1893 / 89 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 15 Apr 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Ignnitiative des Volks gekommen sei, so darf ich

dehnbar diese ganze neue Gesetzgebung sei. Auch die Commission

28 in erster Lesung den § 302a mit Stimmengleichheit ab⸗ gelehnt. 1 8 Abg. Dr. von Bar (bfr.) bleibt gleichfalls bei seiner principiellen Auffassung stehen.

Abg. Stadthagen (Soc.) betont nochmals, daß die Hand⸗ habung des Retentionsrechts namentlich in Berlin geradezu wucherisch ist und von der Wuchergesetznovelle getrofften werden müsse. Dem armen Manne würden hier auf Grund einer falschen Praxis die letzten Besitzstücke genommen; hier liege eine Nothlage vor, und trotzdem werde bis zum äußersten der Buchstabe des Gesetzes zur Geltung ge⸗ bracht. Das sei ein schreiender Mißstand, dem gerade durch die aus⸗ drückliche Subsumtion unter das Wuchergesetz abgeholfen werden müsse. Der Arbeitsvertrag gehöre wegen seines wucherischen Effectes in § 302 a, nicht in § 302 e, der nur von gewerbs⸗ und gewohnheits⸗ mäßiger Ausbeutung der Nothlage, des Leichtsinns oder der Un⸗ erfahrenheit durch andere zweiseitige Rechtsgeschäfte spricht. Der An⸗ trag wolle aber auch schon den Arbeitgeber treffen, der den Arbeiter einmal durch den Arbeitsvertrag bewuchert.

Nachdem noch die Abgg. Freiherr von Buol (Centr.) und Dr. Krause gesprochen, wird in der Abstimmung § 302a, nach Ablehnung des Antrags Stadthagen, mit großer Mehr⸗ heit in der Fassung der Vorlage angenommen.

Nach § 302 d wird der gewerbs⸗ oder gewohnheitsmäßig⸗ betriebene Wucher mit Gefängniß nicht unter 3 Monaten und zugleich mit Geldstrafe von 150 bis 15 000 bestraft.

Der neu hinzugefügte, von der Commission angenommene § 302e belegt mit derselben Strafe denjenigen, welcher mit Bezug auf ein Rechtsgeschäft anderer als der in § 3022 bezeichneten Art gewerbs⸗ oder gewohnheitsmäßig unter Aus⸗ beutung der Nothlage, des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines Andern sich oder einem Dritten Vermögensvortheile versprechen oder gewähren läßt, welche den Werth der Leistung dergestalt überschreiten, daß nach den Umständen des Falles die Vermögensvortheile in auffälligem Mißverhältniß zu der Leistung stehen.

Abg. Dr. von Bar (ͤfr.): Es handelt sich hier um die bedeut⸗ samste Aenderung des ganzen Gesetzes. Die von uns bei der ersten Lesung gegen diese Aenderung vorgebrachten Bedenken sind in der Com⸗ mission nicht zerstreut worden. Unzweifelhaft wird dadurch auch die solide Geschäftsführung in bedenklicher Weise gefährdet. Es wird nicht ausbleiben, daß diejenigen Leute, welche ein Geschäft eingegangen und nachher mit demselben nicht zufrieden sind, die Hilfe des Staatsanwalts in Anspruch nehmen werden, um das Geschäft rück⸗

ängig zu machen und den anderen Contrahenten in Strafe zu bringen. Has Gesetz wird außerdem sehr schwer zu handhaben sein. Man wirft der freisinnigen Partei vor, daß sie auch hier ihr Prinzip des laisser faire, laisser aller bethätige; aber auch der Verein für Socialpolitik, dem man gewiß nicht absolutes Manchesterthum vorwerfen kann, hat sich, mit Ausnahme eines ein⸗ zigen Redners, gegen das Gesetz ausgesprochen. Es wurde betont, daß man, um den Wucher zu beseitigen, das Genossenschaftswesen, die Creditvereine stärken und für eine bessere ökonomische Bildung der unteren Stände, namentlich des Bauernstandes, sorgen müsse. Wie soll der Strafrichter bestimmen, ob ein Contrahent bei Schließung des Contractes sich übermäßige Vortheile habe? Einer solchen Aufgabe ist der Strafrichter nicht gewachsen Das Gesetz will eine restitutio in integrum; das bildet eine zur unsoliden Anfechtung des Vertrages. Statt des echtes wird schließlich Willkür herrschen. Die Zahl der böswilligen Denuncianten wird übermäßig zunehmen, und schließlich kann jeder reelle Vertrag unter dieses Wuchergesetz gebracht werden. In der Einschränkung des gewohnheits⸗ und gewerbs⸗ mäßigen kann ich eine genügende Cautel auch nicht sehen. Die socialistische Partei hat diesen Gesetzentwurf mit Beifall begrüßt und wünscht ihn erweitert zu sehen. Indem sie aber auch den Ar⸗ beitsvertrag unter dieses Wuchergesetz stellt, bringt sie die sociale Frage vor das kleine und enge Forum des Rechts. Statt eine sociale Versöhnung wird das Geseg so eine sociale Verstimmung hervorrufen. Wir können nur bitten, den ganzen Paragraphen abzulehnen. 1

Abg. Freiherr von Buol empfiehlt in längerer Ausführung die

Annahme dieser nothwendigen Erweiterungen der Strafgesetzgebung

gegen den Wucher. Der Vorwurf, daß in der Bestimmung über den Sachwucher zu sehr generalisirt sei, könne als Tadel nicht aufgefaßt werden. Auch sei es nicht richtig, daß der Entwurf einen abnormen Eingriff in das Civilrecht enthält, indem er sämmtliche wucherischen Recfegeschaste für ungültig erklärt und dadurch eine in ihren Folgen unabsehbare ganz allgemeine restitutio in integrum zulasse. Die Befürchtung, daß auf Grund des Wuchergesetzes jemand zu unrecht hart bestraft werden könne, sei nicht begründet. Dem wirth⸗ schaftlich Schwachen und Unerfahrenen müsse strafrechtlicher Schutz gewährt werden.

Abg. Dr. Krause (dfr.) legt im einzelnen dar, daß der § 302 e die freie Geschäftsthätigkeit aufs schwerste Cö“ müsse. Ganz besonders bedenklich sei die von den übermäßigen Vermögensvortheilen gegebene Definition für die Urtheilsvernichtung durch den Richter.

Abg. Dr. von Bar (dfr.) weist nochmals auf die gefährlichen Consequenzen hin, welche eine solche Ausdehnung des Wucherbegriffs

für alle Geschäftsthätigkeit haben müsse.

