S. M. Kreuzer „Bussard“, Commandant Corvetten⸗ Capitän Flichtenhöfer, ist am 9. April in Sydney an⸗ gekommen und beabsichtigt am 17. desselben Monats die Rundreise durch die deutschen Schutzgebiete anzutreten.
S. M. Kreuzer „Möwe“, Commandant Capitän⸗ Lieutenant Hartmann, beabsichtigt am 12. April von Bombay Sansibar in See zu gehen.
11“
Sachsen.
Seine Majestät der König ertheilte gestern Nachmittag,
wie das „Dr. J.“ meldet, dem neuernannten italienischen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister, General⸗Lieutenant Grafen Lanza behufs Entgegennahme seiner Accreditive eine Particular⸗Audienz. Später wurde Graf Lanza von Ihrer Maäjestät der Königin in der König⸗ lichen Villa Strehlen empfangen und nahm dann an der
Königlichen Hoftafel theil, zu der auch der Staats⸗Minister
von Metzsch eine Einladung erhalten hatte.
Oesterreich⸗Ungarn.
Der Kaiser empfing gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, den Prinzen Ferdinand von Sachsen⸗Coburg in Privat⸗Audienz. 1
Die bulgarischen Minister Stambulow und Grekow statteten, dem „W. T. B.“ zufolge, heute Vor⸗ mittag in Wien dem Minister⸗Präsidenten Grafen Taaffe einen Besuch ab, trafen denselben jedoch nicht zu Hause an.
Der böhmische Landtag berieth gestern in erster Lesung die Regierungsvorlage über Abgrenzung der Gerichtssprengel in Böhmen. Der Abg. Buquoy be⸗ antragte die Zuweisung der Vorlage an die Bezirks⸗ und Gemeindecommission. Die Jungezechen Herold und Vasaty verlangten unter Ausfällen auf die Deutschen, die Altczechen und die Regierung die Bildung einer neuen Commission von 36 Mitgliedern, welche sich gegen die Ausgleichspunctationen überhaupt erklären solle. Der Abg. Schmeykal stimmte dem Antrage Buquoy'’s zu, verwahrte sich aber gegen jedes daraus zu folgernde Präjudiz und erklärte, die Deutschen hielten unter allen Umständen an dem Ausgleiche e Ser Abg. Rieger stimmte dem Antrage Buquoy’s zu und erklärte, die Altczechen beharrten bei dem Beschlusse vom 14. Februar 1892, womit eine Verschiebung des gesammten Ausgleichs verbunden sei. Nach stürmischer Debatte wurde der Antrag Buquoy's mit allen Stimmen gegen die Stimmen der Jungezechen angenommen. Die Jungezechen verließen hierauf den Saal.
Bei der gestern im ungarischen Unterhause fort⸗ gesetzten Berathung des Budgets trat der Minister für Landesvertheidigung Freiherr von Fejervary unter wieder⸗ holtem Beifall der Rechten der Behauptung von einer anti⸗ nationalen Richtung in der gemeinsamen Armee entgegen und vertheidigte zugleich die Kenntniß der deutschen Sprache bei der ungarischen Landwehr. Im Mobilmachungsfall sei ein und dieselbe Verkehrssprache nothwendig. Was n dem nationaleinheitlichen Deutschen Reich und in Frank⸗ eich richtig sei, sei angesichts des Conglomerats von Nationalitäten in Ungarn nicht passend. Unter allen Völkern der Monarchie sei die ungarische Nation zumeist wegen ihrer starken Heeresmacht gepriesen, eine eventuelle Niederlage würde Ungarn zu einem zweiten Mohacs führen. Zwischen em Geist der Nation und dem Geist der Armee bestehe kein
nterschied.
Großbritannien und Irland.
n der gestrigen Sitzung des Unterhauses erklärte dem W. T. B.“ zufolge der Parlaments⸗Secretär des Colonial⸗ amts Buxton, die Regierung habe eingewilligt, die mit den Häuptlingen in der Umgegend von Port Lokko abgeschlossenen erträge zu ratificiren. Sodann setzte das Haus ie Debatte über die zweite Lesung der Homerule⸗ ill fort. Chamberlain bekämpfte die Vorlage energisch, indem er erklärte, er glaube, das englische Volk sei er irischen Frage überdrüssig. Es würde wohl berxeit sein, ie Bill anzunehmen, wenn dadurch eine definitive Lösung ge⸗ ichert wäre. Gladstone's frühere Prophezeiungen seien aber icht in Erfüllung gegangen, deshalb könne man auch in seine etzigen Prophezeiungen kein Vertrauen setzen. Die Bill hsedige weder die Minorität, die auf etwa ein Drittheil bis zur Hälfte der Bevölkerung Irlands anzu⸗ chlagen sei, noch weniger befriedige sie die Majorität. Er fordere die Nationalliberalen Irlands zu der Erklärung heraus, aß sie die Vorlage für eine definitive Lösung der Frage hielten; er sei überzeugt, daß sie das weder könnten, noch wollten. MeCarthy erklärte, es sei eitel, zu hoffen, daß das wachsende Nationalitätsgefühl in Irland durch Palliativ⸗ mittel beseitigt werden könne. Er glaube, das trische Volk werde mit der vorliegenden Homerule⸗Bill zu⸗ rieden sein, indeß enthalte die Vorlage einige Punkte, ie er und seine Freunde zu amendiren versuchen würden. Mit den finanziellen Bestimmungen seien sie nicht Was aber das Princip der Vorlage anbe⸗ ange, so acceptirten er und seine Freunde dies als eine Lösung der Gesammtfrage. Wenn auch eine Zeit kommen ürfte, die eine Veränderung der Verfassung erheischen werde, so glaubten die irischen Deputirten doch, daß die Vorlage, hes vorauszusehen möglich, eine endgültige Lösung der Frage sei.
Die in der gestrigen Nummer des „R.⸗ u. St.⸗A.“ unter den nach Schluß der Redaction eingetroffenen Depeschen mit⸗ getheilte Verordnung des Vice⸗Königs von Irland, wodurch die Einfuhr von Waffen und Munition beschränkt wird, ist durch die bei Passagieren aus Amerika erfolgten häufigen Beschlagnahmungen veranlaßt worden. Zu den Häfen, in denen die Waffeneinfuhr verboten ist, gehört auch Sueenstown. Die Zoll⸗ und Polizeibehörden sind ermäch⸗
A
iigt, verdächtige Reisegüter zu untersuchen. 8
Frankreich.
Der Präsident Carnot hat laut Meldung des „W. T. B.“ die Begnadigung Turpin’s, des Erfinders des Melinits, unterzeichnet. .
