Die Nr. 5 der „Amtlichen Nachrichten des Reichs⸗ Versicherungsamts“ vom 1. März 1893 enthält die Bekanntmachung, betreffend das Ergebniß der Nach⸗ wahl von weiteren Stellvertretern der nicht⸗ ständigen Mitglieder des Reichs⸗Versicherungs⸗ amts aus dem Stande der gewerblichen Arbeitnehmer, vom 20. Februar 1893, ferner ein Rundschreiben an die Vor⸗ stände der ausschließlich dem Reichs⸗Versicherungsamt unter⸗ stellten gewerblichen Berufsgenossenschaften, betreffend die Ueberwachung der Betriebe, vom 17. Januar 1893, sowie folgende Recursentscheidungen und Bescheide:
Zu den Kosten des Heilverfahrens im Sinne des 5 Absatz 2 Ziffer 1 des Unfallversicherungsgesetzes gehören nur die Kosten der ärztlichen Behandlung und Aufsicht, der Krankenwartung und verwandte Kosten, ferner die Kosten der aufgewandten Arzeneien und etwaigen besonderen Heilmittel, als welche Bandagen, unter Umständen auch Fahrstühle, schwere Weine ünd dergleichen mehr, sofern damit Heilzwecke verbunden werden, in Betracht kommen können; dagegen fällt nicht darunter und ist vom Verletzten selbst zu bestreiten alles, was zum Unterhalt (Verpflegung, Bekleidung und Wartung) für den Kranken in demselben Maße wie für den Gesunden nothwendig ist (Wohnung, Kleider, gewöhnliche Ernährung).
Der Anspruch auf Ersatz verauslagter Kosten des Heilverfahrens erheischt nicht unter allen Umständen die Beibringung von Belägen.
Die Kosten einer vom Schiedsgericht angeord⸗ neten Unterbringung des Verletzten in einem Krankenhause gehören zu den Kosten des Verfahrens vor dem Schiedsgericht (Beweisaufnahme), welche der Berufsgenossenschaft gemäß § 50 Abs. 5 des Unfallversiche⸗ rungsgesetzes zur Last fallen; dagegen ist letztere im Falle einer solchen Unterbringung nicht verpflichtet, den An⸗ gehörigen gemäß § 7 Abs. 2 a. a. O. eine Rente zu gewähren.
Die Ehefrau eines Verletzten hat auch dann, wenn die Ehe erst nach dem Unfall geschlossen ist, Anspruch auf Rente gemäß § 7 Absatz 2 des Unfall⸗ versicherungsgesetzes. 1
Die Berufsgenossenschaft ist nicht berechtigt, in die freie Willensbestimmung eines Verletzten in der Weise einzugreifen, daß als Folge seiner Weigerung, eine Operation an sich vornehmen zu lassen, die Ein⸗ stellung oder Minderung einer bis dahin gewähr⸗ ten Rente angeordnet wird.
Die Baugewerks⸗Berufsgenossenschaften dürfen die von ihnen für selbstversicherungspflichtig erachteten Baugewerbetreibenden nicht eher zur Erfüllung der gesetzlichen und statutarischen Vorschriften im Zwangswege anhalten, als bis über deren Verpflichtung zur Selbstver sicherung endgültig entschieden ist.
„Lohnarbeiter“ im Sinne des § 2 Absatz 2 des Bau⸗Unfallversicherungsgesetzes sind auch Lehr⸗ linge, welche nur Kost und Wohnung erhalten; in⸗ dessen ist eine Ausnahme dann zuzulassen, wenn der Lehrling ein Lehrgeld zahlt, welches dem Werth von Kost und Wohnung etwa gleichkommt. Geldbeträge, auf deren Bezug der Lehrling keinen Anspruch hat, welche vielmehr den Charakter von Ge⸗ schenken tragen, können als Lohn nicht gelten, auch wenn sie in gewissen Zeiträumen wiederkehrend gegeben werden.
Die Nr. 5 der Sonderausgabe der „Amtlichen Nachrichten des Reichs⸗Versicherungsamts, Inva⸗ liditäts⸗ und Altersversicherung“, vom 1. März d. J. enthält folgende bemerkenswerthe Revisionsentschei⸗ dungen:
Nach § 9 Absatz 3 des Inrvaliditäts⸗ und Alters⸗ versicherungsgesetzes, welcher nur von der Unfähigkeit, Lohnarbeit zu verrichten, spricht, nicht aber von der Un⸗ fähigkeit, die bisher ausgeführte Lohnarbeit weiter zu ver⸗ richten (Berufsinvalidität), muß davon ausgegangen werden, daß der Anspruch auf Invalidenrente nur dann begründet ist, wenn der Versicherte nicht nur in seinem Beruf, sondern überhaupt durch irgend welche seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechende Lohn⸗ arbeit den a. a. O. näher bestimmten Lohnbetrag nicht mehr zu verdienen vermag. Bei Prüfung dieser Frage sind aller⸗ dings die individuellen Kräfte und Fähigkeiten insofern nicht ohne Bedeutung, als es nicht angehen würde, den Rentenbewerber auf eine Thätigkeit zu verweisen, die er mit den ihm zu Gebote stehenden Kräften und Fähig⸗ keiten zu leisten offenbar außer stande ist.
Unter der „dauernden“ Erwerbsunfähigkeit des § 9 Abs. 3 a. a. O. kann nur eine solche verstanden werden, deren Beseitigung in absehbarer Zeit nach menschlicher Vor⸗ aussicht nicht möglich ist. Dies ist nicht angenommen worden in einem Falle, wo erwiesenermaßen der Gebrauch eines der ge⸗ wöhnlichsten Heil⸗ und Hilfsmittel — eines Bruchbandes — die sichere Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit ver⸗ sprach. Auch konnte der Umstand, daß die Versicherungs⸗ anstalt in diesem Falle ihrerseits die Einleitung des im § 12. des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes vorgesehenen Heilverfahrens abgelehnt hatte, nicht die Wirkung haben, daß ihr nun die Gewährung der Invalidenrente zur Last fiele; denn die Uebernahme jenes vorbeugenden Heil⸗ verfahrens ist nur ein Recht, nicht eine Pflicht der Ver⸗ sicherungsanstalten.