Staatssecretär Hanauer:

Meine Herren! Wenn von einem der Gegner des § 302 e auf die Frage Gewicht gelegt worden ist, aus welcher Initiative die An⸗ regung zu der Vorlage hervorgegangen ist, und ob sie aus der nochmals ich habe es in der ersten Lesung bereits gethan darauf hinweisen,

daß die Anregung zu der Vorlage durch einen Schritt des Reichstags

gegeben worden ist; denn im Jahre 1888 hatte der Reichstag mittels einer Resolution die Petition des Vorstandes des Vereins gegen den Wucher im Saargebiet dem Reichskanzler zur Erwägung überwiesen, durch welche Schritte der Gesetzgebung dem Wucher entgegengetreten werden könne. Das war im Jahre 1888; die Vorlage ist erst im Jahre 1892 erfolgt. Sie werden daraus entnehmen, daß von Seiten der verbündeten Regierungen eine reifliche Ueberlegung der Frage vorangegangen ist, ehe man sich zu der Vorlage entschlossen hat. Daß der Sachwucher neben dem Creditwucher existirt, das, glaube ich, kann von niemandem bestritten werden. Wenn ich den

Herrn Vorredner richtig verstanden habe, hat er das auch zugegeben.

Bereits bei der ersten Lesung und mehrmals in der Commission habe ich von meiner Seite aus erklärt, daß Bedenken gegen die Frage, ob der Sachwucher in gleicher Weise wie der Creditwucher auch vom Strafrichter repressiv behandelt werden kann, allerdings bestehen; das liegt in der Natur der Sache. Die verbündeten Regierungen sind über die Frage in der Weise hinweggekommen, daß sie den Sach⸗

woucher anders behandeln als den Creditwucher.

Daß, wie die Vorlage in § 302 e lautet, immer noch Bedenken geltend gemacht werden können, gebe ich gern zu, nämlich Bedenken in der Richtung, ob nicht die Strafvorschrift in manchen Fällen An⸗ laß geben wird, die Strafbehörden mit der Entscheidung von Fällen zu befassen, die thatsächlich dem, was die Vorlage als strafwürdig

behandeln will, nicht entsprechen. Aber Bedenken in der Richtung, daß auf Grund dieses § 302 e nun auch ungerechtfertigte Verurthei⸗ lungen ergehen könnten, glaube ich ernstlich nicht für begründet cr⸗

achten zu können.

Ich wiederhole nicht alle die Thatbestandserfordernisse, die hier vorgesehen sind; ich wiederhole nicht, daß, wenn der Richter die Thatbestandsmomente, die hier erfordert werden, alle als vorhanden festgestellt, dann auch eine Verurtheilung nach allgemei⸗ nem Rechtsbewußtsein als gerechtfertigt erscheinen muß. Man mag ja die Sache für bedenklich erachten; die Zukunft wird, wenn das Gesetz in Geltung ist, lehren, daß die Bedenken in der Hauptsache nicht begründet sind. Aber für ein viel größeres Bedenken würde ich es erachten, wenn in einem Falle die Möglichkeit des Vorkommens läßt sich nicht bestreiten fest⸗ gestellt wird, daß unter Ausbeutung der Nothlage u. s. w. gewohnheits⸗ mäßig oder gewerbsmäßig in krasser, schreiender Weise wucherische Vortheile der fraglichen Art erlangt worden sind —, daß dann die Gesetzgebung den Strafrichter hilflos einem solchen Thatbestand gegen⸗ über lassen würde. Aus diesem Grunde halte ich den § 302 e für vollständig berechtigt und bitte, ihn so anzunehmen, wie er vorliegt.

Damit schließt die Discussion. Vor der Abstimmung be⸗ zweifelt Abg. Vollrath die Beschlußfähigkeit des Hauses.

Da das Bureau ebenfalls Zweifel an der Beschlußfähigkeit hegt, wird der Namensaufruf vorgenommen. Derselbe ergiebt die Anwesenheit von nur 151 Mitgliedern. Es müssen also die Verhandlungen abgebrochen werden.

Zur Geschäftsführung bemerkt Abg. Liebermann von Sonnenberg (b. k. F.): Der Abg. Ahlwardt hat vor den Ferien in Aussicht gestellt, das von ihm bezeichnete Material unmittelbar nach den Ferien vorzulegen. Es herrschte wohl kein Zweifel darüber, daß man ihm kein Hinderniß in den Weg legen würde, das zu thun. Nun soll der Abg. Ahlwardt heute den Versuch gemacht haben, das Material auf den Tisch des Hauses niederzulegen, aber in der von ihm gewünschten Form das Wort nicht erhalten haben. Im Interesse der Klarstellung der Sache und um den Zweifel nicht aufkommen zu lassen, als ob man dem Abg. Ahlwardt das Recht zu seiner Vertheidigung schmälern oder ihm die Pflicht, seine Behauptungen zu beweisen, erlassen wolle, möchte ich den Präsidenten bitten, dem Ahlwardt öffentlich den Weg zur Erhebung seines Beweises an⸗ zugeben.

Präsident von Levetzow: Ich habe gar keine Veranlassung, hier öffentlich dem Abgeordneten solche Wege anzugeben (sehr richtig!), bin aber gern bereit, dem Abg. Liebermann von Sonnenberg mit⸗ zutheilen, wie der Vorgang gewesen ist. Dem Abg. Ahlwardt stellte ich gestern auf sein Verlangen das Wort vor dem Eintritt in die heutige Tagesordnung in Aussicht, um ihm die verlangte Gelegenheit zu geben, gewisse Acten auf den Tisch des Hauses niederzulegen und dieses Niederlegen formell zu begründen. Heute erklärte mir der Abg. Ahlwardt, daß er die Acten nicht auf den Tisch des Hauses nieder⸗ legen wolle (hört! hört!), daß er vielmehr einen formellen Antrag an den Reichstag einbringen wolle auf Einsetzung einer besonderen Com⸗ mission zur Untersuchung gewisser von ihm angeführter Behauptungen, und daß er dieser Commission die Acten übergeben würde. Hierzu konnte ich geschäftsordnungsmäßig ihm das Wort vor der Tages⸗ ordnung nicht ertheilen. Ich habe ihm das mitgetheilt und ihn auf den geschäftsordnungsmäßigen Weg verwiesen. 1

Abg. Ahlwardt (b. k. F.): Ich glaube, daß zwischen dem Präsidenten und mir ein Mißverständniß obwaltet. Ich habe mich bereit erklärt, die Acten auf den Tisch des Hauses niederzulegen und habe nur gebeten, vorher einige materielle Ausführungen machen zu können, damit die Acten hier im Hause auch verstanden werden. (Lachen links.) Ich bin hier öffentlich im Hause angegriffen worden von dem Staatssecretär Freiherrn von Maltzahn.

Präsident von Levetzow: Herr Abg. Ahlwardt, jetzt sind Sie nicht SS bei einer Bemerkung zur Geschäftsordnung.

