1893 / 72 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 24 Mar 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Lehnert: Es liegt nicht an der mangelnden Neigung der Regierung, Aufbesserungen zu gewähren, sondern am Mangel der Mittel, daß zunächst nichts geschehen kann. Ein solches Vorgehen, wie es der Ober⸗Bürgermeister Bötticher empfiehlt, würde gerade die allgemeine Unzufriedenheit permanent

Ober⸗Bürgermeister Bötticher: Es handelt sich hier nur um 38 Beamte. Ich beantrage: Das Herrenhaus wolle die Staatsregie⸗ rung ersuchen, eine Erhöhung des Gehalts dieser Beamten in Erwä⸗ gung zu ziehen.

Gta⸗ von Zieten⸗Schwerin: Die Budgetcommission weiß es der Regierung Dank, daß sie endlich damit gebrochen hat, ein⸗ zelne Beamtenkategorien herauszugreifen. In dem unerträglichen Zustande unzureichender Besoldung befinden sich sehr zahlreiche Beamtenklassen. Dieser unerträgliche Zustand muß ertragen werden, bis die Staatskasse durchgreifend helfen kann.

„Graf Brühl äußert sich in demselben Sinne.

Fman. Mtifter Dr. Miquel: Bei der gegenwärtigen Finanz⸗ lage kann dem berechtigten Wunsche nach allgemeiner Aufbesserung der Gehälter nicht entsprochen werden. Beamten bedürfen der Aufbesserung am dringendsten.

Graf von Pückler spricht sich für den Antrag Bötticher aus.

Der Antrag Bötticher wird abgelehnt.

Zum Etat der landwirthschaftlichen Verwaltung hat Fürst von Hatzfeldt⸗Trachenberg den Antrag gestellt, die Regierung zu ersuchen, in diesem Etat künftig zur Förde⸗ rung genossenschaftlicher und communaler Flußregulirungen anstatt 500 000 drei Millionen Mark einzusetzen, ferner den Dispositionsfonds zur Unterstützung landwirthschaft⸗ licher Vereine und zur Förderung der Landkultur im all⸗ gemeinen von 310 000 auf 500 000 zu erhöhen. Die Budgetcommission beantragt, den Antrag der Regierung zur Erwägung, inwieweit eine spätere, an sich wünschens⸗ werthe Erhöhung der beiden Positionen eintreten kann, zu überweisen.

Prinz zu Schönaich⸗Carolath bittet den Minister, für die Bewohner der durch die Oder überschwemmten Ortschaft Schillno Staatshilfe in umfangreicherem Maße zu gewähren.

Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden kann eine bindende Erklärung zur Zeit noch nicht abgeben.

Freiherr von Durant bedauert, daß das Rentengütergesetz nur noch dazu benutzt werde, aus großen Besitzungen kleine zu machen. Auch in Gegenden, wo zwischen Groß⸗ und Kleingrundbesitz kein Miß⸗ verhältniß besteht, werde zu eifrig mit der Begründung von Renten⸗ gütern vorgegangen. Der Minister sollte die Generalcommissionen anweisen, den bezüglichen Anträgen der Grundbesitzer nicht zu sehr entgegenzukommen.

Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden: Eine solche all⸗ gemeine Einwirkung ist für mich nicht möglich. Die General⸗Com⸗ missionen sind aber in der Lage, genau zu prüfen, ob in dem einzel⸗ nen Falle alle Voraussetzungen für die Begründung von Rentengütern vorliegen. Hierin dürfte die Abhilfe liegen, die der Vorredner wünscht; die Commissionen werden allmählich in immer festere Bahnen bei ihren Entscheidungen gelangen. Bis jetzt ist der Andrang der Angebote sehr groß gewesen.

Freiherr von Durant wünscht, daß wenigstens den Commissionen aufgegeben werde, aus den zahlreichen Angeboten eine Auswahl aufzu⸗ stellen, nach der die Reihenfolge der Rentengutsbildungen festgestellt wird. Damit wäre schon etwas gewonnen.

Ober⸗Bürgermeister Struckmann empfiehlt größere Staats⸗ aufwendungen für die landwirthschaftlichen Mittelschulen.

Landesdirector von Levpetzow schließt sich diesem Wunsch an. Die Frage der Erhöhung der Gehälter der Lehrer an diesen Schulen

Die Gehälter der mittleren

gehe die Provinzen und die Kreise gar nichts an; auch hätten weder die einen noch die anderen bei ihren sonstigen stets steigenden Lasten zu freiwilligem Einspringen irgendwie Lust.

Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden: Bei der Durch⸗ führung des Normal⸗Etats konnten diese Schulen nicht berücksichtigt werden. Die Regierung hat sich an die Provinzen und Kreise ge⸗ wendet. Führen die Verhandlungen mit diesen nicht zum Ziel, so bleibt nur übrig, die Schulen eingehen zu lassen oder sie zu ver⸗ staatlichen. .

Graf zu Inn⸗ und Knyphausen tritt für die Beschleunigung des Neubaues der Thierärztlichen Hochschule in Hannover ein; bezügli des zu wählenden Platzes möge man dem Urtheil des Directors der Anstalt vor dem der technischen Deputation den Vorzug geben.

Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden bezieht sich auf seine im andern Hause abgegebenen Erklärungen. 8 8

Für den verhinderten Fürsten Hatzfeldt begründet Graf Frankenberg den Antrag auf Verstärkung der Fonds für Flußregulirungen und für die landwirthschaftlichen Vereine.