Bei Festsetzung der Invalidenrenten während der Uebergangszeit dürfen im Gegensatz zu den Alters⸗ renten nur die Steigerungssätze, welche sich aus der unter die Herrschaft des Gesetzes fallenden Versicherung ergeben, zu Grunde gelegt werden. Für die vorgesetzliche Wartezeit kommen Steigerungssätze nicht in Anrechnung.
Der Saisonarbeiter, welcher im Laufe des Jahres 1890 sein Arbeitsverhältniß zu einem bestimmten Arbeitgeber unterbrochen hat, um es im Jahre 1891 wieder aufzunehmen, ist berechtigt, vom 1. Januar 1891 ab jenes Ver⸗ hältniß durch Beitragsleistung gemäß § 119 des In⸗ validitäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes aufrecht zu er⸗ halten. Die in einem solchen Falle geleisteten Beiträge sind auch auf die Pflichtzeit des § 156 g. a. O. anzurechnen.
Der § 156 des Indvaliditäts⸗ und Altersversicherungs⸗ gesetzes hat auch auf die vorübergehende Invalidität des § 10 a. a. O. an sich Anwendung zu finden, und sind auf die nach dem ersterwähnten Gesetzesparagraphen zurückzulegende einjährige Pflichtzeit auch Krankheiten, ins⸗ besondere also auch diejenige Krankheit, infolge deren der Rentenbewerber eben erwerbsunfähig im Sinne des § 10. a. a. O. geworden ist, anzurechnen.
Vorlegung einer Arbeitsbescheinigung, welche sich der Kläger nach rechtskräftiger Ablehnung seines Rentenanspruchs von dem Magistrat gemäß § 161 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes hatte ausstellen lassen, konnte die rehhee des Verfahrens gemäß § 82 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes und § 543 Nr. 7 b der Civil⸗Prozeßordnung zu Gunsten des Klägers nicht rechtfertigen, weil nach dieser Be⸗ stimmung die Urkunde, welche die Partei „auffindet“ oder „zu benutzen in den Stand gesetzt wird“, zur Zeit des Erlasses der rechtskräftigen Entscheidung vorhanden gewesen sein muß. Solche Urkunden, welche sich die unterlegene Partei nur zum Zwecke der Begründung der Wiederaufnahme nach⸗ träglich beschafft hat, sind nicht geeignet, die erneute Erörterung der Sache herbeizuführen. ö
Der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten hat „Vorschriften über die Benutzung und bauliche Unterhaltung der Dienstgehöfte der Staats⸗Forst⸗ verwaltung“ zusammenstellen lassen, die vom 1. April 1893 ab in Anwendung gebracht werden sollen. Allen Forstbeamten, die sich im Genuß einer Dienstwohnung befinden oder später eine solche erhalten, ist ein Exemplar dieser Vorschriften zur Beachtung und Aufbewahrung als Inventarienstück aus⸗ gehändigt worden.
Der neuernannte Regierungs⸗Assessor Winterfeldt aus Wiesbaden ist bis auf weiteres dem Landrath des Kreises Greifenhagen, im Regierungsbezirk Stettin, zur Hilfeleistung
“
in den landräthlichen Geschäften zugetheilt worden.
Hannover, 2. März. Der Provinzial⸗Landtag besprach in seiner heutigen Sitzung zunächst den Bericht über die Ergebnisse der Provinzialverwaltung für das Jahr 1891/92 und überwies sodann ein die zweite Revision der Gebäude⸗ steuerveranlagung betreffendes Schreiben des Ober⸗Präsidenten, worin ein Gutachten verlangt wird, ob die als Normalstädte aufgeführten Städte noch als solche geeignet seien oder auch noch andere Städte, und wonach sich der Landtag auch dar⸗ über äußern solle, ob besondere provinzielle, bei der dies⸗ maligen Revision der Gebäudesteuerveranlagung zu beachtende Einschätzungsmerkmale anzugeben seien, an eine Commission von 7 Mitgliedern.
Bayern. “
Die Commission für die Revision des Lehrer⸗ bildungs⸗Normativs erörterte in ihren beiden Sitzungen vom 1. d. M. eingehend die Frage, ob eine Verlängerung der Lernzeit, speciell die Einfügung eines IV. Curses an den Präparandenschulen, als nöthig zu erachten sei, und ob eine weitere Sprache, im besonderen das Lateinische, in den Lehr⸗ plan der Lehrerbildungs⸗Anstalten Aufnahme finden solle.
Sachsen.
Seine Majestät der König wird sich dem „Dr. J.“ zu⸗ folge am Sonntag Abend, Ihre Majestät die Königin am Montag Abend zu mehrtägigem Aufenthalt nach Leipzig be⸗ geben. Am Montag Mittag findet dort auf dem Augustus⸗ platz eine Aufstellung der Garnison und am Abend vor dem Königlichen Palais ein Fackelzug des Leipziger Feuerwehrverbandes statt. Seine Kaiserliche und Königliche. Hoheit der Großherzog von Toscana hat sich heute von Dresden zum Besuch Seiner Majestät des Kaisers nach Berlin begeben, von wo die Rückkehr nach Dresden voraussichtlich am Sonntag stattfinden wird. Am Montag gedenkt der Großherzog sodann die Reise nach München fortzusetzen. 5 1
Baden.
