dhsserenns Naemüee,
Drtschaften Schleswig⸗Hol
holsteinischen Ortschaften selbst an Umfang und Bösartigkeit niemals
unter Berücksichtigung des Cursverlustes nur auf 4,12 Proc. stellt. Die Hilfskasse hat seit ihrem Bestehen bis Ende März 1892 im ganzen 4506 Darlehne ausgeliehen, wovon planmäßig ge⸗ tilgt bezw. außerordentlich zurückgezahlt sind 1693 Darlehne, sodaß ausgeliehen verblieben 2813 Darlehne mit zusammen 12 434 802,55 ℳ Innerhalb des Berichtsabschnitts wurden bewilligt 389 Darlehne mit zusammen 3 012 200 ℳ, aus⸗ gezahlt 260 Darlehne mit 1 798 220,68 ℳ Der aus dem Hauptfonds der Hilfskasse abzuführende Reingewinn betrug 92 816,53 ℳ, wovon jedoch 70 684,65 ℳ zur Deckung von Cursverlusten bei dem Verkauf von An⸗ leihescheinen für eigene Zwecke der Hilfskasse ver⸗ wendet werden mußten. An Zinsen für zeitweise benutzte Baarbestände des Landes⸗Hauptfonds wurden 29 643,96 ℳ und an Kosten für die begebenen Anleihescheine 4823,92. ℳ gezahlt. An Anleihescheinen des Privilegs vom 11. Juli 1888 waren am Schluß des Rechnungsjahres 1891/92 begeben 5 600 000 ℳ, der Rest von 4 400 000 ℳ dürfte im Rechnungs⸗ jahre 1892/93, innerhalb dessen die Geschäfte der Hilfskasse einen weiteren “ Aufschwung nehmen, fast ganz begeben werden, sodaß demnächst die Ausgabe von An⸗ leihescheinen auf Grund des Prwwilegs vom 30 Oktober 1892 wird eintreten müssen. Die Reservefonds der Hilfskasse sind auf 452 695,12 ℳ angewachsen, und konnten die aufgekommenen Zinsen mit 15 240,00 ℳ dem Landeshauptfonds als Ver⸗ waltungskostenzuschuß abgeführt werden. Die Darlehne aus der Landescultur⸗Rentenbank sind lediglich zu Drainagen auf Majorate oder Fideicommisse gewährt, und zwar betrugen die ausgeliehenen Darlehne am Schluß des Rechnungsjahres 1891/92 168 159,55 ℳ 1 ö1 Versammlung genehmigte ferner die Bildung eines Tilgungsfonds für die der Hilfskasse durch Verkauf von An⸗ leihescheinen zu Zwecken der baaren Darlehnsauszahlung ent⸗ stehenden Cursverluste. Die Verzinsung und Tilgung der diesem Fonds am Schluß eines jeden Rechnungsjahres zuzu⸗ führenden Beträge erfolgt aus den Mehreinnahmen der Zinsen für die innerhalb dieses Zeitraums gewährten baaren Darlehne. Ferner wurde beschlossen, Seine Maäjestät den Kaiser und König zu bitten, zu genehmigen, daß die Provinz Posen für Zwecke des Provinzial⸗Hilfskassenfonds einen weiteren Betrag von 20 000 000 ℳ Anleihescheine verzinslich zu 3 oder 31% oder 4 Proc. im Bedarfsfalle ausgiebt. 8 Demnächst wurden folgende Spezial⸗Etats für 1893/94 und folgende Jahre berathen und in Einnahme und Ausgabe wie folgt festgestellt: 1) der für die Beamten der Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsanstalt Posen, soweit sie aus Provinzial⸗ fonds besoldet werden, auf 67 346 ℳ Der auszugebende Be⸗ trag wird von der genannten Anstalt erstattet, 2) der für das Landarmen⸗ und Corrigendenwesen auf 384 500 ℳ, darunter 381 795 ℳ Provinzialzuschuß und zwar Land⸗ armenwesen: für die Landarmenpflege 235 495 ℳ, für die Pflegeanstalt in Kosten 41 300 ℳ, für das Landarmenhaus zu Schrimm 17 000 ℳ: Corrigenden⸗ wesen: für das Arbeits⸗ und Landarmenhaus zu Bo⸗ janowo 65 000 ℳ, für das Arbeits⸗ und Landarmenhaus zu Fraustadt 23 000 ℳ, 3) der für das Zwangserziehungswesen auf 101 600 ℳ, darunter 42 022 ℳ Provinzialzuschuß und zwar: zur Unterhaltung der in Familien⸗ und Privatanstalten untergebrachten Zwangszöglinge 16 675 ℳ, zur Unterhaltung der Zwangserziehungsanstalt Schubin 14 333 ℳ, zur Unter⸗ haltung der Zwangserziehungsanstalt Cerekwice 11 015 ℳ, 4) der für die Provinzial⸗Irrenanstalt zu Owinsk auf 350 000 ℳ, darunter 118 000 ℳ Provinzialzuschuß, 5) der für die Provin ial⸗Taubstummen⸗Anstalt Posen auf 93 600 ℳ, darunter 9230 ℳ Provinzialzuschuß, 6) der für die Provinzial⸗Taubstummen⸗Anstalt Schneidemühl auf 62 950 ℳ, darunter 62 400 ℳ Provinzialzuschuß, 7) der für die Pro⸗ vinzial⸗Taubstummen⸗Anstalt Bromberg aun 31 250 ℳ,“ darunter 30 750 ℳ Provinzialzuschuß, 8) der für die Hebammen⸗ Lehranstalt osen auf 21 000 ℳ, darunter 17 500 ℳ Pro⸗ vinzialzuschuß, 9) der für die landwirthschaftliche Winter⸗ chule Fraustadt auf 8500 ℳ, darunter 6680 ℳ Provinzial⸗ zuschuß, 10) der für die Gärtner⸗Lehranstalt Koschmin auf 17 000 ℳ, darunter 12 000 ℳ Provinzialzuschuß. Der Stadt Posen wird zu der Eindeichung gemäß dem staatlicherseits noch zu genehmigenden Project eine Beihilfe von 350 000 ℳ derart gewährt, daß die Provinz diesen Betrag von der aufzunehmenden Anleihe übernimmt, mit höchstens 4 Proc. verzinst und mit 1 Proc. unter Hinzurechnung der ersparten Zinsen tilgt. Dafür übernimmt die Stadt⸗ gemeinde Posen die Verpflichtung, die im Zuge der Posen⸗Thorner Chaussee liegende Brücke über die Cybina nach einem von der Provinzialverwaltung zu genehmigenden Project neu zu bauen und demnaͤchf an die Pro⸗ vinz zur Unterhaltung zu übergeben. Die Zins⸗ und Tilgungsraten werden halbjährlich gezahlt und zwar die erste nach Führung des Nachweises, daß 350 000 ℳ zu Eindeichungs⸗ zwecken seitens der Stadt Posen v8 sind. Dem St. Josephs⸗Stift in Posen für das Kinderhospital sowie für die Pflege armer siecher Frauen werden die Beihilfen von 4000 bezw. 600 ℳ auch für 1893/94 bewilligt, während ver⸗ schiedene andere Gesuche um Gewährung von Beihilfen und Zuschüssen durch Ablehnung bezw. Uebergang zur Tagesordnung erledigt wurden.
