1893 / 83 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 08 Apr 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 8. April.

Seine Maäjestät der Kaiser und König nahmen heute Vormittag von 10 Uhr ab den Vortrag des Chefs des Generalstabs der Armee, Generals der Cavallerie, General⸗ Adjutanten Grafen von Schlieffen entgegen und arbeiteten im Anschluß hieran längere Zeit mit dem Chef des Militär⸗ cabinets, General der Infanterie, General⸗Adjutanten von Hahnke. Um 1 Uhr nahmen Seine Mafjestät militärische Meldungen entgegen und empfingen im Anschluß hieran den neuernannten Königlich sächsischen Militär⸗ Bevollmächtigten, Major Grafen Vitzthum von Eckstädt, sodann den neuernannten Militär⸗Attaché bei der hiesigen schwedisch⸗ norwegischen Gesandtschaft, Hauptmann Rustad. 8

Der Ausschuß des Bundesraths für Handel und rkehr trat heute zu einer Sitzung zusamm ““ 8 8 Die Nr. 7 der „Amtlichen Nachrichten des Reichs⸗Ver⸗ sicherungsamts“ vom 1. April 1893 enthält folgende Recurs⸗ entscheidungen: 1 Es ist zulässig, einen Entschädigungsanspruch zugleich gegen mehrere Berufsgenossenschaften zu verfolgen; der Einwand der Rechtshängigkeit kann von einer in Anspruch genommenen Berufsgenossenschaft nicht mit dem Hinweis darauf, daß das Verfahren noch gegen eine andere Genossen⸗ schaft schwebe, begründet werden. Die Zustellung einer Entscheidung kann wirksam auch dort erfolgen, wo der Adressat sich nur besuchsweise für einige eit aufhält; denn als Wohnung im Sinne des § 34 der vom 8. März 1879 ist nur der Ort des that⸗ sächlichen Wohnens, nicht der Wohnsitz im Sinne des örtlichen Mittelpunkts der Lebensführung gemeint. Die Zu⸗ stellungsurkunde ist kein ausschließliches Beweismittel für die erfolgte Zustellung. 8 b8 Die vorbehaltlos und ohne Einschränkung abge⸗ gebene Erklärung der Zurücknahme eines Rechtsmittels hat den Verlust des Rechtsmittels zur Folge. b Eine Partei, welche im Feststellungsverfahren noch nicht aufgetreten ist, kann sich, anstatt den Entschädigungsanspruch bei der Berufsgenossenschaft anzumelden, lediglich dem von einer anderen Partei bereits anhängig gemachten Streit⸗ verfahren anschließen, sofern sie an dem Ausgange des Rechtsstreits ein unzweifelhaftes rechtliches Interesse hat; die dadurch eintretende Rechtshängigkeit des Anspruchs kann von der Berufsgenossenschaft durch Ertheilung eines neuen Bescheides nicht mehr 5 eitigt werden. 1 Die Schiedsgerichte sind nach keiner Richtung in der Wahl und Würdigung der Beweismittel beschränkt, können mithin auch Vertrauensmänner der beklagten Berufs⸗ genossenschaft eidlich als Zeugen vernehmen lassen. Die Schiedsgerichte sind nicht gehindert, auch unbeeidigten Aussagen von Zeugen maßgebendes Gewicht beizulegen. Solange ein neues Rentenfestsetzungsverfahren (etwa nach Abschluß einer Krankenhausbehandlung oder gemäß § 65 des Unfallversicherungsgesetzes) nicht in Frage kommt, kann die Mnfacners einer früheren Entscheidung und die Gewährung einer erhöhten Rente unter Zugrundelegung eines anderweit ermittelten Jahresarbeitsverdienstes nur im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens er⸗ olgen. falg Eine Berufsgenossenschaft kann ihre Passivlegitimation nicht bestreiten, wenn ihr der Betrieb, in welchem sich der Unfall ereignet hat, im Wege des Verfahrens nach § 62 Absatz 1 des Unfallversicherungsgesetzes 67 Absatz 1 des landwirthschaftlichen Unfallversicherungsgesetzes) überwiesen worden ist; eine gleiche Bedeutung kommt jedoch den Katasterentscheidungen nach § 37 Absatz 5 des Unfallversicherungsgesetzes nicht zu. der „Amtlichen Nach⸗

Die Nr. 7 der Sonderausgabe richten des Reichs⸗Versicherungsamts, Invaliditäts⸗ und Altersversicherung“ vom 1. April d. J. enthält folgende bemer⸗ kenswerthe Revisionsentscheidungen und Bescheide:

Das Bestehen einer ceivilrechtlichen Verpflichtung zur Lohnzahlung ist mit der Anwendung des 8 3 Absatz 2 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes nicht für unvereinbar erachtet worden in einem Fall, in welchem dem Arbeiter von seinem ihm nahe verschwägerten und in ungünstigen Vermögens⸗ verhältnissen lebenden Arbeitgeber seit Jahren thatsächlich nur freier Unterhalt als Arbeitsentgelt gewährt worden ist. Denn für die Auslegung der Arbeiterversicherungsgesetze kommen im allgemeinen nicht die Verhältnisse, wie sie nach den rechtlich bestehenden Vereinbarungen hätten sein sollen, sondern wie sie wirklich sind, in Betracht.

Nicht der Instmann, welcher den Scharwerker an⸗ genommen, sondern der Gutsherr, in dessen Betriebe und zu dessen Vortheil die Arbeit des Scharwerkers verrichtet wird, und der den Lohn für diese Arbeit bezahlt, muß als Arbeit⸗ geber des letzteren angesehen werden. Der Unternehmer des jlandwirthschaftlichen Betriebes als solcher ist mithin auch ver⸗ pflichtet, die gesetzlichen Beiträge zur Invaliditäts⸗ und Altersversicherung für den Scharwerker zu entrichten, und die Frage, ob und welche Beiträge zu leisten sind, kann nur nach dem Verhältniß, welches zwischen ihm und dem Scharwerker besteht, beurtheilt werden. Wird von dem Gutsherrn ein baares Entgelt für die Arbeit des Scharwerkers entrichtet, so ist die Versicherungspflicht be⸗ gründet, selbst wenn der Instmann als Mittelsperson da⸗ zwischen tritt und den von dem Arbeitgeber bezahlten Baar⸗ lohn in freien Unterhalt umsetzt, den er dem Scharwerker gewährt. G