Ihre Königliche Hoheit die Kronprinzessin Schweden und Norwegen ist laut Meldung des „W. T. B. gestern Nachmittag von Karlsruhe nach Italien abgereist. Nach kurzem Verweilen in Rom wird Ihre Königliche Hoheit sich zu längerem Aufenthalt nach Amalfi begeben. Das Be⸗ finden der Kronprinzessin ist sehr befriedigend.
Suchsen⸗Coburg⸗Gotha.
Der Landtag des Herzogthums Coburg ist gestern in Coburg, der des Herzogthums Gotha gestern in Gotha zusammengetreten. Die Aufgabe beider Landtage ist zunächst die Prüfung der Wahlen der Abgeordneten, worauf dann die förmliche Eröffnung und Constituirung erfolgtt.
Reuß j. L. Der Landtag ist der ‚„Leipz. Zeitg.“ zufolge zur Be⸗ rathung von einigen dringenden Vorlagen auf Montag, den 13. März, einberufen worden.
Elsaß⸗Lothringen.
Der Landesausschuß beendigte in seiner Sitzung vom 1. d. M. die zweite Lesung des Etats der Forstverwaltung, der den Commissionsanträgen gemäß angenommen wurde. Der in der vorigen Sitzung angekündigte Antrag Klein auf Be⸗ willigung von 10 000 ℳ zum Ankauf von Torfstreu wurde trotz Befürwortung durch die Abgg. Gunzert und Köchlin abgelehnt. Die Vorlage über Errichtung von Spar⸗ und Darlehnskassen mit Gemeindebürgschaft wurde einer Commission von fünfzehn Mitgliedern über⸗ wiesen. In seiner Einleitungsrede betonte Unter⸗Staatssecretär von Schraut das stetige Wachsen der Spareinlagen und die daraus hervorgehende Nothwendigkeit einer Entlastung der Depositenverwaltung durch die facultative Einrichtung von Communal⸗Sparkassen: zugleich erklärte er die Bereitwilligkeit der Regierung, zu einer Codification der Sparkassengesetzgebung, falls sie gewuͤnscht werden sollte, mitzuwirken. Von sämmt⸗ lichen Rednern wurde der Entwurf auf das anerkennendste begrüßt. Daneben forderte der Abg. C. Schlumberger dringend eine Abänderung der bestehenden Gesetzgebung über die bereis vorhandenen Sparkassen, vor allem eine Erhöhung des Marximal⸗Einlagebetrages und die Abschaffung der Festsetzung eines dn eee für einmalige Einlagen. In seinem Schlußwort hob Unter⸗Staatssecretär von Schraut hervor, daß die Regierung in Uebereinstimmung mit den meisten der Redner die Raiff⸗ eisen'schen Darlehnskassen als eine überaus segensreiche Ein⸗ richtung anerkenne, und zerstreute die Befürchtung einer für sie schädlichen Concurrenz der neu zu gründenden Communal⸗
sparkassen durch den Hinweis darauf, daß die letzteren nur für
Gemeinden von mindestens 25000 ℳ Jahreseinkommen be⸗ stimmt sind, während das natürliche Operationsfeld der Raiff⸗
eisen'schen Kassen die kleineren Gemeinden bilden.
Oesterreich Ungarn. Wie von „W. T. B.“ aus Territet gemeldet wird, be⸗ suchten der Kaiser und die Kaiserin gestern das Schloß Chillon und machten dann zu Schiff einen. Ausflug in die Umgegend.
Der Prinz Ferdinand von Sachsen⸗Coburg ist gestern Abend von Wien nach Sofia abgereist.
Im österreichischen Abgeordnetenhause begründete gestern im Laufe der Berathung über das Budget der Handels⸗ Minister Marquis de Bacquehem die Verzögerung des Ab⸗ schlusses eines Handelsvertrags mit Serbien haupt⸗ sächlich mit dem Systemwechsel in Serbien. Mit Spanien und Portugal hoffe er ebenfalls in nicht allzu ferner Zeit zu einem Vertragsabschluß zu gelangen. Der 1 krieg mit Rumänien habe aufgehört, der Export habe sich beiderseits gehoben; es sei wünschenswerth, das gegenwärtige Verhältniß in ein vertragsmäßiges umzu⸗ wandeln. In Betreff der deutsch⸗russischen Handelsver⸗ tragsverhandlungen erklärte der Handels⸗Minister, daß er schon seiner Zeit bei der Berathung des österreichisch⸗deutschen Vertrags erklärt habe, daß österreichischerseits ein vertrags⸗ mäßiges Recht auf das Fortbestehen der Differentialität der Getreidezölle nicht bestehe. Der Abgeordnete Doblhamer
brachte sodann eine Interpellation an den Minister
des Innern daruͤber ein, ob er geneigt sei, mit Bayern resp. Deutschland wegen der in Bayern verfügten Grenzsperre in Verhandlung zu treten, damit Ober⸗ Oesterreich in zwei Seuchenrayons getheilt werde, indem das Geruücht, daß in ganz Ober⸗Oesterreich die Lungenseuche herrsche, unbegründet sei.
Die Bischofsconferenz in Budapest beschäftigte sich der „Wien. Ztg.“ zufolge in ihrer vorgestrigen Sitzung mit der Frage, zu welcher Confession die aus gemischten Ehen stammenden Kinder gehören sollen, und gestern mit der Civil⸗ ehe, gegen deren Einführung die Mitglieder der Conferenz sich entschieden aussprachen.
Großbritannien und Irland.
Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich traf gestern Nachmittag, wie „W. T. B.“ meldet, mit der Prinzessin Heinrich von Battenberg in Grantham ein. Die außerordent⸗ lich zahlreich versammelte Menschenmenge begrüßte die Kaiserin mit enthusiastischen Zurufen. Ihre Majestät und die Prin⸗ zessin begaben sich von dort aus zu Wagen nach dem Schlosse Belvoir zum Besuche des Herzogs von Rutland.
