Es erhielten: der frühere Landes⸗Director Freiherr von der Goltz 56 Stimmen, Graf Behr 6, Herr von Blanckenburg⸗ Kaltenhagen 3, General⸗Landschafts⸗Director Herr von Kameke 2, Landrath von Bonin⸗Neustettin 1, Graf Rittberg 2; Freiherr von der Goltz war somit gewählt und nahm die Wahl an. Es wurde dann zur Wahl des stell⸗ vertretenden Vorsitzenden des Provinzial⸗Ausschusses geschritten. Gewählt wurde im Wege der engeren Wahl (zwischen Herrn von Blanckenburg⸗Kaltenhagen und Grafen Behr⸗Behrenhof) Herr von Blanckenburg⸗Kaltenhagen, der die Wahl annahm. Die Versammlung trat sodann in die Berathung der Grund⸗ üge einer Weseordnung für die Provinzen Westpreußen, ebedh Pommern und Schlesien ein. Den Verhand⸗ wohnte der Geheime Regierungs⸗Rath Just als Ministers der öffentlichen Arbeiten bei. Referent war Landrath von Köller⸗Osseken. Die Commission hatte mit zwölf gegen eine Stimme das neue Princip der Wegeunterhaltung durch die Gemeinden, statt bisher durch die Societät der Grundbesitzer für unannehmbar erklärt und das Bedürfniß des Erlasses einer neuen Wegeordnung verneint, wenn auch manche Uebel⸗ stände des jetzt bestehenden Rechts⸗ und Sachverhältnisses an⸗ erkannt wurden; eventuell könne die Beseitigung dieser Uebelstände durch eine novellistische Regelung, unter grundsätzlicher Wahrung des bestehenden Rechtszustandes herbeigeführt werden. Die Commission hatte es jedoch zugleich für angezeigt erachtet, in eine Specialberathung des Gesetzes einzutreten und gewisse Eventualanträge gestellt. Der Ministerial⸗Commissar legte in einem längeren Vortrage den Standpunkt der Königlichen Staatsregierung dar. Er wies darauf hin, daß weder in früheren Jahrzehnten, noch in dem Stadium der Vorberathungen über den vorliegenden Entwurf die Bedürfniß⸗
lungen Commissar des
frage verneint worden sei; die inzwischen erlassene Landgemeinde⸗
ordnung habe eine wesentliche bisherige Schwierigkeit einer neuen gesetzlichen Regelung beseitigt; das jetzige pommersche Wegerecht leide an wesentlichen Mängeln, Unsicherheit und Unklarheit; der Wegebau lasse sich nach den heutigen Zeitver⸗ hältnissen nur auf dem Gemeindeprincip aufbauen; der Ent⸗ wurf sehe die Bildung von Wegeverbänden vor, womit also die Gelegenheit zur Schaffung von gesunden, lebensfähigen Vereinigungen geboten sei. Der Ministerial⸗ Commissar sicherte zugleich die sorgfältige, objective S der etwa vom Provinzial⸗Landtag zu erhebenden Bedenken seitens der Königlichen Staats⸗ regierung zu, indem er den dringenden Wunsch aus⸗ sprach, der Landtag möge jedenfalls in eine Specialberathung ber den Entwurf eintreten. An der Piscussion betheiligten sich: der Bürgermeister Kummert⸗Kolberg, der für die Vorlage sprach; der Wirkliche Geheime Rath von Köller⸗Kantreck, gegen die Vorlage, die kein Bedurfniß für Pommern sei, im Gegensatz zu der Provinz Sachsen, bei der allerdings das Bedürfniß iner neuen Wegeordnung bestanden habe und für die auch die inzwischen erlassene Wegeordnung zweckmäßig sei; der Ober⸗-Präsident, der zugleich an der Hand seiner früheren praktischen provinziellen Erfahrungen die Bedürfnißfrage in bejahendem Sinne beleuchtete und auf das Gewicht und den Einfluß der durch den Entwurf vorgesehenen Wegeverbands⸗ bildung hinwies, auch den Wunsch des Ministerial⸗C ommissars wiederholte, der Provinzial⸗Landtag möge in die Einzel⸗ berathung eintreten; der frühere Landes⸗Director Freiherr von der Gols der einige Ausführungen des Bürgermeisters Kummert thatsächlich zu berichtigen suchte und andeutete, die Schwierig⸗ keit der formalen Behandlung der Aufforderung zur Wege⸗ unterhaltung könnten — ähnlich wie bei der Jagdpolizei — da⸗ durch beseitigt werden, daß die Gemeindebehörde mit der Ver⸗ tretung der Unterhaltungspflichtigen betraut werde: der Land⸗ rath Graf Baudissin⸗Schievelbein, in dessen Kreis bereits das Gemeindeprincip besteht, und der bemerkte, daß dieses Verhältniß bisher zu keinen Schwierigkeiten Veranlassung gegeben habe, der aber die Besorgniß aussprach, daß die Aufhebung der Receßbestimmungen viele Streitig⸗ keiten hervorrufen werde; der Erb⸗Landmarschall Graf von Flemming, der die Bedürfnißfrage, was eine so radicale ge⸗ setzliche Aenderung betreffe, nicht zugeben wollte und anderer⸗ seits hervorhob, daß die Erhaltung der Receßbestimmungen in Verbindung mit der in § 48 vorgesehenen, gegen die Recesse sprechenden Rechtsvermuthung nur etwas Halbes sei und doch eine sehr bedenkliche Aufregung und Mißstimmung in den betheiligten Interessentenkreisen hervor⸗ zurufen geeignet sei; der Landrath Graf von Schwerin, der die Bedürfnißfrage bestritt und sich gegen das obligatorische Gemeindeprincip des Entwurfs erklärte; der Landrath Graf von Behr, der namentlich von dem Standpunkte Neuvorpom⸗ merns aus die Bedürfnißfrage anerkannte, ohne damit gerade den von der Staatsregierung vorgeschlagenen Weg als vorbehaltlos richtig zu bezeichnen; der Wirkliche Geheime Rath von Köller, der die aus der Handhabung des § 48 sich ergebenden Schwierigkeiten und Streitigkeiten näher zu beleuchten suchte; der Ministerial⸗Commissar, der hervorhob, daß privatrechtliche Vereinbarungen zwischen den Contrahenten nicht durch das neue Gesetz berührt oder aufge⸗ hoben werden, ebensowenig als gerichtliche