1893 / 88 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 14 Apr 1893 18:00:01 GMT) scan diff

der Eintragung in das Grundbuch zur Erhaltung der vollen Wirksamkeit gegen Dritte nicht bedürfen. Dieser Standpunkt des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie des Entwurfs des Einf.⸗Gesetzes wurde nach verschiedenen Richtungen hin bekämpft. Eine Ansicht ging dahin, von dem Erfordernisse der Eintragung überhaupt, auch für die Zukunft, abzusehen. Von anderer Seite wurde beantragt, wenigstens solche Grund⸗ dienstbarkeiten von dem Eintragungszwange auszunehmen, die sich durch eine dauernde Anlage bekunden. Von dritter Seite war befürwortet, mit dem Entwurf zwar für die künftig u begründenden Grunddienstbarkeiten an dem Erfordernisse der Eintragung festzuhalten, den Art. 109 des Entwurfs des Einf⸗Gesetzes aber dahin zu ändern, daß die zu der Zeit, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, bestehenden Grunddienstbarkeiten zur Erhaltung ihrer vollen Wirksamkeit gegen Dritte nicht der Eintragung in das Grundbuch bedürfen, daß jedoch der Eigenthümer des dienenden Grundstücks ver⸗ pflichtet ist, auf Verlangen und Kosten des Eigenthümers des herrschenden Grundstücks die Eintragung zu bewilligen. Nach einer sehr eingehenden Erörterung trat die Mehrheit dem letzteren Antrage bei, jedoch mit dem Zusatz, landesherrlicher Verordnung die Bestimmung zu überlassen, daß auch die be⸗ stehenden Grunddienstbarkeiten oder bestimmte Arten derselben zur Erhaltung der vollen Wirksamkeit gegen Dritte bei der Anlegung des Grundbuchs oder innerhalb einer be⸗ stimmten Frist nach dem Zeitpunkt, in welchem das Grund⸗ buch als angelegt anzusehen ist, in das Grundbuch eingetragen werden müssen. Von einer Seite war noch der Antrag gestellt, in den Fällen der destinatio patris familiae (code Art. 692; ogl. auch Sächs. G.⸗B. § 575; Entsch. des Reichsgerichts in Civilsachen Bd. XIII. S. 249 ff.), d. h. in solchen Fällen eine Ausnahme von dem Erfordernisse der Eintragung zu be⸗ stimmen, in denen der Eigenthümer zweier Grundstücke, von denen das eine der E1“ des anderen durch eine dauernde sichtbare Anlage thatsächlich dient, eines veräußert, ohne daß die Anlage beseitigt wird, oder in denen die Grund⸗ stücke im Miteigenthum stehen und bei der Aufhebung der Gemeinschaft das eine Grundstück dem einen, das andere Grundstück einem anderen Miteigenthümer ohne Beseitigung der Anlage zugetheilt wird. In Fällen dieser Art sollte dach dem Antrage, sofern nicht ein Anderes vereinbart ist, mit der Veräußerung bezw. mit der Zutheilung an dem dienenden Grundstück nach Maßgabe der bisherigen Benutzung eine Grunddienstbarkeit zu Gunsten des anderen Grundstücks ent⸗ stehen, der Eigenthümer des herrschenden Grundstücks aber berechtigt sein, von dem Eigenthümer des dienenden Grund⸗ stücks zu verlangen, daß dieser die Eintragung der Grund⸗ dienstbarkeit in das Grundbuch bewillige. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt, ebenso ein Antrag: wesentlich mit Rücksicht auf die bestehenden Grunddienstbar⸗ keiten die der Grunddienstbarkeiten auch künftig durch Ersitzung zuzulassen, wenngleich mit der Beschränkung, daß eine so entstandene Grunddienstbarkeit dem gutgläubigen Erwerber des Grundstücks gegenüber ohne Eintragung keine Wirksamkeit habe. Dagegen wurde, entsprechend einem bei der Berathung des § 873 gefaßten Beschlusse über die Eigen⸗ thumsersitzung durch einen als Eigenthümer eingetragenen Nichteigenthümer, die Vorschrift aufgenommen, daß eine in Wirklichkeit nicht bestehende, aber in das Grundbuch einge⸗ tragene Dienstbarkeit von dem Eigenthümer des Grundstücks, zu dessen Vortheile sie eingetragen ist, erworben wird, wenn sie während eines Zeitraums von dreißig Jahren eingetragen und ausgeübt ist.

Erledigt wurden sodann noch die §§ 966 bis 970. Die Vorschriften der §§ 966, 967 über den Begriff und Inhalt der Grunddienstbarkeiten gelangten nach dem Entwurf zur Annahme. Ein Antrag: zusätzlich zu bestimmen, daß bei Grunddienstbarkeiten, für die Umfang oder Maß der Be⸗ nutzung nicht bestimmt seien, der Berechtigte im Zweifel keinen Anspruch auf eine Benutzung des dienenden Grundstuücks habe, die den Bedarf des Grundstücks übersteige, noch auf den Mehrbedarf, welcher durch Aenderung der Benutzung oder durch neue Anlagen auf dem herrschenden Grundstück entstanden sei, fand keine Zustimmung. Man war, soviel den ersten Theil des Antrags betrifft, der Ansicht, daß bei Grunddienstbarkeiten das Maß der Benutzung durch das Bedürfniß des herrschenden Grundstücks begrenzt werden müusse. Anlangend aber die weitere in dem Antrage angeregte Frage, verdiene es den Vorzug, die Beantwortung derselben im einzelnen Falle von der Auslegung des Vertrags abhängig zu machen. Der § 968, welcher besonders zum Ausdruck bringt, daß eine Grunddienstbarkeit nach Bruchtheilen weder begründet noch aufgehoben werden kann, wurde als entbehrlich

1 hetsgichen Gegen den die Art der Eintragung in das Grund⸗ uch näher regelnden § 969 crhob sich kein Widerspruch. Auch die Vorschriften des § 970 über die Pflicht des Be⸗ rechtigten zur schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit fanden Billigung. Verschiedene Anträge, die bezweckten, die Ausübung einer Grunddienstbarkeit reichsgesetzlich noch weiter⸗ gehenden Beschränkungen allgemein zu unterwerfen, wurden abgelehnt. Die Mehrheit ging davon aus, daß es bei der

großen Verschiedenheit der in Betracht kommenden Grund⸗ dienstbarkeiten richtiger sei, mit dem Art. 70 des Entwurfs des Einführungsgesetzes es der Landesgesetzgebung zu über⸗ lassen, in Ansehung gewisser Grunddienstbarkeiten Inhalt und Maß derselben näher zu bestimmen.