Das Oberhaus nahm gestern die erste Lesung der vom Bischof von Chester beantragten, auf dem Gothenburger System beruhenden Bill über den Kleinhandel mit geistigen Getränken an. Der Lord⸗Präsident des Ge⸗ heimen Rathes Earl of Kimberley erklärte, die Vorlage scheine eine der besten Methoden zur Behandlung des Gegen⸗ standes zu bieten, er wolle indeß den Wortlaut der Vorlage abwarten, ehe er endgültig über die Bill und deren Einzel⸗ heiten urtheile, obschon das Project eine Erleichterung des be⸗ stehenden Uebels zu verheißen scheine.
Das Armeebudget für 1893/94 ist vorgestern ver⸗
öffentlicht worden. Der Voranschlag beträgt 17 802 900 Pfd. Sterl., 171 600 Pfd. Sterl. mehr als für das am 1. April ablaufende Finanzjahr. Die Mehrforderung wird durch die größere Bereitwilligkeit begründet, mit der sich Rekruten der Armee und der Miliz anwerben lassen, daher für deren Be⸗
soldung eine größere Summe ales früher angesetzt werden mußte.
In Belfast fand gestern, dem „W. T. B.“ zufolge, eine große Kundgebung gegen die Homerulebill statt, bei der die Bilder Gladstone's und Morley's verbrannt wurden. Später wurde im Ulster⸗Saal eine große Versammlung ab⸗ gehalten und eine Resolution angenommen, worin erklärt
wird, daß die Loyalisten dem Parlament für Dublin keinen
Gehorsam leisten und keine Steuern zahlen würden.
Frankreich.
In dem gestern abgehaltenen Ministerrath theilte nach einer Meldung des „W. T. B.“ der Marine⸗Minister Rieu⸗ nier eine Depesche des Generals Dodds mit, welcher der Ansicht ist, daß, so lange König Behanzin nicht vollständig beseitigt sei, in dahomey noch 15 Compagnien, worunter sieben europaͤische, stationirt bleiben müßten. General Dodds glaubt, daß die dahomeyische Frage erst im Oktober nach der großen Regenzeit endgültig gelöst werden könne, dann werde man die Truppen erheblich vermindern können, und die Kosten für die militärische Occupation würden fünf Millionen nicht über⸗ steigen. Im Senat hat gestern die Regierung eine Vorlage ein⸗ gebracht, worin für die Besetzung von Dahomeny ein Credit in Höhe von 6 230 000 Fr. gefordert wird.
In der Deputirtenkammer erklärte gestern auf eine an ihn gerichtete Anfrage der Justiz⸗Minister Bourgeois, er wisse nicht, auf welche Weise der „Figaro“ in den Besitz der neuerdings von ihm veröffentlichten Schriftstücke (Siehe Nr. 52 des „R.⸗ u. St.⸗A.“ vom 1. d. M.) gelangt sei. Der „Figaro“ werde dem Gesetz gemäß zur gericht ichen Ver⸗ folgung gezogen werden. Die Kammer begann darauf die erathung des Gesetzentwurfs über die Liqui⸗ dation der Panama⸗Gesellschaft, der bezweckt, alle Betheiligten durch einen gerichtlich ernannten Mandatar bei jeder die Interessen der Actionäre und Inhaber von
Obligationen berührenden Klage vertreten zu lassen. Nachdem,
mehrere Artikel unter Annahme verschiedener von der Re gierung gewünschter Aenderungen, darunter derjenigen, wonach das Gesetz nur auf die Inhaber von Panama⸗Obligationen anwendbar sein soll, genehmigt worden waren, wurde die Fort⸗ setzung der Berathung auf Sonnabend vertagt. — Niach dem Cadre-Gesetzentwurf des früheren Kriegs⸗ Ministers de Freycinet sollten den Cavallerie⸗Regimentern ver⸗ schiedene Offizier⸗Etats gegeben werden, je nachdem sie als Corps⸗Cavallerie oder in den selbständigen Cavallerie⸗Divisionen verwandt werden sollten. Der General Loizillon theilt diese Ansicht nicht und will alle Regimenter auf gleichen Fuß setzen. Der Etat umfaßt demnach 1 Obersten, 1 Oberst⸗Lieutenant, 2 Chefs d Escadron, 1 Major und 40 Subalternoffiziere. Die Militär⸗ commission wünscht noch je einen
Linie zur Verfügung zu haben.
Oberst; Lieutenant. dem Regiment hinzuzufügen, um die genügende Anzahl von
Commandeuren für Reserveformationen ohne Schädigung der Von den 91 Regimentern, welche die französische Reiterei im Frieden zählen soll, sind noch das 14. Cürassier⸗, das 31. und das 32. Dragoner⸗ und das 14. Husaren⸗Regiment zu bilden. 6 161
Italien. 8—
Der König empfing gestern Nachmittag den deutschen Botschafter Grafen Solms in Audienz.
Der Papst, der gestern sein 83. Lebensjahr vollendete, begab sich zur Entgegennahme der Glückwünsche des Cardinal⸗ Collegiums nach dem Thronsaale. Der Cardinal Monaco La Valetta gab den Glückwünschen der im Saale versammelten Cardinäle Ausdruck. Der Papst antwortete hierauf, indem er in herzlichen Worten der glänzenden Festlichkeiten gedachte, die aus Anlaß seines Bischofs⸗Jubiläums namentlich in Rom begangen worden seien. Der Papst fuhr sodann fort, dies lasse den Ruhm der Kirche hervortreten und erwecke glücklicherweise neue Hoffnungen. Inmitten socialer Ent⸗ täuschungen dränge der Instinct das Volk, sich zum gemein⸗ samen Heil im Schoß der Kirche eng aneinander zu schließen, wo es Rettung finde, und an diesem Grundstein festzuhalten, ohne den es weder eine Gerechtigkeit, noch eine Grundlage
der Ordnung gebe.
Luxemburg.