In Anerkennung der erfolgreichen Thätigkeit des Landes⸗ hauptmanns und unter Berücksichtigung der stets wachsenden Arbeitslast, wurde ihm vom 1. April 1893 ab eine per⸗ sönliche aber pensionsfähige Gehaltszulage von 3000 ℳ gewährt.
Schleswig, 5. März. Heute Mittag 12 Uhr wurde in der Stadt Schleswig der 27. schleswig⸗holsteinische Pro⸗ vinzial⸗Landtag in Gegenwart von 58 Abgeordneten von dem Ober⸗Präsidenten, Wirklichen Geheimen Rath von Stein⸗ mann mit nachstehender Ansprache eröffnet:
Hochgeehrte Herren!
Bei Ihrem Zusammentreten zum 27. schleswig⸗holsteinischen Provinzial⸗Landtag heiße ich Sie namens der Staatsregierung herzlich willkommen.
Der Rückblick auf das letzte Jahr ist leider kein ungetrübter.
Die Cholera, welche im Sommer in Hamburg zum Ausbruche kam und in ihrem verhängnißvollen Zuge die Nachbarstädte Altona und Wandsbek, sowie verschiedene andere, durch Lage und Verkehrs⸗ beziehungen mit dem großen Elbeschen Städtecomplex verbundenen
fpeing ergriff, hat auch bei uns ihre Opfer
efordert. Wenn es der umsichtigen und energischen Thätigkeit der taats⸗ und Gemeindebehörden unker der Gunst localer Ver ältnisse zwar gelang, eine weitere Verbreitung der Krankheit über die Provinz zu verhindern und wenn deren Auftreten in den ergriffenen schleswig⸗
Hamburg der Fall war, so ist doch auch bei uns eine nicht ganz
ee Zahl von Erkrankungs⸗ und Sterbefällen zu beklagen
sewesen.
Nicht minder hat sich die Seuche in dem Wirthschaftsleben der
Provinz empfindlich fühlbar gemacht. Wenn dieses letztere noch immer
unter den Folgen der schlechten Ernte des Jahres 1891 und der politischen Wirren in mehreren überseeischen Staaten zu leiden hatte,
so konnte es nicht fehlen, daß der Ausbruch der Cholera und die da⸗ mit unvermeidlich werdenden vielfachen Beschränkungen des Verkehrs nicht bloß für die durch diese letzteren unmittelbar getroffenen, sondern ziemlich unterschiedslos für sämmtliche Zweige der wirthschaftlichen
Thätigkeit mit besonders schweren Nachtheilen verbunden waren. Hoffen wir, daß der reiche Ausfall der Ernte des Jahres 1892, welcher freilich zur Zeit noch durch einen außergewöhnlich niedrigen Stand der Getreidepreise stark beeinträchtigt wird, für unsere an und für sich so reich gesegnete Provinz den Beginn einer allen Erwerbs⸗
zweigen gut kommenden Wendung zum Besseren bedeuten möge.
Mitit dem Bau des Nord⸗Ostsee⸗Kanals ist im Jahre 1892 rüstig fortgeschritten worden. Der schon lange geplante Bau des Elbe⸗ Trave⸗Kanals zwischen Lauenburg a. Elbe und Lübeck scheint sich in naher Zukunft verwirklichen zu sollen. Von neuen Schienenwegen wurden im letzten Jahre eröffnet: die Linien Tönnin Garding und Tondern⸗Hoyerschleuse. Ein weites Feld privater 6 communaler Thätigkeit für die Herstellung zweckmäßiger örtlicher Verbindungen und von Anschlüssen an den großen Bahnverkehr ist durch das Gesetz über die Kleinbahnen vom 28. Juli 1892 eröffnet worden. In einer großen Zahl von Kreisen auch unserer Provinz sind Pläne für den Bau derartiger kleinerer Schienenwege bereits in der Entwickelung und Vorbereitung begriffen. Die Provinzialverwaltung und der Provinzial⸗Landtag werden, wie mit Sicherheit anzunehmen ist, in der Folge vielfach Anlaß haben, sich auch ihrerseits mit denselben im Einzelnen zu beschäftigen. In⸗ wieweit schon jetzt prineipiell zur Sache Stellung zu nehmen sein möchte, mag dahingestellt bleiben.
An Vorlagen der Staatsregierung gehen Ihnen für die bevor⸗ stehende Tagung nur zu: Das Ersuchen um Ihre Aeußerung über einige Grundlagen der gemäß gesetzlicher Vorschrift nach 15 jährigem Turnus vorzunehmenden Revision der Gebäudesteuer⸗Veranlagung, sowie ein u Ihrer Begutachtung gestellter Gesetzentwurf über die förmliche Auf ebung veralteter gesetzlicher Vorschriften, welche die feuerpolizei⸗ liche Sicherheit von Baulichkeiten in der Nähe der Eisenbahnen zum Gegenstande haben.