Entscheidungen, die solche Privatverträge zum Ausdruck bringen; Abge⸗ ordneter von Gaudecker⸗Zuch, der die Aufhebung der Receßbestimmungen als eine Ungerechtigkeit bezeichnete und die gegen den Zustand der Wege in Pommern erhobenen Klagen als nicht begründet anerkennen wollte; der Bürger⸗ meister Zemke⸗Lauenburg, der hervorhob, daß die Beamten und die Bevölkerung den durch die Fülle der neuen Gesetze sich er⸗ gebenden Anforderungen kaum noch gewachsen seien, und daß die weitere beschleunigte Vermehrung dieser Gesetze eine große Mißstimmung und Erregung hervorrufen werde und beantragte, den Erlaß des Gesetzes wenigstens vorläufig zu vertagen; endlich der Bürgermeister Junge⸗Rügenwalde der für die Vorlage sprach. Gegen den Eintritt in die Einzelberathung wurde kein Widerspruch erhoben, und nach längerer Discussion wurden der Commissionsantrag, sowie die Regierungsvorlage abgelehnt. In der heutigen Sitzung wurde die Erklärung des Rittergutsbesitzers, Regierungs⸗Assessors a. D. Höppner⸗ Tonnin, daß er die gestern auf ihn gefallene Wahl als Landes⸗ director annehme, mitgetheilt. Der Referent der Commission, Landrath Dr. von Körber, brachte zunächst die bei Gelegen⸗ heit des Betriebes der Kleinbahnen im Kreise Anklam mit 60 cm Spurbreite gemachten Erfahrungen zur Kenntniß der Versammlung in Verbindung mit dem Wunsche der Mtlitär⸗ verwaltung, die Provinz möge thunlich die Anwendung dieser Spurweite zu fördern bestrebt sein. Es wurde sodann die Vorlage des Provinzialausschusses über die Förderung des Baues von Kleinbahnen zur Berathung gestellt. Der Antrag des Provinzialausschusses lautet dahin: „1) Leistungs⸗
fähigen Unternehmern von Kleinbahnen, die den öffentlichen Verkehr in der Provinz Pommern zu fördern geeignet sind, kann eine Betheiligung des Propinzialverbandes an der Aufbringung des Anlagekapitals in einer gewissen Höhe zugesagt werden, wenn sich die interessirten engeren Communalverbände mit mindestens derselben Summe betheiligen, und dem Unternehmer keine Kosten für Grunderwerb oder an Entschädigungen für Nutzungen oder Wirthschaftserschwernisse erwachsen. Die unentgeltliche Be⸗ nutzung der Provinzial⸗Chausseen kann gestattet werden. 2) Die Betheiligung des Provinzialverbandes kann durch Uebernahme von Actien, Geschäftsantheilen oder in sonst geeigneter Form erfolgen. Sie darf ein Drittheil des Anlagekapitals nicht überschreiten. 3) Im Falle der Betheiligung muß dem Provinzialverbande ein ausreichender Einfluß auf die Wahl der Richtungslinie, den Bau und den Betrieb der Bahn sowie ein Antheil an dem Reinertrage gesichert werden. Der Antheil an dem Reinertrage muß der Höhe der Betheiligung entsprechen. Es kann jedoch zugestanden werden, da einem Theile des Anlagekapitals bis zum Höchstbetrage von einem Drittel ein Vorrecht vor dem Rechte dahin ein⸗ geräumt wird, daß die Reinerträge der Bahn in erster Linie dazu verwendet werden, dem bevorrechteten Kapital eine Ver⸗ zinsung bis zur Höhe von 4 Proc. und die Nachzahlung etwaiger Ausfälle aus früheren Jahren zu gewähren. Wird in solchem Falle demnächst für das ganze Anlagekapital eine den garantirten Zinssatz übersteigende Rente erzielt, so ist der Ueberschuß in erster Linie zur Nachzahlung der Zinsen für das nicht bevor⸗ rechtete Kapital zu verwenden. 4) Zur Beschaffung der er⸗ forderlichen Mittel ist eine Anleihe von zunächst 2 Millionen Mark aufzunehmen. 5) Es ist ein besonderer Kleinbahnfonds zu bilden. 6) Der Provinzialausschuß erhält Vollmacht, die vorstehenden Beschlüsse nach seinem Ermessen auszuführen, insbesondere wird derselbe ermächtigt, den Zeitpunkt und die Bedingungen für die Aufnahme der Anleihe festzustellen.“ Die Commission hat sich diesen Beschluß ange⸗ eignet, nur daß die Bedingung einer Betheiligung der interessirten engeren Communalverbände gestrichen ist. Der Landrath Graf Behr regte die Frage an, ob die Regierung bezw. ihre zuständigen Organe die Concession nur zu ört⸗ lich beschränkten, reinen Localbahnen ertheilen, zum Bau größerer Linien versagen werde: solchenfalls werde der Kleinbahnbau von vornherein in wesent⸗ lichem Umfange beeinträchtigt und erschwert werden. Der Ober⸗Präsident erwiderte auf diese Anfrage, daß er selbstverständlich nicht in der Lage sei, im Namen der Königlichen Staatsregierung eine Erklärung abzugeben; er persönlich möchte aber annehmen, daß eine soweit gehende, die Interessentenkreise und ihre freie Bewegung beschränkende
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Absicht bei der Staatsregierung nicht vorliege, daß sie vielmehr nur in denjenigen Fällen vermuthlich einen derartigen Eingriff aus⸗ üben werde, in denen sie selbst den baldigen Bau beabsichtige; ohne die gebührende freie Bewegung der Interessentenkreise würde das Kleinbahnengesetz nach seiner persönlichen Ansicht allerdings wesentlich seine Bedeutung einbüßen. Nach einer lebhaften Discussion, an der sich Rittergutsbesitzer von Zadow, der frühere Landes⸗Director Freiherr von der Goltz, der Bürgermeister Stipanski⸗Kammin, der Ober⸗Bürgermeister, Geheime Regierungs⸗Rath Haken, der Bürgermeister Sachse⸗ Köslin, Graf von Flemming⸗Benz und Stadtsyndikus Krause⸗ Greifswald betheiligt hatten, wurde der Antrag des Provinzial⸗ ausschusses mit großer Mehrheit angenommen.