Die Eröffnung der Generalräthe ist gestern ohne be⸗ onderen Zwischenfall erfolgt.
Der Minister⸗Präsident Dupuy conferirte heute mit dem
peruanischen Gesandten über den Streitfall zwischen Peru und den französischen Gläubigern. Der Streitfall soll
dem Schiedsspruche des schweizerischen Bundesgerichts unterbreitet werden. b
Nach in Paris eingegangenen Nachrichten ist an der pyrenäischen Grenze ein französischer Schmuggler von einem spanischen Zollwächter im Handgemenge an⸗ geblich auf französischem Gebiet getödtet worden. Unter der französischen Grenzbevölkerung des Departements Basses⸗ Pyrénsées soll infolge dessen lebhafte Erregung herrschen.
Laut amtlichen Ausweises überstiegen in der ersten Dekade des April die Rückzahlungen aus den Sparkassen die Einlagen um 15 Millionen. Die Rentenverkäufe betrugen 12 Millionen.
1 Italien.
Der Papst empfing gestern die ungarischen Pilger und hielt eine Ansprache, worin er sie ermahnte, den Lehren des Papstes zu folgen und ihm zu vertrauen. Hierauf ertheilte der Papst den Pilgern den Segen und segnete auch, wie „W. T. B.“ berichtet, den Kaiser Franz Joseph, welcher sich durch seinen Eifer für die katholische Religion und für die Wohlfahrt Ungarns auszeichne, sowie das Kaiser⸗ liche Haus und das gesammte ungarische Volk.
Spanien.
Der Ministerrath hat dem „W. T. B.“ zufolge be⸗ schlossen, die Demission des Bürgermeisters von Madrid nicht anzunehmen.
Gerüchtweise verlautete in Madrid, Japan habe die bei den Philippinen gelegenen Pelew⸗Inseln occupirt.
In Mazarron wurden vier Individuen verhaftet, welche 54 Kisten mit Dynamit entwendet hatten. 8
Luxemburg. “ 8 Dem „Rheinischen Kurier“ zufolge findet die Vermählung des Erbgroßherzogs von Luxemburg mit der Prinzessin Anna von Braganza Anfang Juni statt.
Serbien.
Der gestrigen Sitzung der Skupschtina wohnten, wie „W. T. B.“ meldet, sämmtliche Minister bei. Der Bericht des Verificationsausschusses wurde einstimmig genehmigt. Danach ist die Wahl von 74 Abgeordneten für gültig erklärt. Die übrigen, Radicalen und Fortschrittler, wurden aufgefordert, binnen 24 Stunden ihre Plätze einzunehmen, widrigenfalls die in der Liste der Radi⸗ calen zunächst folgenden Candidaten einberufen oder eventuell Neuwahlen angeordnet werden sollen. Nachdem die Abgeordneten sodann den Eid geleistet, wurde in geheimer Ab⸗ stimmung Staatsrath Zivanovic mit 68 von 69 Stimmen zum Präsidenten, Peter Nicolic zum Ersten, Nicola Sta⸗ nojevic zum Zweiten Vice⸗Präsidenten gewählt. Der Präsi⸗ dent erklärte hierauf die Skupschtina für constituirt.
Schweden und Norwegen.
In der vorgestrigen Sitzung der Ersten Kammer er⸗ klärte der frühere schwedisch⸗norwegische Minister des Aus⸗ wärtigen Björnstjerna, die schwedisch⸗norwegischen Küsten seien so ausgedehnt, die Schären so zahlreich, daß eine Blockade der Häfen unmöglich sei, so lange die schwedisch⸗ norwegische Union existirt. Werde diese aber gesprengt, worauf die von parteiischen Interessen geblendete Majorität des nor⸗ wegischen Storthings hinzuarbeiten scheine, so seien Schweden und Norwegen verloren. Die Sprengung der Union würde gegenseitiger Selbstmord der beiden Nationen sein.
Amerika. Nach einer telegraphischen Meldung des „New⸗York
Herald“ aus Valparaiso griff der Pöbel in Santiago
öffentliche Gebäude an, wurde jedoch zurückgeworfen. Infolge dieser Vorgänge ist über die Provinzen Santiago, Valparaiso und Aconcagua der Belagerungszustand verhängt. Der Präsident hat die Demission des Cabinets bislang noch nicht angenommen.
Afrika.
Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Suakin, Osman Digma habe am vergangenen Sonnabend eine Niederlassung bei Tokar überfallen, aus der er das Vieh geraubt habe. Egyptische Truppen unter dem Befehl eines englischen Offiziers hätten Osman Digma verfolgt, den Derwischen das Vieh wieder abgenommen und sie zurückgetrieben. Die Derwische hätten zwölf Todte, die Egypter keine Verluste gehabt. 8
Parlamentarische Nachrichten.
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 3 58. Sitzung vom 11. April 1893, 12 Uhr.
Der Sitzung wohnt der Präsident des Staats⸗Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg mit Com⸗ missarien bei.
Die Abgg. von Busse (Neustettin⸗Belgard) und Francke (Tondern) haben ihre Mandate niedergelegt, ersterer wegen geschwächter Gesundheit, letzterer wegen sehne⸗ Beförderung zum Landgerichts⸗Präsidenten.
Auf der Tagesordnung steht die zweite Abstimmung über den Gesetzentwurf, betreffend Aenderung des ahl⸗ verfahrens. Die zweite Abstimmung ist nothwendig, weil die Vorlage eine Verfassungsänderung enthält. Nach der Geschäftsordnung findet diese zweite Abstimmung in Form einer dritten Lesung statt.
Von den Nationalliberalen liegen zwei Anträge vor, welche die Nichtanrechnung der Einkommensteuer über 2000 ℳ und die Vorschrift, daß in jedem Urwahlbezirk die Bildung der Abtheilungen erfolgen solle, streichen wollen.