Graf von Frankenberg: Das vom Prinzen Carolath an⸗ geführte Beispiel beweise, wie nothwendig die Erhöhung des erst⸗ genannten Fonds sei. Die halbe Million, die der Etat auswerfe, sei geradezu winzig. Andererseits werde er sich nicht wundern, wenn das Haus bei der jetzigen Finanzlage keine Neigung für den Antrag habe. Der zweite Antrag bezwecke eine bessere Dotation der knappen Fonds für die Vereine und die Hebung der Landescultur im allgemeinen.

Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden: Die Regierung werde zu erwägen haben, ob für eine Verstärkung dieser Fonds Mittel vorhanden oder flüssig zu machen seien.

Der Antrag der Budgetcommission zu dem Antrage des Fürsten Hatzfeldt wird angenommen.

Beim Gestüts⸗Etat wird der Verwaltung von den Herren von Klitzing und von Bemberg⸗Flamers⸗ heim der Dank für die Förderung der Pferdezucht ausge⸗ sprochen. 1* 1

Beim Etat des Finanz⸗Ministeriums wünscht Graf zu Inn⸗ und Knyphausen die Ausgestaltung der noch nicht voll organisirten Regierungen zu Stralsund, Aurich, Stade und Sigmaringen. (Schluß des Blattes.)

Im 2. Arnsberger Reichstagswahlkreise (Arnsberg⸗Meschede⸗Olpe) ist an Stelle des verstorbenen Abgeordneten Dr. Peter Reichensperger der Chef⸗Redacteur Fusangel zu Bochum (Centrum) mit 15 131 Stimmen zum Mitglied des Reichstags gewählt worden. Ober⸗Rentmeister a. D. Böse zu Münster (Centrum) hat 4729 Stimmen erhalten.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

8

Die Königlich württembergische landwirthschaftliche Akademie Hohenheim beging, wie der „Schwäb. Merk.“ berichtet, am 21. d. M. die Feier des sünfzigjährigen Doctorjubiläums ihres langjährigen ver⸗ dienten Lehrers, des Professors Dr. von Wolff⸗Hohenheim. Unter den zahlreichen Ehrungen, die dem Nestor der deutschen Agri⸗ cultur⸗Chemiker bei dieser Gelegenheit zu theil wurden, sei, außer der Erneuerung des Doctor⸗Diploms seitens der Universität Berlin, er⸗ wähnt, daß der Verband der deutschen landwirthschaftlichen Versuchs⸗ stationen dem Jubilar das Diplom als Ehrenmitglied verlieh und der „Club der Landwirthe“ in Berlin ihm eine künstlerisch sehr werth⸗ volle Adresse mit Diplom überreichen ließ.

Verdingungen im Auslande.

Dänemark. 10. April, 12 Uhr. Maskinchefen for Statsbanedriften-Mas- kinafdelingens Regpskabsförer- Karhus: Lieferung von u“ 65 000 Pfd. mineralischem Cylinderöl, 28 ca. 200 000 Pfd. gereinigtem Mineralöl, ca. 200 000 Pfd. Steinöl. ö“ Zedingungen und Angebotsformulare an Ort und Stelle.

Verkehrs Anstalten.

Laut Telegramm aus Goch ist die erste englische ost über Vlissingen vom 23. d. M. ausgeblieben; Grund: bel an der englischen Küste.

85

Mannigfaltiges.

Köln, 23. März. Ein kürzlich neu gefundenes Kohlen⸗ lager in der Eifel ist, wie die „Kölnische Volkszeitung“ meldet, vom Ober⸗Bergrath Dr. Diesterweg als devonische Anthracitkohle er⸗ kannt worden, die auch Schwefelkies führt. Derartige Kohle ist 28. in England abgebaut, aber in Deutschland noch nicht gefunden worden.

Charkow, 23. März. Auf der Wolga und dem Don ist, wie der „Köln. Züg. telegraphirt wird, Eisgang eingetreten. Die niederen Stadttheile von Charkow sind überschwvemmt. Der Eisgang richtet beträchtlichen Schaden an.

Palermo, 23. März. Der Hamburger Schnelldampfer 8 Fürft Bismarck“ ist laut Meldung des „W. T. B.“ heute Morgen 8 Uhr wohlbehalten hier eingetroffen. Das Wetter ist

sommerlich warm, an Bord Alles wohl.

8 Lüttich, 24. März. Das Schwurgericht verurtheilte, dem „W. wegen Ermordung des Rentiers Fresart zu lebenslänglicher Zwangs⸗ arbeit.

Christiania, 23. März. Die drei Matrosen von dem nor⸗ wegischen Schiff „Thekla“, welche wegen Kannibalismus an Norwegen ausgeliefert wurden, sind wic „W. T. B.“ meldet, frtei⸗ gesprochen und außer Verfolgung gesetzt worden.

Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen.

London, 24. März. (W. T. B.) Nach mehrmonatiger Dauer des Strikes, welcher großes Elend verursacht hat, gelangten in Lancashire die Arbeiter der Baumwoll⸗ spinnereien heute früh zu einer Einigung mit den Fabrikanten. Die Arbeiter nehmen die Lohnherabsetzung von 7 Pence per Pfund Sterling an. Die Fabriken sollen am Montag wieder eröffnet werden.

