VLondon, 25. April. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer „Grantully⸗Castle“ ist heute auf der Heimreise in London angekommen. Der Castle⸗Dampfer „Dunottar Castle“ ist gestern auf der Ausreise in Capetown angekommen.
Theater und Musik.
8— Residenz⸗Theater. 8 8 Das „Liebesdrama Jugend“ von Max Halbe, das bereits m Sonntag in einer Vormittags⸗Vorstellung aufgeführt wurde, fand estern bei der ersten Abendaufführung eine bemerkenswerthe warme heilnahme bei den Zuschauern und fast ungetheilten Beifall. Der Verfasser, der sich mehrmals auf der Bühne zeigte, gehört zu den jüngsten modernen Dichtern, und scheint eräshiafen selbständige Wege zu wandeln. Er hat seinen Stoff der lebendigen Gegenwart entnommen und hat offenbar beabsichtigt, ihn der Wirklichkeit ntsprechend durchzuführen; aber hier, wie so oft bei den modernen naturalistischen Dichtern, werden aus einfachen und natürlichen Voraus⸗ sefüngen innerlich völlig unwahre und unnatürliche Folgerungen ab⸗ geleitet. 1 Der erste leidenschaftliche Liebesrausch zwischen zwei ganz jungen Leuten, — der Held kommt von der Schulbank und besucht vor dem Abgehen nach der Universität ein katholisches Pfarrhaus an der pol⸗ nischen Grenze — nimmt eine höchst unwahrscheinliche, fast unnatürliche Wendung und würde den Grundstein zu dauerndem Elend für die beiden jungen Menschen bilden, wenn nicht ein gütiger Zufali dem Dasein der jugendlichen Sünderin ein Ende machte; sie stirbt durch einen dem Liebhaber bestimmten Schuß ihres bloͤdsinnigen Bruders. Dem Stück haften zahlreiche Mängel an, ohne daß dadurch aber die Antheilnahme an den Vorgängen wesentlich ge⸗ schmälert würde. Die Liebe des jungen ädchens wagt sich so heiß und stürmisch hervor, daß sie nur durch eine anormale, ererbte Anlage erklärt werden kann, die auch schon ihre Mutter ins Unglück stürzte. Von einer gegliedexten Handlung ist in dem Drama kaum die Rede; der erste und zp⸗eite Act spiegeln fast nur Stim⸗ mungen wider, erst der dritte Aufzug mit seinem Herzeleid und traurigen Ende ist wirklich dramatisch. Die Charaktere sind, soweit sie kindlich und alltäglich sind und keines hohen Schwungs bedürfen, freundlich und ansprechend gezeichnet: die Liebesfreude, die kleinen Zänkereien der Liebesleutchen, ihr hilfloses Trauern und Fürchten nach dem Fehltritt, ist natürlich und einfach, wenn auch zu weitläufig wiedergegeben; sobald aber ernstere Charaktere mit tieferer Menschenkenntniß, gehobener Welt⸗ anschauung verlangt werden, reicht die Kraft des Dichters nicht aus. in Pfarrer und ein Kaplan, die in dem Stück vorkommen, behelfen sich durchschnittlich mit recht trivialen Redensarten und kommen über Gemeinplätze nicht hinaus; große Gedanken fehlen gänzlich und in einem heftigen Streit des dritten Acts tritt ein Grad von Rohheit und Niedrigkeit bei den edel und asketisch angelegten Personen hervor, der von Naturwahrheit weit entfernt ist. Trotzdem schwebt ein dichterischer Hauch über dem kleinen Liebesdrama; der Frühling draußen in der Natur und drinnen im Herzen wird theilweise mit rührender Einfolt geschildert. Der joviale alte Marrherr in seiner Behaglichkeit bei seiner Pfeife und seinem Gläschen, das geschäftige, liebkosende „Annchen und der junnge Student, der am offenen Fenster die Frühlings⸗ luft und die Freiheit in tiefen Zügen einathmet, vereinigen sich zu einem “ stimmungsvollen Bild, das Theilnahme fordert und gewinnt. 1 Die Darstellung war recht tüchtig; besondere Aufmerksamkeit er⸗ regte Fräulein V. von Mayburg als Annchen mit ihrem herzigen lebhaften Wesen, das auch der Leidenschaft noch einen züchtigen Schleier überwarf; ihre Lebensfreude war rührend naiv und ihr
Kummer ergreifend. Die Rolle des Jünglings lag in den Händen des Herrn Rittner, der den Ton des werdenden Studenten recht gut traf. Herr Jarno als Kaplan vertrat mit Erfolg den asketischen Glaubenseifer, der die Welt und ihre Lüste siegreich überwindet. Herr Werner als Pfarrer Hoppe hätte bei seiner sonstigen milden Freundlichkeit in der Streitscene vornehmer sein müssen.
Theater Unter den Linden.
Bei Gelegenheit der hundertsten Aufführung der Operette „Lachende Erben“ von Horst und Stein wurden gestern Abend in Gegenwart des Componisten Herrn Carl Weinberger, der persönlich die Leitung übernommen hatte, von einem dichtbesetzten Hause dem unermüdlichen Personal, das noch mit derselben Frische, wie bei der ersten Vorstellung, alle Kräfte zur Unterhaltung und Er⸗ heiterung der Zuschauer einsetzte, die schmeichelhaftesten Huldigungen in Hervorrufen und Blumenspenden dargebracht, an denen auch der Componist und der Regisseur Herr Eduard Binder ihren wohlverdienten Antheil erhielten. Die Vorstellung bekam schon dadurch einen festlichen Charakter, daß jeder Dame beim Eintritt in den Theater⸗ raum ein mit einem zierlichen rothseidenen Bändchen versehener, die so häufig zur Erheiterung des Publikums von Herrn Fröden (dem Offizierburschen Cyprian) gebrauchten drolligen Worte „Sie leben, Sie genießen“, in Goldbuchstaben enthaltender Blumenstrauß über⸗ reicht wurde. Mit rauschendem Beifall wurde der jugendliche Componist begrüßt, als er zum Beginn der Operette auf dem blumengeschmückten Dirigentenstuhl Platz nahm. Der Löwen⸗ antheil der gespendeten Anerkennungen wurde aber dem Herrn Steinberger zu theil, der ununterbrochen bei allen hundert Auf⸗ führungen durch seinen überwältigenden Humor als der lebenslustige und liebebedürftige ältliche Commandant die Besucher erfreut hat. In der Rolle der Margit gewann Fräulein Melanie Andrée schnell alle Sympathien durch ihre schöne Stimme und ihren pointirten Vortrag. Fräulein Walden, als des Nachtwächters Tochter, und die Herren Drucker (Lieutenant Brandt), Fröden (Cyprian) und Lemcke (Nachtwächter) trugen das Ihrige bei zum Gelingen der er⸗ folgreichen Vorstellung, die wie gewöhnlich ihren glänzenden Abschluß durch das Ausstattungs⸗Ballet „Columbia“ von H. Regel fand.