1 Unter den eigenen Angelegenheiten des Provinzialverbandes wird die Berathung des Haushaltsplanes für 1893/94 die wichtigste Stelle ein⸗ nehmen. Wenn durch denselben infolge neuer bedeutender Aufgaben rhöhte Leistungen in Anspruch genommen werden, welche eine allge⸗ meine Provinzialsteuer bedingen, so wird diese bei uns bisher ver⸗ miedene Belastung ebenso durch die fortschreitende Erweiterung der Aufgaben der Provinz für nothwendig zu erachten sein, wie sie durch die gleichzeitige Erleichterung der Orts⸗Gemeinden aufgewogen wird.
Diese Lösung der bedeutendsten neuen gesetzlichen Aufgabe der Provinz — des Eintritts derselben in die außerordentliche Armenlast neben Kreis⸗ und Ortsverband unter eigener Uebernahme der eigent⸗ lichen Sorge für die Aermsten und Elendesten unter den Armen — ist auf Grund der von Ihnen in der vorjährigen Tagung ertheilten Vollmacht von Ihrem Verwaltungsausschusse durch Erwerbung eines trefflich geeigneten Grundstücks für die erforderliche Anstalt und durch entsprechende Einrichtung der Baulichkeiten desselben gesichert. Im Zusammenhange hiermit steht die gesetzlich vorgesehene Ordnung der bei dem Eintreten in die außerordentliche Armenlast sich ergebenden provinziellen Leistungen und Rechte durch ein besonderes Reglement, dessen Entwurf einen Gegenstand Ihrer Beschlußfassung bilden wird. ie Ihnen vorgeschlagene Anstellung eines Provinzial⸗Conser⸗ vators für die Erhaltung und Pflege der Denkmäler der Vorzeit entspricht einem in weiten Kreisen erkannten Bedürfniß und begegnet nicht minder, wie Sie aus dem Vorschlage seiner Zeit entnehmen werden, der Sympathie der Staatsregierung, welche die Hälfte der Kosten der neuen Einrichtung zu übernehmen bereit ist.
Die provinzialen Anstalten und Institute erfreuen sich im allge⸗ meinen eines gedeihlichen und sicheren Fortschreitens. Insbesondere ilt dies auch von den land⸗ und forstwirthschaftlichen Betrieben des
rovinzialverbandes.
Indem ich Ihren Arbeiten unter Gottes Segen ersprießlichen Verlauf wünsche, erkläre ich im Namen Seiner Majestät des Königs den siebenundzwanzigsten schleswig⸗holsteinischen Provinzial⸗Landtag für eröffnet.
Unter dem Vorsitz des an Jahren ältesten Mitglieds der Versammlung, des Landespfennigmeisters Niemand⸗Heide, wurde mittels Acclamation der Klosterprobst Graf von Reventlow⸗Preetz wiederum zum Vorsitzenden des Provinzial⸗ Landtags und der Landespfennigmeister Niem and⸗Heide zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.
Der Vorsitzende begrüßte darauf die Versammlung und brachte auf Seine Majestät den Kaiser und König ein dreimaliges Hoch aus, in welches die Versammlung begeistert einstimmte.
Wilhelmshaven, 5. März. Die zweite Division der Manoͤverflotte, Contre⸗Admiral Karcher, hat, nach einer Meldung des „W. T. B.“, heute Vormittag die Rhede ver⸗ lassen und ist nach der Ostsee in See gegangen.
Hannover, 4. März. Der Provinzial⸗ Landtag begann in seiner gestrigen Sitzung die Berathung des Haus⸗ haltsplanes des Provinzial⸗Verbandes von Han⸗ nover für das Jahr vom 1. April 1893/94. Die ver⸗ chiedenen Einnahmetitel wurden ohne Aenderung genehmigt is auf Titel VII: Landarmen⸗ und Corrigendenwesen, der bis zur Ausgabeberathung zurückgestellt wurde. Nach der Vorlage wurden in Einnahme gestellt: Ueberschuß des Vor⸗ jahres 4074 ℳ, Renten aus der Staatskasse 4 131 559 ℳ, Huschuß zu den Kosten der Zwangserziehung verwahrloster einder 56 000 ℳ, Zinsen 181 990 ℳ, Aufkünfte von den Chausseen 140 000 ℳ und Insgemein 62 156 ℳ; wird dazu der fürchgestelte Titel mit 782 588 ℳ gerechnet, so beläuft „sich die veranschlagte Gesammteinnahme auf 5358 367 ℳ Der Landtag trat sodann in die Berathung der Ausgaben ein und genehmigte die vom Ausschuß beantragten Posten. Provinzial⸗Landtag 24 920 ℳ, Provinzial⸗Ausschuß 6144 ℳ, Landes⸗Directorium, Besoldungen 109 500 ℳ, All⸗ fenshener Verfügungsfonds 1800 ℳ und eisekosten 7500 ℳ, ächliche Verwaltungskosten 49 850 ℳ, Kosten des Provinzial⸗ raths 1000 ℳ, Kosten der Landschaften 76 780 ℳ: für Kunst und Wissenschaft 40 000 ℳ — ohne weitere Be⸗ merkungen. Darauf folgte die Berathung des Special⸗Etats, die heute fortgesetzt wurde. Unter den Eingängen befand sich auch ein von 26 Mitgliedern unterzeichneter Antrag, wonach das Haus beschließen soll, das Ersuchen an die Königliche 2 zu richten, die Thierärztliche Hochschule in Hannover entsprechend der Berliner Thierärztlichen Hochschule auszu⸗ Ffrnten und zwecks Neubaues derselben einen geeigneten auplatz zu erwerben. Der Vorsitzende Graf zu Inn⸗ und Knyphausen wird diesen Antrag in einer der nächsten Sitzungen selbst begründen.
Bayern.
Die Commission zur Revision des Lehrerbildungs⸗ normativs hat die für die Curse der Präparandenschulen
einen so bedrohlichen Charakter aufzuweisen hatte, wie dies leider in
Fächer berathen. Die Entwürfe für katholische und pro⸗ testantische Religion sowie für deutsche Sprache wurden ein⸗ gehend besprochen; vorbehaltlich einiger durch die Besprechung veranlaßten geringfügigen Aenderungen in der Fassung wurde der „Allg. Zig.“ zufolge ein allseitiges Einvernehmen erzielt.
Der Erste Bürgermeister von Muͤnchen Dr. von Widen⸗ mayer ist gestern Nachmittag gestorben.