Sodann wurde in die Berathung des Provinzial⸗Haus⸗ halts⸗Etats eingetreten. Der Etat wurde genehmigt und be⸗ schlossen, vom Beginn des Etatsjahres 1894 ab die Zuschüsse zur Förderung des Kreis⸗ und Gemeindewegebaues auf 400 000 ℳ Maximalhöhe zu normiren.
u““ waren sämmtliche Gegenstände der Tagesordnung erledigt.
Der Ober⸗Präsidial⸗Rath Hagen gab in Vertretung des durch eine nothwendige Reise behinderten Ober⸗Präsidenten einen kurzen Rückblick auf die Thätigkeit des Provinzial⸗ Landtags, sprach den Dank der Königlichen Staatsregierung für dessen hingebende Arbeit aus und schloß im Namen Seiner Majestät den XIX. Provinzial⸗Landtag.
Die Versammlung brachte sodann ein begeistertes Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und König aus.
Wies baden, 18. März. In der heutigen dritten Sitzung des Communal⸗Landtags wurden nach Zutheilung zweier neuer Eingänge an die Finanzcommission die Special⸗ Etats des Bezirksverbandes mit Ausnahme der von der Finanzcommission noch nicht durchberathenen Etats des Meliorationsfonds, des Wegebaufonds, des Hoch⸗ bautenfonds und des Etats der Nassauischen Landes⸗ bank und Sparkasse genehmigt. Alsdann wurde der Antrag des Landesausschusses auf Genehmigung einer neuen Kanzlistenstelle bei der Landes⸗Direction bezw. der Nassauischen Brand⸗Versicherungsanstalt genehmigt, sowie dem Vertrags⸗ entwurf mit der Gemeinde Biebrich⸗Masbach wegen Abtretung einer bezüglichen Bezirksstraßenstrecke in das Eigenthum und die Unterhaltung dieser Gemeinde die Genehmigung ertheilt. Das Gesuch mehrerer Gemeindevorstände um Weikerbau der Rupbachstraße nach der Aarstraße wurde dem Landesausschuß mit dem Ersuchen überwiesen, mit den interessirten Ge⸗ meinden wegen Ausbaues dieser Straßenstrecke als Vicinalweg in weitere Verhandlung zu treten. Es wurde ferner ein Gesuch mehrerer Gemeinden um Ausbau des Weges von der Wisperstraße nach Ransel und Wollmerschied dem Landesausschuß zur Prüfung und eventueller Berücksichtigung überwiesen, über die Eingabe des Gemeinderaths zu Hachen⸗ burg, den Sitz der 8. Landes⸗Bauinspection betreffend, aber schließlich zur Tagesordnung übergegangen. “
Württemberg.
„Die Kammer der Abgeordneten setzte vorgestern die Etatsberathung bei dem Departement des Kirchen⸗ und Schulwesens fort. Eine längere Debatte entspann sich nur bei den landwirthschaftlichen Fortbildungsschulen, sowie bei der Technischen Hochschule, wo die Entsendung einiger Professoren zur Ausstellung in Chicago discutirt wurde. Die weitere Berathung findet morgen statt.
Hessen.
Seine Königliche Hoheit der Großherzog wird sich der
„Darmst. Ztg.“ zufolge morgen zu einem Besuch am Königlichen
Hofe nach Wa iches und von dort nach Stuttgart und Karlsruhe begeben.
Die Zweite Kammer hat
Ostern vertagt. Sonnabend bis nach
“ Mecklenburg⸗Schwerin.
Hur Feier des Geburtstages Seiner Königlichen Hoheit des . Eesh⸗ fand gestern früh in Schwerin große Reveille statt. ittags war große Parade der Garnison. In den Schulen hatten die Feierlichkeiten bereits am Sonnabend stattgefunden.
Braunschweig. Seine Königliche Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen, Regent des Herzogthums Braunschweig, ist vor⸗ gestern Abend von Berlin wieder in Braunschweig eingetroffen.
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha.
Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Herzogin von Edinburg und Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Victoria von Edinburg sind gestern wieder in Coburg eingetroffen.
Reuß j. L.
Der Landtag ist am Sonnabend nach Erledigung seiner Geschäfte durch den Staats⸗Minister Dr. Vollert bis auf weiteres vertagt worden. 1“
OSDesterreich⸗Ungarn.
Der Kaiser hat, wie „W. T. B.“ berichtet, am Sont abend Nachmittag den Erbgroßherzog von Luxemburg in Privataudienz empfangen.
Der König von Sachsen traf gestern Nachmittag in wurde von der Erzherzogin Maria Josepha auf dem Bahnhof begrüßt, wo auch die Spitzen der Civil⸗ und Militärbehörden zum Empfang anwesend waren.