Im Berliner Theater wird morgen das Blumenthal'sche Schauspiel „Ein Tropfen Gift“ mit Agnes Sorma in der Rolle der Hertha gegeben. Am Freitag kommt „Graf Waldemar“ zur Dar⸗ stellung, auch mit Agnes Sorma, welche an diesem Abend zum ersten Mal die Rolle der Gertrud spielen wird. Für Sonnabend ist Moser's „Veilchenfresser“ und für Sonntag Nachmittag zu ermäßigten Preisen Sardou's Schauspiel „Dora“ mit Agnes Sorma in der Titelrolle angesetzt. Vom 1. Mai an werden die Abendvorstellungen stets um 7 ½ Uhr beginnen.
Im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater beginnen die Vorstellungen vom 1. Mai ab um 7 ½ Uhr. 1
Im Residenz⸗Theater wird am Sonnabend Alma Renier aus Stettin als „Denise“ erstmalig auftreten. .
Morgen debütirt im Kroll'schen Theater eine junge Ber⸗ linerin, Fräulein Agnes Herrmann, und zwar in der Rolle der Dryade in Weber's „Silvana“.
Sullivan's „Mikado“ geht im Theater Unter den Linden am Feitag zum ersten Mal in Scene.
n dem morgen zum Besten der Lehrerwittwen und ⸗Waisen in der Philharmonie stattfindenden Concert des Sängerbundes des Berliner Lehrervereins wird die Altistin Fräulein Adelina Herms Lieder von Schubert, Rubinstein, O. Eichberg, Liszt, Heuberger und Gounod singen und Herr Professor Robert Hausmann Stücke von Davidoff, sowie den Cello⸗Part in Boccherini's C-dur-Sonate für Cello und Klavier zum Vortrag bringen.
Mannigfaltiges. Seine Majestät der Kaiser hat, wie der „Nat.⸗Ztg.“ be⸗
richtet wird, am Montag, dem Sterbetage des General⸗Feldmarschalls Namenszug auf
Grafen Moltke, einen großen Lorbeerkranz mit der Schleife auf dem Grabe in Kreisau niederlegen lassfer..
St. Petersburg, 25. April. Aus Wladiwostock wird dem „W. T. B.“ folgender Unfall berichtet: Zum Empfange eines aus Odessa anlangenden Dampfers hatten sich daselbst zahlreiche Personen, unter ihnen der Hafen⸗Commandant, auch viele Damen, insgesammt achtzig Personen, auf dem Dampfersteg versammelt, als dieser plötzlich einbrach und die darauf zusammengedrängten Personen in das an jener Stelle etwa 1 Faden tiefe Meer stürzten. Es gelang, fast alle Verunglückten zu retten.
Nishny⸗Nowgorod, 25. April. Der Eisgang auf dem Oka⸗Flusse hat, wie „W. T. B.“ meldet, große Verheerungen unter den Schiffen angerichtet, welche dort am Quai überwinterten. Siebzig Flußfahrzeuge verschiedener Größe sind vom Eise stark be⸗ schädigt worden, vierzig sind gesunken. Vierzehn Fabrzenge hat das⸗ Eis mit fortgerissen, auch drei Dampfer sind schwer beschädigt worden.
Ein Verlust an Menschen ist nicht zu beklagen, der materielle Schaden aber sehr groß. .
Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen.
Rom, 26. April. (W. T. B.) Königspaar wohnte heute Vormittag um 10 ½ Uhr der Eröffnung der National⸗Ausstellung in den Thermen des Diocletian bei.
(W. T. B.)
Albano, 26. April. Seine Majestät
der Kaiser traf nebst Gefolge um 9 Uhr 6 Minuten hier ein
und wurde auf dem festlich geschmückten Bahnhof, wo sich eine graße Volksmenge angesammelt hatte, unter Salutschüssen von den
ehörden, Vereinen und Schulen empfangen. Ein auf⸗ gestelltes Musikcorps spielte die preußische Volkshymne. Seine Majestät bestieg einen vierspännigen Wagen und fuhr durch die geschmückte Stadt Albano über Ariccia nach Gen⸗ Ico⸗ Hier besuchte der Kaiser die Villa Sforza⸗Cesarini, eren Park den Ausblick auf den tief unten liegenden Nemi⸗ See und dessen herrliche Umgebung bietet. Auf dem ganzen Weg wurde der Kaiser von der zahlreich herbeigeströmten Be⸗ völkerung enthusiastisch begrüßt.
Konstantinopel, 26. April. (W. T. B.) Der Com⸗ mandant des französischen Mittelmeer⸗Geschwaders Admiral Vigne ist mit 45 Officieren gestern Abend an Bord des Aossoschiffes „Tronde“ hier eingetroffen. Die Ankunft der Kaiserlichen Nacht „Jzzeddin“ mit weiteren 50 Officieren wird erwartet. Die französischen Officiere dürften bis zum Sonn A“”“ “
“ (Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Beilage.)
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rsten und Dritten
Wetterbericht vom 26. April,
in 1 Aufzug von Rudolph Genée. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. — Meister Gert
Mamselle Nitouche.
Freitag: 5. Gastvorstellung von Ilka von Palmay⸗
Concerte.
Das italienische
8 Uhr Morgens.
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Stationen. Wetter.