Württemberg. 1
Der „St.A. f. W.“ veröffentlicht eine Allerhöchste Ver⸗
ordnung, wodurch der Wiederzusammentritt der ver⸗
tagten Ständeversammlung auf den 14. d. M. an⸗ beraumt wird.
Reuß j. L. 8 Seine Durchlaucht der Fürst hat am S längere Reise nach Italien angetreten.
Elsaß⸗Lothringen.
In der Sitzung des Landesausschusses vom 2. d. M. wurde der Entwurf eines Gesetzes wegen Abänderung und Ergänzung des Gesetzes über die epositenverwaltung, in erster Lesung der gleichen Special⸗Commission von fünfzehn Mit⸗ gliedern, wie die Sparkassenvorlage, überwiesen. Auf der Tagesordnung stand weiter die zweite Lesung der Etats der Universität, Universitäts⸗ und Landesbibliothek, für Kunst und Wissenschaft und des niederen Unterrichts und der allgemeinen Einnahmen und Ausgaben des Etats der Verwaltung der Finanzen und Domänen. Sämmt⸗ liche Positionen wurden den Commissionsanträgen gemäß angenommen. Dem Antrage des Abg. Ruhland: die Regierung möge der Frage nach einer Erweiterung der Alters⸗ zulagen für die Elementarlehrer näher treten, entgegnete der Präsident des Ober⸗Schulraths, daß aus finanziellen Gründen zur Zeit nicht weiter gegangen werden könne, als dies bereits geschehe. Die Abgg. Spies und Bägert trugen den Wunsch vor, es möge durch Aufhebung des Verbots des Ordens „Sacré⸗Coeur“ eine Wiedereröffnung der Erziehungsanstalt zu Kienzheim ermöglicht werden. Demn gegenüber wies der Staatssecretär darauf hin, daß die Zulassung des Ordens durch Reichsgesetz ausgeschlossen sei, diese Frage daher vor den Reichstag gehöre.
Die Specialcommission des Landesausschusses für die Gewerbesteuervorlage hat nach der „Straßb. Post“ mit 14 gegen 1 Stimme den §1 des Gesetzentwurfs angenommen.
Oesterreich⸗Ungarn.
Das österreichische Abgeordnetenhaus erledigt
am Sonnabend das Kapitel „Centrale des Handels⸗Ministe riums“ und zog sodann das Post⸗ und Telegraphenwesen sowi das Postsparkassenwesen in Verhandlung. —In der Sitzung des ungarischen Unterhauses vom Sonnabend wurde dem I ein Antrag überwiesen, wonach die Diäten der Abgeordneten als nicht pfändbar erklärt werden sollen. Die Verlängerung des Budget⸗ provisoriums wurde sodann 11“ Im Laufe der Debatte erklärte der Minister⸗Präsident Dr. Wekerle,
fest und werde es auch durchführen. „ Eine Conferenz der liberalen Partei berieth gestern über eine vom Cultus⸗Minister Csaky und dem Minister⸗
geordneten Fenyvessy, wonach die Regierung angewiesen
sationscommission oder einer Versammlung wegen Schaffung der katholischen Autonomie ehestens zu ertheilen. Die Resolution wurde von der Conferenz angenommen.
Großbritannien und Irland. 8 S Gestern Abend fand im Mansion⸗House beim L mayor zu Ehren des französischen Botschafters Waddington ein Bankett statt. In Beantwortung des auf ihn ausgebrachten Toastes erklärte Waddington, Frankreich und England müßten in ihrem Bestreben, ihre Besitzungen über den ganzen Erdball auszudehnen, nothwendiger Weise rivalisiren. Aber es bestehe zwischen beiden Ländern keine einzige Streitfrage, welche nicht auf directem oder schiedsrichterlichem Wege gelöst werden könne. Lord Randolph SühuFchil. hat der „A. C.“ zufolge in
ord⸗
einem fgr set9 veröffentlichten die Aufforderung ergehen lassen, daß in allen Theilen des Landes große Versammlungen zusammenberufen werden möchten, die gegen das Project der Home Rule protestiren sollen. „Wir haben — heißt es in dem Schreiben — einen großen Kampf vor uns. Niemals war es so nöthig, wie jetzt, daß alle patriotisch gesinnten Ergländer sich zusammenschaaren und zu dem Reich stehen, das sie vermöge ihrer Energie und ihrer Stärke geschaffen und aufrechterhalten haben; daß sie es gegen die waghalsigen und revolutionären Factionen von irischen, schottischen und walisischen Radicalen vertheidigen, die die Majorität Gladstone's constituiren und die keine größere Freude kennen, als dazu beizutragen, daß der gerechte Stolz und die große Macht des englischen Volls ge⸗ demüthigt werden.“
Frankreich.
Die Deputirtenkammer nahm in ihrer Sitzung vom Sonnabend das Gesetz über die Liquidation der Panana⸗ EE an und berieth darauf die Vorlage über die Modification des Preßgesetzes. Die Specialberathung der Uhelhen Artikel wurde mit 274 gegen 250 Stimmen e⸗ schlossen. 8 Der Deputirte Millevoye hat, wie „W. T. B.“ meldet, ein Schreiben an den Justiz⸗Minister Bourgeois gerichtect, worin er für heute Line Interpellation ankündigt über die rechtlichen und pärlamentarischen Folgen, die aus der Betheiligung verschiedener politischer Persönlichkeiten, nament⸗ lich Clémenceau's, Ranc's, Freycinet’s und Floquet’s in der Panama⸗Affaire entstehen könnten. Dem Vernehmen nach wird die Regierung die Interpellation nicht vor Beendigung des Prozesses annehmen, der am 8. d. M. beginnt.
Nach einem Telegramm der „Magd. Ztg.“ wird der De⸗ putirte Dérouléde ein Schreiben an den Minister des Aus⸗ wärtigen Develle richten, worin er eine Interpellation über das Nichterscheinen der russischen Flotte, sowie über die egen⸗ wärtigen Beziehungen zwischen Frankreich und Ruß⸗
8
land ankündigt.
und der Seminare vorbereiteten Lehrprogramme der einzelnen
Der Cardinal Place, Erzbischof von Rennes, ist gestorben.