Eine Operation wider Willen des Versicherten

ist in dem auf Grund des § 12 des Invaliditäts⸗ und Alters⸗ versicherungsgesetzes von der Versicherungsanstalt eingeleiteten Heilverfahren unstatthaft. In einem Einzelfalle ist eine Krankheit, welche zwar die Fortsetzung eines Lohnarbeitsverhältnisses ausschloß, die Ausübung einer geringfügigen Unternehmerthätig⸗ keit aber noch gestattete, gemäß § 17 Absatz 2 des Invaliditäts⸗ und Altersversich sgesetzes für anrechnungsfähig er⸗ achtet worden. ö“

Eine Berichtigung des Thatbestandes nach Maß⸗ abe des § 291 der Civilprozeßordnung ist im schiedsgericht⸗ ichen Verfahren nicht zulässig. Meint ein an diesem Verfahren Betheiligter, daß eine erst in der mündlichen Ver⸗ handlung vorgebrachte Erklärung vom Schiedsgericht über⸗

gangen ei⸗ so kann er dies nur im Wege der Revision rügen, und es ist alsdann in jedem Einzelfalle nach Lage der Verhältnisse zu prüfen, ob ein so wesentlicher Mangel des Verfahrens im Sinne des § 80 Ziffer 2 a. a. O. vorliegt, daß die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sich recht⸗ ertigt.

Dagegen hat die Berichtigung von Schreibfehlern, Rechnungsfehlern u. s. w., die in dem schiedsgerichtlichen Urtheil vorkommen, in sinngemäßer Anwendung des § 290 der Civilprozeßordnung stattzufinden. Der Zusendung des berichtigten Urtheils wohnt nicht die Kraft bei, aufs neue den Lauf der Rechtsmittelfrist zu eröffnen.

Eine Versicherungsanstalt hatte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisions⸗ frist um deswillen in Anspruch genommen, weil sie das ihr zugestellte Urtheil des Schiedsgerichts alsbald behufs Be⸗ 1 eines darin enthaltenen Rechnungsfehlers an den Schiedsgerichtsvorsitzenden zurückgesandt, dasselbe aber mit ihren Acten erst nach Ablauf der Revisionsfrist wieder erlangt habe. Ferin ist jedoch von dem Reichs⸗Versicherungsamt ein die Wiedereinsetzung rechtfertigender Grund Naturereigniß, unabwendbarer Zufall, außerhalb des Willens der Partei liegender objectiver Hinderungsgrund nicht erblickt worden.

Der Controlbeamte einer Versicherungsanstalt ist im Falle des § 127 des Invaliditäts⸗ und Altersversiche⸗ rungsgesetzes nicht befugt, irrthümlich verwendete Marken einer anderen Versicherungsanstalt ohne Zuziehung dieser letzteren zu vernichten und an Stelle der vernichteten Marken solche der eigenen Anstalt zu verwenden.

Die Vorschrift des § 26 Absatz 4 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes, wonach die monatlichen Theil⸗ beträge der Renten auf volle fünf Pfennig nach oben abzurunden sind, findet auch dann Anwendung, wenn die Rente gemäß § 34 a. a. O. theilweise ruht.

Der Königlich sächsische Gesandte am hiesigen Allerhöchsten Hofe Graf von Hohenthal und Bergen hat Berlin mit kurzem Urlaub verlassen. Während der Abwesenheit desselben fungirt der Legations⸗Secretär Graf Vitzthum von Eckstädt als Geschäftsträger.

Der Königlich preußische Gerichts⸗Assessor Dr. Bassenge ist zum Kaiserlichen Regierungs⸗Assessor ernannt worden.

Seine Majestät der König wird nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ bei der Feier der silbernen Hochzeit des

Königs und der Königin von Italien durch den General von Carlowitz vertreten sein.

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Oesterreich⸗Ungaru.

Die Kaiserin wird dem „Prag. Abobl.“ zufolge nach den bisherigen Dispositionen in Korfu bis Ende April oder Anfang Mai verweilen. Von Korfu kehrt Allerhöchstdieselbe nach Wien zurück, wird im Lainzer Schlosse einige Wochen Wohnung nehmen und sich hierauf zum Sommeraufenthalt nach Ischl begeben. 1

Der Prinz Ferdinand von Sachsen⸗Coburg, der gestern früh in Wion eintraf, empfing, wie „W. T. B.“ meldet, am Nachmittag den Professor Pollitzer, der sich von der fortschreitenden Heilung des Ohrenleidens des Prinzen überzeugte. Später unternahm der Prinz eine Spazierfahrt und gab im Auswärtigen Amt seine Karte für den Grafen Kälnoky ab.

In der gestrigen Sitzung des ungarischen Unter⸗ hauses griff die Opposition bei der Verificirung des Pro⸗ tokolls der letzten Sitzung den Präsidenten Banffy heftig an, weil er einen Beschluß des Hauses kundgab, obwohl die Oppo⸗ sition namentliche Abstimmung gewünscht habe. Die Oppo⸗ sition beantragte eine Aenderung des Protokolls. Nach längerer Debatte wurde das Protokoll in namentlicher Abstimmung mit

131 gegen 89 Stimmen unverändert angenommen.

Großbritannien und Irland.

Die Königin wird der „A. C.“ zufolge in der letzten Woche dieses Monats nach England zurückkehren. Auf der Rückreise wird die Königin ein paar Tage in Venedig zu⸗ bringen und dann dem Großherzog von Hessen einen Besuch in Darmstadt abstatten.

Auf einer am Donnerstag in Bristol abgehaltenen Ver⸗ sammlung gegen die Homerule⸗Bill erklärte der Herzog von Devonshire, der eigentliche Kampf gegen Homerule werde nicht im Unterhause, sondern in den Wahlbezirken aus⸗ gefochten werden, weil die Gladstonianer bei den letzten Wahlen nur durch rücksichtslose Versprechungen und falsche Det eNangen⸗ sowie dadurch, daß sie die Homerule geflissent⸗ lich in den Hintergrund schoben, Stimmen gewonnen hätten. Die Unionisten hätten daher Recht, wenn sie sich weigerten, das Verdict der Wahlen als das des ganzen Landes anzu⸗ erkennen. Die Homerule⸗Vorlage müsse durchaus nochmals den Wählern unterbreitet werden.

Das Dubliner „Evening Echo“ erklärt auf das be⸗ stimmteste, die römisch katholüche Hierarchie sei der Meinung, daß die Homerule-⸗Bill nicht zum Gesetz werde erhoben

werden. Die finanziellen Bestimmungen darin seien völlig

unzulänglich. Belgien.