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Uebersicht der Witterung.
Eine breite Zone niedrigen Luftdruckes erstreckt sich von der Biscayasee ostwärts nach dem Innern Rußlands, während über der Balkanhalbinsel und im Nordwesten der britischen Sn der Luftdruck am höchsten ist. Bei schwacher Luftbewegung aus veränderlicher Richtung ist das Wetter in Deutsch⸗ land andauernd heiter und trocken bei hohen Tages⸗ temperaturen. Auch gestern wurden wieder hohe Nachmittagstemperaturen beobachtet, zu Bamberg 24, Kaiserslautern 25, Paris und Clermont 27, Brest 28 Grad. In Westrußland ist fast überall Schnee gefallen. Ueber Deutschland ziehen die oberen Wolken aus West und Nordwest.
Deutsche Seewarte.
Theater⸗ Anzeigen.
Aönigliche Schauspiele. Donnerstag: Opern⸗ haus. 105. Vorstellung. Der Ring des Nibelungen. Bühnenfestspiel von Richard Wagner. 1. Abend: Die Walküre in 3 Acten. Dirigent: Kapell⸗ meister Sucher. Anfang 7 Uhr.
Neues Theater (am Schiffbauerdamm 4/5.) 12. Vorstellung. Gastrecht. Dramatisches Gedicht
Westfaler. Komödie in 1 Aufzug aus dem Dä⸗ nischen des Ludwig Holberg (geschrieben 1722). für die deutsche Bübhne eingerichtet von Dr. Julius
offory und Dr. Sen Schlenther. In Scene ge⸗ etzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. — Di wachsame Schildwache. Zwischenspiel in 1 Auf⸗ zug nach Cervantes (geschrieben um 1612), bearbeitet von Rudolph Genée. In Scene gesetzt vom Ober⸗ Regisseur Max Grube. — Die ehrlich Bäckin mit ihren drei vermeinten Liebsten. Ein Possen⸗ spiel zur Lehr und Kurzweil gemeiner Christenheit, Frauen und Jungfrauen zum goldenen Spiegel von Jacobus Ayrer. (Zum ersten Male aufgeführt in Leipzig im Jahre 1615.) Anfang 7 Uhr.
Freitag: Opernhaus. 106. Vorstellung. Bajazzi (Pagliazzi). Oper in 2 Acten und einem Prolag. Musik und Dichtung von R. Leoncapallo, deutsch von Ludwig Hartmann. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Sucher. — Die Rebe. Ballet in 2 Acten (5 Bildern) nach dem Text von Taglioni, Grand⸗ mougin und Hansen, von Emil Graeb. Musik von Anton Rubinstein. Dirigent: Musikdirector Stein⸗ mann. Anfang 7 Uhr.
Neues Theater (am Schiffbauerdamm 4/5). 113. Vorstellung. Vasantasena. Drama in 5 Auf⸗ zügen von Emil Pohl, mit freier Seceng. der Dichtung des altindischen König, Suett. In Scene geseht vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.
Deutsches Theater. Donnerstag: Das
Wintermärchen. Anfang 7 Uhr. reitag: Zum 50. Male: Der Talisman. Sonnabend: Zwei glückliche Tage.
Berliner Theater. Donnerstag: Ein Tropfen Gift. (Agnes Sorma.) Anfang 7 Uhr.
Freitag: 23. Abonnements⸗Vorstellung. Graf Waldemar.
Sonnabend: Der Veilchenfresser. 7
Die nächste Aufführung von „Viel Lärm um Nichts“ findet am Sonntag statt.
Lessing⸗Theater. Donnerstag: Brave Leut⸗
vom Grund. Anfang 7 ½ Uhr. 8 . Brave Leut’ vom Grund. 8 onnabend: Die arme Löwin. Sonntag: Brave Leut’ vom Grund
Wallner-Theater. (Letzte Woche.) Donners⸗ tag: Die Orientreise. Anfang 7 ½ Uhr.
Freitag: Die Orientreise.
Sonnabend: Die Großtfstadtluft.
Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25.
Donnerstag: 4. Gastvorstellung der Frau Ilka von Palmay. Zum 4. Male: Mamselle Nitouche. Vaudeville mit Gesang in 3 Acten von H. Meilhac und A. Millaud. Deutsch von Richard
Genée. Musik von Hervé. (Denise de Flavigny: Ilka von Polmav) Anfang7 Uhr.
Tagen.
Geoͤffnet von 12 — 11
Residenz-⸗Theater. Direction: Sigmund Lauten⸗ burg. Donnerstag: Zum 45. Male: Die beiden Champignol. (Champignol malgré Iui.) Schwank in 3 Acten von Feydeau und Desvallidres. Deutsch von Benno Jacobson. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. Anfang 7 ½ Uhr.
Freitag: Jugend. Ein Liebesdrama in 3 Acten von Max Halbe. In Scene gesetzt von Hans Meery. Sonnabend: Denise. 8 Sonntag: Jugend. 3 8
Kroll’s Theater. Silvana. Anfang 7 Uhr.
Freitag: Auf Verlangen: Mala Vita. Melo⸗ drama in 3 Acten von Giordano. (Christine: Gemme Bellincioni; Vito: Roberto Stagno, als Gäste.
Sonntag: Auf Verlangen: A Santa Lucia. Melodrama in 2 Acten von Tasca. (Rosella: Gemma Bellincioni; Ciccillo: Roberto Stagno, als Gäste.)
Donnerstag:
Victoria⸗Theater. Belle⸗Alliancestraße 7/8.
Donnerstag (letzte Woche): Mit neuer Aus⸗ stattung: Die Reise um die Welt in achtzig Tagen. Großes Ausstattungsstück mit Ballet in 5 Acten (15 Bildern) von A. d'Ennery und Jules Verne. Ballet arrangirt vom Balletmeister C. Severini. Musik von Debillemont und C. A. Raida. Anfang 7 ½ Uhr. 8
Freitag: Die Reise um die Welt in achtzig
11“
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Theater Unter den Linden. Donnerstag: Die Welt⸗Ausstellung in Chicago. Die deutsche Abtheilung in dem populären Aus⸗ stattungs⸗Ballet Columbia. Vorher: Lachende Erben. Operette von Horst und Stein. Musik von Carl Weinberger. EE“
Freitag: Zum 1. Male (vollständig neu inscenirt): Der Mikado. Vorverkauf an der Tageskasse.