Abg. Ahlwardt (b. k. F.): Dann will ich nur bemerken, daß ich die Aeten auf den Tisch des Hauses niederlegen wollte, daß mir aber das Wort nicht zu etwas Anderem gestattet werden sollte als nur zu der Erklärung: Ich lege die Acten auf den Tisch des Hauses nieder. Diese einfache Erklärung abzugeben, mußte ich verweigern.

Präsident von Levetzow: Ich erachte die Sache für erledigt.

Schluß 4 ½ Uhr. Nächste Sitzung Montag 1 Uhr. Hüchesggseh⸗ Gesetz, betreffkend den Verrath militärischer

Geheimnisse.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 60. Sitzung vom Freitag, 14. April. In der fortgesetzten zweiten Berathung des Gesetzentwurfs,

betreffkend die Aufhebung directer Staatssteuern (siehe den Anfangsbericht in der gestrigen Nummer des Blatts), nahm bei der Zaseussion über die §§ 17 bis 26 (Bestimmungen über die Rückzahlung der Grundsteuer⸗Entschädigungs⸗ Kapitalien an die Staatskasse), welche die Abgg. von Balan (freicons.) und Gen. zu streichen beantragten, während ein Antrag der Abgg. von Buch s(cons.) und Gen. den § 18 dahin geändert wissen wollte, daß die Entschädigungen, die infolge von Special⸗Privilegien, nicht infolge der verfassungs⸗ mäßigen Steuerfreiheit gewährt worden sind, nicht zurück⸗ gezahlt werden sollen, der

Finanz⸗Minister Dr. Miquel das Wort zu folgender Rede:

Meine Herren! Wir sind ja gewohnt, daß die verehrten Ab⸗ geordneten aus der Provinz Schleswig⸗Holstein ihre rechtlichen Auf⸗ fassungen mit großer Energie vertreten, daß, wenn sie auch mal in einem Falle unterliegen, sie nicht aufhören, ihrem Rechtsgefühl aufs neue wieder Ausdruck zu geben. Ich muß aber doch sagen, wenn hier überhaupt eine Rückzahlung der empfangenen Entschädigung statt⸗ finden soll, so ist sie doch am meisten da berechtigt, wo die Zahlung des Staats noch am neuesten ist (sehr richtig!), wo die Zahlung der vollen Grundsteuer nur noch vor kurzer Zeit stattgefunden hat, während in den alten Provinzen bekanntlich schon eine viel geraumere Zeit in dieser Beziehung hinter uns liegt. Nun hat der Herr Vorredner sich darauf berufen, daß ich in der Com⸗ mission gesagt habe, man könne leicht streng juristisch die Rück⸗ zahlungspflicht construiren. Gewiß, meine Herren, auf rein privat⸗ rechtlichem, civilistischem Gebiet wird es schwer sein, mittels einer Klage des Fiscus, ohne daß das Gesetz in dieser Beziehung Bestim⸗ mungen trifft, eine Rückforderung der Entschädigung zu erreichen. Darauf aber kommt es auch garnicht an. Wir haben es hier nicht mit einer civilistischen, privatrechtlichen Frage zu thun, sondern mit einer staatsrechtlichen, eigentlich mit der Frage der Billigkeit. Meine Herren, stellen Sie sich den Fall vor, die Grundsteuer wäre ablösbar gewesen und ein Grundsteuerpflichtiger hätte die Grundsteuer dem Staat gegenüber abgelöst, und nun legte der Staat die Grundsteuer wieder auf, wie würde da das Billigkeitsgefühl sich stellen? Ich bin überzeugt, jedermann würde verlangen, wenn eine Grundsteuer abgelöst ist von Privatpersonen, hinterher wird sie durch Gesetz wieder auferlegt, daß dann eine Rückzahlung der gegebenen Ablösungs⸗ kapitalien stattfinden müsse. Im wesentlichen liegt hier die Sache genau so. Ich glaube, es wird und darauf muß man doch bei der Construirung der Gesetze Gewicht legen dem Billigkeitsgefühl

weiter Kreise im Lande nicht entsprechen, wenn diejenigen, welche für die Uebernahme der Grundsteuer Entschädi⸗ gung bekommen haben, namentlich in den Fällen, wo die Entschädigung sich noch in denselben Händen befindet, nunmehr neben dieser Entschädigung zugleich auch die Grundsteuer⸗ freiheit genießen. Sie mögen vom civilistischen Standpunkt dem Volke noch so oft auseinandersetzen, daß der Staat darauf keinen civilen Anspruch gehabt hätte man wird immer doch es eigen⸗ thümlich finden, daß die Entschädigung für die Uebernahme der Grundsteuer in der Hand desjenigen bleibt, der nun von der Grund steuer völlig frei bleibt. Daß das ein ausnahmsweises Verhältniß ist mit dem wir es zu thun haben, welches man nicht nach den gewöhn lichen Regeln entscheiden kann, das gebe ich vollständig zu. Ich habe aber das Gefühl, daß bei einer so großen Reform, die doch auch zu erheblichen Entlastungen des Grund besitzes thatsächlich führt, mit vollem Recht wie ich zugestehe es eine Art Schatten auf dessen ganze Reform werfen könnte, wenn Sie die Anträge, wie sie auch gestellt sind, in irgend einer Form an⸗ nehmen. (Sehr wahr!)

Meine Herren, der Antrag der Herren von Buch und Genossen will, wenn ich ihn recht verstehe, diejenigen von der Rückzahlungs⸗ pflicht befreien, welche die Steuerfreiheit erlangt hatten durch einen ausdrücklichen Vertrag. Meine Herren, der Vertrag steht in dieser Beziehung an sich dem privilegium singulare vollständig gleich. Es giebt eine große Anzahl von Fällen, wo derartige singuläre Privilegien vorhanden waren, und die müßten Sie dann jedenfalls ebenso behandeln. Aber, nach meiner Meinung, bei der Frage, die hier in Betracht kommt, ist dieser Unter⸗ schied an sich nicht berechtigt. Wenn wir uns auf den Standpunkt der Billigkeit des allgemeinen Rechts stellen, so kann es keinen Unter⸗ schied machen, ob beispielsweise hergebrachte, aus früheren staats⸗ rechtlichen Verhältnissen relevirende Befreiungen durch einen Vertrag bestätigt wurden, der allgemeine Rechtszustand, auf dem die Befreiung beruhte, aber genau derselbe blieb.