Wie bereits in Nr. 81 d. Bl. kurz erwähnt worden ist, ist es zwischen den Führern der Rechten und der gemäßigten Linken zu einer Einigung über die Grundzüge der Ver⸗ fassungsrevision gekommen. Die einzelnen Punkte dieses Uebereinkommens sind nach der „Magd. Ztg.“ folgende: 1) Die neue Verfassung soll kein unüberwindliches Hin erniß fuͤr die spätere Einführung des allgemeinen Stimm⸗ rechts enthalten, sondern lediglich bestimmen, daß das Wahl⸗ recht von der jeweiligen Kammer mit Zweidrittel⸗Mehrheit festgesetzt wird. 2) Vorläufig wird das Wahlrecht dahin er⸗ weitert, daß alle bisherigen Gemeindewähler zum Kammer⸗

wahlrecht zugelassen werden, wodurch die Zahl der Wähler von 135 000 auf 500 000 erhöht wird. 3) Die Constituante soll unterdessen ihre Berathungen zur Feststellung eines noch

ausgedehnteren Wahlsystems fortsetzen. Türkei.

Der Staatssecretär der Vereinigten Staaten

hat, wie „W. T. B.“ aus Washington meldet, den Ge⸗ sandten in Konstantinopel angewiesen, von der Pforte Genug⸗ thuung für den kürzlich im amerikanischen Seminar in Marsivan (Klein⸗Asien) vorgekommenen Brand und Be⸗ strafung der Schuldigen zu verlangen. 8

Serbien. Das Präsidium der Skupschtina und der Verifications⸗

ausschuß haben dem „W. T. B.“ zufolge die Abgeordneten

aufgefordert, ihre Mandate zu überreichen, widrigenfalls gegen

sie nach den 8öe der Verfassung werde vorgegangen

werden. Wie die „Politische Correspondenz“ erfährt, beschloß

die Regierung, die durch den Austritt der radicalen Abge⸗

ordneten aus der Skupschtina nothwendig gewordenen Neu⸗

wahlen für die dritte Woche des April anzuordnen. Die

Skupschtina könnte somit Ende April in die meritorischen Ver⸗ handlungen eintreten.

Schweden und Norwegen.

(F) Christiania, 5. April. Die gesammten Zoll⸗ einnahmen in den ersten neun Monaten des laufenden betrugen 15 717 949 Kronen gegen 17 072 565 Kronen im gleichen Zeitraum des vorigen Finanzjahres.

Amerika.

Dem „Reuter'schen Bureau“ wird aus Buenos⸗Aires von gestern gemeldet, die vor einiger Zeit in Catamarca (dem nordwestlichsten Staate der Argentinischen Conföderation) ausgebrochenen Unruhen drohten einen ernsteren Charakter anzunehmen. Es hätten zwischen den Aufrührern und den Regierungstruppen mehrere Gefechte stattgefunden; die Ver⸗ luste seien beiderseits groß; die Gefangenen seien erschossen worden. Die Eisenbahnen befänden sich in den Händen der Insurgenten. Es seien Regierungstruppen zum Schutz des Nationaleigenthums entsandt.

In Paris eingetroffenen Meldungen aus Valparaiso von gestern zufolge wäre daselbst eine Ministerkrisis aus⸗ gebrochen.

Afrika.

Nach einem Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“ aus

Prätoria vom 6. d. M. ist Präsident Krüger mit großer

Majorität wieder zum Präsidenten der Republik Transvaal 11“ EE1““ 1“ 8

gewählt worden.

Nr. 14 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge⸗ sundheitsamts“ vom 6. April hat folgenden Inhalt: Gesund⸗ heitsstand. Witterung. Maßregeln gegen Cholera. Gesetz⸗ gebung u. s. w. (Deutsches Reich). Beförderung thierischer Abfälle auf Eisenbahnen. Todesursachenstatistik. (Preußen). Privat⸗ Irrenanstalten. Gerichtliche Leichenobductionen. (Sachsen⸗ Meiningen). Viehseuchen⸗Uebereinkommen. (Großbritannien). Tollwuth. Thierseuchen in Norwegen. Veterinärpolizeiliche Maßregeln. Rechtsprechung. Verhandlungen von gesetzgebenden Körperschaften. Vermischtes. Geschenkliste. Sterbefälle in deutschen Orten mit 15 000 und mehr Einwohnern, Februar. Desgl. in größeren Orten des Auslandes. Beilage. Gerichtliche Entscheidungen zum Nahrungsmittelgesetz (Fruchtsäfte, Zucker⸗ waaren ꝛc., Syrup, Honig, Wasser, Pilze, Sauerkraut, Rüböl, Rhabarbertinktur, Eß⸗, Trink⸗, und Kochgeschirr, Spielwaaren, Fische ꝛc.).

Nr. 14 des „Centralblatts der Bauverwaltung“,

herausgegeben im Ministeriumderöffentlichen Arbeiten,

vom 8. April hat folgenden Inhalt: Vom Reichstagshause. Ent⸗

wicklung der Verkehrsverhältnisse in Berlin. Die Aufgaben des

Ingenieurs bei Seuchen (Schluß). Der Auswanderer⸗Bahnhof

Ruhleben bei Spandau. Vermischtes: Wettbewerb für die „Riebeck⸗ Stiftung“ in Halle a. S. Erweiterung des preußischen Staats⸗ bahnnetzes und Anlage neuer Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung. Louis Boissonnet⸗Stiftung. Versammlung zur Vereinbarung von Prüfungsverfahren für Baustoffe in Wien. Ausstellungen im Berliner Kunstgewerbe⸗Museum. Die Ausführung der städtischen Bauten Londons. 1

Entscheidungen des Reichsgerichts. Börsen⸗

Ist der Agent bei der Entgegennahme eines r geschäfts⸗Auftrages für seinen Principal sich bewußt, daßcae in demselben enthaltene Offerte nicht auf ein effectives Geschäft, sondern auf ein Differenzgeschäft gerichtet ist, so hat, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, 1. Civilsenats, vom 19. November 1892, der Auftraggeber dem Principal gegenüber den Einwand des ver⸗ kleideten Differenzgeschäfts, auch wenn dieser in der Meinung, daß es sich um ein effectives Geschäft handle, den Auftrag ausgefühet hat.