Adolph Ernst⸗Theater. Donnerstag: Zum 27. Male: Goldlotte. Gesangsposse in 3 Acten von Ed. Jacobson und W. Mannstädt. Couplets theil⸗ weise von G. Görß. Musik von G. Steffens. In Scene gesetzt von Adolph Ernst. Anfang 7 ½ Uhr. Freitag und folgende Tage: Goldlotte. I1““ Sommer⸗Garten ist geöffnet.
Thomas⸗Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Donnerstag: Novitäten⸗Cyclus. Z. letzten Male: Der Herzogsmüller. Volksdrama in 4 Acten von C. Mallachow. Anfang 7 ½ Uhr. 1
Freitag: Gute Zeugnisse. — Wenn man im Dunkeln küßt.
Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. Am Landes⸗ Neeften; „Park (Lehrter Bahnhof). r. 8
1““ EE11111““ 1
Philharmonie. Donnerstag, Anfang 7 ½ Uhr: Concert vom Sängerbunde des Berliner Lehrervereins (Dirigent: Prof. Felix Schmidt), zum Besten der Lehrerwittwen und Waisen, unter gütiger Mitwirkung des Fräulein Adelina Herms, des Heren Prof. Hausmann und des Herrn Brüning.
Circus Renz (Carlstraße.) Abschieds⸗Vor⸗ stellung am 2. Mai.
heeat. Abends 7 ¼ Uhr: Auf vielseitiges Verlangen: Wiederholung der Gala⸗Sport⸗Vor⸗ stellung vom 22. April. Aus dem Programm be⸗ sonders hervorzuheben: Springschule, mit dem Schul⸗ pferde „Camelliard“ geritten von Frl, Oceana Renz. — „Maistoso“, in der hohen Schule Fastten von Frl. Ogeana Renz. — Mr. James Fillis mit dem Schulpferde „Germinal“. — Miß Edith als Jockey ꝛc. Zum Schluß in neuer Ausstattung: Die lustigen Heidelberger. Große Ausstattungs⸗Pantomime.
Freitag, Abends 7 ¼ Uhr: Große Vorstellung.
onntag: große Vorstellungen. Um 4 Uhr
(1 Kind frei) und um 7 ½ Uhr. 8
Familien⸗Nachrichten.
Verlobt: Frl. Marie Berckenkamp mit Hrn. Lieut. Hans Georg von der Marwitz (Wies⸗ baden — Frankfurt a. O.). — Frl. Zimmer mit Hrn. Kreis⸗Bauinspector en⸗
ruhl (Schweidnitz —-Oppeln). — 5 har⸗ lotte Sabeck mit Hrn. ven n⸗ Bau⸗ inspector Oscar Rosenkranz (Berlin— Stettin).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Hauptmann Emil von Frankenberg und Ludwigsdorf (Bückeburg). — örn. Oberpfarrer Jonas (Eberswalde). — Hrn. eünheganm Eberhard (Neisse). — Eine Tochter:
rn. Gymnasial⸗Director Dr. Michael (Jauer).
Gestorben: Hr. Gutsbesitzer Heinrich Baerecke (Spittelhof bei Elbing). — Hr. Majoratsherr Hugo von Wedel (Braunsforth). — Verw. Fr. Ober⸗Landesgerichts⸗Rath Emma Spangen Frß. eb. Diederichs, (Rostock). — Verw. Fr. Geh. Regierungs⸗Rath Ottilie Schätzell, geb. Schmidt (Breslau). — Hr. Pastor Hermann Mais (Karoschke). — Verw. Fr. Prediger Luise Müller, geb. Seyffert (Wittenberg).
Redacteur: J. V.: Siemenroth. Berlin: 8 Verlag der Expedition (Scholz).
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagk⸗
Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.
Acht Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage, und die amtliche Gewinnliste der 7. Marien burger “ .
Elfriede
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Berlin, Mittwoch, den 26. April
1893.
Deutscher Reichstag.
82. Sitzung vom Dienstag, 25. April, 1 Uhr. Auf der Tagesordnung steht der in der Nummer vom Dienstag mitgetheilte schleunige Antrag des Abg. Ahlwardt, der z r Begründung seines Antrages das Wort erhält.