Abg. von Eynern (nl.): Der Gesetzentwurf, wie er nach den Beschluͤsen der dritten Lesung gestaltet ist, verstößt derartig gegen das⸗ hütancr der Wahlberechtigung nach der Steuerleistung, daß wir dem⸗ elben nicht zustimmen werden. Das Gesetz ist in dieser Weise ge⸗ staltet worden nach der von Mitgliedern des Centrums offen aus⸗ gesprochenen Absicht, mit dieser Mißgestalt eines Wahlgesetzes dem Centrum die Herrschaft in vielen Communen zu verschaffen. Die Gestaltung des e welche die Nicht⸗ steuerpflichtigen mit 3 ℳ in nrechnung brachte, und die Theilung in Zwölftel genügen, um die Verschiebungen durch die Reform der Einkommensteuer aufzuheben. Auf der anderen Seite wird die Drittelung in den Urwahlbezirken so wesentliche Ver⸗ schiebungen Ferbeitlhren daß das bisherige Wahlrecht in seinen Grundlagen verändert wird und damit nur ein Uebergang geschaffen werden könnte zur Abschaffung des preußischen Wahlgesetzes Seee Wir haben unsere Anträge aus der dritten Lesung erneuert und bitten Sie, für dieselben zu stimmen. 8
1 8
8
Abg. Freiherr von der Reck (cons.) bittet namens seiner Fraction,
an den Beschlüssen erster Lesung festzuhalten.
Abg. Freiherr von Zedlitz (freicons.): In der Meinung, daß die Bestimmung des § 1, wonach das Wahlrecht derjenigen Ein⸗ kommensteuerpflichtigen, welche mehr als 2000 ℳ Steuer bezahlen, beschränkt ist, nicht annehmbar ist, werde ich mit der großen Mehr⸗ heit meiner Freunde gegen diesen eenecbes und im Fall der Annahme gegen das ganze Gesetz stimmen. Die Gründe bestehen hauptsächlich darin, daß dadurch das Princip des Dreiklassen⸗ wahlsystems durchbrochen und durch Concessionen in dieser Richtung v und erschüttert wird. Wir hegen nicht die Befürchtung, daß durch eine Abänderung die Werke, die wir vorhaben, gefährdet werden. Ich kann namens aller meiner politischen Freunde, die in der Fractionssitzung anwesend waren, er⸗ klären, daß sie für den Fall, daß im weiteren Stadium das Wahl⸗ gesetz unseren Wünschen entsprechend abgeändert wird, einstimmig für die Steuergesetze stimmen werden.
Abg. Freiherr von Heereman (Centr.) erklärt, seine Partei werde an ihrer früher dargelegten Stellung zu dem Gesetz und der getroffenen Vereinbarung festhalten, auf eine weitere Erörterung sich heuté aber nicht einlassen.
Abg. Rickert (dfr.) kann sich der Erklärung des Abg. von Eynern nur anschließen. Er werde gegen dieses Gesetz, das er als irrationell bezeichnet, im einzelnen und im ganzen stimmen, dagegen für den Antrag Eynern. Es sei unerhört, daß man die Staats⸗, Grund⸗ und Gebäudesteuer anders behandele, als die Staatseinkommen⸗ steuer. Wenn man den Einbruch in das feierlich proclamirte Princip wirklich machen wolle, dann müsse man wenigstens die Staats⸗, Grund⸗ und Gebäudesteuer ebenso behandeln, wie die Staats⸗Einkommensteuer.
Abg. Dr. von SH (cons.) erklärt namens seiner Partei, daß diese bei ihren früheren Beschlüssen stehen bleibe.
Damit schließt die Generaldiscussion. Eine Special⸗ discussion über die §§ 1 bis 4 findet nicht statt.
Der nationalliberale Antrag zu § 1 (Steuer⸗ grenze von 2000 ℳ) wird in namentlicher Abstimmung mit 155 gegen 125 Stimmen abgelehnt, ebenso der Antrag zu § 4 (Bildung der Abtheilungen innerhalb der Urwahl⸗ bezirke) in namentlicher Abstimmung mit 160 gegen 129 Stimmen. (Bei der früheren Abstimmung am 14. März waren die nationalliberalen Anträge mit 182 gegen 142 Stimmen abgelehnt worden.) Für die national⸗ liberalen Anträge stimmen nur die Nationalliberalen, die Frei⸗ sinnigen und ein Theil der Freiconservativen.
ach § 5 sollen die Vorschriften für die Landtagswahlen auch für die Wahlen in Stadt⸗ und Landgemeinden An⸗ wendung finden.
Abg. Freiherr von Zedlitz (frc.) erklärt, daß durch die Vor⸗ schriften des § 1 der Inhalt des Gesetzes ein vollständig anderer geworden sei. Deshalb sei es nicht richtig, die Vorschriften des Gesetzes auf die Stadt⸗ und Landgemeinden auszudehnen, zumal dadurch nicht bloß das Wahlrecht für Stadt⸗ und Landgemeinden, sondern mittelbar auch für die Kreis⸗ und Provinzialvertretungen beeinflußt würde. Es könnte dadurch eine wesentliche Veränderung in der derzeitigen Hiismnmen gsung der Vertretungen zweier Provinzen eintreten. Diese Folge sei bei dem Gesetz nicht gewollt, und er bitte deshalb, den § 5 abzulehnen.
Abg. Enneccerus (nl.) schließt sich dem Vorredner an und empfiehlt ebenfalls die Streichung des § 5. ““
§ 5 wird hierauf mit derselben Mehrheit wie die früheren Paragraphen angenommen, ebenso der Rest des Gesetzes, sowie das Gesetz im ganzen.
Schluß 2 ¼ Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 11 Uhr. (Zweite Berathung des Ueberweisungsgesetzes.)