Meine Herren, wir haben in der Commission schließlich doch nahezu einstimmig diese Beschlüsse gefaßt; alle Parteien waren im großen Ganzen damit einverstanden; man erkannte allseitig an, daß man hier nach billigmäßigen Grundsätzen verfahre. Die Commission hat die Bestimmungen über die Rückzahlung, die die Staatsregierung an sich

schon in billiger Weise vorgeschlagen hatte, noch mehr abgemildert, sie hat

alle Härten aus der Sache herausgebracht; von einem vessentlichen Druck der Betheiligten, welche nun die volle Grundsteuer bekommen, in 61 Jahren die empfangene Entschädigung zurückzuzahlen, kann kaum die Rede sein. Ich glaube daher, es wäre alles geschehen, um das in der Commission in dieser schwierigen Frage erreichte ich möchte sagen den Compromiß nunmehr nicht weiter anzufechten. Ich bitte Sie dringend, im Interesse dieser großen Reform, die wir hier vornehmen, alle Anträge abzulehnen und die Commissionsbeschlüsse, die ich meiner⸗ seits acceptire, auch Ihrerseits anzunehmen. (Beifall.)

Im ferneren Verlauf der Berathung sprach nach dem General⸗Steuer⸗Director Burghart der

Abg. Dr. Sattler (nl.). Redner äußerte die Hoffnung, 8. die Grundsteuer⸗Entschädigungsfonds in der Provinz Hannover aufrecht erhalten bleiben würden, denn die dortige Kirchenverwaltung könne sie nicht entbehren, und der Staat müßte dann doch für den Ausfall ein⸗ treten. Wenn die Grundsteuer⸗Entschädigung für die Uebernahme der Steuer gezahlt sei, dann wäre es eine ungerechte Bereicherung, wenn man nach Aufhebung der Steuer die Kapitalien nicht zurück⸗ verlangen wollte. Er bedauere auf das lebhafteste, daß man nicht jeden Pfennig der Entschädigung wieder zurückverlangen könne. Redner spricht sich sodann gegen den Antrag von Buch aus, weil die Specialprivilegien sehr verschiedenartiger Natur sein könnten. Eine Härte liege in der Rückzahlung nicht, denn diese könne ja in sehr langen Fristen erfolgen. Der Steuerreform würde in der öffent⸗ lichen Meinung Widerstand begegnen, wenn man nicht wenigstens die Beschlüsse der Commission annehmen wollte.

Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Fuisting erwiderte dem Vor⸗

redner, daß auf die hannoverschen Grundsteuer⸗Entschädigungsfonds die Vorschriften keine Anwendung fänden. Abg. Freiherr von Huene (Centr) erklärte: Früher habe man für die schwierigste Frage die gehalten, was mit den Entschädigungs⸗ kapitalien zu geschehen habe; heute gehe der Antrag von Balan darüber leicht hinweg. Es würde ein schwerer politischer Fehler sein, den Antrag anzunehmen. Die Vorlage und die Commissionsbeschlüsse seien sehr vorsichtig, denn sie verlangten nur die Rückzahlung da, wo das Kapital noch mit dem Gute zusammen vorhanden sei. Für den Antrag von Buch könne er keinen inneren Grund erkennen, denn damit würde eine Rechtsungleichheit zwischen den Arten der früher Entschädigten herbeigeführt werden. 1

Sämmtliche Anträge wurden hierauf vom Hause ab⸗ gelehnt und die §§ 17 und 18 in der Fassung der Com⸗ mission angenommen, ebenso ohne erhebliche Debatte die §§ 19 bis 26, ferner § 27, welcher die lex Huene außer Kraft setzt, § 28, wonach das Gesetz für Hohenzollern nicht gilt, und § 29, wonach das Gesetz am 1. April 1895, aber nur gleichzeitig mit dem Gemeindeabgaben⸗ und Ergänzungs⸗ süruses in Kraft treten soll.

ie Denkschrift über die Steuerreform wurde hiernach für erledigt erklärt.

Schluß 2 ½ Uhr. Nächste Sitzung: Sonnabend 11 Uhr (Eisenbahnvorlage).

Statistik und Volkswirthschaft.

Krankenfürsorge.

In dem demnächst zur Veröffentlichung gelangenden Jahres⸗ bericht des Regierungs⸗ und Gewerbe⸗Raths für die . Sgferunssbeine⸗ Frankfurt a. O. und Potsdam für das Jahr 1892 findet sich folgende Notiz: ““

„Das Bestreben der Arbeitgeber bezw. der Berufsgenossenschaften, die durch die zahlreichen Unfälle verursachten zunehmenden Ausgaben für Unfallrenten zu ermäßigen, hat eine Einrichtung ins Leben gerufen, welche dazu bestimmt ist, durch eine sachgemäße, medico⸗me⸗ anische Nachbeha b den Verletzten so bald als möglich die völlige oder theilweise Gebrauchsfähigkeit ihrer Gliedmaßen und damit die Erwerbsfähigkeit wieder zu verschaffen, sodaß eine Herabsetzung der Unfallrente eintreten kann. Diese Einrichtung ist auf Veranlassung des Vorsitzenden der Fuhrwerks⸗Berufsgenossenschaft Scharfenberg unter dem Namen „Heimstätte für Verletzte“ am 2. Januar 1891 in Nieder⸗Schönhausen bei Berlin eröffnet worden. Die Anstalt, welche anfangs nur für die Fuhrwerks⸗Berufsgeng senschaft be⸗ sähne war, ist allmählich auch von den übrigen Berufsgenossen⸗ chaften, namentlich von der Norddeutschen Holz⸗ sowie von der Müllerei⸗Berufsgenossenschaft gefördert und benutzt worden. Die unverkennbaren Heilerfogge welche diese unter der Leitung des Dr. G. Schütz stehende Anstalt aufzuweisen hat, haben eine zunehmende Benutzung derselben bewirkt. Die infolge der Behandlung erzielte Herabsetzung der Erwerbsunfähigkeit in Procenten der Ren ausgedrückt, war sehr erheblich und betrug im Jahre 1891 40,9 sa,

entnehmen, den Ausstand in der

im Jahre 1892: 41,6 %. Die Ausgaben für Behandlung und Ver⸗ pflegung, Reisen der Verletzten, Renten der Angehörigen ꝛc. wurden

schon allein durch die während des ersten Jahres erreichte Vermin⸗

derung der Rentenlast gedeckt und wesentliche Ersparnisse und Minderausgaben für die Berufsgenossenschaften erzielt. Während einerseiis zugegeben werden muß, daß die Schaffung dieser Anstalt dem Sinne des § 7 des Unfallversicherungsgesetzes entspricht, und die schnelle Wiedergewinnung der Erwerbsfähigkeit der Verletzten nicht nur im Interesse der Berufsgenossenschaften, sondern auch der Arbeiter selbst liegt, so ist andererseits doch hervorzuheben, daß besonders die verheiratheten Arbeiter sich im allgemeinen ungern einer Behandlung unterwerfen, welche sie der häuslichen Pflege ent⸗ zieht und ihren Familien infolge von Kürzung der Rente vorüber⸗ gehend große Entbehrungen auferlegt.“ Instructionsreise.