Abg. Ahlwardt (b. k. F.): In der 72. Sitzung des Reichstags kam ich auf den Invalidenfonds zu sprechen und erklärte, daß der⸗ selbe meiner Meinung nach falsch eingerichtet sei, und führte aus: wenn schon eine Dotation für denselben geschaffen werden sollte, so hätte sie auch so hoch geschaffen werden müssen, daß die Zinsen aus⸗ reichen, damit der Fonds sich nicht selbst aufzehrt. Auf die Erinnerung des Abg. Richter, daß die Vorlage von der Regierung so gemacht worden sei, erklärte ich, daß eine Einrichtung dieser Art wesentlichen Nutzen nur für die Börse habe, und auf Zischenrufe erklärte ich weiter, daß, ehe dieses Gesetz zur Verhandlung gekommen sei, Verhandlungen hinter den Coulissen stattgefunden hätten. Es wurde mir dann ge⸗ sagt, daß solche Vorverhandlungen hinter den Coulissen bewiesen werden müßten. Ich erklärte dann, daß ich in diesem Fall be⸗ züglich des Invalidenfonds Acten nicht hätte, sondern bloß Druck⸗ sachen, wohl aber für andere Fälle. (Infolge der von der Linken laut werdenden Zwischenrufe verliest Redner seine damalige Aeußerung aus dem amtlichen stenographischen Bericht.) Da die Presse meine damaligen Behauptungen vielfach verdreht hat, so stelle ich hiermit mochmals ausdrücklich fest, daß ich beweisen soll, daß bei anderweitigen Dingen in der That schlimme Verhandlungen hinter den Coulissen stattgefunden haben, und daß von Herren, die früheren und jetzigen Mitgliedern des Reichstags und dem preußischen Finanz⸗Miͤister Dr. Miquel nahe stehen, unser Volk um Hunderte von Millionen geschädigt ist, und daß dies einen Rückschluß auf den Invalidenfonds giebt. Obwohl ich also die vollständigen Acten erst nach Ostern bringen konnte, hat der Senioren⸗Convent doch über die damals vor⸗ gelegten Acten beschlossen und erklärt, daß darin nichts enthalten sei von dem, was ich behauptet habe. Dieses Vorgehen gegen mich erklärte ich schon damals für eine Vergewaltigung, die damit motivirt wurde, daß es im Hause immer Brauch gewesen sei, für solche An⸗ griffe sofort Beweismaterial vorzulegen. Diese Erklärung des Senioren⸗Convents ist ein bedauerlicher Irrthum. Der Abg, Lasker hat seinerzeit für seine Angriffe nicht sofort Beweismaterial beigebracht, und ich erinnere ferner an all die Angriffe des Abg. Richter gegen den Reichskanzler, wobei er Actenmaterial nicht vorgelegt hat. In der⸗ selben Sitzung, in der ich hier abgeurtheilt wurde, wurde ein Mit⸗ Alied des Hauses vom Abg. Richter des schwersten Verbrechens, des Falscheides bezichtigt, wofür ein Beweis von ihm nicht erbracht, ihm auch nicht abverlangt ist. So muß ich annehmen, daß ich vom Senioren⸗Convent vergewaltigt bin. Demnächst habe ich nach Ostern verschiedene Male vergeblich ums Wort gebeten und schließlich diesen Antrag eingebracht. Ich will die Acten einer besonderen Commission und nicht dem Senioren⸗Convent überwiesen haben, weil ich mich durch diesen vergewaltigt fühle und weil ein Mitglied darin ist, das mich in letzter Zeit nicht so behandelt hat, wie es ein Abgeordneter gegen einen anderen thun soll. Abgesehen von all den unerhörten Dingen, die er über mich durch die Presse von ganz Deutschland ver⸗ breitet hat, hat er sich nicht einmal entblödet, den Präsidenten dieses Hauses in das Lügengewebe zu ziehen. Er machte in seiner Zeitung bekannt, daß der Präsident des Hauses mir gesagt habe, er wolle nur noch in Gegenwart von zwei Schriftführern mit mir verhandeln. Der Praͤsident, der mich stets in höflicher Weise behandelt hat, hat auf meine Frage in Abrede gestellt, daß er dies weder zu mir, noch zu irgend einem anderen gesagt habe. Das ist also eine unerhörte, absolut durch und durch erfundene Lüge des Abg. Richter. (Präsident von Levetzow: Ich kann nicht zulassen, daß Sie einen Abgeordneten einer Lüge bezichtigen, und rufe Sie zur Ordnung. Ich werde das weitere Material auch in der Commission, von der i erwarte, daß sie mich vorladen wird, vortragen. Ich will mich hier dem Wunsche des Präsidenten fügen und diese Thatsachen jetzt hier nicht anführen. Die Gesammtheit dessen, was mit meinem Material bewiesen werden soll, ist, daß durch den Kapitalismus, hauptsächlich vertreten durch den Herrn von Bleichröder und Herrn von Hanse⸗ mann und unter dem Beistande des damaligen Directors und Mit⸗ inhabers der Discontogesellschaft, des Herrn Miquel, unser Volk um viele Hunderte von Millionen gebracht worden ist. Es ist nicht noth⸗ wendig, daß ich zunächst darauf komme, wie ich in den Besitz der Acten gelangt bin. Als ich im Jahre 1890 in der weiteren Oeffent⸗ lichkeit durch mein Buch: Der Verzweiflungskampf der arischen Völker mit dem Judenthum, und später mit dem Buch: Der Eid eines Juden, bekannter wurde, trat eines Tages ein gewisser Meißn an mich heran und theilte mir mit, daß er einen sehr grozen Posten von Actenstücken besitze, die er mir zur Verfügung stellen wolle, weil er es für gut halte, daß ich sie genauer prüfe. Ich erklärte mich be⸗ reit, und er hat mir dann diese Acten ins Haus gebracht. Ich studirte sie und fand allerdings Dinge darin, die ich bis dahin nicht für möglich gehalten hatte. Ich fragte den Mann: Wie sind Sie in den Besitz dieser Acten gekommen? Er sagte: Ich war zu jener Zeit angestellt von der Discontogesellschaft, resp. der rumänischen Bahn. Ich hatte Zutritt Tag und Nacht zu allen Acten und habe dafür gesorgt, daß üͤberall Copirbücher vorhanden waren; ich habe alle Acten copirt, die zerrissenen Briefe und Papiere, die bei Seite geworfen waren, zu⸗ sammengeklebt, und so sind im Laufe der Jahre diese Acten entstanden. Ich fragte den Mann: Welches