Prag ein und
Der König begabh sich hierauf nach der Hofburg, wo Aller
höchstderselbe während seines hiesigen Aufenthalts Wohnung
genommen hat. Der Prinz und die Prinzessin Friedrich
August von Sachsen waren bereits am Sonnabend in Prag
eingetroffen. Der rumänische Bevollmächtigte für die Führung der Unterhandlungen über den Abschluß eines Handelsv ertrages,
zwischen Oesterreich⸗Ungarn und Rumänien, Papiniu b wird — den allernächsten Tagen zur Fortsetzung dieser Unterhandlungen wieder in Wien eintreffen.
wird dem „Frdbl.“ zufolge in
11“ österreichischen Abgeordnetenhause äußerte im Verlauf der Debatte über das Fin anzgesetz der Finanz
Minister Dr. Steinbach hinsichtlich der Finanzlage: es habe
sich vieles gebessert, obwohl noch manches zu wünschen übrig bleibe, wie beispielsweise die Frage der Tilgungsrente gegen über der natürlichen Steigerung der Steuerkraft. Der
Minister wies weiter auf die Zunahme des E“ hin und erklärte, daß er Investitionen im Interesse der volkswirth⸗ schaftlichen Entwickelung niemals feindlich gegenüberstehe, wenn die Deckung der Zinsen der Investitionsanleihen aus den Hinsichtlich der Währung
und auf diejenige der Budgets anderer Ressorts
ordentlichen Einnahmen Valutaregelung Oesterreichs sei
die Schwankungen
n möglich sei. constatirte der Minister, die dadurch viel selbständiger
1 ” geworden, hätten aufgehört. Die
ungünstige
Handelsbilanz von 1892 sei eine nothwendige Folge des Ueber⸗
gangsstadiums. Die Entscheidung, ob der Monometallismus oder der Bimetallismns eingeführt werden solle, könne Oester⸗ reich ruhig abwarten, Oesterreich habe die Freiheit zurück⸗ erlangt und sei nicht mehr von den Schwankungen des Silbers abhängig. —
Von den jungczechischen Abgeordneten Slavik und Ge⸗ nossen ist im Abgeordnetenhause ein Antrag auf Ein⸗ führung des allgemeinen Stimmrechts eingebracht worden, dem eine Erklärung vorausgeschickt ist, des Inhalts, daß die czechischen Abgeordneten den rechtlichen Bestand der Verfassung negiren und die Restituirung der Rechte der böhmischen Krone anstreben. Die Antragsteller verlangen in dem von ihnen vorgelegten Gesetzentwurfe, daß jeder eigenberechtigte österreichische Staatsbürger. der das 24. Lebensjahr vollendet hat, activ wahlberechtigt sei, daß ferner die Zahl der Abgeordneten auf 400 erhöht werde, daß die allgemeinen Wahlen in jedem einzelnen Kronlande alf einem Tage, und zwar an einem Sonntage vorgenommen werden und daß die Anordnungen bezüglich der Feststellung der Wahlbezirke, der Verfassung der Wählerlisten, des Re⸗ clamationsverfahrens und der Vornahme der Wahl im Wege der Landesgesetzgebung bestimmt werden.
Nach dem Schluß der Sitzung des ungarischen Unter⸗ hauses vom Sonnabend ordnete der Präsident auf den Wunsch von zwanzig Abgeordneten eine geheime Sitzung an. Eötvös motivirte darin das Verlangen danach mit einem Zwischenfall in den Couloirs, wo der Abg. Polonyi zufällig Ohrenzeuge gewesen, daß ein Journalist eine die freie Ausübung der Abgeordnetenrechte verletzende Aeußerung über Polonyi gethan habe. Cötvös kündigte einen Antrag an, den Präsi⸗ denten zu ersuchen, die persönliche Immunität der Abgeord⸗ neten und die freie Ausübung ihres Berufes zn schützen. Nach eingehender Meinungsäußerung verschiedener bgeordneten er⸗ klärte der Präsident, er werde der Hausordnung entsprechend in der nächsten Sitzung beantragen, die Angelegenheit dem Immunitätsausschusse zuzuweisen. 8
Großbritannien und Irland.
Ueber weitere Kundgebungen gegen die Homerule⸗ Bill berichtet die „A. C.“: Am Freitag hielt das Londoner Comité der irischen Unionisten⸗Albiance unter dem Vorsitz des Lord Arthur Hill eine Sitzung ab. Es wurde ein Suhcomité ernannt, das die Vorbereitungen zu einer großen am 22. April in der Albert⸗Hall stattfindenden Demonstration machen soll. Es wird beabsichtigt, 3000 englische und schottische Arbeiter in Abtheilungen nach Ulster zu senden, damit sie mit den Ansichten der Mitglieder ihrer Klasse in jener Provinz über die Vorlage bekannt werden. 500 Arbeiter werden wahrscheinlich noch vor Ostern von Durham, Newcastle und Northumberland dorthin eschickt werden. Die Reisekosten werden in allen Fällen den Arbeitern ersetzt, und auch in Ulster werden sie freie Kost und Logis erhalten. Die Handelskammer in Belfast sprach sich in der am Freitag von ihr abgehaltenen Versammlung ebenfalls gegen die Homerule⸗Bill aus. Sie erklartaz aß Irland nicht pecuniäre Mittel genug besitze, um eine eigene Regierung zu unter⸗ halten; sollte die Vorlage zum Gesetz erhoben werden, so würden der Handel und die Industrie in Belfast, die sich unter der Aegide des Reichsgesetzes entwickelt haben, sehr darunter leiden. Der finanzielle Theil der Vorlage wurde ebenfalls
“ Gedächtniß Jules Ferry’s.
ür ungesund erklärt. — In Edinburg fand am Freitag — achnghalls eine große Versammlung unter dem Vorsitz des Marquis von Tweedale gegen die Homerule⸗Vorlage statt.
Frankreich. .