— Dem Reichstag ist der Entwurf eines “ betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten (vulgo Reichs⸗Seuchengesetz), zur verfassungsmäßigen Beschlußnahme zu⸗ gegangen. Wir haben den Entwurf in der Fassung, wie er dem Bundesrath vorgelegt wurde, in Nr. 32 des „R. u. St.⸗A.“, Erste Beilage, vom 6. Februar, veröffentlicht. Im Bundesrath hat er einige Aenderungen erfahren; zunächst in § 1, wo die Bestimmung, nach der jede Erkrankung und jeder Todesfall an Cholera (asiatischer), Fleck⸗ fieber (Flecktyphus), Gelbfieber, Pest (orientalischer Beulenpest), Pocken (Blattern), sowie jeder verdächtige Fall außer der Ortspolizei⸗ behörde auch dem beamteten Arzt anzuzeigen ist, dahin geändert ist, daß die letzten vier gesperrt gedruckten Worte weggestrichen wurden; ferner ist in diesem Paragraphen auch die Bestimmung gestrichen worden, daß jede Erkrankung an Darmtyphus, Diphtherie einschließlich Croup, Rückfallfieber, Ruhr (Dysenterie) und Scharlach“ zur Anzeige gebracht werden soll. In der Begründung hierzu heißt
es: „Es giebt eine Anzahl ansteckender Krankheiten, welche wegen
ihrer geringeren räumlichen Verbreitungsfähigkeit nicht als unbedingt Iecle02 . t. betrachtet werden können, die aber doch zeitweise an einzelnen Orten in so schwerer Form auftreten, daß es geboten erscheint, ihrer Weiterverbreitung mit sanitätspolizeilichen Maß⸗ regeln entgegenzuwirken. Dahin gehören beispielsweise Darm⸗ typhus, Rückfallfieber, Ruhr (Dysenterie), sowie gewisse an⸗ steckende Augenkrankheiten, Aussatz (Lepra), Genickstarre. Den Landesregierungen soll die im Landesrecht begründete Befugniß nicht genommen werden, zur Bekämpfung derartiger Krankheiten die Anzeige⸗ Sfänt einzuführen oder, wo sie besteht, beizubehalten. Um dies zum Ausdruck zu bringen, ist im Absatz 4 des § 1 ein entsprechender Vor⸗ behalt gemacht. (Landesrechtliche Bestimmungen, welche eine weiter⸗ ehende Anzeigepflicht begründen, werden durch dieses Gesetz nicht berührt) Durch diesen Vorbehalt ist auch ermöglicht, daß dort, wo landesrechtlich eine doppelte Anzeige, z. B. eine Anzeige an die Polizeibehörde und an den Amtsarzt, vorgeschrieben ist, diese Einrich⸗ tung beibehalten oder daß landesrechtlich eine solche Einrichtung ein⸗ geführt werden kann.“ 1
In § 2 sind die zur Anzeige verpflichteten Personen, abweichend von dem ersten Entwurf, folgendermaßen bezeichnet worden: 1) der behandelnde Arzt, 2) jede sonst mit der Behandlung oder Pflege des Erkrankten beschäftigte Person, 3) der Haushaltungsvorstand, 4) der⸗ jenige, in dessen Wohnung oder Behausung der Erkrankungs⸗ oder Todesfall sich ereignet hat.
§ 3 des ersten Entwurfs, der von der Verpflichtung der Anzeige von Erkrankung und Todesfall an Kindbettfieber handelte, ist gestrichen worden. Die in den §§ 5, 6 und ff. vorgenommenen Aenderungen sind redactioneller Natur oder Chnsequenzen der in § 1 erfolgten Aenderungen. Aus dem ersten Entwurf wurde § 21 gestrichen, welcher lautete: „Bei bedrohlicher Ausbreitung einer übertragbaren Augen⸗ krankheit kann durch die höhere Verwaltungsbehörde angeordnet werden, daß für die Erkrankten eine ärztliche Behandlung einzutreten hat. Den Erkrankten ist die Gelegenheit zu unentgeltlicher ärztlicher Behandlung zu bieten.“ In den Strafvorschriften, § 41 (früher 43), ist die Bestimmung hinzugefügt, daß bei mildernden Umständen die Strafe (bis zu zwei Jahren) auf eine Woche Gefängniß ermäßigt werden kann.
— Die Tagesordnung für die 74. Plenarsitzung des Reichstags am Donnerstag, 13. April, Nachmittags 1 Uhr, lautet, wie folgt: 1) Interpellation der Abgg. Menzer und Genossen, den deutschen Tabackbau betreffend. — 2) Berathung der Petitionen, welche von der Commission für die Petitionen als zur Erörterung im Plenum für nicht geeignet erachtet, zur Einsicht im Bureau niedergelegt sind. — 3) Dritte Berathung der Rechnung der Kasse der Ober⸗Rechnungs⸗ kammer für das Fertg 1889/90 bezüglich derjenigen Theile, welche sich auf die Reichsverwaltung beziehen, auf Grund des in zweiter Berathung unverändert angenommenen Antrags der Rechnungs mmission 4) Dritte Berathung d Ueber⸗
t Etatsjahr 1891/92,
Brauereien zu schädigung aber nicht gewährt.
80 bis 100 ℳ
sich gegen das Zusammenarbeiten von nicht dem Gewerkverein angehörigen Arbeitern stemmen. Der
aufbesserun
der Reichsausgaben und vie ah . . das auf Grund der in zweiter Berathung
unverändert angenommenen Anträge der Rechnungscommission. — 5) Zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, be⸗ reffend Ergänzung der Bestimmungen über den Wucher, uf Grund des Berichts der X. Commission. Berichterstatter:
Abg. Dr. Giese.
Viehzählung in Württemberg.
In Württemberg sind bei der letzten Viehzählung am 1. De⸗ ember 1892 gezählt 101 625 Pferde (4740 mehr als 1883), 76 Maul⸗ fel und Esel (48 weniger als 1883), 970 059 Stück Rindvieh 65 920 mehr), 384 335 Schafe (165 769 weniger), 394 402 Schweine (102 196 mehr), 20 686 Ziegen (15 111 mehr), Bienenstöcke 115 947 (35 849 mehr), 232 682 Gänse (50 735 mehr), 139 296 Enten 17 439 mehr), 1 937 547 Hühner (277 097 mehr). Diese Ziffern assen einen Aufschwung der württembergischen Viehzucht im all⸗ emeinen erkennen und stimmen mit dem Ergebniß in Preußen (vgl. tr. 45 des „R.⸗ u. St.⸗A.“ vom 21. Februar 1892) insofern überein, als üuch in Württemberg die Maulesel und Esel, insbesondere aber die Schafe erheblich abgenommen haben. In Preußen haben die Pferde n den letzten Jahren um 9,5 %, in Württemberg um 4,9 %, das Rindvieh um 12,7 %, in Württemberg um 7,3 %, die Schweine um 2,4 %, in Württemberg um 35 %, die Ziegen um 16,3 %, in Württemberg um 27,5 %, die Bienenstöcke um 0,9 %, in Württem⸗ erg um 44,8 % zugenommen; dagegen ist eine Abnahme erfolgt in Preußen bei den Mauleseln und Eseln um 35,6 %, in Württem⸗
berg um 38,7 %, bei den Schafen um 31,6 %, in Württemberg um
V
.““ Zur, Arbeite beweogg Aus Hamburg wird der „Voss. Ztg.“ geschrieben, daß 80 eng⸗
lische Feuerleute, die der Hamburger Dampfer „Normannia“
mitgebracht hatte, sofort den Dienst verlassen haben, als sie hörten, aß die Forderungen der ausständigen Heizer und Trimmer Hamburgs icht bewilligt seien.