Moskau, 24. März. (W. T. B.) Die Stadtverord⸗ neten-Versammlung beschloß, die feierliche Bestattung des ermordeten Stadthauptes Alexejew auf Kosten der Stadt zu veranstalten und gleichfalls aus Mitteln der Stadt 200 000 Rubel zum Gedächtniß des Verstorbenen für wohl⸗ thätige Zwecke zu verwenden.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

8 Uhr Morgens.

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Wind. Wetter.

Stationen.

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red. in Millim. 5 °C

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Christiansund

Ober⸗Regisseur

Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Weingartner. Die Puppenfeec. tissement von Haßreiter und Gaul. Bayer. In Scene gesetzt vom Balletmeister Emil Graeb. Dirigent: Herr Steinmann. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. folgt. Zwei Scenen aus der Komödie des Lebens, srei nach dem Englischen des W. S. Gilbert und

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ens Ferhg. Jeen Lustgiet. vom Hbr 81 Uans⸗. stellung der Sgra. Nevada. Don Pasquale. zügen von Roderich Benedix. In Seene gesetzt vom Max Grube.

Pantomimisches Ballet⸗Diver⸗

Musik von J. Weiber von Windsor.

Don Juan.

Saison:

Sgr. de Padilla. Preise der Winter⸗

82. Vorstellung. Fortsetzung

(Bergheim: Herr Virctoria⸗Theater.

Kroll’'s Theater. Sonnabend: Die lustigen e Anfang 7 Uhr. Sonntag: Gastspiel von Frau Moran⸗Olden und

Fauteuil 3 ℳ, I. Parquet 2 ℳ, II. Parquet und Balkon 1,50 ℳ, Logensitz 1,25 ℳ, Stehplatz 75 G

Montag: Vorletztes Gastspiel und populäre Vor⸗ sohn.

Belle⸗Alliancestraße 7/8.

Conecerte.

Sing-Akademie. Sonnabend, Anfang 8 Uhr: II. Kammermusik⸗Abend von Joh. Krufe, Carl Markees, Ad. Müller, H. Dechert, unter gütiger Mitwirkung von Frau Alois Schmite⸗ Esänyi, sowie des Herrn Robert von Mendels⸗

Concert-Haus, Leipzigerstraße 48. Sonnabend: Karl Meyder⸗Concert. II. Internationaler

T. B.“ zufolge, heute die Anarchisten Petit und Cybers.

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Kopenhagen. Stockholm . . aranda. 6 heiter Petersburg 1t wolkig Moskau ... S Ihalb bed.

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¹) Reif. ²) Dunst. ³) Thau. 1G Uebersicht der Witterung.

Das gestern erwähntee barometrische Maximum hat sich auch über Nord⸗Europa ausgebreitet, sodaß die Wetterlage jetzt an Beständigkeit zugenommen hat. Ueber ganz West⸗Europa ist der Luftdruck hoch und gleichmäßig vertheilt, das Wetter ruhig und theils heiter, theils neblig ohne meßbare Niederschläge. In Deutschland zeigt die Temperatur durchschnitt⸗ lich wenig Aenderung, in den nördlichen Gebiets⸗ theilen liegt sie meist über, in den südlichen meist unter dem Mittelwerthe. Fortdauer der ruhigen, theils nebligen, theils heiteren Witterung wahr⸗

scheinlich. Deutsche Secwarte.

1““

Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opern⸗ haus. 75. Vorstellung. Die Rantzan. Oper in 4 Acten von Pietro Mascagni. Text von G. Targioni⸗Tozzetti und G. Menasci. (Nach Erkmann und Chatrian.) Deutsch von Max Kalbeck. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur

8

Friedrich Mitterwurzer, als Gast.) Anfang 7 Uhr.

Sonntag: Opernhaus. 76. Vorstellung. Lohen⸗ arin. Romantische Oper in 3 Acten von Richard Wagner. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Weingartner. An⸗ fang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 83. Vorstellung. Wilhelm Tell. Schauspiel in 5 Aufzügen von Friedrich von Schiller. (Tell: Herr Friedrich Mitterwurz 8 Gast.) Anfang 7 Uhr. 8

Deutsches Theater. Sonnabend glückliche Tage. Anfang 7 Uhr.

Sonntag: Der Talisman.

Montag: Der Talisman..

Berliner Theater. Sonnabend: Viel Lärm um Nichts. Anfang 7 Uhr.

Sonntag: Nachmittags 2 ½ Uhr: Das Käthchen von Heilbronn. Abends 7 ½ Uhr: Viel Lärm um Nichts.

Montag: Viel Lärm um Nichts.

Lessing⸗Theater. Sonnabend: Die Tragödie des Menschen. Anfang 7 ½ Uhr. Sonntag: Die Tragödie des Menschen.

Wallner⸗Theater. Sonnabend: Gastspiel von Hedwig Niemann. Cyprienne. Vorher: A tempo. Anfang 7 ½ ÜUhr.

Sonntag: Gastspiel von Hedwig Niemann. Cyprienne. Vorher: A tempo.

Friedrich⸗Wilhelmstüdtisches Theater. Chausseestraße 25.

Sonnabend: Die Fledermaus. Komische Operette in 3 Acten nach Meilhac und Halévvp, bearbeitet von C. Haffner und R. Genée. Musik von Johann Strauß Anfang 7 Uhr.

Sonntag: Die Fledermans.

Montag: Pariser Leben.