Interesse hat Sie dazu veranlaßt, daß Sie die Aecten jenen Leuten nahmen und in meinen Besitz bringen, von denen Sie doch Ihr Brot gehabt haben? Er erwiderte: Ich bin von großer Wuth und Haß erfüllt worden, denn meine Pflegetochter ist durch die Herren Hans von Bleichröder und Reichenheim geschändet worden. So bin ich in den Besitz der Acten gekommen. Wenn nun anderweitig behauptet wird, es wären Actenstücke, welche mir von Herrn Grünwald zum Ankauf angeboten wären, so muß ich dies be⸗ streiten. Grünwald mag d Actenstücke besitzen, aber diese sind es nicht. Aus diesen Actenstücken geht nun allerdings hervor, vf die Gesellschaft durch Herrn von Bleichröder und die Discontogesellschaft, deren Directoren die Herren Miquel und von Hansemann waren, in der grauenhaftesten Weise ausgewuchert worden ist, und zwar ohne jedes Risiko dieser Gesellschaft, da sie vollständig Deckung hatte. Fer von Gehlsen ist s. Z. wegen einer ähnlichen Behauptung zu drei Monaten Gefängniß verurtheilt worden, weil er die Belege dafür nicht erbringen konnte. Hauptzeuge war der jetzige preußische Staats⸗Minister Miquel. Derselbe sagte Folgendes aus: „Im Auf⸗ sichtsrath selber ist von der 5 Millionen⸗Anleihe bei der Reichs⸗ Hauptkasse und der Seehandlung nie die Rede gewesen. Ich selbst habe von dieser ganzen Darlehnssache überhaupt gar nichts ge⸗ wußt; ich war zu jener Zeit in Thale und habe von der Existenz des Darlehns erst Kenntniß erhalten, als hierüber im Aufsichtsrath referirt wurde; erst da habe ich erfahren, daß die Seehandlung das Geld gegen Bürgschaft hergeben wollte. Wenn behauptet wird, die Gesellschaft habe 14 ½ v. H. an uns gezahlt, so kann ich selbst aus eigener Wissen⸗ schaft nichts sagen; nach den mir gewordenen Mittheilungen aber ist es völlig unrichtig; denn es sind im Gesammtbetrage 4 v. H. Zinsen gezahlt und die Bürgen haben ½ v. H. pro Quartal Bürgschafts⸗ provision erhalten“. Auf das Vorhalten, daß sowohl die Disconto⸗ gesellschaft, wie auch Bleichröder an die Gesellschaft direet Vorschüsse zu weit höherem Zinsfuße hergegeben, deponirt Zeuge: „Es ist zuerst ein kleiner Vorschuß auf kurze Zeit zu welchem Zins⸗
besonders
atergelaufen,
denn Sie werden in der Abschrift der Acten und in den Acten selbst eine Anzahl von Briefen, die der jetzige preußische Finanz⸗Minister gezeichnet hat, finden, aus denen hervorgeht, daß in minimo 16 %, in maximo 35 vom Hundert Zinsen bezahlt worden sind, und zwar an die Discontogesellschaft sowohl als auch an die Firma Bleichröder. Diese Darlehen belaufen sich auf 20 Millionen, für welche durch⸗ schnittlich 20 % bezahlt worden sind. Ich muß dies für eine ganz ungeheure Auswucherung des nothleidenden deutschen Volkes halten seitens der Herren Hansemann, Bleichröder und Miquel. Aber nicht nur, daß die Herren ihr eigenes Geld zu so hohem Zinsfuß anlegten, sie haben sogar Staatsgelder in Anspruch genommen, um mit diesen Wucher zu treiben. Sie werden in den Acten finden einen Brief der Discontogesellschaft an das Reichskanzleramt, wo dasselbe um 4 Millionen Mark, und später die Seehandlung um 6 Millionen Mark gebeten wird. Darauf die Antwort, gez. Delbrück, daß das Darlehen bewilligt sei. Für die nominelle Bürgschaft lassen sich die Discontogesellschaft und Bleichröder 4 % allein als Pro⸗ vision bewilligen. Wenn der Abg. Miquel damals erklärte, daß nur 14 % Zinsen überhaupt genommen seien, so beruht dieser Eid auf einem Irrthum, denn es sind mehr als 14 % genommen worden. Wenn er weiter sagt: Ich habe niemals eigene Geschäfte gemacht, sondern alles, was ich gethan habe, that ich als Director der. Discontogesellschaft, so ist das wiederum ein Irrthum, denn Sie werden bei den Acten Briefe finden von Hansemann und Miquel, worin sie erklären: ich Hansemann, ich Johannes Miguel, zeichne so und so viel. Nun findet sich in den Zeitungen eine Darstellung, die fast genau übereinstimmt mit der des Senioren⸗Convents, daß nämlich die Betheiligung bei dem Bau der rumänischen Staatsbahnen eine Rettung des deutschen Kapitals gewesen wäre. Was gerettet worden ist, ist durchaus nicht das deutsche Kapital, sondern ist in die Börse der Discontogesellschaft und Bleichröder's geflossen. Das alles war nur möglich, indem die ganze Presse durch die Discontogesellschaft bestochen wurde. 21 Wiener Zeitungen er⸗ hielten für eine fünfzeilige Notiz, die günstig über die Bahn lautete, je 50 — 100 Gulden, ähnlich die Berliner Zeitungen, was sich aber so ziemlich in jeder Woche wiederholt. In den Acten finden sich Originalrechnungen von zwei Herren, die zur Bestechung der Presse nach Wien geschickt waren, über ungefähr 100 000 Thaler. Hier in Berlin ist die Presse von der Disconto⸗Gesellschaft bearbeitet worden. Wir finden in den Aecten einen Brief, in dem Herr Miquel schreibt, daß die Presse nun einmal bearbeitet werden müßte. Das kann ich voll und ganz begreifen nach der letzten Preßmache gegen mich, welche mich als einen Auswurf der Menschheit hinstellt, und von dem Oberjuden, den ich wohl nicht zu nennen brauche, in der un⸗ erhörtesten und geschicktesten Weise gemacht wird. (Heiterkeit und Zwischenrufe.) Wenn Ihnen der Ausdruck nicht gefällt, will ich sagen: Zuhälter des Judenthums. An den Kaiser wurde das Gesuch gerichtet, für die neuen Actien der rumänischen Bahn den Stempel von 250 000 Thalern zu erlassen. Ob es genehmigt wurde, darüber beweisen die Aeten leider nichts. Die Wechsel zwischen der rumäni⸗ schen Bahn und der Disconto⸗Gesellschaft gingen ungestempelt hin und her, wodurch die Reichskasse einen Verlust von 3 — 400 000 ℳ hatte. Dann finden Sie einen Brief, aus dem hervorgeht, daß die Beschlüsse der Generalversammlungen häufig durch Strohmänner herbeigeführt wurden, die Herren Horwitz und Munckel werden da Es war ein trauriger Zustand, daß sich der Führer der damals größten politischen Partei mit solchen Geschäften befaßte. Der Hauptgewinn ist natürlich den jüdischen Bankhäusern zuge allen und berechnet sich an diesem einen rumänischen Geschäft auf 50 Millionen Thaler; an anderen Geschäften wurden geradezu ungeheuerliche Summen verdient. Eine Gründung, an der Herr Miquel auch betheiligt war, war die Preußische Central⸗Bodencredit⸗ Aectiengesellschaft. Die b14“ ist wohl eine der blutigsten Gründungen gewesen, die es je gegeben hat. Die Actien wurden auf 150 getrieben und brachten im zweiten Jahre garnichts. 