.““ . 1“

Auf eine Eingabe des Vorstands⸗Vorsitzenden der Kranken⸗ kasse des Deutschen Privat⸗Beamtenvereins in Magdeburg ist vom Finanz⸗Ministerium unter dem 29. März d. J. der Be⸗ scheid ertheilt worden, daß kein Bedenken bestehe, bei Berechnung

des Einkommens zum Zwecke der Einkommensteuer⸗ veranlagung auch die von dem Steuerpflichtigen an die Krankenkasse des genannten Vereins zu entrichtenden Beiträge als abzugsfähig gemäß der Vorschrift im § 9 I. Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes vom 24. Juni 1891 anzuerkennen. Dem Bescheide ist hinzugefügt, daß die Veranlagungsbehörden mit entsprechend Weisung versehen worden sind.

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Seine Hoheit der Erbprinz von General⸗Lieutenant und Commandeur der 2. Garde⸗Infanterie⸗ Division, ist vom Urlaub hierher zurückgekehrt.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich württem⸗ bergische Kriegs⸗Minister, General⸗Lieutenant Freiherr Schott von Schottenstein ist hier eingetroffen.

Der Königlich sächsische Gesandte am hiesigen Allerhöchsten Hofe Graf von Hohenthal und Bergen ist von kurzem Urlaub nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

S. M. Schiffsjungen⸗Schulschiff „Nixe“, Commandant

Capitän zur See Riedel, ist am 12. April in Neapel an⸗ gekommen. S. M. Kanonenboot „Iltis“, Commandant Capitän⸗

Lieutenant Graf von Baudissin, ist am 12. April in

Nagasaki eingetroffen.

Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Friedrich ist heute Mittag von hier nach Frankfurt a. M. abgereist. Seine Durchlaucht der Prinz und Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Adolf zu

Bonn, 13. April.

Schaumburg⸗Lippe gaben Allerhöchstderselben bis zum

Bahnhof das Geleit. 1 Sachsen.

Die Regierung hatte die Mitglieder der inter⸗ nationalen Sanitaͤts⸗Conferenz ecingeladen, die Sehens⸗ würdigkeiten der Stadt Meißen zu besichtigen. Gestern be⸗ gaben sich die Delegirten mit den sächsischen Staats⸗ Ministern und den Hofstaaten Seiner Majestät des Königs mittels Sonderzuges nach Meißen zur Besichtigung der Porzellan⸗Manufactur, der Albrechtsburg und des Doms ein Concert stattfand. 1

Die „Karlsr. Ztg.“ veröffentlicht die beiden Schreiben Seiner Majestät des Kaisers, durch welche Aller⸗ höchstderselbe Seiner Königlichen Hoheit dem Erbgroß⸗ herzog Höchstdessen Beförderung zum General⸗Lieutenant und Commandeur der 29. Division eröffnet und Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog davon Mittheilung gemacht hat.

Das Allerhöchste, an Seine Königliche Hoheit den Erb⸗ großherzog gerichtete Schreiben lautet:

Ich ernenne Eure Königliche Hoheit, unter gleichzeitiger Be⸗ förderung zum General⸗Lieutenant und unter Belassung in dem Ver⸗ hältniß als Chef des 5. Badischen Infanterie⸗Regiments Nr. 11 sowie à la suite Meines 1. Garde⸗Regiments z. F., des 1. Badi⸗ schen Leib⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 109 und des 1. Garde⸗Ulanen⸗ Regiments, zum Commandeur der 29. Division und füge gern hinzu, wie Ich Eurer Königlichen Hoheit diesen erweiterten und wichtigen Wirkungskreis im vollen Vertrauen auf Ihre auch in der bisheri en Stellung bewährten militärischen Eigenschaften übertrage.

Berlin, den 11. April 1893. 86

Wilhelm.

An den General⸗Major Erbgroßherzog von Baden, Königliche Hoheit, Commandeur der 4. Garde⸗Infanterie⸗Brigade.

Das Allerhöchste, an Seine Königliche Hoheit den Groß⸗ herzog gerichtete Schreiben lautet: Durchlauchtigster Fürst, freundlich geliebter Vetter, Bruder und Onkel!

Es gereicht Mir zur lebhaften Freude, Eure Königliche Hoheit zu benachrichtigen, daß Ich Ihren Herrn Sohn, Meinen geliebten Vetter, den Erbgroßherzog von Baden Königliche Hoheit, bisher General⸗ Major und Commandeur der 4. Garde⸗Infanterie⸗Brigade, mittels Ordre vom heutigen Tage, unter gleichzeitiger Beförderung zum General⸗ Lieutenant und unter Belassung in seinen anderweiten militärischen Dienststellungen, zum Commandeur der 29. Division ernannt habe. Ich füge gern hinzu, daß Ich dem Herrn Erbgroßherzog diesen er⸗ weiterten und wichtigen Wirkungskreis im vollen Vertrauen auf seine auch in der bisherigen Stellung hervorragend bewährten guten mili⸗ tärischen Eigenschaften übertragen habe. Mit herzlicher Zunei ung und Freundschaft verbleibe Ich

Berlin, den 11. Apri

1893.

