schwefligsaurem Kali. 2) Lieferung von 20 000 kg Superphosphat, enthaltend 14 % in Wasser lösliche Phosphorsäure. Die Lieferung muß spätestens am 20. März d. J. franco Station Bortel erfolgen.

Angebote sind bis spätestens 28. Februar an den Seeretär J. G. Onland in Esch bei Bortel zu richten.

2. März. Het Gemeentebestuur van venlo: Lieferung von 300 laufenden Metern Bordschwelle aus petit granit, 0,27 m hoch und 0,20 m breit sowie 30 000 platinen (Fliesen) 10:10 franco

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Station Venlo.

Theater und Mufik.

Saal Bechstein.

Der Pianist Herr Heinrich Lutter aus Häannover, unter Leitung Franz Liszt's ausgebildet, gab gestern seinen ersten Klavier⸗Abend, den er mit einer großen Anzahl von Klavier⸗ stücken allein ausfüllte. Seine technische Fertigkeit ist sehr be⸗ deutend, sein Anschlag ist weich und sesangreich auch gebictet er über eine große Kraftentwickelung, nur liebt der Künstler in seinem Vortrage die schroffen Gegensätze, sodaß er mitunter die Uebergangs⸗ stufen des „Grescendo“ und „Decrescendo“ vermissen läßt, wie dies z. B. in Schubert's Menuett und in dem Scherzo (op. 20) von Chopin der Fall war. Sehr schön war seine Ausführung der Sonate von Beethoven mit dem Trauermarsch, sowie die des Impromptus von Chopin, der „Papillons“ von Schumann und besonders der sehr stimmungsvoll und poetisch gehaltenen Suite von Liszt’s „Bénédiction de Dieu dans la solitude“. Lebhafter Beifall des ziemlich zahlreich erschienenen Publikums folgte allen Vorträgen.

Zum Besten des Frauenvereins „Mildwida“ findet mit Aller⸗ höchster Genehmigung am Sonntag im Königlichen Opern⸗ hause Mittags 1 Uhr unter Leitung des Königlichen Kapellmeisters Felir Weingartner eine große Musikaufführung statt, in welcher Pietro Mascagni, die Violinvirtuosin Fräulein Frida Scotta, der bayerische Kammersänger Herr Eugen Gura, Herr Hofcellist Heinrich Grünfeld, die Königliche Sängerin Frau Marie Götze, die Königlichen Sänger Herren Sylva und Mödlinger und die Königliche Kapelle mitwirken. Mascagni wird ein in Berlin noch unbekanntes Orchesterstück „Dansa esotica“ und die Intermezzi aus „Cavalleria rusticana“ und „Freund Fritz“ dirigiren und sich bei dieser Gelegen⸗ heit vom hiesigen Publikum verabschieden. Der Billetverkauf ist bei Bote u. Bock.

Im Berliner Theater findet morgen eine Aufführung von „Dorf und Stadt“ mit Agnes Sorma als Lorle und am Sonnabend die erste Wiederholung des neu eingeübten „König Lear“ mit Ludwig Barnay in der Titelrolle, Agnes Sorma als Cordelia statt. Die genannten beiden Künstler wirken auch mit in der am Sonntag Nachmittag stattfindenden Aufführung von Sardou's Schauspiel „Dora“; für Sonntag Abend ist Moser's „Veilchenfresser“ angesetzt. Die erste Aufführung von Newsky's Schauspiel „Die Danischeffs“ ist für nächsten Dienstag in Aussicht genommen.

Die fuüͤr Sonnabend im Kroll'schen Theater festgesetzte erste Aufführung von A. Schulz' vieractiger Oper „Der wilde Jäger“ ist auf nächsten Dienstag verschoben worden. 8

Im Thomas⸗Theater wird das zweite Stück des Nestroy⸗ Cyklus: „Einen Jux will er sich machen“ vom Wiener Ensemble morgen zum letzten Mal gegeben, da die dritte Nestroy'sche Posse „Eulenspiegel“ am Sonnabend zur Aufführung kommen wird.

Karl Zeller, der Componist des „Vogelhändlers“ und sein Librettist, Dr. Ludwig Held (Redacteur des „Wiener Tageblatts“), haben eine neue dreiactige Operette vollendet, die der artistische Leiter des Theater Unter den Linden zur Aufführung erworben hat.

Für das Concert der Sängerin · Clara Schulz⸗Lilie aus Genf im Saal Bechstein am Sonnabend 7 ½ Uhr hat der Klaviervirtuose Herr Elémer Polonyi seine Mitwirkung zugesagt; der Künstler wird bei dieser Gelegenheit Werke von⸗ Haydn, Schumann, Liszt und seine eigenen „Zigeunerweisen“ spielen. Die bekannte Altistin Fräulein Cäcilie Kloppenburg tritt nach längerer Pause am Sonntag Abend 7 ½ Uhr zum ersten Mal wieder in Berlin, Saal Bechstein, auf, und zwar in einem mit, der Sopranistin Fräulein Eva von Wurmb gemeinschaftlich zu veranstaltenden Lieder⸗ und Duett⸗Abend. Für das IX. vorletzte Philhrrmonis che Concertzam 27. d. M., das unter Hof⸗Operndirector Felix Mottl's Leitung stattfindet, ist das Programm festgesetzt, wie folgt: Nachtmusik für Streichorchester Mozart, Klavierconcert Schumann, „Liebesseene und Fee Mab“ Berlioz, Klavierconcert Liszt, Duverture Rienzi Wagner. Solist des Abends ist Eugen d'Albert.

Im Concerthaus veranstaltet Kapellmeister Meyder unter Mitwirkung des Componisten Herrn Professor Goldbeck morgen einem Componisten⸗Abend. Herr Professor Goldbeck wird im zweiten Theil eigene Compositionen, und zwar: „Idylle“, „Marionettensprünge“, „Waldesandacht“ und „Mexikanische Täͤnze“, unter persönlicher Leitung zur Aufführung bringen. Der dritte Theil wird zur Ehre des an⸗ wesenden Componisten Pietro Mascagni: Prélude und Siciliana aus „Cavalleria rusticana“, Intermezzo aus „Freund Fritz“ und Inter⸗ mezzo aus „Cavalleria rusticana“ enthalten

Mannigfaltiges.

Die städtischen Gasanstalten haben im Vierteljahr Ok⸗ tober / Dezember v. J. insgesammt 36 941 000 cbm Gas producirt gegen, den gleichen Zeitraum des Jahres 1891 mehr 66 000 ehm. Die Zahl der gespeisten Privatflammen erhöhte sich um 9275 au 879 604 Stück und die der öffentlichen Gasflammenn um 389 au 21 747 Stück. Von den englischen Gasanstalten wurden auf dem ehemaligen Schöneberger Gebiet 881 Straßenlaternen mit Ge

In der Urania hielt gestern Abend der Director diefes Vustituts

Herr Dr. Meyer den seit längerer Zeit schon angekündigten Vortr

über seine Eindrücke auf der Reise nach Nord⸗Amerika anmn Ende des vorigen Jahres „Aus dem Lande der großen Dimensionen“, der durch eine große Anzahl von Naturaufnahmen erläutert wurde und interessant war durch die in fesselnder Sprache vor noen Schilderungen der eigenthümlichen und großartigen Cul ünde des aufstrobenden Landes. In farbenpräöchtigen Bildern wüundem zunächft einige Naturschönheiten der Insel Wigdt, die deln