Im Senat S. 1“ * L1. 3 be⸗ der Vice⸗Präsiden erlin eine kurze Ansprache zum 8 e.v Merlin führde aus, der Tod Ferry's sei ein großer Verlust für den Senat und ganz Frankreich. Der Verstorbene habe sein ganzes Leben der Vertheidigung der staatsbürgerlichen Freiheiten, der Größe und Ausdehnung
rankreichs, der Entwickelung und Befreiung der menschlichen Feenaaef gewidmet. Ferry habe den Namen eines wahren Staatsmannes verdient und hätte Frankreich noch große Dienste leisten können. Der Senat hörte diese Ansprache in tiefer Bewegung an. Der von der Regierung verlangte Credit für das Leichenbegängniß Ferry's wurde sodann mit 233 egen 30 Stimmen bewilligt und die Sitzung zur Bekun⸗ ung der Trauer aufgehoben. Die Deputirtenkammer nahm ebenfalls den verlangten Credit für das Leichenbegän niß Ferry’s an. Baudry d'Asson von der Rechten hatte allein die Vorlage bekämpft. Die Kammer beschloß alsdann, an dem Tage des Leichenbegängnisses keine Sitzung abzuhalten. 8 Die Beisetzung der Leiche Jules Ferry's ist definitiv auf Mittwoch angesetzt worden. Die Beerdigung findet, einem Wunsche des Verstorbenen entsprechend, in St. Dis statt.
Die Panama⸗Untersuchungscommission vernahm am Sonnabend die Minister Bourgeois und Ribot, die hinsichtlich des Falles Herz mittheilten, daß die Regierung die Auslieferung Herz verlangt hätte, daß aber die Aerzte die Unmöglichkeit, Herz von London nach Paris zu überführen, bescheinigt hätten. Der Justiz⸗Minister Bourgeois machte hierauf nähere Mittheilungen über die Schritte, die geschehen eien, um Arton ausfindig zu machen, und erklärte sich bereit, in datenweises Verzeichniß aller angestellten Recherchen vor⸗
. Das „Journal des Débats“ publicirt einen Theil der neugefundenen Papiere Reinach's. (Siehe die vorgestrige Nummer des „R.⸗ u. St.⸗A.“.) Die Verrechnung der an Herz gezahlten Summen enthält u. a. die Ziffer 50 000 mit dem Vermerk „Crispi“ (vgl. „Italien“). Man fand ferner einen Bon über 25 000 Fr., die an Andrieux gezahlt worden waren. Andrieux versichert, die Summe stamme von einer Schuld⸗ forderung an den früheren Deputirten Guillot her, die dieser on Reinach habe escomptiren lassen. Nach einem Telegramm er „Frkf. Ztg.“ wird Andrieux vor den Untersuchungs⸗ richter geladen werden. 8 1 Die Verhandlung im Panama⸗Bestechungsprozesse am Sonnabend begann unter weniger zahlreicher Betheiligung des Publikums. Der Vertheidiger von Balhaut, Ro usseau, bestritt in seinem Plaidoyer, daß Balhaut die Summe von 375 000 Fr. erpreßt habe. Ebensowenig habe Baihaut seinen Einfluß verkauft, er habe lediglich ein ihm dargebotenes Geschenk angenommen. Der Rechtsanwalt Lallier vertheidigte alsdann Blondin undsuchte nachzuweisen, daßer weder Mitschuldiger noch Mitwisser Balhaut’s sei und daher freigesprochen werden müsse. Der Vertheidiger Sans⸗Leroy's, Danet, suchte festzustellen, daß die Summe, die Sans⸗Leroy erhalten haben sollte, nicht aus den Panamageldern, sondern aus der Mitgift seiner Frau herrühre. Die Sitzung wurde sodann auf heute vertagt. 3 Ein im „Figaro“ veröffentlichter Brief schildert die Lage in Dahomey als eine sehr gefährdete, die Sterblichkeit unter den Truppen sei überaus groß. Einer Meldung des „Temps“ zufolge werde befurchtet, daß der König Behanzin, der noch ein beträchtliches Kriegsmaterial besitze, beim Eintritt der Regenzeit die Offensive ergreife. Nach einem Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“ aus Lagos sollen zwanzig Deserteure von dem französischen Expeditions⸗Corps in Dahomey dem König Behanzin in die Hände gefallen sein. In Lagos seien dahomeyische Emissäre
eingetroffen. Rußland.
St. Petersburger Meldungen der „Politischen Correspon⸗ denz“ bestätigen die bereits in Nr. 57 des „R.⸗ u. St.⸗A.“ vom 7. d. M. mitgetheilte Nachricht, daß der Kaiser und die Kaiserin sich in ungefähr vierzehn Tagen zu einem vier⸗ wöchigen Aufenthalt nach Livadia begeben werden, woselbst auch der Großfürst Georg eintrifft.
Der Minister des Auswärtigen von Giers wird gegen den 27, d. M. in St. Petersburg eintreffen.
1 Italien.
Der Staatsrath hat, wie „W. T. B.“ aus Rom meldet, einstimmig entschieden, daß ein Disciplinar⸗ vwerfahren gegen Bonghi wegen der von diesem jüngst veröffentlichten Artikel nicht einzuleiten sei.