Seine Königliche Hoheit der Erbgroßherzog hat sich, wie amtlich in Luxemburg mitgetheilt worden ist, mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Maria Anna von Braganza verlobt. (Der Erbgroßherzog Wilhelm, einziger Sohn des regierenden Großherzogs und der Großherzogin Adelheid, geborenen Prinzessin von Anhalt, ist geboren am 22. April 1852; die Prinzessin Maria Anna, geboren am 13. Juli 1861, ist die fünfte Tochter des am 14. November 1866 verstorbenen Prinzen Miguel von Braganza und der Prinzessin Adelheid, geborenen Prinzessin von Löwenstein⸗ Wertheim⸗Rosenberg.)
. Rumänien.
Nach den Gerüchten, die, wie „W. T. B.“ meldet, gestern in Deputirtenkreisen verbreitet waren, hätte der Primas von Rumänien aus Gesundheitsrücksichten um seine Ent⸗ lassung gebeten.
Serbien.
Der serbische Gesandte in Konstantinopel, General Gruitsch, ist auf telegraphischem Wege pensionirt worden. Der „Frkf. Ztg.“ zufolge wäre die Pensionirung erfolgt, weil der General Gruitsch sich geweigert hätte, auf die ihm von dem radicalen Comité angebotene Candidatur für die Skupschtina zu verzichten. In den Kreisen der Radicalen hat dem „W. T. B.“ zufolge dieser Schritt der Regierung um so mehr Bestürzung hervorgerufen, als unmittelbar vorher das Gerücht einer Ministerkrisis verbreitet war, dessen Unrichtigkeit sich allerdings baldigst herausstellte.
Nach der „Wien. Ztg.“ waren am vergangenen Dienstag die Commandanten der serbischen Garnisonen zu einer Conferenz in Belgrad zusammengetreten. Man bringt dies dem genannten Blatt zufolge mit den radicalen Drohungen einer bewaffneten Auflehnung am Wahltage in Verbindung, denen die Regierung entschlossen zu sein scheint, mit allem Aufgebot entgegenzutreten.
Dänemark.
Das Folkething hat gestern, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, mit 69 gegen 17 Stimmen das gesammte Zudget genehmigt. “.“
Amerika.
Cleveland, der Lakewood gestern Mittag verlassen hatte, traf Abends 6 ½ Uhr in Washington ein, wo er, wie „W. T. B.“ berichtet, enthusiastisch empfangen wurde; bei der Abreise von Lakewood hatten sich gegen 2500 Damen zur Berabschiedung eingefunden.
Nach einer Meldung der „Times“ aus Philadelphia hat der Senat das Amendement, wegen Emission von 3 pro⸗ centigen Obligationen zurückgezogen; das gegenwärtige Gesetz ermächtigt zur Emission von 4 procentigen Obligationen, welche die neue Verwaltung wahrscheinlich bald vornehmen wird. “ “ L
Parlamentarische Nachrichten.
Deutscher Reichstag. 9
„Der Bericht über die 56. Sitzung vom 2. März befindet sich in der Ersten Beilage.
.57. Sitzung vom Freitag, 3. März, 1 Uhr. 1 Der Sitzung wohnen bei die Staatssecretäre Dr. von Boetticher, Dr. von Stephan und Freiherr von Mar schall, sowie der Königlich bayerische Bevollmächtigte zum Bundesrath, General⸗Major Ritter von Haag. 8 Auf der Tagesordnung steht die Berathung des Etats der Post⸗ und Telegraphenverwaltung.
Zur Discussion werden zunächst die fortdauernden Aus⸗ gaben gestellt, welche die Budgetcommission unverändert zu bewilligen vorschlägt. 1
Beim Titel: „Staatssccretär 24 000 ℳ“ weist Referent Abg. Dr. B uhl (nl.) darauf hin, daß angesichts der Finanzlage des Reichs eine Vermehrung von Beamten nur in sehr bescheidenem Umfange stattgefunden habe. Er empfiehlt ferner dem Hause die Annahme folgender von der Commission vorgeschlagenen Refolution: 8
Den Reichskanzler zu ersuchen, die Ausdehnung des Systems der Dienstaltersstufen auf die Unterbeamten der Reichs⸗Post⸗ und
ETelegraphenverwaltung ohne Schädigung derselben in ihren Be⸗
zügen wiederholt in Erwägung zu ziehen.
Endlich berichtet der Referent über die Verhandlungen der Commission über die neuesten Schritte der Verwaltung gegen den Postassistenten verband. Die Vertreter der Postverwaltung hätten die Vorwürfe, wwelche namentlich gegen den Ober⸗Postdirector in Düsseldorf aus Anlaß dieser Mäßnahme gegen den Verband erhoben worden seien, als unbegründet zurückgewiesen. Die Commission habe indessen Nach⸗ drxuck darauf legen zu müssen gegläubt daß auch den Postbeamten die Rechte aller Staatsbürger gewahrt bleiben müßten und daß die Post⸗ verwaltung in Maßregelungen nicht zu weit gehen dürfe.
1 Abg. S chmidt⸗Elberfeld (dfr.) befürwortet eine Erhöhung des Meistgewichts für den einfachen Brief von 15 auf 20 g, wie sie in Oesterreich schon bestehe. Die jetzige Entwichelung der Technik in der Herstellung des Papiers führe dazu, das Papier immer schwerer zu machen, sodaß es namentlich für Kaufleute immer mehr zur Un⸗
möglichkeit werde, noch einfache Briefe von 15 g Meistgewicht zu versenden. — .
Bei Schluß des Blattes nimmt der Staatssecretär Dr. von Stephan das Wort.
“
8 n Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
Der Bericht über die gestrige Sitzung beft der Ersten Beilage.
44. Sitzung vom 3. März.
Der Sitzung wohnt der Minister für Handel und Ge⸗ werbe Freiherr von Berlepsch bei.