Residenz⸗Thenter. Direction: Sigmund Lauten⸗ burg. Sonnabend: Zum 14. Male: Die beiden Champignol. (Champignoel malgré Iui.) Schwank in 3 Acten von Feydeau und Desvalliéres. Deutsch von Benno Jacobson. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

Sonnabend: Mit neuer Ausstattung: Die Reise um Abend.

die Welt in achtzig Tagen. Großes Aus⸗ stattungsstück mit Ballet in 5 Acten (15 Bildern) von A. d'Ennery und Jules Verne. Ballet arran⸗ irt vom Balletmeister C. Severini. Musik von ebillemont und C. A. Raida. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag und 1.S Tage: Die Reise um die Welt in achtzig Tagen.

Neues Theater (am Schiffbauerdamm 4/5). Sonnabend: Zum 2. Male: Der eiserne Graf. Schauspiel in 1 Aufzug von Ferd. Runkel. Hierauf: Tosca. Schauspiel in 5 Mtten von V. Sardon. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag: Der eiserne Graf. Tosca.

Theater Unter den Linden. Sonnabend: Zum 1. Male: Unter persönlicher Leitung des Com⸗ ponisten: Columbia. Ausstattungs⸗Ballet. Welt⸗ Ausstellung in Chicago. Die deutsche Ab⸗ theilung. Vorher (letzte Woche): Lachende Erben. (Fräulein Minna Baviera vom Theater an der Wien, als Gast.) Operette in 3 Acten von Horft und Stein. Musik von Carl Weinberger. Inscenirt durch den artist. Leiter Ed. Binder. Dirigent: Kapellmeister A. Ferron. Die militär. Evolutionen im 3. Act arrangirt von L. Gundlach. Vollständig, neue Ausstattung an Deco⸗ rationen und Kostümen. Anfang 7 Uhr.

Adolph Ernst⸗Theater. Sonnabend: Berlin, wie es weint und lacht. Volksstück mit Gesang in 3 Aecten von F. Berg und D. Kalisch. Musik von A. Conradi. In Seene gesetzt von Adolph Ernst. Anfang 7 ½ Uhr. ee

Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

In Vorbereitung: Goldlotte. Gesangsposse in 3 Acten von Ed. Jacobson und W. Mannstädt. Couplets theilweise von G. Görß. Musik von G. Steffens. 18.

Thomas⸗Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Sonnabend: GesammtGastspiel des Wiener En⸗ semble unter Leitung des Directors Franz Josef Graselli. Zum 13. Male: Lumpaci Vaga- bundus. Zauberposse mit Gesang in 5 Acten von Johann Nestroyv. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.

Am Landes⸗ Fheceshue „Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12—11 Uhr. .

Ungarisch Deutsch Russisch. An⸗

Circus Renz (Carlstraße.) Sonnabend, Abends 7 ¼ Uhr: Gala⸗Vorstellung.

Ein Künstlerfest. [☚

Große Ausstattungs⸗Pantomime vom Hofballet⸗ meister A. Siems. Mit überraschenden Licht⸗ und Wassereffecten und auf das Glänzendste inscentre vom Director Franz Renz. Costume, Requisiten, Wagen vollständig neu. Unter Mitwirkung des ge⸗ sammten Personals. Neue Einlagen mit groß⸗ artigen Lichteffecten. Kinder⸗Orchester neu besetzt, neue Musik. u Ballet von 100 Damen. Großartiger, in solcher Pracht noch niemals gesehener Blumencorso. Zum Schluß: Großes Brillam⸗ Feuerwerk. Außerdem u. a.:- Mr. James Fillis mit dem Schulpferde „Markir“. 8 arabische Schimmelhengste, in Freiheit dressirt und vorgeführt vom Director Fr. Renz. Schulquadrille, geritten von 6 Damen und 6 Herren ꝛc.

Sonntag: 2 große Vorstellungen. Fe. 4 Uhr (ein Kind unter 10 Jahren frei): Die lustigen Heidelberger. Abends 7 ½ Uhr: Ein Künstlerfest.

mrrrrozIexiHnnFEneʒHeküxa ExTnRHeeSndenx. Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Ilse Petersen mit Hrn. Ludwig Delbrück (Berlin). Frl. Else Heffter mit Hrn. Regierungs⸗Assessor Carl Lücke (Görlitz Osterode, Ostpr.). 1 1

Verehelicht: Hr. Rezierungs⸗Assessor Carl Schlaeger mit Frl. Juli Heffter (Osterode, Ostpr.).

Hr. Lieut. Hermann von Rhaden mit Frl. Margarethe von Wersebe (Stade)..

Gestorben: Verw. Fr. Ober⸗Forstmeister Marie von Hagen, geb. Tiebe (Wernigerode). Fr. Major Marie Freifrau von Friesen⸗Miltitz, geb. von Miltitz (Dresden). Fr. Oberlehrer Marie Ranke, geb. Treu (Berlin). Hrn. Prediger Stieglitz Tochter Sissy (Berlin).

Redacteur: Dr. H. Klee, Director.

Betlin Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagd⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 3

Acht Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

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Berlin, Freitag, den 24. März

L Herrenhaus. 8. Sitzung vom 23. März.