In Leipzig haben einer Mittheilung der „Lpz. Ztg.“ zufolge estern Morgen etwa 50 Arbeiter einer großen Schuhwaare nfabrik ie Arbeit eingestellt. Die Arbeitseinstellung soll veranlaßt worden ein durch die Weigerung der Arbeitgeber, einen ehemaligen soge⸗ annten Strikebrecher zu entlassen. — Eine Versammlung von 20 Brauergehilfen Leipzigs nahm am Sonntag die Antwort der Brauereibesitzer auf die gestellten Forderungen (vgl. Nr. 69 d. Bl.) ntgegen. Es wird demnach den Gehilfen gestattet, außerhalb der wohnen und zu schlafen, eine Wohnungs⸗Ent⸗ zn Die bisherige elfstündige Arbeitszeit (an Stelle der geforderten zehnstündigen) wird beibehalten. Die Arbeitszeit soll an Sonn⸗ und Festtagen die Dauer von 5 Stunden,
im Keller und Sudhaus die von 3 Stunden (es war eine zweistündige
Sonntagsarbeit gefordert worden) nicht überschreiten. Der jetzige neben Naturalbezügen und freier Wohnung be⸗ tragende Monatslohn (die Gehilfen hatten einen wöchentlichen Mindestlohn von 28 ℳ beansprucht) wird nicht erhöht. Ueber⸗ stunden werden in der Woche mit 40 ₰, an Sonn⸗ und Festtagen mit 50 ₰ (an Stelle der geforderten 50 ₰ und 60 ₰) Henae Sechs Liter guten Bieres für den Gehilfen und den Tag werden be⸗ willigt. Die Zuschrift theilte weiter mit, daß in den einzelnen Brauereien alle Gehilfen sich durch ihre Namensunterschrift mit diesen Beschlüssen der Brauereibesitzer einverstanden erklärt hätten. — Die Versammlung beschloß dem entgegen, ihre ursprünglichen Forderungen mit Nachdruck weiter zu verfolgen. Die socialdemokratisch organi⸗ sirten Brauergehilfen bilden in Leipzig weitaus die Minderheit. Aus Mainz wird der „Voss. Ztg.“ über den Braueraus⸗ stand geschrieben: Der Brauerausstand wird künstlich weiter zu führen gesucht; aber alle Versammlungen und die ehaltenen Reden können nicht darüber täuschen, daß man für eine verlorene Sache fort⸗ kämpft. Der ganze Ingrimm richtet sich jetzt gegen den socialdemo⸗ kratischen Reichstags⸗Abgeordneten Joest, der vor dem Ausstand und dem Bovycott als nutzlos gewarnt hat. (Vgl. Nr. 78 d. Bl.)
Hier in Berlin haben, wie der „Vorwärts“ mittheilt, die Ar⸗ beiter in der Filz⸗ und Lederpantoffel⸗Fabrik von Buchholz wegen Lohnstreits die Arbeit niedergelegt.
Aus Graz berichtet ein Telegramm des „D. B. H.“, daß sämmt⸗ liche Arbeiter bei den dortigen Bau⸗ und Maurermeistern gestern gekündigt haben. Sie stellen weitgehende Forderungen und wollen am 24. April die Arbeit gänzlich einstellen, wenn ihre Forde⸗ rungen bis dahin nicht bewilligt werden.
In Bern sind, wie der „Köln. Ztg.“ geschrieben wird, seit einigen Tagen die Schmiede⸗ und W agnergesellen ausständig. Sie haben sich Gewaltthätigkeiten gegen Meister und zuziehende Arbeiter zu schulden kommen lassen.
In Chur befinden sich nach dem „Vorwärts“ die Holzarbeiter (Zimmerleute, Schreiner und Glaser) in einer Lohnbewegung.
Aus Mons meldet ein „Wolff'sches Telegramm“, in einem großen Meeting zu Quaregnon, an dem 4000 bis 5000 Berg⸗ arbeiter theilnahmen, sei ein allgemeiner Strikeim Borinage für
den heutigen Tag beschlossen worden. Trotz der Bemühungen des Führers Roger, der die Theilnehmer an die Versammlung bat, die Entscheidung
noch einige Tage hinauszuschieben, bis die Constituante werde über
1 die Verfassungsrevision abgestimmt haben, wurde dennoch der so⸗ fortige allgemeine Strike nahezu einstimmig beschlossen. Die schlimme Lage der Bergarbeiter dieser Gegend war für die getroffene Ent⸗
scheidung mit ausschlaggebend. Zum Ausstand der Dockarbeiter in Hull berichtet die
Lndoner „Allg. Corr.“: Der große Schiffsrheder Charles
Wilson in Hull, gegen den sich hauptsaächlich die Agitation des localen Gewerkvereins der Dockarbeiter richtet, soll in einer Conferenz mit den Führern gesagt haben, er wolle lieber jede Handelsverbindung mit Hull aufgeben, als sich den Forderungen der Dockarbeiter fügen, die mit, und die Verwerthung
Versuch des Arbeitercandidaten Fred Maddison, die Strikenden zum Nachgeben zu überreden, mißlang, und auf einer von 10 000 Arbeitern im Freien abgehaltenen Versammlung theilten die Führer des Strikes, J. H. W. Wilson und Ben Tillet ihre Absicht mit, in den Hauptseestädten zu agitiren, damit sie keine Leute nach Hull senden. — Ein Londoner Telegramm des Wolff'schen Bureaus meldet ferner, der General⸗Secretär des Seemanns⸗ und Heizerverba ndes habe gestern erklärt, er Cardiff in den Strike von Hull hineinzuziehen; er habe bereits die Sperre
über Hartlepool angeordnet, da die Boote der Wilson⸗Linie
dort auslaufen wollten (s. die letzten Depeschen).
8 Aus Paris wird der „Magdeb. Ztg.“ geschrieben: Während aus Amiens gemeldet wird, daß zwölfhundert Sammetweber striken und die Seidenfärber zur Einstellung der Arbeit zu bewegen suchen, erfährt man, daß in Angers die Arbeiterinnen von drei Seidenspinneresien und Zwirnereien eine Lohn⸗ verlangen und die Fabriken meiden. — In Paris haben die Arbeiter einer der größten Lederwaarenfabriken ihre Arbeit eingestellt, weil der Arbeitgeber seine Absicht bekundet hatte, die Löhne um 40 % herabzusetzen.
Aus Chicago meldet ein Wolff’sches Telegramm: Von den bei der Errichtung der Ausstellungsgebäude beschäftigten Arbeitern haben infolge einer Aufforderung des Vorstandes des Syndikats der Bauarbeiter etwa 3500 Mann die Arbeit niedergelegt. Die Aus tändigen führen darüber Beschwerde, daß die Be⸗ hörden ich nicht dem Uebereinkommen gemäß verhielten, wonach die vorkommenden Zwistigkeiten durch ein Schieds⸗ gericht geschlichtet werden sollten. Die Polizei hat die Arbeiter, die em Syndikat nicht angehören, unter ihren Schutz gestellt. Gleich⸗
8 8
wohl ist es schon mehrfach zu ernsteren Streitigkeiten gekommen. Es wird befürchtet, daß im Falle der des Ausstandes die Arbeiten bis zum Zeilpunkt der ECröffnung der Ausstellung nicht fertiggestellt werden können (s. die letzten Depeschen).