Eurer Königlichen Hoheit freundwilliger Vetter, Bruder und Neffe Wilhelm. R.

Oesterreich⸗Ungarn.

Der Kaiser wird morgen zum Sommeraufenthalt von Wien nach Schönbrunn übersiedeln.

Das ungarische Unterhaus hat, wie „W. T. B.“ meldet, gestern sämmtliche von der Opposition zu dem Landes⸗ vertheidigungs⸗Budget eingebrachten Anträge abgelehnt und sodann unter stürmischen Eljenrufen auf den Minister Fejervary das Landesvertheidigungs⸗Budget unverändert angenommen.

Der Volkswerthschaftsausschuß des Unterhauses genehmigte die Declaration über die Abänderung des Handelsvertrags mit Schweden⸗Norwegen, ferner den Handelsvertrag mit Serbien vom August 1892 nebst der Veterinärconvention, den Handelsvertrag mit Korea und das Uebereinkommen über den Marken⸗ schutz mit Rumänien.

em böhmischen Landtag ist eine Regierungsvor⸗ lage wegen Ausscheidung des Gerichtsbezirkes Laun aus dem Brüxer Gerichtsbezirk, der Ortschaften Libochowitz und Raud⸗ nitz aus dem Leitmeritzer Gerichtssprengel, sowie wegen Errich⸗ tung eines Kreisgerichts in Schlan zugegangen.

Ueber die gestern unter den nach Schluß der Redaction eingetroffenen Depeschen Unruhen in Kolin wird weiter berichtet: Vorgestern Abend wiederholten sich die Ruhe⸗ störungen in größerem Umfange. Die Wachmannschaften wurden mit Steinen beworfen und verwundet, ebenso wurden viele Fenster⸗ scheiben eingeschlagen. Schließlich wurden aber die Tumultuanten verjagt und achtzehn Personen verhaftet. ist militärischer Beistand erbeten und ein Infanterie⸗Detachement aus Kuttenberg nach Kolin beordert worden. Trotz der noch andauernden Gährung gilt die Gefahr einer Erneuerung der Excesse für beseitigt. 1

Großbritannien und Irland.

In der gestrigen Sitzung des Unterhauses erklärte, wie „W. T. B.“ berichtet, der Schatzkanzler Sir William Harcourt, die Vorlegung des Budgets werde nach Schluß der zweiten Lesung der Homerule⸗Bill erfolgen. Der Parlamentssecretär des Colonialamts Buxton erwiderte auf eine Anfrage, der Gouverneur des Caplandes Loch treffe

Despotismus sein.

mit dem w der Transvaal⸗Republik am 18. d. M. zusammen. Die Fortdauer der Convention betreffs des Swazilandes oder deren Abänderung hange von dem Ergebniß dieser Conferenz ab. Die Regierung habe keine Kenntniß davon, daß die Convention gekündigt worden sei. Der Staatssecretär des Krieges Campbell⸗ Bannermann erklärte, nach Inkrafttreten der Homerule⸗ Bill werde das Heer wie bisher dem Oberbefehlshaber unter⸗ stellt bleiben; nur werde der Vicekönig die Befugniß erhalten, Truppen zur Unterstützung der Civilgewalt zu beanspruchen. Eine Pflicht des Heeres werde es wie bisher sein, jeden be⸗ waffneten Aufstand, wer immer denselben hervorgerufen habe, niederzuwerfen. Balfour richtet an den Staatssecretär des Krieges die Frage, ob das Urtheil über den Gebrauch dieser Pflicht dem von einem irischen Ministerium berathenen Vice⸗ könig zustehen solle? Campbell⸗Bannermann sprach den Wunsch aus, daß diese Anfrage vorher angezeigt werde. Auf eine Anfrage erklärte sodann der Parlamentssecretär des Auswärtigen Sir E. Grey, die Regierung habe keine Nach⸗ richten von jüngst vorgekommenen Ermordungen von Armeniern, jedoch seien zahlreiche armenische Unterthanen der Pforte unter der Anklage des nees verhaftet worden. Die dieserhalb angestellten Nachforschungen hätten keine Information er⸗ geben; die Regierung habe nur die allgemeine Versiche⸗ rung erhalten, daß allen Armeniern Amnestie gewährt werden solle, ausgenommen denjenigen, welche beschuldigt worden büs das Anschlagen von Plakaten veranlaßt zu aben; diesen letzteren aber solle ein billiges Verhör gesichert werden. Die Regierung beabsichtige nicht, eine Conferenz der Mächte über die Lage der armenischen Unterthanen der Pforte vorzuschlagen. Die Frage Labouchre's, ob die Homec⸗ rule⸗Bill nicht heute zum Abschluß gebracht werden könne, verneinte der Premier Gladstone, so sehr er eine Beschleunigung und einen Abschluß der Debatte auch wünsche; er hoffe, die Redner würden ihre Reden möglichst kürzen. Bei der darauf fortgesetzten

Debatte über die zweite Lesung der Homerule⸗Bill erklärte John Redmond, die Bill sei ein Compromiß zwischen den früheren Forderungen Irlands und den Zugeständnissen, zu denen sich England bereit gefunden habe. Niemand könne eine Maßregel als eine endgültige, für alle Zeiten gültige ansehen. Die schließliche Erfüllung des Programms liege in der Rich⸗ tung der Föderation, aber er und seine Freunde acceptirten die Vorlage ernstlich in billigem, ehrlichem und aufrichtigem Sinne und in der Hoffnung, daß das Kapitel von dem englischen Drucke und dem tirischen Widerstande dadurch sein Ende gefunden haben werde. Die Details seien bei der Einzelberathung zu verhandeln. Die finanziellen Bestimmungen seien gänzlich unbefriedigend. Die Irländer basirten ihre Forderungen nicht auf die Mißverwaltung, sondern sie fußten bei deren Aufstellung auf dem Rechte als besondere Nationalität. Scheitere die Bill, so würden die Folgen davo: nicht nur neue Zwangsgesetze, sondern auch die Entziehung des Wahlrechts in Irland und die Errichtung eines militärischen

Frankreich.