8 schon mehrmals Gelegenheit genommen, ihre Ansichten über
wenn sie auch an dem Princip der Nichtintervention in die
8 Unterschied der Partei als Mahnung dienen und die
Regierung halte an ihrem kirchenpolitischen Programm
Präsidenten Dr. Wekerle angenommene Resolution des Ab⸗
werden möge, innerhalb ihres Geschäftskreises dem Kaiser vorzuschlagen, die Erlaubniß zur Einberufung einer Organi⸗
9 Rußland. .“ 35 Der „Regierungsbote“ veröffentlicht eine amtliche Mit⸗ theilung, in welcher es heißt: Die Kaiserliche Regierung habe
die Umwälzungen in Bulgarien und über die Principien zu ußern, von denen sich die Regierenden in Sofia leiten ließen, eitdem der Prinz Ferdinand zur Macht gelangt sei. Nachdem diese Leiter der Regierung nunmehr beabsichtigten, die Sobranje einzuberufen, um den Artikel 38 der Ver⸗ fassung von Tirnovo abzuändern und auch der Religion des Landes Eintrag zu thun, könne die Kaiserliche Regierung,
inneren Angelegenheiten des Fürstenthums festhalte, nicht stummer Zeuge diesem Versuch gegenüber bleiben, welcher einer energischen Opposition unter der bulgarischen Bevölkerung begegne. Die Mittheilung schließt, wie folgt: „Die Kaiserliche Regierung spricht ihren aufrichtigen Wunsch aus, daß die Stimmen, die sich unter der Geistlichkeit und den gut gesinnten Bürgern vernehmen lassen, allen Bulgaren ohne
Gefahr beseitigen werden, die dem ganzen Volke droht, das im Begriff steht, seine heiligsten hundertjährigen Traditionen zu verleugnen. Die Kaiserliche Regierung ist überzeugt, daß die beabsichtigte Aenderung in dem geistigen und politischen Leben des Fürstenthums keine günstigen Resultate erzielen und nur traurige Folgen für die Zukunft haben wird, indem sie Zwistigkeiten im Innern und tiefgehende Mißhelligkeiten in moralischer Beziehung herbeiführen wird.. 1 Im Ministerium des Innern ist nach einer Meldung des „W. T. B.“ ein Gesetzentwurf in Ausarbeitung, nach welchem den Juden, welche in den Flecken und Städten des 50 Werst breiten westlichen Grenzgürtels wohnen, das Recht verliehen werden soll, dort weiter zu wohnen, während das zur Zeit giltige Gesetz den Juden verbietet, daselbst zu wohnen, falls sie nicht bereits vor dem 27. Oktober 1858 sich dort niedergelassen haben. Der neue Gesetzentwurf oll in der nächsten Reichsrathssession zur Verhandlung kommen. Die Gouverneure sind angewiesen worden, die Aus⸗ weisung von Juden inzwischen zu sistiren. Diese Vergünsti⸗ gungen erstrecken sich auch auf schon verfügte und rechtskräftig gewordene Ausweisungen. 2 . Der Stabschef des Moskauer Militärbezirks, General⸗ Lieutenant Duchowskoi ist als General⸗Gouverneur des Amur⸗Gebiets in Aussicht genommen. 8 Dem „Kronstadtskij Wiestnik“ zufolge begiebt sich das russische Geschwader des Atlantischen Oceans, bestehend aus den Kreuzern „Dimitry Donskoj“, „General⸗ Admiral“ und „Rynda“, zu denen nach Eröffnung der Schiff⸗ fahrt noch einige Kriegsschiffe aus Kronstadt stoßen werden, nach Nord⸗Amerika. Zum Chef des Geschwaders ist der Vice-Admiral Kasnakow ernannt, welcher gegen den 22. März (n. St.) seine Flagge in Algier auf dem „Dimitry Donskoj“ hissen wird. Italien. Die Staats⸗Einnahmen vom 1. Juli 1892 bis zum 28. Februar 1893 übersteigen diejenigen der gleichen Periode des “ um mehr als 19 Millionen. Bearon Wedel und Lagergren, die Abgesandten der katholischen Bevölkerung Norwegens und Schwedens, über⸗ mittelten am Sonnabend dem Papst die Glückwünsche zu dessen Bischofsjubiläum. Spanien. 3 Der österreichisch⸗ungarische Botschafter Graf Dubsky hatte, wie „W. T. B.“ aus Madrid von gestern meldet, mit dem Minister des Auswärtigen Vega di Armijo eine Unterredung, um Verhandlungen wegen eines Handels⸗ abkommens einzuleiten. 1 Die Wahlen zur Deputirtenkammer, die gestern be⸗ gannen, nahmen in Madrid einen sehr ruhigen Verlauf, da⸗ gegen soll der Wahlkampf in den Provinzen ein sehr heftiger sein. So werden aus Quintanilla, in der Provinz Burgos, sowie aus Motril, in der Provinz Granada, Wahl⸗ unruhen gemeldet. An letzterem Orte gab es mehrere Todte ind Verwundete. In Almeria zerstreute die Polizei eine Gruppe, die eine republikanische Fahne mit sich führte, in Nara del Rey wurde ein Carlist, welcher „Es lebe Don Carlos!“ rief, schwer verwundet, in Valencia wurden die Wahlurnen durch die Fenster geworfen, in Sara⸗ gossa wurden mehrere Wähler wegen Stimmenhandels verhaftet. Ferner kam es in Velez, Provinz Gra⸗ nada, zu Unruhen, wobei eine Person getödtet und mehrere Personen, darunter der Bürgermeister, verwundet wurden. In Madrid wurden alle republikanischen Candidaten gewählt; Madrid entsendet somit 6 Republikaner und 2 Monarchisten in die Deputirtenkammer; unter den ge⸗ wählten Republikanern befindet sich Zorilla. Die Klerikalen haben keinen ihrer Candidaten durchgebracht. Ferner wurden gewählt: in Barcelona zwei Republikaner, drei Ministerielle; in Sevilla ein Republikaner, zwei Ministerielle, ein Conservativer; in Saragossa zwei Republikaner, ein Conservativer, ein Ministerieller; in Valencia zwei Re⸗ publikaner, ein Conservativer. Der Finanz⸗Minister Gamazo ist in Medina Castela r in Sevilla gewählt worden.