11 Millionen sind dem deutschen Volke daran verloren gegangen. Jetzt finde ich auch die Erklärung des Herrn Miquel hier im Reichstage vom 5. Februar 1876, daß er für sein Theil niemals Geschäfte ge⸗ macht habe. (Redner verliest dieselbe.) Es wurde damals der Ver⸗ such gemacht, so zu sagen das ganze Deutsche Reich anzukaufen, um das Land an Eisenbahngesellschaften abzugeben. Bleichröder und die Discontogesellschaft standen mit den Reichsfonds dahinter, insbesondere auch mit dem Welfenfonds, für den nur 3 % Zinsen gezahlt und 35 % verdient wurden. Die Sache mit der Braunschweiger Bahn war sehr eigenthümlich. Die Darmstädter Bank und Bleichröder mit der Discontogesellschaft kauften dieselbe, sie waren aber nur vor⸗ geschoben; jetzt sind die Actien im Besitz des preußischen Staats, der daran geradezu ungeheuerliche Verluste erleidet. Die Sachsen waren damals klüger und ließen sich nicht durch Berliner Juden aus⸗ beuten. Die schlimmste Gründung ist die Hannover⸗Altenbekener Bahn. Diese ist so theuer gebaut, wie keine einzige Bahn in ganz Deutschland. Sie konnte sich auch nicht annähernd verzinsen und erhielt schließlich aus dem Reichs⸗Invalidenfonds ein Darlehen. Nachher wurden die Aktien vom Invaliden⸗ fonds gekauft. Der Reichs⸗Invalidenfonds war mit 800 Millionen ähnlicher Papiere belastet, so auch mit denen der Köln⸗Mindener Bahn. Damit der Invalidenfonds nicht 50 Millionen Thaler an der Hannover⸗Altenbekener Bahn verlor, mußte der preußische Staat ein⸗ springen und sie mit dem Vierfachen des Werths bezahlen. Daraus kann man sehen, was für ungeheuerliche Dinge hinter den Coulissen vorgegangen sein müssen. Auch Herr von Bennigsen hatte damals die Klinke der Gesetzgebung mit in der Hand; ob er Geschäfte gemacht hat, weiß ich nicht, aber Herr Miquel hat Geschäfte gemacht. Der Reichs⸗Invalidenfonds und der Reichstags⸗Baufonds sind lediglich diesen Speculationen zu gute gekommen und die Gründe, aus denen sie ins Leben gerufen waren, kamen nicht in erster Linie in Betracht. In der Commission werde ich genaue und ausführliche Auskunft darüber geben. Sämmtliche productiven Stände des Reichs sind damals durch wenige, überaus reiche Personen, aller⸗ dings hauptsächlich Juden, voll und ganz ausgebeutet worden. Ich bin weit entfernt, irgend einen Mann persönlich anzugreifen. So wenig wie Herr Miquel hat mir eine der genannten heeswen etwas gethan, aber man muß, wenn man allgemeine Zustände darlegen will... (Abg. Rickert: Tüchtig verleumden.) Verleumdung liegt mir vollkommen fern. Irrthümer meinerseits sind nicht ausgeschlossen, aber mein Gewissen ist das beste. (Rufe: Jawohl!) Mein Zweck ist, die productiven Stände (erneute Rufe: Jawohl!) von dem Vampyr, der auf ihnen lastet, zu befreien. Abg. Rickert ruft: Ja⸗ wohl! ein Mann, der doch auch für seine Directorstelle bei der Juden⸗ schutztruppe 12 000 ℳ jährlich erhalten hat. (Langanhaltende Heiter⸗ keit und Lärm. Glocke des Präsidenten. Abg. Rickert: Heraus mit der Sprache! Namen nennen! Wen meinen Sie damit?) Herr Rickert soll nach Berichten (Abg. Rickert in höchster Erregung: „soll“! Ein Lügner, ein Verleumder sind Sie. Großer Lärm.) Daß ich den schlimmsten Gefahren ausgesetzt sein würde, wußte ich vorher, aber ich habe es für meine Pflicht gehalten, dies hier vorzubringen. In der Commission werde ich alle Einzelheiten darlegen, deshalb bitte ich, eine solche zu wählen. Sie sehen wieder, wie ich behandelt werde. Ich kann mich gegen Leute, die mich Ver⸗ leumder nennen, absolut nicht verantworten. Ich muß mir alles gefallen lassen, was in der Presse aller Parteien an unerhörten Ver⸗ leumdungen gegen mich vorgebracht wird, während es mir niemals eingefallen ist, irgend eine einzige Partei zu beleidigen. Die Gründer
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genannt.
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von denen ich gesprochen habe, sind leider in allen Parteien, besonders in der nationalliberalen vertreten, mit Ausnahme der Centrumspartei und der Socialdemokraten. Wählen Sie in die Commission auch einen der mir nahestehenden Herren: Den Abg. Pickenbach oder einen Andern! „
Bevollmächtigter zum Bundesrath, Königlich preußischer Finanz⸗Minister Dr. Miquel: .
Meine Herren! Wenn ich es hier bloß mit Herrn Ahlwardt zu thun hätte, so könnten Sie sicher sein, daß ich nicht antworten würde. (Sehr richtig!) Da aber Herr Ahlwardt die Ehre hat, Vertreter der deutschen Nation zu sein (Zuruf), da hier im Deutschen Reichstage diese unerhörten Unwahrheiten und Lügen vorgebracht werden (sehr wahr!), so halte ich mich verpflichtet, nicht in meinem Interesse, sondern im Interesse der öffentlichen Moral, im Interesse der Er⸗ haltung des Vertrauens zu den Staatsbehörden, eingehend auf diese unerhörten Beschuldigungen zu erwidern. .