Auf der Tagesordnung steht der Etat der Berg⸗, Hütten⸗ und Salinenverwaltung.
Beim ersten Titel der Einnahmen der Bergwerke, 93 533 860 ℳ für Producte, giebt
Abg. Dr. Schultz⸗Bochum (nl.) zunächst eine Uebersicht über die zahlenmäßige Gestaltung des Etats und weist nach, daß die Fördermengen für den Kopf der Belegschaft erheblich zurückgegangen seien, von 1888, bis 1891 an der Ruhr um 14,7 und an der Saar um 11,2 %. Daß die Abnahme der Fördermenge auch im Jahre 1892 angedauert habe, zeige die Uebersicht der Betriebsergebnisse, die eine Abnahme um 4 % in den ersten drei Quartalen nachwiesen. Eine kleine Steigerung im vierten Quartal sei durch das erste Quartal 1893 wieder ausgeglichen. Dieser Rückgang sei nicht dem mangelhaften Eifer der Bergleute allein zuzuschreiben; die Ursache liege auch in der Anstellung ungeübter Arbeiter und in den Versuchen mit neuen Abbauverfahren. Aber man könne die Annahme nicht zurückdrängen, daß seit dem großen Ausstand ein Rückgang des Arbeitseifers der Bergleute eingetreten sei. Ein Rückgang um mehr als 17 % bedeute den Verlust von 50 Ar⸗ beitstagen pro Kopf. Wenn die Schichtdauer auf 8 Stunden ein⸗ schließlich Ein⸗ und Ausfahrt beschränkt werde, würden die Leistungen der Arbeiter noch weiter vermindert werden. Das falle für unser von der Natur nicht besonders gut ausgestattetes Land sehr ins Gewicht; denn unsere Kraft beruhe auf der Arbeit unserer Männer. Wenn neben dieser Abnahme der Production sich eine Steigerung der Löhne bemerkbar mache, so werde der Betrieb dadurch naturgemäß sehr er⸗ heblich vertheuert. Wenn man den noch weiter gehenden Forderungen der Bergleute nachgebe, dann werde eine der ergiebigsten Einnahme⸗ quellen des Landes zum Versiegen gebracht werden. Auch die Land⸗ wirthschaft des Ostens sei an dieser Frage interessirt. Denn da trotz der sinkenden Arbeitsleistungen des Einzelnen die Production vermehrt worden sei, so sei dies nur möglich gewesen durch die Zuziehung einer größeren Arbeiterzahl aus dem Osten. Bei gleicher Leistung wie früher hätten 25 000 Arbeiter weniger als jetzt die Production des Jahres 1892 bewältigen können. Die Socialdemokratie betrachte mit kluger Berechnung gerade die Kohlenbergwerke als ihr Versuchsfeld; denn die Kohle sei die Vorbedingung aller wirthschaftlichen Thätig⸗ keit. Den Kohlenbergbau beherrschen und ihn zeitweise still zu setzen, heiße die Hauptschlagader des wirthschaftlichen Lebens unterbinden. Ihre Pläne seien den Socialdemokraten nur zu gut gelungen: der Contractbruch und die Bedrohung ihrer arbeitswilligen Kameraden sei aus dieser Saat hervorgegangen. Dieser Verführung der Bergleute müsse entgegengetreten werden. Redner empfiehlt die Einführung einer Lehrlingszeit für die Bergleute und die Einrichtung von Fort bildungsschulen. Man dürfe hoffen, daß es gelingen werde, dem Bergbau über die bevorstehenden Schwierigkeiten hinwegzuhelfen durch das Wachsen und Erstarken des Pflichtbewußtseins bei allen Theilen.
Abg. Vope lius (freicons.) kommt auf die Nothstandsdebatte im Reichstag zurück, worin auch die Saarbrücker Verhältnisse gestreift worden seien. Im Saarbrücker Revier seien keine Socialdemokraten in erheblichem Maße vorhanden gewesen; es hätten dort die besten Verhältnisse zwischen Arbeitern und Arbeitgebern bestanden. Um allen Verführungen vorzubeugen, hätten sich die Arbeitgeber vereinigt und die Bestimmung getroffen, daß kein Arbeiter geduldet werden solle, der sich socialdemokratisch⸗agitatorisch bethätige, social⸗ demokratische Blätter halte oder verbreite. Arbeiter, die deswegen entlassen seien, sollten auf keinem anderen Werk angenommen werden. Diese allerdings hart erscheinenden Vorschriften hätten die besten Wirkungen gehabt. Früher hätten sich die Königlichen Bergwerke dieser Vereinigung angeschlossen. Nach Erlaß des Socialisten gesetzes seien die Königlichen Werke von dieser Ver⸗ einbarung zurückgetreten, weil das Socialistengesetz genüge. Der Rechtsschutzverein, dem die Bergleute jetzt angehörten, sei die Wurzel alles Uebels. Seine Führer seien Socialisten; wenn der Verein Hunderte, ja Tausende von Revolvern verkaufe, dann könne man doch nicht sagen, daß man gegen das Coalitionsrecht der Arbeiter vorgehe, wenn man gegen diesen Verein einschreite. Er möchte den Minister bitten, die Stellung der Regierung zu diesem Verein darzu⸗ legen. 