Die im vorigen Jahre infolge der Choleragefahr unterbliebene Instructionsreise, welche von der „Centralstelle für Wohlfahrts⸗Ein⸗ richtungen“ in Aussicht genommen war, wird nunmehr, wie die „Wohlfahrts⸗Correspondenz“ bekannt macht, für die Pfingstwoche (Beginn am 23. Mai) beabsichtigt. Auf dieser sollen unter Leitung des Geschäftsführers der Centralstelle u. a. Essen, Neviges bei Elber⸗ feld, Köln, M.⸗Gladbach, B.⸗Gladbach, Aachen, Lennep und Delft besucht und die dort bestehenden Wohlfahrts⸗Einrichtungen besichtigt werden. Diejenigen Herren, welche sich an dieser etwa sechstägigen Reise zu betheiligen wünschen, wollen dies dem Bureau der Central⸗ stelle baldigst mittheilen.

Zur Arbeiterbewegung. G

Die Ausstandsbewegung in Belgien hat zwar an Aus⸗ dehnung gewonnen, ist aber von dem geplanten allgemeinen Ausstand aller Industriearbeiter weit entfernt geblieben. Es liegen folgende Wolff'sche Telegramme vor:

In Brüssel und seinen Vorstädten ist die Lage des Ausstandes gestern dem Vortage gegenüber unrerändert gewesen; der Strike hatte also nicht zugenommen. Einige Banden Strikender durchzogen die Straßen. Bei dem Einschreiten der Polizei⸗Agenten wurde ein Knabe verwundet.

Im Borinage betrug die Zahl der Ausständigen gestern etwa 16 000; man erwartete die Ankunft von Truppen. In Wasmuel kam es gestern Nachmittag zu einer ausgedehnten Schlägerei. Mehr als tausend Ausständige machten einen Angriff auf eine Fayencefabrik und versuchten, sie in Brand zu stecken. Die Gendarmerie schritt ein; es wurden 27 Verhaftungen vorgenommen.

Ein Bataillon Jäger⸗Infanterie ist von Mons nach Dour und Quaregnon abgegangen. In Wasmes und Paturage durch⸗ zogen gestern früh mit Arbeitswerkzeug und Pfählen bewaffnete Ar⸗ beiter die Straßen. Einige Häuser wurden geplündert, auch wurde gedroht die telegraphischen Verbindungen abzuschneiden. Vormittags 11 Uhr griffen etwa 300 Arbeiter die Kohlenwerke von Grand⸗Bouillon in Paturage an, drangen in den Hof ein und richteten dort Ver⸗ wüstungen an.

In dem Kohlenbecken von Charleroi war his gestern nur ein unbedeutender Ausstand vorgekommen; in den Kohlengruben von 11““ nämlich sind etwa 150 Arbeiter in den Ausstand ein⸗ getreten.

Aus Lüttich wird gemeldet, daß das Personal der dortigen Steinkohlengruben gestern vollzählig angefahren ist; in den Kohlen⸗ gruben von Searing und den Cockerill'schen Werken hat niemand die Arbeit niedergelegt; in der Kohlengrube von Kessales in der Gemeinde Jemeppe striken über 100 Mann; in der Kohlengrube Piron in der Gemeinde Saint Nicolas haben 400 Mann die Arbeit eingestellt; in den Gruben, welche in den Ge⸗ meinden Flemalle, Ans, Herstal und Angleur gelegen sind, sind alle angefahren. Gestern Abend wurden in den Lütticher Kohlen⸗ befgcerben und denen der Umgegend wieder vollständige Kohlenzüge gefördert.

In Gent durchzog gestern eine zahlreiche Schaar Strikender die Straßen mit rothen Fahnen und verschiedenen Plakaten. Etwa tausend Ausständige versuchten in die Werkstätten einzudringen, um die Arbeitenden an der Arbeit zu verhindern. Pompiers und Polizei⸗ mannschaften trieben sie zurück. In den Spinnereien Phenix und Horemans ist die Arbeit vollständig eingestellt, in dem großen Hüttenwerk von Lousberg dauert die Arbeit fort.

Aus Verviers wird der „Köln. Ztg.“ berichtet: In Ver⸗ viers und in Dison sind an 2000 Mann ausständig, dagegen ruhen sämmtliche Webereien von Ensival.

In Leipzig⸗Plagwitz haben, wie der „Vorwärts“ mittheilt, 24 Brauergehilfen der Brauerei C. W. Naumann die Arbeit niedergelegt. Die Arbeiter ersuchten um Abschaffung angeblicher Mißstände und Einführung einer geregelten Arbeitszeit, überhaupt um Bewilligung der bekannten Gehilfenforderungen. (Vgl. Nr. 69 d. Bl.) Die Brauerei soll alle Unterhandlungen abgelehnt haben. In einer Versammlung der Leipziger Kürschnergehilfen wurde am Donnerstag über die Thätigkeit des Gewerkschafts⸗Cartells

berichtet. Die Bemühungen des Cartells, noch unbetheiligte Gewerk⸗

chaften in die Arbeiterbewegung zu verflechten, sind, wie die „Lpz. Ztg.“ berichtet, bei den Fleischern mißglückt, bei den Brauern und Kellnern dagegen nicht ganz ohne Erfolg geblieben. Das Cartell hat sich gegen den Ausstand der Schuhmacher in dem Burkhardt'schen Geschäft, und den der Brauer in der Naumann'schen Brauerei aus⸗ gesprochen. Die Versammlung lehnte vom Cartell vorgeschlagene Ab⸗ änderungen des Cartell⸗Statuts ab.

Hier in Berlin erklärte eine Versammlung der Filzschuh⸗ arbeiter⸗ und Arbeiterinnen, wie wir einem Berichte des „Vorwärts“ abrik von Buchholz (vergl. Nr. 85 d. Bl.) für berechtigt und beschloß, die Ausständigen zu unter⸗ tützen. Die Zahl der Ausständigen wird auf 26 angegeben.

Ein Londoner Telegramm des Wolff'schen Bureaus meldet, daß der Gewerberath von Hartlepool beschlossen hat, kein von Hull ommendes Wilson⸗Schiff zu löschen.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin ind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 2. April bis incl. 8. April cr. zur Anmeldung gekommen: 654 Ehe⸗ chließungen, 987 Lebendgeborene, 29 Todtgeborene, 735 Sterbefälle.

Kunst und Wissenschaft.