Der „Corriere della Sera“ theilt eine Unterredung seines römischen Correspondenten mit dem früheren Minister Baron Nicotera mit über zwei die Unterschrift Nicotera's tragende Billets an den ehemaligen Gouverneur der „Banca Romana“ Tanlongo, worin letzterer um Geld angegangen wird. Nicotera erklärte dem Correspondenten, er habe sich vor seinem Eintritt in das Ministerium Rudini mit Hilfe einer
rivatperson früher eingegangener Verpflichtungen im Betrage von 400 000 Fr. entledigt. Dann habe er zur Deckung unvorhergesehener polizeilicher Auslagen anläßlich der Vor⸗ gänge am 1. Mai 1891 nochmals seine Zuflucht zu jener Privatperson nehmen müssen, derselben aber alles zurückerstattet. Als er aus dem Amt ausgeschieden sei, habe er 175 000 Fr. in den geheimen Fonds zurückgelassen. Nicotera stellte in Abrede, im vergangenen Oktober an Tanlongo geschrieben und Geld von ihm verlangt zu haben. Er habe später, nachdem er nicht mehr Deputirter gewesen sei, zahlreichen Personen geschrieben und vielleicht auch irgend ein illet an Tanlongo geschickt, mit dem er eine Unterredung sehabt⸗ bei der ihm dieser politische Vorschläge gemacht abe. Trotz des Drängens des Correspondenten weigerte sich Nicotera, den Inhalt seiner Unterredung mit Tanlongo mit⸗ utheilen, sondern sagte, er werde dem Parlament in einigen Tagen die Einsetzung einer parlamentarischen Enquôte in der Angelegenheit der Banken . Wenn der Minister⸗Präsident Giolitti sich diesem Vorschlage widersetze, dann könne der Inhalt seiner Unterredung mit Tanlongo der Oeffentlichkeit übergeben werden.
„Aus Anlaß der Nachricht, Crispi figurire in den Pa⸗ pieren Reinach’s mit 50 000 Frcs. (siehe unter Frankreich) er⸗ klärt die „Agenzia Stefani“, Crispi sei seit dem Jahre 1866, bis er Minister geworden, Advocat der Häuser Reinach in aris und Frankfurt für deren italienische Interessen gewesen. Im Februar 1891 habe Jacques Reinach Crispi gebeten, seine Vertretung wieder zu übernehmen, und zugleich das bis zum
“ “
Jahre 1887 schuldige Honorar beglichen. Crispi sei noch heute Weeee Lucian Reinach, einem Sohn des Ver⸗ storbenen, der Immobilien in Italien besitze.
Spanien.
Bei den Wahlen zum Senat ist dem „W. T. B.“ zu⸗ folge bisher folgendes Resultat festgestellt worden: 84 Mini⸗ sterielle, 23 Conservative, 5 Republikaner, 2 conservative Dissidenten, 1 Carlist und 1 Unabhängiger. Die Zahl der zu wählenden Senatoren beträgt 180.
Portugal. Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Lissabon von gestern entgleiste der Eisenbahnzug, worin sich der König und die Königin nach Caldas zur Einweihung des dortigen Krankenhauses begeben wollten, bei Campolide. Der Königliche Salonwagen wurde beschädigt; Personen wurden nicht verletzt.
Schweiz.
Die Regierung der Niederlande hat dem „Bund“ zu⸗ folge dem Bundesrath ihren Beitritt zu den Protokollen 2 und 3 der Madrider Conferenz der internationalen Union zum Schutze des gewerblichen Eigenthums erklärt. Es betrifft dies: 1) die Uebereinkunft über die internationale Eintragung der Fabrik⸗ und Handelsmarken vom 14. April 1891; 2) das Protokoll über den Credit des internationalen Bureau, vom 15. April 1891.
Serbien.
Die Nachwahlen in dem Piroter Wahlbezirk er⸗ gaben ein den Radicalen günstiges Resultat. In liberalen Kreisen wird, wie „W. T. B.“ berichtet, auf Grund der bisherigen Wahlergebnisse folgendes Resultat aufgestellt: 68 Liberale, 63 Radicale und 3 Angehörige der Fortschrittspartei. In fortschrittlichen und radicalen Kreisen wird die Richtigkeit dieser Aufstellung lebhaft angefochten; obwohl die endgültige Klärung erst nach dem Zusammentritt der Skupschtina mög⸗ lich ist, darf eine geringe Majorität für die Regierung als sicher angesehen werden.
Bulgarien.
Nach einer leichten Besserung, welche in den letzten Tagen eingetreten war, leidet der Prinz Ferdinand von Sachsen⸗Coburg, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, seit Freitag wieder an heftigen Schmerzen hinter dem Ohr und am Hinterhaupt. Das Ohrenleiden des Prinzen ist indessen nach dem Ausspruch des Professors Politzer nunmehr fast völlig gehoben. Die noch vorhandenen Schmerzen rühren von Neuralgie im Nacken und Hinterhaupt her. Die am Sonnabend von der Regierung veranlaßte Be⸗ rufung des Professors Billroth hatte nur den Zweck, eine eventuelle Operation in Gegenwart einer Autorität vor⸗ venhnt ein operativer Eingriff ist jedoch überflüssig ge⸗ worden.
Die „Agence Balcanique“ erklärt die Gerüchte von einem Attentat auf den Prinzen Ferdinand für vollständig 1e ihr Entstehen sei durch keinerlei Ereigniß der etzten Tage gerechtfertigt. In der Hauptstadt sowie im ganzen Lande herrsche vollkommene Ruhe und Ordnung.
In dem Prozeß gegen Ilia Georgiew wurden am Sonnabend zwölf Zeugen vernommen. Aus ihren Aussagen geht hervor, daß eine Verschwörung gegen den Prinzen Ferdi⸗ nand und Stambulow bestanden habe, woran der Angeklagte betheiligt gewesen sei. Im Jahre 1890 habe Georgiew öffent⸗ lich gesagt, die Regierung werde binnen kurzem durch eine “ fallen. Man glaubt, der Prozeß werde heute beendigt werden. 8 1
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Eine Depesche des „New⸗York Herald“ meldet aus Val⸗ paraiso, daß 3000 Mann unter dem Befehl des Generals Tellos stehende brasilianische Regierungstruppen durch föderalistische Streitkräfte unter General Tavarez in der Nähe von Ypacaray völlig in die Flucht geschlagen worden seien. Nach dem Kampf habe Tavarez eine Truppen⸗ abtheilung den Fliehenden nachgeschickt, eine zweite Division in der Richtung auf Santa Ana nach der Grenze von Uru⸗ gugy entsandt. Der Ort Legud werde vom General Hipolito mit einer größeren Truppenmacht besetzt gehalten. Wie W. T. B.“ dagegen aus Paris erfährt, erklärte der dortige
„᷑ꝗlb
brasilianische Gesandte diese Nachricht für durchaus unbegründet.