1 Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch: Einem Verein gegenüber, der sich die Aufgabe gestellt hat, das Ver⸗ hältniß zwischen Verwaltung und Arbeitern zu trüben, hält die Re⸗ gierung sich für berechtigt, in der Weise vorzugehen, daß sie von ihren Arbeitern den Austritt aus diesem Verein verlangt. Die Regierung will damit dem Coalitionsrecht der Arbeiter nicht zu nahe treten. Eine’ wesentliche Aenderung der Staatsregierung gegenüber den socialdemokratischen Bestrebungen hat überhaupt nicht statt⸗ gefunden. Es war von jeher Grundsatz der Staats⸗ verwaltung, daß Angehörige einer Partei, deren Ziel die Zerstörung des Staats ist, nicht in die Staatsbetriebe hineingehören. Socialdemo kratische Agitatoren sind aus der Arbeit entlassen worden, ebenso auch die⸗ jenigen, welche, ohne sich zur Socialdemokratie zu bekennen, ihre Auf⸗ gabe darin suchen, das Verhältniß zwischen den Arbeitern und der Verwaltung zu trüben und die Arbeiter zu verhetzen. Dem Rechtsschutzverein gegenüber hat die Verwaltung nicht eine principielle, sondern eine taktische Stellung eingenommen. Sie hat deshalb nicht das Verbot der Zugehörigkeit zu diesem Rechts⸗ schutverein ausgesprochen, weil sie damit nicht das mindeste Wirksame erreichen würde. Die Organisation des Vereins würde durch dieses Verbot nicht zerstört werden. Die eigentlichen Führer, die sämmtlichen Vorstandsmitglieder des Vereins, gehören schon heute nicht mehr zur Beleg⸗ schaft der Königlichen Gruben; sie sind entlassen worden. Außerdem würde eine Auflösung des Vereins infolge des Verbots der Zugebörigkeit nicht erfolgen. Die Arbeiter würden ihm im Geheimen angehboͤren, oder es würde sich sofort ein neuer Verein bilden, wiederum mit dem⸗ selben harmlosen Statut wie der alte, und nach und nach in dasselbe Fahrwasser hineinkommen wie der heutige Rechtsschutzverein. Es ist auch nächt richtig, daß sämmtliche Arbeiter der Privatindustrie des Saargebiets diesem Verein sich nicht angeschlossen haben, sondern nur die fiskalischen Arbeiter. Es handelt sich nicht um den Unterschied zwischen staatlichen und Privatarbeitern, sondern um den Unterschied zwischen Berg⸗ arbeitern und Hüttenarbeitern. Kein Hüttenarbeiter hat sich dem Strike angeschlossen, während die Bergarbeiter strikten. In Oberschlesien war dieselbe Erscheinung. In Saarbrücken die Arbeiter unter Tage im Strike, die Arbeiter über Tage nicht ein Mann im Strike! G kommt eben darauf an, in welchem Solidaritätsgesühl die Arbeiter sch untereinander befinden. Die Staatsregierung bält daran fest, daß ie an sich einen Arbeiter auf sein politisches Glaubensbekenntniß nicht untersucht, wenn er sich aber an friedenstoͤrenden Agitationen de⸗ theiligt, ihn aus der Arbeit entläßt.
Abg. Im Walle (Centr.) ist mit dem Minister in Bezug auf die Arbeiterfrage einverstanden, kommt aber trotz der gestrigen Ad⸗ mahnung des Grafen Kanitz auf die Kohlenverkaufsvereinigung zurüͤck. Man kann nicht warten; denn wir steben schon vor einer eminenten Gefahr, die schon in dem Zustandekommen der Vereinigung kegt. Sie will die Kohlenlieferungen vergeben, die Preise reguliren und die
8 N
— 8 82 gcäeire 9 1 Förderung festsetzen.
Der Abg. Schultz⸗Bochum hat recht, daß es
gefährlich ist, wenn jemand die Schlagader des wirthschaftlichen
Lebens, die Kohlenförderung beherrscht. as gilt aber auch von der Kohlenverkaufsvereinigung; sie kann auch die wirthschaftliche Existenz des Staats in Frage stecln. Das Bestehen einer Gesellschaft, die in der Lage ist, eine solche Herrschaft auszuüben, ist eine Gefahr. Wenn der Kupferring auch verkracht ist, so hat er doch zu krampfhaften Störungen des wirthschaftlichen Lebens geführt. Schon vor dem Be⸗ stehen des Kohlensyndikats wurden so hohe Preise gefordert, daß füd⸗ deutsche Bahnverwaltungen sich gar nicht darauf einließen. Was soll erst kommen, wenn das Syndikat besteht! Hat das Kokssyndikat nicht ein schlimmes Beispiel gegeben? Hat es nicht an das Ausland billiger verkauft als an das Inland? Die Absicht der Vereinigung geht jetzt dahin, da, wo Zechen vorhanden sind, die billiger Kohlen liefern wollen, diese zu unterbieten und sie dadurch zum Beitritt zur Vereinigung zu zwingen. Was kann der Private gegen eine solche Coalition der mächtigen Zechen machen? Der Minister kann moderirend einwirken, wie er es früher den Preis⸗ steigerungen gegenüber gethan hat, wenn er den Königlichen Werken aufträgt, die Preise nicht so erheblich zu steigern.