Verlangt bei einem Nichtfirgeschäft der Käufer einer Waare vom säumigen Verkäufer fortgesetzt Erfüllung und läßt Käufer sodann infolge des vorübergehenden Weichens des Marktpreises der Waare einige Zeit verstreichen, ohne sein Recht auf Lieferung geltend zu machen, so ist er nach einem Urtheil des Reichsgerichts, I. Civilsenats, vom 30. November 1892, trotzdem berechtigt, mit seiner Forderung wieder hervorzutreten, wenn der Preis der Waare wiesder gestiegen ist.

Kunst und Wissenschaft.

Im weiteren Verlauf der gestrigen Sitzung der Internationalen eriminalistischen Vereinigung befürwortete der Referent, Staatsanwalt Dr. Appelius (Elberfeld) folgende von ihm auf⸗ gestellten Thesen: 8 111“

I. 1) Es empfiehlt sich, das Alter der Strafmündigkeit bis auf das vierzehnte Lebensjahr hinaufzurücken. 2) Wer bei Begehung einer strafbaren Handlung das vierzehnte Lebensjahr nicht vollendet hat, kann daher wegen derselben nicht strafrechtlich verfolgt werden. 3) Es kann jedoch in diesem Falle staatlich überwachte Erziehung eintreten.

II. 1) Gegen Personen, welche bei Begehung der strafbaren Handlung das vierzehnte, aber nicht das achtzehnte Lebens⸗ jahr vollendet haben, kann wegen derselben auf Strafe oder auf staatlich überwachte Erziehung oder auf Freiheitsstrafe und Erziehung, oder auf Ueberweisung an die Familie erkannt werden. 2) Wird auf Strafe in Verbindung mit staatlich überwachter Er⸗ ziehung erkannt, so ist in dem entscheidenden Theile des Urtheils zum Ausdruck zu bringen, ob die Strafe oder die Erziehung vorangehen soll. 3) Die Bestimmung der §§ 56 und 57 des Straf⸗ gesetzͤbuchs, wonach die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Jugendlichen davon abhängig ist, daß er bei Begehung der

5) Wird an erster Stelle auf Freiheitsstrafe

Vormund, nicht aber der

I*

That die zur Erkenntniß ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht be⸗ sessen hat, ist zu heleinigen 4) Als Strafmittel sind nur zulässig: Gefängniß und Festungshaft bis zu fünfzehn Jahren, Haft, Geld⸗

strafe, Verweis, allein und in Verbindung mit Ueber⸗

weisung zur Schulzucht und zur Zucht der staatlich über⸗ Erziehung, Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ausgeschlossen bleiben: Todesstrafe, Zuchthaus, Ab⸗

3eteza dng, er bürgerlichen Ehrenrechte, Ueberweifung an die Landes⸗ ö

polizeibehörde und Polizeiaufsicht. Von der Erkennung auf dauernde Unfahigkeit, als Zeuge oder Sachverständiger eidlich vernommen zu werden, kann e werden 161 des Strafgesetzbuchs). rster Ste erkannt, so ist dieselbe bei Gefängniß nicht unter einem Monat, bei Haft nicht unter, zwei Wochen zu bemessen. 6) Für die Dauer der Freiheits⸗ strafe ist, abgesehen von Nr. 5, im allgemeinen die Strafandrohung der ordentlichen Strafgesetze maßgebend. An Stelle von zeitiger Zuchthausstrafe tritt regelmäßig Gefängnißstrafe von gleicher Dauer; jedoch in allen Fällen mit einem Mindestmaß von nur einem Jahre und mit einem Höchstmaße von nicht über zehn Jahren. 7) Gefäng⸗ nißstrafe von mehr als zehn Jahren ist nur zulässig bei den mit dem Tode oder mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bedrohten Straf⸗ tbhaten. 8) Wenn Gefängnißstrafe und Erziehung verbunden werden, kann die erstere um die Hälfte herabgesetzt werden. 9) Es ist zu empfehlen, für erste Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten die Aussetzung des Strafvollzugs einzuführen. 10) Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe gegen eine in der staatlich überwachten Erziehung befindliche Person, sowie die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, welche in Verbindung mit staatlich überwachter Erziehung erkannt ist und derselben nachfolgen soll, kann, sofern die Freiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigt, von dem Erfolg der Erziehung und eventuell der machträglichen Führung abhängig gemacht werden. 1 III. Auch ohne das Vorliegen einer strafbaren Handlung sollen jugendliche Personen bis zum sechzehnten Lebensjahre der staatlich überwachten Erziehung überwiesen werden, wenn deren sittliche Verwahrlosung festgestellt oder der Eintritt derselben nach den häuslichen Verhältnissen zu befürchten ist, und die Maßregel erforderlich erscheint, um die Personen vor sitt⸗ lichem Verderben zu bewahren. IV. Die staatlich überwachte Erziehung findet statt: eigenen Familie, b. in einer geeigneten fremden Familie, c.

a. in der in einer

inter staatlicher Aufsicht stehenden Privaterziehungsanstalt, d. in einer

staatlichen Erziehungsanstalt.

V. Es empfiehlt sich, die Entscheidung der Frage, ob gegen verbrecherische oder verwahrloste Kinder staatlich überwachte Erziehung intreten soll, den Vormundschaftsgerichten zu übertragen.

VI. 1) Die Entscheidung über die Art und die Ausführung der staatlich überwachten Erziehung ist in die Hände besonderer Erziehungs⸗

ämter zu legen. 2) Es bleibt der Landesgesetzgebung überlassen, die

Erziehungsämter in den bestehenden Verwaltungsorganismus ein⸗

zuordnen. 3) Doch ist die bestehende getheilte Leitung des staatlichen

Erziehungswesens zum theil in der Hand von Staatsbehörden, um theil in der Hand von Communalbehörden mit einer erfolg⸗ eichen Thätigkeit auf diesem Gebiet unvereinbar.

VII. Die Untersuchung gegen jugendliche Verbrecher vom vier⸗ ehnten bis achtzehnten Lebensjahre und die Aburtheilung liegt den jeches dean 11u8“ zuständigen ordentlichen Straf⸗ gerichten ob.

VIII. Die Erziehung verbrecherischer und verwahrloster Kinder, sowie die Bestrafung verbrecherischer jugendlicher Personen muß durch ein besonderes Reichsgesetz gemeinsam einheitlich geregelt werden.