Auf der Tagesordnung steht der Staatshaushalts⸗ Etat für 1893/94. Ueber den Beginn der Sitzung ist in der Nummer vom Donnerstag berichtet worden. Im weiteren Verlaufe der Berathung nimmt nach dem Grafen von Frankenberg, dessen Rede bereits mitgetheilt worden ist, das Wort

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Mit den Anschauungen, die hier von den ver⸗ schiedenen Rednern über die allgemeine Finanzlage des preußischen Staats geäußert sind, kann ich mich im großen und ganzen nur vollständig einverstanden erklären. Es unterliegt keinem Zweifel, daß unsere Finanzlage zur Zeit eine recht knappe ist. Es ist daraus unbedingt der Schluß für beide Häuser des Landtags und für die Staats⸗ regierung zu ziehen, in den Ausgaben die höchste Vorsicht walten zu lassen und die Geneigtheit, alle Ausgaben thunlichst auf den Staat zu werfen, Provinzen, Kreise und Communen davon frei zu halten, das Verlangen, alle Wünsche befriedigt zu bekommen, nothwendige und nützliche Dinge in diesem Augenblicke gerade zu thun, soweit wie möglich zurückzudrängen. Meine Herren, nicht die Staatsregierung allein ist viel⸗ leicht in den letzten Jahren in Bezug auf die Vermehrung der dauernden Ausgaben und die Preisgabe sicherer Einnahmen etwas zu weit ge gangen, sondern auch beide Häuser des Landtags haben die Regierung nicht allein darin unterstützt, sondern redlich gedrängt. Es wird sehr segensreich sein, wenn die Tendenz, fortwährend die Staatsausgaben zu erhöhen, stets mit neuen Wünschen und Anforderungen hervor⸗ zutreten, gegenüber der jetzigen Knappheit der Mittel längere Jahre hindurch auch von beiden Häusern des Landtags aufgegeben wird. (Sehr richtig!)

Meine Herren, die Gründe, wodurch diese schwierige Lage ent⸗ standen ist, habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten im Abgeordneten⸗ hause entwickelt. Sie lassen sich ganz kurz dahin zusammenfassen, daß die unsicheren und schwankenden Einnahmen aus den Ueber⸗ weisungen des Reichs und die noch unsichreren und schwankenderen Ueberschüsse der Betriebsverwaltungen all zu sehr in beiden Häusern des Landtags und vielleicht auch bei der Regierung den Glauben erweckt haben, als wenn man es hier mit sicheren Ein⸗ nahmen zu thun hat, auf welche man dauernde Ausgaben basiren könnte. Die hohen Ueberschüsse der Eisenbahnverwaltung trafen gerade mit sehr bedeutenden Ueberweisungen aus den neuen Zöllen des Reichs zusammen. Allmählich hat aber das Reich die Mittel für diese Ueber⸗ weisungen durch Steigerung seiner Ausgaben selbst aufgezehrt, und heute stehen die Matrikularumlagen den Ueberweisungen schon gleich. Zu fürchten ist, daß namentlich bei Fortdauer der wirthschaftlichen Depression und bei guten Ernten diese Ueberweisungen des Reichs sehr bald hinter den Matrikularumlagen zurückbleiben, und wir werden daher hier keine gute Aussicht für die Zukunft haben. .

Was die Eisenbahnverwaltung betrifft, so hoffe ich aller⸗ dings, daß einestheils durch, wo sie möglich sind, auch un⸗ bedingt durchzuführende Ersparungen in der Verwaltung, anderer⸗ seits durch eine große Vorsicht, insbesondere bei der vorsichtigen Ordnung des Tarifwesens, namentlich bei den Personenzügen, endlich aber die bei einem Wiederaufleben des ganzen gewerblichen Lebens doch hoch wahrscheinliche und auch in den letzten Monaten bis zu einem gewissen Grade schon eingetretene Vermehrung der Ein⸗ nahmen in Zukunft die Lage der Eisenbahnverwaltung nach der finan⸗ ziellen Seite hin sich verbessern wird. Das würde ja allerdings, wenn diese Voraussetzung wahr würde, wenn nach beiden Richtungen hin sich die Ueberschüsse günstiger gestalten, den Etat, wie er jetzt mit 58 Millionen Fehlbetrag vorgelegt ist, möglicherweise soweit in der Rechnung günstiger werden lassen, daß dies Deficit nicht in vollem Maße eintreten wird. Wir hatten im Jahre 1891/92 ein rechnungsmäßiges Deficit von 42 Millionen rund, wir werden in diesem Jahre ganz

zweifellos auch ein nicht unerhebliches Deficit haben, wenn ich auch

hoffe, daß es geringer sein wird, als ich im Abgeordnetenhanse nach den damaligen Monatsabschlüssen es bemessen habe. Wir haben einen tat vor uns mit einem Deficit von 58 Millionen; daß das nach der bezeichneten Richtung hin zur allergrößten Sparsamkeit und Beschränkung führen muß jeder Privatmann, jede Commune, jeder Staat muß sich eben nach der Decke strecken, darüber kann gar kein Zweifel sein. Die Entwicklung des ganzen Staatswesens drängt darauf hin,

bis auf eine gewisse Grenze die Ausgaben für die allgemeine Staats⸗

verwaltung und für die Erfüllung der culturellen Aufgaben anwachsen

zu lassen. Aber auch auf diesem Gebiet muß die größte Vorsicht herrschen. Wir müssen nützliche Unternehmungen selbst sehr vorsichtig doch auch behandeln, weil, wenn man sie auch für die Zulunft im Auge behalten muß, der gegenwärtige Moment nicht dazu angethan ist, allzuweit auf diesem Gebiet voranzugehen. Ich glaube, bei der allgemeinen Uebereinstimmung in der Anschauung über unsere Finanz⸗ lage, sowohl im Abgeordnetenhause als in den Reden hier brauche ich weiter auf die allgemeinen Gesichtspunkte nicht einzugehen und ich

-

wende mich daher zu einigen Bemerkungen des Herrn Grafen von

Frrankenberg.