Kunst und Wissenschaft.
„Professor Karl. Werder, der Dichter der „Columbus⸗ Trilogie“, ist, wie die „Nat⸗Ztg.“ berichtet, gestern Vormittag im Alter von 86 Jahren gestorben. Am 13. Dezember 1806 in Berlin geboren, widmete er sich unter Hegel dem Studium der Philosophie und blieb seinem Lehrer und Meister auch späterhin treu. Mit einer Arbeit über den Parmenides des Plato habilitirte er sich 1834 als Privatdocent in der hiesigen philosophischen Facultät, wurde 1838 zum außerordentlichen Professor und später zum Geheimen Regierungs⸗Rath ernannt. Seine viel besuchten öffentlichen akademischen Vorlesungen behandelten die dramatische Kunst; die über „Hamlet“, „Macbeth“, „Wallenstein“ und „Nathan“ sind auch im Druck erschienen. Von seinen dichterischen Werken sind „Columbus“ und „Politik und Liebe“ (Geschichte des Grafen Essex) hervorzuheben. Der 1842 bereits zum ersten Mal und in den fünfziger Jahren wiederholt aufgeführte „Columbus“ ist be⸗ kanntlich am 13. Dezember v. J. (zum 86. Geburtstage des Dichters) im Königlichen Schauspielhause wieder erschienen.
— Ueber die gestrigen Verhandlungen des Medizinalbeamten⸗ Vereins ist noch zu berichten: Die weiteren Vorschläge des Referenten, Regierungs⸗ und Medizinal⸗Raths Rapmund ss. d. gestr. Nr. d. Bl.) besagen: „a. Die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Schutzmaßregeln (§§ 12 bis 27) sind zum theil zu weitgehend, be⸗ sonders in Bezug auf die Verkehrsbeschränkungen ansteckungs⸗ oder krankheitsverdächtiger Personen, theils gehen sie zu sehr ins einzelne und bringen Vorschriften, die in die Ausführungsbestimmungen ge⸗ hören; andererseits sind einige wichtige Schutzmaßregeln, z. B. Für⸗ sorge für die nöthige ärztliche Hilfe und das erforderliche Kranken⸗ pflegepersonal, Belehrung der Bevölkerung durch geeignete Bekannt⸗ machungen, Verbot des Aufenthaltswechsels kranker Personen ohne zuvorige ortspolizeiliche Genehmigung u. s. w., unberücksichtigt ge⸗ blieben. b. Die Schutzmaßregeln bei bedrohlicher Ausbreitung einer übertragbaren Augenkrankheit (§ 21 des Gesetzentwurfs) sind der Landesgesetzgebung zu überlassen. . Der Begeiff „beamtete Aerzte“ (§ 35 des Gesetzentwurfs) ist einwandsfreier zu fassen. d. Zur erfolgreichen Durchführung des Reichs⸗Seuchen⸗ gesetzes ist es nothwendig, de die beamteten Aerzie durch gesetzlich geregeltes, pensionsfähiges Gehalt von der ärztlichen Praxis unab⸗ hängig. ö und ihre Rechte und Pflichten den Anforderungen der öffentlichen Gesundheitspflege entsprechend erweitert werden.. — In der Debatte betonten alle Redner die Nothwendigkeit, daß auch die sogenannten Kurpfuscher zur Anzeige verpflichtet würden. Es sei das um so nothwendiger, als die Zahl der Kurpfuscher selbst in den großen Städten immer mehr zunehme. Nach längerer Discussion ge⸗ langten die ersten acht Thesen des Referenten unverändert zur An⸗ nahme. Thesis 9 wurde abgelehnt, dagegen folgende neue Thesis zum Beschluß erhoben: „Etwaige Vorschriften über öffentliche Bekannt⸗ machungen, sowie über Benachrichtigungen benachbarter Behörden und des Kaiserlichen Gesundheitsamts (§§ 9 und 41 des Gesetz⸗ entwurfs) beim Ausbruch gemeingefährlicher Krankheiten sind den Ausführungsbestimmungen vorzubehalten.“ — Der Vorschlag sub a wurde in folgender Fassung angenommen: „Die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen ch ehcsahebile (§§ 12 bis 27) gehen zu weit, besonders in Bezug auf die Verkehrsbeschränkungen ansteckungs⸗ oder krankheits⸗ verdächtiger Personen, auch gehen sie zu sehr ins einzelne u. s. w.“ Außerdem wurde dieser Thesis noch folgender Satz hinzugefügt: „Die Ortspolizeibehörde hat bei Anordnung der erforderlichen Schutz⸗ maßregeln den Vorschlägen und Anordnungen der beamteten Aerzte zu folgen.“ Endlich gelangten die Thesen b, c und d des Referenten zur Annahme. Außerdem wurde beschlossen: das stenographische Pro⸗ tokoll über die Verhandlungen dieses Gegenstandes so schnell als möglich dem Reichstag zu übermitteln. — Kreisphysikus Dr. Fie litz (Halle a. S.) sprach alsdann über: „Die gegenwärtige Stellung der Medizinalbeamten.“ Der Redner wies darauf hin, daß die Medizinalbeamten in sehr geringem Maße Privatpraxis ausüben könnten. Abgesehen davon, daß die beamteten Aerzte gar zu sehr durch ihr Amt in Anspruch genommen seien, scheuten sich viele Familien, die Hilfe der beamteten Aerzte in Anspruch zu nehmen, da diese immer in erster Reihe mit den ansteckenden Krankheiten zu thun haben. Die beam⸗ teten Aerzte wollten deshalb in ihrem Pflichteifer nicht erlahmen; im Interesse der Zukunft ihrer Familien liege es aber, daß sie für die Gewährung einer Pensionsberechtigung einträten. Der Redner befür⸗ wortete schließlich folgende Resolution: „Der Vorstand des Vereins möge dem Herrn Minister unseren Dank aussprechen für die den Medizinalbeamten gezollten Worte der Anerkennung und ihm die einmüthige Ansicht des Vereins unterbreiten, daß eine ersprieß⸗ liche Thätigkeit der Kreis⸗Physiker dauernd nur möglich ist, wenn sie zu pensionsberechtigten Staatsbeamten mit ausreichendem Gehalt und genügender Competenz gemacht werden.“ Der Vorsitzende, Regierungs⸗ und Geheimer Medizinal⸗Rath Dr. Kanzow bemerkte: Er sei immer dafür eingetreten, daß der Physikus ein höheres Gehalt haben müsse, da dieser kaum in der Lage sei, Privatpraxis auszuüben. Es gehe ja allerdings das Bestreben dahin, die Ausübung der Privat⸗ praxis überhaupt abzuschaffen. Es sei das aber nicht zu empfehlen, da alsdann der beamtete Arzt, der doch gewöhnlich noch in jungen Jahren ins Amt trete, der praktischen Thätigkeit vollständig ent⸗ fremdet werde und über alle neueren Erscheinungen auf dem Gebiete der Praxis in Unkenntniß bleibe. — Nach noch längerer Debatte ge⸗ 5 die Resolution des Referenten zur Annahme. Danach wurde die Verhandlung auf heute Vormittag 9 Uhr vertagt. — Berichtigend ist noch zu bemerken, daß der Verein sich nicht „Deutscher“, sondern „Preußischer Medizinalbeamten⸗Verein“ nennt.