Der zweite Referent, Amtsgerichts⸗-Rath Schmölder (Köln)

vandte sich ganz besonders gegen die Absicht des Vorredners, die jugendlich Verwahrlosten u. s. w. einer staatlichen Zwangserziehung zu überweisen und besondere Erziehungsämter zu errichten. Den Schwerpunkt der Zwangserziehung müsse man indie Familie legen. Der Redner verlangte in den von ihm aufgestellten Thesen, daß der Vater einer ständigen Controle durch das Vormundschaftsgericht unterstehen solle. Im weiteren bemerkte der Redner, daß der Zustand der Strafmündigkeit sich nicht n den Zustand der Strafunmündigkeit in unmittelbarer Folge an⸗ eihe. Es schiebe sich vielmehr zwischen beide Zustände ein Zwischen⸗ ustand, der Zustand der beschränkten Strafmündigkeit, ein. Für den Zustand der beschränkten Strafmündigkeit sei ein besonderes, der

Eigenart dieses Zustandes entsprechendes System von Strafmitteln

ufzustellen. Diese Strafmittel verdrängen bei allen einzelnen Straf⸗

thaten die dort vorgesehenen, allgemein gültigen Strafmittel. In

dieses Strafmittelsystem seien aufzunehmen: 1) der Verweis, 2) die Geldstrafe, 3) die körperliche Züchtigung, 4) die Ueberweisung in ein Besserungshaus. Der dritte Referent Geheime Ober⸗Finanz⸗Rath Fuchs (Karlsruhe) machte Mittheilungen über das Zwangserziehungs⸗ wesen in seiner Heimath, das dort zumeist in den Händen freier Vereine liege und im allgemeinen gute Resultate gezeitigt habe. Geheimer Regierungs⸗Rath Dr. Keßler (Wabern) erklärte sich mit den Thefen des ersten Referenten einverstanden. Er habe ebenfalls die Erfahrung gemacht, daß das Gefängniß nicht geeignet sei, er⸗ zieherisch und besd zu wirken. Amtsgerichts⸗Rath Schmölder

Köln) erklärte, die erste These des Staatsanwalts Dr. Appelius nicht zutheißen zu können. Er halte es für nothwendig, das Alter der Strafmündigkeit bis auf das vierzehnte Lebensjahr hinaufzurücken.

Dr. med. Leppmann (Berlin) stimmte dem Vorredner bei. Mit

em sechzehnten Lebensjahre beginne die Pubertät und mit dieser

ist die erforderliche Einsicht. Allerdings müsse verhütet werden, daß

inder unter sechzehn Jahren nicht auf diese Straflosigkeit rechnen; diese seien daher, sobald sie ein Verbrechen begehen, der Zwangs⸗ erziehung zu überweisen. Eventuell würde er (Redner) sich mit der Hinaufrückung der Strafgrenze bis zum vierzehnten Lebensjahre be⸗ gnügen; jedenfalls aber wünsche er eine Absonderung derjenigen, die nur

egen Verwahrlosung und derjenigen, die eines begangenen Ver⸗ brechens wegen der Zwangserziehung überwiesen werden. Oekonomie⸗ Rath Jungk (Berlin), Pastor D. von Koblynski (Düsseldorf) und Kaufmann Bischoff (Berlin) sprachen sich für die Hinauf⸗ rückung der Strafmündigkeit bis zum vierzehnten Lebensjahre aus. Letzterer befürwortete diese aus dem Grunde, weil bei der gegen⸗ wärtigen Gesetzesbestimmung, wo die Strafmündigkeit mit dem zwölften Lebensjahre beginne, oftmals ein in diesem jugendlichen Alter begangenes Vergehen dem bestraften Kinde für das ganze Leben anhafte und es in seinem wirthschaftlichen Fortkommen hindere. Pfarrer Winckelmann (Halle) und Landrichter Dr. Felisch (Berlin) sprachen sich ebenfalls für die Hinaufrückung der Straf⸗ mündigkeit bis zum vierzehnten Lebensjahre aus. Letzterer bemerkte: Es sei erforderlich, die jugendlichen Verbrecher mit Handarbeiten und landwirthschaftlichen Arbeiten zu beschäftigen. Es würde sich auch sehr empfehlen, jugendliche Verbrecher aus den großen Städten aufs Land abzuschieben. Amtsgerichts⸗Rath Dr. Schubert (Ebeleben bei Sondershausen) trat ebenfalls für das Hinaufrücken der Straf⸗ mündigkeit bis zum vierzehnten Lebensjahre ein und betonte die Noth⸗ wendigkeit, Einbruchsdiebstähle und Sittlichkeitsverbrechen, die von Strafunmündigen begangen werden, der zuständigen Gerichtsbehörde anzuzeigen, damit diese in der Lage sei, die verbrecherischen Kinder und auch deren Eltern zu warnen. Derartige Warnungen würden eine große Wirksamkeit ausüben. Außerdem erachte er es für noth⸗ wendig, die jugendlichen Verbrecher in den Gefängnissen gehörig zur Arbeit anzuhalten. Das Gefängniß müsse den jugendlichen Verbrechern als etwas Schreckliches erscheinen. Pfarrer Müller (Braunsdorf in Sachsen) bezeichnete das Hinaufrücken der Strafmündigkeit bis zum 14. Lebensjahre als eine dringende Nothwendigkeit, wenn man bessernd auf die verbrecherische Jugend wirken wolle. Auch die Schule habe ein Recht zu verlangen, daß ihre Schüler nicht ins Gefängniß gesteckt würden. Staatsanwalt Dr. Stachow J. und Landgerichts⸗Rath Kronecker (GBerlin) wandten sich gegen den Antrag: Strafunmündige bei jedem von diesen begangenen Vergehen der Zwangserziehung zu überweisen. Nach Schluß der Debatte, an der sich noch mehrere andere Redner betheiligten, gelangten die Thesen 1 1 bis 3 des Staatsanwalts

Dr. Appelius fast einstimmig zur Annahme. Zu These 11 1

beantragte Amtsgerichts⸗Rath Schmölder (Köln), das Wort Freiheitsstrafe“ zu streichen. Geheimer Regierungs⸗ Rath Dr. Krohne stimmte dem Vorredner im allgemeinen bei und trat ganz besonders für die These II 3 ein. Redner bemerkte: Man stecke jetzt jugendliche Verbrecher in eine Ver⸗ brecherschule. Die gegenwärtige Gese süef belaste ihr Schuldconto immer mehr; es komme ihm vor, als befolge die heutige Gesellschaft den Grundsatz: „Après nous le déluge“. Nach noch längerer Debatte gelangten die Thesen II 1 bis 3 mit der Aenderung zur Annahme, daß es in II 1 anstatt ‚Freiheitsstrafe“ „Strafe“ heißen soll. Von dem Geheimen Regierungs⸗Rath Dr. Krohne war ferner folgender Antrag gestellt: „Gegen jugendliche Per⸗ sonen im Alter vom vollendeten 18. bis zum vollendeten 21. Lebens⸗ jahre finden Todesstrafe und Zuchthausstrafe, ferner diejecnigen Neben⸗ strafen keine Anwendung, welche auf die Erfüllung der militärischen Dienstpflicht von Fenfluh sind“. Dieser Antrag wurde jedoch nach längerer Debatte abgelehnt und alsdann die Sitzung auf heute vertagt.