Schweiz. 8
Bei den gestern im Canton Tessin vorgenommenen
Wahlen zum Großen Rath haben nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Bellinzona die Liberalen gesiegt. Vor⸗ aussichtlich werden 51 Liberale und 45 Conservative gewählt worden seimn— “ 8 Rumänien. G
Die bereits in der gestrigen Nummer des „R.⸗ u. St.⸗A.“ ta h g. Nachricht von dem Rücktritt des Primas von Rumänien bestätigt sich dem „W. T. B.“ zufolge.
Die Handelsconvention zwischen Rumänien und der Schweiz ist vorgestern unterzeichnet worden.
Serbien.
Wie dem „W. T. B.“ aus Belgrad berichtet wird, werden die auswärts verbreiteten Nachrichten über die Nicht⸗ ausfolgung von Wählerkarten von maßgebender Seite dahin richtig gestellt, daß die Maßregel nur gegenüber solchen Wählern angewendet worden sei, die mit der Entrichtung ihrer Steuern rückständig sind. Im allgemeinen seien bisher mehr Wählerkarten verabfolgt worden, als bei den letzten Wahlen.
Das Panzerschiff „Thule“ ist, wie „W. T. B.“ Stockholm berichtet, gestern in Gegenwart des Königs, der Minister, zahlreicher Mitglieder des Parlaments sowie einer großen Menschenmenge glücklich vom Stapel gelaufen.
u““ Amerika. 1 In seiner Botschaft bei Uebernahme der Präsidentschaft hob Cleveland, wie „W. T. B.“ berichtet, die hervor⸗ ragende Wichtigkeit einer guten und stabilen Münzeirkula⸗ tion hervor. Die Vereinigten Staaten könnten sich trotz ihrer nationalen Kraft und ihrer wirthschaftlichen Hilfs⸗ mittel nicht mit den unerbittlichen Gesetzen der Finanzen und des Verkehrs in Widerspruch setzen. Er hoffe, die Gesetzgebung werde ein weises und wirksames Heilmittel finden. Inzwischen werde die Executive alle in ihrer Macht stehenden Mittel gebrauchen, um den National⸗ credit aufrecht zu erhalten und eine finanzielle Katastrophe zu beschwören. Das Verdict der Wähler sei gegen die Aufrecht⸗ haltung des Schutzsystems gewesen. Cleveland ver⸗ urtheilt die populäre Tendenz, von der Thätigkeit der Regierung individuelle, nur einzelnen Interessenten zu gute kommende Vortheile zu erwarten und mißbilligt die Prämien, Subventionen und Syndikate (Trusts). Die Tarif⸗ reform müsse weise, ohne Rachegelüste, unternommen werden. Zum Schluß der Botschaft heißt es: „Unsere Mission ist nicht, Irrthümer zu bestrafen, sondern zu berichtigen. Die Noth⸗ wendigkeit, die zur Erhaltung der Regierung erforderlichen Mittel aufzubringen, liefert die einzige Rechtfertigung der vom Volke erhobenen Steuern“. In Paris eingetroffenen Meldungen aus Buenos⸗Aires zufolge hat der Minister der Armee und Marine General Victoriea seine Entlassung eingereicht.
Afrika.
Der Sultan von Sansibar Sayyid Ali ben Said ist nach einem Telegramm des „Reuter’schen Bureaus“ vorgestern Abend 8 Uhr infolge von Wassersucht gestorben. 250 Mann englische Marine⸗Infanterie wurden sofort ausgeschifft und nahmen vor dem Palais Aufstellung. Der Sohn des verstorbenen Sultans Khalid Bargash drang durchteine Hinterpforte ins Palais ein und versuchte sämmtliche Thore zu sperren, öffnete sie jedoch auf Aufforderung des stellvertretenden großbritannischen General⸗Konsuls Rennel Rodd wieder und wurde dann unter Escorte in sein Haus geführt. Die englische Marine⸗Infanterie bewacht fortwährend das Palais. Als Nachfolger wurde Hamed ben Thwain proclamirt. Die Ruhe in Sansibar ist nicht gestört worden.
Parlamentarische Nachrichten.
Deutscher Reichstag. Der Bericht über die 58. Sitzung vom 4. März findet sich in der Ersten Beilage. .Sitzung vom Montag, 6. März, 1 Uhr. Der Sitzung wohnt der Staatssecretär Dr. von Stephan bei. “ 1
Die Berathung des Post⸗Etats wird fortgesetzt. Die Discussion über den Ausgabetitel „Gehalt des Staats⸗ secretärs“ 24 000 ℳ, nimmt ihren Fortgang.