Parlamentarische Nachrichten.
Deutscher Reichstag.
Der Brricht über die vorgestrige Sitzung befindet sich in der Ersten Beilage.
71. Sitzung vom Montag, 20. März, 1 Uhr.
Der Sitzung wohnen bei der Reichskanzler Graf von Caprivi und die Staatssecretäre Dr. von Boetticher, Dr. von Stephan, Freiherr von M altzahn, Freiherr von Marschall, sowie der Königlich preußische Kriegs⸗ Minister von Kaltenborn⸗Stachau.
Zur Berathung steht der Reichshaushalts⸗Etat für 1893/94 in dritter Lesung.
In der Generaldebatte bemerkt der
Abg. Liebknecht (Soc.): Auf die Fragen, welche während der
zweiten Berathung des Etats angeregt worden sind, werde ich um so weniger zurückkommen, als das Interesse des Volks ausschließlich von dem Militarismus beherrscht wird, von der Frage, ob er auf diesem verderblichen Wege der Aufzehrung aller Volkskraft durch die mili⸗ tärischen Rüstungen weitergehen soll oder nicht. Die Berathung der neuen Heeresvorlage in der Commission und alles, was dort gesagt worden ist, alles, was in der Presse zur Unterstützung dieser neuen Be⸗ lastung geltend gemacht worden ist, hat im Volk die Ueberzeugung bestärkt, daß mit diesem System endlich aufgeräumt werden muß. Die Cultur⸗ widrigkeit dieser ganzen Einrichtung hat sich nirgends deutlicher als in dem geheimen Militärgerichtsverfahren, in den brutalen und scheuß⸗ lichen Soldatenmißhandlungen gezeigt, die uns auch diesmal wieder bekannt geworden sind. Alle diefe Erscheinungen liegen im System des Militarismus und werden erst mit ihm ver⸗ chwinden. Nichts deutet diese unerhörte Steigerung der Militärlast als nothwendig an. Rußland ist bankerott. Frankreich ist durch den Panamaskandal gelähmt. Ich will hoffen, daß die Hoffnungen derer, welche den Militarismus als Selbstzweck wollen, zu schanden werden; daß jeder, der für die Militärvorlage ein⸗ treten will, in den Osterferien derart von seinen Wählern ins Gebet genommen wird, daß ihm die Lust dazu nach Östern vergeht, daß n. ch Ostern dieser Vorlage ein massenhaftes Nein! entgegenschallt. Kommt. es dann zu den Wahlen, dann werden wir den Vernichtern der Soecial⸗
demokratie Auge in Auge gegenüberstehen und sehen, wer dabei ge⸗ winnt. Das Volk wird nach unserer Meinung der Vorlage ein so
und der Minister für Landwirthschaft ꝛc.
entschiedenes Nein entgegenstellen, wie wir über thun. (Schluß des Blattes.) 3
111““
111““ Herrenhaus. 8 Der Bericht über die vorgestrige Sitzung befindet sich in der 88 Ersten Beilage.
5. Situng vom 20, Maärkzrz
Der Sitzung wohnen der Justiz⸗Minister Dr. von Schelling und der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse bei.
Der Gesetzentwurf über die Abänderung von Amts⸗ gerichtsbezirken wird ohne Debatte genehmigt.
Darauf erfolgt die Neuwahl des Ersten Präsidenten an Stelle des verstorbenen. Herzogs- von Ratibor. Bei der Wahl werden 158 gültige Stimmen abgegeben; davon sind zwei unbeschrieben. Es erhalten Fürst Otto zu Stolberg Wernigerode 124, Graf Brühl 28, Fürst Hatzfeld 2, Frei⸗ herr von Manteuffel und Dr. Baumbach je eine Stimme.
Der Fürst zu Stolberg⸗Wernigerode nimmt die Wahl mit folgenden Worten an:
Indem ich den Vorsitz übernehme, sage ich zunächst allen den⸗ jenigen Herren, welche mir ihre Stimme gegeben haben, den verbind⸗ lichsten Dank für das mir entgegengebrachte Vertrauen. Ich betrachte es als eine besondere Ehre, an Stelle des leider verstorbenen hochver⸗ ehrten Präsidenten an die Spitze dieses Hauses berufen zu werden, einer Körperschaft, welche berufen ist, im Wechsel der Tages⸗ meinungen einen festen Punkt und damit eine Stütze der Monarchie zu bilden. Mein Bestreben soll dahin gerichtet sein, nach bestem Wissen und Gewissen die Verhandlungen gerecht zu leiten, die Geschäfte des Präsidiums sachgemäß zu erledigen und die Würde des Hauses nach außen und nach innen gewissenhaft zu wahren. Ich bitte, daß Sie mir bei diesem Bemühen freundlich begegnen und bei allen vorkommenden menschlichen Irrungen mich milde beurtheilen.
Darauf sprach der Fürst zu Stolberg⸗Wernigerode dem Freiherrn von Manteuffel für seine bisherigen Be⸗ mühungen den Dank des Hauses aus: die Anwesenden schließen
sich diesem Dank durch Erheben von den Plätzen an. (Schluß
des Blattes.)
Haus der Abgeordneten. 56. Sitzung vom 20. März. Der Sitzung wohnen der Finanz⸗Minister Dr. Mig uel von Heyden bei.