In der heutigen zweiten und letzten Sitzung wurde die Be⸗ rathung der Thesen des Staatsanwalts Appelius fortgesetzt. Zu These III erklärte Landes⸗Rath Vorster (Merseburg): Er könne diese These nur in jeder Beziehung befürworten. In der Provinz Sachsen habe man mit der Zwangserziehung sehr gute Resultate erzielt. Es seien aus der dortigen Provinzial⸗Zwangs⸗Erziehungs⸗ anstalt von 1878 bis jetzt 593 Zöglinge entlassen worden. Von diesen seien 79 % als zweifellos⸗ gebessert zu bezeichnen; bei 16 % sei die Besserung eine zweifelhafte, in vielen Fällen seien aber auch hierbei Besserungen erzielt worden, und nur bei 5 % sei keine Besserung zu constatiren. Die Zwangserziehung liege nicht nur im Interesse der Verwahrlosten, sondern vielleicht noch mehr im Interesse des Staats und der menschlichen Gesellschaft. Wenn aber in dieser Be⸗ ziehung ein Resultat erzielt werden solle, dann müsse es möglich sein, auch ältere Knaben und Mädchen der Zwangserziehung zu überweisen. Die geäußerten Bedenken, daß man die Heiligkeit der Familie dadurch antasten könnte, könne er in keiner Weise theilen. In Familien, wo eine Verwahrlosung der Kinder anzutreffen sei, sei keine Heiligkeit sondern gewöhnlich nur Schheinheiligkeit anzu⸗ treffen. Aufh juristische Bedenken dürften nicht maßgebend sein. Halte man die Zwangserziehung auch ohne das Vorliegen einer straf⸗ baren Handlung für nothwendig, dann empfehle es sich, zu sagen:

„bis zum vollendeten achtzehnten Lebensjahren. Amtsrichter Dr. Simonson (Berlin) äußerte sich in ähnlichem Sinne. Amts⸗ richter Dr. Köhne (Luckenwalde) erklärte, er mache in seiner Praxis fast täglich die Erfahrung, daß eine Gesetzesbestimmung, wie sie der Antragsteller wolle, dringend nothwendig sei. Es sei gestern von dem Amtsgerichts⸗Rath Schmölder gesagt worden: man nähere sich durch derartige Gesetzesbestimmungen dem socialdemokratischen Zukunftsstaat. Er habe wenig Sympathien für diesen Zukunftsstaat; allein es sei doch nicht zu verkennen, daß auch in der socialdemokratischen Kritik ein berechtigter Kern vor⸗ handen sei. Im übrigen stimme er dem Vorredner bei, daß dort, wo Zwangserziehung geboten, ein Familienleben überhaupt nicht vor⸗ handen sei. Landrichter Dr. Aschroth (Berlin): Er halte das sechzehnte Lebensjahr als zu weit gegriffen und beantrage daher, zu sagen: „bis zum vollendeten vierzehnten Lebensjahre“. Im weiteren beantrage er, zu sagen: anstatt „zu befürchten ist“: „wenn deren sitt⸗ liche Verwahrlosung festgestellt oder der Eintritt derselben nach den häuslichen Verhältnissen eingetreten ist“. Man dürfe einmal nicht all⸗ zusehr in das Familienleben eingreifen, andererseits müsse auch der Richter in der Lage sein, die Verwahrlostag festzustellen. Für eine ernste Be⸗ fürchtung biete sich bei der richterlichen Feststellung keinerlei Handhabe. Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Dr. Fuchs⸗Karlsruhe: In Baden habe man die Erfahrung gemacht, daß es nothwendig sei, die Altersgrenze in der vorliegenden Angelegenheit bis zum achtzehnten Lebensjahre hinaufzurücken. Dem Einwand, daß man die Heiligkeit der Familie antaste, halte er entgegen, daß ihm das Wohl des zu erziehenden Kindes mehr am Herzen liege, als das Wohl der Eltern. Die nicht bestraften Verwahrlosten hätten sich in seiner Heimath oftmals als bedeutend schlimmer erwiesen als die bestraften.

Der Bildhauer Professor Martin Paul Otto, der Schöpfer des Entwurfs zu dem Luther⸗Denkmal, das den hiesigen Neuen Markt zieren soll, ist seinem unablässigen Schaffen an dem großartigen Werk gestern Morgen durch den Tod entrissen worden. Er war in Berlin am 3. August 1846 geboren und hatte sich in der Schule von Reinhold Begas gebildet. Seine Vaterstadt hat außer jenem leider unvollendeten bereits zwei hervorragende Werke von ihm aufzuweisen: die Marmorstatuen Wilhelm von vor der Universität und Daniel Chodowiecki's in der Vorhalle des Alten Museums. Für Bad Ems schuf er das imposante Denkmal Kaiser Wilhelm's I. G