Abg. Bebel (Soc.): Auch wir halten dafür, daß dem Beamten durch seine Beamtenstellung seine staatsbürgerlichen Rechte nicht im geringsten beschnitten werden dürfen. Will man in dieser Beziehung Aenderungen, so muß der Weg der Gesetzgebung beschritten werden, nimmermehr darf aber die Verwaltung auf dem Wege des Erlasses besonderer Vorschriften diese Beschneidung eintreten lassen. Bei der Berathung der Bundesverfassung wollte der Reichskanzler, damalige Bundeskanzler Graf Bismarck, eine Bestimmung auf genommen wissen, welche den Staatsbeamten das passive Wahlrecht nahm. Wir würden einer solchen Bestimmung durchaus nicht wider⸗ streben. Wir würden es für einen Vortheil halten, wenn Landräthe, Regierungs⸗ und Ober⸗Präsidenten, Staatsanwälte u. dgl. auf diese Weise vom Reichstag ferngehalten werden könnten. So lange es aber gesetzlich anders vorgeschrieben ist, darf man sich nicht darüber hinwegsetzen; was den höheren Beamten recht ist, muß den unteren und auch den Postassistenten billig sein. Es handelt sich nicht ein⸗ mal um einen politischen, sondern um einen reinen Privatberein, an dem sich die gemaßregelten Postassistenten betheiligten. Was der Staatssecretär Dr. von Stephan hier an den beiden Tagen
egen die Assistenten und ihren Verband vorbrachte, zeigte ein solches
ürß von Feindseligkeit gegen die ihm unterstellten Beamten, wie es kaum bei einem so hohen Beamten des Reichs erhört ist. Die kleinlichen Dinge, bis zu denen der Staatssecretär sich herabgelassen hat, um die Schlechtigkeit des Postassistentenverbandes zu be⸗ weisen, haben für diese Behauptung keinen Beweis er⸗ bracht: weder die vpäterlichen Ermahnungen gewisser Ober⸗ Postdirectoren an die jüngeren Beamten, gewisse Pensionate zu benutzen, noch die Kritik der Wirthschaft der Bekleidungskasse des Verbandes. Das angebliche Deficit von 25 000 ℳ konnte nur beim Mangel von Objectivität aus dem Bericht des Verbandes herausgelesen werden. Der Abg. von Keudell fürchtet das Umsichgreifen dieser die Disciplin erschütternden “ Ja, in Bavern existirt, ohne von der Regierung molestirt zu werden, ein Verband der Briefträger und Postboten; in Sachsen bestehen zahlreiche Vereine und Verbände von Unterbeamten, welche durch die Förderung der Regierungsorgane zur Blüthe gelangt sind. Da bis auf den Abg. von Keudell das ganze Haus die Haltung des Staatssecretärs Dr. von Stephan verurtheilt hat, muß, wenn im nächsten Jahre der Reichstag wieder in die Lage versetzt wird, über diese Dinge Klage führen zu müssen, erwogen werden, ob nicht der Postverwaltung ein Mißtrauensvotum EE1“ Gegen die Bevormundung der unteren Postbeamten, wie sie ihr Geld anlegen und verbrauchen sollen, muß ich Protest erheben. Die Post⸗ gehilfen werden unzureichend besoldet; der Staatssecretär weist einfach darauf hin, daß hier die Eltern zuzuschießen haben. Dieses System besteht lediglich im Gebiete der Justiz erbalteng⸗ bei den Referen⸗ daren; diese müssen eine Zeit lang dem Staat umsonst dienen. So liegt es aber bei den Postgehilfen nicht, und diese müssen also auch hin⸗ reichend bezahlt werden. Fälle gerichtlicher Verurtheilung solcher Beamten, welche wegen ungenügender Bezahlung sich an amtlichen Geldern vergriffen haben, sind nicht selten; die Verwaltung sollte die Wiederkehr solcher Fälle verhüten, anstatt immer nur auf Ueber⸗ schüsse zu sinnen. In Berlin werden Hunderte von Unterbeamten beschäftigt, denen man, soweit sie intelligent sind, die Ge⸗ chäfte von Oberbeamten überträgt, um mit den höheren Gehältern möglichst zu sparen. Dieses System geht durch die ganze Verwaltung und erzeugt in den Kreisen der Beamten die allergrößte Unzufeiebecbel Wir angeln nicht, wie der Abg. Liebermann von Sonnenberg glaubt, nach den Postheamten; wir bringen nur ihre berechtigten Klagen vor; was den Aufruf betrifft, der durch den „Vor⸗ wärts⸗ an die Post⸗Unterbeamten verbreitet wurde, so ist er allerdings von einem Unterbeamten verfaßt, der sich an uns gewendet hat, weil er bei keiner anderen Partei Gehör fand. (Schluß des Blattes.)
Preußischer Landtag.
1 Haus der Abgeordneten. Der Bericht über die vorgestrige Sitzung befin der Zweiten Beilage. — 46. Sitzung vom 6. März. Der Sitzung wohnt der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch bei. 8 Die Berathung des Etats der Berg⸗, Hütten⸗ und Salinenverwaltung wird fortgesetzt und zwar bei den Einnahmen und Ausgaben der Berggewerbegerichte. Abg. Schmidt⸗Elberfeld (dfr.): Es ist nothwendig festzustellen, daß der Redner der conservativen Partei der Ausführung eines Reichs⸗ gesetzes widerstrebt, eines Reichsgesetzes, das seine Parteigenossen im Reichstage angenommen haben. Das ist Fein weiterer Vor⸗ stoß der Conservativen gegen die conservativen „Minister, wie wir es in letzter Zeit öfter erlebt haben. Die Conser⸗ vativen sind unzufrieden darüber, daß die Interessenpolitik nicht mehr in der Weise gewahrt wird, wie das unter dem Fürsten Bismarck der Fall war. Insbesondere sind ihnen die Handelsverträge unan⸗ genehm mit der Herabsetzung der Getreidezölle, die immer noch den Agrariern einige hundert Millionen in den Schooß werfen; wenn man gerade gegen den Handels⸗Minister vorgehen wollte, dann konnte man die Gelegenheit nicht ungeschickter auswählen. Man wollte wohl dem Herrn von Stumm folgen, der einen weitaus schärferen Vorstoß gegen den Handels⸗Minister machte; der Vorstoß wurde aber gründlich zurückgewiesen. Dieses arbeiterfeindliche Auftreten des Redners der Conservativen gipfelt in der Bemerkung von dem unnerechtigten Humanitätsfanatismus. Die Conservativen wollen den Arbeitern eine untergeordnete Stellung anweisen. Die Kaiserliche Botschaft, die der Fürst Bismarck gegengezeichnet hat, hat der Abg. von Minnigerode früher anerkannt. Die Conser⸗ vativen betrachteken die Botschaft als ihr Panier. Diese Botschaft verlangte die positive Förderung des Wohls der arbeitenden Klassen, eine Fertsezung der Reformen des Anfangs dieses Jahrhunderts, welche die Aufhebung der Leibeigenschaft brachten. Der Widerstand gegen die Gewerbegerichte mag ja