In der heutigen zweiten und letzten Sitzung, der der Geheime Regierungs⸗Rath Dr. Krohne vom Reichsamt des Innern beiwohnte, sprach zunächst der gerichtliche Stadtphysikus, Privatdocent Dr. Fr. Straßmann (Berlin): „Zur Lehre der Arsenvergiftung“. Der Redner bemerkte u. a.: Die Frage, ob ein Gift während des Lebens oder erst nach dem Tode eingeführt wurde, sei mehrfach, besonders bei der Arsenvergiftung von praktischer Bedeutung geworden; so sei z. B. in einem Falle der gelungene Arsennachweis in der Leiche von dem Angeklagten dö zurückgeführt worden, daß er dem Todten zum Zweck besserer Conservirung Arsen in Mund und Mastdarm ge⸗ schüttet habe. Im allgemeinen halte man bisher den Nachweis des Giftes in anderen Organen außerhalb des Magens für be⸗ weisend als eine während des Lebens erfolgte Ver⸗ giftung, obwohl bereits, besonders aus der ausländischen Literatur, entgegengesetzte Angaben vorliegen. Er (Redner) habe die Erfahrung gemacht, daß in der Leiche eine Wanderung des Arsens in benachbarte Organe stattfinde, habe aber hier eine andere, eigenthüm⸗ liche Vertheilung gefunden als bei der Vergiftung während des Lebens. Festzuhalten sei, daß an der Leiche das Gift in die linke Niere schon viel früher eindringe als in die rechte. Starker Arsengehalt in der linken, Fehlen des Giftes in der rechten Niere gelte für Gifteinfuhr nach dem Tode, gleichmäßige Vertheilung des Arsens in die verschiedenen Organe widerlege jedoch diese Annahme. — Dr. med. Leppmann (Berlin), Arzt an der Königlichen Strafanstalt zu Moabit, sprach als⸗ dann über die Fürsorge für geisteskranke Strafgefangene. Der Redner füͤhrte aus, daß mindestens 5 % aller Strafgefangenen geisteskrank seien. Diese Geisteserkrankung sei zumeist eine acute. Sie trete gewöhnlich bei sogenannten Gelegenheitsverbrechern auf, die selbstverständlich unter der Wucht der Strafe bedeutend mehr als die Gewohnheitsverbrecher zu leiden haben. Wenn diesen Geisteskranken schnelle Hilfe geleistet werde, sei dann vielfach noch Heilung möglich. In der Strafanstalt Moabit (Zellen⸗Gefängniß) sei bekanntlich eine Irrenstation. In dieser seien in den letzten fünf Jahren 15 % aller Geisteskranken vollständig genesen. Es würde sich daher empfehlen, in möglichst allen Strafanstalten entsprechende Irren⸗ stationen einzurichten. Im weiteren empfehle sich auch, den Straf⸗ vollzug verschieden zu Hemnessen, Für Gelegenheitsverbrecher se be⸗ kanntlich eine kurze Freiheitsstrafe von nur wenigen Monaten oftmals
eine viel härtere Strafe als für den Gewohnheitsverbrecher eine Frei⸗ heitsstrafe von mehreren Jahren. Auch dem Verlangen der Inter⸗ nationalen criminalistischen 1 das Alter der Strafmündig⸗ keit hinaufzurücken, sei vom ärztlichen Standpunkt beizupflichten. Der Redner befürwortete schließlich folgende Thesen: „I. Für größere Staaten, d. h. für solche mit entsprechend zahlreicher Zwangs⸗ anstalts⸗Bevölkerung und verwickelter Gliederung der zffentlichen Fürsorfe, empfiehlt sich die Begründung besonderer Beobachtungs⸗ und eilanstalten für geisteskranke Sträflinge. II. Für geisteskranke Strafgefangene, welche aus dem Strafvollzuge ausscheiden, sind An⸗ stalten oder besondere Anstalts⸗Abtheilungen weder erforderlich, noch wünschenswerth. III. Folgende vorliegende Maßregeln zur Verhütung des Vorkommens geistiger Erkrankungen im Strafvollzuge oder zu deren rechtzeitiger Erkennung sind als nächstliegende Vorbeugungs⸗ maßregeln anzustreben: a. Genauere Rücksichtnahme auf die geistige Unzulänglichkeit als Strafausschließungsgrund auf dem Boden geltenden Gesetzes; b. Verbesserung der Strafvollzugs⸗Umwandelungen, ins⸗ besondere umfassende Ausmittelung der Persönlichkeit des zur Straf⸗ haft Eingelieferten durch systematische Erkundigung über Abstammung und Vorlehen, sowie durch Erweiterung der Stellung und Pflichten der Anstaltsärzte; c. größere Anerkennung der geistigen Minderwerthigkeit in der Armenpflege mit zweckentsprechender Anstaltsfürsorge; d. Verwirklichung einiger Gesetzesprojecte, namentlich: 1) der Ausgestaltung der bedingten Entlassung; 2) Ausmerzung der durch geistige Fht zu socialer Selbständigkeit Unfähigen durch eeignete Maßnahmen gegen rechtsbrecherische und verwahrloste Jugendliche und Ueberweisung derselben an die Irren⸗ und Armen⸗ pflege vor völliger Strafmündigkeit.“ Die Versammlung pflichtete diesen Thesen im allgemeinen bei, nahm jedoch von einem formellen Beschluß Abstand. ö“ Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. 8 An der Ruhr sind am 10. d. M. gestellt 10 222, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.