Meine Herren, der Herr Abgeordnete sagt: ich will ja nur das Gute, ich stehe hier für meine Behauptungen ein! Nun, ich lade ihn ein, diese seine Behauptungen außerhalb des Reichstags (sehr gut! links) mir nur kurz zu bestätigen, so wird er sehr bald Herrn Joachim Gehlsen nachfolgen, und ich werde erwarten, ob dieser große Cato den Muth hat — was doch, wenn man Männern unter der Redefreiheit in dieser Weise angreift, eine Sache der persönlichen Ehre wäre — seine heutigen Behauptungen mir außerhalb des Reichstags zu wiederholen.
Meine Herren, der Herr Abgeordnete stützt sich auf die rumänische Actiengesellschaft und deren Handlungen. Gestatten Sie mir, auf diese Gesellschaft etwas näher einzugehen, und Sie werden sicher staunen, wie man derartige Behauptungen aufstellen kann. Diejenigen, welche die Zeit erlebt haben, werden sich erinnern, daß im Anfang der 70er Jahre der Dr. Strousberg mit einigen anderen Herren eine Concession erlangte für den Bau mehrerer hundert Kilometer Eisen⸗ bahnen in Rumänien. Es wurden, um die Kapitalien für diesen Bau aufzubringen, 7 ½ % Obligationen ausgegeben, während allerdings die Garantie für diese Obligationen, die der rumänische Staat übernahm, erst bei Fertigstellung der Eisenbahnen fällig wurde. Von diesen 7 ½ % Obligationen wurden, wenn ich nicht irre, 63 Millionen Thaler ins deutsche Publikum gebracht, und zwar vorzugsweise mit Rücksicht auf den hohen Zinsfuß gelangten diese Obligationen in die Hände kleiner Leute.
Das Unternehmen ging nun voran, scheiterte aber bald an dem Mangel der Mittel und an der Schwierigkeit der Ausführung in dem fernen Orient. Die Obligationen gingen Schritt vor Schritt herunter: sie waren zu etwa 70 ausgegeben und standen schließlich auf 35, end⸗ lich waren überhaupt keine mehr abzusetzen. Die rumänische Regie⸗ rung sah, daß die Sache nicht vorwärts ging, daß die Fristen nicht innegehalten wurden; es wurde ein eigenes Gesetz emanirt, wonach die Garantie als nicht in Kraft getreten bezeichnet, mit der Confiscation der Bahnen gedroht wurde und das ganze Unternehmen also nunmehr völlig in Frage stand.
Eine große Unruhe bemächtigte sich der Inhaber der Obligationen, überall bildeten sich Schutzcomités. Diese wendeten sich an diese beiden Bankhäuser, auf die sie auch höheren Orts verwiesen waren, mit der Bitte, sie möchten sich doch der Rettung oder des Versuchs der Rettung des deutschen Kapitals annehmen. Sehr zögernd und widerwillig — was auch wohl jeder Geschäftsmann verstehen wird — ließen sich diese Bankhäuser auf diese Sache ein. Sie gründeten, wie gesagt, nach Uebereinkommen mit dem rumänischen Staat eine Aectiengesell⸗ schaft, die in 30 Tagen aus diesen Obligationären zu bilden war. Sie erließen einen Aufruf an die Obligationäre, wonach diese sich zu melden und ihre Obligationen in Actien zu verwandeln hätten. Es
meldeten sich fast ausnahmslos alle Obligationäre. Nun wurde die
Actiengesellschaft constituirt. Es wurden Unterhandlungen mit dem rumänischen Staat angeknüpft. Derselbe war auch einverstanden, daß diese Actiengesellschaft an die Stelle der ursprünglichen Constitutionäre zu treten hätte; aber allerdings waren die Garantieverpflichtungen des rumänischen Staats erst fällig, wenn sie gleich den ursprünglichen Concessionären die Bahn rechtzeitig fertigstellte. Nun stand die Gesell⸗ schaft da; irgend welche Kapitalien waren nicht vorhanden, das Ver⸗ mögen bestand in halbfertiggestellten Eisenbahnen in Rumänien, welche sehr mangelhaft gebaut waren; die Dämme waren eingefallen, die Brücken waren eingerissen, und es war überhaupt nur noch ein geringerer Theil hergestellt. Wenn die Gesellschaft nicht rechtzeitig und bedingungs⸗ mäßig die Eisenbahnen fertigstellte, so hatte sie nichts, das deutsche Kapital blieb verloren. Nun stellen Sie sich einmal in die Lage dieser Bankhäuser; wenn sie Vorschüsse gaben, so hatten sie dasselbe Risico, was die Actionäre hatten; denn gelang dieser schwierige Ver⸗ such nicht, in der kurz gestellten, noch übrig gebliebenen Frist diese Bahnen fertigzustellen, so waren die Vorschüsse der Banken ebensogut verloren, wie die Actien der Actionäre, dann war eben nichts da. Das waren so ungeheuer riskante Geschäfte, hier Vorschüsse zu geben, daß wir oft in der Discontogesellschaft erwogen haben, ob man es überhaupt noch weiter verantworten könnte gegen die eigenen Actionäre, immer steigende Vorschüsse in einer Höhe zu geben, die schließlich die größten Schwierigkeiten auch für die Discontogesell⸗ schaft selbst zur Folge haben konnten.
Meine Herren, nun hat der Angeklagte sich darauf gestützt (Große Heiterkeit) — hat der Abgeordnete sich darauf gestützt, daß die Gesellschaft den Bahnbau in Rumänien nicht selbst ausgeführt, sondern denselben der österreichischen Staatsbahn übertragen hat. Ja, meine Herren, wir waren unendlich glücklich, als dieses gelang. Denn die Beamten, die da von Strousberg her sich vorfanden, waren meistens von der Beschaffenheit, daß wir ihnen keinerlei Vertrauen schenken konnten; und wenn es auch anders gewesen wäre, so waren wir garnicht im stande, in der kurzen Zeit einen so gewaltigen Bahnbau von noch vielen hundert Kilometern fertig zu stellen ohne die geordneten Kräfte einer Bahn, die da in der Nähe sich befand, und deswegen wurde der ganze Bau und Betrieb in Rumänien vertragsmäßig der österreichisch⸗französischen Staatsbahn übertragen. Es wurde eine General⸗Direction in Bukarest eingesetzt.
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