Der Ministerrath beschäftigte sich in seiner gestrige: Sitzung mit dem Budget für das Jahr 1894, das 151 Millionen neue Ausgaben aufweist. Diese setzen sich nach einer Meldung des „W. T. B.“ wie selnt zu⸗ sammen: 91 Millionen, die aus den Garantien für die Zinsen der Eisenbahnen und dem Steuererlaß fuͤr Eil⸗ snicsfärkerung herrühren; 20 Millionen für das Marine⸗ Ministerium, 17 Millionen für das Kriegs⸗Ministerium und 292 Millionen für die Anwendung der neuen Gesetze. Es dürfte unmög⸗ lich sein, vermittels Ersparnisse das Gleichgewicht im Budget zu sichern. Der Finanz⸗Minister Peytral ü daher mit der Prüfung der Frage beschäftigt, ob nicht darauf zu verzichten sei, in das ordentliche Budget die außerordentlichen Aus⸗ gaben für Krieg und Marine aufzunehmen. Anderenfalls müsse man an die Schaffung neuer Steuern denken oder der Lage gerecht werden durch Verwendung der 170 oder 180 Millionen, die sich aus der für Ende des Jahres in Aussicht genommenen Conversion der 4 ½ proc. Rente ergeben würden. Ferner genehmigte der Ministerrath die Entschließung des Kriegs⸗ Ministers, eine Untersuchung über die Beziehungen ein⸗ zuleiten, die Turpin s. Z. in der Melinitaffaire zu dem Kriegs⸗Ministerium gehabt habe.

Im ersten Quartal des laufenden Jahres betrug der Werth der Einfuhr 997 Millionen gegen 1423 Millionen, der Werth der Ausfuhr 809 Millionen gegen 790 Millionen im Vorjahre. 111“

Italien.

Wie „W. T. B.“ aus Florenz meldet,

König gestern in Begleitung des Herzogs von Aost

und der Minister Brin und Rattazzi der Königi

Victoria in der Villa Palmieri einen Besuch al

Die Begrüßung zwischen den Majestäten war eine über

aus herzliche. König Humbert überreichte der Königin von England ein Handschreiben der Königin Margherita

worin diese ihrem Bedauern darüber Ausdruck giebt, daß si

wegen Unwohlseins an dem Besuch nicht habe theilnehme

können. Der Besuch dauerte zwei Stunden. Gestern Aben

kehrte der König wieder nach Rom zurück.

Die Königin⸗Regentin der Niederlande wird den Vice⸗Admiral van den Bosch zur Feier der silbernen Hochzeit nach Rom entsenden 6

Belgien. 8 1 Der ehemalige Minister, sezige Deputirte Woeste wurde, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, als er gestern von

der Repräsentantenkammer zurückkehrte, auf der Straße von einem Individuum thätlich angegriffen. Der Angreifer wandte sich beim Herbeieilen der Polizeibeamten zur Flucht und be⸗ drohte einen Passanten, der sich ihm entgegenstellte, mit dem

Der Revolver versagte, es gelang darauf, den verhaften. Gestern Abend

Revolver. Fliehenden zu

Straßen der Niederstadt und beging mehrfache Ausschreitungen.

Die Schaufenster mehrerer großen Cafés und Magazine wur⸗ Als der Zug auf der Place de la Monnaie

den zertrümmert. der anlangte, kam es zwischen den Manifestanten und den aufge⸗

botenen Polizeimannschaften zu einem Zusammenstoß, bei welchem die Polizei⸗Agenten mit blanker Waffe vorgingen. Ein Polizei⸗Agent und mehrere Manifestanten wurden schwer ver⸗

wundet. Der berittenen Bürgergarde gelang es schließlich, die Menge zu zerstreuen. Eine Anzahl Ffeeen wurde ver⸗ haftet, darunter die Socialistenführer Volders, Van⸗ dervelde und Maes, die indessen nach dem mit ihnen vor⸗

Krüger

hafteten hergegeben habe, sei geplündert worden.

. durchzog in Brüssel ein Zug von etwa 5000 Manifestanten die

genommenen Verhör wieder freigelassen wurden. Nach einigen weiteren unbedeutenderen Zusammenstößen wurden die Mani⸗ estanten zerstreut. Nachten um 11 Uhr Nachts vollkommene Ruhe eingetreten, wurden die ö und die Polizei, welche zunächst noch zusammengehalten worden war, um

121 ½l Uhr Nachts entlassen. Nach Meldungen, die Abends aus

Mons in Brüssel eingegangen sind, hätten gestern 3000 Aus⸗ ständigein Quaregnonin einer Straße Barrikadenerrichtet. Patrouillirende Gendarmen hätten mehrmals auf die Menge Feuer gegeben. Ein Gend arm, der vom Pferde gestürzt ei, wäre entwaffnet und grausam mißhandelt worden. Sechs Ausständige, darunter ein Verwundeter, seien verhaftet worden. Eine Schlächterei, deren Inhaber Stricke zum Fesseln der Ver⸗ Die Mel⸗ dungen bedürfen weiterer Bestätigung. 6

Für gestern Abend waren in Lüttich, Seraing, Jemappe und Herstal socialistische Volksversammlungen angekündigt.

Auf Ersuchen der Bürgermeister der im Borinage be⸗ legenen Ortschaften ist eine Schwadron Jäger nach Hornu entsandt worden.