Im Verein für deutsches Kunstgewerbe war am Mitt⸗ woch Abend eine lehrreiche Sammlung von Entwürfen und Studien des Architekten Fr. Brochier, Professors an der Kunst⸗

gewerbe⸗Schule in Nürnberg ausgestellt, darunter besonders Metall⸗ arbeiten und andere Decorationsstücke für die Schlösser König Ludwig's II. von Bayern. Die phantasievoll erfundenen und farben⸗ reich dargzgestellten Blätter zeugten von vielseitiger und kraftvoller Begabung. Bibliothekar Dr. P. Jessen besprach n längerem Vortrage die Formen des Louis XVI.Stils n Frankreich und ihren Werth für das heutige Kunst⸗ ewerbe an der Hand einer großen Reihe von Abbildungen und Originalen aus den Beständen des Königlichen Kunstgewerbe⸗Museums. Bei der Concurrenz des Vereins für deutsches Kunstgewerbe um Modelle für einen silbernen Pathenbecher sind folgende Preise zuerkannt worden: der erste Preis (80 ℳ) dem Modelleur Heinrich Friz, der zweite Preis 60 ℳ) dem Bildhauer Joseph Köpf, der dritte Preis (40 ℳ) dem Modelleur Max Schröder. Ehrenvoll erwähnt wurden außerdem: Zeichner L. Jamaer, ranz Ruedorffer, Bildhauer Louis Heitsch. 1 heber den Fortgang der Bauarbeiten am neuen Reichs⸗ ta gche use entnehmen wir einem Bericht des „Centr.⸗Bl. d. Bauv.“ nachstehende Mittheilungen: Seit Monaten sind die dichten Rüstungen, ie die Fronten verbargen, größtentheils gefallen, ein Bau⸗ 1 heil nach dem anderen hat ich dem erwartungsvollen Beschauer ge⸗ seigt, und schon stehen die Süd Ost⸗ und Nordfront fast vollendet in unverhüllter Schönheit da. Nur der Mitteltheil der Hauptseite ist

noch berüstet. Der lange offenen Kuppelfrage wegen und infolge seiner reicheren Ausstattung mit Bildwerk konnte er nicht in gleichem Schritt vorwärts gebracht werden; doch steht seine Vollendung im Laufe dieses Jahres bevor. Ist eine volle Würdigung des Bau⸗ werkes für die Betrachtung vom Königsplatze her also noch nicht möglich, so läßt sich doch von den anderen Seiten, insbesondere von Nordosten, vom Schiffbauerdamm aus, ein abgeschlossenes Gesammt⸗ bild gewinnen. Und dieses entspricht in jeder Beziehung den gehegten, hochgespannten Erwartungen. Es ist Wallot voll gelungen, den durchschlagenden Entwurfgedanken, mit dem er seiner Zeit im Wettbewerb den Sieg errang, in Stein und Eisen zu über⸗ setzen. Die Gesammterscheinung des Hauses, seine Massenanordnung, seine Umrißlinie, seine ganze künstlerische Haltung sind von außer⸗ ordentlicher Schönheit. Der Bau fügt sich wie aus dem Boden ge⸗ wachsen seiner Umgebung ein. Die eine Zeit lang von mancher Seite gehegte Besorgniß, er könne nach Entfernung der massigen, den Ge⸗ bäudekörper hoch überragenden Rüstungen auf seinem Platze ent⸗ täuschend klein erscheinen, hat sich als unbegründet erwiesen. Und auch die da und dort bemängelte goldstrahlende Walmkuppel kommt in Form, Masse und Farbenerscheinung so glücklich zur Geltung, daß man zweifelhaft wird, ob man wirklich wünschen möchte, sie im Sinne des ursprünglichen Entwurfs höher 19 Hauptbaukörper emporgehoben zu sehen, als jetzt er Fall.

Was den äußeren Schmuck betrifft, so sind an den Sturzen der mittleren Fensterreihe schlußsteinartig unter wagerecht gestreckten, streng stilisirten Kronen die Stammwappen der (22) Bundesstaaten angebracht mit Ausschluß derjenigen der vier Königreiche, die an be⸗ deutungsvollerer Stelle Platz gefunden haben. Die Länderbezeichnung ist zur Seite auf dem nichtprofilirten Theile des Sturzsteines in deutschen Schriftzügen eingemeißelt. Vortrefflich wirkt das gürtende Zahnschnittgesims über dieser Fensterreihe. An der Hauptfront geht die Fensterarchitektur des Obergeschosses durch, an Stelle der beiden unteren Fensterreihen treten dagegen hohe Rundbogenöffnungen, deren Quaderbögen durch angemeißelte Archivolten und Masken⸗ schlußsteine (Verkörperungen deutscher Ströme) bereichert und auf schmale, zwischen die mächtigen Dreiviertelsäulen eingestellte Pilaster gesetzt sind. Die große Fläche dieser Rundbogenöffnungen ist durch einer mit Städtewappen geschmückten Stein⸗ architektur kleineren Maßstabes bewältigt, wie sie auch die Erdgeschoß⸗ fenster der Thurmbauten aufweisen. In den Mittelbauten der Schmalseiten und der Ostfront ist dann wieder umgekehrt in inter⸗ essantem Wechsel die Rundbogenöffnung ins Erdgeschoß genommen, während darüber große, durch Steinpfostenwerk dreigetheilte Fenster angeordnet sind, deren Sturz unmittelbar durch den schmalen Haupt⸗ gesimsarchitrav gebildet wird. Am Ostmittelbau sind drei dieser Gruppenfenster in gewöhnlicher Weise der Wandsäulenordnung ein⸗ gefügt; an den Schmalfronten dagegen ist je eins derselben Theil eines Architekturstücks geworden, in dessen Erfindung sich die urwüchsige Gestaltungskraft des Künstlers in glänzendem Lichte zeigt. Auf die kragsteinartig ausgebildeten, mit geflügelten Löwenmasken geschmückten Pfostenköpfe sind hier vor dem Architrav und Fries des E“ Hauptgesimses Wappen⸗ schilde der vier Königreiche eutschlands unter flache Ring⸗ kronen gestellt und durch deecciaheg. und Bänderwerk auf dem Fries miteinander verbunden. Darüber bietet die Kröpfung des Consolen⸗ kranzes die Möglichkeit der freien Entfaltung eines gewaltigen Reichs⸗ adlers, dessen Leib und Gefieder kaum der Zuthat von Fruchtgewinden und Kartuschenwerk bedürfen, um das hohe Giebelfeld des Mittelbaus reich zu füllen. Die je zwei Pfeilerpaare dieses Bautheils sind in ihren Obertheilen durch höchst eigenartige, den Krieg und den Frieden versinnbildlichende Schmuckstücke gekuppelt. Und in den Achsen der Pfeilerpaare wachsen, als wuchtige Eckakroterien des Giebels, hohe, mehrgeschossige Postamente empor, die mit Laubgehängen und Schilden mit dem Kaiserlichen W geschmückt sind und mächtige, schlangen⸗ bezwingende Adler tragen. Am Südostthurme sind die Aeußerungen der ausübenden Staatsgewalt, Versinnbildlichungen der Wehrkraft zu Lande und zur See, der Rechtspflege und der Staatskunst durch die Bild⸗ hauer Maison in München und Volz in Karlsruhe dargestellt. Dem Nordostthurme wurden die ethischen Elemente der Volksbildung, Unter⸗ richt und Erziehung (von Schierholz in Frankfurt a. M.), Kunst und Literatur (von Behrens in Breslau) zugetheilt. Am Nordwest⸗ thurme befinden sich Handel und Industrie, und zwar die Groß⸗ industrie und der Handel (Schiffahrt) von der Hand Eberlein's in Berlin, die Elektrotechnik und die Klein⸗ und Hausindustrie von Eberle in München modellirt. Der Südwestthurm endlich zeigt Ver⸗ 1 ge der Gewerbe der Volksernährung: den Ackerbau und die Viehzucht von Lessing in Berlin, und die Bierbrauerei und den Wein⸗ bau von Diez in Dresden. Die Figuren sind an drei Thürmen paarweise theils Männer⸗ theils Frauengestalten, nur am Südwest⸗ thurme befindet sich zwischen drei Männern nur eine weiblich stalt, der Weinbau. 8