In Oberschlesien sind am 8. d. M. gestellt 3885, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. 11 1 Zwangs⸗Versteigerungen. 8
Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin standen am 10. April die nachverzeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Landsberger⸗Allec 77a, Ecke der Tilsiterstraße, dem Zimmer⸗ meister Carl Koebke gehörig; Nutzungswerth 15 800 ℳ, Mindest⸗ gebot 227 000 ℳ; für das Meistgebot von 234 000 ℳ wurde der Töpfermeister Michael Wehr, Philippstraße 9, Ersteher. — Emdenerstraße 44, dem Fabrikanten Wilhelm Liebig gehörig; Nutzungswerth 14 190 ℳ; für das Meistgebot von 206 000 ℳ wurde die „Grundrenten⸗Gesellschaft“, Rathenowerstraße 49, Ersteherin.
— In der gestrigen Generalversammlung der Actionäre der Vaterländischen Lebensversicherung Aktien⸗Gesell⸗ schaft zu Elberfeld wurde beschlossen, eine Dividende von 4 % an die Actionäre zu vertheilen.
B“ Kölnische Unfall⸗Versicherungs⸗Gesellschaft schlägt, wie die „Köln. Ztg.“ meldet, wiederum die Vertheilung einer Dividende von 22 % vor. b
— Die gestrige Generalversammlung der Actionäre der Privat⸗ bank zu Gotha genehmigte den Rechnungsabschluß für 1892 und die Vertheilung von 5 % Gewinn. Die ausscheidenden Mitglieder des Verwaltungsraths wurden wiedergewählt.
— Der Verwaltungsrath der Buschtehrader Eisenbahn hat, wie „W. T. B.“ aus Prag meldet, beschlossen, in der am 13. Mai stattfindenden Generalversammlung für die Strecke Litt. A.
47 Fl. und für die Strecke Litt. B. 20 Fl. 50 Kr. Dividende vor⸗ zuschlagen.
Magdeburg, 10. April. (W. T. B.) Zuckerbericht. Kornzucker excl., von 92 % 17,25, Kornzucker excl., 88 % Rendement —,—, Nachproducte excl., 75 % Rendement 13,85. Ruhig. Brod⸗ Eaffingde 1. II. ü mit Fa 75. em. Melis 1, mit Faß 27,75. Ruhig. Rohzucker I. Product Transito f. a. B. Hamburg pr. April- 15,87 ½ bez., 15,92 ½ Br., pr. Mai 15,95 bez., 15,97 ½ Br., pr. Juni 16,07 ½ bez., 16,12 ⅞ Br., pr. Juli 16,20 bez., 16,22 ⅞ Br. Ruhig. “
Leipzig, 10. April. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata Grundmuster B. per April 3,90 ℳ, per Mai 3,92 ½ ℳ, per Juni 3,95 ℳ, per Juli 3,97 ½ ℳ, per August 4,00 ℳ, per September 4,02 ½ ℳ, per Oktober 4,05 ℳ, per November 4,05 ℳ, per Dezember 4,05 ℳ, per Januar 4,07 ½ ℳ, per Februar 4,07 ½ ℳ, per März —,— ℳ, Umsatz 35 000 kg.
Wien, 10. April. (W. T. B.) Wie die Blätter aus Pest melden, begab der Finanz⸗Minister Dr. Wekerle an die Rothschildgruppe zwölf Millionen ungarische Goldrente fest zum Curse von 96.
London, 10. April. (W. T. B.) Wollauction. Preise FSeee eg fest; sehr lebhafte Betheiligung, namentlich für Kreuz⸗ zuchten.
Das Haus N. M. Rothschild u. Söhne hat den Prospect über die fünsprocentige West⸗Minas⸗Anleihe im Betrage von 3 710000 Pfd. Sterl. veröffentlicht. Der nominelle Emissionscurs ist 80. Zeichnungstag ist der 12. April.
An der Küste 1 Weizenladung angeboten.
96 % Javazucker loco 17 ¼ stetig, Rüben⸗Rohzucker loco 15 ¾ erholend. — Chile⸗Kupfer 441316, pr. 3 Monat 45 ½.
Glasgow, 10. April. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 5425 Tons gegen 8609 Tons in der ent prechenden Woche des vorigen Jahres.
Bradford, 10. April. (W. T. B.) Wolle fest, unverändert, feine Wollen ruhig. Markt für Garne aufgeregt, Mohair⸗Garne theurer. Worsteds anziehend. Stoffe ruhig, unverändert.
Amsterdam, 10. April. (W. T. B.) Java⸗Kaffee good ordinary 53. — Bancazinn 56.
Rew⸗York, 10. April. (W. T. B.) Die Börse eröffnete fest, gab bei den ersten Umsätzen nach, schloß jedoch stetig. Der Umsatz der Actien betrug 228 000 Stück. Der Silbervorrath wird auf 470 000 Unzen geschätzt. szilberverkäufe fanden nicht statt. Die Silberankäufe für den Staatsschatz betrugen 130 000 Unzen zu 83,40 à 83,45.
Der Dampfer „Havel“ wird morgen 3 500 000 Dollars Gold nach Europa mitnehmen.
Die Tendenz für Weizen war anfangs schwach auf Zunahme der unterwegs befindlichen Menge und Rcalisirungen. Dann trat eine lebhafte Reaction ein infolge des Regenmangels und der geringen Vorräthe, es fanden Käufe des Auslandes und Deckungen der Baissters statt. Später gaben die Preise im Einklang mit dem Westen wieder nach. Schluß schwach. — Mais einige Zeit steigend nach Eröffmung auf Abnahme der Vorräthe, später Reaction. Schluß träge.
Visible Supply an Weizen 77 293 000 8, do. an Mais 14 915 000 Bushels.
Chicago, 10. April. (W. T. B.) Weizen cröffnete set auf Deckungen der Baissiers für Mai und schlechte G schwächte sich aber später infolge reichlicher Realist der H für den Julitermin und auf die den bisherigen Nachrichten üde Ernteschaden widersprechende Berichte wieder ab. — Mai Zeit steigend nach ECröffnung, später Reaction. Schluß träge.
Theater und Musik.
Philbarmonie. Zum Besten des Pensionsfonde des Pbhilharmensschen Orchesters fand Festern unter Leitung des Dr. Hanz don Bülen ein Beethoven⸗Abend statt, für welchen die „Fidene. O. die Gmoll-Symphonie, die A-Aur. Sypmpbonie und dair Qudergwer n „Leonore“ (Nr. 3) gewählt worden waren. Dir 8 sin de
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