Dem „Centr.⸗Bl. f. Bauv.“ wird geschrieben: Zu den zahl⸗ reichen, dem öffentlichen Wohl dienenden Anstalten, welche Bürgersinn und Nächstenliebe in der Stadt Halle errichtet haben, wird diese demnächst noch eine neue große Stiftung erhalten, indem, wie schon kurz erwähnt, nach der letztwilligen Verfügung ihres einstigen Mit⸗ bürgers Paul Riebeck, eines Sohnes des Industriellen, Commerzien⸗Raths A. Riebeck, über 2 Millionen Mark dazu verwendet werden sollen, eine Altersversorgungsanstalt für Angehörige besserer Stände eeinzurichten und dauernd zu unterhalten. Das für die Anstalt ausersehene Grundstück von nahezu 3 ha liegt im Süden der Skadt und hat eine in gesundheitlicher und landschaftlicher Beziehung gleich vortheilhafte Lage. Am Eingang eines auf ziemlich stark abfallendem Gelände Cat eecen soll sich das Gebäude für die Pfleglinge erheben, welches mit Altanen und Balconen ausgestattet werden soll von denen sich eine prächtige Aussicht in die Parkanlagen hinein und darüber hinweg nach dem landschaftlich reizvollen Saale⸗ thal bieten wird. Um für das Gebäude, auf welches die Summe von 500 000 zu verwenden ist, möglichst praktische und zugleich künstlerisch werthvolle Entwürfe zu erlangen, hat der Magistrat der Stadt Halle sich dazu entschlossen, einen allgemeinen Wettbewerb unter den in Deutschland ansässigen Architekten aus⸗ zuschreiben. Für die besten Entwürfe sind Preise von 4000, 2500 und 1500 ausgesetzt; ferner wird der Ankauf von zwei weiteren Entwürfen zum Preise von je 600 vorbehalten. Das Preisgericht besteht aus den Herren Königlichen Baurath Brünecke, Stadt⸗Baurath Genzmer, Geheimen Sanitäts⸗Rath Dr. Hüllmann und Ober⸗Bürger⸗ meister Staude in Halle, Stadt⸗Baudirector Licht in Leipzig, König⸗ lichen Baurath Schmieden und Königlichen Baurath Wallot in Berlin.

Seine Königliche Hoheit der Herzog Karl Theodor in Bayern beging, wie die „M. N. Nachr.“ melden, am 7. d. M. in seiner Augenheilanstalt, Maria⸗Josefastraße 2 zu München, das Jubiläum der 2000. Staaroperation, wobei seine Gemahlin und seine Tochter, die Herzogin Sofie, hilfreiche Hand leisteten. Zu⸗ gegen waren außerdem Ober Medizinal⸗Rath Professor von Zehender, Professor Dr. Angerer, Professor Dr. Bauer, Dr. Voithenleitner und die assistirenden Aerzte Dr. Zenker und Dr. Osborne. Der Operations⸗ saal war von den Schwestern der Anstalt mit Blumen und Gewächsen festlich geschmückt. Die 1000. Staaroperation hatte Seine Königliche Hoheit am 3. Juli 1889 vorgenommen.

Der deutsche Historikertag zu München nahm laut Meldung des „W. T. B.“ in seiner Füt en Schlußsitzung nach einer Rede des General⸗Majors Wetzer (Wien) die von Professor Heigel formulirten Thesen, mit Ausnahme derjenigen betreffend die Archivalien an. Als Grenzjahr für die Benutzung der Archive wurde das Jahr 1847 festgesetzt, die Erledigung des Restes der Tagesordnung wurde dem im Jahre 1894 in Leipzig stattfindenden Historikertage vorbehalten.

Der in Paris verstorbene Finländer Dr. Antell vermachte, wie „W. T. B.“ aus Helsingfors mittheilt, seine bedeuten⸗ den wissenschaftlichen und Kunstsammlungen nebst einer Million Mark ”Jah. Landsleuten als Grundlage für ein zu gründen⸗ des finländisches National⸗Museum, ferner 800 000 Mark der finländischen Universität als zu Stipendien für wissenschaftliche Arbeiten, 100 000 als Stipendienfonds für das Lyceum seiner Vaterstadt Wasa und schließlich di 409o90 für das Nordische Museum und die Akademie der Wissenschaften in Stockholm.

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Verdingungen im Auslande.

1 Dänemark. 15. April, 12 Uhr. Kjöbenhavns Havneforvaltning, Contoir Toltboden, Kopenhagen: Lieferung von 8 100 000 bis 1 900 000 Stück geflammten Mauersteinen, 8 100 000 bis 900 000 Stück hartgebrannten Mauersteinen, ca. 86 000 Stück Klinkern und ca. 100 000 Stück ganzen Mauersteinen. 1.“ „Bedingungen an Ort und Stelle und beim „Reichs⸗Anzeiger“ (in dänischer Sprache).

Theater und Musik.

Saal Bechstein.

Der zweite Quartett⸗Abend der Herren Thomas, Udel, Hörbeder und Weiß wirkte gestern noch viel mehr auf die Lach⸗ muskeln der Zuhörer als der erste; zugleich war aber auch wieder die große Kehlfertigkeit im Gesang und in der Aussprache zu bewun⸗ dern, die bei der rapidesten Tempobewegung alles klar zu Gehör brachte. Dieser Vorzug läßt besonders die vortreffliche Schulung der Stim⸗ men erkennen, die z. B. in der „Historia vom Kuß“ von Maier, in dem „Spatzentratsch’“ von Löti und in dem Schäffer'schen „Die da“ zur Geltung kam, wobei auch die günstige Akustik des Saales ihren Antheil hatte. Das urkomische Quartett „Der Hand⸗ schuh“ (nach der bekannten Ballade) ging durch seine pantomimischen Zuthaten etwas über die Grenzen eines Concertvortrages hinaus; da⸗ gegen wurden als sehr willkommene Zugabe die Variationen über ein Volkslied, die, der Ochs'schen Idee folgend, den Stil der verschiedenen Componisten charakterisiren, mit rauschendem Beifall aufgenommen. Mehrere Quartette wurden auf Wunsch wiederholt.

„Im Königlichen Opernhause gelangt am Montag „Lohen⸗ grin⸗ mit den Damen Pierson und Götze und den Herren Gudehus, Bulß, Stammer und Fränkel zur Aufführung. Am Dienstag geht „Cavalleria rusticana“ mit Signora Bellincioni und Signor Stagno, den Damen Dietrich und Herrn Bulß in Scene. Vorher wird die mythologische Tanzdichtung „Prometheus“ mit der Musik von Beethoven gegeben. Diese auf Aller⸗ höchsten Befehl stattfindende Théatre-paré-Vorstellung beginnt um 7 ½ Uhr. Die Preise sind für diesen Abend folgendermaßen erhöht: Fremdenloge 12 ℳ, Orchesterloge 10 ℳ, I. Rang und Parquet 8 ℳ, II. Rang Proscenium 6 ℳ, II. Rang Logen und Balcon 5 ℳ, III. Rang 3 50 ₰, Parterre 2 ℳ, Amphitheater Sitzplatz 2 ℳ, Stehplatz 1

Im Königlichen Schauspiel im (Neuen Theater) gelangt am Montag „Vasantasena“, am Dienstag „Was ihr wollt“ (25. Auf⸗ ührung in der vom Ober⸗Regisseur Grube vorgenommenen Neu⸗ einstudirung) zur Aufführung. Für den Sonnabend ist die erste Aufführung des Lustspiels Blut“ von G. von Moser und Schaper in Aussicht genommen.