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Spanien.

Zufolge einer in der „Gaceta“ vom 9. April 1893 veröffent⸗ lichten Verordnung des Königlich spanischen Ministers des Innern aus Anlaß des in Rio de Janeiro aufgetretenen gelben Fiebers Herkünfte aus diesem Hafen und Orten, welche 165 km und weniger davon entfernt sind, bei ihrer Ankunft in Spanien nach dem Lazareth hafen zu senden. v“

Cholera. 1 Paris, 14. April. Aus Quimper werden zwei im dortigen Irrenhause vorgekommene Cholera⸗Todesfälle gemeldet.

Handel und Gewerbe.

Unter dem Namen E. Geerts & Cie., 43 Boulevard de Strasbourg, betreiben in neuerer Zeit gewissenlose Geschäfts⸗ leute von Paris aus planmäßig angelegte Schwindel⸗ geschäfte nach Deutschland. Sie bieten in Zeitungen

rredit an, verlangen von den Personen, die sich an sie wenden, Accepte und schicken nach deren Eingang werthlose Wechsel zurück oder lassen überhaupt nichts mehr von sich hören, während sie die erhaltenen Accepte weiter begeben. Der In⸗ haber der Firma Geerts & Co., Namens Girot, ist seit einigen Wochen aus Paris verschwunden, wohl um sich einer Ver⸗ urtheilung infolge eines gegen ihn anhängig gemachten Straf⸗ verfahrens zu entziehen. Man vermuthet, daß er sich nach Brüssel gewandt hat.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 14. d. M. gestellt 10 756, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 13. d. M. gestellt 3612, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.

Zwangs⸗Versteigerungen.

Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin stand am 14. April das dem Maurermeister Johannes Gerbsch gehörige, in der Langenbeckstraße 16 belegene Grundstück zur Versteigerung; Fläche 5,45 a; Mindestgebot 102 392 ℳ; für das von 121 600 wurde die Frau Maurer⸗ und Zimmermeister Achter zu Schwerin Ersteherin. Aufgehoben wurde das Verfahren der FIee wegen des dem Kaufmann Carl Hold gehörigen

rundstücks in der Barnimstraße 14.

Berlin, 14. April. (Amtliche Preisfeststellung für Butter, Käse und Schmalz.) Butter. (Im Großhandel franco Berlin an Producenten bezahlte Abrechnungspreise.) Hof⸗ und Ge⸗

nossenschafts⸗Butter Ia. 95 98 ℳ, IIa. 91 94 ℳ, III a.

—,—, do. abfallende 86 90 ℳ, Land⸗, Preußische 78 81 ℳ, Netzbrücher 77 80 ℳ, Pommersche 78 81 ℳ, Polnische 75 80 ℳ, Bayerische Sennbutter 85 909 ℳ, do. Landbutter 77 80 ℳ, Schlesische 81 84 ℳ, Galizische 73 75 ℳ, Margarine 40— 70 Käse: Schweizer, Emmenthaler 80 87 ℳ, Bayerischer 55 65 ℳ, Ost⸗ und Westpreußischer Ia. 60 65 ℳ, do. II a. 50 60 ℳ, Holländer 77 85 ℳ, Limburger 33 40 ℳ, Quadrat⸗Mager⸗ käse Ia. 16 20 ℳ, do. IIa. 8 —10 Schmalz: Prima Western 17 % Tara 59 60 ℳ, reines, in Deutschland raffinirt 61 ℳ, Berliner Bratenschmalz 62 64 Fett, in Amerika raffinirt 50,00 ℳ, in Deutschland b 46,00 49,00 (Alles pr. 50 kg). Tendenz: Butter: Bei lebhaftem Geschäft blieben Preise fest behauptet. Schmalz: ruhiges Geschäft.

Für Rechnung der serbischen Specialkassen wurden der Berliner Abrechnungsstelle für den Couponsdienst im I. Semester 1893 zur Verfügung gestellt bis Ende Februar cr. 1 221 760 Fr., hierzu im Monat März cr. 597 768 Fr., zusammen 1 819 528,61 8

Magdeburg, 14. April. (W. T. B.) Zuckerbericht. Kornzucker excl., von 92 % 17,00, Kornzucker excl., 88 % Rendement 16,35, Nachproducte excl., 75 % Rendement 13,85. Ruhig. Brod⸗ raffinade I. 29,00. Brodraffinade II. —,—. Gem. Raffinade mit Faß 28,75. Gem. Melis I. mit Faß 27,75. Ruhig. Rohzucker I. Product Transito f. a. B. Hamburg pr. April 16,22 ½ Gd., 16,32 ½ Br., pr. Mai 16.30 bez. 16,32 ½ Br., pr. Juni 16.40 bez., 16,45 Br., pr. Juli 16 50 bez., 16,57 ½ Br. Stramm. Wochen⸗ umsatz im Rohzuckergeschäft 84 000 Ctr. 1

Leipzig, 14. April. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata Grundmuster B. per April 3,82 ½ ℳ, per Mai 3,82 ½ ℳ, per Juni 3,87 ½ ℳ, per Juli 3,90 ℳ. per August 3,92 ½ ℳ, ver September 3,95 ℳ, per Oktober 3,97 ½ ℳ, per November 4,00 ℳ, per Dezember 4,00 ℳ, per Januar 4,00 ℳ, per Februar 4,00 ℳ, per März —,— ℳ, Umsatz 85 000 kg.

Wien, 14. April. (W. T. B.) Ausweis der österreichisch⸗ ungarischen Staats bahn E(österreichisches Netz) vom 1. bis 10. April 600 670 Fl., Mindereinnahme gegen den entsprechenden Zeitraum des vorigen Jahres 13 854 Fl.