Meine Herren, zuerst hat der Herr Graf sich darüber beklagt, daß ein Steuercommissar zu weit gehende Fragen gestellt und zu große Anforderungen erhoben hat an die Arbeit und Fähigkeit der Amtsvorsteher. Ja, unter den Fragen, die da speciell von dem Ver⸗ anlagungscommissar gestellt sind, finde ich auch einige, die ich lieber nicht gestellt gesehen hätte. Aber diese und andere Klagen sind doch bei der ersten Durchführung eines neuen, so schwierigen, alle Be⸗ völkerungsklassen treffenden Gesetzes ganz natürlich. Daß da einige Mißgriffe gemacht werden, daß hier und da ein Veranlagungs⸗ commissar zu detaillirte Fragen stellt, zu weitgehende Anforderungen stellt, zu weit in den Beanstandungen geht, daß man das Gesetz nicht überall den Fristen gemäß durchführen kann, das haben wir alle vorhergesehen, und ich habe das selbst bei den Berathungen des Ge⸗

setzes ausgesprochen. In anderen Ländern, wo dieselbe Einkommen⸗ steuer besteht, haben wir genau dieselbe Entwicklung vor uns; das Königreich Sachsen beispielsweise hat uns dasselbe Bild gegeben, wie wir es hier haben: In den ersten drei, vier Jahren unaufhörliche Be⸗ schwerden in der Kammer über das ungemein fiscalische und kleinliche Vorgehen der Steuercommissare, bis in den folgenden Jahren in der Kammer, und bei alle Parteien volle Zufriedenheit mit den Steuer⸗ kommissaren zum Ausdruck gebracht wird. Ich hoffe, wir werden die⸗ selbe Entwicklung haben, wir machen thatsächlich Erfahrungen. Die Anweisungen von oben, die sich an bestimmte Beschwerden knüpfen, werden immer durchgreifender, und die Veranlagungscommissare selbst werden schließlich den richtigen Takt haben und auch die richtige Grenze finden. Wo mir solche Beschwerden über eine Ueber⸗ schreitung des richtigen Maßes entgegengetreten sind, sind sie überall in jedem einzelnen Falle das kann ich behaupten auf das Genaueste untersucht und, soweit die Beschwerden begründet waren, sind sie sofort abgestellt. Ich muß mich daher wundern, daß, während im Abgeordnetenhause dies in vollem Maße anerkannt ist, Herr Graf Frankenberg mir hier vorwirft, daß ich einen Steuercommissar in Beuthen gewissermaßen als Belohnung seiner Uebergriffe nach Berlin versetzt habe. Derselbe Vorwurf wurde erhoben aus der Presse von einem Abgeordneten der freisinnigen Partei im Abgeordnetenhause, und ich habe darauf erwidert, ich wunderte mich, daß der betreffende mit der Presse bekannte Herr so ohne weiteres alles glaube, was in der Presse stehe. Der Mann war selbständiger Vorsitzender einer Steuerveranlagungscommission in Beuthen gewesen; die Klagen gegen ihn waren nur zum theil begründet, und ich werde jetzt erst das Resultat der Beanstandungen abwarten, ehe ich mir ein definitives Urtheil über die Vorgänge in Beuthen bilde. Weil er aber in ein gespanntes und, ich möchte sagen, fast feindseliges Verhältniß zu der Bevölkerung gekommen war, und weil ich der Meinung war, daß wir schließlich erreichen müssen, daß die Vorsitzenden der Veranlagungscommission nicht im Gegensatz zu den Censiten stehen, sondern gewissermaßen ihre natür⸗ lichen Berather sind (sehr richtig!) und Vertrauen bei der Bevölkerung haben wie ich überhaupt der Meinung bin, daß eine so große Ge⸗ setzgebung ohne Beamte, die sich wirkliches Vertrauen in der Be⸗ völkerung erwerben, nicht durchführbar ist —, habe ich den Mann dort abberufen. Er war dort in einer selbständigen Stellung; hier habe ich ihn zum Hilfsarbeiter bei der Direction der directen Steuern gemacht. Ich hatte auch gar keinen anderen Platz, wohin ich ihn ver⸗ setzen konnte; hätte ich ihn wieder zum Vorsitzenden einer Steuer⸗ commission gemacht, so glaube ich, würden sich in dem Augenblicke andere Veranlagungsbezirke wohl nicht sehr gratulirt haben, wenn sie diesen so sehr angegriffenen Mann nun statt eines anderen als Vor⸗ sitzenden der Steuerveranlagungscommission bekommen hätten. Ich kann also nur sagen, daß dieser Angriff in jeder Weise unbegründet war.

Nun sagt Herr Graf Frankenberg weiter, es wäre doch sehr bedenklich, in einer Zeit, wo neue Belastungen im Reich, die doch durchaus nicht zu vermeiden wären, wenn die Militärvorlage durch⸗ geführt wird, eintreten müßten ein Satz, den ich vollständig unterschreibe gleichzeitig eine solche grundstürzende Steuerreform in Preußen zu machen. Nun, meine Herren, diese grundstürzende Reform war schon seit zwei Jahren vorgesehen. (Sehr richtig!) Gerade im Herrenhause hat man immer betont, die Einkommensteuer und die Reform der Gewerbesteuer können nur der Anfang sein; das Ziel müsse eine vollständige Durchführung der Reform zur Be⸗ seitigung der bestehenden Ungerechtigkeit der Steuervertheilung sein. (Sehr gut!)