Das Journal „Le⸗ at ein Manifest veröffent⸗ licht, worin, wie „H. T. B.“ berichtet, die Arbeiter aufgefordert werden, den Ausstand weiter fortzuführen, nach einigen Tagen werde der Sieg ihnen sicher sein. Das genannte Blatt macht ferner die Mittheilung, daß die belgischen Arbeiter im Jahre 1891 geschworen hätten, rastlos zu striken, bis sie den Sieg davon getragen haben würden. Die Arbeiter würden ihren Schwur halten, und die Bour zwischen Krieg oder Frieden.

Der vormalige Minister, General⸗Director der indirecten Steuern Fehmi Pascha begiebt sich dem „W. T. B.“ zu⸗ folge in Begleitung des General⸗Secretärs im Auswärtigen Amt Nury Bey und zweier höherer Offiziere morgen nach Rom, um daselbst den Sultan bei der Feier der slerben Hochzeit des italienischen Königspaares zu vertreten. Fehmi Pascha überbringt ein eigenhändiges Schreiben des Sultans.

Rumänien.

Das Amtsblatt publicirt die Ernennung Balatschano's zum Gesandten in London, Johann Lahovary’'s zum Gesandten in Paris und des Generals Pencovici zum Delegirten Rumäniens bei der europäischen Donaucommission.

Serbien.

Der König Alexander hat, wie „W. T. B.“ aus Belgrad meldet, in der vergangenen Nacht die Regenten verhaften lassen und ihnen mitgetheilt, daß er sich für großjährig erkläre. Der König ernannte sofort ein Ministerium unter dem Präsidium von Dokic. Die Truppen wurden consignirt und leisteten dem König den Eid der Treue. Die Häuser der Regenten und Minister wurden umstellt. Das neue Ministerium ist wie folgt zusammengesetzt: Dokic: Präsidium und Unterricht, Franassovic: Krieg, Oberst Stankovic: Bauten, Vuic: Milosevic: Volkswirthschaft, Milosavljevic:

ineres. Heute früh erschien folgende Proclamation:

Serben! So oft die Lebensinteressen des serbischen Volkes es erheischten, haben sich meine Ahnen, die Obrenowitsch, stets in den Dienst der serbischen Staatsidee gestellt. In deren Traditionen auf⸗ erzogen, treu dem Geiste der Nation, gewohnt, vor allem der serbischen Staatsidee zu dienen, habe ich heute die Pflicht, dem Beispiele meiner Ahnen zu folgen. In der wärtigen Zeit soll das Volksleben sich ruhig unter dem Schutze der Verfassung entwickeln, die mein erlauchter Vater im Ein⸗ verständnisse mit allen Parteien und mit dem Volke selbst dem Lande verliehen hat. Leider war die Verfassung in jüngster Zeit so gefährdet, die staatsbürgerlichen Rechte meiner theuern Serben dermaßen in Frage gestellt und die verfassungs⸗ mäßige Stellung der Volksvertretung derart erniedrigt, daß ich nicht säumen darf, diesem unglücklichen Zustande ein Ende zu machen. Serben! Von heute an nehme ich die Königliche Gewalt in meine Hände. Von heute an tritt die Verfassung ganz in Kraft und erhält ihren vollen Werth. Im Vertrauen auf den glücklichen Stern der Obrenowitsch werde ich, gestützt auf die Verfassung und die Gesetze, mein Land regieren, und so fordere ich Euch alle auf, mir treu und ergeben zu dienen. Mein theures Volk! Indem ich Gott anflehe, daß er jeden meiner Schritte be⸗ schütze, schließe ich mit dem Rufe: Es lebe mein Volk! Gezeichnet: Alexander. Belgrad, 1./13. April 1893.

Dem „Pester Lloyd“ wird über diese Vorgänge Folgendes gemeldet: Der König Alexander übernahm gestern Nacht persönlich die Regierung. Die Regenten wurden verabschiedet und ein aus Radicalen und Fortschrittlern bestehendes Cabinet eingesetzt, dessen Präsidium Staatsrath Dokic über⸗ nimmt. Zum Stadtpräfecten ist der Adjutant des Königs, Major Rasic ernannt worden. Der König lud die Regenten und die Minister um 9 Uhr Abends zu sich, theilte ihnen seinen Entschluß mit und ließ zugleich deren Wohnungen von Militär umzingeln. Später begab sich der König in die Kasernen. Die Regenten und die Minister dürfen den Konak nicht verlassen. Die Ruhe ist nicht gestört worden.

König Alexander wird, wie hierbei bemerkt werden mag, am 2. August dieses Jahres 17 Jahre alt. 8

Vor diesen Ereignissen hatte die Skupschtina gestern noch den Bericht des Verificationsausschusses berathen, wobei die Redner den Austritt der Radicalen verurtheilten und das fortschrittliche und radicale Regime als ein Unglück für das Land, das liberale Regime dagegen als segenbringend bezeich⸗ neten. Dagegen hatten gestern die radicalen Mitglieder der Skups ein Manifest erlassen, worin sie erklärten, daß sie infolge der ungesetzlichen Constituirung der Skupschtina an den Sitzungen nicht theilnehmen könnten, und zwar um so weniger, als die Regentschaft ihren Beschwerden kein Ses geschenkt habe. Für die Folgen seien die Regierung und die liberale Partei verantwortlich. 8 8

1XXX““ Nach einer Depesche des „New⸗York Herald“ aus Rio de Janeiro sind zwölf Kanonenboote abgegangen, um bei der Unterdrückung der Erhebung in Rio Grande do Sul ilfe zu leisten. Ein Theil der Bundesarmee rückt gegen ruguayana vor, eine Abtheilung der Insurgenten lagert in arufo, von wo aus das Detachement abgesandt worden war, welches kuͤrzlich Quarahy besetzte. 1 „Demselben Blatt wird aus Valparaiso gemeldet, daß in Santiago die Ruhe wieder hergestellt sei.