Im Deutschen Theater geht „Der Talisman“ außer morgen auch am Dienstag, Donnerstag und Freitag in Scene. Der Schwank „Zwei glückliche Tage“ erreicht am Montag seine 50. Vor⸗ stellung und wird am Sonnabend wiederholt. Am Mittwoch findet in 8 u“ des Schauspiels „Der Pfarrer von Kirch⸗ feld“ statt.

Im Berliner Theater geht Shakespeare’s „Viel Lärm um Nichts“ morgen Nachmittag und Abend sowie am Dienstag und Donnerstag in Scene, und zwar jedesmal mit Ludwig Barnay und Nuscha Butze in den Hauptrollen. Neu einstudirt kommen am Montag Schiller's „Räuber“ zur Aufführung und werden am Freitag (31. Abonnements⸗Vorstellung) wiederholt. Auf Mittwoch ist Moser's Lustspiel „Der Veilchenfresser“ angesetzt; der Sonnabend bringt in neuer Einstudirung „Die Braut von Messina“, die seit einer Reihe von Jahren nicht gegeben wurde.

Für das Lessing⸗Theater lautet das Wochenprogramm: Montag: „Eine Dienstag: „Hanna Jagert“; Mittwoch: Zum ersten Mal „Die Bohème“, Schauspiel in fünf Acten von Henri Murger, deutsch von Paul Lindau; Donnerstag: „Heimath“; Freitag: „Die Bohème“; Sonnabend: „Hanna Jagert*; Sonntag: „Die Bohème“.

Im Wallner⸗Theater wird am nächsten Mittwoch auf viel⸗ fachen Wunsch Hermann Sudermann's Drama „Sodoms Ende“ in der alten Besetzung der Hauptrollen wieder aufgenommen, um sodann am Freitag wiederholt zu werden. An den übrigen Abenden der Woche werden in wechselnder Folge „Der Probepfeil“, „Die große Glocke“ und „Die Großstadtluft“ gegeben werden. Das Gastspiel des Lessing⸗Theaters wird übrigens nur noch bis Ende dieses Monats ausgedehnt werden, sodaß die beliebtesten Repertoire⸗ werke nur noch an wenigen Abenden wiederholt werden können.

Der Spielplan des Friedrich⸗Wilhelmstädtischen

Theaters für die kommende Woche lautet: Sonntag und Montag „Die schöne Helena“, Dienstag bis einschließlich Freitag „Der Bettelstudent“. Im Kroll'schen Theater findet morgen eine nochmalige Auf⸗ führung von Verdi's „Traviata“ in der Titelpartie mit Signorina Prevosti statt; die Partie des älteren Germont wird wieder von Signor de Padilla, und zwar als letztes Auftreten, gesungen. Der fernere Wochenspielplan lautet: Montag: „Der wilde Jäger“; Dienstag: „Der schwarze Domino“; Mittwoch: „Linda von Chamounix“ (Linda: Signorina Prevosti als Gast, Marquis: Signor Merly); Donnerstag: „Fritzchen und Lieschen“, „Der Schwur“ und „Abu Hassan“; Freitag: A Santa Lucia“ (erstes Gastspiel von Eemma Bellincioni und Roberto Stagno); Sonnabend: „Linda von Chamounix“.

Im Theater Unter den Linden bleibt für die kommende Woche das Ausstattungs⸗Ballet „Columbia“ mit der vorangehenden Operette „Lachende Erben“ auf dem Spielplan.

In dem schon angekündigten Concert zum Besten des Pensionsfonds des Philharmonischen Orchesters unter Leitung von Dr. Hans von Bülow am Montag, Abends 8 Uhr, gelangt Beethoven's C-moll-Symphonie an Stelle der Pastoral⸗ Symphonie zur Aufführung. Die A-dur-Symphonie bleibt auf dem Programm. Eine öffentliche Hauptprobe findet morgen Mittag 12 Uhr statt. Der Kartenverkauf für letztere ist bei Bote u. Bock eröffnet. Der Lenorist Herr Otto Fischer⸗Sobell wird in seinem am Dienstag, Abends 7 ½ Uhr, unter Mitwirkung seiner Gattin, der Pianistin Fr. Agathe Fischer⸗Sobell im Saal Bechstein zu ver⸗ anstaltenden Concert u. a. Lieder von Schubert, Schumann, Brahms, Massenet und Arien von Weber und Wagner singen, während seine Gattin Chopin's Andante spianato und Polonaise Es-dur, Liszt’s Polonaise E-dur und kleinere Stücke von Weber und Chopin spielen wird. Das Wiener Udel⸗Quartett veranstaltet morgen Mittag 12 Uhr im Saal Bechstein seine Abschieds⸗ Matinée, deren Programm außer einigen von den Sängern bisher noch nicht gehoͤrten Stücken die Haupttreffer ihrer drei hiesigen Soiréen bringt. Karten sind morgen von 9 Uhr ab im Saal Bech⸗ stein zu haben.

und Lammert

„Der Berliner Tonkünstler⸗Verein veranstaltet seinen nächsten Musik⸗Abend Dienstag, den 11. d. M., Abends 8 Uhr, in der Aula des Ascanischen Gymnasiums, Hallesche Straße. Zum Vortrag gelangen: Streichquartett von Osc. Pasch, Gesänge von O. Fauter, 1 Mor. Scharf und R. Wustandt, Cellosoli von F. E. Koch und RG. J. Eichberg, Phantasie für Harmonium von Schulze⸗Robst.

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Mannigfaltiges.

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Im Cirecus Renz fand gestern Abend mit Allerhöchster Ge⸗ nehmigung und im Beisein Ihrer Majestäten des Kaiserz und der Kaiserin nebst den ältesten drei Kaiserlichen Prinzen eine Parade⸗Gala⸗Vorstellung zum Besten des unter dem Protectorat Ihrer Majestät der Kaiserin stehenden Berliner Localvereins zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger (Friedensthätig⸗ keit: Sanitätswachen) statt. Die erste Nummer des Programms,