davon ausgehen, daß Ihnen (rechts) deren Ausdehnung auf die Landwirthschaft nicht angenehm ist. Wegen der Haltung der Bergbehörden in Saarbrücken hat man dem Handels⸗Minister Vorwürfe gemacht. Sollte er beim Ausbruch des Ausstandes erklären, daß die strikenden Arbeiter entlassen würden? Sollte er wirklich 25 000 Arbeiter entlassen? Der Abg. von Minnigerode hat sich gegen die Solidarität der Arbeiter erklärt, während doch die Herren Agrarier auf Tivoli diese für sich in Anspruch nehmen! Die Gewerbegerichte sollen eine Verschärfung, nicht eine Versöhnung der Gegensätze mit sich bringen! Das widerspricht der Erfahrung, die wir im Rheinlande mit den Gewerbegerichten seit 80 Jahren gemacht haben. Wenn der Abg. Ritter schlechte Erfahrungen gemacht hat, so kann das nur zurückzuführen sein auf die Unfähigkeit des . Verscreden. Redner geht dann auf die Berathung des Gewerbegerichtsge etzes im Reichstage ein und schildert namentlich die Haltung der conservativen Redner; ein conservativer Redner habe damals erklärt, daß es ein eigentliches Wahlrecht nicht gebe ohne geheime Abstimmung. Die Conservativen können sich 6 nicht von dem Standpunkt los machen, daß die Arbeiter mit dem Polizeistock und mit sogenannter Schneidig⸗ keit behandelt werden. Wenn man die Arbeiter von ihren politischen Rechten ausschließt, dann erzieht man Heuchler und führt die Arbeiter schließlich zum Strike. Man fürchtet, daß Socialdemokraten zu Bei⸗ sitzern bei den Gewerbegerichten gewählt werden. Sind die Arbeiter⸗ Beisitzer bei den Krankenkassen und bei der Unfallversicherung nicht ebenfalls Socialdemokraten? Die Heranziehung zu solchen prakti⸗ schen Dingen übt eine erziehliche Wirkung auf die Arbeiter aus; sie lernen dadurch, daß sie nicht durch den Umsturz, sondern nur durch praktische Arbeit zur Verbessernng ihrer Lage kommen können. In Frankfurt a. M. sind auch unter den Arbeitgebern als Beisitzer Social⸗ demokraten. Aber diese Arbeitgeber waren früher Arbeiter, und sind, als sie Arbeitgeber geworden n nicht blos von Socialdemokraten, sondern von allen Parteien übereinstimmend gewählt worden. Haben Sie etwas weniger Mißtrauen gegen die Arbeiter! Warum wollen Sie den Bergarbeitern die Wohlthat der Gewerbegerichte entziehen? Bewilligen Sie die Position. 1 1
Abg. Dr. Hammacher (nl.): Ich kann zunächst erklären, daß die Mehrzahl meiner politischen Freunde für die Ei aführung der Berggewerbegerichte stimmen wird. Ich freue mich, in Bezug auf die Saarbrücker Bergwerksverwaltung mit dem Vorredner einverstanden zu sein. Ich halte die Angriffe für durchaus haltlos. Es wäre eine thörichte Maßregel gewesen, wenn die Verwaltung die Arbeiter, die innerhalb drei Tagen nicht zur Arbeit zurückkehrten, entlassen hätte. Kein einziger Arbeiter hätte die Arbeit so schnell wieder aufgenommen. Der Saarbrücker Bergbau wäre zum Erliegen gekommen oder die Verwaltung hätte die Waffen strecken müssen vor den Arbeitern. Wenn wir die Position be⸗ willigen, dann machen wir uns nicht verbindlich, die Gewerbegerichte auf die landwirthschaftlichen Arbeiter auszudehnen. Das überlassen wir dem Reichstag. Wenn wir die Berggewerbegerichte annehmen, so thun wir es nicht, weil ein formaler reichsgesetzlicher Zwang vor⸗ liegt. Es würde dem Geiste des Reichs esetzes widersprechen, wenn die Regierung die Einsetzung von Gewer “ überhaupt unter⸗ lassen wollte. Die Zuständigkeit der Gewerbegerichte bietet gar keinen Anlaß, sich um andere Dinge zu kümmern als um die Entscheidung der ihnen vorliegenden Streitigkeiten. Von dem Abg. Ritter wissen wir, daß er treu und bewußt auf dem Boden der socialpolitischen Gesetzgebung des Reichs steht. Er hat sogar darüber hinaus die Arbeiterausschüsse eingeführt; da verdient sein Widerspruch eine gewisse Beachtung und ich muß sagen, er shäut mir mit gewissen Vorurtheilen zu kämpfen. Mir scheinen die Gewerbegerichte volle Gewähr zu bieten für eine objective und sachliche Behandlung der Dinge. Aus der Erfahrung haben wir gesehen, daß die turbulentesten Elemente sich oft bald als die nützlich⸗ sten Elemente herausgestellt haben. Warum haben denn in Berlin die Betheiligten ihre Schuldigkeit nicht gethan? Dann wären niemals unter den Arbeitgebern Socialdemokraten gewählt worden. Unsere bürgerliche Gesellschaft wird niemals zu „Grunde geben, weil die Socialdemokratie vordrängt, sondern weil die Elemente, die zu ihrer Vertheidigung berufen sind, nicht muthig und thätig genug sind. Daß die Entscheidung von Streitigkeiten schneller und billiger als vor den ordentlichen Gerichten erfolgt, daß die Arbeiter mit einer richterlichen Stellung bekleidet werden, darin kann doch der Abg. Ritter nichts Bedenkliches, keine Lockerung der Disciplin erblicken. Daß die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer nur die Interessen ihrer Standesgenossen wahrnehmen sollten, glaube ich nicht. Von den ersteren erwarte ich es schon nicht wegen ihrer höheren Bildung. Wenn auch vorübergehend die Leidenschaften zur Herrschaft kommen sollten, so wird das immer ein Uebergangsstadium sein. Schließlich wird das Rechtsgefühl unter den Arbeitern geweckt werden, das Rechts⸗ gefühl, dessen Fehlen jetzt eine beklagenswerthe Erscheinung ist. Nach allen Seiten hin handelt es sich um Uebertreibung, wenn man die Gewerbegerichte für gefährlich bält. Der Reichstag ist nicht de .588 gewesen; denn alle Parteien haben sich für die Ferefseshsbee erklärt. Ich bitte deshalb, daß Sie sich möglichst einstimmig für die Regierungsvorlage erklären.
Bei Schluß des Blattes nimmt der Abg. Dr. Bachem
das Wort.
— Die Budgetcommission des Reichstags berieth heute die ihr überwiesene Novelle zum Gesetz über die Postdampf⸗ schiffsverbindungen mit überseeischen Ländern. § 1 de Vorlage wurde einstimmig, § 2 mit elf gegen fünf Stimmen an⸗ genommen.
— Von den Abgg. Seipio (nl.) und Goldschmidt (dfr.)
Etwaige Beschwerden suche der Minister des Innern nach Mög⸗ lichkeit zu berücksichtigen.
ist folgender Antrag im Reichstag eingebracht: Der Reichstag
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