Asien.

„Daily Chronicle“ meldet aus Kalcutta, nach einer aus Simla eingetroffenen Depesche würden die Russ en setzung der Grenzen des Pamir durch eine gemischte Com⸗ mission zustimmen.

gegen⸗

vorgetragene Forderung ein.

Australien.

„W. T. B.“ meldet aus San Francisco: Nach dort eingetroffenen Mitthellungen aus Honolulu vom 6. d. M. habe der Commissar der Vereinigten Staaten auf Hawaii das Protectorat, das nach der Revolution seitens der Vereinigten Staaten ausgesprochen worden sei, zurück⸗ gezogen. Die betreffende Mͤeldung drückt die Meinung aus, daß die Union das Protectorat für unnütz und nicht verträglich mit den Verhandlungen ansehe, die zwischen den beiden Staaten eingeleitet werden könnten. Indessen würden die Vereinigten Staaten keine fremde Einmischung und keine Störung der provisorischen Regierung dulden.

Parlamentarische Nachrichten.

Deutscher Reichstag.

Der Bericht über die gestrige Sitzung befindet sich in der Ersten Beilage.

75. Sitzung vom Freitag, 14. April, 1 Uhr. Der Sitzung wohnen die Staatssecretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Maltzahn und Hanauer bei.

Entgegen der allgemein gehegten Erwartung, daß der Abg. Ahlwardt vor der Tagesordnung das Wort erhalten werde, tritt der Reichstag nach den geschäftlichen Mittheilungen des Präsidenten in die zweite Berathung der Wuchergesetz⸗ novelle ein.

Nach Artikel I der Novelle sollen die §§ 302 a und 302 d abgeändert, ein § 302 e neu eingeschaltet und zum § 367 eine Nummer 16 hinzugefügt werden.

§ 302 a, der in seiner neuen Fassung von der X. Com⸗ mission unverändert angenommen ist, lautet:

„Wer unter Ausbeutung der Nothlage, des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines andern mit Bezug auf ein Darlehn oder auf die Stundung einer Geldforderung oder auf ein anderes zwei⸗ seitiges Rechtsgeschäft, welches denselben wirthschaftlichen Zwecken dienen soll, sich oder einem dritten Vermögensvortheile versprechen oder gewähren läßt, welche den üblichen Zinsfuß dergestalt über⸗ schreiten, daß nach den Umständen des Falles die Vermögens⸗ vortheile in auffälligem Mißverhältniß zu der Leistung stehen, wird wegen Wuchers mit Gefängniß bis zu sechs Monaten und zugleich mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.“

Abg. Dr. von Bar (dfr.): Die Abänderung des Wortlautes dieses Paragraphen gegen das bestehende Gefetz beschränkt sich darauf, daß es jetzt heißen soll: „Mit Bezug auf ein Darlehn oder auf die Stundung“ u. s. w, statt: „Für ein Darlehn oder im Falle der Stundung“. Der Unterschied ist ein ganz geringer und es ist höchst bedenklich der Consequenzen wegen, sofort eine feststehende Gesetz⸗ gebung aus solcher Veranlassung zu ändern. Ebenso ist ein solcher Schritt bedenklich für die Rechtsprechung. Wir bitten die Aenderung abzulehnen.

Abg. Frohme (Soc.) bedauert, daß in der Commission nicht der Antrag zur Annahme gelangt ist, auch die öffentlichen und privaten Pfand⸗Leihanstalten dem Gesetz ausdrücklich zu unterstellen; er verlangt auch eine bestimmtere Faßunng bezüglich der Agenten, welche oft ganz unverhältnißmäßige Provisionen für ihre Vermittelung bezögen. Ebenso schlimm stände es um die Miether, die in Preußen, trotz der entgegenstehenden Bestimmung der Civilprozeßordnung, vor dem Retentionsrecht des Hauswirthes nicht des Hemdes auf dem Leibe sicher seien. Gerade in diesem Falle handle es sich ganz unzweifelhaft um die wucherische Ausbeutung einer Nothlage.

Staatsseeretär Hanauer bittet um die unveränderte Annahme des § 302 a. Die Pfandleih⸗Anstalten unterständen ohnehin den Be⸗ stimmungen des Wuchergesetzes und brauchten nicht ausdrücklich auf⸗ geführt zu werden.

Abg. Stadthagen (Soc.) geht näher auf die vom Abg. Frohme Die Commission habe die wucherische Ausbeutung der Nothlage der Miether durch die Ausübung des Retentionsrechts seitens der Hauswirthe selbst anerkannt, sich aber nicht Fie, . können, die bessernde Hand anzulegen. Noch viel böser stehe es aber um den Arbeitsvertrag. Hier liege die wucherische Ausbeutung klar zu Tage; aber davon, den Arbeit⸗ geber unter die Strafbestimmungen dieses Gesetzes zu stellen, wolle die Commission und das Plenum des Reichstags nichts wissen. Auch die Leiter von Staatsbetrieben gehörten unter diesen Wucher⸗ paragraphen, denn die Kürzung oder Wegnahme der wichtigsten poli⸗ tischen Rechte sei der schändlichste Wucher, den der Arbeitgeber über⸗ haupt treiben könne. 1

Bei Schluß des Blattes nimmt der Hanauer noch einmal das Wort.

Staatssecretär

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

Der Bericht über die gestrige Sitzung befindet sich in der Ersten Beilage.

60. Sitzung vdm 14. April 1893, 11 Uhr.

Der Sitzung wohnt der Finanz⸗Minister Dr. Miquel mit Commissarien bei. 8

Die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Aufhebung directer Staatssteuern, wird fortgesetzt.

Die §§ 17 bis 26 enthalten die Bestimmungen über die Rückzahlung der Grundsteuerentschädigungs⸗Kapitalien an die Staatskasse. Die freiconservativen Abgg. von Balan und Genossen beantragen die Streichung deser Paragraphen.