Meine Herren, grundstürzende Reform! Der Herr Graf sagt: An die Grundsteuer und an die Gebäudesteuer hat man sich schon

längst gewöhnt; das war verschmerzt. Ich behaupte, seit dem Jahre

1861 sind die Klagen über Doppelbesteuerung vorhanden gewesen, und man hat sich nicht entfernt an die Doppelbesteuerung gewöhnt, viel⸗ mehr die Klagen sind immer stärker und lauter geworden, je stärker sich daneben die Einkommensteuer entwickelte. (Sehr richtig!) Jetzt aber, wo wir eine hochentwickelte Einkommensteuer haben, da muß diese Ueberlastung des Grundbesitzes noch viel mehr Beschwerden und Klagen und Unzufriedenheit hervorrufen. (Sehr wahr!)

Meine Herren, ich kann mir daher nicht denken, daß, wenn wir 40 Millionen jetzt erhobene Steuern wieder herausgeben an die Be⸗ völkerung wir haben sie ja jetzt, sie werden aufgebracht zu dem Zweck, um auch den Verzicht des Staats auf die Realsteuern durch⸗ führen zu können und daneben den Gemeinden besondere neue Steuer⸗ quellen zu gewähren, daß dies Unzufriedenheit hervorruft. Das glaube ich nicht; im Gegentheil, wenn ich gegenwärtig diese 40 Millionen in die Staatskasse zöge, was einen Bruch, möchte ich sagen, des Versprechens, welches die Staatsregierung bei Beginn der Steuerreform gegeben hat, bedeuten würde, dann würde die Unzufriedenheit im höchsten Grade berechtigt sein, (sehr richtig!); dann würden die alten verkehrten Einrichtungen bestehen bleiben, und eine correspondirende Entlastung träte nicht wieder ein.

Meine Herren, grundstürzende Reform! Was ist denn an dieser Reform grundstürzend? Schon vor dem Jahre 1861, als die neue Grundsteuer durchgeführt wurde, haben hervorragende und aufgeklärte Finanzmänner und Nationalökonomen es aufs schwerste bedauert, daß man damals nicht von vorn herein die Grund⸗ und Gebäudesteuer zu einer Communalsteuer gemacht hat; ich verweise eben nur in der Be⸗ ziehung auf die vortreffliche Schrift von Kries, einem der hervor⸗ ragendsten Männer der damaligen Zeit auf diesem Gebiete, der es beklagte, daß man dies nicht benutzt hat, um durch Herstellung einer neuen communalen Besteuerungsgrundlage zugleich eine durchgreifende Decentralisation durchzuführen. Meine Herren, eine Steuerreform, die den Zweck hat, Steuern, die unzweckmäßig und ungerecht sind, zu beseitigen, um sie da wieder aufleben zu lassen, wo sie berechtigt und begründet sind, ist niemals grundstürzend, sondern das ist eine orga⸗ nische Reform.

Weiter will ich auf diese Sachen nicht eingehen; der Graf und

ich werden wohl noch Gelegenheit haben, bei der Berathung des Ge⸗ setzes selbst weiter über die Sache zu sprechen, und dann hoffe ich noch immer, daß der Herr Graf, ebenso wie viele ursprüngliche Gegner der Reform auch seinerseits sich davon überzeugen wird, daß diese Reform nicht grundstürzend ist. 8

Meine Herren, sodann hat der Graf hingewiesen auf die unge⸗ heuere Zahl der Reclamationen gegen die Steuerveranlagung. Nun, meine Herren, wir hatten früher 9,1 Procent Reclamationen, und in diesem Jahre gegenüber der neuen Steuerveranlagung und gegenüber der Unerfahrenheit des Publikums, sowohl der Censiten als der Be⸗ hörden in der Durchführung dieses Gesetzes gegenüber der viel höheren Steuer, die doch erst recht zu solchen Berufungen drängt, haben wir doch nicht mehr als etwa 12 Procent Reclamationen der Censiten. Ich muß sagen, ich habe mich gewundert, daß wir im ganzen so wenig Reclamationen und Berufungen haben, und ich bin überzeugt, sie werden sich stetig vermindern, von Jahr zu Jahr, weil durch die Declaration die ganze Grundlage eine bestimmtere und klarere wird, sowohl bei den Censiten, als bei den Beamten. Dies wird man also auch nicht benutzen können, um die Einkommensteuerreform zu dis⸗ ereditiren.