In erster und zweiter Berathung wird der Gesetzentwurf zur Ergänzung des Gesetzes vom 3. Juni 1876, betreffend die evan⸗ gelische Kirchenverfassung in den acht älteren Pro⸗ vinzen der Monarchie (betr. Bewilligung von Tagegeldern und Reisekosten für die Mitglieder der Kreissynoden und der Provinzial⸗ synoden) angenommen, nachdem Abg. Dr. Langerhans (dfr.) sich dagegen erklärt hat, weil später die Synoden vielleicht eine staatliche Unterstützung für diese Ausgaben an Diäten und Reisekosten verlangen könnten, wäßerns Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Hegel bemerkt, daß hier nur die Synoden ermächtigt werden, diese Ausgaben aus Kirchen⸗ steuern zu decken, und die Abgg. Freiherr von Minnigerode⸗ Rositten (cons.) und Im Walle (Centr.) die Angelegenheit lediglich als ein Internum der evangelischen Kirche ansehen.
Es folgt der von Mitgliedern aller Parteien unterstützte Antrag des Abg. von Schenckendorff (nl.): In Rücksicht darauf, daß die auf Verbreitung des Handfertigkeitsunterrichts gerichtete Bewegung seit dem letzten Jahrzehnt in fast allen Culturländern Aufnahme und zum theil weite Ausdehnung gefunden hat; sowie in Rücksicht darauf, daß ein solcher allgemein verbreiteter Unterrichtszweig wirthschaftlich⸗ und pädagogisch bedeutsam erscheint, wird die Regierung ersucht, den hierauf gerichteten Bestrebungen staatlicherseits eine weitergehende Förderung zu theil werden zu lassen, als es seither geschehen ist, sowie gleichzeitig Vorsorge zu treffen, daß die Lehrerseminare allmählich diesen Unterrichtszweig als einen freiwilligen aufnehmen.
Abg. von Schenckendorff (nl.): Die hier im Hause statt⸗ gehabte Ausstellung der für Chicago bestimmten Feihen der Resultate des Handfertigkeitsunterrichts hat dessen erheblichen Fortschritte dargelegt Thatsächlich steht aber Deutschland in der Reihe derjenigen Länder, die diesen Unterricht staatlicherseits fördern, oder ihn in ihren Schulen und Seminaren ein eführt haben, erst an Frankreich, England, Schweden, Norwegen, die Schweiz, Belgien u. s. w. gehen voran. In Frankreich ist dieser, Unterricht für alle Volks⸗ und Bürgerschulen obligatorisch. In Deutschland ist die staatliche Unterstützung sehr gering, Preußen gewährt nur 14 000 ℳ; die Provinzialvertretungen geben der centralen Leitung gar nichts. Trotzdem ist die Bewegung in Deutschland aus der Volksinitiative heraus lebhaft in Fluß. Gegenwärtig wird an 400 Schulen von 800 Lehrern Unterricht ertheilt. Die Ausgaben beziffern sich auf ca. 200 000 ℳ Die Bewegung ist auf Pestalozzi und Fröbel zurück⸗ zuführen. Daß ein Unterricht, der in systematischer Weise das Kind den körperlichen Stoff gestalten lehrt, körperlich schult, Hand, Auge und Anschauung bildet, die praktische Intelligenz fördert, zum Fleiß und zur Betriebsamkeit erzieht, und auch zu einer Entlastung von einseitiger geistiger Arbeit führt, pädagogisch bedeutsam ist, bedarf hier keines weiteren Beweises. Schon die bahnbrechenden Päda⸗ gogen, von Comenius, ja Ratisch ab, haben diese Auffassung gelehrt. Daß die Sache erst heute Verbreitung finder, kommt daher, daß dieser Gegenstand erst jetzt unterrichtlich in System und Methode gestaltet worden ist. 11 1½ unserer Bevölke⸗ rung lebt von der Arbeit der Hand. So gut wie nichts thut unsere Erziehung, um sie in diese werkthätige Arbeit einzuführen, man erzieht nur zu geistiger Arbeit. Indem der Handfertigkeitsunterricht Hand⸗ geschicklichkeit, praktische Auffassung, Betriebsamkeit und auch den Geschmack auf der breiten Grundlage der Erziehung fördert, werden Anlagen und Kräfte, die heute ungehoben bleiben, entwickelt, die in reichem Maße eine Hebung der nationalen wirthschaftlichen Leistungs⸗ fähigkeit herbeiführen müssen. Mehrere Handelskammern haben sich für diesen Unterricht ausgesprochen. Besonders gefördert haben die Bestrebungen seither die Minister für den Unterricht, des Innern und für Landwirthschaft; aber im ganzen war die Haltung eine beobachtende, reservirte. Der Antrag wünscht daher eine weiter⸗ gehende staatliche Förderung und die Mitwirkung der Unterrichtsver⸗ waltung nach folgenden Richtungen: Eine Mitberathung bei der ferneren Gestaltung von System und Methode, sowie eine Anregung bei den Gemeinde⸗ und Schulbehörden zur Errichtung von Schulen, Gewäbrung der Kosten für die Lehrerausbildung, später dauernde Unterstützung, und endlich eine allmähliche Einführung in alle Präpa⸗ randenanstalten und Lehrerseminare. Mein Antrag hat die seltene Unterstützung von 175 Mitgliedern gefunden, er wird also nur geringen Widerspruch finden. Möchte also Preußen hier entschieden vorangehen zum Segen der Jugend.
Bei Schluß des Blattes nimmt der Finanz⸗Minister Dr. Miquel das Wort.
neunter Stelle.
— Im Reichstag ist von den Abgg. Menzer (dcons. und Genossen folgende Interpellation eingebracht worden Beabsichtigen die verbündeten Regierungen angesichts des im letzten Jahre uͤberraschend zu Tage getretenen Rückganges des deut schen Tabackbaues demnächst gesetzgeberische Maßregeln vorzuschlagen die geeignet sind, diesen Rückgang und den damit unabweisbar ver
bundenen Ruin weiter Kreise unserer deutschen Tabackbauern auf zuhalten? 8 8