Abg. Krah (freicons.) empfiehlt diesen Antrag, indem er aus⸗ führt, daß die Grundsteuerentschädigung seiner Zeit gewährt worden sei, nicht fär die Auferlegung einer neuen Last, sondern für den Fort⸗ fall eines Vorrechts. Jetzt werde dieses Vorrecht der Steuerfreiheit nicht zurückgegeben, denn die Realsteuern sollten ja gerade den Ge⸗ meinden zur Verfügung gestellt werden; diese würden die Reglsteuern erheben, die früher der Staat erhoben; deshalb sei eine Rückzahlung der Entschädigung nicht angebracht. Es handele sich nicht bloß um große Grundbesitzer, namentlich in seiner Heimath Schleswig⸗Holstein, wo den Besitzern für die großen Deichlasten, die sie zu tragen hatten, Grundsteuerfreiheit worden sei. Diese Deichlasten seien dauernde; deshalb sei es nicht angezeigt, die Rückzahlung der Ent⸗ schädigungskapitalien zu verlangen, zumal die kleinen Besitzer diese meist in ihren Besitzungen angelegt und nicht als verfügbares Kapital behalten hätten. Ein Frund gegen die Streichung sei in der Com⸗ mission auch seitens der Regierung nicht vorgebracht worden.

Abg. Dr. Meyer⸗Berlin (dfr.): Was würde man gesagt haben, wenn 1861 die Grundsteuer aufgehoben worden wäre und die Leute, die das Vorrecht der Steuerfreiheit hatten, eine Entschädigung für die Aufhebung ihres Vorrechtes verlangt hätten! Wenn man bald nach 1861 die Grundsteuer aufgehoben hätte, dann hätte niemand es begreifen können, daß die Kapitalien nicht zurückgefordert würden. Heute lägen die Dinge etwas zurück, und man glaube, darüber hinweg⸗ gehen zu können. Daß es sich hier um die Aufhebung eines Vor⸗ rechtes handele, sei eine Finesse der Deduction. Man habe Unbequem⸗ lichkeiten, wenn man die Grundsteuerentschädigungs⸗Kapitalien zurück⸗ fordere und ebenso, wenn man dies unterlasse. Deshalb 8g man die Grundsteuer beibehalten wie sie ist. b

Abg. Hansen (freicons.) tritt für den Antrag von Balan ein, namentlich unter auf die Verhältnisse in Schleswig⸗Holstein.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel: Wenn eine Rückzahlung der Kapitalien irgendwo am Platze ist, dann ist es da der Fall, wo die Kapitalien ent vor kurzem vom Staat gezahlt sind, die Steuer erst seit kurzer Zeit gezahlt wird. Juristisch läßt sich die Rückzahlung nicht begründen; es sprechen aber Gründe der Billigkeit dafür. Wenn die Grundsteuer ablösbar wäre und jemand hätte ein Ablösungskapital gezahlt, würde man es nicht unbillig finden, wenn man ihm nun trotzdem die Steuer wieder auflegte? Ebenso würde es Unbilligkeit im Lande erregen, wenn man die Kapitalien denjenigen lassen wollte, die sie erhalten haben für die Aufgabe der Steuer⸗ freiheit, und wenn man ihnen die Steuerfreiheit dazu geben wollte. Es würde einen Schatten auf die ganze Steuerreform werfen, wenn man diese Bestimmungen streichen wollte, zumal die Commission die ohnehin schon sehr milden Vorschläge der Regierung 73. erheblich abgeschwächt habe, sodaß von einem Druck, den die Rückzah ungen auf die Betheiligten ausüben würden, nicht mehr die Rede sein könne.

Abg. Dr. Brüel (Hosp. d. Eentr.) empfiehlt die Annahme der Commissionsbeschlüsse.

Abg. Kieschke (b. k. F.): Die Grundsteuer werde nicht auf⸗ gehoben, sondern nur außer Hebung gesetzt; das Gesetz selbst bleibe sonst bestehen. Niemand könne den Anspruch auf Rückzahlung juristis begründen; man stoße überall auf Widersprüche und mache schließli nur Billigkeitsansprüche geltend, die man nach allen lichen Rich⸗ tungen hin einschränke, von denen man Ausnahmen a „Daß die Rückzahlung eine Last für die Betheiligten sei, habe auch die Regie⸗ rung anerkannt, indem sie ein erleichtertes Tilgungsverfahren zulasse, dessen Abwickelung sich bis in die Mitte des nächsten Jahrhunderts hinziehen werde. Die Rückzahlung der Kapitalien wäre noch allenfalls berechtigt, wenn der frühere Zustand wiederhergestellt würde. Das sei aber durchaus nicht der Fall; denn die Steuerfreiheit werde den Be⸗ theiligten nicht wiedergegeben, sondern sie sollten gerade von den Ge⸗ meinden besonders herangezogen werden, und die Gemeinden würden die Realsteuern stark heranziehen.

Abg. Enneccerus (nl.): Mit der Communalbesteuerung habe die Zurückzahlung der Grundsteuerentschädigung garnichts zu thun. Wenn ein Fideicommißbesitzer ein Kapital zur Entschädigung erhalten habe, so habe er es nicht zum freien Gebrauch erhalten, sondern es bilde einen Theil des Fideicommißbesitzes. Wenn die Steuerfreiheit jetzt wieder eintrete, dann habe er das Kapital und die Steuerfreiheit; er müsse das erstere also zurückzahlen. Wer aber ein früher steuer⸗ freies Gut mit der Steuer belastet gekauft hat, habe das Kapital nicht, könne es auch nicht zurückzahlen; der Vorbesitzer habe das Gut der Steuer wegen billiger verkauft, könne also auch das Kapital nicht zurückzahlen. Wer ein Gut ererbt hat, habe nur einen Theil des Entschädigungskapitals erhalten, könne also auch nur einen Theil desselben zurückzahlen; in diesem Punkte habe die Com⸗ mission die Vorlage verbessert. Die Sache sei vollständig zweckmäßig geordnet; deshalb könne er (Redner) die Annahme der Commissions⸗ beschlüsse nur empfehlen, damit der radicalen und socialdemokratischen Agitation jede Waffe gegen die Steuerreform entzogen werde.