Wenn wir nun aber diese Einkommensteuer nicht eingeführt hätten, was wäre dann der Erfolg gewesen? Anderthalb Milliarden Einkommen blieben bisher gänzlich unversteuert (hört! hört!), entzogen sich den öffentlichen Pflichten und der Theilnahme an den öffentlichen Lasten. Ist das ein Zustand, den man bestehen lassen konnte? Wenn wir nun aber zu einer gerechten, thunlichst gleichmäßigen Heranziehung der Censiten gelangen wollen, was für ein anderes Mittel als die Declaration blieb uns übrig? Ich hoffe, daß Herr Graf von Frankenberg in der Lage ist, uns andere Wege in dieser Beziehung angeben zu können. Als das Gesetz berathen wurde, als es Zeit war, solche Vorschläge anzugeben, habe ich nicht gehört, daß Herr Graf von Franken⸗ berg solche Vorschläge gemacht hat. Specialbeschwerden über einzelne Be⸗ stimmungen des Gesetzes, namentlich über die Steigerung bis zu 4 Pro⸗ cent sind ja vielleicht vollständig berechtigt; aber ich meine, wenn man einmal eine Einkommesteuer hat und man die Erfahrung gemacht hat, daß sie ganz und gar ungleich, zufällig und folgeweise ungerecht wirkte, so war es Pflicht, sowohl der Regierung als auch des Abgeordneten⸗ hauses und des Herrenhauses, hier Wandel zu schaffen. Und ich sage noch mehr, wenn man dies durchführen wollte, eine Reform, die doch aller Wahrscheinlichkeit nach einen erheblichen Mehrbetrag lieferte als die frühere Steuer, ob dies möglich gewesen wäre, ohne daß gleichzeitig auch wieder die Entlastung eintrat, diejenigen, die den Landtag, das Herrenhaus und das Abgeordnetenhaus kennen, werden überzeugt sein, daß dies unmöglich gewesen wäre, es sei denn, beide Häuser des Landtags hätten sich zur Quotisirung der Steuer entschlossen. Daß Sie damals dem Minister 40 Millionen Mehr⸗ einnahmen gegeben hätten ohne Cautelen, sei es nach der Seite der Entlastung, der Beseitigung der drückenden Doppelbesteuerung, oder nach der constitutionellen Seite als Quotenbewilligung bei der Ein⸗ kommensteuer, ist meiner Meinung nach völlig undenkbar.

Ich bin daher noch immer der Ansicht, daß weder die Regierung noch der Landtag irgend einen anderen Weg hatte, zu diesem Ziel zu kommen, als welchen wir eingeschlagen haben. (Lebhaftes Bravo!)

Graf von Hohenthal hält es für nothwendig, daß dem preußischen Finanz⸗Minister eine größere Einwirkung auf den Reichs⸗ Etat eingeräumt werde, damit nicht dieser den preußischen Etat in Verwirrung bringe. Redner spricht sich ferner gegen den russischen Handelsvertrag aus und hält die Einzellandtage für berechtigt, sich um diese Frage zu kümmern.

Fürst zu Hatzfeldt⸗Trachenberg: Angesichts der Anklagen, die Graf Frankenberg gegen einige vereinzelte Vorkommnisse bei den Steuereinschätzungs⸗Commissionen erhoben hat, und angesichts dessen, daß der Finanz⸗Minister selbst zugegeben hat, es wären in einigen wenigen Fällen einige Unregelmäßigkeiten vorgekommen, erlaube ich mir an den Finanz⸗Minister die Bitte zu richten, daß er alle Instructionen, die er über die Einkommensteuerveranlagung an die einzelnen Einschätzungscommissare richtet, im „Staats⸗Anzeiger“ ver⸗ öffentlichen möge. Ich glaube, daß dadurch am besten und leschtesten alle Anklagen vermieden werden können.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Ich brauche gar nicht zu beantworten, was ich in Zukunft thun will, weil das, was Seine Durchlaucht wünschen, längst geschehen ist. Alle allgemeinen Anweisungen zur Ausführung des Gesetzes sind ver⸗ öffentlicht worden, sind in Broschüren und Schriften herausgekommen, stehen Jedermann zur Kenntnißnahme offen. (Zweigert: aber es liest sie keiner!) Gegen den Inhalt dieser Anweisungen ist wenigstens im Abgeordnetenhause nicht die geringste Beschwerde geführt, auch nicht in der Presse; im Gegentheil, es ist immer anerkannt, daß sie vollständig erschöpfend und klar seien, und namentlich auch betont, daß darin kein scharf fiscalischer Geist herrsche, sondern daß besonders die erste Hauptanweisung ausdrücklich darauf aufmerksam mache, die Be⸗ hörden sollen nicht zu kleinlich sein, und es käme nicht darauf an, möglichst viel Geld herauszuschlagen, wenn ich mich dieses Ausdrucks bedienen darf, sondern eine gleichmäßige und gerechte Steuerveranlagung zu erreichen. Aber auch die späteren Circularverfügungen, die wir erlassen haben, die sich an besondere Vorkommnisse anknüpfen, sind im „Staats⸗Anzeiger“ veröffentlicht worden, soweit sie von der Beschaffenheit waren, daß sie das ganze Publikum interessirten und sich bezogen auf generelle Fragen für alle Veranlagungscommissare. Der Herr Vorredner wird das ja wohl nicht verlangen, daß ich jede Verfügung, die ich an einen einzelnen Vorsitzenden einer Veranlagungscommission richte, veröffentliche. Das kann doch nur dann geschehen, wenn die Verfügung derart ist, daß sie von Bedeutung ist für die ganze Monarchie und alle übrigen Be⸗ hörden, und dann hat auch die Veröffentlichung bisber stets statt⸗ gefunden und wird auch in Zukunft stattfinden. Ich theile ganz das Gefühl, welches Herr Fürst Hatzfeldt zum Ausdruck gebracht hat, daß es dringend erwünscht ist, in dieser Beziehung mit der thunlichsten Oeffentlichkeit zu verfahren, damit jeder Censit im Lande weiß, was kann von mir mit Recht gefordert werden, was muß ich leisten und was brauche ich nicht zu leisten. 8 ganze Gesetz kann auf die