Abg. Schmieding (nl.): Ich bin in dieser Beziehung anderer Ansicht als der Vorredner. Die Bergwerksverwaltung in Saarbrücken beherrscht in viel stärkerer Weise den Bergbau an der Saar, als dies im Ruhrgebiet der Fall sein wird unter der Kohlenverkaufsvereinigung. Die Preise in Saarbrückén sind immer 25 — 30 % höher gewesen als in Westfalen, sodaß man den Saarbrücker Werken den Vorwurf gemacht hat, daß sie einen verderblichen Kohlenring bildeten. Man stellt sich immer auf den Standpunkt der Consumenten und hängt diesem noch das Mäntelchen des preußischen Steuerzahlers um; dann hat man gewonnenes Spiel; denn die Consumenten sind immer den Producenten gegenüber in der Mehrheit, aber nur immer bet einer bestimmten Waare, während es eigentlich gar keinen reinen Con⸗ sumenten giebt, denn jeder Consument ist auch Producent anderer Waare. Wie kommt man dazu, den Leitern der Kohlenverkaufs⸗ vereinigung die Absicht unterzulegen, die Preise künstlich zu steigern? Die Ringe sollen das Publikum ausbeuten durch starke Preisschwankungen, während die Vereinigung nur einen stetigen Preis aufrecht erhalten und die Production regeln will; das wird nicht bloß von Männern der Praxis, sondern auch von der Wissenschaft gebilligt. Redner beruft sich auf einen Ausspruch von Lujo Brentano. Fin solches Vorgehen liegt auch im Interesse der Arbeiter; haben doch die Arbeiter in England einen Strike zu dem Zwecke begonnen, um die Production einzuschränken und dem Arbeiter wieder bessere Löhne zu verschaffen. Denn das Correlat von Schleuder⸗ preisen sind Hungerlöhne. Die Verhinderung der Schleuderpreise durch Coalition ist das beste Mittel gegen Strikes. Daß die Staats⸗ bahnverwaltung benachtheiligt werden könnte, braucht der Abg. Broemel nicht zu besorgen; der kapitalkräftige Ring der Staatsbahnen kann jede Unzuträglichkeit von sich abhalten. Für die Marine war es ja kauf⸗ männisch vielleicht richtig, die englische Offerte statt der deutschen anzunehmen. Die englischen Offerten waren niedriger, weil die Wasserfracht nach Kiel hal billig ist, als die Landfracht von Westfalen na Aber volkswirthschaftlich war die Bevorzugung des Auslande richtig: der preußischen Eisenbahnverwaltung ist jedenfalls dadure ein Frachtbetrag von mehr als hunderttausend Mark verloren ge gangen. Die Saarbrücker Werke nehmen heute noch höhere Preise als die westfälischen. Die Kohlenverkaufsvereinigung hat allerdings die ausgesprochene Absicht, höhere Preise als jetzt zu erzielen. Denn man kann durchaus nicht sagen, daß die Verzinsung der Bergwerke in früherer Zeit eine übermäßige war.
Abg. Graf Kanitz (cons.): Der Abg. Broemel steht doch sonft auf dem Standpunkt des reinen Manchesterthums, warum wird dieser den Kohlenzechen gegenüber verlassen? Man muß doch erst abwarten, ob etwas böses geschieht. Dem Kohlenringe lege ich eine sehr große Bedeutung bei; die Frage muß sorgfältig geprüft werden. Die Thätigkeit des Kokesyndikats habe ich durchaus mis⸗ billigt. Ob diese Mißstände sich bei der Kohlenvereinigung wiederholen, wird abzuwarten sein. Von den Kohlenpreisen hängt das Wohl und Wehe der deutschen Industrie ab. se F ist mindestens ebenso wichtig wie die Handelsverträge. ie Arbeitslöhne im Kohlenrevier haben die Arbeitslöhne überall und das Zuströmen der Arbeiter nach dem Westen befördert. Verhältnisse auf dem Kohlenmarkt befinden sich augenblicklich in eine heillosen Verwirrung. Als Productionskosten für eine Tonne Kohlen kann man durchschnittlich 7 % annehmen, für große Werke, die natürlich billiger arbeiten, 5 ℳ und noch etwas niedriger. Der Absatz ist etwas ins Stocken gerathen; die Zahl der Arbeiter sich vermehrt, das Productionsquantum für den Einzelnen vermi Die Lage der Kohlenwerke ist also keine angenehme; das zeigt auch der Rückgang der Dividenden sowohl bei den bevorzugten Werkrn. als auch bei andern, die sogar mit Verlust gearbeitet haben. Nach dem Auslande wurden die Kohlen zu Schleuderwreisen verkauft. während diejenigen, welche auf eine bestimmte Zeche ange⸗ wiesen waren, die höchsten Preise bezahlen mußten. Diese Disparits ist bedenklich für das wirthschaftliche Leben. Die Siegerländer Eisen⸗ industrie hat immer ihren Koke mit 12 ℳ bezablen müff 3 nach dem Ausland zu 5 und 6 ℳ verkauft wurde. Sols inx haben die Verkaufsvereine in den Augen des Publikums verdächtig gemacht. Aber bezüglich des Kohlenringes müssen wir erst die Er⸗ fahrungen abwarten. Die belgische Eisenindustrie erwartet vom Kohlenring allerdings seb ße Vortheile, weil sie auf billige Kohlen hofft. ei der tung, die auf dem Kohlenmarkt herrscht, machen die Händler das allerdeste Geschäft. Würde die Er⸗ fahrung mit dem Kokessvndikat sich wiederholen, so mürde ich dieselbe Haltung wie früher einnehmen. Aber erfreulich wäre es menn der Zustand des Kohlenmarktes durch Einwirkung des Kohlenfpudicars cin besserer würde. Aber te Preissteigerung und dillige Ans
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Genossen haben im Haufe Entmurf eines Gesezes be⸗ Fürserge für die Wittmen und dem . Mai 1882. berressern dr beamten, wir in a rt: „War die Wietre mehr als nfpehen Jadre jünger als der Verterdene, so wird das nach Maesgahe der § § und 10 berechnete Wittmwengeld für jedes aaeangeme Jade dos Altersunterschieds üder 15 ber emschläeslich 25 Idee um Be N. kürzt.“ — Die Begründung biemmn lantet: Der § 12 Abr des für die Wittwen und Waden der uamirzabanen Staats⸗ beamten, lautet: „War die Wieene mehbe au mpeha Jahre jünger als der Versterdene, so wird dar nah 8 der §§ § und 10 bexchnete Wittmengeld sun sodod e JFade des Altereunterschiede üder 15 e eerschbzestich 25 um uns 8 2 gekürzt.“ Diese Besß ir dereite dei rx vardnes der da⸗ maligen Gesetentwursg sfeech der der Berathung des Gefetas vam 28. März 18—X bedr den Iriaß der Iremmemn und Wa deiträge der unmitteldaren Stasdeamden. Begenftaed stimmung üderbaupt zam dde gegen de Jabl der 2. unterschied& zam tdeil gren dr Kärsumg;
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