Abg. Jürgensen (nl.): Es bleibe die Ungerechtigkeit bestehen, daß der Käufer eines ehemals steuerfreien Guts kein Kapital zurück⸗ zahle, während hertenig. der sein Gut behalten habe, das Kapital zurückbezahlen solle. Das sei eine Ungleichheit, die man bei zwei nebeneinanderliegenden Gütern nicht begreifen werde.

Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Fuisting weist darauf hin, daß die Streichung der §§ 17—26 zu weit gehe, da die §§ 17 und 21 sich garnicht auf die Rückzahlungen beziehen.

Abg. Graf Limburg⸗Stirum (cons.): Wenn die Frage grund⸗ sätzlich geregelt werden sollte, dann müßte die Rückzahlung nicht ver⸗ langt werden, denn juristisch lasse sich diese nicht rechtfertigen. Seine (Redners) Partei stelle sich auf den Standpunkt der Billigkeit und dabei gebe es kein Fesnesbee. System; man könne die Entscheidung auch nicht einer Behörde übertragen, sondern müsse die Sache möglichst gesetzlich regeln, wobei allerdings Ungleichheiten und Härten entstehen könnten. 8 8

Abg. von Tiedemann⸗Labischin (freicons.): Juristisch könne die Forderung der Rückzahlung nicht begründet werden und auch Billigkeitsgründe seien dafür nicht in genügendem Maße vor⸗ gebracht worden. Wenn heute die Grundsteuer nicht auf⸗ gehoben, sondern erhöht würde, würde dann der Staat den früher Entschädigten noch eine weitere Entschädigung gewähren Wenn das nicht geschehe, dann könne man auch die Rückzahlung nicht verlangen; denn 1861 sei eben vollständige Gleichheit geschaffen worden und man könne heute die damals Entschädigten nicht schlechter behandeln als die Nicht⸗Entschädigten. Wer den Familienbesitz erhalten, ihn nicht zum Sppeculationsobject gemacht habe, der werde jetzt gleichsam bestraft; derjenige, der mit seinem Grundbesitz speculirt habe, solle belohnt werden. Das sei nicht conservativ. Und warum sollten die Städte die Kapitalien nicht zurückzahlen, die dieselben zu gemeinnützigen Zwecken verwendet haben? Hätten nicht auch Grundbesitzer die Kapitalien zu ähnlichen Zwecken verwendet? Entweder hätte man 1861 keine Entschädigung gewähren müssen, oder man hätte sie jetzt allen Empfängern belassen und nicht ungleichmäßig verfahren sollen. 8

General⸗Steuer⸗Director Burghart: Wenn die Conservativen 1861 mit dem Vorredner der Meinung gewesen wären, daß di Grundsteuer⸗Entschädigung überflüssig sei, dann hätte man damal davon garnichts gehört. Aber die Conservativen seien damals ganz anderer Meinung gewesen. Redner wendet sich dann gegen einen inzwischen eingegangenen Antrag des Abg. von Bach (cons.), der den § 18 dahin fassen will, daß die Entschädigungen, die infolge von Specialaprivilegien, nicht infolge der verfassungsmäßigen Steuerfreiheit gewährt worden sind, nicht zurückgezahlt werden so en. (Schluß des Blattes.) 3

Im Reichstag ist folgender Antrag von den Abgg. Auer und Genossen eingebracht worden: 8 Der Reichstag wolle beschließen: den Herrn Reichskanzler zu er⸗

suchen, zu veranlassen, daß das gegen den Abg. Kunert bei dem Königlichen Amtsgericht zu Schweidnitz anhängige Verfahren auf die Dauer der Session eingestellt werde.

Nr. 15 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge⸗ sundheitsamts“ vom 12. April hat folgenden Inhalt: Gesund⸗ heitsstand. Mittheilungen über Volkskrankheiten. Sterbefälle in deutschen Städten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Krankenhäusern einzelner Großstädte. Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. Witterung. Maßregeln gegen Cholera ꝛc. Weitere Mit⸗ theilungen aus Britisch⸗Ostindien. Gesetzgebung u. s. w. (Preußen). Choleracurse. (Reg.⸗Bez. Oppeln.) Bierdruckapparate. Thier⸗ seuchen im Deutschen Reiche, 4. Vierteljahr. Veterinärpolizeiliche Maßregeln. (Preuß. Reg.⸗Bez. Oppeln, Bayern, Lübeck, Elsaß⸗Lothringen, Dänemark, Rußland.) Rechtsprechung. (Schöffengericht Wesel und Landgericht Duisburg.) Verweigerung der Rezeptanfertigung seitens eines Apothekers. Verhandlungen von gesetzgebenden Körperschaften. (Deutsches Reich.) Gemeingefährliche Krankheiten. Entwurf. (Preußen. Reg.⸗Bez. Wiesbaden.) Milz⸗ brandentschädigung.

Theater und Mufik. 86

Im Königlichen Opernhause findet in der übernächsten Woche eine Aufführung von Wagner's „Ring des Nibelungen“ statt. Die Daten werden baldigst bekannt gegeben werden.

Das Königliche Schauspiel (im Neuen Theater) bringt in nächster Zeit das dreiactige Lustspiel „Das Heirathsnest“ von Davis zur Aufführung. Das Stück hat soeben am Wiener Hofburg⸗ theater eine sehr günstige Aufnahme gefunden.

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