London, 14. April. (W. T. B.) Der Bericht des englischen Delegirten Law über die Lage der griechischen Finanzen ist heute veröffentlicht worden. Nach diesem Bericht überstiegen die Staats⸗ einnahmen Griechenlands für 1892/93 die von Law unab⸗ hängig aufgestellten Anschläge um 989 226 Drachmen. Die Staatseinnahmen für 1893/94 veranschlagt Law auf 1 011 643 000 Drachmen oder 3 170 000 Drachmen weniger als der officielle Voranschlag angiebt. Law meint, daß die von ihm aufgestellten Ziffern gleichwohl einen Ueberschuß von 4 000 000 bis 4 500 000 Drachmen aufweisen würden vorausgesetzt, daß die griechische Regierung keine Nachtragscredite verlange. Bei Erörterung der Frage der neuen Anleihe spricht sich Law dahin aus, daß die Anleihe 5 Millionen Pfund Sterling nominal betragen müßte. Dieser Betrag würde vollkommen zur Erreichung der noth⸗ wendigen Zwecke ausreichen und an die Einnahmequellen des Landes keine zu hohen Anforderungen stellen. Zur Regelung des Geldwesens würden 60 000 000 Drachmen erforderlich sein. Ferner müßte die in Gold zahlbare Schuld an die Banken und ebenso die im Jahre 1892 aufgenommenen provisorischen Anleihen zurückgezahlt werden. Law schließt, im Hinblick auf den fruchtbaren Boden, die genügsame Bevölkerung und die ehrbare Regierung Griechenlands sei meen, sa. billigen Hoffnungen auf eine glückliche Zukunft des Landes erechtigt.

London, 14. April. (W. T. B.) Wollauction. Preise unverändert, Tendenz eher schwächer.

An der Küste 2 Weizenladungen angeboten.

96 % Javpazucker loco 17 ½ fest, Rüben⸗Rohzucker loco 16 fest. Chile⸗Kupfer 44 ⅞, pr. 3 Monat 45.

Liverpool, 14. April. (W. T. B.) (Baumwollen⸗Wochen⸗ bericht.) Wochenumsatz gegenwärtige Woche 45 000 (vorige Woche 23 000), do. von amerikanischen 42 000 (20 000), do. für Speculation (1000), do. für Export 1000 (2000), do. für wirklichen Consum 41 000 (17 000), do. unmittelb. ex. Schiff 49 000 (30 000), wirklicher Export 5000 (7000), Import der Woche 34 000 (44 000), davon amerikanische 18 000 (36 000), Vorrath 1 590 000 (1 635 000), davon amerikanische 1 364 000 (1 385 000), schwimmend W 106 000 (80 000), davon amerikanische 87 000

0 .

Manchester, 14. April. (W. T. B.) 12r Water Taylor 6, 30r Water Taylor 8, 20r Water Leigh 6 ¾, 30r Water ee. 71. 32r Mock Brooke 8, 40r Mayoll 8 ½, 40r Medio Wilkinson 9, 32r Warpcops Lees 7 ¼, 361 Werecbe Rowland 8 ½, 36r Warp, Wellington 8 ½, 40r Double Weston 8 ¾RS, 60r Double courant⸗ G 108. 32“ 116 Yards 16 % 16 grey Printers aus 32r/46 1

2. Ruhig.

Glasgow, 14. April. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 341 555 Tons gegen 479 850 Tons im vorigen Jahre. Die Bahr der im Betrieb befind⸗ lichen Hochöfen beträgt 72 geßen 78 im vorigen Jahre.

St. Petersburg, 14. April. (W. T. B.) Producten⸗ markt. Talg loco 59,00, pr. August —, Weizen loco 11,25, Roggen loco 8,25, Hafer loco 4,80, Hanf loco 43,00. Leinsaat loco 15,00.

Der am 1./13. d. M. erfolgte Uebergang der Baltischen Eisenbahn in den Besitz der Krone ist nunmehr amtlich veröffent⸗ licht. Mit dem 1./13. April treten die neuen Eisenbahntarife für den Transport von Leinsamen, Hanf und ähnliche Producte aus Rußland nach Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Oesterreich und das Deutsche Reich in Kraft.

Amsterdam, 14. April. (W. T. B.) Java⸗Kaffee good ordinary 51 ¾. Bancazinn 56 ½. 1

Rew⸗York, 14. April. (W. T. B.) Die Börse eröffnete fest und verblieb in fester Haltung bis zum Schlusse. Der Umsatz der Actien betrug 248 000 Stück. Der Silbervorrath wird auf 470000 Unzen geschätzt. Silberverkäufe fanden nicht statt. Die Silberankäufe für den Staatsschatz betrugen 426 000 Unzen zu 83,15 à 83,19.

Weizen eröffnete schwach infolge matter Kabelmeldungen und Realisirungen, dann trat eine Besserung ein auf Berichte über Ernte⸗ schäden in den Weststaaten und in Prnrs e h später wieder ab⸗ geschwächt auf dringendes Angebot, matte Kauflust und Realisirungen. Der Markt schwankte den ganzen Tag, je nachdem die Hausse⸗ oder die Baissepartei die Führung übernahm. Schluß träge. Mais allgemein fest während des ganzen Tages.

8 Zufuhren in allen Unions⸗

roßbritannien 43 000 Ballen. Vorrath 724 000

Weizen niedriger infolge

Baumwollen⸗Wochenberi häfen 52000 Ballen, Ausfuhr nach Zzuhr nach dem Continent 56 000 Ballen. Ballen.

Chicago, 14. April. (W. T. B.)

Cliquen⸗Manöver. Mais schwächte sich nach ECröffnun etwas

ab, später erholt; Schluß stetig.

Verkehrs⸗Anstalten. 8

Für Postpackete nach Portugal und Madeira ist der Be⸗ förderungsweg über Frankreich fortan wieder zulässig.

Bremen, 15. April. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Fefe mfser „Frankfurt“ hat am 13. April Vormittags OQuessant passirt. Der Reichs⸗Postdampfer „Sachsen“, von Ost⸗ Asien kommend, ist am 14. April in Columbo angekommen. Der Reichs⸗Postdampfer „Hohenstaufen“, von Australien kommend, ist am 14. April Vormittags in Antwerpen angekommen. Der Reichs⸗Postdampfer „Stettin“ ist am 14. April Nachmittags von Neapel nach Alexandrien abgeganzen. Der Schnelldampfer „Alker⸗, von New⸗York kommend, ist am 14. April Vormittags auf der Weser angekommen. Der Schnelldampfer „Lahn“ ist am 13. April Vormittags in New⸗York angekommen. Der Reichs⸗Postdampfer „Darmstadt“ ist am 13. April von Baltimore nach der Weser E“ 1“““